Doppelbesteuerungsabkommen (DBA): Kommentar [2. neu bearbeitete Auflage] 9783504386115

Der Kommentar erläutert das OECD-Musterabkommen systematisch und geht auf die Abkommenspolitik und das Verhältnis zu EU-

221 58 13MB

German Pages 2096 Year 2019

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Doppelbesteuerungsabkommen (DBA): Kommentar [2. neu bearbeitete Auflage]
 9783504386115

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Schönfeld · Ditz Doppelbesteuerungsabkommen · Kommentar

Schönfeld · Ditz

Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar herausgegeben von

Prof. Dr. Jens Schönfeld Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Bonn Honorarprofessor an der Universität Osnabrück

Dr. Xaver Ditz Steuerberater in Bonn Lehrbeauftragter an der Universität Trier

2. Auflage

2019

Bearbeiter Christiane Bourseaux

Dr. Andreas Körner, LL.M. (Tax)

Steuerberaterin in Düsseldorf

Dr. Nadya Bozza

Rechtsanwalt und Steuerberater, Steuerabteilungsleiter International/ Finanzierung/Umwandlungen in Wolfsburg

Richterin am Finanzgericht in Köln

Univ.-Prof. Dr. Steffen Lampert

Silke Bruns

Professor an der Universität Osnabrück

Ministerialrätin im Bundesministerium der Finanzen in Berlin

Dr. Daniel Liebchen

Ernst Czakert

Steuerberater in Hamburg

Ministerialrat im Bundesministerium der Finanzen in Berlin

Dr. Bettina Lieber

Dr. Xaver Ditz

Dr. Carsten Meinert

Steuerberater in Bonn

Richter am Finanzgericht in Köln

Dr. Ralf Dremel Rechtsanwalt und Steuerberater in Düsseldorf

Benedikt Ellenrieder

Rechtsanwältin und Steuerberaterin in Düsseldorf

Prof. Dr. Carsten Pohl, LL.M. Professor an der Fachhochschule für Finanzen in Nordkirchen

Rechtanwalt in Bonn

Thomas Rauert

Karsten Flüchter

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Hamburg

Regierungsdirektor im Bundeszentralamt für Steuern in Bonn

Dr. Carsten Schlotter Rechtsanwalt und Steuerberater in Bonn

Dr. Nils Häck Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Bonn

Dr. Christian Hick

Prof. Dr. Jens Schönfeld Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Bonn

Steuerberater in Bonn

Daniele Sendler

Franz Hruschka

Rechtsanwältin und Steuerberaterin in Düsseldorf

Leitender Regierungsdirektor im Finanzamt in München

Prof. Dr. Vassil Tcherveniachki Steuerberater in Bonn

Zitierempfehlung: Verfasser in Schönfeld/Ditz2, Art. 1 OECD-MA, Rz. 7

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-23110-1 ©2019 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort zur 2. Auflage Seit dem Erscheinen der ersten Auflage sind fast sechs Jahre vergangen. Eigentlich keine lange Zeit. Und doch hat sich die Welt in wirtschaftlicher, politischer und steuerlicher Hinsicht in einer Weise verändert, wie man es zu Beginn der Arbeiten an diesem Kommentar nicht hätte ahnen können. Während in wirtschaftlicher Hinsicht die Welt immer globaler wird und Grenzen zunehmend an Bedeutung verlieren, sehen wir uns in politischer Hinsicht einer wachsenden Betonung nationaler Interessen sowie des Nationalstaates ausgesetzt. In diesem Spannungsfeld tragen die beiden größten Ökonomien der Welt, die USA und China, einen wirtschaftlichen Konflikt aus, der auch bald das (uneinige und wahrscheinlich um das Vereinigte Königreich reduzierte) Europa erfassen dürfte. Internationale Institutionen und deren Regeln scheinen immer mehr an Bedeutung zu verlieren. Diese Entwicklung spiegelt sich auf der steuerlichen Bühne wider: Während auf der einen Seite der Wettbewerb der Steuerstaaten, auch angefacht durch eine US-Steuerreform mit einer Reduzierung der Körperschaftsteuer auf 21 %, zunehmend an Geschwindigkeit gewinnt, haben sich dieselben Steuerstaaten auf der anderen Seite zusammengetan, um einer Erosion ihrer Steuerbasis aufgrund „aggressiver Steuergestaltungen“ zu begegnen. Gesetzgeberische Maßnahmen auf der Grundlage insbesondere von ATAD und BEPS haben die nationalen Steuerrechtsordnungen nachhaltig verändert. Martin Kreienbaum zeichnet diese Entwicklung anschaulich in seinem Geleitwort zu dieser Auflage nach. Wir sind sehr froh und dankbar, ihn als intimen Kenner und Gestalter der Materie hierfür gewonnen zu haben. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist es fast schon erstaunlich, dass das in diesem Werk erläuterte OECD-Musterabkommen nach wie vor die Richtschnur für den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen bildet und damit einen gewissen Stabilitätsanker darstellt. Allerdings hat auch das OECD-Musterabkommen entsprechende Änderungen infolge der Arbeiten rund um BEPS erfahren. Die vorliegende Kommentierung hat diese bereits berücksichtigt und das Update des OECD-Musterabkommens vom 18.12.2017 zugrunde gelegt. Da dieses allerdings bislang nur in englischer und französischer Sprache vorliegt, wurde eine selbständige Übersetzung in die deutsche Sprache vorgenommen. Zudem wurden aufgrund der Tatsache, dass in den allermeisten deutschen Doppelbesteuerungsabkommen diese Änderungen noch nicht reflektiert sind, für gravierend überarbeitete Artikel eine parallele Kommentierung der alten und der neuen Version beibehalten. Den Autoren sei an dieser Stelle ganz herzlich für die erhebliche Doppelarbeit gedankt. Dies gilt insbesondere für Franz Hruschka, der die Kommentierung der neuen Fassung des Art. 5 übernommen hat. Ein weiteres wesentliches Ergebnis des BEPS-Prozesses ist das „Multilaterale Instrument“. Wir hatten überlegt, wie wir dieses am Besten in den Kommentar integrieren. Klar war, dass das MLI erläutert werden muss, die Frage war lediglich die, ob in einer eigenständigen Kommentierung oder im Rahmen der einzelnen Artikel. Letztlich haben wir uns dafür entschieden, einen Überblick über das MLI im Rahmen der (in der Praxis außerordentlich gut aufgenommenen) „Systematik“ zu geben und die konkreten Auswirkungen dann im Rahmen der jeweiligen Regelung des OECD-Musterabkommens zu besprechen. Wir hoffen, dass das im Interesse unserer Leserschaft ist. Seit der Erstauflage hat auch das Europäische Beihilfenrecht zunehmend an Bedeutung für das innerstaatliche Steuerrecht gewonnen. Der Europäische Gerichtshof legt hier sehr strenge Prüfungsmaßstäbe an und dringt damit vergleichsweise weit in den Kompetenzbereich der nationalen Steuergesetzgeber vor, und zwar unabhängig davon, ob die betreffende Steuerregelung einen grenzüberschreitenden Sachverhalt betrifft oder nicht. Die Europäische Kommission hat diese Kraft des Beihilfenrechts erkannt und schickt sich an, darüber entsprechenden Einfluss auf das innerstaatliche Steuerrecht der Mitgliedstaaten zu nehmen. Man wird sehen, wohin dies führt, der Einfluss ist jedenfalls nicht zu unterschätzen. Umso mehr freuen wir uns, mit Dr. Benedikt Ellenrieder einen Autor hinzugewonnen zu haben, der als ausgewiesener Kenner den Einfluss des Europäischen Beihilfenrechts auf das Internationale Steuerrecht (insbesondere auf das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen) gemeinsam mit einem der Herausgeber erstmals ausführlich im Rahmen der Systematik erörtert. Darüber hinaus danken wir Karsten Flüchter ganz herzlich dafür, dass er die neue EU-Streitbeilegungsrichtlinie unter Berücksichtigung des Referentenentwurfs zum EU-Doppelbesteuerungsabkommen-Streitbeilegungsgesetz in dieser Auflage erstmals und außerordentlich detailreich erörtert. Gleiches gilt für Silke Bruns, die den neuen Art. 29 (Entitlement to Benefits) mit dem erfahrenen und kritischen Blick einer mit der Materie täglich befassten Beamtin großartig kommentiert hat. Und natürlich danken wir allen anderen Autoren ganz herzlich für ihr außerordentliches Engagement, mit welchem sie die zweite Auflage unter hohem zeitlichen und persönlichen Einsatz neben ihrer beruflichen und privaten Einbindung geschaffen haben. Ohne sie alle wäre dieses Werk nicht möglich geworden.

VII

Vorwort zur 2. Auflage

Unser Dank gilt schließlich auch unseren beiden Lektoren, Ass. jur. Michael Kunze, LL.M. und Dipl.-Kfm. Daniel Dahl, die die zweite Auflage unseres Kommentars sehr professionell und – falls geboten – mit der notwendigen Nachsicht gegenüber den Autoren betreut haben. Abschließend wünschen wir Ihnen, liebe Leser, dass Sie Freude bei der Lektüre haben und das Werk Ihnen bei der täglichen Arbeit eine Hilfe im Umgang mit dem (immer komplexer werdenden) Recht der Doppelbesteuerungsabkommen ist. Bleiben Sie uns gewogen. Bonn, im fast schon hochsommerlichen Juni 2019 Ihre Prof. Dr. Jens Schönfeld und Dr. Xaver Ditz

VIII

Vorwort zur 1. Auflage Das internationale Steuerrecht hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Waren es früher primär große (bekannte) Unternehmen, die grenzüberschreitende Aktivitäten in erheblichem Umfange entfalteten, gibt es heute fast kein Unternehmen mehr, das nicht internationale Berührungspunkte hat. Entsprechend müssen sich nicht nur die Unternehmen und ihre Berater, sondern auch die Finanzgerichte sowie die Finanzverwaltung in ihrer praktischen Arbeit immer stärker mit dem internationalen Steuerrecht auseinandersetzen. Neben dem Außensteuergesetz und den in allgemeinen Steuergesetzen enthaltenen international-steuerrechtlichen Vorschriften spielen dabei die von Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen eine hervorgehobene Bedeutung. Lag der primäre Zweck dieser Abkommen früher (entsprechend ihrer Bezeichnung) darin, eine den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr behindernde Doppelbesteuerung zu vermeiden, die daraus resultieren kann, dass mehrere Staaten auf ein und dasselbe Steuersubstrat zugreifen, gewinnt man heute zunehmend das Gefühl, dass sich das Gewicht zunehmend hin zu einer Verhinderung der Doppelnichtbesteuerung verschiebt. Das künftig als Verhandlungsmuster dienende und am 18. April 2013 vorgestellte deutsche Musterabkommen belegt diese Entwicklung. Ungeachtet dessen ist es so, dass sich sowohl das Verhandlungsmuster als auch die deutsche Abkommenspolitik stark am Standard der OECD orientiert. Vor diesem Hintergrund steht das OECD-Musterabkommen im Zentrum des vorliegenden Kommentars. Die Idee bestand dabei darin, einen Kommentar zu schaffen, dem der schwierige Spagat zwischen wissenschaftlicher Gründlichkeit und praktischer Handhabbarkeit gelingt, ohne zugleich den Umfang eines Großkommentars anzunehmen. Das Autorenteam, bestehend aus namhaften Vertretern der Finanzgerichtsbarkeit, der Finanzverwaltung, der Beraterschaft und der Wissenschaft, hat sich diesem Anliegen verpflichtet. Die Autoren nähern sich zwar aufgrund ihrer jeweiligen Profession aus unterschiedlichen Richtungen der bearbeiteten Abkommensvorschrift. Eins eint aber alle, dass sie nämlich aufgrund ihrer praktischen Tätigkeit über eine große Sachnähe zu der jeweiligen Vorschrift verfügen. Der Leser unseres Kommentars wird daher neben den notwendigen theoretischen Überlegungen insbesondere die für die Praxis relevanten Probleme aus praktischer Hand aufbereitet finden. Der Aufbau der Kommentierung orientiert sich streng am Aufbau der einzelnen Vorschriften des OECDMA. Die Kommentierung erfolgt Absatz für Absatz und Satz für Satz. Der Inhalt der einzelnen Randziffern wird durch fett hervorgehobene Schlagworte am Anfang des jeweiligen Absatzes umrissen. Diese Schlagworte wurden allerdings zugunsten der Übersichtlichkeit nicht in die Gliederung übernommen. Im Anschluss an die jeweilige Kommentierung der Vorschrift des OECD-MA folgt die Kommentierung der korrespondierenden Regelung in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen für ausgewählte Industriestaaten. Die Auswahl erfolgte danach, zu welchem Staat Deutschland wichtige Wirtschaftsbeziehungen unterhält (Belgien, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Russland, Schweiz, Spanien und USA). Die Kommentierung der einzelnen Länderabkommen orientiert sich daran, dass zunächst die Abweichungen zum OECD-MA und sodann die daraus resultierenden Konsequenzen dargestellt werden. Neben dem OECD-MA und den einzelnen Länderabkommen enthält das Werk auch eine umfassende Kommentierung des EU-Amtshilfegesetzes (Anhang 1), des EU-Beitreibungsgesetzes (Anhang 2) sowie des Tax Information Exchange Agreement (Anhang 3). Trotz der zeitlichen Nähe der Veröffentlichung der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen zur Drucklegung des Kommentars konnten wir die gesamte deutsche Verhandlungsgrundlage kurzfristig im Zusammenhang erläutern und dem Kommentar als Anhang 4 beifügen. Es ist geplant, dass die deutsche Verhandlungsgrundlage in den kommenden Auflagen innerhalb der einzelnen Kommentierungen der Vorschriften des OECD-MA berücksichtigt wird. Der Kommentierung des OECD-MA wurde im Grundsatz die Fassung zum 22. Juli 2010 zugrunde gelegt. Eine Ausnahme bildet Art. 7 (Unternehmensgewinne), der mit Blick auf die frühere deutsche Abkommenspraxis sowohl in seiner alten Fassung als auch in der des sog. „Authorized OECD Approach“ kommentiert worden ist. Zudem befindet sich Art. 26 (Informationsaustausch) auf dem Stand des Updates vom 18. Juli 2012. Die Länderabkommen sind zum Teil bereits in der Fassung kommentiert, in der sie demnächst erst in Kraft treten werden. Diese Vorgehensweise war notwendig geworden, weil einzelne Abkommen während der Erstellungsphase des Kommentars bereits abgeschlossen waren (bzw. wurden), aber deren Inkrafttreten nicht sicher prognostiziert werden konnte. In jedem Fall sollte aber vermieden werden, dass der Kommentar kurz nach seinem Erscheinen in Teilen überholt ist. Wir hoffen, in Ihrem Interesse gehandelt zu haben. Die deutsche Verhandlungsgrundlage ist auf dem Stand der am 18. April 2013 veröffentlichten Fassung.

IX

Vorwort zur 1. Auflage

Abschließend möchten wir uns bei allen Beteiligten bedanken, die durch ihr Engagement das Entstehen des vorliegenden Kommentars überhaupt möglich gemacht haben. Hervorzuheben sind dabei natürlich die Autoren, die unter hohem zeitlichen und persönlichen Einsatz neben ihrer beruflichen und privaten Einbindung die vorliegenden Kommentierungen geschaffen haben. Besonders danken möchten wir auch unserem Lektor, Ass. iur. Michael Kunze, LL.M., der das Projekt von Anfang an mit großer Begeisterung vorangetrieben und begleitet hat. Und was wäre das Buch ohne Sie als Leser? Nur Papier zwischen Buchdeckeln. Daher sind Sie unbedingt aufgefordert, uns Ihre Wünsche und Anregungen mitzuteilen. Zögern Sie nicht, mit uns in die auch gegebenenfalls kritische Diskussion einzutreten. Das kann den Kommentar nur (noch) besser machen. Bonn, im endlich frühlingshaften April 2013 Dr. Jens Schönfeld und Dr. Xaver Ditz

X

Geleitwort Der Schönfeld/Ditz-Kommentar zu Doppelbesteuerungsabkommen ist ein Werk von Praktikern für Praktiker. In Aufbau und Duktus dem Anwender zugewandt, beweist das Erscheinen der zweiten Auflage, dass sich das gewählte Konzept bewährt und der Kommentar am Markt etabliert hat. Die Welt des Internationalen Steuerrechts befindet sich im Umbruch. Die mit der „Globalisierung“ stetig zunehmende internationale Verflechtung von Wirtschafts- und Unternehmensbeziehungen spiegelt sich in vielen Facetten der internationalen Steuerpolitik und des Internationalen Steuerrechts wider. Seit Erscheinen der ersten Auflage des Kommentars im Jahre 2013 hat das OECD-Großprojekt zur Verhinderung von Gewinnverschiebungen und der Erosion der Bemessungsgrundlage (BEPS) eine Reihe auch abkommensrechtlich relevanter Änderungen hervorgebracht: In die Präambel des OECD-Musterabkommens 2017 wurde ein Bezug zur Nicht- und Niedrigbesteuerung aufgenommen und die Regelungen zur Verhinderung einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen wurden ergänzt. Eine weitere wesentliche Änderung des OECD-MA 2017 betrifft die Definition der Betriebsstätte. Die Einfügung der Präambel und die Aufnahme von Regelungen zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch wurden zu Mindeststandards erklärt, zu deren Berücksichtigung sich die mittlerweile 123 Staaten des sogenannten Inclusive Framework on BEPS politisch verpflichtet haben. Der Mindeststandard umfasst zudem einen abkommensrechtlich verbürgten Zugang zu Verständigungsverfahren. Die abkommensbezogenen Regelungen des BEPS-Projektes, seien es Mindeststandards oder Empfehlungen, werden auch die deutsche DBA-Politik nachhaltig prägen. Die Neuerungen bilden einen Schwerpunkt der zweiten Auflage des Schönfeld/Ditz. Der neue Art. 5 im OECD-MA 2017 wird separat kommentiert. Eine Besonderheit des Kommentars bildet der sehr hilfreiche und der Kommentierung vorangestellte Teil zur Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen. In diesem Teil wird in der Neuauflage auch das sogenannte Multilaterale Instrument (MLI), ein mehrseitiger völkerrechtlicher Vertrag zur Umsetzung der abkommensbezogenen BEPS-Ergebnisse, vorgestellt und detailliert kommentiert. 84 Staaten, darunter auch Deutschland, haben diesen Vertrag mittlerweile unterzeichnet und Entscheidungen darüber getroffen, welche der dort angebotenen Abkommensänderungen sie akzeptieren. Soweit die von den jeweiligen Unterzeichnerstaaten getroffenen Auswahlentscheidungen übereinstimmen, das MLI innerstaatlich ratifiziert und etwaige sonstige innerstaatliche Umsetzungserfordernisse erfüllt sind, werden durch das MLI bilaterale Abkommensverhältnisse geändert. Für einige Staaten ist dies bereits geschehen, die hohen innerstaatlichen Umsetzungsvoraussetzungen in Deutschland erfordern allerdings ein komplexeres Vorgehen und mehr Zeit. Dies ist auch der Grund, warum Deutschland die abkommensbezogenen BEPS-Ergebnisse weit überwiegend durch bilaterale Abkommensrevisionen umgesetzt hat bzw. umsetzen wird. Wie in der Vorauflage geht der Blick über das OECD-Muster-DBA hinaus. Kommentiert werden auch das OECD-Musterabkommen zum Informationsaustausch in Steuersachen (TIEA), das EU-Amtshilfegesetz mit seinen diversen Neuerungen, das EU-Beitreibungsgesetz sowie die deutsche Verhandlungsgrundlage für DBA. Mit Blick auf die an Bedeutung stark zunehmenden Streitbeilegungsverfahren werden die Kommentierungen des EU-Beitreibungsgesetzes und der EU-Schiedsrichtlinie große Relevanz für die Praxis haben. Die vollständige Voranstellung der relevanten Bezugstexte sowie der der Kommentierung jeder Vorschrift angefügte knappe, aber präzise Überblick zur deutschen Verhandlungsgrundlage und zu den deutschen DBA mit den wichtigsten Industriestaaten erhöht den praktischen Nutzwert des Kommentars enorm. Für den am Internationalen Steuerrecht Interessierten ist der Schönfeld/Ditz weit mehr als ein aktuelles Nachschlagewerk zur Lösung abkommensrechtlicher Einzelfragen. Der Kommentar vermittelt einen tiefen Einblick in die Welt der Doppelbesteuerungsabkommen, deren Logik, Systematik und praktische Handhabung. Martin Kreienbaum

XI

Inhaltsübersicht Seite

Vorwort zur 2. Auflage . . Vorwort zur 1. Auflage . . Geleitwort . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . Gesamtliteraturverzeichnis

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VII IX XI XV XXIII

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen (Schönfeld/Häck/Ellenrieder) . . . . . . . . . . . . . .

1

Abschnitt I. Geltungsbereich des Abkommens Artikel 1 Artikel 2

Unter das Abkommen fallende Personen (Dremel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unter das Abkommen fallende Steuern (Dremel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 157

Abschnitt II. Begriffsbestimmungen Artikel 3 Artikel 4 Artikel 5 (2014) Artikel 5 (2017)

Allgemeine Begriffsbestimmungen (Pohl) Ansässige Person (Pohl) . . . . . . . . . . Betriebstätte (Hruschka) . . . . . . . . . . Betriebstätte (Hruschka) . . . . . . . . . .

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183 229 271 349

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Lieber) . . . . . . . . . . Unternehmensgewinne (Ditz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unternehmensgewinne (Ditz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt (Rauert) . . . . . . Internationale Schifffahrt und Luftfahrt (Rauert) . . . . . . . . . . Verbundene Unternehmen (Ditz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dividenden (Schönfeld) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zinsen (Körner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lizenzgebühren (Bozza) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen (Lieber) . . . . . . . Selbständige Arbeit (Tcherveniachki) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkünfte aus unselbständiger Arbeit (Bourseaux/Sendler/Rauert) Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen (Tcherveniachki) . Künstler und Sportler (Schlotter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ruhegehälter (Hick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentlicher Dienst (Lampert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studenten (Lampert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andere Einkünfte (Tcherveniachki) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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383 419 537 559 609 617 695 813 885 939 985 1009 1089 1107 1165 1205 1241 1263

Abschnitt III. Besteuerung des Einkommens Artikel 6 Artikel 7 (2008) Artikel 7 (2017) Artikel 8 (2014) Artikel 8 (2017) Artikel 9 Artikel 10 Artikel 11 Artikel 12 Artikel 13 Artikel 14 a.F. Artikel 15 Artikel 16 Artikel 17 Artikel 18 Artikel 19 Artikel 20 Artikel 21

XIII

Inhaltsübersicht

Abschnitt IV. Besteuerung des Vermögens Seite

Artikel 22

Vermögen (Tcherveniachki) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1291

Abschnitt V. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Artikel 23A/B

Befreiungsmethode (Schönfeld/Häck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1311

Abschnitt VI. Besondere Bestimmungen Artikel 24 Artikel 25 Artikel 26 Artikel 27 Artikel 28 Artikel 29 Artikel 30

Gleichbehandlung (Bruns) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verständigungsverfahren (Flüchter/Liebchen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationsaustausch (Czakert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Amtshilfe bei der Erhebung von Steuern (Czakert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen (Meinert) Berechtigung zu Steuervergünstigungen (Bruns) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstreckung des räumlichen Geltungsbereichs (Meinert) . . . . . . . . . . . . . . .

1391 1461 1687 1723 1745 1765 1797

Abschnitt VII. Schlussbestimmungen Artikel 31 Artikel 32

Inkrafttreten (Meinert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung (Meinert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1807 1823

Anhänge Anhang 1 Anhang 2 Anhang 3 Anhang 4 Anhang 5

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1833 1867 1895 1923

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1983

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1989

XIV

EU-Amtshilfegesetz (Czakert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EU-Beitreibungsgesetz (Czakert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tax Information Exchange Agreement (Czakert) . . . . . . . . . . . . . . . Deutsches Muster-DBA (Schönfeld/Ditz/Schlotter/Häck) . . . . . . . . . . Stand der Doppelbesteuerungsabkommen und anderer Abkommen im Steuerbereich sowie der Abkommensverhandlungen am 1. Januar 2019, BStBl. I 2019, 31 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABl. EG ABl. EU Abs. Abschn. AcP a.E. AEAO AEAStG AEUV a.F. AfA AG AktG Alt. a.M. amtl. Anh. Anm. AO AOA ArbG ArbN ArbnErfG ArGe Art. AStG ATAD ATE Aufl. AÜG AuslInvG AVR AWD Az.

andere(r) Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bis Januar 2003) Amtsblatt der Europäischen Union (ab Februar 2003) Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende Anwendungserlass zur Abgabenordnung Anwendungserlass zum Außensteuergesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Absetzung für Abnutzung Aktiengesellschaft; auch „Die Aktiengesellschaft“ (Zeitschrift) Aktiengesetz Alternative anderer Meinung amtlich Anhang Anmerkung Abgabenordnung Authorised OECD Approach Arbeitgeber Arbeitnehmer Gesetz über Arbeitnehmererfindungen Arbeitsgemeinschaft Artikel Außensteuergesetz Anti-Tax Avoidance-Richtlinie Auslandstätigkeitserlass Auflage Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung Auslandsinvestmentgesetz Archiv des Völkerrechts (Zeitschrift) Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift) Aktenzeichen

BaFin BAO BB BBergG BBEV Bd. BDI BEAT Begr. BEPS Beschl. BeSt betr. bevak BewG BewRGr BFH BFHE

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesabgabenordnung (Österreich) Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesberggesetz Beraterbrief Erben und Vermögen (Zeitschrift) Band Bundesverband der Deutschen Industrie Base Erosion Anti-Abuse Tax Begründung Base Erosion and Profit Shifting Beschluss Beratersicht zur Steuerrechtsprechung (Zeitschrift) betreffend beleggingsvennootschap met vast kapitaal Bewertungsgesetz Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens Bundesfinanzhof Entscheidungssammlung des BFH

XV

Abkürzungsverzeichnis

BFH/NV BGB BGBl. BIFD BLIT BMVBS BMF BPT BR-Drucks. Bsp. BStBl. BT-Drucks. BTR Buchst. BV BVerfG bzgl. BZSt bzw.

BFH/NV (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I oder II Bulletin for International Fiscal Documentation Branch Level Interest Tax Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Bundesministerium der Finanzen Branch Profits Tax Drucksachen des Bundesrates Beispiel Bundessteuerblatt Teil I, II oder III Drucksachen des Bundestages British Tax Review Buchstabe Besloten Vennootschap met beperkte aansprakelijkheid Bundesverfassungsgericht bezüglich Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise

C-Corp CDFI CFC CGI Coop Corp CPM CTA CV CVoA

Subchapter C Corporation Cahiers de Droit Fiscal International Controlled Foreign Company Général des impôts Coöperatie Corporation Comparable Profit Method Covered Tax Agreement/Contractual Trust Arrangement(s) Commanditaire Vennootschap Commanditaire Vennootschap op Andelen

DB DBA DEG ders. DE-VG d.h. dies. DK D/P/M D/P/P/M DRE DStJG

Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft derselbe Deutsche Verhandlungsgrundlage für DBA das heißt dieselbe(n) Der Konzern (Zeitschrift) Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungsteuerrecht Disregarded Entity (US) Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. (Tagungsbände) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Dispute Settlement Understanding Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift)

DStR DStRE DStZ DSU DSWR -E EAS EBIT EC Tax Review ECSD EFG EG

XVI

(Gesetzes-) Entwurf Express-Antwort-Service des BMF (Österreich) Earnings before interest and taxes European Communities Tax Review (Zeitschrift) European Convention on the Settlement of Disputes Entscheidungssammlung der Finanzgerichte (Zeitschrift) Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Amsterdam

Abkürzungsverzeichnis

EGBGB E/J/G/K ErbbauRG ErbStG EStB EStDV EStG EStR ET et al. EU EuGH EuGHE EuGH-URep EUSchK EuZW EWIV EWR EWS

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/USA Gesetz über das Erbbaurecht Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Einkommensteuerberater (Zeitschrift) Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuerrichtlinien European Taxation (Zeitschrift) et alii Europäische Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungssammlung des EuGH EuGH-Umsatzsteuerreport EU-Schiedsverfahrenskonvention Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)

f. FA FCP FCPR FCR F&E ff. FG FGO FinMin FinVerw. FIS-Status FlaggRG FlRV F/M Fn. Fondo Chiuso FR FRL FS FVerlV FVG F/W/B/S F/W/K FZA

folgende (eine Seite) Finanzamt Fonds commun de placement Fonds Commun de Placement à Risque Fondo capital riesgo Forschung und Entwicklung fortfolgende (mehrere Seiten) Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Finanzministerium Finanzverwaltung Fonds d’Investissement Spécialisé Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe Flaggenrechtsverordnung Frotscher/Maas, Körperschaftsteuer/Gewerbesteuer/Umwandlungssteuer Fußnote Fondi Comuni de Investimento Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Fusions-Richtlinie Festschrift Funktionsverlagerungsverordnung Finanzverwaltungsgesetz Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Deutschland-Schweiz Freizügigkeitsabkommen

GA GAAR GATS GATT GAufzV GbR GebrMG gem. GenG GeschmMG GewStG

Generalanwalt allgemeine Missbrauchsvorschrift(en) General Agreement on Trade in Services General Agreement on Tariffs and Trade Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes Gebrauchsmustergesetz gemäß Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Geschmacksmustergesetz Gewerbesteuergesetz

XVII

Abkürzungsverzeichnis

GewStR ggf. GILTI G/K/G/K GKKB GmbH GmbHG GmbHR GmbH-StB GP GrEStG GrS GS GStB GuV

Gewerbesteuer-Richtlinien gegebenenfalls Global Intangible Low-Taxed Income Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, DBA Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuerberater (Zeitschrift) General Partnership Grunderwerbsteuergesetz Großer Senat Gedächtnisschrift Gestaltende Steuerberatung (Zeitschrift) Gewinn- und Verlustrechnung

Halbs. HB II HGB H/H/R H/H/Sp h.M. Hrsg.

Halbsatz Handelsbilanz 2 Handelsgesetzbuch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung herrschende Meinung Herausgeber

IAS IBFD ICSID i.E. i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.e.S. IFA IFRS IGH i.H.v. Inc. INF Intertax InvFR InvG InvStG InvZulG IPO IPrax IRS i.S. ISR IStR ITPJ i.V.m. IWB

International Accounting Standard International Bureau of Fiscal Documentation Internation al Centre for Settlement of Investment Disputes im Einzelnen/im Ergebnis in der Fassung in der Regel in dem Sinne im engeren Sinne International Fiscal Association International Financial Reporting Standard Internationaler Gerichtshof in Höhe von Incorporated Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) International Tax Review (Zeitschrift) Investitionsfondsrichtlinie (Österreich) Investmentgesetz Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Initial Public Offering Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internal Revenue Service im Sinne Internationale Steuer-Rundschau (Zeitschrift) Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) International Transfer Pricing Journal (Zeitschrift) in Verbindung mit Internationale Wirtschafts-Briefe

JbFStR JStG JTPF jurisPR JV

Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Jahressteuergesetz Joint Transfer Pricing Forum juris Praxisreport Joint Venture

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

KAG Kap. KG KGaA KonsVerCHEV KonsVerNLDV KÖSDI K/S/M KStG KStR KunstUrhG KüSchV KWG

Kapitalanlagegesellschaft Kapitel Kommanditgesellschaft Kommanditgeselschaft auf Aktien Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung Deutsch-Niederländische Konsultationsvereinbarungsverordnung Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Kunsturhebergesetz VO über die Küstenschifffahrt Gesetz über das Kreditwesen

LBO L/B/P lit. LLC LLLP LLP LP LoB Ltd. LuftVG

Leveraged Buy-Out Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht Litera Limited Liability Company Limited Liability Limited Partnership Limited Liability Partnership Limited Partnership Limitation on Benefits Private Company Limited by Shares, Limited Luftverkehrsgesetz

MA m. Anm. MarkenG m.a.W. MEMAP MFN-Klauseln Mio. MLI MoMiG MoRaKG MTR MüKo m.w.N. MwStSystRL

Musterabkommen mit Anmerkung(en) Markengesetz mit anderen Worten Manual on Effective Mutual Agreement Procedures (OECD) „Most favored nation“-Klauseln Million(en) Multilaterales Instrument Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen Mutter-Tochter-Richtlinie Münchner Kommentar mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuersystemrichtlinie

n.F. NL Nr. NV NZG

neue Fassung Niederlande Nummer Naamloze Vennootschap Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OECD OECD-MA

Organization for Economic Cooperation and Development OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen OECD-Musterkommentar Organisation for European Economic Co-operation (Vorgängerorganisation der OECD) Oberfinanzdirektion offene Handelsgesellschaft Schweizerisches Obligationsrecht

OECD-MK OEEC OFD OHG OR

XIX

Abkürzungsverzeichnis

p.a. PartGG PatG PersG PIStB plc PLN PPT PRICAF-Status Privak PSM PTLP

per annum Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Patentgesetz Personengesellschaft Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Public Limited Company Polnischer Zloty Principal-Purpose(s)-Test Private equity à capital fixe Private Equity bevak Profit Split Method Publicly Traded Limited Partnership

RabelZ RAP REIT RFH R/H/vL RIC RIW rkr. RL Rs. Rspr. RStBl. Rz.

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Rechnungsabgrenzungsposten Real Estate Investment Trust Reichsfinanzhof Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz Regulated Investment Company Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) rechtskräftig Richtlinie Rechtssache Rechtsprechung Reichssteuerblatt Randzahl

S S. S.A. SAAR Sàrl SC SCA Schr. SchRegO S-Corp SCR SCS SE SEStEG

Schweden Seite, siehe Société anonyme; Sociéta a accomandita spezifische Missbrauchsvorschrift(en) Société à responsabilité limitée Sociedad en comandita Société en Commandite par Actions Schreiben Schiffsregisterordnung Subchapter S Corporation Sociedad capital riesgo Société en Commandite Simple Societas Europea Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Société d’investissement à capital fixe Status Société d’investissement en capital à risque Société d’investissement à capital variable Fonds d’investissement spécialisé Spezialisierter Investmentfonds Strunk/Kaminski/Köhler, AStG und OECD-MA Amtliche Sammlung der EuGH Entscheidungen Simplified Limitation of Benefits Société en nom collectif siehe oben so genannt Société de Participations Financieres Societa per Azioni Sociedad regular colecitva Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen Der Steuerberater (Zeitschrift) Die Steuerberatung (Zeitschrift)

SICAF SICAR SICAV SIF SIF-Status S/K/K Slg. SLoB SNC s.o. sog. Soparfi SpA SrC SRÜ StB Stbg XX

Abkürzungsverzeichnis

StbJb StBp StEK StIGH StJ StuB StuW StVergAbG SÜR SWI

Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Felix, Carlé, Steuererlasse in Karteiform, Loseblatt und CD-ROM Ständiger Internationaler Gerichtshof Steuerjournal (Zeitschrift) Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuervergünstigungsabbaugesetz Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen Steuer & Wirtschaft International (Zeitschrift)

TIEA T/K TMTP TNI Tax TNMM TPG TPI TPIR Tz.

Tax Information Exchange Agreement Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung Tax Management Transfer Pricing (Zeitschrift) Notes International (Zeitschrift) Transactional Net Margin Method Transfer Pricing Guideline Transfer Pricing International (Zeitschrift) Tax Planning International Review (Zeitschrift) Textziffer

u.a. Ubg UmwG UmwStG Urt. US-MA UStG

unter anderem Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz Urteil Musterabkommen der USA Umsatzsteuergesetz

v. VA VAG VAT V/B/E vE Vfg. vGA vgl. v.H. V/L VN-MA VO VWG vwt

vom, von Verwaltungsakt Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen Value added Tax Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise verdeckte Einlage Verfügung verdeckte Gewinnausschüttung vergleiche vom Hundert Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen Musterabkommen der Vereinten Nationen Verordnung Verwaltungsgrundsätze Der Wirtschaftstreuhänder (Zeitschrift)

W/A/D W/B

Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen Wohnungseigentumsgesetz Gesetz zur Förderung von Wagniskapitalbeteiligungen Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Wiener Vertragsrechtskonvention

WEG WKBG W/M Wpg W/R/S WÜD WÜK WÜRV WVK

XXI

Abkürzungsverzeichnis

z.B. ZBstA ZEV ZfZ ZHR ZiLiRL ZVglRWiss

XXII

zum Beispiel Zinsbesteuerungsabkommens zwischen der EU und der Schweiz v. 29.12.2004 Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht EU-Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft einschließlich des Rechts der Entwicklungsländer und der ethnologischen Rechtsforschung

Gesamtliteraturverzeichnis Blümich, EStG, KStG, GewStG, Anhang AStG und Nebengesetze, Kommentar, Loseblatt, München Bott/Walter, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Bonn (vormalige Herausgeberin: Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart (zit.: D/P/M) Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/USA, München 2009 Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., Heidelberg 2010 Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Berlin 2005 Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Köln (zit.: F/W/B/S) Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Schweiz, Kommentar, Loseblatt, Köln (zit.: F/W/K) Frotscher, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl., München 2015 Frotscher/Geurts, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Freiburg Frotscher/Drüen, Kommentar zum Körperschaft-, Gewerbe- und Umwandlungssteuergesetz (zit.: F/D) Fuhrmann, Außensteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., Herne 2017 Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., München 2017 Gosch, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., München 2015 Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, DBA, Kommentar, Loseblatt, Herne/Berlin (zit.: G/K/G/K) Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011 Haase, Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen, 3. Aufl., Heidelberg 2016 Haase, Multilaterales Instrument, Heidelberg 2017 Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln (zit.: H/H/R) Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Loseblatt, Köln (zit.: H/H/Sp) Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl., München 2016 Hagemann/Kahlenberg, Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) Kommentar, Herne 2018 Haun/Kahle/Goebel/Reiser, AStG-Kommentar, Loseblatt, Stuttgart (zit.: H/K/G/R) Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 3. Aufl., München 2018 Kirchhof, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 18. Aufl., Köln 2019 Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Heidelberg (zit.: K/S/M) Klein, Kommentar zur Abgabenordnung, 14. Aufl., München 2018 Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl., München 2000 Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union, München 2018 König, Abgabenordnung, 3. Aufl., München 2014 Korn, Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Bonn Kraft, Außensteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 2019 Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Loseblatt, Köln Lademann, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart (zit.: L/B/P) Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 3. Aufl., München 2017 Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2. Aufl., München 2018 Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 5. Aufl., Köln 2018 Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Köln 2013 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl., Köln 2017 Schmidt, Einkommensteuergesetz, 38. Aufl., München 2019

XXIII

Gesamtliteraturverzeichnis

Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, Loseblatt, Bonn (zit.: S/K/K) Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Loseblatt, Köln (zit.: T/K) Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., Köln 2018 Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 6. Aufl., München 2015 (zit.: V/L) Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, 4. Aufl., München 2015 (zit.: V/B/E) Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar, Loseblatt, München Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, 2. Aufl., Köln 2018 (zit.: W/A/D) Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Köln 2015 (zit.: W/B) Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 2015 (zit.: W/R/S)

XXIV

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen A. Ziele von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . 2. Ursachen und gesamtwirtschaftliche Folgen von Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . 3. Rechtspflicht zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung? . . . . . . . . . . . . . . II. Sachgerechte Verteilung des Steuersubstrats zwischen den Vertragsstaaten . . . . . . . . . . III. Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung . . . 1. Vermeidung von „Doppelnichtbesteuerungen“ als Vertragsziel von DBA . . . . . . . . . 2. Abkommensrechtliche Maßnahmen zur Vermeidung von Doppelnichtbesteuerungen . . . 3. Gesetzgeberische Maßnahmen zur Vermeidung von Doppelnichtbesteuerungen . . . . . IV. Wirkungsweise von DBA . . . . . . . . . . . . B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK . I. Entstehung und Rechtscharakter . . . . . . . . II. Historische Entwicklung des OECD-MA/ OECD-MK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufbau und Struktur von OECD-MA und OECD-MK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Titel und Präambel . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsbereich des Abkommens (Art. 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Begriffsbestimmungen (Art. 3–5) . . . . . . . 5. Besteuerung des Einkommens und Vermögens (Art. 6–22) . . . . . . . . . . . . . a) Systematisches . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt und Struktur der Verteilungsnormen im Überblick . . . . . . . . . . . . 6. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23A/B) . . . . . . . . . . . . 7. Besondere Bestimmungen (Art. 24–29) . . . . 8. Schlussbestimmungen (Art. 31, 32) . . . . . . IV. Bedeutung von OECD-MA/OECD-MK . . . . C. Zustandekommen, Revision und Beendigung von DBA . . . . . . . . . . . . . I. Zustandekommen von DBA . . . . . . . . . . 1. Mehrstufiger Entstehensprozess bis zum Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erstmalige und rückwirkende Abkommenswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Revision und Außerkrafttreten von DBA . . . D. Deutsche DBA und Abkommenspolitik . . . I. Stand der deutschen DBA . . . . . . . . . . . II. Deutsche Abkommenspolitik . . . . . . . . . . III. Deutsche Verhandlungsgrundlage für DBA . . E. BEPS-Projekt und Multilaterales Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . I. BEPS-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mehrseitiges Übereinkommen (Multilateral Instrument) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Auslegung von DBA . . . . . . . . . . . . . .

1 1 1 4 8 11 12 12 15 21 26 31 31 35 38 38 40 41 42 43 43 47 56 60 67 69 71 71 71 77 79 81 81 82 83 84 84 87 93

I. Gegenstand der Auslegung . . . . . . . . . . . II. Methodik der Auslegung von DBA . . . . . . 1. Vorrang abkommensautonomer Auslegung und Bedeutung des innerstaatlichen Rechts . . 2. Einzelaspekte der Auslegung von DBA . . . . a) Auslegung von DBA als völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auslegungsmethoden . . . . . . . . . . . . c) Bedeutung des OECD-MK für die Auslegung von DBA . . . . . . . . . . . . . d) Bedeutung von Konsultationsvereinbarungen für die Auslegung von DBA . . . G. DBA und EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare Geltung und Anwendungsvorrang des EU-Rechts . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung der allgemeinen EU-rechtlichen Grundsätze auf DBA . . . . . . . . . . . . . . 3. DBA mit Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . a) Unberührtheitsklausel des Art. 351 AEUV für vorgemeinschaftliche Drittstaatsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fortbestandsgarantie des Art. 64 AEUV für vor dem 31.12.1993 bestandene Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitere Einschränkung des Drittstaatenschutzes im Rahmen von Art. 63 AEUV . . II. Einwirkung primären Unionsrechtes auf DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abkommensberechtigung . . . . . . . . . . . 2. Verteilungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Methodenartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . 5. Missbrauchsbekämpfung . . . . . . . . . . . . 6. Besonderheiten des EU-Beihilferechts . . . . . a) Das Beihilferecht als Teil der Unionsrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die (mögliche) Relevanz des Beihilferechts für DBA . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einwirkung sekundären Unionsrechts auf DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einwirkung EU-rechtlicher Abkommen zu Nicht-EU-Staaten auf DBA . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu EWR-Staaten . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zur Schweiz . . . . . . . . . . . . . H. DBA und innerstaatliches Steuerrecht, insbesondere „Treaty override“ . . . . . . . . I. Verhältnis von DBA und (sonstigem) innerstaatlichen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . II. Auflösung von Kollisionen zwischen DBA und nationalem Steuergesetz . . . . . . . . . . III. Treaty Override und EU-Recht . . . . . . . . . I. „Missbrauch“ von DBA . . . . . . . . . . . . I. Begriff und Arten der missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBA . . . . . . . . . . II. Missbrauchsvermeidungsvorschriften . . . . .

Schönfeld/Häck/Ellenrieder

93 95 95 103 103 106 114 116 119 119 119 121 123 124 129 132 133 133 136 137 142 145 153 153 158 166 174 174 175 176 179 179 182 185 186 186 188

1

Systematik Rz. 1

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

III. Zulässigkeit von Missbrauchsbekämpfungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Zulässigkeit im innerstaatlichen Recht . . . . . 190

2. Zulässigkeit im EU-Recht . . . . . . . . . . . .

192

OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: https://doi.org/10.1787/20745419.

A. Ziele von DBA I. Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung 1. Begriff der Doppelbesteuerung 1

Vermeidung von „Doppelbesteuerung“. DBA dienen als Bestandteil des Internationalen Steuerrechts1 traditionell der Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung2 in Form von bilateralen3 Vereinbarungen. In jüngster Zeit tritt neben die Vermeidung der Doppelbesteuerung der Wille der Abkommenspartner, mit den DBA Steuerverkürzungen und doppelte Nichtbesteuerungen zu verhindern (s. Rz. 12 ff.), wie es nun auch in der Abkommensüberschrift des OECD-MA 20174 zum Ausdruck kommt. Die Beschreibung des Phänomens der Doppelbesteuerung, dessen Systematik und Begriffsbedeutung i.e.S. ist Gegenstand umfangsreicher wissenschaftlicher Diskussionen, aus der eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffsbildungen und Abgrenzungsversuche hervorgegangen sind.5 Auch enthalten weder das OECD-MA noch die deutschen DBA eine explizite Definition der zu vermeidenden „Doppelbesteuerung“, auch wenn der Begriff an verschiedenen Stellen in den Abkommenstexten verwandt wird (vgl. die zweite Fußnote zu Rz. 3). Welche Art von „Doppelbesteuerung“ vermieden werden soll, folgt insoweit lediglich mittelbar aus den jeweiligen Tatbestandsmerkmalen und angeordneten Rechtsfolgen der einschlägigen Abkommensvorschriften. Regelmäßig zielen die Vorschriften der DBA aber (nur) auf die Vermeidung sog. juristischer Doppelbesteuerungen (vgl. Rz. 2). Die Vertragsstaaten sind jedoch darin frei, (auch) Regelungen z.B. zur Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerungen (Rz. 2) zu treffen,6 wie etwa durch Art. 9.7 Für die Abkommensanwendung hat der Begriff der „Doppelbesteuerung“ als solcher nur eingeschränkte Bedeutung (Rz. 3).

2

Juristische und wirtschaftliche Doppelbesteuerung. Unter juristischer Doppelbesteuerung werden Sachverhalte verstanden, in denen zwei (oder mehrere) souveräne Staaten von demselben Steuerpflichtigen (Steuersubjekt) für denselben Steuergegenstand (Steuerobjekt) und in demselben Zeitraum eine gleichartige Steuer erheben.8 Besteuern zwei (oder mehrere) souveräne Staaten dasselbe Steuerobjekt, fehlt es aber an dem Merkmal der Steuersubjektidentität, wird regelmäßig von sog. wirtschaftlicher Doppelbesteuerung (oder auch Doppelbelastung) gesprochen.9 Die Ursachen juristischer wie wirtschaftlicher Doppelbesteuerungen sind vielfältig (Rz. 4 ff.).

1 Zum Begriff ausführlich Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 1.1 ff. 2 Vgl. noch den Titel des OECD-MA 2014: „OECD-Musterabkommen 2014 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen“ und Titel des OECD-MA (E): „OECDMusterabkommen für ein Abkommen zwischen (Staat A) und (Staat B) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlaß-, Erbschaft- und Schenkungsteuern“. 3 Soweit kein DBA zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung besteht, können Doppelbesteuerungen auch durch unilaterale (einseitige) innerstaatliche Anrechnung ausländischer Steuern (z.B. gem. § 34c EStG; § 26 Abs. 1 KStG) vermieden werden. 4 OECD-MA 2017 (Title of the Convention): „Convention between (State A) and (State B) fort he elemination of double taxation with respect to taxes on income and on capital and the prevention of tax evasion and avoidance“. 5 Differenziert wird z.B. zwischen formaler/materieller, subjektiver/objektiver, echter/unechter, eigentlicher/uneigentlicher, technischer, rechtlicher, juristischer, wirtschaftlicher, ökonomischer, horizontaler und vertikaler, direkter und indirekter Doppelbesteuerung, vgl. ausführlich Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 15.1. m.w.N. 6 Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 1. 7 Eine Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerungen enthält Art. 9 OECD-MA bei Verrechnungspreiskonflikten, die durch sich überschneidende Gewinnerhöhungen bei verschiedenen Unternehmen und damit verschiedenen Steuerpflichtigen ausgelöst werden, vgl. Art. 9 Rz. 5. 8 Vgl. Einleitung Nr. 1 OECD-MK; Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 7; Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 15.2. 9 Vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 9.

2

Schönfeld/Häck

A. Ziele von DBA

Rz. 7 Systematik

Bedeutung für die Abkommensanwendung. Für die Abkommensanwendung haben die verschiedenen Begriffe der Doppelbesteuerung nur eingeschränkte Bedeutung. Der Begriff der „Doppelbesteuerung“ ist kein Rechtsbegriff i.e.S., da die Vorschriften der DBA nicht unmittelbar an das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Doppelbesteuerung eine Rechtsfolge knüpfen,1 auch wenn der Begriff an verschiedenen Stellen im Abkommen Verwendung findet.2 Für die Anwendung der DBA hat er daher keine unmittelbare Bedeutung.3 Vielmehr ist das Abkommen ausgehend von den in ihm umschriebenen Tatbeständen auszulegen. Das Ziel der DBA, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, kann aber zumindest mittelbar im Rahmen der teleologischen Auslegung einer Abkommensvorschrift, insbesondere unter Berücksichtigung der gebotenen Entscheidungsharmonie (vgl. Rz. 109) Bedeutung erlangen. Denn die Vermeidung der Doppelbesteuerung setzt – wie auch das Ziel der sachgerechten Verteilung der Steuergüter (Rz. 11) – voraus, dass beide Vertragsstaaten abkommensrechtliche Begriffe einheitlich und übereinstimmend auslegen.

3

2. Ursachen und gesamtwirtschaftliche Folgen von Doppelbesteuerung Territorialitätsprinzip. Die Fiskalhoheit im Staatsgebiet ist Kernbestandteil staatlicher Souveränität. Völkerrechtlich ist der einzelne souveräne Staat in seinem Steuerfindungs- und Steuererhebungsrecht grds. nur durch das aus dem völkerrechtlichen Gebot internationaler Rücksichtnahme folgende Territorialitätsprinzip begrenzt. Danach ist die Ausdehnung der Besteuerung eines Staats ohne jegliche persönliche oder räumliche Verbindung (sog. „genuine link“)4 des zu besteuernden Sachverhalts zum besteuernden Staat unzulässig.5 Besteht eine entsprechende Verbindung, ist ein Staat grds. völkerrechtlich nicht daran gehindert, auch solche Sachverhalte sachlich der Besteuerung zugrunde zu legen, die grenzüberschreitende Anknüpfungspunkte aufweisen oder ausschließlich auf dem Territorium eines anderen Staats verwirklicht worden sind.6

4

Ursachen juristischer Doppelbesteuerung. Juristische Doppelbesteuerung (dazu auch Rz. 2) wird ausgelöst, wenn gleichzeitig zwei (oder mehrere) Staaten im Rahmen dieser völkerrechtlichen Grenzen (Rz. 4) für einen Sachverhalt nach ihrem jeweiligen nationalen Steuerrecht Besteuerungsansprüche reklamieren und sich diese insoweit überschneiden.7 Grund hierfür ist regelmäßig, dass der jeweilige Steuerpflichtige im sog. Wohnsitzstaat mit seinen weltweiten Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig ist (sog. Welteinkommensprinzip), jedoch bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt zugleich in dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen (sog. Quellenstaat), der Besteuerung der Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Andererseits kann die Doppelbesteuerung auch ursächlich im Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht in mehreren Staaten (z.B. durch Doppel- oder Mehrfachwohnsitz) sein, die die Einkünfte jeweils nach dem Welteinkommensprinzip besteuern möchten.

5

Ursachen wirtschaftlicher Doppelbesteuerung. Wirtschaftliche Doppelbesteuerung (dazu auch Rz. 2) kann sich durch eine in verschiedenen Staaten unterschiedliche Zurechnung von Einkünften bzw. Wirtschaftsgütern zu verschiedenen Steuersubjekten ergeben. Auslöser hierfür können Normen sein, die aus Gründen der im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (z.B. § 39 AO) oder zur Vermeidung des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (z.B. § 42 AO) eine vom Zivilrecht abweichende Zurechnung anordnen. Daneben kann wirtschaftliche Doppelbesteuerung insbesondere bei Vereinbarungen zwischen miteinander verbundenen Unternehmen entstehen, wenn die beteiligten Unternehmen in zwei verschiedenen Staaten ansässig sind und (zumindest) einer der beiden Staaten losgelöst von den tatsächlichen Vereinbarungen abweichende Gewinnberichtigungen vornimmt.8

6

Wettbewerbsbeeinträchtigung durch Doppelbesteuerung. Doppelbesteuerung ist insoweit wettbewerbsbeeinträchtigend, als sie ausländische Wettbewerber auf dem Inlandsmarkt („Kapitalimporteure“) und inländische Wettbewerber auf dem Auslandsmarkt („Kapitalexporteure“) benachteiligt.9 Die nicht überwälzbaren steuerlichen Mehrlasten verschlechtern die Wettbewerbssituation v.a. durch erschwerte Selbst- und

7

1 Vgl. Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (137) m.w.N. 2 Der Begriff der „Doppelbesteuerung“ findet sich in den DBA nur an wenigen Stellen, z.B. dem Titel, ggf. der Präambel und dem sog. Methodenartikel. 3 Vgl. Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 1; Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 15.1.; Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (137). 4 Z.B. durch einen Wohnsitz (§ 8 AO), den gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO), die Staatsangehörigkeit, die Belegenheit von Vermögenswerten. 5 Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. A 463 ff.; Lehner, in FS Wassermeyer, 241 (244); Wassermeyer, DStJG Bd. 8 (1985), 49 (53 f.). 6 Vgl. stv. Epping/Gloria in Ipsen, Völkerrecht5, § 23 Rz. 93. 7 Vgl. Grotherr in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 1, Rz. 33. 8 Grotherr in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 1, Rz. 34. 9 Vgl. stv. Rose/Watrin, Internationales Steuerrecht7, 57 f.

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Systematik Rz. 7

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

Fremdfinanzierungsmöglichkeiten zur Vornahme von Rationalisierungs- und Kapazitätserweiterungsmaßnahmen.1 Wünschenswerte Direktinvestitionen durch Inländer im Ausland unterblieben ebenso wie Direktinvestitionen durch Ausländer im Inland. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung ist daher auch von volkswirtschaftlichem Interesse, weil im Falle von Doppelbesteuerungen zumindest längerfristig das gesamtwirtschaftliche Wachstum und die damit verbundenen Steuermehreinnahmen verhältnismäßig geringer sind.2 3. Rechtspflicht zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung? 8

Kein völkerrechtliches Gebot der Vermeidung von Doppelbesteuerung. Völkerrechtlich besteht kein allgemeiner Rechtssatz, der eine Doppelbesteuerung verbieten würde. Lediglich das aus dem völkerrechtlichen Gebot internationaler Rücksichtnahme folgende Territorialitätsprinzip begrenzt den Besteuerungszugriff eines Staats völkerrechtlich auf die Sachverhalte, die zum besteuernden Staat einen Anknüpfungspunkt aufweisen (sog. „genuine link“, vgl. Rz. 4). In diesen Grenzen ist eine juristische wie wirtschaftliche Doppelbesteuerung völkerrechtlich unbedenklich.

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EU-Recht und Vermeidung von Doppelbesteuerung. Die negativen wettbewerblichen Wirkungen von Doppelbesteuerung legen es eigentlich nahe, zumindest dem EU-Recht ein allgemeines Verbot der Doppelbesteuerung zu entnehmen. Das Primär- und Sekundärrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten aber nur in engen Grenzen, eine Doppelbesteuerung zu verhindern (zu Einzelheiten vgl. Rz. 137 ff.).

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Verfassungsrechtliches Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Das über Art. 3 GG gleichheitsrechtlich fundierte Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (sog. Leistungsfähigkeitsprinzip)3 entfaltet im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht seine Wirkung auch bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte.4 Die Beantwortung der Frage, ob eine Person mit einer bestimmten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit höher besteuert wird als eine Person, die die gleiche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufweist, kann nicht davon abhängen, ob die Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit im Inland oder Ausland belegen ist.5 Die universelle steuerliche Erfassung der weltweiten Einkünfte nach Maßgabe des Welteinkommensprinzips verlangt auch die Berücksichtigung der „internationalen Leistungsfähigkeit“ des Steuerpflichtigen, die durch zusätzliche, auf das Einkommen zu entrichtende ausländische Steuern gemindert wird. Die Vermeidung einer Doppelbesteuerung durch Berücksichtigung ausländischer Steuern im Rahmen der deutschen Besteuerung ist daher nicht lediglich eine im Ermessen des Staats stehende Zweckmäßigkeitserwägung, sondern über Art. 3 GG verfassungsrechtlich geboten.6 Dieses Gebot kann grds. im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens unilateral durch Anrechnung der ausländischen Steuern auf die im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht auf die fraglichen Einkünfte fallende Steuer (vgl. z.B. § 34c EStG) oder bilateral durch den Abschluss von DBA umgesetzt werden. Insoweit enthält das Verfassungsrecht keine besondere Vorgabe, die Doppelbesteuerung mit einer ganz bestimmten Maßnahme zu vermeiden. Greift im Einzelfall weder eine unilaterale noch eine bilaterale Vorschrift ist die Finanzverwaltung verpflichtet, Doppelbesteuerungen im Erlasswege (§§ 163, 227 AO) zu verhindern. Diese Grundsätze lassen sich jedoch nicht uneingeschränkt auf die Besteuerung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht übertragen.7 Insoweit ist zu beachten, dass sich das Leistungsfähigkeitsprinzip grds. auf die steuerliche Gesamtbelastung bezieht, nicht aber allein auf die Besteuerung im Quellenstaat. Ist Deutschland danach Quellenstaat, lässt sich die für die gleichheitsrechtliche Besteuerung notwendige Vergleichsprüfung aus deutscher Sicht kaum durchführen. In diesem Fall ist vielmehr der ausländische Wohnsitzstaat angehalten, die Doppelbesteuerung im Rahmen der dortigen unbeschränkten Steuerpflicht zu vermeiden.

II. Sachgerechte Verteilung des Steuersubstrats zwischen den Vertragsstaaten 11

Sekundäres Abkommensziel. Die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung durch DBA ließe sich (weitgehend) auch dadurch herstellen, dass entweder der Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen (zur abkommensrechtlichen Ansässigkeit siehe Rz. 42) vollständig auf seine Besteuerungsansprüche zugunsten des Quellen- oder Belegenheitsstaats verzichtet oder umgekehrt der Quellen- oder Belegenheitsstaat seine Be1 2 3 4 5 6 7

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Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 17.13. Rose/Watrin, Internationales Steuerrecht7, 57 f.; s. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, S. 5. Stv. Hey in T/L, Steuerrecht23, § 3 Rz. 40 ff. Vgl. ausführlich Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 244 m.w.N. Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 23. Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 17.8 ff.; Schaumburg in FS Tipke, 125 (143 ff.). Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 26.

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A. Ziele von DBA

Rz. 12 Systematik

steuerungsansprüche gegenüber dem Ansässigkeitsstaat vollständig zurücknimmt. Insbesondere Letzteres würde eine erhebliche Vereinfachung bedeuten, da nur die Frage der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen i.S.v. Art. 4 zu bestimmen wäre, eine besondere Bestimmung der Einkünfte und deren Herkunft aber regelmäßig nicht mehr erforderlich wären. Eine solche Verteilung wird jedoch als nicht sachgerecht empfunden. Vielmehr wird in den DBA ausgehend von der Intensität der Inanspruchnahme der Volkswirtschaft des Quellen- oder Belegenheitsstaats (sog. Äquivalenzprinzip) diesem entweder die uneingeschränkte,1 eine nur eingeschränkte2 oder keine3 Durchsetzung seines Besteuerungsanspruchs zugestanden. Insoweit dienen DBA nicht nur der Vermeidung von Doppelbesteuerungen, sondern zielen ebenso auf eine von den Vertragsstaaten als sachgerecht empfundene Verteilung des Steuersubstrates.4

III. Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung 1. Vermeidung von „Doppelnichtbesteuerungen“ als Vertragsziel von DBA Gründe doppelter Nichtbesteuerung. Als Gegenbegriff zur internationalen Doppelbesteuerung lassen sich unter doppelter Nichtbesteuerung Sachverhalte verstehen, bei denen Einkünfte eines Steuerpflichtigen in zwei Staaten gänzlich unbesteuert bleiben (sog. Nichtbesteuerung), nur teilweise erfasst werden oder einer reduzierten Besteuerung unterliegen (sog. Minderbesteuerung).5 Die Gründe doppelter Nichtbesteuerung in internationalen Sachverhalten, d.h. in Fällen, in denen die beteiligten Vertragsstaaten die fraglichen Einkünfte beide nicht besteuern, sind vielfältig.6 Im vorliegenden Zusammenhang sind jedoch nur solche relevant, die ihre Ursache (zumindest auch) in der Abkommensanwendung haben. Beruht eine doppelte Nichtbesteuerung hingegen darauf, dass die beiden Vertragsstaaten jenseits abkommensrechtlicher Regelungen bereits auf Basis ihrer innerstaatlichen Besteuerungsregime einen bestimmten Sachverhalt mit keiner Besteuerung belegen, ist eine Korrektur schon deshalb nicht angebracht, weil beide Vertragsstaaten bereits aus anderen innerstaatlichen Gründen den Sachverhalt für nicht besteuerungswürdig halten und daher auf Besteuerungsansprüche von vornherein verzichtet haben.7 Mögliche Ursache abkommensrechtlich bedingter doppelter Nichtbesteuerung kann das in den DBA traditionell angelegte8 Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung9 sein: Bei der Verteilung der Steuergüter durch die DBA wird grds. die Steuersouveränität der Vertragsstaaten respektiert und ein abkommensrechtlicher Steuerverzicht des einen Vertragsstaats nicht von Einzelheiten der Besteuerung im anderen Vertragsstaat abhängig gemacht, d.h., der Verzicht hängt nicht von der effektiven Besteuerung der fraglichen Einkünfte im anderen Vertragsstaat ab.10 Eine hieraus resultierende doppelte Nichtbesteuerung, weil z.B. der andere Vertragsstaat die Einkünfte bewusst nicht besteuert, wird vom verzichtenden Vertragsstaat hingenommen. Weiter können doppelte Nichtbesteuerungen etwa durch die unterschiedliche Auslegung des Abkommens, unterschiedliche Interpretationen auf Basis des innerstaatlichen Rechts (i.V.m. Art. 3 Abs. 2) oder die unterschiedliche Einordnung eines Sachverhalts unter das DBA (sog. negativer Qualifikationskonflikt11) entstehen.12 1 Z.B. (ggf. i.V.m. Art. 23A OECD-MA): Art. 6 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 (unbewegliches Vermögen); bei Eingreifen der sog. Betriebsstättenvorbehalte in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 (Unternehmensgewinne), Art. 10 Abs. 4 (Dividenden), Art. 11 Abs. 4 (Zinsen), Art. 12 Abs. 3 (Lizenzgebühren), Art. 13 Abs. 2 (Veräußerungsgewinne), Art. 21 Abs. 2 (andere Einkünfte). 2 Z.B. Art. 10 Abs. 2 (Dividenden), Art. 11 Abs. 2 (Zinsen). 3 Z.B. Art. 12 Abs. 1 (Lizenzgebühren), Art. 21 Abs. 1 (andere Einkünfte). 4 Stv. Flick in FS Spitaler, 151 (152). 5 Vgl. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 15.10; Schönfeld in FG Wassermeyer, Nr. 14 Rz. 4 f.; Rust, ISR 2013, 241. 6 Vgl. Mössner in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 2.251; Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, 34 ff.; Hahn, Doppelte Nichtbesteuerung, IFA-Länderbericht Deutschland, CDFI 89a, 2004, 325 (326); Lang, SWI 2015, 198 ff.; Rust, ISR 2013, 241 ff.; Wolff, IStR 2004, 542. 7 Vgl. Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitik, 2008, 7. 8 Dies folgt u.a. aus Art. 23A Abs. 1, wonach die Einkünfte oder das Vermögen „nach diesem Abkommen“ in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden „können“, vgl. BFH v. 20.10.1982 – I R 104/79, BStBl. II 1983, 402; v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319. 9 Vgl. Art. 23A Rz. 34 OECD-MK; BFH v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319 (321) m.w.N.; Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 69 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 11, 48, Art. 23A OECD-MA Rz. 46. 10 Vgl. Vogel, IStR 2007, 225. 11 Ein negativer Qualifikationskonflikt entsteht, wenn beide Vertragsstaaten einen Sachverhalt unterschiedlichen Vertragsnormen zuordnen und beide jeweils davon ausgehen, dass allein dem anderen Vertragsstat abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht bzgl. der fraglichen Einkünfte zusteht, vgl. Hahn, Doppelte Nichtbesteuerung, IFA-Länderbericht Deutschland, CDFI 89a, 2004, 325 (326). 12 Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 15.10.

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Systematik Rz. 13

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

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Keine traditionelle Abkommenszielsetzung. Es ist zwar allgemein zu vermuten,1 dass die an einem DBA beteiligten Vertragsstaaten regelmäßig2 kein Interesse daran haben, dass die auf die Vermeidung von Doppelbesteuerung zielenden DBA als Nebenfolge zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen, auch wenn diese bei Anerkennung des Verbots virtueller Doppelbesteuerungen (vgl. Rz. 12) teilweise bewusst in Kauf genommen wird. Vor diesem Hintergrund wurde zunehmend versucht, den DBA auch eine generelle Zielsetzung i.S. einer Vermeidung von Doppelnichtbesteuerungen zuzuschreiben.3 Eine allgemeine Zielsetzung zur Vermeidung von Doppelnichtbesteuerung ließ sich den deutschen DBA traditionell aber nicht entnehmen.4 Auch kann das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zur verfassungskonformen Auslegung eines DBA herangezogen werden, um eine doppelte Nichtbesteuerung zu vermeiden.5 Die Feststellung, dass die Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung kein generelles Abkommensziel ist, hat insoweit hervorgehobene Bedeutung, als die Abkommensauslegung diesen Aspekt auch nicht unter teleologischen Aspekten berücksichtigen kann. Es kommt aber auf das konkret anwendbare DBA an. Insoweit sind die jüngeren Entwicklungen auf Ebene der OECD und in der deutschen Abkommenspolitik zu berücksichtigen (s. Rz. 14) und ist anhand des jeweils anzuwendenden DBA danach zu fragen, ob und inwieweit doppelte Nichtbesteuerungen ggf. nur partiell vermieden werden sollen oder deren Vermeidung zu einem generell bei der Auslegung „wirkenden“ Abkommensziel erhoben wird.

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Jüngere Entwicklungen. Die jüngeren Entwicklungen auf Ebene der OECD und in der deutschen Abkommenspolitik zeigen einen verstärkten Willen, abkommensspezifisch verursachten doppelten Nichtbesteuerungen durch besondere abkommensrechtliche Maßnahmen (s. Rz. 15 ff.) zu begegnen. Ob durch die insoweit vorgeschlagenen Maßnahmen die Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung zum generellen Abkommensziel erhoben wird, ist dabei stets anhand des konkret anzuwenden DBA zu beantworten. DBA, die sich an das OECD-MA 2017 anlehnen, wird man trotz der verschiedenen Änderungen im Anschluss an das BEPS-Projekt (Rz. 84 ff.) eine solche generelle Zielsetzung weiter absprechen müssen, da sich dort der Wille zur Vermeidung von Nichtbesteuerungen auf Fälle der Vermeidung von Nichtbesteuerungen durch Steuerhinterziehung und Steuerumgehung6 beschränkt.7 Hingegen lässt sich zwar nicht dem Titel,8 wohl aber der Präambel und den übrigen Einzelregelungen der DE-VG9 ein solches generelles Abkommensziel zur Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung für die künftige deutsche Abkommenspolitik durchaus entnehmen.10 Ohnehin wäre die rechtliche Wirkung einer solchen allgemeinen Zielsetzung begrenzt, könnte sie allenfalls bei Auslegung bestimmter Abkommensbegriffe Bedeutung erlangen. Rechtliche Wirkung 1 Vgl. BFH v. 19.5.1993 – I R 64/92, BFH/NV 1994, 11; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 48; Kreienbaum in FG Wassermeyer, Nr. 7 Rz. 11. 2 Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn eine doppelte Nichtbesteuerung bewusst gewollt ist, z.B. bei Vereinbarung sog. tax sparing- oder matching-credit-Regelungen, nach denen der Ansässigkeitsstaat zum Anreiz bestimmter Investitionen einen höheren Betrag an Steuern des Quellenstaats anzurechnen hat, als der Quellenstaat nach dem DBA erheben darf. Auch sind doppelte Nichtbesteuerungen bei Schachteldividenden im DBA angelegt, wenn diese im Quellenstaat nicht besteuert werden können und der Ansässigkeitsstaat der dividendenempfangenden Gesellschaft diese freistellt. 3 Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 88; Benz/Kroon, IStR 2012, 910; Wichmann, FR 2011, 1082. 4 Vgl. BFH v. 20.7.2016 – I R 50/15, BStBl. II 2017, 230 (zum DBA-Türkei 1985); Häck in F/W/K, Art. 24 DBASchweiz Rz. 9; Lang, IWB 2011, 281 (282); Lang, Doppelte Nichtbesteuerung, IFA-Generalbericht CDFI 89a, 2004, 21 (30 ff.); Lang, IStR 2002, 609 f.; Lehner, FR 2011, 1087 (1091); Lüdicke, FR 2011, 1077 (1078). Die Frage wurde von der International Fiscal Association (IFA) im Jahre 2004 auf ihrem Kongress in Wien erörtert, jedoch wurde eine entsprechende Abkommenszielsetzung durchweg verneint, vgl. die Länderberichte in CDFI, Bd. 89a, 2004, S. 123 ff. 5 Vgl. BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; Gosch, IStR 2014, 698 (701). 6 OECD-MA 2017 (Title of the Convention): „Convention between (State A) and (State B) fort he elemination of double taxation with respect to taxes on income and on capital and the prevention of tax evasion and avoidance“. „Tax avoidance“ ließe sich zwar auch mit dem weitergehenden Begriff der „Steuervermeidung“ übersetzen (s. Lotz, ISR 2017, 73). Der Vergleich der englischen und deutschen Sprachfassungen des Titels des DBA Australien 2015 („fiscal evasion and avoidance“ bzw. „Steuerverkürzung und -umgehung“) zeigen jedoch, dass die deutschen Abkommensverhandler von dem Begriff der „Steuerumgehung“ ausgehen. 7 Nach Wichmann/Schmidt-Heß, IStR 2014, 883 (887) soll hingegen die Zielsetzung im OECD-MA 2017 derjenigen der DE-VG entsprechen. 8 Der Titel der DE-VG spricht insoweit nur die „Verhinderung der Steuerverkürzung“ an. Nach deutschem Verständnis geht aber nicht jede Doppelnichtbesteuerung mit einer „Steuerverkürzung“ einher (vgl. Schönfeld/Ditz, Anh. 4 Rz. 4; Krabbe/Schwenke in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 176). 9 „Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen“ (BMF-Schreiben v. 17.4.2013, Stand: 22. August 2013; abgedruckt in IStR, Beihefter 10/2013 unter II. und berichtigt in IStR 2013, 440). 10 Vgl. BFH v. 20.7.2016 – I R 50/15, BStBl. II 2017, 230; Schönfeld/Ditz, Anh. 4 Rz. 4; Kreienbaum in FG Wassermeyer, Nr. 7 Rz. 11.

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A. Ziele von DBA

Rz. 15 Systematik

entfalten daher regelmäßig nur die konkreten, auf die Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung zielenden Regelungen (s. Rz. 16 ff.). 2. Abkommensrechtliche Maßnahmen zur Vermeidung von Doppelnichtbesteuerungen „Neue“ Auslegung des Art. 23A Abs. 1. Für Fälle, in denen einerseits der Methodenartikel wegen Eingreifens einer Verteilungsnorm ohne abschließende Rechtsfolge1 (vgl. Rz. 44) anzuwenden ist und andererseits der jeweilige Anwenderstaat bei der gebotenen Auslegung der Verteilungsnorm mangels abkommensrechtlicher Definition sein innerstaatliches Steuerrecht gem. Art. 3 Abs. 2 heranzuziehen hat,2 soll eine doppelte Nichtbesteuerung durch eine bestimmte Auslegung des Art. 23A Abs. 1 („nach dem Abkommen im anderen Staat besteuert werden können“) vermieden werden können, wenn eine solche aufgrund eines sog. Qualifikationskonflikts droht.3 Nach insoweit geänderter Auffassung der OECD4 soll Art. 23A Abs. 1 so auszulegen sein, dass der Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen die Anwendung des Art. 23 Abs. 1 (Freistellungsmethode) davon abhängig macht, wie der Quellenstaat im Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 2 aufgrund seines innerstaatlichen Rechts eine Verteilungsnorm anwendet. Diese Auslegung führt zu einer Verknüpfung der Anwendung des DBA durch den Ansässigkeitsstaat an die Qualifikation im Quellenstaat (sog. Qualifikationsverkettung5) dergestalt, dass der Ansässigkeitsstaat Art. 23A Abs. 1 (Freistellungsmethode) anzuwenden hat, wenn der Quellenstaat gem. Art. 3 Abs. 2 unter Zugrundelegung seines innerstaatlichen Rechts davon ausgeht, die Einkünfte nach dem DBA besteuern zu „können“. Umgekehrt soll der Ansässigkeitsstaat, wenn der Quellenstaat insoweit ein eigenes Besteuerungsrecht verneint, auch dann nicht die Einkünfte steuerfrei stellen, wenn er diese nach seinem innerstaatlichen Recht so einordnet, dass er sie freizustellen hätte.6 Die deutsche Finanzverwaltung hat diese Grundsätze übernommen7 und will sie – ebenso wie die OECD – auch auf vor der Veröffentlichung der geänderten Auffassung des OECD-MK abgeschlossene DBA anwenden. Eine derartige Rückwirkung ist indes abzulehnen, da diese Auffassung nicht Grundlage der Abkommensverhandlungen bei früher abgeschlossenen DBA war.8 Grundsätzlich ist zwar zu sehen, dass sich die geänderte Auffassung von dem bisherigen Verständnis eines Verbots virtueller Doppelbesteuerung (vgl. Rz. 12) zugunsten eines eine doppelte Nichtbesteuerung vermeidenden Verständnisses entfernt. Die Regeln über das Verständigungsverfahren (Art. 25) zeigen aber, dass die Vertragsstaaten Qualifikationskonflikte für möglich halten. Auch der über die teleologische Auslegung zu entfaltende Grundsatz der Entscheidungsharmonie (vgl. Rz. 109) gebietet es nicht, eine derartige Auslegung i.S. einer Qualifikationsverkettung vorzunehmen.9 Angesichts des Wortlauts erscheint die von der OECD vorgenommene geänderte Auslegung aber möglich, sodass man letztlich die nach 2000 geschlossenen Abkommen sehr genau darauf hin wird untersuchen müssen, ob die Vertragsstaaten das o.g. Verständnis zugrunde legen wollten.10 Dabei ist zu berücksichtigen, dass jeder Art von Qualifikationsverkettung an das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaats diesen in gewissem Umfang ermuntert und befähigt, seine Quellenbesteuerungsrechte auch mit abkommensrechtlicher Wirkung auszudehnen.11 Bestehen für die o.g. Qualifikations-

1 Für Verteilungsnormen mit abschließender Rechtsfolge greift die geänderte Auffassung indes nicht, da der Methodenartikel insoweit nicht zur Anwendung gelangt (vgl. Rz. 38); a.A. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 158e. 2 Dazu Lang, IWB 2011, 281 (292). 3 Ausf. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 157 ff.; Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 112. 4 Art. 23 Rz. 32.6 OECD-MK (basierend auf dem OECD-Partnership Report von 1999, dazu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 28 ff.); dem folgend Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 37; Vogel, IStR 2003, 523 (528 ff.); Reimer, IStR 2008, 551 (551 f.); Wolff, IStR 2004, 542 (549); abl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 28g und Art. 23A OECD-MA Rz. 46; Lang in FS Vogel, 907 (916 ff.). Dazu auch Lang, Doppelte Nichtbesteuerung, IFA-Generalbericht CDFI 89a, 2004, 21 (46); Hahn, Doppelte Nichtbesteuerung, IFA-Länderbericht Deutschland, CDFI 89a, 2004, 325 (337); Hahn, IStR 2004, 542 (547 ff.). 5 Siehe zur Historie der Idee einer solchen abkommensrechtlichen Qualifikationsverkettung ausführlich Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, 131 ff. 6 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 37; Hahn, IStR 2004, 542 (547 ff.). 7 Vgl. BMF v. 26.9.2014 IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 4.1.3.3.2. 8 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 28g und Art. 23A OECD-MA Rz. 46; Lang, IStR 2000, 129 (134); Lang, IStR 2001, 536. 9 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 28g und Art. 23A OECD-MA Rz. 46; Lang, IWB 2011, 281 (293). 10 Vogel in Haarmann (Hrsg.), Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, Forum der Internationalen Besteuerung 2004 (Bd. 26), 1 (15 ff.). 11 Vgl. – aber zu Art. 6 Abs. 2 DBA-Österreich/Weißrussland – den Versuch Weißrusslands, sich als Belegenheitsstaat seine Besteuerungsbefugnisse zu sichern, indem Spielautomaten innerstaatlich generell dem „unbeweglichen Vermögen“ unterstellt wurden (gefunden bei Lang, IWB 2011, 281 [293]).

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Systematik Rz. 15

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

konflikte eigenständige Abkommensregelungen, verbietet sich ein Rückgriff auf die o.g. Auslegung des Art. 23 Abs. 1 auch dann, wenn er wortgleich in das jeweilige Abkommen übernommen wurde.1 Zu sehen ist aber in jedem Fall, dass die o.g. geänderte Auffassung nicht nur Fälle der doppelten Nichtbesteuerung vermeidet, sondern bei entsprechenden Qualifikationskonflikten auch Doppelbesteuerungen.2 16

Art. 23A Abs. 4. Mit Art. 23A Abs. 4 schlägt die OECD die Aufnahme einer Klausel in DBA für Fälle vor, in denen der Quellenstaat die Einkünfte nicht besteuert, weil er von anderen Tatsachen ausgeht, oder das Abkommen anders auslegt als der Ansässigkeitsstaat.3 Für die deutsche Abkommenspraxis ist die Regelung bislang nahezu ohne Relevanz, da sie bisher kaum in deutschen DBA berücksichtigt wurde. Eine ähnliche Vorschrift enthält allerdings § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG, die diese internationale Entwicklung insoweit innerstaatlich (und unilateral) vorwegnimmt.

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Abkommensrechtliche Subject-to-tax-Klauseln. Subject-to-tax-Klauseln (z.T. auch als Rückfallklauseln bezeichnet) vermeiden eine doppelte Nichtbesteuerung, indem sie eine abkommensrechtliche Verpflichtung zur Freistellung von Einkünften davon abhängig machen, dass der andere Vertragsstaat die fraglichen Einkünfte tatsächlich besteuert.4 Die in deutschen DBA vereinbarten Klauseln sind vielseitig, sie können sowohl für den Ansässigkeits- als auch den Quellenstaat5 vereinbart werden, umfassend oder auf einzelne Einkünfte beschränkt sein oder nur bei bestimmten Gründen für eine Nichtbesteuerung zur Anwendung gelangen.

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Abkommensrechtliche Switch-over-Klauseln. Switch-over-Klauseln ermöglichen es dem Ansässigkeitsstaat, bei Anwendung des Methodenartikels (Art. 23A/B) u.a. zur Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung von der eigentlich vorgesehenen Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode zu wechseln, bspw. wenn in den Vertragsstaaten Einkünfte unterschiedlichen Abkommensbestimmungen zugeordnet oder verschiedenen Personen zugerechnet werden und sich dieser Konflikt nicht durch ein Verständigungsverfahren beseitigen lässt. Neben solchen vergangenheitsbezogenen Switch-over-Klauseln finden sich in deutschen DBA auch zukunftsbezogene6 Klauseln, die zugunsten Deutschlands einen Vorbehalt enthalten, dem anderen Vertragsstaat im Wege der diplomatischen Notifikation Einkünfte mitzuteilen, auf die Deutschland künftig die Anrechnungsmethode anzuwenden beabsichtigt. Die diplomatische Notifikation setzt eine vorherige Konsultation voraus und wirkt grds. erst für Kalenderjahre, die nach der Notifikation beginnen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sind eine entsprechende Notifikation und der damit erfolgende Übergang zur Anrechnungsmethode jedoch nur wirksam, wenn der Notifikation innerstaatlich eine entsprechende gesetzliche Grundlage zugrunde liegt.7

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Abkommensrechtliche Korrespondenzklausel. Durch bereits in einigen deutschen DBA verankerte Korrespondenzklauseln wird die Anwendung des Schachtelprivilegs im Methodenartikel davon abhängig gemacht, dass die Dividenden bei der Gewinnermittlung der ausländischen Kapitalgesellschaft nicht abgezogen worden sind. Die Regelung soll der Vermeidung doppelter Nichtbesteuerungen dienen und zielt insbesondere auf hybride Finanzierungsinstrumente ab. Erfasst werden aber auch Steuerermäßigungen, die anlässlich der Ausschüttung zur Vermeidung einer unilateralen Doppelbesteuerung durch den Ansässigkeitsstaat gewährt werden. Insoweit würde man sich wünschen, dass die Regelung deutlich zielgenauer ausgestaltet wird. Besteht eine solche Klausel, sollte auch die (ansonsten einen Treaty Override bewirkende) innerstaatliche Korrespondenzklausel des § 8b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 3 KStG abkommensrechtlich legitimiert sein.

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Sonstige Abkommensklauseln. Darüber hinaus finden sich in DBA weitere Klauseln, die (auch) der Vermeidung von Minder- und Nichtbesteuerung dienen (können). Genannt sind einerseits sog. Aktivitätsklauseln, die für die Anwendung der Freistellungsmethode (v.a. bei Betriebsstätteneinkünften) voraussetzen, dass im Quellenstaat tatsächlich eine „aktive“ Wirtschaftstätigkeit ausgeübt wird. Doppelte Nichtbesteuerung wird auch bspw. durch Art. 4 Abs. 6 DBA-Schweiz vermieden, der – rechtstechnisch – über den Begriff der (Nicht-)Ansässigkeit die Wirkung des DBA davon abhängig macht, dass der in der Schweiz an sich ansässige

1 So sieht z.B. Art. 23 Abs. 4 Buchst. a und b DBA-USA 2006 eine eigenständige Regelungen vor, die insoweit einen Rückgriff auf die Auslegung i.S.v. Art. 23 Rz. 32.1 ff. OECD-MA verbiete, vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 23 DBAUSA Rz. 159; a.A. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 164a. 2 Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 162b. 3 Hierzu Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 159. 4 Ausf. Schönfeld/Häck in S/D2, Art. 23A/B Rz. 73 ff. 5 Angesprochen sind etwa Fälle, wenn die Einkünfte im anderen Vertragsstaat allgemein nicht besteuert werden, z.B. mangels Überweisung in den anderen Vertragsstaat nach den Regeln der sog. „remittance base“-Besteuerung (z.B. in Großbritannien), vgl. allgemein Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 18 ff. 6 Zur Terminologie Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 2008, 97 f. 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Kanada Rz. 181.

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Schönfeld/Häck

A. Ziele von DBA

Rz. 26 Systematik

Steuerpflichtige dort nicht der privilegierten Pauschalbesteuerung nach dem Aufwand unterliegt. Im Rahmen der BEPS-Diskussion zu „Hybrid Mismatch Arrangements“ hat die OECD über die bereits genannten Regelungen zudem abkommensrechtliche Regelungen vorgeschlagen, die dem begegnen sollen. Zu nennen ist hier zB die Vermeidung von Zurechnungskonflikten durch eine Änderung von Art. 1 Abs. 2 (nach dem Vorbild von Art. 1 Abs. 7 DBA-USA) sowie einen Ersatz der bisherigen tie-breaker-rule für doppeltansässige Kapitalgesellschaften durch eine Einzelfallverständigungslösung in Art. 4 Abs. 3. 3. Gesetzgeberische Maßnahmen zur Vermeidung von Doppelnichtbesteuerungen Innerstaatliche Subject-to-tax- und Switch-over-Klauseln. Der deutsche Steuergesetzgeber versucht, abkommensrechtlich begründete doppelte Nichtbesteuerungen jenseits abkommensrechtlicher Regelungen durch innerstaatliche Normen zu begegnen. Insoweit kennt das innerstaatliche Steuerrecht sowohl eigene Subject-to-tax-Regeln (z.B. § 50d Abs. 8 EStG) als auch Switch-over-Vorschriften (z.B. § 20 Abs. 2 AStG, § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG).

21

Innerstaatliche Korrespondenzklausel. Mit dem erweiterten § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG und § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 EStG verfügt das innerstaatliche Steuerrecht über eine umfassende Korrespondenzregel insbesondere für hybride Finanzierungsinstrumente, die die Freistellung für bestimmte Einkünfte bei der die Leistung empfangenden Körperschaft versagt, soweit diese das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben. Die Regelung geht allerdings zum Teil über das hinaus, was zur Zielerreichung erforderlich ist. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat der leistenden Körperschaft, so gibt es bislang keine allgemeine Regelung, die den Betriebsausgabenabzug versagt, soweit die Leistung auf das hybride Instrument beim Empfänger freigestellt ist. Lediglich mit § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG gibt es im Bereich der Organschaft eine spezielle Abzugsbeschränkung. Über die Schaffung einer allgemeinen Korrespondenzregel als Betriebsausgabenabzugsbeschränkung wird aber im Rahmen der BEPS-Diskussion zunehmend nachgedacht. Die Lizenzschranke in § 4j EStG ist ein erster Schritt in diese Richtung. Dem Vernehmen nach gibt es aber Überlegungen, dies in Anlehnung an das US-amerikanische BEAT-Regime auszuweiten.

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Hinzurechnungsbesteuerung. Der Klassiker gegen eine als nicht sachgerecht empfundene Minderbesteuerung ist die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7–14 AStG. Sie bewirkt für passive und niedrigbesteuerte Einkünfte einer ausländischen Gesellschaft, dass diese unter Durchgriff durch die Rechtspersönlichkeit der ausländischen Gesellschaft dem inländischen Gesellschafter zugerechnet und dort der Besteuerung unterworfen werden. Es gibt kaum ein anderes deutsches Steuergesetz, das so stark mit dem Namen Wassermeyer verbunden ist wie das AStG.1 Er hat das Gesetz seit seiner Entstehung wie kein anderer begleitet. Die Verfasser sind ihm in diesem Zusammenhang in vielerlei Hinsicht zu großem Dank verpflichtet.

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DBA-Anwendungsgesetze. Vereinzelt bedient sich der Gesetzgeber einer Art DBA-Anwendungsgesetz, um eine bestimmte Auslegung der DBA sicherzustellen. Dies gilt bspw. für die Anordnung in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG, wonach die dort angesprochenen Sondervergütungen abkommensrechtlich als (fiktive) „Unternehmensgewinne“ gelten sollen. Ein dem Vernehmen nach diskutiertes generelles „DBA-Anwendungsgesetz“2 wurde (bisher) nicht weiter verfolgt.

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Treaty Overrides. Regelmäßig bedient sich der Steuergesetzgeber in diesem Zusammenhang sog. „abkommensüberschreibender“ Vorschriften, sog. „Treaty overrides“, die nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtlich unbedenklich sind, soweit der gesetzgeberische „Durchbrechungswille“ ausreichend zum Ausdruck kommt (vgl. ausführlich Rz. 179 ff.).

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IV. Wirkungsweise von DBA Beschränkungsfunktion. Jeder Staat hat – im Rahmen des Territorialprinzips (vgl. Rz. 4) – fußend auf seiner völkerrechtlichen Souveränität das originäre Recht, auch internationale Sachverhalte zu besteuern.3 Besteuerungsrechte und Besteuerungsansprüche eines Staats folgen dabei allein aus seinem innerstaatlichen Recht. DBA sind hingegen weder in der Lage, Besteuerungsrechte „zuzuteilen“, noch solche originär „zu begründen“.4 DBA setzten vielmehr erst dann an, wenn die Vertragsstaaten nach ihrem innerstaatlichen Steu-

1 Z.B. Wassermeyer, DStZ 1972, 519, bis heute Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, Loseblattsammlung. 2 Vgl. die Hinweise bei Gosch, ISR 2013, 87 (92); Lehner, FR 2011, 1087 (1090). 3 Stv. Mössner in FS Seidl-Hohenfeldern, 403 (414). 4 Stv. Wassermeyer/Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 1a; Vogel, IStR 2003, 524.

Schönfeld/Häck

9

26

Systematik Rz. 26

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

errecht Besteuerungsansprüche reklamieren.1 Sie verändern insbesondere nicht eine nach dem Recht eines Vertragsstaats bestehende persönliche (beschränkte oder unbeschränkte) Steuerpflicht. Im Kollisionsfall enthalten DBA insoweit lediglich wechselseitige Verzichte der Vertragsstaaten auf ihre innerstaatlich bestehenden Besteuerungsansprüche, indem sie sich wechselseitig verpflichten, ihre Besteuerungsansprüche nach Maßgabe der Vorschriften des anwendbaren DBA nicht oder nur in begrenzter Höhe zu erheben.2 DBA setzen den innerstaatlichen begründeten Besteuerungsansprüchen damit Schranken (Schrankenfunktion)3 und teilen das „Steuergut“ zwischen den Vertragsstaaten untereinander auf.4 Auf das deutsche innerstaatliche Steuerrecht bezogen wirken sie letztlich wie eine Steuerbefreiungs- oder -ermäßigungsnorm (vergleichbar § 3 und § 34c EStG).5 27

Praktische Prüfungsfolge. Aus der vorstehenden Funktion der DBA folgt, dass bei der Prüfung der Frage, ob ein deutsches Besteuerungsrecht für einen bestimmten Sachverhalt besteht, in einem ersten Schritt geprüft werden muss, inwieweit Deutschland nach seinem innerstaatlichen Steuerrecht ein entsprechendes Besteuerungsrecht für sich beansprucht. Wird ein solches Besteuerungsrecht bereits nach dem innerstaatlichen Steuerrecht verneint, bedarf es keiner Prüfung von DBA, da ein nicht bestehender Besteuerungsanspruch keiner Beschränkung bedarf. Nur wenn Deutschland nach seinem innerstaatlichen Recht einen Besteuerungsanspruch bejaht, muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, inwieweit nach einem DBA dieser Besteuerungsanspruch beschränkt wird.

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Self-executing-Wirkung. DBA sind zwar völkerrechtliche Verträge, die grds. ihre Wirkung nur zwischen den beteiligten Völkerrechtssubjekten entfalten. Die in den DBA getroffenen Vereinbarungen enthalten indes nicht bloße Ermächtigungen, sondern räumen den Steuerbürgern unmittelbar Rechte und Pflichten ein (self-executing-Wirkung), da sie hinreichend bestimmt sind.6 Der Steuerbürger kann also die Beschränkungswirkung der DBA gegen die innerstaatlichen Besteuerungsansprüche unmittelbar selbst zur Geltung bringen. Aus Sicht des deutschen Steuerrechts wirken die DBA damit wie sachliche Steuerbefreiungen bzw. -ermäßigungen7 (zum Zustandekommen von DBA vgl. aber ausführlich Rz. 71 ff.).

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Rechtstechnische Umsetzung. Rechtstechnisch wird die Beschränkungsfunktion durch die sog. Verteilungsnormen der Art. 6–22 mit abschließender Rechtsfolge oder im Zusammenwirken mit dem sog. Methodenartikel gem. Art. 23A und Art. 23B umgesetzt (vgl. Rz. 44). Die Beschränkung des nationalen Besteuerungsrechts durch das DBA erfolgt entweder durch einen (teilweisen) Besteuerungsverzicht eines der Vertragsstaaten im Wege der Freistellung oder durch Anrechnung der im anderen Vertragsstaat bzgl. der Einkünfte erhobenen Steuern auf die inländische Steuer. Für den auf seine Besteuerungskompetenzen ganz oder teilweise verzichtenden Vertragsstaat bedeutet dies, dass sein nach innerstaatlichem Steuerrecht bestehender Besteuerungsanspruch eingeschränkt oder aufgehoben wird.8 Eine vereinbarte Freistellung hängt – soweit keine ausdrücklichen Abkommensklauseln vorhanden sind (dazu Rz. 16 ff.) – grds. nicht davon ab, ob der zur (vollständigen) Durchsetzung seines Besteuerungsanspruchs berechtigte Vertragsstaat von diesem tatsächlich Gebrauch macht (Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung, vgl. Rz. 12).

30

(Keine) Bedeutung abkommensrechtlicher Begriffe für das innerstaatliche Recht. Die in einem DBA definierten Begriffe haben grundsätzlich nur Bedeutung für das Abkommen selbst,9 nicht aber auch für die Auslegung eines (identisch) im innerstaatlichen verwendeten Begriffs, wie bspw. jenem der „Betriebsstätte“ in § 9 Nr. 3 GewStG, der in § 12 AO für Zwecke des innerstaatlichen Rechts definiert ist.10 Der nationale Gesetzgeber ist zwar nicht daran gehindert, einen abkommensrechtlichen Begriff als für die Auslegung des innerstaatlichen Rechts maßgebend zu erklären.11 Dies muss aber hinreichend klar im Gesetz zum Ausdruck kommen.12

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

10

BFH v. 20.7.2016 – I R 50/15, BStBl. II 2017, 230. Vgl. Wassermeyer/Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 1a; Debatin in FS Scherpf, 305 (306). Vgl. Debatin, RIW 1988, 727 (728). BFH v. 5.2.1965 – VI 334/63 U, BStBl. III 1965, 352. Wassermeyer/Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 1a; Lang in FG Wassermeyer, Nr. 27 Rz. 1. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 11. Vgl. BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; Wassermeyer/Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECDMA Rz. 1a; Lang in FG Wassermeyer, Nr. 27 Rz. 1. BFH v. 21.5.1997 – I R 79/96, BStBl. II 98, 113. Vgl. Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 OECD-MA: „Im Sinne dieses Abkommens …“. BFH v. 20.12.2017 – I R 98/15, BFH/NV 2018, 238; BFH v. 20.7.2016 – I R 50/15, BStBl. II 2017, 230. BFH v. 20.7.2016 – I R 50/15, BStBl. II 2017, 230; BFH v. 5.6.1986 – IV R 268/82, BStBl. II 1986, 659. BFH v. 5.6.1986 – IV R 268/82, BStBl. II 1986, 659.

Schönfeld/Häck

B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK

Rz. 32 Systematik

B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK I. Entstehung und Rechtscharakter Bedeutung der OECD für die Abkommenspolitik. Das Bedürfnis nach bilateralen Vereinbarungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung im internationalen Kontext besteht seit geraumer Zeit.1 Die Notwendigkeit international harmonisierter DBA erkennend hat die OECD – anknüpfend an die Vorarbeiten des Völkerbunds – basierend auf den Arbeiten des hierzu in 1956 speziell gebildeten Ausschusses (OECD-Steuerausschuss) erstmals 1963 ein „Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und des Vermögens“ nebst einem erläuternden Kommentar vorgelegt.2 Seitdem hat die OECD das OECD-MA und den OECD-MK zunächst sporadisch, dann laufend fortentwickelt. Die OECD übernimmt mit dem OECDSteuerausschuss die Rolle eines international anerkannten Forums zu Diskussionen über Fragen der internationalen Steuerpolitik. Sie entwickelt Leitlinien auf Gebieten, in denen eine internationale Koordinierung wünschenswert ist und befasst sich u.a. mit der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung und der Bekämpfung der Steuervermeidung und -hinterziehung.3 Daneben fördert die OECD mit dem OECDSteuerausschuss den Dialog mit Nichtmitgliedstaaten, um diese an die OECD-Grundsätze heranzuführen. Der OECD-Steuerausschuss (Committee on Fiscal Affairs; CFA) tagt jährlich regelmäßig und wird dabei durch die Mitgliedstaaten – i.d.R. durch die Leiter ihrer nationalen Steuerverwaltungen – vertreten. Als höchstes Gremium der OECD in steuerlichen Angelegenheiten legt der Steuerausschuss die strategische Ausrichtung der OECD in Steuerfragen fest und entscheidet über fachliche Einzelfragen der ihm nachgelagerten Arbeitsgruppen („Working Parties“).4 Die Position der OECD innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft wurde jüngst durch den im Januar 2016 bei der OECD angesiedelten organisatorischen Zusammenschluss von mehr als 100 Staaten, die sich zur Umsetzung der Ergebnisse des BEPS-Projekts (s. Rz. 85) bekannt haben, erheblich gestärkt (sog. Inclusive Framework on BEPS, IF).5 Das IF soll die Arbeiten an den BEPS-Empfehlungen fortsetzen und die Umsetzung der BEPS-Empfehlungen durch die Staaten beobachten.6 Die OECD hat neben dem für die Ertragsteuern relevanten OECD-MA auch ein solches für die Besteuerung von Erbschaften entwickelt.7 Aus der Arbeit des OECD-Steuerausschusses ist 2002 auch das verfahrensrechtliche OECD-MA über den Informationsaustausch in Steuersachen (OECD-MA [Inf]) hervorgegangen,8 auf welches Deutschland v.a. in jüngerer Zeit bereits mehrfach zum Abschluss entsprechender Abkommen zurückgegriffen hat.9

31

Rechtsnatur des OECD-MA/OECD-MK. Der den OECD-MA/OECD-MK fortentwickelnde OECD-Steuerausschuss ist zwar mit Vertretern der Mitgliedstaaten besetzt, hat aber – ebenso wenig wie die OECD selbst – keine Entscheidungsbefugnis ggü. den Mitgliedstaaten, sondern kann lediglich Empfehlungen der OECD an die Regierungen der Mitgliedstaaten entwickeln.10 Das OECD-MA ist daher selbst kein völkerrechtlicher Vertrag.11 Es beinhaltet nur die Empfehlung an die potenziellen Vertragsstaaten, sich beim Abschluss von DBA an der Konzeption des OECD-MA zu orientieren. Gleiches gilt für den auf das OECD-MA bezogenen OECD-MK, der ebenfalls grds. nur die Empfehlung enthält, die Vorschriften der mit dem OECD-MA übereinstimmenden DBA entsprechend dem OECD-MK auszulegen (zur Bedeutung für die Auslegung eines DBA ausführlich Rz. 114).

32

1 Das erste bekannte DBA ist jenes zwischen Preußen und Sachsen v. 16.4.1889. 2 Zur historischen Entwicklung von DBA im Überblick vgl. ausführlich Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 32 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 75 ff.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.12. Materialien zur Geschichte der DBA finden sich unter www.steuergeschichte. de und www.taxtreatieshistory.org. 3 Vgl. ausführlich zur Tätigkeit des OECD-Steuerausschusses Krabbe in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 156 ff. 4 Vgl. Kreienbaum/Fehling, IStR 2017, 929. 5 Hierzu ausf. Kreienbaum/Fehling, IStR 2017, 929 ff. Ausführlich Informationen zum Inclusive Framework on BEPS unter http://www.oecd.org/tax/beps/beps-about.htm. 6 Kreienbaum/Fehling, IStR 2017, 929 (930). 7 OECD-Musterabkommen für ein Abkommen zwischen (Staat A) und (Staat B) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlaß-, Erbschaft- und Schenkungsteuern. 8 Dazu ausführlich Hendricks in Wassermeyer, MA-InfAust. 9 Vgl. die Übersicht im BMF v. 17.1.2018 – IV B 2 - S 1301/07/10017-09 – DOK 2018/0042503, BStBl. I 2018, 239 unter I.4. 10 Stv. Mellinghoff in FG Wassermeyer, Nr. 6 Rz. 5; Roser, Ubg. 2016, 37. 11 Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 34.

Schönfeld/Häck

11

Systematik Rz. 33

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

33

Sprache des OECD-MA/OECD-MK. OECD-MA und OECD-MK werden offiziell nur in englischer und französischer Sprache herausgegeben, eine offizielle deutsche Übersetzung existiert aktuell nicht.1 Hieraus können sich – soweit OECD-MA bzw. OECD-MK in der Rechtspraxis heranzuziehen sind (vgl. zum Einfluss von OECD-MA/OECD-MK auf die Auslegung von DBA Rz. 114) – Rechtsunsicherheiten2 ergeben, denen nur durch die Berücksichtigung der englischen bzw. der französischen3 Originalfassung begegnet werden kann.4

34

Weitere Musterabkommen. Basierend auf dem OECD-MA hat der Wirtschafts- und Sozialausschuss der UN 1979 die Erarbeitung des sog. „UN-Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen einem Industriestaat und einem Entwicklungsland“ veranlasst (UN-MA). Eine Revision erfolgte in 2000.5 Das Abkommen berücksichtigt gegenüber dem OECD-MA in besonderem Maße die Bedürfnisse von Entwicklungsländern, indem zu deren Gunsten die Quellenbesteuerung gegenüber der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat (Industriestaat) ausgeweitet wird. Bei Verhandlungen mit den USA ist zu beachten, dass die USA ihren Vertragsverhandlungen über DBA regelmäßig das sog. US-Musterabkommen (USA-MA) zugrunde legen, welches zwar weitgehend auf dem OECD-MA basiert, jedoch umfangreichere Bestimmungen zu Bekämpfungen von Missbrauch sowie die Betonung des Staatsangehörigkeitsprinzips vorsieht.

II. Historische Entwicklung des OECD-MA/OECD-MK 35

Bedeutung der historischen Entwicklung für die Abkommensanwendung. Die historische Entwicklung des OECD-MA und noch viel mehr des OECD-MK hat für die Abkommensanwendung und insbesondere die Auslegung von DBA eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Betrachtet man einerseits die erhebliche faktische Bedeutung des OECD-MK für die Auslegung von DBA (vgl. Rz. 114) und berücksichtigt man andererseits die vom BFH in diesem Zusammenhang lediglich befürwortete statische Berücksichtigung nur der jeweils zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des jeweiligen DBA bestehenden Fassung des OECD-MA/ OECD-MK (vgl. Rz. 115) wird deutlich, dass der Rechtsanwender bei Auslegungszweifeln gezwungen sein kann, eine ganz bestimmte frühere Fassung von OECD-MA/OECD-MK heranzuziehen. Die maßgebliche Fassung ist jedoch wegen der z.T. mehrjährigen Dauer von Abkommensverhandlungen ggf. schwierig oder gar nicht mehr feststellbar, da dies auch regelmäßig nicht in den Abkommensdokumenten oder den Materialen vermerkt wird.6

36

Bisherige Entwicklung. In 1963 veröffentlichte die OECD erstmals ein Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens (OECD-MA 1963) nebst erläuterndem Musterkommentar. Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Mitgliedstaaten und deren Steuersystemen erfolgte 1977 eine Totalrevision des OECD-MA (OECD-MA 1977) und des Musterkommentars.7 Die Grundstruktur des OECD-MA 1963 wurde im Wesentlichen beibehalten.8 Dies gilt auch für die nachfolgenden Teilrevisionen des OECD-MA, welches seit 1992 – ebenso wie der OECD-MK – nicht mehr periodisch umfassend revidiert, sondern nach dem Konzept der OECD9 einem laufenden Revisionsprozess unterliegt, der zu Änderungen von einzelnen Punkten des OECD-MA und/oder des OECDMK in Abständen von ca. zwei bis drei Jahren führt. Teilrevidierte Fassungen des OECD-MA bzw. OECDMK von unterschiedlichem Gewicht wurden 1992,10 1994,11 1995,12 1997,13 2000,14 2002,15 2003,16 2005,17

1 Lediglich zum OECD-MA 2003 hat das BMF eine deutsche Übersetzung herausgegeben (BMF v. 18.2.2004 – IV B 6-S 1315-8/04, BStBl. I 2004, 286). 2 Vgl. Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 2008, 22. 3 Zwischen beiden Sprachfassungen besteht grds. Gleichrangigkeit, vgl. Lang, IStR 2011, 403 (409). 4 Haase in Haase, AStG/DBA3, Einleitung II Rz. 3. 5 Vgl. dazu Krabbe, IStR 2000, 618. 6 Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitk, 2008, 22. 7 Dazu Debatin, RIW 1978, 374. 8 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.14. 9 Vgl. Einleitung Nr. 9 und 11 OECD-MK. 10 Hierzu Krabbe, StbJb. 1993/94, 31; Lüthi/Kolb, IWB 1992/19, Fach 10, Gruppe 2, 875. 11 Hierzu Kolb/Lüthi, IWB 1994/23, Fach 10, Gruppe 2, 1059. 12 Hierzu Lüthi, SWI 1996, 11. 13 Vgl. dazu Aigner/Züger, SWI 1998, 225. 14 Hierzu Krabbe, IStR 2000, 196. 15 Hierzu Kolb, IWB 2002/21, Fach 10, Gruppe 2, 1655. 16 Hierzu Krabbe, IStR 2003, 253. 17 Hierzu Kolb, IWB 2005/19, Fach 10, Gruppe 2, 1911.

12

Schönfeld/Häck

B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK

Rz. 39 Systematik

20081, 20102, 20143 und 20174 veröffentlicht. Das Update 2017 bringt wesentliche Änderungen mit sich (s. Rz. 37). Naturgemäß wird der OECD-MK häufiger und einschneidender als das OECD-MA selbst geändert. Da sich eine Änderung des OECD-MA regelmäßig erst mit einer Verzögerung von Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, in der Abkommenspraxis niederschlägt,5 werden die Änderungen des OECD-MK von der OECD zunehmend genutzt, um die Steuerpolitik der Mitgliedstaaten zu beeinflussen, auch wenn der BFH eine dynamische Berücksichtigung der Änderungen des OECD-MK bei zuvor abgeschlossenen DBA – entgegen der Ansicht der OECD und der deutschen Finanzverwaltung – grds. ablehnt (vgl. ausführlich Rz. 115). Änderungen des OECD-MA/MK durch das Update 2017. Die Änderungen des OECD-MA und OECDMK durch das Update 20176 sind gegenüber früheren Updates außerordentlich weitreichend.7 Hierdurch werden die im BEPS-Projekt (dazu Rz. 84 ff.) erzielten Ergebnisse (Aktionspunkte 2, 6, 7 und 148), die im Rahmen des Multilateralen Instruments (s. Rz. 87 ff.) vorgeschlagenen Änderungen sowie jüngere OECDBerichte9 und kleinere Teiländerungen10 in das OECD-MA und den OECD-MK eingepflegt.11 Die Änderungen betreffen verschiedene Artikel des OECD-MA (s. die Hinweise in den Rz. 38 ff.).

37

III. Aufbau und Struktur von OECD-MA und OECD-MK 1. Überblick OECD-MA und OECD-MK. Das OECD-MA ist in sieben Abschnitte mit – nach Streichung von Art. 14 und Einfügung des neuen Art. 29 – 32 Artikeln geordnet und in seiner Grundstruktur seit dem OECD-MA 1963 kaum verändert worden. Das aktuelle OECD-MA bzw. der OECD-MK sind auf dem Stand von November 2017 und haben durch das Update 2017 umfassende Änderungen erfahren (s. Rz. 36, 37). Zunächst wird der Geltungsbereich des Abkommens festgelegt (Abschn. I), anschließend werden einige Ausdrücke des Abkommens definiert (Abschn. II). Der Hauptteil besteht in den Abschnitten III–V, die festlegen, inwieweit die beiden Vertragsstaaten jeweils Einkünfte und Vermögen besteuern können (Abschn. III und IV) und wie die Doppelbesteuerung vermieden werden soll (Abschn. V). Daran schließen sich die besonderen Bestimmungen (Abschn. VI) und die Schlussbestimmungen (Abschn. VII) an. Der OECD-MK enthält einen einleitenden Teil und im Übrigen Kommentierungsteile zu den einzelnen Abkommensbestimmungen in fortlaufender Nummerierung.

38

Vorbehalte bzw. Bemerkungen der Mitgliedstaaten. Aus der Verschiedenartigkeit der Mitgliedstaaten und deren innerstaatlichen Steuersystemen folgt, dass nicht sämtliche in der OECD vertretenen Mitgliedstaaten allen Empfehlungen im OECD-MA und OECD-MK uneingeschränkt folgen. Die Mitgliedstaaten notifizieren insoweit dem OECD-Steuerausschuss ggü. ihre Vorbehalte (gegenüber Artikeln des OECDMA) und Bemerkungen (gegenüber dem OECD-MK), die im OECD-MK jeweils am Ende der jeweiligen Kommentierung einer Abkommensbestimmung festgehalten werden.

39

1 Hierzu Kolb, IWB 2009/2, Fach 10, Gruppe 2, 2049; Jirousek, ÖStZ 2009, 195. 2 Hierzu Digeronimo/Kolb, IWB 2011, 26. Als besondere Änderung ist die Neufassung des Art. 7 durch das OECDMA 2010 zu nennen, vgl. ausf. Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757. 3 Hierzu Ditz/Bärsch, ISR 2014, 301 ff. 4 Hierzu Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 ff.; Bendlinger, SWI 2017, 450 ff. 5 Vgl. Waldhoff, StbJb. 2005/2006, 161 (162). 6 OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version (as it read on 21 November 2017). 7 Ausf. Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 ff. 8 Vgl. OECD, Neutralising the Effects of Hybrid Mismatch Arrangements, Action 2 – 2015 Final Report (5.10.2015); OECD, Preventing the Granting of Treaty Benefits in Inappropriate Circumstances, Action 6 – 2015 Final Report (05.10.2015); Vgl. OECD, Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status, Action 7 – 2015 Final Report (5.10.2015); Vgl. OECD, Making Dispute Resolution Mechanisms More Effective, Action 14 – 2015 Final Report (5.10.2015). 9 Vgl. Vgl. OECD, Interpretation and Application of Article 5 (Permanent Establishment) of the OECD Model Tax Convention (12.10.2011–12.2.2012); OECD, OECD Model Tax Convention, Revised Proposals concerning the Interpretation and Application of Article 5 (Permanent Establishment) (10.12.2012–31.1.2013); OECD, Proposed Changes to the OECD Model Tax Convention Dealing with the Operation of Ships and Aircraft in International Traffic, Public Discussion Draft (15.11.2013–15.1.2014); OECD, Public Discussion Draft, Treaty Entitlement of Non-CIV Funds (24.3.2016); OECD, Public Discussion Draft, Treaty Residence of Pension Funds (29.2.2016). 10 Vgl. Bendlinger, SWI 2017, 450 (451). 11 Ausf. Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 ff.

Schönfeld/Häck

13

Systematik Rz. 40

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

2. Titel und Präambel 40

Der dem OECD-MA vorangestellte Titel und die Präambel bringen seit dem Update 2017 zum Ausdruck, dass das Abkommen neben der Vermeidung der Doppelbesteuerung auch auf die Vermeidung von Nichtoder Niedrigbesteuerungen durch Steuerhinterziehung und Steuerumgehung1 zielt. 3. Geltungsbereich des Abkommens (Art. 1 und 2)

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Art. 1 und 2. Abschn. I des OECD-MA umschreibt den persönlichen (Art. 1) und sachlichen (Art. 2) Geltungsbereich des DBA. Beide Vorschriften werden durch den in Art. 30 bestimmten räumlichen Geltungsbereich ergänzt. DBA gewähren nicht allen Steuerpflichtigen, sondern nur den in ihren persönlichen Anwendungsbereich fallenden Steuerpflichtigen Schutz vor Doppelbesteuerungen. Persönlich abkommensberechtigt i.S.v. Art. 1 sind „Personen“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, die in einem oder in beiden Vertragsstaaten i.S.v. Art. 4 ansässig sind. Besondere Probleme bereitet die Frage der Abkommensberechtigung von Personengesellschaften (vgl. Art. 1 Rz. 45 ff.). Durch das Update 2017 wurde Art. 1 um die Absätze 2 und 3 erweitert.2 Art. 1 Abs. 2 OECD-MA – der Art. 1 Abs. 7 DBA-USA vergleichbar ist (s. Art. 1 Rz. 94 ff.) – zielt auf sog. hybride Gesellschaften und soll verhindern, dass durch subjektive Qualifikationskonflikte doppelte Nichtbesteuerungen ausgelöst werden. Art. 1 Abs. 3 OECD-MA will neben einer sog. „savings clause“3 v.a. das DBA für innerstaatliche Zurechnungs- und Missbrauchsvorschriften öffnen. Sachlich zielt das DBA auf die unter Art. 2 fallenden Steuern, wodurch im Wesentlichen die Steuern vom Einkommen und Vermögen, aus deutscher Sicht auch regelmäßig die Gewerbesteuer, erfasst sind. 4. Begriffsbestimmungen (Art. 3–5)

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Art. 3–5. Abschn. II des OECD-MA enthält mit seinen Art. 3–5 „vor die Klammer“ gezogene Definitionen abkommensrechtlicher Begriffe, die an mehreren Stellen des OECD-MA Verwendung finden. So definiert Art. 3 Abs. 1 u.a. den für die Abkommensberechtigung nach Art. 1 maßgeblichen Ausdruck der „Person“ („natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen“). Eine Vorschrift von besonderer Bedeutung für die Auslegung abkommensrechtlicher Begriffe enthält Art. 3 Abs. 2, wonach die vom Abkommen selbst nicht definierten Ausdrücke anhand des innerstaatlichen Steuerrechts des Anwenderstaats zu bestimmen sind, soweit der (Abkommens-)Zusammenhang nichts anderes erfordert (vgl. Rz. 97) und – insoweit eingefügt durch das Update 2017 – sich die Vertragsstaaten nicht auf eine abweichende Bedeutung verständigen. Art. 4 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine abkommensberechtigte „Person“ in einem der Vertragsstaaten für Zwecke des Abkommens „ansässig“ ist. Hierzu können seit dem Update 2017 auch „anerkannte Pensionsfonds“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA 2017 zählen. Die Ansässigkeit der Person hat regelmäßig entscheidende Bedeutung für die Anwendung der Verteilungsnormen (Art. 6–22) und des Methodenartikels (Art. 23A/B). Zunächst sieht Art. 4 Abs. 1 eine direkte Anknüpfung an das innerstaatliche Steuerrecht vor. Insoweit ist eine Person in einem Vertragsstaat „ansässige Person“, wenn sie nach dem Recht dieses Staats dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Für den Fall, dass die abkommensrechtliche Ansässigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 1 in beiden Staaten erfüllt ist, nimmt Art. 4 Abs. 2 (für natürliche Personen) nach Maßgabe eines abgestuften Kriterienkatalogs eine Entscheidung allein für Zwecke des Abkommens vor, in welchem der beiden Vertragsstaaten die abkommensberechtigte Person als ansässig gilt (sog. „tie-breaker“-Regelung). Für nicht-natürliche Personen sollte es bei Doppelansässigkeiten bisher darauf ankommen, wo sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Im Anschluss an die Änderung durch das Update 2017 sollen nun die angesprochenen Vertragsstaaten die „Ansässigkeit“ durch ein Verständigungsverfahren klären.4 Art. 5 sieht schließlich eine Definition des Begriffs der „Betriebsstätte“ vor, dem v.a. wesentliche Bedeutung im Rahmen der sog. Betriebsstättenvorbehalte der Verteilungsnormen (vgl. Art. 7 Abs. 1, Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3, Art. 13 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1) zukommt. Das Update 2017 führt im Anschluss an Aktionspunkt 7 des BEPS-Berichts5 zu grundlegenden Änderungen im Hinblick auf Art. 5 Abs. 4–6 OECD-MA (s. Art. 5 (2017) Rz. 58 ff.).

1 OECD-MA 2017 (Title of the Convention): „Convention between (State A) and (State B) fort he elemination of double taxation with respect to taxes on income and on capital and the prevention of tax evasion and avoidance“. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der neu geschaffenen „Preamble tot he Convention“. 2 Ausf. Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 ff. 3 Dazu Bendlinger, SWI 2017, 450 (452). 4 Zu Recht krit. aus Praktikabilitätsgründen Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1172). 5 Vgl. OECD, Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status, Action 7 – 2015 Final Report (5.10.2015).

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Schönfeld/Häck

B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK

Rz. 45 Systematik

5. Besteuerung des Einkommens und Vermögens (Art. 6–22) a) Systematisches Allgemeines. Abschn. III und IV des OECD-MA enthalten die sog. Verteilungsnormen1 in Bezug auf die 43 Besteuerung des Einkommens (Art. 6–21, vgl. Rz. 47–54) und des Vermögens (Art. 22, vgl. Rz. 55). Sie bilden den Hauptbestandteil des OECD-MA und treffen eine (Vor-)Entscheidung über die abkommensrechtliche Be- oder Einschränkung des innerstaatlich begründeten Besteuerungsanspruchs eines Vertragsstaats (vgl. ausführlich Rz. 44) und die Verteilung des Steuerguts zwischen Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat. Das OECD-MA kennt eine Vielzahl nicht mit dem innerstaatlichen Steuerrecht übereinstimmender Einkunftsarten (Art. 6–8 und Art. 10–21, dazu näher Rz. 47 ff.), die zudem in einem besonderen Rangverhältnis zueinander stehen. Die eigene Begriffssprache und die selbständigen Einkunftsarten der Verteilungsnormen dürfen nicht ohne Weiteres durch Anleihen aus dem innerstaatlichen Recht ausgefüllt werden. Begriffliche Übereinstimmungen zwischen Abkommensrecht und innerstaatlichem Recht eines Vertragsstaats dürfen nicht dazu verleiten, den Abkommensbegriff mit dem des innerstaatlichen Rechts gleichzusetzen. Insoweit ist grds. die vorrangig abkommensautonome Auslegung zu beachten (vgl. dazu Rz. 95). Kategorien von Verteilungsnormen. Die Verteilungsnormen entscheiden entweder selbst (Verteilungsnormen mit abschließender Rechtsfolge2) oder i.V.m. dem sog. Methodenartikel gem. Art. 23A/B (sog. Verteilungsnormen mit offener Rechtsfolge3) darüber, ob und in welchem Umfang der innerstaatlich begründete Besteuerungsanspruch eines Vertragsstaats durch das DBA eingeschränkt wird. Welcher Kategorie eine Verteilungsnorm zugehörig ist, entscheidet sich nach deren Wortlaut, der entweder die abschließende Rechtsfolge anordnet (z.B. Art. 12 Abs. 1: „Lizenzgebühren […] können nur4 im anderen Staat besteuert werden“) oder offenlässt (z.B. Art. 11 Abs. 1 OECD-MA: „Zinsen […] können5 im anderen Staat besteuert werden“). Fällt eine Verteilungsnorm in die erste Kategorie, ergibt sich für den nicht berechtigten Vertragsstaat zwingend die Beschränkung seines nationalen Besteuerungsanspruchs durch Steuerfreistellung (abschließende Rechtsfolge). Nur bei Verteilungsnormen mit offener Rechtsfolge kommt der Methodenartikel (vgl. Rz. 56 ff.) zur Anwendung,6 der entscheidet, ob der Ansässigkeitsstaat eine Doppelbesteuerung durch Anwendung der Freistellungs- oder Anrechnungsmethode zu vermeiden hat. Die Einordnung einer Verteilungsnorm in die eine oder andere Kategorie hat daher besondere Relevanz, da nur bei den Verteilungsnormen mit offener Rechtsfolge die Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht durch die Freistellungs-, sondern ggf. die Anrechnungsmethode gesichert wird, ggf. nur für diese Einschränkungen für eine Steuerfreistellung vorgesehen sein können (z.B. Aktivitätsvorbehalte) und zudem die geänderte Ansicht der OECD zur Auslegung des Art. 23A Abs. 1 nur Bedeutung erlangt, wenn der Methodenartikel überhaupt Anwendung findet. Die Verteilungsnormen mit abschließender Rechtsfolge richten sich insoweit sowohl an den Quellenals auch den Ansässigkeitsstaat, da sie für beide (unmittelbar bzw. mittelbar) eine abschließende Rechtsfolge anordnen. Hingegen zielen die Verteilungsnormen mit offener Rechtsfolge insoweit allein auf den Quellenstaat, als sie nur für diesen eine Beschränkung oder Bestätigung seines innerstaatlich begründeten Besteuerungsanspruch enthalten, sich hingegen die Rechtsfolge zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für den Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen aus dem Methodenartikel (vgl. Rz. 56 ff.) ergibt.

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„Ansässigkeitsstaat“ und „Quellenstaat“. Regelmäßig werden die Vertragsstaaten bei Anwendung eines DBA als „Wohnsitzstaat“7 (Staat, in dem die abkommensberechtigte Person ansässig ist) und „Quellenstaat“ bzw. „Belegenheitsstaat“ (Staat, aus dem die Einkünfte „stammen“ oder das einkünftegenerierende Vermögen belegen ist) bezeichnet. Der Begriff des „Wohnsitzstaats“ ist insoweit erläuterungsbedürftig, als der Wohnsitz des Steuerpflichtigen für die Abkommensanwendung nicht automatisch mit der abkommensrechtlichen Ansässigkeit i.S.v. Art. 4 korrespondiert (vgl. zu Art. 4 Rz. 36) und Gesellschaften keinen „Wohnsitz“ haben können, aber grds. abkommensberechtigt sind. Insoweit empfiehlt sich, anstelle des Begriffs des

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1 Der Begriff ist allgemein und v.a. international gebräuchlich (vgl. stv. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.211; krit. Wassermeyer/Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 1a; Debatin, DB 1985, Beilage Nr. 23, 2: „Verzichtsnorm“), hat aber keinen eigenständigen rechtlichen Gehalt. Er beschreibt vielmehr die allgemeine Wirkungsweise der DBA. 2 Auch als vollständige Verteilungsnormen bezeichnet, vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.212. 3 Auch als unvollständige Verteilungsnormen bezeichnet, vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.213. 4 Kursiv nicht im Original. 5 Kursiv nicht im Original. 6 Vgl. auch Eimermann in FG Wassermeyer, Nr. 10 Rz. 1; Offen gelassen von BFH v. 25.5.2016 – I B 139/11, BFH/NV 2016, 1453. 7 Vgl. z.B. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.197.

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Systematik Rz. 45

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

„Wohnsitzstaats“ die Bezeichnung „Ansässigkeitsstaat“ zu verwenden. Weiter ist zu beachten, dass die Unterscheidung zwischen „Ansässigkeitsstaat“ und „Quellenstaat“ suggeriert, dass die Verteilungsnormen nur dann zur Anwendung gelangen, wenn der eine Vertragsstaat als „Ansässigkeitsstaat“ und der andere Vertragsstaat als „Quellenstaat“ qualifiziert. Insoweit ist aber zu sehen, dass die Verteilungsnormen auch durchaus Sachverhalte erfassen können, in denen Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat identisch sind (z.B. Anwendung des Art. 15 Abs. 1 bei ausschließlicher Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat). 46

Kein inneres System der Verteilungsnormen. Die Verteilungsnormen bzgl. der Besteuerung des Einkommens (Art. 6–22) folgen keinem inneren System, ihre Reihenfolge ist vielmehr historisch bedingt.1 Zwar lassen sich bestimmte inhaltlich zusammenhängende Gruppen bilden (z.B. tätigkeitsbezogene Einkünfte: Art. 7, Art. 8, Art. 15, Art. 16; vermögensnutzungsbezogene Einkünfte: Art. 6, Art. 10–12; veräußerungsbezogene Einkünfte: Art. 13),2 bestimmte Einkunftsarten sind aber derart speziell (z.B. Art. 20), dass sich eine schlüssige Systematisierung nur schwer herstellen lässt. b) Inhalt und Struktur der Verteilungsnormen im Überblick

47

Art. 6 (Unbewegliches Vermögen). Zu den Einkünften aus „unbeweglichem Vermögen“ i.S.v. Art. 6 (Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge, Freistellungsmethode, Art. 23A Abs. 1) zählen grds. sämtliche Einkünfte aus der Nutzung des unbeweglichen Vermögens (Art. 6 Abs. 3) wie etwa Vermietungs- und Verpachtungseinkünfte, aber auch solche aus Land- und Forstwirtschaft sowie der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen (dann aber Art. 13 Abs. 1 als lex specialis). Fallen solche Einkünfte im Rahmen eines Unternehmens an, geht Art. 6 dem Art. 7 vor (Art. 6 Abs. 4). Als Besonderheit knüpft Art. 6 Abs. 2 die Bestimmung des Begriffs des „unbeweglichen Vermögens“ an den des nationalen Rechts des Belegenheitsstaats an, enthält also eine dynamische Verweisung auf dessen innerstaatliches Steuerrecht.

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Art. 7–9 (Unternehmensgewinne u.a.). Art. 7 enthält mit den Unternehmensgewinnen die wichtigste abkommensrechtliche Einkunftsart. Er umfasst nach der Aufhebung von Art. 14 a.F. (selbständige Arbeit) auch die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, die über die Definitionen „Unternehmen“ und „Geschäftstätigkeit“ (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und h) in die „Unternehmensgewinne“ einbezogen werden. Art. 7 sieht für Unternehmensgewinne vor, dass diese im Grundsatz der Besteuerung durch den Staat, in dem der Unternehmer ansässig ist, obliegen (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge). Etwas anderes gilt jedoch über den sog. Betriebsstättenvorbehalt dann, wenn das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt und die Einkünfte dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können (Art. 7 Abs. 1 Satz 1, 2 HS., Satz 2, Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge, Freistellungsmethode). Besondere Bedeutung für das Rangverhältnis des Art. 7 zu anderen Verteilungsnormen enthält die Subsidiaritätsklausel des Art. 7 Abs. 4, nach dem insbesondere (die Rechtsfolgen der) Art. 6, Art. 10–12 und Art. 213 vorrangig vor (der des) Art. 7 anzuwenden sind, selbst wenn die fraglichen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6), die Dividenden (Art. 10), Zinsen (Art. 11), Lizenzgebühren (Art. 12) oder andere Einkünfte zu den Unternehmensgewinnen i.S.v. Art. 7 „gehören“. Insoweit lässt sich von einer abkommensspezifischen isolierenden Betrachtungsweise4 sprechen, die aber anderen Regeln folgt als die der isolierenden Betrachtungsweise i.S.v. § 49 Abs. 2 EStG. Die Vorrangigkeit dieser Verteilungsnormen wird jedoch wieder zurückgenommen, wenn die Einkünfte einer Betriebsstätte in einem Vertragsstaat zuzurechnen sind und – wie bei Dividenden (Art. 10 Abs. 4), Zinsen (Art. 11 Abs. 4), Lizenzgebühren (Art. 12 Abs. 3) und anderen Einkünften (Art. 21 Abs. 2) – ein Betriebsstättenvorbehalt die Anwendung von Art. 7 reaktiviert. Das Betriebsstättenprinzip in Form der Betriebsstättenvorbehalte ist besonderer Ausdruck des Kompromisses bei der Verteilung des Steuerguts, der einem Vertragsstaat v.a. dann sein Besteuerungsrecht belassen soll, wenn bei ihm eine besondere Inanspruchnahme seiner Volkswirtschaft zu beobachten ist. Weiter ist Art. 7 in seinem Anwendungsbereich in engem Zusammenhang mit Art. 8 und Art. 9 zu sehen. Art. 8 (Seeschiffahrt, Binnenschiffahrt und Luftfahrt) wurde durch das Update 2017 in verschiedener Hinsicht angepasst5 und sieht für Unternehmensgewinne aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen Sonderverteilungsnormen zugunsten des Vertragsstaats vor, in dem sich der Ort der tatsäch1 Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 84. 2 Vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 84. 3 Art. 21 soll trotz seines Auffangcharakters dem Art. 7 insoweit vorgehen, vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 355; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECDMA Rz. 175; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 16.233; a.A. Buciek in F/W/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 865. 4 Wassermeyer/Drüen in Wassermeyer, Vor. Art. 6–22 OECD-MA Rz. 21; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.214; Debatin in FS Scherpf, 305 (315); Amann, DB 1997, 796 (797). 5 Dazu Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171(1173).

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Schönfeld/Häck

B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK

Rz. 52 Systematik

lichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet (Art. 8 Abs. 1, Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge). Auch Art. 8 geht Art. 7 vor (vgl. Art. 7 Abs. 4). Art. 9 (Verbundene Unternehmen) umschreibt – insoweit besondere Verteilungsnorm innerhalb der Art. 6–22 – keine eigenständige Einkunftsart, sondern enthält eine Gewinnberichtigungsnorm für die aus Beziehungen zwischen verbundenen Unternehmen generierten Gewinne. Art. 9 dient auch der Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerungen (vgl. Art. 9 Rz. 5). Art. 10–12 (Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren). Gemeinsames Merkmal der eng verwandten Art. 10– 12 ist, dass sie die Besteuerung von Erträgen aus der Nutzungsüberlassung bestimmter Wirtschaftsgüter (Kapitalvermögen: Art. 10, 11; „geistiges“ Vermögen: Art. 12) zum Gegenstand haben. Rechtsfolgenseitig kommt es bei Dividenden i.S.v. Art. 10 und Zinsen i.S.v. Art. 11 (Verteilungsnormen mit offener Rechtsfolge; Anrechnungsmethode, Art. 23A Abs. 2) im Ergebnis regelmäßig zu einer Teilung des Steuerguts zwischen Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat, die sich daraus ergibt, dass der Besteuerungsanspruch des Quellenstaats in der Höhe begrenzt wird (Art. 10 Abs. 2: 5 %1 bzw. 15 %; Art. 11 Abs. 2: 10 %) und der Ansässigkeitsstaat diese ausländische Steuer bei Geltendmachung seines eigenen Besteuerungsanspruchs anrechnet (Art. 23A Abs. 2). Für Lizenzgebühren setzt sich allein der Besteuerungsanspruch des Ansässigkeitsstaats durch (Art. 12 Abs. 1; Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge). Zu beachten sind aber die jeweiligen Betriebsstättenvorbehalte (Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3). Sind danach die den Einkünften aus der Nutzungsüberlassung zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter einer Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 im Quellenstaat zuzurechnen, wird der grds. subsidiär anwendbare Art. 7 reaktiviert (vgl. zum Rangverhältnis Rz. 48) und es kommt zu einem vollständigen Besteuerungszugriff durch den Quellen- bzw. Betriebsstättenstaat. Besondere Bedeutung erlangt dann die Frage, wann das zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut „tatsächlich“ der Betriebsstätte zuzurechnen ist (vgl. Art. 10 Rz. 200 ff., Art. 11 Rz. 86 ff. und Art. 12 Rz. 131 ff.). Gemeinsam ist den Art. 10–12 die Voraussetzung, dass der „Nutzungsberechtigte“ im anderen Vertragsstaat ansässig ist. Hierdurch soll Abkommensmissbräuchen vorgebeugt werden, die sich durch Zwischenschaltung abkommensberechtigter „Durchlaufstellen“ ergeben könnten.

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Art. 13 (Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen). Art. 13 enthält eine eigenständige Verteilungs- 50 norm betr. die abkommensrechtliche Behandlung von Gewinnen aus der Veräußerung von Vermögen. Veräußerungsgewinne sind danach zwar grds. nicht nach den anderen Verteilungsnormen zu beurteilen, die z.B. die Besteuerung der Erträge aus Nutzungsüberlassungen des Vermögens regeln. Es zeigt sich aber, dass Art. 13 bewusst die gleichen Rechtsfolgen zeitigt, wie die entsprechenden Einkunftsklauseln betr. die Besteuerung der „laufenden“ Erträge.2 Art. 13 Abs. 1 (Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge; Freistellungsmethode, Art. 23A Abs. 1) teilt die Gewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen i.S.v. Art. 6 – ebenso wie Art. 6 für die laufenden Einkünfte – abkommensrechtlich dem Belegenheitsstaat zu (Belegenheitsprinzip). Gleiches gilt für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen, die überwiegend auf im anderen Vertragsstaat belegenem, unbeweglichem Vermögen beruhen (Art. 13 Abs. 4). Insoweit hat Art. 13 Abs. 4 durch das Update 2017 zur Vermeidung von Missbräuchen eine Verschärfung erfahren, als der 50%ige Schwellenwert nun nur zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb von 365 Tagen vor Veräußerung der Anteile erfüllt sein braucht.3 Gewinne aus der Veräußerung des einer Betriebsstätte zuzurechnenden Vermögens werden gem. Art. 13 Abs. 2 (Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge; Freistellungsmethode, Art. 23A Abs. 1) – ebenso wie durch Art. 7 für laufende Einkünfte – dem Betriebsstättenstaat zugewiesen (Betriebsstättenprinzip). Art. 13 Abs. 3 (Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge) folgt insoweit den Besteuerungsfolgen für laufende Einkünfte i.S.v. Art. 8 (Besteuerung durch Geschäftsleitungsstaat). Art. 13 Abs. 5 (Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge) folgt Art. 21 i.S. einer Auffangklausel (Besteuerung durch Ansässigkeitsstaat). Art. 14 a.F. (selbständige Arbeit). Die gesonderte Verteilungsnorm für Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Art. 14 wurde durch das OECD-MA 2000 aufgehoben und ist – wegen der inhaltlichen Nähe – über die Definitionen „Unternehmen“ und „Geschäftstätigkeit“ (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und h) in die „Unternehmensgewinne“ i.S.v. Art. 7 einbezogen worden.

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Art. 15–19 und 28 (Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit u.a.). Das OECD-MA enthält mit den Art. 15–19 verschiedene Vorschriften, die für die Besteuerung von „Vergütungen aus unselbständiger Tätigkeit“ relevant sind. Dabei betreffen die Art. 15 (Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit), Art. 18 (Ruhegehälter) und Art. 19 (Öffentlicher Dienst) ausschließlich Einkünfte aus aktueller oder früherer unselbständiger Tätigkeit, während die von Art. 16 (Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen) und

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1 Das Update 2017 verschärft die Anforderungen an die Quellensteuerreduktion durch eine bisher nicht vorausgesetzte Mindesthaltedauer, die der Vermeidung von Missbräuchen dienen soll, vgl. Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1173 f.). 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 1. 3 Krit. Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1175).

Schönfeld/Häck

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Systematik Rz. 52

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

Art. 17 (Künstler und Sportler) erfassten Einkünfte solche bestimmter Personengruppen betreffen, die sowohl aus unselbständiger als auch aus selbständiger Tätigkeit herrühren können. Art. 28 (Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen) enthält selbst keine eigene Einkunftsart und ist auch nicht abkommensrechtliche Verteilungsnorm, sondern stellt lediglich klar, dass die aus Art. 37 WÜD1 und Art. 49 und 71 WÜK2 folgenden steuerrechtlichen Privilegien des diplomatischen und konsularischen Personals ungeachtet des DBA erhalten bleiben. Jedoch folgt durch Art. 28 eine praktisch nicht unerhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 19 für Vergütungen aus unselbständiger Arbeit im öffentlichen Dienst. Art. 15 enthält für Vergütungen für unselbständige Tätigkeiten in Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 eine ähnliche Grundkonzeption wie Art. 7. Grundsätzlich sieht Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 eine Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge zugunsten des Ansässigkeitsstaat der tätig werdenden Person vor (Wohnsitzprinzip). Dieses wird jedoch zugunsten des anderen Vertragsstaats suspendiert, wenn die Tätigkeit in diesem ausgeübt wird (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2). In diesem Fall führt Art. 15 Abs. 1 Satz 2 (Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge; Freistellungsmethode, Art. 23A Abs. 1) zu einer Besteuerung im Tätigkeitsstaat (Arbeitsortprinzip) und zu einer Steuerfreistellung im Ansässigkeitsstaat, wenn – was sich aus Art. 15 Abs. 2 im Umkehrschluss ergibt – der Arbeitnehmer sich im Staat des Arbeitsortes innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten an mehr als 183 Tagen aufgehalten hat oder die Vergütungen von einem Arbeitgeber, für einen Arbeitgeber oder von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung im Staat des Arbeitsortes gezahlt worden sind. Für die Einkünfte aus der unselbständigen Arbeit an Bord eines Seeschiffes oder Luftfahrtschiffes im internationalen Verkehr sieht Art. 15 Abs. 3 eine vorrangige Sonderregelung vor, die rechtsfolgenseitig Art. 8 und Art. 13 Abs. 3 entspricht (vgl. Rz. 48 und Rz. 50). Art. 16 enthält eine besondere Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge für Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen, die grds. vom Sitzstaat der jeweiligen Gesellschaft als Quellenstaat besteuert werden können, während der Ansässigkeitsstaat nach Art. 23A Abs. 1 die Einkünfte freistellt. Art. 17 ist besondere Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge für die Einkünfte von Künstlern und Sportlern, unabhängig davon, ob diese selbständig oder unselbständig tätig werden. Stets ist Art. 17 vorrangig vor den allgemein anwendbaren Regeln für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (Art. 7) bzw. unselbständiger Tätigkeit (Art. 15) anzuwenden. Gemäß Art. 17 kann der Staat sein Besteuerungsrecht durchsetzen, in dem die Künstler oder Sportler ihre Tätigkeit persönlich ausüben (Tätigkeitsstaat), der andere Vertragsstaat stellt die Einkünfte steuerfrei (Art. 23A Abs. 1). Art. 18 spricht für Ruhegehälter aus einer ehemaligen unselbständigen Tätigkeit dem Ansässigkeitsstaat die abkommensrechtliche Besteuerungsbefugnis zu (Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge), unabhängig davon, wo die frühere unselbständige Tätigkeit ausgeübt wurde. Art. 19 statuiert in Abs. 1 Buchst. a das sog. Kassenstaatsprinzip, nach dem Vergütungen für im öffentlichen Dienst geleistete unselbständige Arbeit dem Staat zur Besteuerung zugewiesen werden, der die fraglichen Vergütungen zahlt (Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge). Der Ansässigkeitsstaat ist nur zur Besteuerung berufen, wenn die Arbeit im Ansässigkeitsstaat geleistet wird, die dort ansässige Person dessen Staatsangehörigkeit besitzt oder sie aus anderen Gründen als zur Arbeitsausübung in diesem Staat ansässig geworden ist (Art. 19 Abs. 1 Buchst. b, Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge). Handelt es sich bei den fraglichen Einkünften ihrer Art nach um Vergütungen aus unselbständiger Arbeit, ist das besondere Rangverhältnis der Art. 15–19 zueinander zu beachten. Soweit Art. 15 Anwendung findet, ist zu beachten, dass normintern Abs. 3 dem Abs. 1 vorgeht. Fallen die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit unter einen der Art. 16–19, sind diese als lex specialis stets vorrangig vor Art. 15. Dies ergibt sich einerseits aus Art. 15 selbst („vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19“), andererseits für Einkünfte unselbständiger Künstler und Sportler aus Art. 17 Abs. 1 („ungeachtet der Artikel 7 und 15“). Art. 18 ist für Ruhegehälter aus einer ehemaligen Tätigkeit im öffentlichen Dienst subsidiär zu Art. 19 Abs. 2 („vorbehaltlich des Artikels 19 Absatz 2“). Art. 19 Abs. 3 ordnet wiederum für Vergütungen aus einem Arbeitsverhältnis mit einem gewerblichen Betrieb der öffentlichen Hand den Vorrang der Art. 15, 16, 18 an. Art. 19 findet insoweit keine Anwendung, soweit die Vergütungen den aus Art. 37 WÜD und Art. 49 und 71 WÜK folgenden steuerrechtlichen Privilegien des diplomatischen und konsularischen Personals unterfallen (Art. 28). 53

Art. 20 (Studenten). Art. 20 enthält eine Sonderregelung für Zahlungen, die Studenten, Praktikanten oder Lehrlinge für ihren Unterhalt, ihr Studium oder ihre Ausbildung erhalten und enthält insoweit eine besondere Form einer Verteilungsnorm, als nicht dem Ansässigkeitsstaat oder Quellenstaat das Steuergut zugeteilt, sondern lediglich die Steuerfreistellung der Zahlungen im Aufenthaltsstaat (Gastland) angeordnet wird. Art. 20 greift selbst dann, wenn der Aufenthaltsstaat weder Quellen- noch Ansässigkeitsstaat ist. Hintergrund der Regelung ist die Förderung des Ausbildungsaustausches zwischen den Staaten, indem verhin-

1 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v. 18.4.1961, BGBl. II 1964, 957. 2 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v. 24.4.1963, BGBl. II 1969, 1585, BGBl. II 1971, 1285.

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Schönfeld/Häck

B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK

Rz. 57 Systematik

dert wird, dass die Unterhalts- und Ausbildungsbeihilfen durch eine Besteuerung im Aufenthaltsstaat gemindert werden.1 Art. 21 (andere Einkünfte). Art. 21 Abs. 1 enthält in Form einer Verteilungsnorm mit abschließender 54 Rechtsfolge eine Auffangklausel zugunsten des Ansässigkeitsstaats für die Einkünfte, die nicht in den Anwendungsbereich der speziellen Verteilungsnormen i.S.v. Art. 6–20 fallen („Einkünfte, die in den vorstehenden Artikeln nicht behandelt wurden“). Dies sind – neben sehr speziellen Einkünften und Einkünften aus dem Ansässigkeitsstaat – v.a. sog. Drittstaateneinkünfte, d.h. solche, die nicht unter die speziellen Verteilungsnormen fallen, soweit diese nur Einkünfte aus einem der beiden Vertragsstaaten als Quellen- oder Ansässigkeitsstaat erfassen. Die Besonderheit von Drittstaateneinkünften besteht darin, dass Art. 21 die Besteuerungsbefugnis nur bilateral zwischen den beiden Vertragsstaaten regeln kann, die beide nicht Quellenstaat der Einkünfte sind. Insoweit steht die durch Art. 21 vorgesehene Besteuerungsbefugnis des Ansässigkeitsstaats ihrerseits unter dem Vorbehalt eines etwaigen DBA mit dem Quellenstaat. Art. 21 Abs. 2 enthält einen sog. Betriebsstättenvorbehalt zugunsten der Anwendung von Art. 7. Art. 22 (Vermögen). Abschn. IV des OECD-MA bildet mit Art. 22 eine die Verteilungsnormen i.S.v. Art. 6–21 ergänzende Verteilungsnorm für die Besteuerung des Vermögens. Im Aufbau ähnelt Art. 22 dem Art. 13. Art. 22 Abs. 1 weist für unbewegliches Vermögen dem Belegenheitsstaat die Besteuerungsbefugnis zu, Art. 22 Abs. 2 für bewegliches Betriebsstättenvermögen dem Betriebsstättenstaat. Für Seeschiffe und Luftfahrtschiffe stellt Art. 22 Abs. 3 Rechtsfolgenidentität zu Art. 8, 13 Abs. 3 und 15 Abs. 3 her (Besteuerungsbefugnis des Geschäftsleitungsstaats). Art. 22 Abs. 4 ordnet für das übrige Vermögen die Besteuerungsbefugnis des Ansässigkeitsstaats an.2

55

6. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23A/B) Bedeutung der sog. Methodenartikel. Abschn. V enthält mit Art. 23A (Befreiungsmethode) und Art. 23B (Anrechnungsmethode) die sog. Methodenartikel. Die Methodenartikel sind im Zusammenhang mit den Verteilungsnormen (Art. 6–22) zu sehen und vermeiden eine Doppelbesteuerung für die Fälle, in denen eine Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge zur Anwendung gelangt, also die Verteilungsnorm zwar eine Entscheidung darüber trifft, welche Besteuerungsbefugnisse dem Quellenstaat verbleiben, nicht aber, wie die Doppelbesteuerung durch den Ansässigkeitsstaat vermieden wird (dazu Rz. 44).3 Die Methodenartikel richten sich daher ausschließlich an den Vertragsstaat, in dem die abkommensberechtigte Person i.S.v. Art. 1, die die fraglichen Einkünfte bezieht, ansässig i.S.v. Art. 4 ist (Ansässigkeitsstaat). Die Methodenartikel des OECD-MA sind als alternative Empfehlungen an die Vertragsstaaten zu sehen, die Vermeidung der Doppelbesteuerung aus Sicht des Ansässigkeitsstaat im fraglichen DBA konzeptionell entweder durch die Befreiungsmethode i.S.v. Art. 23A Abs. 1 oder die Anrechnungsmethode i.S.v. Art. 23B zu vermeiden (daher die Bezeichnung als „A“ und „B“). In der Abkommenspraxis finden sich aber regelmäßig Methodenartikel, die beide Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung kombinieren, d.h. für bestimmte Einkünfte die Anrechnung, für die übrigen Einkünfte die Freistellung vorsehen.

56

Befreiungsmethode (Art. 23A). Die Befreiungsmethode (i.d.R. als Freistellungsmethode bezeichnet) i.S.v. Art. 23A sieht grds. einen Besteuerungsverzicht des Ansässigkeitsstaats zugunsten des Quellenstaats vor, indem der Ansässigkeitsstaat die Einkünfte, die der andere Vertragsstaat unter Anwendung der maßgeblichen Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge besteuern kann, freistellt. Die Freistellungsmethode verfolgt das Prinzip der sog. Kapitalimportneutralität.4 Ob der Quellenstaat von seiner Besteuerungsbefugnis tatsächlich Gebrauch macht, ist nach dem eindeutigen Wortlaut nicht erforderlich (Vermeidung virtueller Doppelbesteuerung, vgl. Rz. 12). Art. 23A Abs. 3 belässt dem Ansässigkeitsstaat aber das Recht, die freizustellenden Einkünfte im Rahmen der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen bzw. Vermögen des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (auch als sog. Progressionsvorbehalt bezeichnet). Art. 23 Abs. 2 sieht jedoch speziell für Einkünfte i.S.v. Art. 10 (Dividenden) und Art. 11 (Zinsen) nicht die Freistellung, sondern die Anrechnung der Steuer des Quellenstaats vor, um die insoweit bezweckte Teilung des Steuerguts (vgl. Rz. 11) methodisch umzusetzen. Art. 23 Abs. 4 will für bestimmte Konstellationen eine doppelte Nichtbesteuerung vermeiden, indem der Ansässigkeitsstaat trotz grds. Freistellung der fraglichen Einkünfte diese besteuern darf, wenn der Quellenstaat aus Gründen unterschiedlicher Sachverhaltsinterpretation oder Sachverhaltsdeutung die Einkünfte tatsächlich nicht besteuert.

57

1 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.468. 2 Art. 22 hat für die deutsche Abkommenspraxis derzeit praktisch keine Bedeutung, vgl. Art. 22 Rz. 7. 3 Verteilungsnormen mit abschließender Rechtsfolge enthalten hingegen selbst die Entscheidung über die Vermeidung der Doppelbesteuerung, vgl. Rz. 44. Insoweit haben die Methodenartikel allenfalls deklaratorischen Charakter, vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.512 m.w.N. 4 Vgl. dazu ausf. Jacobs/Endres/Spengel in Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 19 ff.

Schönfeld/Häck

19

Systematik Rz. 58

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

58

Anrechnungsmethode (Art. 23B). Nach der Anrechnungsmethode i.S.v. Art. 23B werden die im Ausland auf die ausländischen Einkommens- bzw. Vermögensteile gezahlten Steuern auf die im Inland nach dem Welteinkommensprinzip zu berechnende Gesamteinkommensteuer angerechnet. Insoweit werden die Einkünfte zumindest auf das Besteuerungsniveau des Ansässigkeitsstaats „hochgeschleust“. Damit wird das Prinzip der sog. Kapitalexportneutralität verwirklicht.1 Art. 23B enthält selbst keine detaillierten Vorschriften, wie die Anrechnung rechtstechnisch erfolgen soll. Dies bleibt dem nationalen Steuerrecht des jeweiligen Vertragsstaats überlassen.

59

Änderungen durch das Update 2017. Durch die Änderungen im Methodenartikel durch das Update 2017 soll die Freistellungs- bzw. Anrechnungsverpflichtung nach Art. 23A Abs. 1 bzw. Art. 23B Abs. 1 dann nicht gelten, wenn die Besteuerung im anderen Vertragsstaat (Nichtansässigkeitsstaat) deshalb erfolgt, weil diese Einkünfte bzw. dieses Vermögen in diesem Staat als solche einer dort ansässigen Person behandelt werden.2 Die nicht aus sich heraus verständliche Regelung zielt v.a. auf Fallgestaltungen im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Behandlung von Personengesellschaften in den Vertragsstaaten, die häufig in Qualifikationskonflikten mündet.3 Die Bestimmung wird anhand von sechs Beispielen in Tz. 11.2 ff. OECD-MK 2017 erläutert. 7. Besondere Bestimmungen (Art. 24–29)

60

Gleichbehandlungsgebot (Art. 24). Das abkommensrechtliche Gleichbehandlungsgebot bzw. Diskriminierungsverbot (Art. 24) zielt auf Staatsangehörige (Art. 24 Abs. 1, Abs. 2), Betriebsstätten von Unternehmen des anderen Vertragsstaats (Art. 24 Abs. 3), die Abzugsfähigkeit von Schulden und Betriebsausgaben, wenn Gläubiger oder Empfänger im anderen Vertragsstaat ansässig sind (Art. 24 Abs. 4) und auf Kapital- und Personengesellschaften (Art. 24 Abs. 5). Das Diskriminierungsverbot umfasst nicht nur die in Art. 2 genannten Steuern, sondern solche jeder Art und Bezeichnung (Art. 24 Abs. 6). Den Diskriminierungsverboten ist gemein, dass sie sich nicht auf die Abkommensanwendung als solche beziehen, sondern primär auf die Anwendung innerstaatlichen Steuerrechts auf die in Art. 24 Abs. 1–5 einbezogenen Personen bzw. Sachverhalte.

61

Verständigungsverfahren (Art. 25). Art. 25 sieht z.B. bei Zweifeln und Fragen über die Auslegung und Anwendung des Abkommens sog. Verständigungsverfahren i.e.S. (Art. 25 Abs. 1, Abs. 2), Konsultationsverfahren (Art. 25 Abs. 3) und Schiedsverfahren (Art. 25 Abs. 3) vor, um eine Doppelbesteuerung auf verfahrensrechtlicher Ebene zwischenstaatlich zu beseitigen. Das antragsgebundene Verständigungsverfahren nach Art. 25 Abs. 1, Abs. 2 soll den Steuerpflichtigen vor einer abkommenswidrigen Besteuerung eines Vertragsstaats im Einzelfall schützen. Art. 25 Abs. 1 regelt die Einleitung des Verständigungsverfahrens, Art. 25 Abs. 2 dessen Durchführung, falls die zuständige Behörde die Doppelbesteuerung nicht allein beseitigen kann. Nach dem Update 2017 kann das Verständigungsverfahren nun nicht mehr nur im jeweiligen Ansässigkeitsstaat, sondern auch im Quellenstaat eingeleitet werden. Die Vertragsstaaten sind im Verständigungsverfahren jedoch nicht gezwungen, sich auf eine die Doppelbesteuerung vermeidende Vorgehensweise zu einigen. Art. 25 Abs. 3 sieht die Möglichkeit von Konsultationen der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten nicht für Einzelfälle vor, sondern wenn allgemeine Anwendungsprobleme oder Regelungslücken allgemeiner Art im DBA zutage treten. Das in Art. 25 Abs. 5 geregelte, antragsgebundene zwischenstaatliche Schiedsverfahren ist nicht als eigenes Verfahren vorgesehen, sondern ist vielmehr Teil des Verständigungsverfahrens nach Abs. 1 und 2. Es dient der Verfahrensbeschleunigung und soll zu einer verbindlichen Entscheidung über die im Verständigungsverfahren i.e.S. offengebliebenen Punkte führen.

62

Informationsaustausch (Art. 26). Grenzüberschreitende Sachverhalte sind für einen Staat insoweit problematisch, als sein Recht, selbst Informationen hierzu zu beschaffen, grds. an den Staatsgrenzen endet (Territorialitätsprinzip). Art. 26 regelt den für eine effektive Durchsetzung abkommensrechtlicher Regelungen als Bestandteil internationaler Amtshilfe notwendigen Informationsaustausch in Steuersachen zwischen den Finanzverwaltungen der jeweiligen Vertragsstaaten. Sind die Voraussetzungen erfüllt, besteht ein völkerrechtlicher Anspruch auf Unterstützung durch den anderen Vertragsstaat im Wege des Informationsaustausches. Art. 26 Abs. 1 enthält insoweit eine sog. große Auskunftsklausel, die nicht lediglich einen Auskunftsverkehr zur Durchsetzung des jeweiligen DBA vorsieht (sog. kleine Auskunftsklausel), sondern auch einen solchen zur Durchführung des innerstaatlichen Steuerrechts. Art. 26 Abs. 2 sieht eine völkerrechtliche Geheimhaltungsverpflichtung der Vertragsstaaten bzgl. der erhaltenen Informationen vor. Art. 26 Abs. 3 und Abs. 5 setzen dem Informationsaustausch insoweit Grenzen, als ein Vertragsstaat nicht verpflichtet ist, Maßnahmen zur Informationserlangung zu ergreifen, die nach innerstaatlichem Recht unzulässig sind (Buchst. a), rechts1 Vgl. dazu ausf. Jacobs/Endres/Spengel in Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 19 ff. 2 Dazu Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1175 f.); Bendlinger, SWI 2017, 450 (456). 3 Vgl. Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1176).

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Schönfeld/Häck

B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK

Rz. 70 Systematik

widrig erlangte Informationen weiterzugeben (Buchst. b) oder Steuerinformationen weiterzugeben, die ein Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnis preisgeben würden oder deren Erteilung der öffentlichen Ordnung widerspräche (Buchst. c). Art. 26 Abs. 4 stellt klar, dass die Informationsbeschaffung unabhängig davon erfolgt, dass der ersuchte Vertragsstaat die Information auch für Zwecke des nationalen Steuerrechts benötigt. Amtshilfe (Art. 27). Art. 27 ergänzt die nach Art. 26 vorgesehene internationale Amtshilfe in Form des Informationsaustausches um die internationale Amtshilfe bei der Erhebung der Steuern, d.h. der Vollstreckung bzw. Beitreibung. Art. 27 Abs. 1 enthält die Grundregel über die Verpflichtung zur gegenseitigen Beitreibungshilfe. Art. 27 Abs. 2 definiert den Steueranspruch, für den gegenseitige Vollstreckungshilfe in Betracht kommt. Art. 27 Abs. 3 konkretisiert die Voraussetzungen des Vollstreckungsersuchens. Art. 27 Abs. 4 sieht die Unterstützung des anderen Vertragsstaats zur Einleitung von Sicherheitsmaßnahmen eines Steueranspruchs vor, wenn eine Erhebung des Steueranspruchs selbst noch nicht in Betracht kommt. Art. 27 Abs. 5 enthält Regelungen zu Verjährungsfristen und etwaiger staatlicher Vorrechte. Art. 27 Abs. 6 schließt ein verfahrensrechtliches Vorgehen gegen Bestehen, Gültigkeit und Höhe des Steueranspruchs im ersuchten Vertragsstaat aus. Fallen die Voraussetzungen eines Vollstreckungsersuchens nachträglich weg, richten sich die Rechtsfolgen nach Art. 27 Abs. 7. Art. 27 Abs. 8 enthält schließlich – ähnlich wie in Art. 26 Abs. 2 – Grenzen der Vollstreckungshilfe.

63

Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen (Art. 28). Art. 28 enthält lediglich eine Klarstellung, dass die – aus Art. 37 WÜD1 und Art. 49 und 71 WÜK2 folgenden – steuerrechtlichen Privilegien des diplomatischen und konsularischen Personals auf Basis allgemeiner völkerrechtlicher Regeln oder besondere Übereinkünfte ungeachtet des DBA erhalten bleiben. Der Vorrang wirkt sich v.a. ggü. Art. 19 aus (vgl. Rz. 52).

64

Limitations on Benefits (Art. 29). Das Update 2017 führt mit Art. 29 erstmals eine – an Art. 22 des USMusterabkommens angelehnte – sog. limitations on benefits-Klausel ein, die den Anwendungsbereich eines DBA in Fällen einschränken soll, in denen die an sich abkommensberechtigten Personen Vorteile des Abkommens in Anspruch nehmen wollen, diesen jene Vorteile nach der Abkommensintention aber nicht zukommen sollen. Über Art. 29 wird der Quellenstaat in die Lage versetzt, nur jenen Personen abkommensrechtliche Entlastungen zu gewähren, welche die in Art. 29 geregelten zusätzlichen Voraussetzungen erfüllen (ausf. Art. 29 Rz. 1 ff.).

65

Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs (Art. 30). Art. 30 ergänzt Art. 1 (persönlicher Anwendungsbereich) und Art. 2 (sachlicher Anwendungsbereich) um eine eigene Regelung zum räumlichen Geltungsbereich eines DBA, der sich nicht zwingend auf das ganze Gebiet eines Vertragsstaats erstrecken muss.

66

8. Schlussbestimmungen (Art. 31, 32) Inkrafttreten (Art. 31). Art. 31 sieht Regelungen zum Inkrafttreten des DBA vor (vgl. ausführlich Rz. 76).

67

Kündigung (Art. 32). Art. 32 sieht Regelungen zur Kündigung des DBA vor (vgl. ausführlich Rz. 80).

68

IV. Bedeutung von OECD-MA/OECD-MK Keine rechtlich unmittelbare Bindungswirkung. Die unmittelbare rechtliche Bedeutung des OECD-MA und OECD-MK ist im Verhältnis zu seiner tatsächlichen Bedeutung für die Abkommensverhandlungen und die Auslegung bestehender DBA eher gering. Als reine Empfehlung an die Mitgliedstaaten (vgl. Rz. 32) enthält weder das OECD-MA noch der OECD-MK eine weitergehende rechtliche Bindungswirkung.

69

Hohe rechtsfaktische Bedeutung. Die einzigartige Bedeutung des OECD-MA und OECD-MK drückt sich einerseits durch deren faktische Berücksichtigung der Vertragsstaaten bei den Abkommensverhandlungen aus. Die Vertragsstaaten legen den Vertragsverhandlungen regelmäßig Konzeption, Aufbau und Formulierungen des OECD-MA (oder eines der anderen MA) zugrunde und weichen nur punktuell von diesen ab.3 Aus diesem Grunde kommt dem erläuternden OECD-MK eine besondere Bedeutung bei der Auslegung von DBA zu (vgl. ausführlich Rz. 114).

70

1 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v. 18.4.1961, BGBl. II 1964, 957. 2 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v. 24.4.1963, BGBl. II 1969, 1585, BGBl. II 1971, 1285. 3 Vgl. Lang, IStR 2011, 403.

Schönfeld/Häck

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Systematik Rz. 71

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

C. Zustandekommen, Revision und Beendigung von DBA I. Zustandekommen von DBA 1. Mehrstufiger Entstehensprozess bis zum Inkrafttreten 71

Rechtsnatur der DBA und Rechtsquellen des Zustandekommens. DBA sind völkerrechtliche Verträge, die grundsätzlich zwischen zwei selbständigen Völkerrechtssubjekten abgeschlossen werden.1 Ihr Zustandekommen als völkerrechtliche Verträge richtet sich nach den Regeln des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜRV) v. 23.5.1969.2 Die innerstaatliche Verbindlichkeit der DBA hingegen wird erst durch das gem. Art. 59 Abs. 2 GG notwendige Zustimmungsgesetz bewirkt (vgl. Rz. 75). Im Einzelnen ergeben sich folgende Phasen bis zum Inkrafttreten eines DBA:3

72

Vertragsverhandlungen. Die Verbandskompetenz für den Abschluss von DBA liegt beim Bund.4 Die Vertragsverhandlungen werden durch entsandte Verhandlungsdelegationen, i.d.R. Ministerialbeamte des BMF, auf Grundlage einer vom Bundespräsidenten (Art. 59 Abs. 2 GG) erteilten Verhandlungsvollmacht geführt. Um sprachliche Missverständnisse möglichst zu vermeiden, erfolgt zunächst die Einigung auf eine Verhandlungssprache. In dieser wird sodann ein Abkommenstext ausverhandelt. Zum Abkommenstext gehören neben dem eigentlichen Haupttext auch z.B. die vereinbarten Schlussprotokolle und Brief- bzw. Notenwechselwechsel.5

73

Paraphierung. Den Abschluss der Vertragsverhandlungen bildet die sog. Paraphierung (vgl. Art. 10 Buchst. b WÜRV), bei der zwei Exemplare des Textes von den Delegationsleitern Blatt für Blatt mit ihren Namenszeichen (Paraphe) versehen und dadurch als authentisch festgelegt werden. Anschließend erfolgt die Ausarbeitung der paraphierten Fassungen in den jeweiligen Landessprachen, soweit sie nicht Verhandlungssprache waren. Überwiegend werden die DBA in den Landessprachen beider Vertragsstaaten abgeschlossen. Möglich ist aber auch die Vereinbarung, dass eine Fassung in einer dritten Sprache (z.B. englisch) verbindlich sein soll. Materiellrechtlich führt die Paraphierung nur dazu, dass die beteiligten Vertragspartner nach Treu und Glauben verpflichtet sind, den Vertrag in angemessener Zeit den entscheidungsbefugten Stellen vorzulegen.6 Eine weitergehende verbindliche Verpflichtung ist hiermit noch nicht verbunden.

74

Unterzeichnung. Die Phase der Verhandlungen wird durch den Vertragsschluss abgeschlossen. Die Organkompetenz liegt beim Bundespräsidenten. Die Unterzeichnung des Abkommenstextes erfolgt in der Rechtspraxis durch einen vom Bundespräsidenten (vgl. Art. 59 Abs. 1 Satz 1 GG) bevollmächtigten Vertreter. Mit der Unterzeichnung verpflichten sich die Vertragsstaaten nach innerstaatlichem Recht, das für den verbindlichen Abschluss des Vertrags erforderliche Verfahren einzuleiten. Hingegen leitet sich auch aus der Unterzeichnung noch keine Rechtspflicht zum Abschluss des DBA ab.7

75

Rechtsanwendungsbefehl durch Vertrags- bzw. Zustimmungsgesetz. Aus deutscher Sicht bedarf das DBA der Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG). Der Zustimmungsvorbehalt soll eine Umgehung der Gesetzgebungskompetenz der Legislative durch völkerrechtliche Verträge, die von der Exekutive abgeschlossen werden, verhindern. Das Gesetzgebungsverfahren richtet sich nach Art. 76 ff. GG. Bundestag und Bundesrat können dem DBA nur in Gänze ihre Zustimmung oder Ablehnung erteilen, sie haben kein einseitiges Änderungsrecht;8 Änderungsanträge sind gem. § 82 Abs. 2 GOBT unzulässig.9 Insoweit legt die Bundesregierung den Entwurf des Vertragsgesetzes (auch als Zustimmungsgesetz bezeichnet) den gesetz1 Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.19. 2 BGBl. II 1985, 926. Das WÜRV ist in Deutschland am 20.8.1987 in Kraft getreten (BGBl. II 1987, 757). Jedoch wurden die Vorschriften des WÜRV als gem. Art. 25 Abs. 2 GG verbindliches Völkergewohnheitsrecht bereits zuvor beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge beachtet, vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.19; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 39; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 68 f.; a.A. (wohl) BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649. 3 Vgl. ausf. Höscheidt, IStR 2017, 918 (920 ff.). 4 Höscheidt, IStR 2017, 918 (920). 5 Das Absetzen vom Hauptteil erfolgt z.B., weil die Texte als weniger wichtig betrachtet werden oder nur einen Vertragsstaat betreffen; vgl. Wolff in FG Wassermeyer, Nr. 8 Rz. 6. 6 Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.20. 7 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.19. 8 Stv. Rojahn in von Münch/Kunig6, Art. 59 GG Rz. 55. 9 Höscheidt, IStR 2017, 918 (923).

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Schönfeld/Häck

C. Zustandekommen, Revision und Beendigung von DBA

Rz. 76 Systematik

gebenden Körperschaften (Bundestag, Bundesrat, Art. 105 Abs. 3 GG) mit dem zustimmungsbedürftigen Abkommenstext (einschl. etwaiger Protokolle und Briefwechseln) vor.1 Das Vertragsgesetz zum Abkommen wird im Bundestag verabschiedet, der Bundesrat muss zustimmen (Art. 78 GG). Das Vertragsgesetz wird vom Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet (Art. 82 GG). Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG zeitigt, dass DBA als völkerrechtliche Verträge nicht wie übrige Steuergesetze im parlamentarischen Verfahren beraten werden, sondern dass das mit dem anderen Vertragsstaat ausgehandelte DBA den mitwirkungsverpflichteten Bundesorganen als ausformulierter Text ohne Änderungsmöglichkeiten zur Zustimmung vorgelegt wird.2 Entsprechend besteht für die Mitglieder der beteiligten Bundesorgane ein gewisser Druck, die ggf. langwierig ausverhandelten Vertragstexte trotz etwaiger Bedenken gegen Regelungen im Detail „durchzuwinken“.3 Die parlamentarische Kontrolle ist daher sehr begrenzt, zumal die Abkommensverhandlungen selbst mehr oder weniger „im Geheimen“ stattfinden. Zur Behebung dieses Defizits wird die Einrichtung eines „Abkommenspolitischen Beirats“ vorgeschlagen.4 Materiellrechtlich ist fraglich, ob das Vertragsgesetz das DBA selbst im Wege eines Vollzugs- bzw. Rechtsanwendungsbefehls innerstaatlich für vollziehbar erklärt (sog. Vollzugstheorie5) oder die Zustimmung das DBA als völkerrechtlichen Vertrag in innerstaatliches Recht umwandelt, d.h. transformiert (sog. Transformationstheorie6).7 Rechtstechnische Bedeutung kann die Unterscheidung für die Frage des innerstaatlichen Rangs und der Auslegung von DBA erlangen.8 Das BVerfG scheint trotz uneinheitlicher Spruchpraxis in jüngerer Zeit zur Vollzugstheorie zu tendieren.9 Der BFH spricht regelmäßig von „Transformation“.10 Für die Vollzugstheorie spricht, dass sie ohne Hilfserwägungen begründen kann, dass für die Auslegung von DBA grds. die völkerrechtlichen Auslegungsmaßstäbe Anwendung finden.11 Gegen die Transformationstheorie spricht auch, dass die Bestimmungen des Vertrags innerstaatlich unabhängig von der Ratifikation des DBA (vgl. Rz. 76) Geltung erlangen würden.12 Das deutsche Vertragsgesetz enthält insoweit zutreffend nur einen Anwendungsbefehl, durch den das DBA als solches innerstaatlich anwendbar wird.13 Anders als „transformiertes“ Recht behält das DBA damit seinen originär völkerrechtlichen Charakter. Ratifikation und Austausch der Ratifikationsurkunden (Inkrafttreten des DBA). Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2 setzen für das Inkrafttreten des DBA die Ratifikation und den Austausch der Ratifikationsurkunden voraus. Die Ratifikation ist die Erklärung, dass der Vertragsstaat an den in der betreffenden Urkunde wiedergegebenen Text völkerrechtlich gebunden ist (vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b, Art. 11 WÜRV). Die Erklärung wird aus deutscher Sicht durch den Bundespräsidenten abgegeben (vgl. Art. 59 Abs. 1 Satz 2 GG). Der Austausch der Ratifikationsurkunde bildet den letzten Akt des förmlichen, mehrphasigen Vertragsabschlussverfahrens. Hieran ist in den deutschen DBA i.d.R. auch das Inkrafttreten geknüpft, von dem die zeitliche Anwendung (vgl. Rz. 77) des DBA jedoch zu unterscheiden ist. Der Tag, an dem das Abkommen wirksam wird, wird im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

1 Soweit Besonderheiten des Abkommens in einer sog. Denkschrift niedergelegt werden, entspricht dies der amtl. Begr. von Gesetzesvorlagen, ist also nicht Abkommensbestandteil, sondern lediglich Erläuterungstext, vgl. Wolff in FG Wassermeyer, Nr. 8 Rz. 13. 2 Ausführlich Lehner in Kirchhof/Birk/Lehner, Steuern im Verfassungsstaat: Symposion zu Ehren von K. Vogel aus Anlass seines 65. Geburtstags, 1996, 95 (mit Diskussion). 3 Die parlamentarische Zustimmung wurde erst einmal versagt, vgl. zum DBA-Türkei den Bundesratsbeschluss v. 18.12.1975, BR-Drucks. 678/75, 1. 4 Vgl. Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitik, 2008, 6. 5 Vgl. Drüen inT/K, § 2 AO Rz. 28. 6 Insoweit wird das Zustimmungsgesetz häufig als „Transformationsgesetz“ bezeichnet, vgl. Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 11. 7 Die Kontroverse fußt letztlich auf den völkerrechtlich verschiedenen Theorien zum Verhältnis von Völkerrecht und innerstaatlichem Recht (dazu stv. Rojahn in von Münch/Kunig6, Art. 59 GG Rz. 35). Die Vollzugstheorie basiert grds. auf dem dualistischen Konzept, wonach es sich bei Völkerrecht und nationalem Recht um zwei verschiedene Rechtsordnungen handelt. Die Transformationstheorie knüpft an das monistische Konzept an, nach dem Völkerrecht und innerstaatliches Recht Teile einer einheitlichen Rechtsordnung darstellen. 8 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 28. 9 Ausführlich Rojahn in von Münch/Kunig6, Art. 59 GG Rz. 35. 10 Vgl. stv. BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. 11 Rojahn in von Münch/Kunig6, Art. 59 GG Rz. 36. 12 Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 298. 13 Vogel in Haarmann (Hrsg.), Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, Forum der Internationalen Besteuerung 2004 (Bd. 26), 1 (6 f.).

Schönfeld/Häck

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Systematik Rz. 77

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

2. Erstmalige und rückwirkende Abkommenswirkung 77

Erstmalige Anwendung. Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des DBA (vgl. Rz. 76) ist der Zeitpunkt zu unterscheiden, ab dem das DBA materiell anzuwenden ist, d.h., ab welchem Stichtag oder ab welchem Veranlagungszeitraum es materielle Wirkungen entfalten soll. Die DBA sehen i.d.R. insoweit eine ausdrückliche Regelung vor, z.T. wird der Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung für bestimmte Abkommensnormen oder Steuererhebungsformen (z.B. Quellensteuern) unterschiedlich geregelt.

78

Rückwirkende Anwendung. Häufig sehen DBA (oder ggf. das Zustimmungsgesetz) – ausgehend von dem Zeitpunkt des Inkrafttretens – eine rückwirkende erstmalige Anwendung vor. Völkerrechtlich ist dies zwischen den Vertragsstaaten unproblematisch, auch wenn gem. Art. 28 WÜRV völkerrechtliche Verträge grds. nicht bei Sachverhalten gelten, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags abgeschlossen sind. Innerstaatlich sind jedoch die durch das BVerfG gesetzten verfassungsrechtlichen Grenzen der Rückwirkung belastender Rechtsnormen zu beachten. Während eine Rückwirkung zugunsten des Steuerpflichtigen zulässig ist,1 wäre eine den Steuerpflichtigen belastende (echte) Rückwirkung grds. verfassungswidrig.2 Dies folgt aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen ist ab dem Zeitpunkt, in dem der Bundestag das Vertragsgesetz beschlossen hat (vgl. Rz. 75), nicht mehr schutzwürdig.3 Liegen zwischen dem Gesetzesbeschluss und dem Inkrafttreten des DBA (vgl. Rz. 76) jedoch mehrere Jahre, kann ein schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen wieder aufleben.4 Der BFH hat ein schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen auch nach einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren verneint.5 Möglichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnend enthalten zahlreiche deutsche Vertragsgesetze zu den DBA-Rückwirkungsvorschriften, wonach Steuern nicht erhoben oder ggf. zu erstatten sind, soweit der Steuerpflichtige durch die Rückwirkung eine Mehrbelastung erfährt.6

II. Revision und Außerkrafttreten von DBA 79

Revision von DBA. Aus Sicht eines oder beider Vertragsstaaten kann nach Inkrafttreten des DBA das Bedürfnis entstehen,7 das bestehende DBA zu ergänzen oder zu ändern.8 Führen die Revisionsverhandlungen zu einer partiellen Änderung bestehender DBA-Vorschriften, wird diese in einem Revisionsprotokoll festgehalten. Ergänzungen bestehender DBA jenseits der Änderung der jeweiligen Abkommensnormen erfolgen in einem Zusatzprotokoll. In beiden Fällen setzt deren völkerrechtliche Verbindlichkeit wie innerstaatliche Umsetzung die Einhaltung des für den Neuabschluss eines DBA geltenden Verfahrens (vgl. Rz. 75) voraus. Gleiches gilt, wenn die Revisionsverhandlungen auf ein Revisionsabkommen zielen, welches das bestehende DBA ersetzt. In diesem Fall tritt das alte DBA außer Kraft, ggf. mit der Option für den Steuerpflichtigen, das alte DBA für einen Übergangszeitraum weiter anzuwenden.9

80

Außerkrafttreten von DBA. Völkerrechtlich ist das Außerkrafttreten eines DBA auf Basis vertraglicher Bestimmungen (z.B. auflösende Bedingung, Zeitablauf,10 Kündigung) oder einvernehmlicher Aufhebung denkbar (vgl. Art. 54 WÜRV). Als vertraglicher Erlöschensgrund ist i.d.R. nur die Kündigung auf Grundlage einer Kündigungsklausel (Art. 31) vorgesehen,11 wovon jedoch selten Gebrauch gemacht wird,12 um einen vertragslosen Zustand zu vermeiden. Kommt es zu einer Kündigung, besteht zur Vermeidung von Doppel-

1 Soweit das Wirksamwerden eines DBA oder der maßgebliche Zeitpunkt ungewiss sind, soll die Steuer vorläufig festgesetzt werden, wenn das Abkommen rückwirkend zugunsten des Stpfl. wirken könnte (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AO. 2 Allg. zur Rückwirkungsproblematik Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 18 ff. 3 BVerfG v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BStBl. II 1986, 628. 4 BVerfG v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BStBl. II 1986, 628. 5 Vgl. BFH v. 10.11.1993 – I B 122/93, BStBl. II 1994, 155. Zu Recht ablehnend Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 20a. 6 Vgl. im Überblick Nasdala in V/L6, Art. 30/31 OECD-MA Rz. 16. 7 Gründe können z.B. maßgebliche Änderungen des innerstaatlichen Steuersystems sein. 8 Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.24. 9 Vgl. z.B. Art. 32 Abs. 3 DBA-USA. 10 Vgl. zum DBA-Vereinigte Arabische Emirate Ruge in Haase3, Art. 31 OECD-MA Rz. 13. Aus abkommenspolitischer Sicht dazu Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitik, 2008, 15. 11 Z.T. werden auch Mindestlaufzeiten vorgesehen, in denen ein DBA unkündbar ist, vgl. nur Art. 33 Abs. 1 DBAUSA (Mindestlaufzeit von fünf Jahren). 12 Deutschland hat bislang das DBA-Brasilien zum 31.12.2005 (vgl. dazu Schaumburg/Schulz, IStR 2005, 794 ff.), das DBA Türkei zum 31.12.2010 (dazu Schnädter/Kirchhof, IStR 2012, 247) und das ErbSt-DBA mit Österreich zum 31.12.2007 (Verlängerungsabkommen v. 6.11.2008, BGBl. II 2009, 715) gekündigt.

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D. Deutsche DBA und Abkommenspolitik

Rz. 81 Systematik

besteuerung die Möglichkeit, das gekündigte DBA auch in der vertragslosen Zeit weiter anzuwenden1 oder die Wirksamkeit eines neu verhandelten DBA auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung des alten DBA zurückzubeziehen. Auch der Untergang eines Staats kann zum Erlöschen eines DBA führen, soweit nicht über das völkerrechtliche Prinzip der Kontinuität ein Fall der Staatennachfolge eintritt.2

D. Deutsche DBA und Abkommenspolitik I. Stand der deutschen DBA Stand der deutschen DBA mit den wichtigsten Industriestaaten. Deutschland unterhält derzeit mit mehr 81 als 90 Staaten DBA auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen3 und verfügt damit über ein engmaschiges Netz von DBA, insbesondere mit allen wichtigen Industriestaaten.4 Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten sind ganz unterschiedlichen Alters und bauen dementsprechend auf verschiedenen Versionen des OECD-MA auf, was insbesondere auch für die Heranziehung des OECDMK bei der Abkommensauslegung von wesentlicher Bedeutung ist (vgl. Rz. 114). Das DBA-Belgien datiert – aufbauend auf dem OECD-MA 1963 – v. 11.4.19675 und wurde nur durch Zusatzabkommen v. 5.11.20026 und Änderungsprotokoll v. 21.10.20107 geringfügig angepasst. Das frühere DBA-China (ohne Hongkong und Macau) v. 10.6.19858 ist durch das ab 1.1.2017 anzuwendende DBA China9 (ohne Hongkong und Macau) abgelöst worden. Das DBA-Frankreich v. 21.7.195910 ist durch Revisionsprotokoll v. 9.6.1969,11 Zusatzabkommen v. 28.9.198912, dasZusatzabkommen v. 20.12.200113 und das Zusatzabkommen vom 31.3.201514 erheblich modifiziert worden. Das DBA-Indien datiert v. 19.6.1995,15 Neuverhandlungen finden offenbar noch nicht statt, wohl aber Sondierungsgespräche.16 Das DBA-Italien stammt v. 18.10.1989,17 es besteht zudem ein gesondertes Amtshilfeabkommen v. 9.6.1938.18 Das DBA-Japan v. 22.4.196619 ist durch Änderungsprotokolle v. 17.4.197920 und v. 17.2.198321 erheblich geändert worden. Es wird durch das neue DBA-Japan v. 17.12.201522 ersetzt. Das DBA-Kanada datiert v. 19.4.2001.23 Das v. 23.8.195824 stammende DBA-Luxemburg wurde durch Ergänzungsprotokoll v. 15.6.197325 und Änderungsprotokoll v. 11.12.200926 modifiziert.

1 So geschehen nach Kündigung des DBA-Argentinien, vgl. BMF v. 18.3.1974 – IV C 2 - S 1301 Argentinien - 4/74, BStBl. I 1974, 131. 2 Dazu Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.27 m.w.N. 3 Vgl. zum Überblick über die deutschen DBA zum 1.1.2018 BMF v. 17.1.2018 – IV B 2-S 1301/07/10017-09 – DOK 2018/0042503, BStBl. I 2018, 239. 4 Nach der Einschätzung in diesem Kommentar sind dies die DBA mit Belgien, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Russland, Schweiz, Spanien, USA. 5 BGBl. II 1969, 17. 6 BGBl. II 2003, 1615. Zu den Änderungen Kaefer, IWB 2004/11, Fach 3, Gruppe 2, 1119, Stenten, IStR 2005, Beihefter, Länderbericht, zu Nr. 21/2005, 3. 7 Gesetzgebungs- und Ratifikationsverfahren sind noch nicht abgeschlossen. 8 BGBl. II 1986, 446. Dazu Höffken, IWB 1986/22, Fach 6, Gruppe 2, 37; Manke, DStZ 1985, 263. 9 BGBl. II 2015, 1647. Dazu Schiessl, ISR 2014, 235; Ley/Richter, DB 2014, 1221; Prautzsch/Reuter/Mehl, IStR 2014, 443; Wang/Shou/Schreiber, IWB 2014, 500; Bongers/Dörner-Lipinski, RIW 2014, 410. 10 BGBl. II 1961, 397. Dazu Debatin, AWD 1961, 33. 11 BGBl. II 1970, 717. 12 BGBl. II 1990, 770. Dazu Krabbe, RWP 1991/1202 SG 2.1, 431; Viegener, IWB 1991/23, Fach 5, Gruppe 2, 821. 13 BGBl. II 2002, 2370. Dazu Wagner, IWB 2002/4, Fach 3, Gruppe 2, 1013. 14 BGBl. II 2015, 1332. Dazu Kochs/Seroin, BB 2016, 477; Riedlinger/Balzerkiewicz, IWB 2015, 591. 15 BGBl. II 1996, 706. Dazu Schieber, IStR 1997, 12; Grotherr, IWB 1997/19, Fach 6, Gruppe 2, 59; Govind, IStR 1997, 652; Lobis, IStR 1993, 111. 16 Vgl. BMF v. 22.1.2013 – IV B 2 - S 1301/07/10017-04 – DOK 2013/0062878, BStBl. I 2013, 162. 17 BGBl. II 1990, 743. Dazu Krabbe, RWP 1990/1194 SG 2.1, 401; Mayr, IWB 1992/24, Fach 5, Gruppe 2, 343; Mayr, IWB 2010, 731. 18 RGBl. II 1939, 124, BGBl. II 1956, 2154. 19 BGBl. II 1967, 871. Dazu Debatin, DB 1967, 787; Menck, AG 1967, 218; Sass, AWD 1967, 145. 20 BGBl. II 1980, 1182. 21 BGBl. II 1984, 194. 22 BGBl. II 2016, 956. Dazu Schiessl/Kirscht, ISR 2016, 91 ff.; Rotter, IWB 2016, 251. 23 BGBl. II 2002, 671. Dazu Hensel, IWB 2002/6, Fach 8, Gruppe 2, 209. 24 BGBl. II 1959, 1269. 25 BGBl. II 1978, 109. 26 BGBl. II 2010, 1150. Dazu Steichen/Böing, IStR 2012, 104.

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Systematik Rz. 81

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

Es wird durch das seit 1.1.2014 anwendbare neue DBA-Luxemburg 20121 ersetzt. Das DBA-Niederlande datiert in seiner bisherigen Form v. 16.6.1959,2 hatte aber durch drei Zusatzprotokolle v. 13.3.1980,3 21.5.19914 und 4.6.20045 erhebliche Änderungen erfahren. Es wird durch das (erst6) seit 1.1.2016 anzuwendende DBANiederlande 2012 vom 12.4.20127 abgelöst, welches bereits erste Änderungen durch das Protokoll vom 11.1.20168 erfahren hat. Das DBA-Österreich v. 24.8.20009 wird durch das Änderungsprotokoll v. 29.12.201010 ergänzt. Das DBA-Russische Föderation stammt v. 29.5.199611 und wurde durch Änderungsprotokoll v. 15.10.200712 geringfügig geändert. Das DBA-Schweiz v. 11.8.197113 ist das bislang am häufigsten geänderte bzw. ergänzte deutsche DBA. Modifikationen erfolgten insoweit durch Protokolle v. 30.11.1978,14 v. 17.10.198915 und 21.12.1992,16 das Revisionsprotokoll v. 12.3.200217 und das Änderungsprotokoll v. 27.10.2010.18 Das DBA-Spanien v. 5.12.196619 ist durch das Revisionsabkommen vom 3.2.201120 abgelöst worden. Das DBA-Vereinigtes Königreich v. 30.3.2010,21 geändert durch Protokoll v. 17.3.2014,22 hat das vorherige ältere DBA v. 26.4.1964,23 geändert durch Revisionsprotokoll v. 23.3.1970,24 abgelöst. Das DBA-Vereinigte Staaten (USA) v. 29.8.198925 wurde durch umfangreiches Änderungsprotokoll v. 1.6.200626 geändert und die Neufassung am 4.6.2008 bekannt gemacht.27

II. Deutsche Abkommenspolitik 82

Deutsche Abkommenspolitik. Abkommensübergreifende Leitlinien einer deutschen Abkommenspolitik28 ließen sich angesichts der Fülle deutscher DBA und deren unterschiedlichen Alters bisher nur schwer ausmachen. Dies hat sich durch die Veröffentlichung der „Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen“ v. 17.4.201329 insofern geändert, als dort die Leitlinien für die Verhandlungen über die Revision bzw. den Neuabschluss von DBA niedergelegt sind. Hierin zeigt sich v.a. das verstärkte Bestreben die – für die deutsche Wirtschaft wesentliche30 – Frei1 BGBl. II 2012, 1403. Dazu Käshammer/Kestler, IStR 2012, 477; Fort/Neugebauer/Willvonseder, IWB 2012, 391; Jacob, IStR 2012, 749. 2 BGBl. II 1960, 1781. Dazu Debatin, DB 1960, 1108; Debatin, AWD 1960, 57. 3 BGBl. II 1980, 1150. 4 BGBl. II 1991, 1428. 5 BGBl. II 2004, 1653. Dazu Jumpertz/Oblau, RIW 2005, 917; Prokisch, IWB 2006/20, Fach 5, Gruppe 2, 441. 6 Zu den Hintergründen des langen Zeitraums zwischen Unterzeichnung und Ratifizierung in den Niederlanden vgl. Hawlitschek, IStR 2016, 537. 7 BGBl. II 2012, 1414. Dazu Gänsler, Ubg. 2015, 526; Häck/Spierts, IStR 2015, 58; Rotter, IWB 2014, 752; Böing/ Prang, BB 2012, 2211. 8 BGBl. II 2016, 866. Dazu Hawlitschek, IStR 2016, 537. 9 BGBl. II 2002, 734. Dazu Loukota, SWI 1999, 422; Hensel, IWB 2001/21, Fach 5, Gruppe 2, 549. 10 BGBl. II 2011, 1209. Dazu Geuenich/Lang, IWB 2011, 210. 11 BGBl. II 1996, 2710. Dazu Kempf/Straubinger, IStR 1998, 564; Koslow, IWB 2000/24, Fach 5, Gruppe 2, 75. 12 BGBl. II 2008, 1398 (u.a. Neuregelung des Informationsaustausches). 13 BGBl. 1972, 1021. Dazu Baranowski, INF 1972, 136, Debatin, DStZ/A 1972, 385; Flick, StBp. 1971, 225; Hangarter, AG 1971, 325; Hillert, BB 1972, 1543; Kreile, BB 1971, 1227. 14 BGBl. II 1980, 751. Dazu Klempt, DStZ 1980, 150. 15 BGBl. II 1990, 766. Dazu Krabbe, RWP 1991/1207 SG 9.4, 37. 16 BGBl. II 1993, 1886. Dazu Geiger/Hartmann/Alscher, IStR 1994, 9; Kempermann, FR 1994, 564. 17 BGBl. II 2003, 67. Dazu Kubaile, PIStB 2003, 209. 18 BGBl. II 2011, 1090. Dazu Jacob, SAM 2011, 170; Engler, NWB 2011, 787. 19 BGBl. II 1966, 9. 20 BGBl. II 2012, 18. Dazu Bisle, PIStB 2011, 163; Strunk/Plattes, Stbg. 2011, 443. 21 BGBl. II 2010, 1333. Dazu Bahns/Sommer, IStR 2011, 201; Büttgen/Kaiser/Raible, BB 2011, 862; Dörr, IWB 2010, 411; Häuselmann, Ubg. 2010, 347. 22 BGBl. II 2015, 1297. 23 BGBl. II 1966, 358. 24 BGBl. II 1971, 45. 25 BGBl. II 1991, 354. Dazu Jacob, IWB 1992/1 Fach 8, Gruppe 2, 113; Debatin, DB 1990, 598. 26 BGBl. II 2006, 1184. Dazu Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/USA, 2009; Jacob, IStR 2011, 45 und 98; Wolff/Eimermann, IStR 2006, 837. 27 BGBl. II 2006, 611 und 851. 28 Vgl. dazu Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitik, 2008, 1 ff.; Müller-Gatermann, FR 2012, 1032 ff.; Lüdicke, FR 2011, 1077 ff.; Lehner, FR 2011, 1087 ff.; Wichmann, FR 2011, 1082 ff. 29 Abrufbar auf den Internetseiten des BMF. 30 Die ökonomischen Vor- und Nachteile von Anrechnungs- und Freistellungsmethode sind vielfältig (ausführlich Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitik, 2008, 65 ff.). Die durch die Freistellungsmethode verwirklichte Kapitalimportneutralität vermeidet aber v.a. für die exportstarke deutsche Wirtschaft Wettbewerbs-

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D. Deutsche DBA und Abkommenspolitik

Rz. 83 Systematik

stellungsmethode durch verschiedene Klauseln (dazu Art. 23 A/B Rz. 73 ff.) aufzuweichen, um v.a. doppelte Nichtbesteuerungen (s. dazu Rz. 12) zu vermeiden.1 Die jüngere Abkommenspolitik2 ist geprägt durch die Änderungen der deutschen DBA, die sich im Anschluss an die Zeichnung des Multilateralen Instruments ergeben (s. Rz. 87 ff.). Hier ist zu beobachten, dass Deutschland einige wesentliche Aspekte des MLI nicht in die deutsche Abkommenspolitik übernehmen will, bspw. ein Teil der Erweiterungen des Betriebsstättenbegriffs (s. Anhang 4 Rz. 34 ff.).

III. Deutsche Verhandlungsgrundlage für DBA Entwicklung der Verhandlungsgrundlage für DBA. Bestrebungen zur Vereinheitlichung der deutschen DBA und der deutschen DBA-Politik3 haben zur Entwicklung einer „Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen“ (DE-VG) v. 17.4.2013 (berichtigt am 22.8.20134) geführt (siehe zum Inhalt der DE-VG im Einzelnen die Kommentierung in Anhang 4 Rz. 1 ff.).5 Die DE-VG soll als Grundlage für neue Abkommensverhandlungen dienen, die deutsche Verhandlungsposition stärken und möglichst zu einem abkommensübergreifend einheitlichen Wortlaut führen.6 Da sich die DE-VG in verschiedenen Punkten vom OECD-MA emanzipiert,7 sollten die in die Gesetzgebung eingebundenen Beteiligten, wie etwa in der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 3 AO geschehen,8 bei abkommensrechtlichen Bezügen konsequent nur noch die DE-VG berücksichtigen. Dies ist bisher noch nicht durchgängig der Fall.9 Notwendig ist auch eine turnusmäßige Ergänzung der DE-VG um die Änderungen, die das BMF als Bestandteil der deutschen Abkommenspolitik betrachtet. Insoweit sind Änderungen an der DE-VG im Hinblick auf die Verpflichtungen aus dem MLI (s. Rz. 87 ff.), die nicht durchgängig mit der DE-VG kompatibel sind, angezeigt. Auch die Änderungen durch das Update 2017 zum OECD-MA (dazu Rz. 37), die überwiegend die Empfehlungen des BEPS-Projekts bzw. die Regelungen des MLI adaptieren, müssten daraufhin überprüft werden, ob sie zum Gegenstand der deutschen Abkommenspolitik gemacht werden sollen. Die vom BMF einst in Aussicht gestellte „Muster-Denkschrift“ könnte dann jeweils dazu dienen, die deutsche DBA-Politik und mögliche Abweichungen zum OECD-MA zu erklären.10

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nachteile im Ausland, die durch das regelmäßig höhere deutsche Steuerniveau entstehen könnten. Kapitalimportneutralität zielt auf die Wettbewerbsneutralität in dem (ausländischen) Staat, in dem die ausländische Geschäftstätigkeit unterhalten wird. Nach Maßgabe der Kapitalimportneutralität sollen die Aktivitäten auf dem ausländischen Markt auch dem dort geltenden ausländischen Steuerniveau unterliegen, d.h., es soll das Steuerniveau des Staats zur Anwendung gelangen, in dem das Kapital investiert ist. Hingegen zielt Kapitalexportneutralität auf die Wettbewerbsneutralität im Ansässigkeitsstaat, d.h. auf die Steuerverhältnisse des Staats, aus dem das im Ausland investierte Kapital stammt. Nach Maßgabe der Kapitalexportneutralität muss es für einen inländischen Investor unter steuerlichen Gesichtspunkten unerheblich sein, ob er sein Kapital im Inland oder im Ausland investiert. Rechtstechnisch wird die Kapitalexportneutralität durch die Anrechnungsmethode verwirklicht, die Kapitalimportneutralität durch die Freistellungsmethode (ausführlich Jacobs/Endres/Spengel in Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 19 ff.). Hingegen ist die generelle Vereinbarung der Anrechnungsmethode weiterhin selten (vgl. Art. 22 Abs. 1 DBA-Vereinigte Arabische Emirate 2010; Art. 22 Abs. 1 DBA-Zypern 2011). Insoweit handele es sich um Ausnahmefälle bei DBA mit Staaten, die keine oder nur sehr niedrige Steuern erheben bzw. mit denen keine die Freistellungsmethode flankierenden Mechanismen zur Vermeidung doppelter Nichtbesteuerungen vereinbart werden konnten (vgl. Wichmann, FR 2011, 1082 f.). Vgl. Brunsbach/Endres/Lüdicke/Schnitger, ifst-Schrift Nr. 492; Kreienbaum in FG Wassermeyer, Nr. 7 Rz. 1 ff. Vgl. zu einem deutschen Muster-DBA bereits Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitik, 2008, 6; Lüdicke, FR 2011, 1077 (1079); vgl. auch den Diskussionsbericht zum 40. Berliner Steuergespräch „DBA-Politik der Bundesregierung“ bei Richter/Welling, FR 2011, 1092 (1093 ff.); Müller-Gatermann, FR 2012, 1032 ff. Abgedruckt in IStR Beihefter zu Heft 10/2013, 46 ff., berichtigt in IStR 2013, 440. Vgl. zur DE-VG Rotter/Welz/Lammers, Kommentar zur Verhandlungsgrundlage für DBA, 2014; Lüdicke, IStR 2013, Beihefter zu Nr. 10, 25 ff.; Lay/Stoecker, IWB 2013, 368 ff.; Kaminski, Stbg. 2013, 261 ff.; Ditz/Schönfeld, DB 2013, 1437 ff.; Endres/Freiling, PIStB 2014, 40 ff. und 74 ff. Pohl in Lüdicke (Hrsg.), Forum der Internationalen Besteuerung (43), 2013, 51 ff.; Ditz, StbJb. 2013/2014, 369; Rotter/Welz, IWB 2013, 628 ff. Vgl. Müller-Gatermann, FR 2012, 1032. S. den Vergleich der DE-VG mit dem OECD-MA 2010 bei Lüdicke in Brunsbach/Endres/Lüdicke/Schnitger, ifstSchrift Nr. 492, 102 ff. sowie Anlagen 4 und 5, 182 ff. BT-Drucks. 18/9536, 44. So heißt es bspw. im Regierungsentwurf zum JStG 2018 v. 24.9.2018 in der Begründung zur Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht bei Veräußerung von Anteilen an ausländischen Immobilienkapitalgesellschaften (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. cc n.F.), dass Art. 13 Abs. 4 OECD in der Fassung des Update 2017 (s. Art. 13 Rz. 95) die „Basis für die Verhandlung von neu abzuschließenden bzw. zu revidierenden Doppelbesteuerungsabkommen bildet“ (BT-Drucks. 19/4455, 48 f.). Vgl. Endres/Freiling, PIStB 2014, 74.

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Systematik Rz. 84

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

E. BEPS-Projekt und Multilaterales Übereinkommen I. BEPS-Projekt 84

Hintergrund und Ziele des BEPS-Projekts. Insbesondere die (in aller Regel legalen1) Steuerpraktiken global tätiger Konzerne2 und der sich hieran anschließende Druck durch die öffentliche Diskussion hatte die G20-Staaten und die OECD auf den Plan gerufen, global abgestimmte Maßnahmen gegen die Aushöhlung steuerlicher Bemessungsgrundlagen („base erosion“) und die Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländer („profit shifting“) anzustoßen. Der Steuerausschuss der OECD hatte hierzu bereits in 2013 den sog. BEPSAktionsplan3 entwickelt. Im Oktober 2015 konnten nach intensiven Beratungen und schwierigen Verhandlungen4 unter Beteiligung von ca. 60 Staaten, der EU und internationaler Organisationen5 die finalen Berichte vorgelegt werden,6 die am 27.2.2016 von den Vertretern der G20-Staaten beschlossen wurden.7 Der BEPS-Aktionsplan ist geleitet durch (i) das Ziel der Kohärenz der verschiedenen nationalen Steuersysteme zur Verringerung „unfairen“ Steuerwettbewerbs, (ii) das Erfordernis der Substanz als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung und (iii) die Gewährleistung von Transparenz und Rechtssicherheit bei der Besteuerung.8

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BEPS-Maßnahmenkatalog. Der Maßnahmenkatalog des BEPS-Projekts umfasst insgesamt 15 Aktionspunkte, die sich wiederum in verbindliche Standards (Maßnahmen 5, 6, 13 und 14), Programmsätze (Maßnahmen 2, 4, 7 und 8–10) und unverbindliche Empfehlungen (Maßnahmen 3 und 12) unterteilen lassen:9 Aktionspunkt 1 beschäftigt sich mit Lösungsansätzen für die steuerrechtlichen Besonderheiten der digitalen Wirtschaft.10 Aktionspunkt 2 zielt in seiner ursprünglichen Fassung aus 201511 auf die Vermeidung von Nicht- bzw. Niedrigbesteuerungen, die sich im Zusammenhang mit sog. hybriden Gesellschaften und hybriden Finanzierungen ergeben. In Ergänzung hierzu wurde durch einen weiteren Bericht in 2017 der Aktionspunkt 2 auf die steuerliche Behandlung hybrider Betriebsstätten erweitert,12 nachdem erkannt worden war, dass der Ursprungsbericht insoweit Lücken enthielt. Aktionspunkt 3 gibt Empfehlungen zur Ausgestaltung nationaler Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung.13 Aktionspunkt 4 beschäftigt sich mit der Gestaltung von Vorschriften zur Vermeidung der Gewinnverlagerung durch Zinszahlungen.14 Aktionspunkt 5 behandelt die Rahmenbedingungen für präferenzielle Steuerregime (z.B. in Form von Patentboxen oder verbindlichen Auskünften) und einen hierzu flankierenden Informationsaustausch zwischen den Staaten.15 Aktionspunkt 616 sieht Maßnahmen zur Verhinderungen von Abkommensmissbrauch (insbesondere Treaty Shopping17) vor, wozu empfohlen wird, (i) Titel und Präambel der DBA entsprechend zu ergänzen, (ii) den 1 Vgl. Proß/Radmanesh in FG Wassermeyer, Nr. 72 Rz. 4. 2 Vgl. OECD, Adressing Base Erosion and Profi Shifting, 2013. S. auch Pinkernell, StuW 2012, 369. 3 OECD, Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, 2013. Hierzu Rödder/Pinkernell, IStR 2013, 619; Bärsch/ Quilitzsch/Schulz, ISR 2013, 358. 4 S. Kreienbaum, IStR 2015, 753. 5 Vgl. Proß/Radmanesh in FG Wassermeyer, Nr. 72 Rz. 7 ff. 6 Vgl. dazu im Überblick Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 5.17 ff.; Jacobs/Endres/Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 96 ff.; Watrin/Thomsen/Weiß, DStZ 2016, 400 ff.; Proß/Radmanesh in FG Wassermeyer, Nr. 72 Rz. 17 ff.; Benz/Böhmer, DB 2015, 2535 ff.; Lück, IWB 2015, 758. 7 Die Berichte sind abrufbar unter: Abrufbar unter: http://www.oecd.org/ctp/beps-actions.htm. 8 OECD, Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, 2013, 13 f.; Proß/Radmanesh in FG Wassermeyer, Nr. 72 Rz. 13. 9 Vgl. OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, Explanatory Statement 2015; Watrin/Thomsen/Weiß, DStZ 2016, 400; Benz/Böhmer, DB 2015, 2535. 10 OECD/G20, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, Action 1 – 2015 Final Report. Ausf. Fehling, IStR 2015, 797 ff. 11 OECD/G20, Neutralising the Effects of Hybrid Mismatch Arrangements, Action 2 – 2015 Final Report. Dazu ausf. Staats, IStR 2014, 749. 12 OECD/G20, Neutralising the Effects of Branch Mismatch Arrangements, Action 2, 2017. Hierzu Kahlenberg, IStR 2018, 93 ff. 13 OECD/G20, Designing Effective Controlled Foreign Company Rules, Action 3 – 2015 Final Report. Hierzu Hagemann/Kahlenberg, Ubg. 2016, 15; Radmanesh, IStR 2015, 895 ff.; Bannes/Cloer, BB 2016, 1565; Eilers/Henning, ISR 2015, 422. 14 OECD/G20, Limiting Base Erosion Involving Interest Deductions and Other Financial Payments, Action 4 – 2015 Final Report. Hierzu Bannes/Cloer, BB 2016, 1815; Staats, IStR 2016, 135. 15 OECD/G20, Countering Harmful Tax Practices More Effectively, Taking into Account Transparency and Substance, Action 5 – 2015 Final Report. Hierzu Teichert, IWB 2015, 642; Becker, IStR 2014, 704 ff. 16 OECD/G20, Preventing the Granting of Treaty Benefits in Inappropriate Circumstances, Action 6 – 2015 Final Report. Hierzu Bannes/Cloer, BB 2017, 2272 ff. 17 Hierzu Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.127.

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Schönfeld/Häck

E. BEPS-Projekt und Multilaterales Übereinkommen

Rz. 86 Systematik

DBA eine sog. limitations-on-benefits-clause hinzuzufügen, (iii) einen principal-purpose-Test aufzunehmen und (iv) die Bestimmung der abkommensrechtlichen Ansässigkeit bei doppelansässigen Gesellschaften über ein Verständigungsverfahren zu bestimmen. Aktionspunkt 71 sieht umfangreiche Änderungen des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs vor, die auch vom Multilateralen Instrument übernommen wurden (s. Rz. 88). Die Aktionspunkte 8–10 beschäftigen sich mit Verrechnungspreisrichtlinien unter der Prämisse einer verstärkten Anknüpfung an die tatsächliche Wertschöpfung.2 Aktionspunkt 113 zielt auf die Verbesserung der Verfügbarkeit von Daten zu BEPS, um so die Analysen des Umfangs, der Auswirkungen und der Wirkung von Gegenmaßnahmen zu erleichtern.4 Aktionspunkt 125 spricht die Analyse von bestehenden Offenlegungspflichten für bestimmte agressive Steuermodelle u.a. an und gibt die Empfehlung für eine einheitliche Umsetzung entsprechender Vorschriften ab.6 Aktionspunkt 13 sieht zur Steigerung der Transparenz bei Verrechnungspreisen einen dreistufigen Standard bei der Verrechnungspreisdokumentation vor, bestehend aus der Offenlegung von (i) allgemeinen Informationspflichten zur Wertschöpfung bzw. Einkünften („Master File“), (ii) ergänzenden Informationen zu konzerninternen Geschäftsbeziehungen („Local File“) und detaillierten länderbezogenen Berichten („Country-by-Country-Reporting“).7 Aus Sorge vor einer Zunahme von Doppelbesteuerungsthematiken durch die BEPS-Aktionspunkte enthält Aktionspunkt 148 eine Stärkung von Streitbeilegungsmechanismen, v.a. im Rahmen von Verständigungsverfahren. Aktionspunkt 159 befasst sich mit Überlegungen, wie die BEPS-Empfehlungen effektiv rechtlich umgesetzt werden können. Für die Aktionspunkte 2, 6, 7 und 14 wurde angesichts der notwendigen Umsetzung in eine Vielzahl von DBA die Entwicklung eines multilateralen völkerrechtlichen Übereinkommens zur einheitlichen Änderung aller DBA vorgeschlagen (sog. Multilaterales Instrument, dazu ausf. Rz. 87 ff.). Um die Arbeiten an den BEPS-Empfehlungen fortzusetzen und die Umsetzung der BEPS-Empfehlungen durch die Staaten zu beobachten, wurde im Januar 2016 – organisatorisch bei der OECD angesiedelt – das Inclusive Framework on BEPS, ein Zusammenschluss von mehr als 110 Staaten, ins Leben gerufen (dazu Rz. 31). Rechtliche Umsetzung der BEPS-Aktionspunkte. Die BEPS-Berichte (Rz. 85) setzen selbst kein Recht („soft law“),10 sondern bedürfen der Umsetzung durch uni-, bi- oder multilaterale Regelungen bzw. Vereinbarungen.11 Dem ohnehin eher geringen Änderungsbedarf im deutschen nationalen Steuerrecht12 ist der Gesetzgeber für die unilateral regelbaren Aspekte mit dem BEPS-Umsetzungsgesetz v. 20.12.201613 nachgekommen. Die EU hat zur Umsetzung der BEPS-Empfehlungen bereits einige EU-Richtlinien angepasst14 bzw. neu geschaffen,15 woraus sich gesetzlicher Umsetzungsbedarf in Deutschland ergab bzw. noch ergibt. Einige der BEPS-Aktionspunkte bedürfen ihrem Gegenstand nach einer Umsetzung in die einzelnen DBA. Für diese 1 OECD/G20, Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status, Action 7 – 2015 Final Report. Hierzu Kroppen in FS Gosch, 221; Bendlinger, SWI 2016, 188; Rehfeld, IWB 2017, 209; Gerlach/Hagemann, FR 2017, 1035. 2 OECD/G20, Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, Actions 8–10 – 2015 Final Reports. Hierzu Greinert/Metzner, Ubg. 2015, 60; Schmidtke, IStR 2015, 120 ff. 3 OECD/G20, Measuring and Monitoring BEPS, Action 11 – 2015 Final Report. 4 Vgl. Jacobs/Endres/Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 101. 5 OECD/G20, Mandatory Disclosure Rules, Action 12 – 2015 Final Report. 6 Jacobs/Endres/Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 101. 7 OECD/G20, Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting, Action 13 – 2015 Final Report. Dazu stv. Proß/Radmanesh in FG Wassermeyer, Nr. 72 Rz. 39; Rasch/Mank/Tomson, IStR 2015, 424; Zech, IWB 2015, 924. 8 OECD/G20, Making Dispute Resolution Mechanisms More Effective, Action 14 – 2015 Final Report. Hierzu Puls/ Heravi, ISR 2017, 301 ff. 9 OECD-G20, Developing a Multilateral Instrument to Modify Bilateral Tax Treaties, Action 15 – 2015 Final Report. 10 Fehling/Kampermann, IStR 2017, 638; Fehling, IWB 2016, 160 (161). 11 Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 5.18. 12 Vgl. Fehling/Kampermann, IStR 2017, 638 (639). 13 Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen, BGBl. I 2009, 3000. Hierzu Schreiber/Greil, DB 2017, 10 ff.; Blumenberg/ Kring, BB 2017, 151 ff.; Hörster, NWB 2017, 22; Ditz/Quilitzsch, DStR 2017, 281 ff.; Bärsch/Böhmer, DB 2017, 567 ff. 14 Die EU-Amtshilferichtlinie wurde mit Blick auf die BEPS-Mindeststandards zum Informationsaustausch über Tax Rulings und zum Country by Country-Reporting zweimal ergänzt („DAC3“ und „DAC4“), s. Richtlinie (EU) 2015/2376 des Rates v. 8.12.2015 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung, ABl. 2015 L 332, 1 und Richtlinie (EU) 2016/881 des Rates v. 25.5.2016 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung, ABl. 2016 L 146, 8. 15 Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates v. 12.7.2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts (ATAD I); Richtlinie (EU)

Schönfeld/Häck

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86

Systematik Rz. 86

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

Zwecke wurde ausgehend von den Empfehlungen des BEPS-Aktionspunkts 15 (Rz. 85) das sog. Multilaterale Instrument geschaffen, um eine effiziente Umsetzung der im Rahmen von BEPS entwickelten Maßnahmen und eine Änderung bilateraler Steuerabkommen (DBA) zu ermöglichen (hierzu ausf. Rz. 87).

II. Mehrseitiges Übereinkommen (Multilateral Instrument) 87

Entstehungsgeschichte. Die im Rahmen des BEPS-Projekts erarbeiteten Empfehlungen bedürfen in wesentlichen Teilen zu ihrer Umsetzung einer Änderung der zwischen den beteiligten Staaten geschlossenen DBA. DBA als völkerrechtliche Verträge können, um auch innerstaatliche Wirksamkeit zu erlangen, – jedenfalls aus deutscher Perspektive – nur durch ein relativ aufwändiges Verfahren geändert werden (s. Rz. 71 ff.). Angesichts der Zahl von ca. 1.100–2.000 DBA,1 die zwischen den in das BEPS-Projekt involvierten Staaten bestehen, hätte eine bilaterale Umsetzung der BEPS-Empfehlungen die Durchschlagskraft des BEPS-Aktionsplans erheblich gefährdet. Aus diesem Grund sah der BEPS-Aktionsplan in Aktionspunkt 15 bereits selbst die Empfehlung vor, ein multilaterales Übereinkommen (multilateral instrument) als Vehikel und flexible Rahmenordnung zur Anpassung bestehender DBA zu schaffen (s. Rz. 85).2 Unmittelbar im Anschluss an die Veröffentlichung des Entwurfs eines BEPS-Aktionsplans in 2013 begannen auf Ebene der OECD unter Einbezug einer informellen Expertengruppe mit deutscher Beteiligung3 Vorarbeiten zur Entwicklung eines multilateralen Übereinkommens. Auf einen vorläufigen OECD-Bericht im September 20144 folgte der endgültige Bericht zu Aktionspunkt 15 im Oktober 2015.5 Bereits im Mai 2015 hatte eine ad-hoc-Arbeitsgruppe unter Beteiligung aller interessierter Staaten die Ausarbeitung des MLI begonnen. Gegenüber den bereits im Bericht vom Oktober 2015 angesprochenen Punkten war noch die Frage zu beantworten, welche Empfehlungen des BEPS-Berichts in das MLI übernommen werden sollten, welche BEPS-Maßnahmen für die Unterzeichnerstaaten verbindlich bzw. optional sein sollten und wie das MLI verfahrensrechtlich umgesetzt werden kann.6 Vermutlich um die Realisierung des MLI nicht zu gefährden, wurde in der Folgezeit keine Entwurfsfassung zur öffentlichen Diskussion gestellt.7 Am 24.11.2016 veröffentlichte die OECD die in englischer und französischer Sprache ausgefertigten Vertragstexte. Am 7.6.2017 haben 76 Staaten8 schließlich das Mehrseitige Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung9 nebst einer flankierenden Erklärenden Stellungnahme10 unterzeichnet.11

88

Abkommenshistorische Bedeutung. Die Entstehung des MLI ist angesichts seiner relativ kurzen Entwicklungsdauer, der notwendigen organisatorischen Abstimmung der eingebundenen Staaten und der Schaffung eines konsensfähigen Vertragstextes ein abkommenshistorischer Schritt.12 Dies auch vor dem Hinter-

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8 9 10 11

12

30

2017/952 des Rates v. 29.5.2017 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2016/1164 bezüglich hybrider Gestaltungen mit Drittländern (ATAD II). Vgl. Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 179; Benz/Böhmer, ISR 2017, 27. Vgl. Reimer, IStR 2015, 1 (8). Reimer war auf Vorschlag des BMF Mitglied einer informellen Expertengruppe zu dem multilateralen Übereinkommen bei der OECD. OECD/G20, Developing a Multilateral Instrument to Modify Bilateral Tax Treaties, Action 15 – 2014 Deliverable. OECD-G20, Developing a Multilateral Instrument to Modify Bilateral Tax Treaties, Action 15 – 2015 Final Report. Vgl. Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (2). Im Rahmen der im Mai 2015 durchgeführten Anhörung von betroffenen Verbänden, Beratungsgesellschaften und Experten wurde keine Entwurfsfassung zur Verfügung gestellt, sondern nur dazu aufgefordert, spontane Erwartungen und Befürchtungen zu äußern, vgl. Reimer, IStR 2017, 1. Der „Public Discussion Draft“ ist abrufbar unter http://www.oecd.org/ctp/treaties/BEPS-Discussion-draft-Multilateral-Instrument.pdf. Mit Stand zum 29.6.2018 haben bisher 82 Staaten das MLI unterzeichnet (Stand abrufbar unter: http://www.oec d.org/tax/treaties/beps-mli-signatories-and-parties.pdf). Multilateral Convention to Implement Tay Treaty Related Measures to Prevent Base Erosion and Profit Shifting (abrufbar unter http://www.oecd.org/tax/treaties/multilateral-convention-to-implement-tax-treaty-related-measu res-to-prevent-BEPS.pdf). Das Explanatory Statement ist abrufbar unter http://www.oecd.org/tax/treaties/explanatory-statement-multilate ral-convention-to-implement-tax-treaty-related-measures-to-prevent-BEPS.pdf. Ausf. zum MLI Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 178 ff.; Haase, Multilaterales Instrument, 2018; Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 ff.; Benz/Böhmer, ISR 2017, 27; Reimer, IStR 2017, 1; Bendlinger, SWI 2017, 2 ff.; Lang, SWI 2017, 11 ff. und 624 ff.; Haase, IWB 2017, 16 ff.; Glenk/Reif/Collet, BB 2017, 2649; Fischer/Pitzer, IStR 2017, 804; Polatzky/Balliet/Steinau, IStR 2017, 226; Schön, IStR 2017, 681; Reimer, IStR 2017, 1; Reimer, IStR 2015, 1. Vgl. Reimer, IStR 2017, 1 (6): „Jahrhundertereignis“.

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E. BEPS-Projekt und Multilaterales Übereinkommen

Rz. 90 Systematik

grund, dass die Realisierung des MLI zwischenzeitlich angesichts verschiedener „Vetospieler“ keineswegs gesichert war.1 Das MLI könnte der Wegweiser sein für eine neue Epoche der Multilateralität bzw. Simultanität des Abkommensrechts.2 Mit dem Inclusive Framework on BEPS (Rz. 31) wurde bereits das notwendige Forum für eine Weiterentwicklung und Intensivierung des multilateralen Handelns im Abkommensrecht geschaffen. Rechtscharakter und formale Umsetzung des MLI. Das MLI ist als solcher ein mehrseitiger, völkerrecht- 89 licher Vertrag.3 Das MLI zielt zwar auf die Änderungen von DBA zur bilateralen Umsetzung der abkommensrechtlich relevanten Empfehlungen aus dem BEPS-Projekt. Ihm kommt selbst aber nicht die Qualität eines verbindlichen multilateralen DBA zu4 und es ist – jedenfalls soweit Deutschland betroffen ist – auch nicht in der Lage, DBA unmittelbar zu ändern.5 Das MLI soll vielmehr eine flexible Rahmenordnung für die Modifikation bestehender DBA bieten.6 Ob und inwieweit ein Anpassungsbedarf besteht, ist anhand eines Abgleichs zwischen konkretem DBA und MLI zu beurteilen. Die innerstaatliche Umsetzung in Deutschland erfolgt in einem zweistufigen Verfahren bezogen auf das MLI einerseits und die einzelnen zu ändernden DBA andererseits:7 Die Unterzeichnung des MLI hat nur den Charakter einer Paraphierung (s. Rz. 73)8 als Bekundung der Richtigkeit des Textes als authentisches Verhandlungsergebnis. Um das MLI aus deutscher Sicht verbindlich werden zu lassen, bedarf es eines Zustimmungsgesetzes nach Art. 59 Abs. 2 GG9 mit anschließender Ratifikation (Art. 27 Abs. 2 MLI). Im Anschluss an die Hinterlegung der Ratifikationsurkunden bei der OECD als Verwahrer i.S.v. Art. 39 MLI tritt das MLI aus deutscher Sicht am ersten Tag des Monats in Kraft, der drei Kalendermonaten nach der der Hinterlegung folgt (vgl. Art. 34 Abs. 2 MLI). Zu berücksichtigen ist aber, dass Deutschland von dem zusätzlichen Vorbehalt in Art. 35 Abs. 7 Buchst. a MLI Gebrauch gemacht hat.10 Der Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung des MLI richtet sich dann nach Art. 35 Abs. 1 MLI: Für Quellensteuern ist das MLI mit Beginn des nächsten Kalenderjahres anzuwenden, nachdem das MLI für die maßgeblichen Signatarstaaten in Kraft getreten ist. Für alle anderen Steuern beginnt das MLI seine Wirkung für den Besteuerungszeitraum zu entfalten, der sechs Monate nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens für den letzten beteiligten Staat beginnt. Zudem wird aus verfassungsrechtlichen Gründen auch ein das jeweilige DBA ändernde Zustimmungsgesetz (Art. 59 Abs. 2 GG) gefordert.11 Aus diesem Grund plant Deutschland die Verabschiedung von Zustimmungsgesetzen zum MLI als auch den einzelnen zu ändernden DBA. Denkbar ist auch, dass Deutschland sich mit den anderen Signatarstaaten ausschließlich auf Revisionsprotokolle zu den bestehenden Abkommen verständigt. Durch die konkreten Änderungen der einzelnen DBA im üblichen Verfahren könnten die sprachlichen Probleme gelöst werden, da das MLI nur in der offiziellen englischen und französischen Sprachfassung verbindlich ist. Bei einer – wenn auch aufwendigeren – punktgenauen Änderung der einzelnen DBA würden die gewünschten Regelungen in die jeweiligen verbindlichen DBA-Sprachfassungen übernommen. Inhalt des MLI. Das MLI besteht aus sieben Abschnitten und 39 Artikeln.12 Teil I (Art. 1 und 2 MLI) legt den Geltungsbereich wie das Ziel des MLI (Art. 1 MLI) fest und enthält Bestimmungen zur Auslegung von bestimmten Ausdrücken. (Art. 2 MLI). Vom MLI werden nur die DBA erfasst, die jeweils von den maßgeblichen Vertragsstaaten als „unter das Übereinkommen fallendes Steuerabkommen“ (Covered Tax Agreement – CTA) notifiziert werden. Art. 1 MLI spricht zwar davon, dass die erfassten DBA durch das MLI geändert werden. Hierzu ist das MLI selbst – jedenfalls aus deutscher Sicht – aber nicht in der Lage (s. Rz. 87). Die Teile II–IV (Art. 3–15 MLI) befassen sich mit den materiell-rechtlichen BEPS-Empfehlungen der Aktionspunkte 2, 4, 7 und 14 (s. Rz. 85) zu hybriden Gestaltungen (Teil II),13 Abkommensmissbrauch (Teil III)14 und zur Umgehung des Betriebsstättenstatus (Teil IV).15 Teile V und VI (Art 16–26 MLI) zielen auf die Verbesserung

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Vgl. Reimer, IStR 2015, 1 (7). Vgl. Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 190; Schön, IStR 2017, 681 (688); Lang, SWI 2017, 624. Reimer, IStR 2015, 1. Reimer, IStR 2015, 1. Vgl. Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 181. Vgl. Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 179. Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 179. Reimer, IStR 2017, 1 (5). Vgl. Schön, IStR 2017, 681 (683); Benz/Böhmer, ISR 2017, 27 (32); Reimer, IStR 2015, 1 (5). Vgl. zu diesem Vorbehalt Deutschlands das Positionspapier zum MLI, abrufbar unter http://www.oecd.org/tax/ treaties/beps-mli-position-germany.pdf). Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 185 m.w.N. Ausf. Benz/Böhmer, ISR 2017, 27. Dazu Grotherr, ISR 2017, 179 und 221. Dazu Grotherr, FR 2017, 767 ff.; Fischer/Pitzer, IStR 2017, 804 ff. Dazu Grotherr, Ubg. 2017, 125 ff., 188 ff.; Kroniger/Linn, DB 2017, 2509 ff.

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Systematik Rz. 90

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

der Streitbeilegung im Wege von Verständigungsverfahren (Teil V) bzw. Schiedsverfahren (Teil VI).1 In den Schlussbestimmungen in Teil VII (Art. 27–39 MLI) finden sich Regelungen u.a. zum Inkrafttreten des MLI, dessen Verhältnis zu späteren DBA, zur Änderung und Kündigung sowie der Möglichkeit von Vorbehalten ggü. einzelnen Bestimmungen des MLI. Das MLI bietet den Signatarstaaten erhebliche Flexibilitäten: Vom MLI werden nur die DBA erfasst, die übereinstimmend von den Signatarstaaten als „unter das Übereinkommen fallendes Steuerabkommen“ (Covered Tax Agreement – CTA) notifiziert werden. Die materiellrechtliche Fragen betreffenden Artikel des MLI sind nur hinsichtlich der BEPS-Mindeststandards zur Einführung einer Präambel (Art. 6 MLI), einer abkommensrechtlichen Missbrauchsklausel (Art. 7 MLI) und den Regeln zur Verbesserung der Streitbeilegung (Art. 16 f. MLI) verpflichtend. Im Hinblick auf die übrigen Regelungen räumt das MLI den Signatarstaaten weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten ein, Maßnahmen zu übernehmen oder Vorbehalte (vgl. Art. 28 Abs. 1 MLI) auszuüben.2 Bei der Ausübung der Wahlrechte besteht allerdings ein „Alles-oder-Nichts-Prinzip“, d.h. die Vorbehalte können nur einheitlich ggü. allen anderen Signatarstaaten ausgeübt werden. Teilweise können Wahlrechte auch nur für ein Bündel an Regelungen einheitlich ausgeübt werden. 91

MLI aus deutscher Perspektive. Von den ca. 100 deutschen DBA fallen nach derzeitigem Stand 31 DBA unter das MLI.3 Von den in diesem Kommentar spezifisch näher behandelten DBA mit den wichtigsten Industriestaaten (s. Rz. 81) sind die DBA mit China, Frankreich, Italien, Japan, Luxemburg, Niederlande,4 Österreich, Russland und Spanien als „unter das Übereinkommen fallende Steuerabkommen“ notifiziert. In materiell-rechtlicher Hinsicht5 beabsichtigt Deutschland nur die Umsetzung bestimmter Regelungen des MLI, wobei jeweils anhand des einzelnen DBA und der dort enthaltenen Einzelvorschriften zu beurteilen ist, ob beide Signatarstaaten das MLI insoweit deckungsgleich ausgeübt haben und sich Änderungsbedarf im DBA ergibt. Entsprechend ergeben sich je nach DBA unterschiedliche Anpassungserfordernisse.6 Für die unter das MLI fallenden deutschen DBA sind unter Berücksichtigung der von deutscher Seite ausgeübten Vorbehalte und Wahlrechte folgende Klauseln von Bedeutung (s. zu Einzelheiten die Kommentierungen der betroffenen Abkommensartikel): Keine Relevanz für die deutschen DBA entfalten die in Teil II (Hybride Gestaltungen) vorgesehenen Artikel. Insoweit hat Deutschland von der Möglichkeit der Nichtanwendung auf die nach Art. 1 und 2 MLI notifizierten deutschen DBA Gebrauch gemacht. Die in Teil III (Abkommensmissbrauch) vorgesehenen Artikel 6–11 MLI werden weitgehend für die deutschen DBA aktiviert: Soweit die DBA noch über keine entsprechende Präambel verfügen, besteht über Art. 6 MLI die Verpflichtung, eine Präambel aufzunehmen, die auch den Zweck der Verhinderung von Nicht- und Niedrigbesteuerungen durch Steuerverkürzung und Steuerumgehung enthält.7 Gemäß Art. 7 MLI ist als verpflichtender BEPS-Mindeststandard eine Abkommensklausel zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch einzufügen. Aus den vom MLI angebotenen Optionen hat sich Deutschland für die Implementierung eines sog. Principal Purpose Tests (PPT) entschieden.8 Derartige Klauseln finden sich bspw. bereits in Art. 21 Abs. 8 DBA-Japan 2015 und Art. 29 Abs. 1 DBA-China 2014. Abgeleitet aus Art. 8 MLI wird in einigen der deutschen DBA künftig als weitere Voraussetzung für den reduzierten Schachtelsatz für Dividenden (DBA entsprechend Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA 2017) eine Mindesthaltedauer von 365 Tagen einzufügen sein.9 Deutschland hat sich auch zur Übernahme der in Art. 9 MLI angesprochenen Klausel zur Missbrauchsvermeidung bei Grundstücksgesellschaften entschieden. Wie auch im Update 2017 zu Art. 13 Abs. 4 OECD-MA vorgesehen, erfahren die sog. Immobiliengesellschaftsklauseln eine Verschärfung insoweit, als der 50%ige Schwellenwert nun 1 Dazu Piotrowski, IStR 2018, 257 ff. 2 Vgl. dazu Schön, IStR 2017, 681 (684 f.). 3 Der aktuelle Stand ist einsehbar in der MLI Matching Database (abrufbar unter: http://www.oecd.org/tax/treaties/ mli-matching-database.htm). Deutschland hatte ursprünglich 35 DBA als „unter das Übereinkommen fallendes Steuerabkommen“ (Covered Tax Agreement – CTA) benannt (vgl. die deutsche Position zum MLI, abrufbar unter http://www.oecd.org/tax/treaties/beps-mli-position-germany.pdf). Bei drei Staaten (Estland, Vereinigte Arabische Emirate, USA) kam es zu keiner Übereinstimmung, da diese drei Staaten das MLI (zunächst) nicht unterzeichnet hatten (was für die USA weiterhin gilt). Estland und die Vereinigten Arabischen Emirate haben das MLI mittlerweile unterzeichnet. Estland hat das DBA mit Deutschland aber nicht notifiziert, wohl aber die Vereinigten Arabischen Emirate. Ursprünglich hatten auch Slowenien und Großbritannien das deutsche DBA als CTA notifiziert, hiervon aber mittlerweile wieder Abstand genommen, da es zu bilateralen Regelungen kommen soll. 4 Ausf. zum Änderungsbedarf des DBA Niederlande s. Engers/Stevens/Hawlitschek, IStR 2018, 11. 5 Vgl. ausf. das Positionspapier Deutschlands zum MLI, abrufbar unter: http://www.oecd.org/tax/treaties/beps-mliposition-germany.pdf. 6 Vgl. die Tabelle bei Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (10 f.). 7 Vgl. die Klauseln in Art. 6 Abs. 1 MLI, dazu Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (3 f.). 8 Zum Änderungsbedarf in den deutschen DBA Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (4). Zum PPT Fischer/Pitzer, IStR 2017, 804 (807 f.). 9 Zu den betroffenen deutschen Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (5) und Schönfeld, Art. 10 Rz. 70, 100.

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Schönfeld/Häck

F. Auslegung von DBA

Systematik

nur zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb von 365 Tagen vor Veräußerung der Anteile erfüllt sein muss.1 Im Bereich der abkommensrechtlichen Behandlung von Betriebsstätten hat Deutschland einerseits für die in Art. 10 MLI2 vorgesehene Klausel zur Missbrauchsvermeidung bei Betriebsstätten in Drittstaaten optiert. Von den aus BEPS-Aktionspunkt 7 herrührenden Artikeln 12–15 MLI des Teils IV (Umgehung des Betriebsstättenstatus) hat Deutschland für seine unter das MLI fallenden DBA nur zu Art. 13 MLI (Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch die Ausnahme bestimmter Tätigkeiten) optiert.3 Aus Teil V (Verbesserung der Streitbeilegung) sind für Deutschland verpflichtend die Regelungen in Art. 16 MLI (Verständigungsverfahren)4 und Art. 17 MLI (Gegenberichtigung bei verbundenen Unternehmen)5 umzusetzen. Zudem hat Deutschland zur Übernahme der in Teil VI (Schiedsverfahren) vorgesehenen Art. 18–26 MLI zur Einfügung eines obligatorischen und verbindlichen Schiedsverfahrens als Ergänzung zu den Regeln zu Verständigungsverfahren optiert.6 Auslegungsfragen. Die Berücksichtigung des MLI wirft verschiedene Auslegungsfragen auf: Zunächst ist zu 92 sehen, dass das MLI verbindlich nur in einer englischen und einer französischen Sprachfassung unterzeichnet wurde. Eine von der OECD verfasste deutsche Übersetzung7 dient nur Informationszwecken. Soweit Deutschland – wie derzeit beabsichtigt – die einzelnen DBA konkret und im Einzelnen durch gesonderte Zustimmungsgesetze ändern will, ließe sich durch eine Überführung der MLI-Regelungen in die jeweils verbindlichen Abkommenssprachen das Sprachproblem weitgehend lösen. Ungeachtet dessen stellt sich die Frage, ob einzelne Vorgaben des MLI grundsätzlich (nur) im Kontext des MLI auszulegen oder im Zusammenhang mit dem konkret durch das MLI angepassten bzw. überlagerten DBA zu verstehen sind.8 Grundsätzlich wird man dem Vereinheitlichungsgedanken des MLI dadurch Rechnung tragen müssen, dass die Auslegung primär aus dem MLI selbst zu erfolgen hat. Bei wörtlicher Adaption einer MLI-Regelung sind Begrifflichkeiten, soweit sie im MLI selbst bestimmt sind, nach dem MLI zu bestimmen. Dies gilt auch dann, wenn Deutschland nicht bzw. nicht nur dem MLI innerstaatlich durch ein Umsetzungsgesetz Wirkung verschafft, sondern auch dann, wenn anstelle dessen oder daneben die einzelnen DBA im Wege eines Revisionsprotokolls wörtlich an eine MLI-Regelung angepasst werden. Art. 2 Abs. 2 MLI sieht im Verhältnis zu den DBA – ähnlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA im Verhältnis zwischen DBA und innerstaatlichem Recht – einen Rückgriff auf die Begrifflichkeiten des jeweiligen DBA nur vor, sofern der Zusammenhang nichts anderes fordert. Der „Zusammenhang“ des MLI spricht vor dem Hintergrund des Vereinheitlichungsgedankens im Zweifel eher dafür, einen Begriff aus dem MLI heraus auszulegen. Soweit aber Deutschland eine Regelung des MLI für ein DBA nicht übernommen hat, weil bereits eine „gleichwertige“ Vorschrift in einem DBA vorhanden sei, muss es grds. bei der Auslegung des DBA bleiben.9

F. Auslegung von DBA Literatur: Anger, Interpretation von Doppelbesteuerungsabkommen mittels Konsultationsvereinbarungen? – Eine Absage durch den BFH am Beispiel der Konsultationsvereinbarung zwischen Deutschland und der Schweiz zu Abfindungen, IStR 2016, 57; Anger/Wagemann, Zweifelsfragen bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2014, 611; Blumenwitz, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge unter besonderer Berücksichtigung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Becker/Lerche/Mestmäcker (Hrsg.), Wanderer zwischen Musik, Politik und Recht, FS für Kreile, Baden-Baden 1994, 73; Blumenwitz, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, in Vogel (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht (Heft 18), 1995, 5; Clausen, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen unter Berufung auf die Zweifelsfallregelung, DB 2001, 2515; Debatin, Auslegungsmaximen zum internationalen Steuerrecht, RIW 1969, 477; Debatin, Qualifikationsprobleme im Doppelbesteuerungsrecht, FR 1979, 493; Debatin, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Fischer (Hrsg.), Unternehmung Steuern, FS für Scherpf, Berlin 1983, 305; Debatin, System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB Beilage 23/1985, 1; Debatin, Zu einigen Fragen des Internationalen Steuerrechts, DB 1986, 510; Debatin, Entwicklungstendenzen im Internationalen Steuerrecht und nationalen Außensteuerrecht im Lichte der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, DStZ/A 1987, 211; Debatin, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR Beihefter 23/1992, 1; Debatin, Zur Behandlung von Beteiligungen an Personengesellschaften unter den Doppelbesteuerungsabkommen im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Zu Einzelheiten Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (6) und Lieber, Art. 13 Rz. 95. Eine entsprechende Regelung sieht auch das Update 2017 in Art. 29 Abs. 8 OECD-MA 2017 vor. Vgl. zu Einzelheiten Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (7 f.) und Hruschka, Art. 5 (2017) Rz. 93 ff. Ausf. Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (9), Flüchter, Art. 25 Rz. 410 ff. Vgl. Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (9). Dazu Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (9). Abrufbar unter https://www.oecd.org/tax/treaties/beps-multilateral-instrument-text-translation-german.pdf. Vgl. Schön, IStR 2017, 681 (686). Schön, IStR 2017, 681 (687).

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Systematik

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

BB 1992, 1181; Drüen, Bindungswirkung von Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen, IWB 2011, 360; Flick, Zur Auslegung von Normen des internationalen Steuerrechts, in Felix (Hrsg.), Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, FS für Spitaler, Köln1958, 151; Gloria, Die Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland und die Bedeutung der Lex-Fori-Klausel für ihre Auslegung, RIW 1986, 970; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 1988; Gosch, Über die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, ISR 2013, 87; Gosch, Seminar D „Judges Seminar“: Abkommensrecht vor Gericht – Stichworte zu zehn gängigen Streitpunkten, IStR 2014, 698; Gosch, Bedeutung des OECD-Kommentars für die Auslegung des DBA Österreich-Deutschland, SWI 2015, 505; Hahn, Gedanken zum Grundsatz der sog. Entscheidungsharmonie, IStR 2012, 941; Hahn, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen: Der Grundsatz der Entscheidungsharmonie im Crash-Test, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer – Internationales Steuerrecht – Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer zum 65. Geburtstag, München 2005, 631; Ismer, DBA-Konkretisierung durch die Exekutive?, IStR 2009, 366; Jirousek, Kritische Anmerkungen zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 1998, 112; Kerath, Maßstäbe zur Auslegung und Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Berücksichtigung des Verständigungsverfahrens, Berlin 1995; Klebau, Einzelprobleme bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1985, 125; Kluge, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, AWD 1975, 90; Lampert, Die dynamische Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Beachtung des Kommentars zum OECD-Musterabkommen, IStR 2012, 513 Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, Baden-Baden 2009; Lang, Keine Bedeutung der jüngeren Fassung des Kommentars des OECD-Steuerausschusses für die Interpretation älterer Doppelbesteuerungsabkommen, IWB, Fach 10, Gruppe 2, 120; Lang, Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1991; Lang, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, Wien 1992, 104; Lang, Die Bedeutung des Musterabkommens und des Kommentars des OECD-Steuerausschusses für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 11; Lang, Haben die die Änderungen der OECD-Kommentare für die Auslegung älterer DBA Bedeutung?, SWI 1995, 412; Lang, Grundsatzerkenntnisse des VwGH zur DBA-Auslegung, SWI 1996, 427; Lang, Die Bedeutung des originär innerstaatlichen Rechts für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), in Burmester/Endres (Hrsg.), Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS für Debatin, München 1997, 283; Lang, Qualifikationskonflikte bei Personengesellschaften, IStR 2000, 129; Lang, Qualifikationskonflikte im Recht de Doppelbesteuerungsabkommen, in Lehner/Vogel (Hrsg.), Staaten und Steuern, FS für Vogel, Heidelberg 2000, 908; Lang, Wer hat das Sagen im Steuerrecht, Die Bedeutung des OECD-Steuerausschusses und seiner Working-Parties, ÖStZ 2006, 203; Lang, DBA und Personengesellschaften – Grundfragen der Abkommensauslegung, IStR 2007, 606; Lang, Die Maßgeblichkeit des innerstaatlichen Rechts für die DBA-Auslegung in der jüngeren Rechtsprechung des VwGH, SWI 2007, 199; Lang, Art. 3 Abs. 2 OECD-MA und die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, IWB 2011, 281; Lang, Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen und authentische Vertragssprachen, IStR 2011, 403; Lang, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen als Problem der Planungssicherheit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der Internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., 2011, 1865; Lang, Die Bedeutung des OECD-Kommentars und der Reservations, Observation und Positions für die DBA-Auslegung, in FS für Gosch, 2016, 235; Lehner, Die Umsetzung von abkommensrechtlichen Konsultationsvereinbarungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und Doppelnichtbesteuerung durch Rechtsverordnungen, IStR 2011, 733; Lehner, Die autonome Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen im Kontext des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, in Lüdicke/Mössner/ Hummel (Hrsg.), Das Steuerrecht der Unternehmen, FS für Frotscher, 2013, 383; Lehner, Abkommensauslegung zwischen Autonomie und Bindung an das innerstaatliche Recht, in FG für Wassermeyer, München 2015, Nr. 3; Leisner-Egensperger, DBA-Auslegung unter Rückgriff auf nationales Recht, IStR 2014, 10; Lenz, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, CDFI XLII (1960), 107; Mellinghoff, Heranziehung von OECD-Musterabkommen und -Musterkommentar, in FG für Wassermeyer, München 2015, 6; Mössner, Die Auslegung mehrsprachiger Staatsverträge, Archiv des Völkerrechts, Bd. 15 (1971/1972), 273; Mössner, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Böckstiegel (Hrsg.), Völkerrecht – Recht der Internationalen Organisationen – Wirtschaftsrecht, FS für SeidlHohenveldern, Köln u.a. 1988, 403; Pleil/Schwibinger, Entscheidungsharmonie und Qualifikationsverkettung als Methoden der Abkommensauslegung – eine Reflexion anlässlich der von der EU/OECD geführten Diskussion zur Einführung eines Korrespondenzprinzips im internationalen Steuerrecht, StuW 2016, 15; Pohl, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der jüngeren Rechtsprechung des BFH, RIW 2012, 677; Pöllath, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (deutsche DBA), CDFI LXXVIIla (1993), 327; Pöllath, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge aus der Sicht der Steuerpraxis, in Vogel (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht (Heft 18), 1995, 29; Prokisch, Fragen der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 1994, 52; Reimer, Seminar F: Die sog. Entscheidungsharmonie als Maßstab für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2008, 551; Reimer, Der Rechtsvergleich im Internationalen Steuerrecht, in Lehner (Hrsg.), Reden zum Andenken an Klaus Vogel, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 29, 2010, 89; Roser, Ansatzpunkte und Fehlvorstellungen zur Dynamisierung steuerlicher Bestimmungen – unter besonderer Berücksichtigung der DBA, Ubg. 2013, 37; Schnitger, Die Einbeziehung des OECD-Kommentars in der Rechtsprechung des BFH, IStR 2002, 407; Spitaler, Die Auslegung der DBA, CDFI XLII (1960), 165; Strobl, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Berücksichtigung ausländischer Rechtsordnungen, in Knobbe-Keuk/Klein/Moxter (Hrsg.), Handelsrecht und Steuerrecht, FS für Georg Döllerer, 1988, 635; Vogel, Aktuelle Fragen bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1978, 1021; Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen und ihre Auslegung, StuW 1982, 111 und 286; Vogel, Abkommensvergleich als Methode bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, StbJb 1983/84, 373; Vogel, Zu einigen Fragen des Internationalen Steuerrechts, DB 1986, 507; Vogel, Über Entscheidungsharmonie, in Klein/Stihl/Wassermeyer (Hrsg.), Unternehmen

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Schönfeld/Häck

F. Auslegung von DBA

Rz. 94 Systematik

Steuern, FS für Hans Flick, 1997, 1043; Vogel, Probleme der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2000, 103; Vogel, Transnationale Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2003, 523; Vogel, Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Haarmann (Hrsg.), Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, Forum der Internationalen Besteuerung 2004 (Bd. 26), 1; Vogel/Prokisch, Generalbericht zum Thema „Interpretation on Double Taxation Conventions, CDFI LXXVlII a (1993), 19; Waldhoff, Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen: Zweck und Rolle des OECD-Kommentars, StbJb 2005/2006, 161; Wassermeyer, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen durch den Bundesfinanzhof, StuW 1990, 404; Wassermeyer, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der Rechtsprechung des BFH, SWI 1992, 171; Wassermeyer, Der Künstlerbegriff im Abkommensrecht, IStR 1995, 555; Wassermeyer, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge – Haltung des BFH, in Vogel (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchner Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, 1995, 19; Wassermeyer, Merkwürdigkeiten bei der Auslegung von DBA durch die Finanzverwaltung, IStR 1995, 49; Weber-Fas, Prinzipien der Abkommensinterpretation im zwischenstaatlichen Steuerrecht, RIW 1982, 803; Wolff, Generalthema I: Doppelte Nicht-Besteuerung, IStR 2004, 542; Wolff, Auslegungsfragen zu DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 647; Wolff, Protokolle, Notenwechsel, Denkschriften und Explanations, FG für Wassermeyer, Nr. 8.

I. Gegenstand der Auslegung DBA als Auslegungsgegenstand. Folgt man der sog. Vollzugstheorie (Rz. 75), lässt sich widerspruchsfrei be- 93 gründen, dass das DBA selbst Gegenstand der Auslegung ist und damit die Auslegung völkerrechtlichen Auslegungsmethoden (Art. 31 ff. WÜRV, dazu Rz. 106 ff.) unterworfen ist.1 In der Konsequenz der Transformationstheorie wäre das Zustimmungsgesetz Auslegungsgegenstand,2 jedoch wird auch insoweit auf völkerrechtliche Auslegungsmethoden zurückgegriffen. Gegenstand des DBA sind alle seine Bestandteile, die Gegenstand des Ratifikationsverfahrens waren und vom deutschen Vertragsgesetz umfasst sind, wie regelmäßig etwa Zusatz- und Schlussprotokolle, Noten- oder Briefwechsel,3 nicht aber einseitige Verhandlungsprotokolle,4 Denkschriften5 und (sonstige) Materialen.6 Letztere Dokumente sind zwar nicht Gegenstand der Auslegung, sie stellen aber Hilfsmittel für die Auslegung von Abkommensbestimmungen i.S.v. Art. 31 Abs. 2 WÜRV dar, jedenfalls soweit in ihnen die gemeinsamen Vorstellungen der Vertragspartner wiedergegeben werden.7 Maßgebliche Sprachfassung. DBA werden grds. in den jeweiligen Landessprachen der Vertragsstaaten, mitunter auch noch in einer dritten Sprache8 (dann i.d.R. englisch9) abgefasst. Die Sprachfassungen und deren Verbindlichkeiten werden stets in der Schlussklausel am Ende eines DBA festgelegt. Verständigen sich die Vertragsstaaten nicht ausdrücklich für den Fall unterschiedlicher Auslegung auf eine Abkommenssprache als allein verbindliche,10 so sind sämtliche Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich (vgl. Art. 33 Abs. 1 WÜRV).11 Die Vertragsstaaten sind zwar bemüht, die verschiedenen Sprachfassungen aufeinander abzustimmen, sodass von einer Vermutung ihrer Deckungsgleichheit ausgegangen werden kann (Art. 33 Abs. 3 WÜRV).12 Dennoch ist zu sehen, dass sich einzelne Worte nicht ohne Weiteres in eine andere Sprache übersetzen lassen, ohne dass hiermit ein gewisser Bedeutungswandel verbunden ist.13 Daher darf sich 1 2 3 4

5 6 7 8 9 10 11 12 13

Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 8; Debatin in FS Scherpf, 305. Vgl. Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 7. Vgl. Wolff in FG Wassermeyer, Nr. 8 Rz. 1. Vgl. aber BFH v. 6.2.1991 – I R 125/90, DB 1991, 1708 zum Verhandlungsprotokoll v. 18.6.1971 zum DBASchweiz, wonach auch der Inhalt eines Verhandlungsprotokolls, welches nicht Gegenstand des deutschen Vertragsgesetzes war, jedoch dem deutschen Gesetzgeber bei der der Ratifizierung vorgelegen hat, inhaltlich für die Auslegung verbindlich sein könne. Die widerspruchslose Übernahme müsse als Zustimmung des Gesetzgebers zum Inhalt des Verhandlungsprotokolls verstanden werden. Hierzu Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 39; Wolff in FG Wassermeyer, Nr. 8 Rz. 13. Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 41. Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 39; Klebau, RIW 1985, 125 (133). Z.B. das in deutscher, französischer und niederländischer Sprache abgefasste DBA-Belgien, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. Gleiches gilt für das in deutscher, englischer und französischer Sprache abgefasste DBA-Kanada. Das DBA-Indien ist in deutscher, in Hindi und in englischer Sprache abgefasst, wobei zwar jeder Wortlaut verbindlich ist, bei unterschiedlicher Auslegung aber der englische Wortlaut maßgebend ist. Für das in Deutsch, Japanisch und Englisch abgefasste DBA-Japan gilt Entsprechendes. So z.B. DBA-Indien (englisch), DBA-Japan (englisch). Zu einem Praxisfall vgl. Philipowski, DB 2001, 1112. Verbindlichkeit der beiden jeweiligen Landessprachen z.B.: DBA-China, DBA-Frankreich, DBA-Vereinigtes Königreich, DBA-Italien, DBA-Niederlande, DBA-Russische Föderation, DBA-Spanien, DBA-USA. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 83. Lang, IStR 2011, 403.

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Systematik Rz. 94

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

die Auslegung nicht auf die Fassung in der Sprache des Anwenderstaats beschränken,1 wovon auch Art. 33 Abs. 4 WÜRV offensichtlich ausgeht.2 Hinzu kommt, dass die DBA regelmäßig dem OECD-MA nachgebildet sind und damit ggf. zunächst eine Übersetzung des OECD-MA in die jeweiligen Landessprachen erfolgt. Insoweit stellt sich die Frage, inwieweit ggf. auch die englisch- und französischsprachigen Originalfassungen des OECD-MA bei der Auslegung heranzuziehen sind.3 Ist die englische oder französische Sprache eine der von den Vertragsparteien vereinbarten, authentischen Sprachen und ist eine dem OECD-MA nachgebildete Klausel auszulegen, wird man der englischen bzw. französischen Sprachfassung des DBA eine höhere Bedeutung zumessen müssen, wenn sich zwischen den authentischen Sprachfassungen ein Bedeutungsunterschied i.S.v. Art. 33 Abs. 4 ergibt.4 Ist weder die englische noch die französische Sprache „authentisch“, kann die Berücksichtigung der Originalfassungen nur über andere Auslegungsregeln (z.B. Art. 31 Abs. 4 WÜRV) erfolgen.5

II. Methodik der Auslegung von DBA 1. Vorrang abkommensautonomer Auslegung und Bedeutung des innerstaatlichen Rechts 95

Abkommensautonome Auslegung. Selbst dann, wenn man – von der monistischen Theorie ausgehend – DBA und innerstaatliches Recht als verschiedene Bestandteile einer einheitlichen Rechtsordnung begreift, so bilden DBA doch einen geschlossenen Regelungskreis, der für seine Zwecke eigene vom innerstaatlichen Recht zu trennende Begriffe verwendet.6 Entsprechend sind die „Begriffe aus einem Doppelbesteuerungsabkommen zunächst eigenständig, das heißt also abkommensrechtlich, auszulegen und zu verstehen“.7 Insoweit sind DBA primär aus sich selbst heraus auszulegen (sog. abkommensautonome Auslegung8), wobei diejenige Auslegung anzustreben ist, die am ehesten die Aussicht hat, in beiden Vertragsstaaten akzeptiert zu werden (sog. Effektivitätsgrundsatz, ausführlich Rz. 109). Die Vertragsparteien sind aber in der Ausgestaltung des DBA insoweit frei, als sie für die Auslegung abkommensrechtlicher Begriffe einen Rückgriff auf das jeweilige Verständnis des innerstaatlichen Rechts des einen oder anderen Vertragsstaats anordnen können. Eine solch spezifische Abkommensregelung allgemeiner Natur enthält Art. 3 Abs. 2, der in praktisch allen deutschen DBA rezipiert wurde.9 Art. 3 Abs. 2 sieht in ganz bestimmten Fällen eine Auslegung abkommensrechtlicher Begriffe anhand des innerstaatlichen Rechts des Anwenderstaats vor, wenn sich anhand vorrangiger abkommensautonomer Auslegung ein abkommensrechtliches Verständnis nicht ausmachen lässt (ausführlich zur Bedeutung des innerstaatlichen Rechts für die Abkommensauslegung vgl. Rz. 97).

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Anwendung völkerrechtlicher Auslegungsregeln. Aufgrund des Charakters von DBA als völkerrechtliche Verträge, denen per Zustimmungsgesetz der (innerstaatliche) Rechtsanwendungsbefehl erteilt wurde (vgl. Rz. 75), sind bei der Abkommensanwendung die Auslegungsregeln des Abschnitts 3 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜRV) maßgeblich (vgl. ausführlich Rz. 106 ff.).10 Eine originäre Auslegung von DBA nach innerstaatlichen Auslegungsregeln, die in der Konsequenz der Transformationstheorie maßgeblich wären,11 stünde der von den Vertragsstaaten beabsichtigten effektiven Abkommensanwendung insoweit entgegen, als die innerstaatlichen Auslegungsregeln der Vertragsparteien sich voneinander unterscheiden können.12 Sehen die Auslegungsregeln des einen Vertragsstaats bspw. eine strenge Bindung an den Wortlaut vor, berücksichtigt der andere Vertragsstaat (wie z.B. in Deutschland) aber auch z.B. teleologische Aspekte, ließe sich eine einvernehmliche Auslegung häufig nicht herstellen.

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Bedeutung des nationalen Steuerrechts für die Abkommensauslegung. Das Gebot abkommensautonomer Auslegung der DBA (vgl. Rz. 95) ist ein grundsätzliches, jedoch kein generelles Gebot in dem Sinne, dass innerstaatliches Steuerrecht für die Auslegung von DBA keine Bedeutung hätte. Zwar zielen DBA auf 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

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BFH v. 3.2.1988 – I R 369/83, BStBl. II 1988, 486; Gosch, ISR 2013, 87 (90). Lang, IStR 2011, 403 (404). Vgl. dazu Lang, IStR 2011, 403 ff. Lang, IStR 2011, 403 (406). Ausführlich Lang, IStR 2011, 403 (407 ff.). Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 45; Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 6. BFH v. 29.11.2000 – I R 84/99, HFR 2001, 1053; v. 8.7.1998 – I R 57/97, BStBl. II 1998, 672. Vgl. BFH v. 26.8.2010 – I R 53/09, BFH/NV 2011, 135; Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 45; Debatin in FS Scherpf, 305 (306). Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 126 ff. Stv. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 39 m.w.N.; Gosch, IStR 2014, 698 (699). Vgl. Flick in FS Spitaler, 151 (153). Vgl. Lehner/Reichold/Faber/Schwenk in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht3, § 6 Rz. 20; Vogel in Haarmann, Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, Forum der Internationalen Besteuerung 2004 (Bd. 26), 1 (4).

Schönfeld/Häck

F. Auslegung von DBA

Rz. 101 Systematik

die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung und eine gerechte Verteilung der Steuergüter zwischen den Vertragsstaaten (dazu Rz. 1, 11). Auch erfordert dies eine möglichst einheitliche Anwendung des DBA in den Vertragsstaaten, die durch Rückgriffe auf die (ggf. unterschiedlichen) Begriffsbestimmungen des nationalen Rechts der Vertragsstaaten unterlaufen werden könnte. Das DBA bezieht aber das innerstaatliche Steuerrecht eines Vertragsstaats für die Auslegung eines abkommensrechtlichen Begriffes aber teilweise ausdrücklich mit ein (z.B. Art. 6 Abs. 2 Satz 1) oder erklärt es für maßgeblich, „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ (Art. 3 Abs. 2). Für die Bedeutung des innerstaatlichen Rechts für die Auslegung von DBA lassen sich zum Verständnis folgende Fallgruppen unterscheiden: Fallgruppe 1: DBA definiert einen Abkommensbegriff selbst. Enthält das DBA selbst die Definition eines im Abkommen verwendeten Begriffs (z.B. Definitionen des Art. 3 und Art. 5; „Zinsen“, Art. 11 Abs. 3; „Lizenzgebühren“, Art. 12 Abs. 2) ist allein dieser maßgeblich.1 Selbst wenn das innerstaatliche Recht eigenständige Definitionen des Begriffs bereithält (z.B. „Lizenzgebühren“ i.S.v. § 50g Abs. 3 Nr. 4 Buchst. b EStG), ist allein auf die eigenständige Abkommensdefinition abzustellen. Insoweit verbietet sich auch ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind („jeder im Abkommen nicht definierte Begriff“). Das innerstaatliche Recht des jeweiligen Anwenderstaats kann aber ggf. wiederum zur Auslegung der Merkmale herangezogen werden, die eine abkommensrechtliche Definition verwendet, soweit der Abkommenszusammenhang nichts anderes fordert (Art. 3 Abs. 2). Insoweit ist regelmäßig zu beobachten, dass zwar eine Definitionsnorm den definitorischen Rahmen bildet, die zur Definition verwendeten Begriffe aber ihrerseits nur unter Heranziehung des innerstaatlichen Rechts ausgefüllt werden können (z.B. Begriff der „Lizenzgebühren“ in Art. 12 Abs. 22).

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Fallgruppe 2: DBA verweist zur Auslegung eines Abkommensbegriffs ausdrücklich auf das innerstaatliche Recht eines Vertragsstaats. DBA können aber auch auf eine eigenständige Definition verzichten und zur Bestimmung eines abkommensrechtlichen Begriffs ausdrücklich auf die Bestimmungen des nationalen Rechts eines Vertragsstaats verweisen. So hat gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ die Bedeutung, die ihm nach dem Recht des Vertragsstaats zukommt, indem das Vermögen liegt (sog. Belegenheitsstaat). Zu beachten ist aber, dass Art. 6 Abs. 2 Satz 2 („[Unbewegliches Vermögen] umfasst in jedem Fall“) selbst wiederum eine abkommensrechtliche (Teil-)Definition enthält. Der Dividendenartikel sieht in Art. 10 Abs. 3 z.T. eine Definition nach Fallgruppe 1 vor, erfasst unter ausdrücklicher Einbeziehung des innerstaatlichen Rechts des Quellenstaats als Dividenden aber auch „aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Recht des Staats, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleich gestellt sind.“ In den auf dem OECD-MA 1963 aufbauenden DBA findet sich eine vergleichbare Regelungstechnik auch für den Begriff der „Zinsen“ (Art. 11 Abs. 3 OECD-MA 1963).3

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Fallgruppe 3: DBA definiert den Begriff nicht ausdrücklich selbst, der Begriff hat aber auch keine Entsprechung im materiellen innerstaatlichen Steuerrecht des maßgeblichen Vertragsstaats. Soweit das DBA Ausdrücke verwendet, aber nicht eigenständig definiert (z.B. „Sportler“ i.S.v. Art. 17), kann (denklogisch) und darf das innerstaatliche Recht des jeweiligen Anwenderstaats nicht zur Auslegung des Begriffs herangezogen werden, wenn dieses den Begriff nicht kennt.4 In diesem Fall bleibt es dabei, dass der Begriff ausschließlich abkommensautonom nach völkerrechtlichen Auslegungsregeln (vgl. Rz. 104 ff.) auszulegen ist.5

100

Fallgruppe 4: DBA definiert den Begriff nicht ausdrücklich selbst, der Begriff hat aber eine Entspre- 101 chung im materiellen innerstaatlichen Steuerrecht des Anwenderstaats. Enthält das DBA selbst keine Definition eines bestimmten Begriffs, findet sich aber im Steuerrecht6 des Anwenderstaats („lex fori“) eine begriffliche Entsprechung,7 ist der Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 2 eröffnet,8 der für diese Fälle unter gewissen Voraussetzungen eine Heranziehung des innerstaatlichen Rechts zur Auslegung eines abkom1 S. auch Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 150. 2 Vgl. zur Heranziehung des innerstaatlichen Rechts im Rahmen abkommensrechtlicher Definitionen Häck in F/W/K, Art. 12 DBA-Schweiz Rz. 32. 3 So z.B. Art. 11 Abs. 2 DBA-Schweiz, dazu Häck in F/W/K, Art. 11 DBA-Schweiz Rz. 37 ff., 43. 4 BFH v. 6.10.1993 – I R 63/93, BStBl. II 1994, 318. Vgl. auch BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207, zum Begriff der „ständigen Wohnstätte“ in Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz. 5 Lehner/Reichold/Faber/Schwenk in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht3, § 6 Rz. 24. 6 Zur umstr. Frage, ob es sich auch nach der Teilrevision des Art. 3 Abs. 2 in 1995 um einen Begriff des nationalen Steuerrechts handeln muss oder – soweit ein solcher nicht besteht – auch ein solcher des sonstigen Rechts sein kann: Kommentierung zu Art. 3 Rz. 77 m.w.N. 7 Lang, IStR 2011, 403 (410); a.A. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 141; keine wörtliche Übereinstimmung erforderlich, sachliche Übereinstimmung bzw. Entsprechung im Begriffskern; vgl. auch Leisner-Egensperger, IStR 2014, 10 (13). 8 Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 88.

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Systematik Rz. 101

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

mensrechtlich nicht definierten Begriffs erlaubt.1 Danach hat „bei der Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat […], wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm im Anwendungszeitraum nach dem Recht dieses Staats über die Steuern zukommt, für die das Abkommen gilt, wobei die Bedeutung nach dem in diesem Staat anzuwendenden Steuerrecht den Vorrang vor einer Bedeutung hat, die der Ausdruck nach anderem Recht dieses Staats hat.“ Methodisch ist angesichts des nicht eindeutigen Wortlauts und Normzusammenhangs nicht abschließend geklärt, ob bei fehlender Abkommensdefinition ein Begriff zunächst vorrangig nach dem innerstaatlichem Recht des Anwenderstaats auszulegen ist, und nur dann, wenn der „Zusammenhang“ Gründe hierfür bietet, von dieser (innerstaatlichen) Definition abgewichen werden kann (sog. landesrechtliche Theorie2), oder stets zunächst eine vorrangige Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang des Abkommens erfolgen muss, und nur für den Fall, dass sich aus dem „Zusammenhang“ keine eindeutige Lösung ergibt, ein Rückgriff auf die Begriffe des innerstaatlichen Steuerrechts in Betracht kommt (sog. völkerrechtliche Theorie3). Der Rspr. des BFH ließ sich insoweit keine einheitliche Linie entnehmen, vielmehr entschied der BFH im Einzelfall, ob eine Auslegung vorrangig anhand des Abkommens oder anhand des nationalen Rechts des Anwenderstaats erforderlich ist.4 Jüngeren Judikaten ist aber die Position des BFH zu entnehmen, dass abkommensrechtliche Begriffe zunächst nach dem Wortlaut und den Definitionen des Abkommens, sodann nach dem Sinne und dem Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens und schließlich nach den Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts auszulegen sind.5 Regelmäßig werden beide Ansichten zwar zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangen, insbesondere da auch die eher landesrechtlich Orientierten die Formel „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ weit auslegen, sodass hierzu neben der Vertragsurkunde und etwaigen Zusatzdokumenten z.B. auch das OECD-MA und der OECD-MK gehören.6 Jedoch soll von der Maßgeblichkeit des innerstaatlichen Steuerrechts nur abgewichen werden, wenn der Zusammenhang „gewichtige Gründe“ für ein Abweichen hergibt.7 Es verbleiben daher zumindest Randbereiche, in denen – folgte man der landesrechtlichen Theorie – die teleologische Auslegung des Abkommens und damit auch der Grundsatz der Effektivität (vgl. Rz. 109) sich nicht in Gänze entfalten könnten. Die Möglichkeit eines teleologischen Defizits des Auslegungsergebnisses würde grds. dadurch verstärkt, dass Art. 3 Abs. 2 nach h.M. inhaltlich eine dynamische Verweisung enthält, sodass stets das zum Zeitpunkt der Abkommensanwendung jeweils geltende innerstaatliche Recht maßgeblich ist, d.h. nicht jenes, welches zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand.8 Der Steuergesetzgeber könnte versucht sein, durch (verdeckte) „DBA-Auslegungsgesetze“ gewünschte Auslegungsergebnisse abkommensrechtlich zu legitimieren. Auch lässt sich ggf. nur schwer die Frage beantworten, wann der Zusammenhang einen „gewichtigen“ Grund für eine Abstandsnahme von einer Auslegung durch das innerstaatliche Recht bietet. Dies alles spricht bereits grds. gegen eine methodisch vorrangige Anwendung des innerstaatlichen Rechts über Art. 3 Abs. 2. Zudem ist zu sehen, dass Art. 3 Abs. 2 als Teil des Abkommens selbst nach den Auslegungsmethoden der Art. 31 ff. WÜRV auszulegen ist,9 sodass auch der Inhalt des Art. 3 Abs. 2 u.a. anhand des Sinn und Zwecks des Abkommens bestimmt werden muss. Die Vertragsstaaten zielen mit dem DBA auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung und die gerechte Verteilung der Steuergüter sowie ggf. die Vermeidung von Nicht- und Minderbesteuerungen, was nach dem Willen der Vertragsparteien eine möglichst einheitliche Auslegung des DBA erfordert, der aber eine verstärkt dem innerstaatlichen Recht zu-

1 Insoweit erfolgt die Auslegung des nationalen Steuerrechts selbst nicht nach DBA-Auslegungsregeln, sondern nach den – objektiv geprägten – Methoden zur Auslegung inländischer Steuergesetze, vgl. Leisner-Egensperger, IStR 2014, 10 (13). 2 Vgl. BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; Wolff in Wassermeyer, Art. 3 DBA-USA Rz. 42; Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 95. 3 BFH v. 15.1.1971 – III R 125/69, BStBl. II 1971, 379; v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; v. 27.1.1988 – I R 241/83, BStBl. II 1988, 574; v. 11.4.1990 – I R 75/88, BFHE 160, 513; v. 30.5.1990 – I R 179, 86; BStBl. II 1990, 6; Erhard in F/W/K, Art. 3 DBA-Schweiz Rz. 182; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 97 ff.; Strobl in FS Döllerer, 635 (642, 644 f.); Flick in FS Spitaler, 151 (163); Lehner in FG Wassermeyer, Nr. 3 Rz. 11; Gosch, ISR 2013, 87 (88); Debatin in FS Scherpf, 305 (311); Debatin, AWD 1969, 477 ff., 484 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (6 ff.); Gloria, RIW 1986, 970 (975 f.); Klebau, RIW 1985, 125 (126). 4 Vg. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 81 und die Beispiele aus der Rspr. bei Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD Rz. 94 und Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 64 ff. 5 Vgl. BFH v. 26.8.2010 – I R 53/09, BFH/NV 2011, 135. 6 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 121; Kluge, Internationales Steuerrecht4, Rz. R 56. 7 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 121; dagegen Wolff in Wassermeyer, Art. 3 DBA-USA Rz. 42. 8 Vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 151c; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 92; Leisner-Egensperger, IStR 2014, 10 (12 f.). 9 Vgl. Mössner in FS für Seidl-Hohenveldern, 403 (423).

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F. Auslegung von DBA

Rz. 104 Systematik

gewandte Interpretation entgegenstehen wird.1 Es bietet sich daher an, den Begriff des „Zusammenhangs“ über das o.g. Verständnis und das des Art. 31 WÜRV hinaus zu verstehen und den Gliedsatz „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ in dem Sinne zu interpretieren, dass dieser letztlich nur eine Klarstellung bedeutet, dass ein Abkommensbegriff zunächst – von dem Willen einer einheitlichen Auslegung geleitet – vorrangig unter Anwendung der abkommensrechtlichen Auslegungsmethoden (vgl. Rz. 103 ff.) auszulegen ist2 und nur dann über Art. 3 Abs. 2 ein Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Anwenderstaats erfolgt, wenn dieses Vorgehen ergebnislos ist oder Zweifel verbleiben.3 Zu beachten ist hierbei, dass die vorrangige abkommensrechtliche Auslegung (der „Zusammenhang“) eines Begriffs auch ergeben kann, dass die Vertragsstaaten die Begriffsbestimmung anhand des innerstaatlichen Rechts vornehmen wollten.4 In diesem Fall bedarf es dann nicht einmal eines Rückgriffs auf Art. 3 Abs. 2. So lässt sich bereits dem Abkommenszusammenhang entnehmen, dass die Begriffe betr. die steuerliche Bemessungsgrundlage (z.B. „Gewinne“, „Einkünfte“, „Vergütungen“) mit dem innerstaatlichen Verständnis des Anwenderstaats korrespondieren sollen. Vor diesem Hintergrund verbleibt Art. 3 Abs. 2 nur eine sehr geringe Bedeutung,5 nämlich die, dass innerstaatliches Recht nur subsidiär heranzuziehen ist und es insoweit auf das Steuerrecht (d.h. nicht des sonstigen Rechts) des Anwenderstaats ankommt. Prüfungsreihenfolge. Unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 2 ergibt sich daher für die Bestimmung eines abkommensrechtlichen Begriffs folgende Prüfungsreihenfolge: (i) Ausdrückliche Begriffsdefinition des Abkommen, (ii) Bestimmung anhand des „Zusammenhangs“ des Abkommens gem. Art. 31 ff. WÜRV, (iii) Begrifflichkeiten des innerstaatlichen Rechts des Anwenderstaats. Für die ersten beiden – an sich zusammengehörigen – Punkte richtet sich die Auslegung nach den Art. 31 ff. WÜRV, bei der Anwendung innerstaatlichen Rechts kommen hingegen grds. innerstaatliche Auslegungsregeln zur Anwendung.

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2. Einzelaspekte der Auslegung von DBA a) Auslegung von DBA als völkerrechtliche Verträge Grundsätzliches. Völkerrechtliche Auslegungsmethoden weichen nicht wesentlich von denen der deutschen Rechtslehre ab, die bei der Auslegung von Steuergesetzen durch die Judikative und die Exekutive anzuwenden sind.6 Völkerrechtliche Verträge unterscheiden sich von den einseitig rechtsetzenden Gesetzen jedoch dadurch, dass sich bei ihrer Entstehung zwei grds. gleichberechtigte Vertragsparteien gegenüberstehen, die im völkerrechtlichen Vertrag ihren übereinstimmenden Willen niederlegen (wollen). Insofern ist die subjektive Komponente bei der Auslegung von DBA stärker ausgeprägt als bei der Interpretation nationaler Steuergesetze.7 Vor diesem Hintergrund erklärt sich, weshalb das Völkerrecht mit der den übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien berücksichtigenden, sog. authentischen Interpretation eine weitere Auslegungsmethode kennt, die jedoch im Rahmen von DBA nur sehr eingeschränkte Berücksichtigung finden kann (ausführlich Rz. 110). Die völkerrechtlichen Auslegungsmethoden sind in Art. 31 ff. WÜRV kodifiziert.

103

Anwendung von Art. 31 ff. WÜRV. Deutschland hat das WÜRV erst am 30.4.1970 unterzeichnet, und es findet seit dem Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes v. 3.8.19858 am 20.8.19879 auch innerstaatlich unmittelbare Anwendung. Der BFH geht insoweit in Übereinstimmung mit Art. 4 WÜRV davon aus, dass die Art. 31 ff. WÜRV nur auf DBA anzuwenden sind, die nach Inkrafttreten des WÜRV völkerrechtliche Verbindlichkeit erlangt haben.10 Zu berücksichtigen ist aber, dass die in Art. 31 ff. WÜRV niedergelegten Grundsätze auf (nach Art. 25 GG verbindliches) Völkergewohnheitsrecht zurückgehen11 und eine entspre-

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1 Siehe schon Flick in FS Spitaler, 151 (152): „Das Prinzip der einheitlichen Auslegung fordert also eine möglichst weitgehende Auslegung aus dem Doppelbesteuerungsabkommen.“ 2 Vgl. Lang in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 1865 (1876); Lang, IWB 2011, 281 (287). Der BFH (v. 26.5.2004 – I R 54/03, BStBl. II 2004, 767) spricht vom „Sinnzusammenhang des Abkommens“. 3 Vgl. BFH v. 26.8.2010 – I R 53/09, BFH/NV 2011, 135; v. 15.6.1973 – III R 118/70, BStBl. II 1973, 810; v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; Lang, IWB 2011, 281 (287); Debatin in FS Scherpf, 305 (311); Strobl, in FS Döllerer, 635 (642). 4 Vgl. Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 56; Lang, IWB 2011, 281 (289 f.). 5 Vgl. Lang, IWB 2011, 281 (291): „kaum Bedeutung“; weitergehend Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 402 (426): Norm sei „überflüssig“. 6 Vgl. Leisner-Egensperger, IStR 2014, 10 (11). 7 Vgl. Leisner-Egensperger, IStR 2014, 10 (11 ff.). 8 BGBl. II 1985, 926. 9 BGBl. II 1987, 757. 10 BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387. 11 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 340; Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 2010, 58; Vogel, StbJb. 1983/84, 373 (374).

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Systematik Rz. 104

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

chende Anwendung der Art. 31 ff. WÜRV sich auch für die zeitlich älteren DBA anbietet. Da die meisten der wichtigsten Industriestaaten dem WÜRV beigetreten sind, gelten auch für diese die Art. 31 ff. WÜRV bei der Auslegung der DBA als völkerrechtliche Verträge unmittelbar. Zu sehen ist aber auch, dass einzelne Staaten das WÜRV schon nicht unterzeichnet1 oder jedenfalls nicht ratifiziert haben.2 Insoweit könnte es zu Auslegungsdivergenzen kommen, wenn das WÜRV im anderen Vertragsstaat auch nicht als vorrangig bindendes Völkergewohnheitsrecht akzeptiert würde. Völkerrechtlich wird jedoch davon ausgegangen, dass die Auslegungsregeln der Art. 31 ff. WÜRV bereits vor deren Inkrafttreten gelten und auch in Staaten zur Auslegung heranzuziehen sind, die die WÜRV nicht ratifiziert haben.3 105

Text der Art. 31 ff. WÜRV. Die deutsche Übersetzung der offiziellen englischen und französischen Fassungen der Art. 31–33 WÜRV im Zustimmungsgesetz vom 3.8.19854 lautet: Abschnitt 3 Auslegung von Verträgen Art. 31 Allgemeine Auslegungsregel (1) Ein Vertrag ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. (2) Für die Auslegung eines Vertrags bedeutet der Zusammenhang außer dem Vertragswortlaut samt Präambel und Anlagen a) jede sich auf den Vertrag beziehende Übereinkunft, die zwischen allen Vertragsparteien anlässlich des Vertragsabschlusses getroffen wurde; b) jede Urkunde, die von einer oder mehreren Vertragsparteien anlässlich des Vertragsabschlusses abgefasst und von den anderen Vertragsparteien als eine sich auf den Vertrag beziehende Urkunde angenommen wurde. (3) Außer dem Zusammenhang sind in gleicher Weise zu berücksichtigen a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen; b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht; c) jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz. (4) Eine besondere Bedeutung ist einem Ausdruck beizulegen, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben. Art. 32 Ergänzende Auslegungsmittel Ergänzende Auslegungsmittel, insbesondere die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses, können herangezogen werden, um die sich unter Anwendung des Artikels 31 ergebende Bedeutung zu bestätigen oder die Bedeutung zu bestimmen, wenn die Auslegung nach Artikel 31 a) die Bedeutung mehrdeutig oder dunkel lässt oder b) zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis führt. Art. 33 Auslegung von Verträgen mit zwei oder mehr authentischen Sprachen (1) Ist ein Vertrag in zwei oder mehr Sprachen als authentisch festgelegt worden, so ist der Text in jeder Sprache in gleicher Weise maßgebend, sofern nicht der Vertrag vorsieht oder die Vertragsparteien vereinbaren, dass bei Abweichungen ein bestimmter Text vorgehen soll. (2) Eine Vertragsfassung in einer anderen Sprache als einer der Sprachen, deren Text als authentisch festgelegt wurde, gilt nur dann als authentischer Wortlaut, wenn der Vertrag dies vorsieht oder die Vertragsparteien dies vereinbaren. (3) Es wird vermutet, dass die Ausdrücke des Vertrags in jedem authentischen Text dieselbe Bedeutung haben. (4) Außer in Fällen, in denen ein bestimmter Text nach Absatz 1 vorgeht, wird, wenn ein Vergleich der authentischen Texte einen Bedeutungsunterschied aufdeckt, der durch die Anwendung der Artikel 31 und 32 nicht ausgeräumt werden kann, diejenige Bedeutung zugrunde gelegt, die unter Berücksichtigung von Ziel und Zweck des Vertrags die Wortlaute am besten miteinander in Einklang bringt.

b) Auslegungsmethoden 106

Überblick. Art. 31 Abs. 1 WÜRV enthält die Grundregel der völkerrechtlichen Auslegungsmethoden, wonach diese nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen sind. Art. 31 Abs. 2 WÜRV umschreibt, was als „Zusammenhang“ in diesem Sinne gelten soll. Insoweit ist ausgehend von seinem Wortlaut ein abkommensrechtlicher Begriff zunächst im Hinblick auf seine „ge1 2 3 4

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Frankreich, Indien. USA, vgl. dazu Wolff in Wassermeyer, Art. 3 DBA-USA Rz. 37. Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 11 Rz. 11. BGBl. II 1985, 926.

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F. Auslegung von DBA

Rz. 109 Systematik

wöhnliche Bedeutung“ zu ergründen (grammatikalische Auslegung, vgl. Rz. 107), was jedoch im Gesamtzusammenhang des Abkommens zu sehen ist (systematische Auslegung, vgl. Rz. 108). Teleologische Aspekte sind ebenfalls zu berücksichtigen („im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen.“), insbesondere in ihren Ausprägungen der Effektivität und der Entscheidungsharmonie (vgl. Rz. 109). Art. 31 Abs. 3 WÜRV stellt die authentische Interpretation des Vertrags durch spätere „Übereinkünfte“ oder eine spätere „Übung“ der Vertragsstaaten der grammatikalischen, systematischen und teleologischen Auslegung gleich, bei der Übertragung auf DBA sind jedoch Besonderheiten zu beachten (vgl. Rz. 110). Eine besondere Bedeutung soll einem Begriff beizulegen sein, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben (Art. 31 Abs. 4 WÜRV). Hieraus lassen sich ebenso Ansätze einer historischen Auslegungsmethode ableiten (vgl. Rz. 111) wie aus Art. 32 WÜRV, wonach die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses zumindest als ergänzende Auslegungsmittel herangezogen werden können, um das im Wege der grammatikalischen, systematischen und teleologischen Auslegung gefundene Ergebnis zu bestätigen oder um die Begriffsbedeutung zu bestimmen, wenn die Auslegung nach Art. 31 WÜRV unklar bleibt bzw. zu sinnwidrigen Ergebnissen führt. Art. 33 WÜRV sieht eine Regelung zum Umgang mit den bei völkerrechtlichen Verträgen häufig auftretenden, mehreren authentischen Sprachfassungen vor (dazu Rz. 94). Ob und inwieweit auch eine abkommensvergleichende Auslegungsmethode anzuerkennen ist, ist fraglich (vgl. Rz. 112). Grammatikalische Auslegung. Ausgangspunkt der Auslegung von DBA ist der Wortlaut in seiner „gewöhnlichen Bedeutung“ (Art. 31 Abs. 1 WÜRV). Bei in verschiedenen Sprachen abgefassten DBA sind die Besonderheiten des Art. 33 WÜRV zu beachten (vgl. dazu Rz. 94). Die Anknüpfung an die „gewöhnliche Bedeutung“ zeigt, dass die völkerrechtliche Auslegung einem objektiven Ansatz folgt, wonach der im Vertragstext objektivierte Parteiwille maßgeblich ist und nicht der subjektive Parteiwille, der im Vertrag keinen Niederschlag gefunden hat.1 Der Begriff der „gewöhnlichen Bedeutung“ meint den gewöhnlichen fachsprachlichen Inhalt des Begriffs,2 wobei die „gewöhnliche Bedeutung“ aus einer internationalen – zumindest die beiden Vertragsstaaten verbindenden – Perspektive heraus zu bestimmen ist. Verwenden die Vertragsparteien einen Begriff mit einer international „gewöhnlichen Bedeutung“, ist davon auszugehen, dass ihnen diese bekannt war und sie diese im Zweifel übernehmen wollten.3 Grundsätzlich ist die „gewöhnliche Bedeutung“ maßgeblich, wie sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorherrschte. Etwas anderes ließe sich allenfalls annehmen, wenn die Auslegung ergibt, dass sich nach dem Willen der Vertragsparteien die Begriffsbedeutung dynamisch entwickeln soll.4 Bei der Bestimmung der „gewöhnlichen Bedeutung“ kommt v.a. dem im Zeitpunkt des Abschlusses des DBA vorzufindenden Inhalt des OECD-MK ein besonderes Gewicht zu (vgl. ausführlich Rz. 114). Wollen die Parteien einen vom gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichenden Sinngehalt regeln, muss dies hinreichend deutlich im Vertragstext oder im Sinnzusammenhang zum Ausdruck kommen. Denn einem abkommensrechtlichen Ausdruck ist nur dann eine besondere Bedeutung beizulegen, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben (Art. 31 Abs. 4 WÜRV).

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Systematische Auslegung. Die Erschließung der „gewöhnlichen Bedeutung“ eines abkommensrechtlichen Begriffs hat im Zusammenhang, in dem er verwendet worden ist, zu erfolgen (Art. 31 Abs. 1 WÜRV). Im Allgemeinen ist unter „Zusammenhang“ i.V.m. einem Vertragstext die Bedeutung eines Begriffs in einem Satz oder Gesamttext zu verstehen. Zu dem „Zusammenhang“ zählen nach Art. 31 Abs. 2 WÜRV nicht nur der Vertragstext einschließlich der Präambel und der Anhänge, sondern auch jede auf den Vertrag bezogene Vereinbarung beider Parteien, wenn diese anlässlich des Vertragsabschlusses getroffen wurde (Art. 31 Abs. 2 Buchst. a WÜRV), und jede Urkunde, die von einer Vertragspartei anlässlich des Vertragsabschlusses abgefasst und von der anderen Vertragspartei als eine sich auf den Vertrag beziehende Urkunde angenommen wurde. Speziell bei DBA gehören danach neben den einzelnen Artikeln und der Präambel regelmäßig auch Schlussprotokolle sowie Brief- und Notenwechsel zum „Zusammenhang“. Ein einseitiges Dokument, wie z.B. eine von einem Vertragsstaat allein angefertigte Denkschrift, zählt hingegen nicht dazu.5 Die systematische Auslegung kommt insoweit z.B. dann zum Tragen, wenn innerhalb dieses Zusammenhanggefüges erst der Quervergleich aufzeigt, was der eine oder andere Abkommensbegriff meint.6

108

Teleologische Auslegung. Teleologische Auslegung meint auch im völkerrechtlichen Kontext die Auslegung eines Begriffs gem. seinem Ziel und Zweck („im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen“). DBA zielen

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Vgl. BFH v. 24.4.1975 – I R 204/73, BStBl. II 1975, 604; Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 6, 23. Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 341; Vogel, StbJb. 1983/84, 373 (376). Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78. So ggf. bei Oberbegriffen, deren Bedeutung sich durch den technischen Fortschritt wandelt, vgl. Lampert, IStR 2012, 513. 5 Wolff in FG Wassermeyer, Nr. 8 Rz. 13. 6 Debatin in FS Scherpf, 305 (308).

Schönfeld/Häck

41

Systematik Rz. 109

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung (vgl. Rz. 1) und die sachgerechte Verteilung der Steuergüter zwischen den Vertragsstaaten (vgl. Rz. 11). Während die Vermeidung der Doppelbesteuerung generelle Zielsetzung für die Verteilungsnormen und den Methodenartikel ist, ist den Verteilungsnormen selbst zu entnehmen, welche Verteilung des Steuerguts bei den jeweiligen Einkunftsarten von den Vertragsstaaten als „sachgerecht“ angesehen wurde. Letzteres kann unmittelbar auf die Auslegung eines Abkommensbegriffs Einfluss nehmen.1 Im Hinblick auf Art. 25 Abs. 1–3 (Verständigungsverfahren, Konsultationsverfahren) ließe sich gegen die Fruchtbarmachung einer Zielsetzung der Vermeidung von Doppelbesteuerungen bei der teleologischen Auslegung hingegen zwar anführen, die DBA selbst gingen davon aus, dass im Einzelfall auch nach Anwendung der Verteilungsnormen und des Methodenartikels eine Doppelbesteuerung verbleiben könne. Dies allein spricht aber nicht grds. dagegen, die Zielsetzung der Vermeidung der Doppelbesteuerung dennoch bei der Auslegung der Verteilungsnormen und des Methodenartikels zu berücksichtigen.2 Zwar hilft diese als generelles Abkommensziel bei der Auslegung eines abkommensrechtlichen Begriffs nicht unmittelbar weiter. Ihre Berücksichtigung im Rahmen der teleologischen Auslegung erschöpft sich daher darin, dass sie die rechtsanwendenden Organe der Exekutive und Judikative eines Vertragsstaats dazu anhält, diejenige Auslegung zu wählen, die am ehesten Aussicht hat, auch im anderen Vertragsstaat akzeptiert zu werden. Denn nach dem der teleologischen Auslegung entstammenden und völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Auslegungsgrundsatz der Effektivität (effet utile) gebührt bei auslegungsfähigem Wortlaut derjenigen Auslegung der Vorzug, mit der das Vertragsziel und sein Regelungszweck bestmöglich erreicht werden.3 Der Effektivitätsgrundsatz ist auch bei der Auslegung von DBA zu berücksichtigen.4 Die Vertragsziele der Vermeidung der Doppelbesteuerung und der gerechten Verteilung der Steuergüter können im Einzelfall aber nur erreicht werden, wenn die fragliche Bestimmung des DBA durch die rechtsanwendenden Organe der Exekutive und Judikative beider Vertragsstaaten übereinstimmend ausgelegt werden. Als Ausfluss des Effektivitätsgrundsatzes und Ausprägung der teleologischen Interpretation5 lässt sich die Verpflichtung der Judikative und Exekutive, bei der Rechtsanwendung diejenige Auslegung zu wählen, die am ehesten Aussicht hat, auch im anderen Vertragsstaat akzeptiert zu werden, als Gebot einer auf Entscheidungsharmonie angelegten Auslegung verstehen.6 Der BFH nimmt v.a. in der jüngeren Rspr.7 den Grundsatz der Entscheidungsharmonie im Rahmen der Abkommensanwendung auf.8 Er zitiert ihn v.a. im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Verständigungsvereinbarungen 1 Vgl. bspw. BFH v. 18.7.2001 – I R 26/01, BStBl. II 2002, 401 zur einschränkenden Auslegung des „Künstler“begriffs in Art. 8 Abs. 2 Satz 2 DBA-Österreich auf vortragende Künstler: „Vielmehr ergab sich diese Auslegung auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Sie besteht darin, das Besteuerungsrecht für bestimmte Berufsgruppen, die aufgrund der mit der Berufstätigkeit typischerweise verbundenen Mobilität und vielfachen Einnahmemöglichkeiten im Wohnsitzstaat hinsichtlich der Einkünfte aus der Auslandstätigkeit oftmals nur schwer steuerlich erfasst werden können, dem Tätigkeitsstaat zuzuweisen, für den die praktischen Schwierigkeiten der steuerlichen Erfassung dieser Einkünfte in der Regel geringer sind.“ 2 Für eine Berücksichtigung im Rahmen teleologischer Auslegung: Debatin in FS Scherpf, 305 (307); dagegen: Henkel, in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 33. 3 Vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 494, vgl. auch BFH v. 20.2.1979 – VII R 16/78, BStBl. II 1979, 268. Für DBA wurde schon früh das völkerrechtliche „Prinzip der einheitlichen Auslegung“ fruchtbar gemacht, vgl. schon Flick in FS Spitaler, 151 (158). 4 Strobl in FS Döllerer, 635 (641). 5 Ebenso an die teleologische Auslegung anknüpfend Reimer, IStR 2008, 551 (554); wohl auch BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, BStBl. II 2000, 399; v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605; a.A.: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78: „Eine völkerrechtliche oder gar innerstaatliche Rechtsgrundlage für ein entspr. Gebot ist nicht zu erkennen.“ 6 Verkürzt regelmäßig als Gebot der Entscheidungsharmonie bezeichnet, vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen OECDMA Rz. 115; Vogel in FS Flick, 1043; Vogel, IStR 2003, 523 (525); Vogel, StuW 1982, 111 (122); Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 340; Schaumburg/Häck in Schaumburg Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.68; Mössner in FS Seidl-Hohenfelder, 403 (406); Pleil/Schwibinger, StuW 2016, 15 (16 ff.); Lehner in FG Wassermeyer, Nr. 3 Rz. 5; Prokisch, SWI 1994, 52; Reimer, IStR 2008, 551 (554); Strobl in FS Döllerer, 635 (645 f.); BFH v. 24.3.1999 – I R 144/97, BFHE 188, 315 (322); v. 17.11.1999 – I R 7/99, BFHE 191, 18 (22); kritisch bzw. ablehnend Oellerich in Gosch, § 2 AO Rz. 45 ff.; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 671 f.; Wassermeyer, IStR 1998, 491; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78; Wolff in Wassermeyer, Art. 3 DBA-USA Rz. 36; Hahn in FS Schaumburg, 631, 643; zurückhaltend Gosch, ISR 2013, 87 (91). 7 Noch offenlassend BFH v. 9.10.1985 – I R 128/80, BStBl. II 1988, 810. 8 BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791 („zwischenstaatlich gebotenen Entscheidungsharmonie bei der Auslegung des Abkommens“); v. 12.10.2011 – I R 15/11, BFH/NV 2012, 640; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BFH/NV 2011, 1637 („Ein anderes Verständnis würde ohne hinreichenden Grund die Gefahr fördern, dass Doppelbesteuerungsabkommen in den einzelnen Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt würden, und damit der im Grundsatz angestrebten Entscheidungsharmonie entgegenwirken.“); v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387 („Es gilt der Grundsatz der Entscheidungsharmonie“); v. 10.8.2006 – II R 59/05, BFH/NV 2006, 2326. Auch die Finanzgerichte greifen verstärkt auf den Aspekt der Entscheidungsharmonie zurück,

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F. Auslegung von DBA

Rz. 109 Systematik

im Rahmen der Auslegung.1 Der II. Senat des BFH2 hat ihn (ergänzend) sogar herangezogen, um ein zu einer doppelten Nichtbesteuerung führendes Auslegungsergebnis zu vermeiden. Insgesamt bleiben Inhalt und Grenzen einer auf Entscheidungsharmonie verpflichteten Auslegung aber im Detail vage.3 Der BFH sollte insoweit Gelegenheiten nutzen, einem Gebot der Entscheidungsharmonie Konturen zu verleihen.4 Eine generelle Bindung der rechtsanwendenden Organe der Judikative und Exekutive des einen Vertragsstaats an eine in dem anderen Vertragsstaat geübte Praxis oder Entscheidung, lässt sich sicherlich nicht annehmen.5 Dies würde bedeuten, auch einer unzutreffenden Auslegung durch das Gericht des anderen Vertragsstaats eine erhöhte Autorität beizumessen, nur weil sie früher ergangen ist.6 Vielmehr kann nur dann, wenn nach Auslegung anhand des Wortlauts,7 der Systematik und ggf. anderer teleologischer Aspekte unterschiedliche Auslegungen eines Abkommensbegriffs möglich sind, derjenigen der Vorzug gegeben werden, die (voraussichtlich) zu einer Entscheidungsharmonie in beiden Vertragsstaaten führt.8 Eine vom Wortlaut losgelöste Vertragsinterpretation ist daher selbst dann nicht zulässig, wenn dies zur Entscheidungsharmonie führen würde.9 Das Gebot der Entscheidungsharmonie erlaubt insoweit keine generelle Qualifikationsverkettung,10 In diesen Grenzen kann eine auf Entscheidungsharmonie angelegte Auslegung dazu führen, dass z.B. der BFH einer (Auslegungs-)Entscheidung des (höchsten) Steuergerichts des anderen Vertragsstaats folgen müsste, auch wenn eine andere Auslegung möglich wäre.11 Eine effektive Berücksichtigung des Grundsatzes der Entscheidungsharmonie erfordert aber eine intensive Beschäftigung mit der Abkommenspraxis des anderen Vertragsstaats, insbesondere ausländische Gerichtsentscheidungen zu bestimmten Abkommensbegriffen.12 Anhaltspunkte in der Rspr. des BFH, dass dieser Entscheidungen ausländischer Gerichte des anderen Vertragsstaats zur eigenen Entscheidungsfindung einbezieht, lassen sich aber – soweit ersichtlich – nicht finden.13 Der BFH nimmt auf ausländische Gerichtsentscheidungen im Rahmen seiner Entscheidungen auch bei Auslegungsfragen zwar gelegentlich Bezug,14 dies aber nur, um ein eigenes Auslegungsergebnis

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vgl. FG Hamburg v. 9.11.2017 – 6 K 14/17, EFG 2018, 258 (Revision beim BFH unter Az.: I R 76/17); FG Düsseldorf v. 5.9.2017 – 3 K 2745/16 E, EFG 2017, 1652 (Revision beim BFH unter Az.: I R 63/17). Vgl. BFH v. 13.6.2012 – I R 41/11, BFH/NV 2012, 1722; v. 12.10.2011 – I R 15/11, BFH/NV 2012, 640; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387. Vgl. BFH v. 10.8.2006 – II R 59/05, BFH/NV 2006, 2326 (unter II.8.b.bb.): „Auch der Grundsatz der Entscheidungsharmonie, der die Auslegung von DBA prägen kann (BFH-Urt. v. 17.11.1999 – I R 7/99, BFHE 191, 18, BStBl. II 2000, 605, unter II.3.d cc) spricht für den Vorrang des Zinsartikels. Denn bei der von der Klägerin vertretenen Einbeziehung der Zinsen in den Unternehmensgewinn würden die Zinseinkünfte und die Darlehensforderungen in keinem der beteiligten Staaten einkommen- und vermögensteuerlich erfasst (dazu Debatin, BB 1992, 1181, 1185): In Frankreich findet keine Besteuerung statt, weil Darlehensverhältnisse zwischen Gesellschaft und Gesellschafter dort auch steuerrechtlich zugrunde gelegt werden, die Gesellschaft den Zinsaufwand als Betriebsausgaben abziehen kann (vgl. dazu auch die Sachverhaltsdarstellung im BFH-Urt. v. 19.5.1993 – I R 60/92, BFHE 171, 293, BStBl. II 1993, 714) und der – nicht in Frankreich ansässige – Gesellschafter die korrespondierenden Einnahmen nicht in Frankreich versteuern muss. In Deutschland fände ebenfalls keine Besteuerung statt, wenn die Zinsen als Teil des Unternehmensgewinns wegen des Betriebsstättenprinzips des Art. 4 DBA Frankreich 1959/1969 vom deutschen Besteuerungsrecht auszunehmen wären.“ Zutr. Hahn, IStR 2012, 941 ff. S. zuletzt BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BFH/NV 2012, 1905. Die Vorinstanz (FG Nürnberg v. 14.12.2010 – 1 K 1955/2008, EFG 2011, 981) hatte ihre Entscheidungsbegründung in weiten Teilen auf das Gebot der Entscheidungsharmonie gestützt. Vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 117. Vgl. Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (406). Insoweit wird häufig bereits unter Heranziehung des OECD-MK die „gewöhnliche Bedeutung“ eines Begriffs hergeleitet werden können, was schon auf dieser Ebene eine einheitliche Auslegung gewährleistet. Vgl. zur Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK ausführlich Rz. 114. Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 44. Vgl. (wohl enger) auch BFH v. 9.10.1985 – I R 128/80, BStBl. II 1988, 810, wonach der Grundsatz der Entscheidungsharmonie nicht zu einer Auslegung eines Gesetzes zulasten eines Steuerpflichtigen führen könne, die von der abweicht, wie sie sich nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ergibt. Dies gelte auch dann, wenn die sich aus den allgemeinen Grundsätzen ergebende Auslegung im Zusammenhang mit der Praxis der Steuerverwaltung des anderen Vertragsstaats zu Ungereimtheiten führt und die Besteuerungspraxis des anderen Vertragsstaats durch dessen Gerichte bestätigt wurde. Diese Handhabung würde Art und Umfang der Besteuerung von den Entscheidungen der Steuerverwaltung bzw. der Steuergerichte des anderen Vertragsstaats abhängig machen, was nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung möglich wäre. Vgl. BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BFH/NV 2012, 1905. Vgl. zu Einzelheiten Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 119 f. Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 77; Reimer, IStR 2008, 551; Prokisch, SWI 1994, 52 (55). Vgl. auch den Befund von Reimer, IStR 2008, 551 (552). Vgl. BFH v. 25.5.1970 – I R 109/68, BStBl. II 1970, 660.

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Systematik Rz. 109

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

zu bestätigen, weniger, um die ausländische Entscheidung im Wege der Entscheidungsharmonie zu rezipieren. Dieser Befund ist v.a. den praktischen Grenzen einer Entscheidungsharmonie geschuldet. Während sich die Abkommenspraxis z.B. in der Schweiz oder Österreich auch im Gesamtkontext deren innerstaatlichen Rechts noch verhältnismäßig leicht verfolgen lässt,1 stößt eine Erforschung z.B. der indischen Abkommensrealität naturgemäß bereits bei der Informationsbeschaffung an Grenzen.2 Dies berechtigt jedoch nicht, eine grundsätzliche Verpflichtung des Rechtsanwenders auf eine an Entscheidungsharmonie orientierte Auslegung im o.g. Sinne zu verneinen. 110

Authentische Auslegung. Authentische Interpretation meint eine übereinstimmend durch die Vertragsparteien vorgenommene Auslegung eines Abkommensbegriffs, die sich in entsprechenden gemeinsamen oder übereinstimmenden Erklärungen der Vertragsparteien („spätere Übereinkunft“, Art. 31 Abs. 3 Buchst. a WÜRV) oder durch eine ständige gleichartige Praxis der Vertragsparteien („spätere Übung“, Art. 31 Abs. 3 Buchst. b WÜRV) ausdrückt und die bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge in gleicher Weise wie der abkommensrechtliche „Zusammenhang“ zu berücksichtigen ist (vgl. einleitender Satz des Art. 31 Abs. 3 WÜRV). Maßgeblich für die authentische Interpretation ist der sich in einer nach Abkommensabschluss in einer „späteren Übung“ oder „späteren Übereinkunft“ wiederfindende, übereinstimmende Wille der Vertragsparteien, der naturgemäß bei der Auslegung innerstaatlicher Gesetze nicht zur Anwendung kommen kann. „Vertragspartei“ ist grds. der Vertragsstaat in seiner Gesamtheit, weshalb die Frage berechtigt ist, ob die Verwaltungsbehörden der Vertragsstaaten durch eine tatsächliche Übung oder den Abschluss von Auslegungsvereinbarungen überhaupt in der Lage sind, als „Vertragsparteien“ i.S.v. Art. 31 Abs. 3 WÜRV aufzutreten.3 Um Art. 31 Abs. 3 WÜRV auch bei DBA einen Anwendungsbereich zu belassen, wird man insoweit als „Vertragspartei“ die jeweils den Vertragsstaat repräsentierende rechtsanwendende Gewalt (v.a. Exekutive) verstehen können. Die authentische Auslegung in Form von Auslegungsvereinbarungen oder übereinstimmender Abkommenspraxis ist bei der Abkommensanwendung aber nur zu berücksichtigen,4 sofern sie nicht dem Wortlaut des Abkommens als „Grenzmarke“ zuwiderläuft.5 Eine vom Abkommenswortlaut abweichende übereinstimmende Interpretation würde zwar die beiden Vertragsstaaten untereinander binden, wegen des verfassungsrechtlichen Zustimmungsvorbehalts bedarf es jedoch für die Bindung der Gerichte an eine solche vertragsändernde Interpretation der parlamentarischen Legitimation gem. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. Rz. 75).6 „Spätere Übung“ und „spätere Übereinkünfte“ können daher nur abkommensrechtliche Berücksichtigung finden, wenn sie eine nach dem Wortsinn mögliche Interpretation beinhalten. Soweit den Abkommensverhandlungen eine bestimmte Motivation zugrunde gelegen haben sollte und sich diese im Abkommenstext nicht niedergeschlagen hat, ist sie für die Auslegung damit ebenso unbeachtlich wie eine darauf beruhende anderweitige Abkommenspraxis.7 Gegenüber den übrigen Auslegungsmethoden kommt der authentischen Auslegung letztlich nur dort eine Bedeutung zu, wo im Rahmen der Wortlautgrenze nicht nur eine einzige Interpretation möglich ist. „Spätere Übung“ meint – in Abgrenzung von der „späteren Übereinkunft“ – eine ohne gemeinsame Vereinbarung bestehende tatsächliche Praxis der Vertragsstaaten, einen abkommensrechtlichen Begriff in gleicher Weise auszulegen, wobei grds. Akte aller drei Gewalten in Betracht kommen.8 Eine ständige Praxis lässt sich objektiv z.B. an inhaltlich gleichen Verwaltungsschreiben in den beiden Vertragsstaaten feststellen.9 Eine „Übung“ setzt zumindest auch eine gewisse zeitliche Dauer der übereinstimmenden Abkommenspraxis der Vertragsstaaten voraus, die jedenfalls bei mehr als zwei Jahrzehnten anzunehmen ist.10 „Spätere Übereinkünfte“ sind Auslegungsvereinbarungen zwischen den Vertragsparteien, die grds. im Rahmen der authentischen Auslegung zu berücksichtigen

1 S. Gosch, ISR 2013, 87 (90). 2 Vgl. Pleil/Schwibinger, StuW 2016, 15 (20 ff.); Vogel, StuW 1982, 111 (119 ff.), vgl. auch Hahn, jurisPR-SteuerR 24/2011 Rz. 5: „[…] besteht das praktische Bedenken gegen den Grundsatz der Entscheidungsharmonie naturgemäß darin, dass die Kenntnis der jeweils anderen Rechtsordnung und auch deren Erwerb aus Anlass eines konkreten Verfahrens schlechterdings nicht erwartet werden kann.“ 3 Vgl. Lang, IWB 2011, 281 (284). 4 Für eine generell nur sehr eingeschränkte Bedeutung Lang, IWB 2011, 281 (284). 5 BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; v. 27.8.2008 – I R 64/07, BStBl. II 2009, 97; v. 25.10.2006 – I R 81/04, BStBl. II 2010, 778; v. 25.10.2006 – I R 18/04, BFH/NV 2007, 875; v. 22.4.1998 – I R 54/96, BFH/NV 1998, 1290. 6 Vgl. auch stv. BFH v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997; Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 338. 7 BFH v. 22.4.1998 – I R 54/96, BFH/NV 1998, 1290. 8 Vgl. Ismer, IStR 2009, 366 (369). 9 Siehe z.B. BFH v. 25.10.2006 – I R 81/04, BStBl. II 2010, 778. 10 BFH v. 25.10.2006 – I R 81/04, BStBl. II 2010, 778.

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F. Auslegung von DBA

Rz. 112 Systematik

sind, wenn sie sich im Rahmen der Wortlautgrenze halten. In diesem Zusammenhang1 können grds. auch Konsultationsvereinbarungen i.S.v. Art. 25 Abs. 3 zu berücksichtigen sein.2 Widerspricht eine Konsultationsvereinbarung indes dem Abkommenswortlaut, kann sie aus deutscher Sicht für die Gerichte und damit den Steuerpflichtigen nur Verbindlichkeit entfalten, wenn sie zu positivem und mit dem Abkommen gleichrangigem Recht erhoben wird. Der vom Gesetzgeber durch das JStG 2010 eingefügte § 2 Abs. 2 AO n.F. erfüllt diese Funktion jedoch nicht (vgl. ausführlich Rz. 117). Die Frage nach dem Verhältnis von „späterer Übung“ und „späterer Übereinkunft“ kann relevant werden, wenn der Abkommenswortlaut zumindest für zwei verschiedene Interpretationen offen ist und die Vertragsstaaten von einer zunächst ausgedrückten „späteren Übung“ bzw. „späteren Übereinkunft“ durch eine nachfolgende „spätere Übereinkunft“ bzw. „spätere Übung“ abweichen wollen. Da eine „spätere Übung“ bzw. „spätere Übereinkunft“ ein gewichtiges und objektives Indiz dafür bieten, wie die Parteien den Vertrag einvernehmlich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses verstanden haben wollten,3 ist insoweit eine spätere „Übung/Übereinkunft“, die in inhaltlichem Widerspruch zu einer zuvor bereits ausgedrückten „Übung/Übereinkunft“ steht, nicht anzuerkennen. Historische Auslegung. Bei der Abkommensauslegung sind auch Aspekte einer historischen, die Entstehungsgeschichte des Abkommens berücksichtigenden Auslegungsmethode zu beachten. Zwar scheint Art. 32 WÜRV („Ergänzende Auslegungsmittel“, sog. Materialien) den „vorbereitenden Arbeiten“ und den „Umständen des Vertragsabschlusses“ nur eine sehr eingeschränkte, subsidiäre Bedeutung bei der Abkommensinterpretation beizumessen. Jedoch kann gem. Art. 31 Abs. 4 WÜRV einem Begriff eine besondere Bedeutung beigelegt werden, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben. Lässt sich der Entstehungsgeschichte ein solcher Wille eindeutig belegbar entnehmen, ist dieser entsprechend – soweit den Rahmen der Wortlautgrenze haltend – bei der Auslegung besonders zu gewichten.4 Zu den von Art. 32 WÜRV angesprochenen „Materialien“ zählen etwa die im Zusammenhang mit den Verhandlungen erstellten Verhandlungsprotokolle,5 nicht aber die sog. Denkschriften zu den Abkommen, jedenfalls wenn in diesen nur die subjektive Vorstellung eines der Vertragspartner wiedergegeben wird.6

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Abkommensvergleichende Auslegung. DBA sind zwar regelmäßig Ergebnis individueller, mitunter zäher und langwieriger Abkommensverhandlungen. Häufig orientieren sich die Verhandler aber nicht nur an bekannten Formulierungen des OECD-MA, sondern eigener, im Laufe der Abkommenshistorie entwickelter Standardformulierungen des eigenen Abkommenskatalogs. Dies führt zu der Frage, ob Vergleiche mit konkreten anderen DBA7 der beteiligten Vertragsstaaten für die Auslegung des einzelnen DBA bedeutsam sein können.8 Dies ist in sehr eingeschränktem Maße zu bejahen.9 So können die bei Vertragsabschluss bereits bestehenden DBA, die den Vertragsparteien vorlagen, Fachsprache gebrauchen, die die „gewöhnliche Bedeutung“ (Art. 31 Abs. 1 WÜRV) des auszulegenden Abkommensbegriffs bestimmt.10 Parallelabkommen sind jedoch nicht Bestandteil des von Art. 31 Abs. 2 WÜRV näher umschriebenen „Zusammenhangs“. Möglich erscheint aber, den Gedanken von „Treu und Glauben“ (Art. 31 Abs. 1 WÜRV) fruchtbar zu machen, wenn sich eine besondere Klausel in weiteren Abkommen eines Vertragsstaaten befindet,11 der Vertragsstaat jedoch, bei Vertragsschluss objektiv erkennbar unerwartet, in dem fraglichen DBA von der ansonsten abkommensübergreifend einheitlich vorgenommen Auslegung abweichen will. Eine sorgfältige abkommensvergleichende Auslegung setzt ggf. eine aufwendige Analyse der Entwicklung einzelner Klauseln in Parallelabkommen voraus, die naturgemäß an praktische Grenzen stoßen wird. Der BFH stellt z.T. auch abkommensvergleichende Überlegungen an, dies allerdings dahin gehend, dass in späteren DBA ausdrück-

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1 Völkerrechtlich ist jedoch nicht abschließend geklärt, ob es sich bei Konsultationsvereinbarungen um „spätere Übereinkünfte“ handelt, vgl. Glaser, Internationale Verwaltungsbeziehungen, 2010, 111 f. 2 Vgl. BFH v. 12.10.2011 – I R 15/11, BFH/NV 2012, 640; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394; Hardt in Wassermeyer, Art. 26 DBA-Schweiz Rz. 206; Ismer, IStR 2009, 366 (369); Schröder, IStR 2009, 48 (50). 3 Vgl. auch BFH v. 25.10.2006 – I R 81/04, BStBl. II 2010, 778. 4 Vgl. zutreffend Lang, IWB 2011, 281 (283). 5 Vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 110a. 6 Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.73. 7 Das OECD-MA ist hingegen selbst nur Empfehlung, nicht aber Abkommen (zur Bedeutung von OECD-MA/ OECD-MK Rz. 27. 8 Ausführlich zu dieser Frage Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 141; Vogel, StbJb. 1983/84, 373 ff.; Reimer in Lehner (Hrsg.), Reden zum Andenken an Klaus Vogel, 2010, 89; Ansätze auch schon bei Flick in FS Spitaler, 151 (160). 9 Ausf. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 141 ff. 10 Vgl. Vogel, StbJb. 1983/84, 373 (379). 11 Vgl. Bsp. bei Reimer in Lehner (Hrsg.), Reden zum Andenken an Klaus Vogel, 2010, 89.

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Systematik Rz. 112

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

lich aufgenommene Klauseln nicht den Umkehrschluss zulassen, dass ein solches Ergebnis nicht auch durch Auslegung in DBA gefunden werden könne, die eine solche Klausel nicht enthalten.1 113

Rangverhältnis der Auslegungsmethoden. Die Methoden der grammatikalischen (vgl. Rz. 107), systematischen (vgl. Rz. 108) und teleologischen Auslegung stehen grds. gleichrangig nebeneinander.2 Dies lässt sich bereits der Überschrift des Art. 31 WÜRV („Allgemeine Auslegungsregel“) entnehmen, die verdeutlicht, dass die Auslegung ein einheitlicher Vorgang unter Anwendung dieser Auslegungsmethoden ist. Auch eine Vorrangigkeit des Wortlauts lässt sich nicht feststellen,3 der Wortlaut bildet aber die „Grenzmarke“ der Auslegung,4 da zu vermuten ist, dass die Vertragsparteien dem Vertrag nur einen Inhalt beimessen wollten, der im Wortlaut zumindest eine Stütze findet.5 Abzustellen ist dabei nicht isoliert auf den Wortlaut der auszulegenden Vorschrift, sondern vielmehr auf seine Bedeutung im Zusammenhang des gesamten Vertrags. Die von Art. 31 Abs. 3 WÜRV angesprochene authentische Auslegung ist in den engen Grenzen, in denen sie relevant werden kann (vgl. Rz. 110), ebenfalls gleichrangig.6 Soweit sich Ansatzpunkte für eine historische Interpretation (vgl. Rz. 111) oder auch abkommensvergleichende Auslegung (vgl. Rz. 112) in Art. 31 Abs. 1 verorten lassen, sind diese ebenfalls auslegungsmethodisch gleichrangig. Im Rahmen des Auslegungsvorgangs sind die sich ergänzenden Auslegungsmittel sämtlich zu berücksichtigen und ggf. zu gewichten.7 c) Bedeutung des OECD-MK für die Auslegung von DBA

114

OECD-MK und Art. 31 ff. WÜRV. Wegen des reinen Empfehlungscharakters besteht weder eine völkerrechtliche Verpflichtung für die Vertragsstaaten, dem OECD-MA zu folgen, noch kommt den Ausführungen des OECD-MK eine unmittelbare Verbindlichkeit für die Auslegung eines DBA zu,8 es sei denn, Letzteres ist in einem DBA ausdrücklich vereinbart worden. Die Bedeutung des OECD-MK für die Auslegung von DBA entscheidet sich damit regelmäßig danach, ob dessen Ausführungen im Rahmen der primären Auslegungsmittel i.S.v. Art. 31 WÜRV9 Berücksichtigung finden, oder ihm als Auslegungshilfe i.S.v. Art. 32 WÜRV10 nur subsidiäre Bedeutung zukommt. Jedenfalls dann, wenn ein DBA dem OECD-MA in Aufbau, Konzeption und Formulierungen entspricht und die Vertragsstaaten keine Auslegungsvorbehalte oder Bemerkungen11 gegenüber dem OECD-MK angebracht haben, spricht eine widerlegbare Vermutung12 dafür, dass die zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA vorhandenen Ausführungen des OECD-MK (zur Frage der „dynamischen“ Heranziehung des OECD-MK vgl. Rz. 115) entweder bereits die „gewöhnliche Bedeutung“ i.S.v. Art. 31 Abs. 1 WÜRV verkörpern,13 oder diese eine von den Vertragsparteien gewollte „besondere Bedeutung“ i.S.v. Art. 31 Abs. 4 WÜRV darstellen.14 Hingegen sind OECD-MA/OECD-MK weder Überein-

1 Vgl. z.B. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/08, BStBl. II 2008, 793. 2 Vgl. Wassermeyer in Vogel (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht (Bd. 18), 1995, 19 (21). Vgl. aber zur Anwendung des Grundsatzes der Entscheidungsharmonie, wenn nach Anwendung der übrigen Auslegungsmethoden unterschiedliche Auslegungen möglich sind, Rz. 109. 3 Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.63. 4 BFH v. 20.8.2008 – I R 39/07, BStBl. II 2009, 234; v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78. 5 Vgl. Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 23. 6 A.A. Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 31: „Auslegungshilfe“. 7 Wassermeyer in Vogel (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht (Bd. 18), 1995, 19 (21). 8 Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 40. 9 Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 44; Henkel, in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 42; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.78; Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (30 f.). 10 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 42; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 115; Gosch, IStR 2014, 698 (699); Gosch, ISR 2013, 87 (91); Pohl, RIW 2012, 677 (678). 11 Umgekehrt können in Vorbehalten deutlich werdende Ansichten des Vertragsstaats nur Berücksichtigung finden, wenn sie in das jeweils anwendbare DBA Eingang gefunden haben, vgl. BFH v. 12.6.2013 – I R 109-111/10, BStBl. II 2013, 1024 dazu Gosch, IStR 2014, 698 (700). 12 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 51; SchaumburgHäck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.77; Günkel/Lieber, FR 2000, 853 (857). 13 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 34 („hohes Maß internationaler Übereinstimmung“); Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 42. 14 Vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 126 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 44; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.76; Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (30 f.); Mellinghoff in FG Wassermeyer, Nr. 6 Rz. 12.

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Schönfeld/Häck

F. Auslegung von DBA

Rz. 115 Systematik

künfte noch Urkunden i.S.v. Art. 31 Abs. 2 Buchst. a und b WÜRV,1 noch kann der OECD-MK als solcher als authentische Interpretation i.S.v. Art. 31 Abs. 3 WÜRV dienen, da er insbesondere keine „spätere Übereinkunft“ zwischen den Vertragsparteien ist.2 Der BFH gesteht dem OECD-MK regelmäßig nur eine subsidiäre Bedeutung zu, ohne Art. 32 WÜRV als Rechtsgrundlage zu benennen. Er zieht die Ausführungen des OECD-MK nur heran, um ein Auslegungsergebnis zu bekräftigen3 oder soweit andere Auslegungsgrundsätze nicht zum Erfolg führen.4 Keine Bedeutung erlangen die Ausführungen des OECD-MK stets dann, wenn sich diese nicht innerhalb der Wortlautgrenze eines Abkommensbegriffs halten. Der OECD-MK ist bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in der Lage, abkommensändernd zu wirken,5 da eine Abkommensänderung stets des Durchlaufens des parlamentarisch notwendigen Verfahrens i.S.v. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG bedarf.6 Keine Relevanz entfalten die Ausführungen des OECD-MK auch, wenn im konkreten DBA eine Formulierung in einem erkennbaren Gegensatz zum OECD-MA stehen soll oder wenn sie in der Absicht einer abweichenden Regelung vereinbart wurde.7 Die von der OECD zu bestimmten Themen veröffentlichten OECD-Berichte können grds. erst für die Auslegung herangezogen werden, wenn sie Eingang in den OECDMK gefunden haben8, es sei denn, sie verkörpern bereits die „gewöhnliche Bedeutung“ i.S.v. Art. 31 Abs. 1 WÜRV9 oder stellen eine von den Vertragsparteien gewollte „besondere Bedeutung“ i.S.v. Art. 31 Abs. 4 WÜRV dar. Dynamische Berücksichtigung des OECD-MK? Der OECD-MK10 und die deutsche Finanzverwaltung11 gehen davon aus, dass der OECD-MK in seiner jeweils geltenden Fassung auch zur Auslegung früher abgeschlossener Abkommen herangezogen werden kann und muss.12 Eine solche dynamische Berücksichtigung des OECD-MK13 bei der Abkommensauslegung begegnet keinen Bedenken, wenn es sich um reine Klarstellungen handelt, die lediglich das schriftlich festhalten, was bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses übereinstimmende Meinung der Vertragsparteien war.14 In diesem Fall bleibt der OECD-MK aber ohnehin bedeutungslos, da die „klargestellte“ Auslegung bereits zuvor im Wege der primären Auslegungsmethoden gewonnen werden konnte.15 Unzulässig ist in jedem Fall die Berücksichtigung jeglicher Auslegung des OECD-MK, die sich nicht im Rahmen der Wortlautgrenze des auszulegenden Abkommensbegriffs hält (vgl. Rz. 114). Für die Frage der dynamischen Auslegung mithilfe des OECD-MK verbleiben damit Fälle wortlautkonformer, revidierter Auffassungen und Stellungnahmen zu Fragestellungen, die sich bisher nicht stellten (z.B. aufgrund technologischen Fortschritts).16 In beiden Fällen kann als Rechtsgrundlage einer dynamischen Berücksichtigung des OECD-MK nicht auf Art. 31 Abs. 3 Buchst. a und b WÜRV Bezug genommen werden, da allein die Änderung des OECD-MK/OECD-MA keine spätere Übereinkunft oder tatsächliche Übung „zwischen den Vertragsstaaten“ ist.17 Auch wenn mit einer dynamischen Betrachtung ggf. sich ändernden Lebenssachverhalten besser entsprochen werden kann,18 ist grds. zu vermuten, dass die Vertragsstaaten bei Vertragsschluss ihren Formulierungen nur den Inhalt haben beimessen wollen, der den seinerzeit existierenden Fassungen des OECD-MK entsprach.19 Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein dynamisches Verständnis zwischen den Vertragsstaaten ausdrücklich vereinbart wurde.20 Findet sich eine solche Verein1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

a.A. wohl Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 42. A.A. wohl Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 350. Vgl. BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91; BStBl. II 1992, 937. Dies gilt sowohl für die Fassung des OECD-MK zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses als auch für spätere Fassungen. Vgl. stv. Rojahn in von Münch/Kunig6, Art. 59 GG Rz. 64. Zum Verfahren vgl. Rz. 67. Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 51. Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602, dazu Pohl, RIW 2012, 677 (679). Vgl. Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 42. Vgl. Einleitung Nr. 31 OECD-MK. Vgl. Wichmann, FR 2011, 1082 (1083 f.). So auch Teile des Schrifttums, vgl. Haase in Haase3, Einleitung II Rz. 71; Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 25. Vgl. Beispiele bei Waldhoff, StbJb. 2005/2006, 161 (165 ff.). Vgl. Mellinghoff in FG Wassermeyer, Nr. 6 Rz. 24. Vgl. Lang, IWB 2011, 281 (286); Lang, ÖStZ 2006, 209. Vgl. Lampert, IStR 2012, 513. Vgl. Lang in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 1865 (1870 f.); Gosch, SWI 2015, 505 (506); Gosch, IStR 2014, 698 (700); a.A. Pohl, RIW 2012, 677 (679); Wichmann, FR 2011, 1082 (1083 f.). Henkel in G/K/G/K, Grundlagen OECD-MA, Abschn. 4 Rz. 25. Vgl. Lang, IWB 2011, 281 (286); Lang in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 1865 (1872); Günkel/Lieber, FR 2000, 853 (858). Vgl. z.B. Protokoll Nr. 3 zu Art. 5 und 7 DBA-Ungarn 2011 oder Prot. Nr. 16 zum DBA-Österreich (hierzu Gosch, SWI 2015, 505 [507 ff.].

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Systematik Rz. 115

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

barung nicht, kann – mit dem BFH1 – nur die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des DBA geltende Fassung des OECD-MK zur Auslegung herangezogen werden.2 Änderungen des OECD-MK entfalten daher ihre Wirkung (wenn überhaupt) bei der Abkommensauslegung lediglich für künftig abzuschließende DBA.3 d) Bedeutung von Konsultationsvereinbarungen für die Auslegung von DBA 116

Konsultationsvereinbarungen und Auslegung von DBA. Konsultationsverfahren i.S.v. Art. 25 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 sind darauf gerichtet, Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung der Abkommen entstehen, im gegenseitigen Einvernehmen zu beseitigen sowie Regelungslücken in DBA zu schließen. Sie sollen Rechtsfragen ohne Bezug auf einen konkreten Einzelfall (anders als in sog. Verständigungsverfahren, Art. 25 Abs. 1, 2) regeln. Konsultationsverfahren zielen auf eine gleichmäßige Anwendung und Auslegung der DBA. Deutschland hat fußend auf den dem Art. 25 Abs. 3 entsprechenden Klauseln bereits in der Vergangenheit zahlreiche zwischenstaatliche Konsultationsvereinbarungen, insbesondere in Form von Auslegungsvereinbarungen, getroffen. Sie können, sofern sie sich innerhalb der Wortlautgrenze halten, als „spätere Übereinkunft“ (Art. 31 Abs. 2 Buchst. a WÜRV) im Wege der authentischen Auslegung fruchtbar gemacht werden (vgl. ausführlich Rz. 110. Darüber hinaus ging die Finanzverwaltung davon aus, dass die durch BMF-Schreiben bekanntgegebenen und im Bundessteuerblatt veröffentlichten Konsultationsvereinbarungen nicht lediglich die nachgeordneten Behörden bzw. die Vertragsstaaten binden würden, sondern auch die Gerichte.4 Für eine derartige Bindungswirkung bedürften die Konsultationsvereinbarungen aber einer parlamentarischen Legitimation nach Maßgabe des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG.5 Insoweit kam den Konsultationsvereinbarungen über deren etwaige Bedeutung als „spätere Übereinkunft“ keine entsprechende Bindungswirkung zu, insbesondere dann nicht, wenn sie im Kern vertragsändernden Inhalts waren. Angesichts der eindeutigen Positionierung des BFH6 bestand aus Sicht der Finanzverwaltung die Notwendigkeit, dem Gesetzesvorbehalt des Art. 20 Abs. 3 GG entweder durch Verabschiedung der (jeweiligen) Konsultationsvereinbarung als Gesetz Geltung zu verschaffen oder eine entsprechende Ermächtigung gem. Art. 80 GG zu etablieren, wonach die Finanzverwaltung Konsultationsvereinbarungen als Rechtsverordnung erlassen kann.

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Bedeutung des § 2 Abs. 2 AO i.d.F. des JStG 2010. Um auch für die Gerichtsbarkeit eine Bindungswirkung von Konsultationsvereinbarungen herzustellen (dazu Rz. 116), wurde mit dem JStG 20107 in § 2 Abs. 2 AO n.F. eine Verordnungsermächtigung an das BMF zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen geschaffen, um künftig eine umfassende Bindungswirkung (auch gegenüber der Rspr. und dem Steuerpflichtigen) von Konsultationsvereinbarungen zu ermöglichen.8 Der Gesetzgeber hat insoweit einen Vorschlag aus dem Schrifttum9 zur Schaffung einer Verordnungsermächtigung in § 2 Abs. 2 AO aufgegriffen. § 2 Abs. 2 AO ist jedoch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht in der Lage, die gewünschte umfassende Bindungswirkung von Konsultationsvereinbarungen herbeizuführen.10 Zwar greifen keine verfassungsrecht-

1 BFH v. 16.1.2014 – I R 30/12, BStBl. II 20124, 721; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106; v. 8.12.2010 – I R 92/09, BStBl. II 2011, 488; v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFH/NV 2011, 154. 2 H.M. Lang in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 1865 (1870 ff.); Lang/Stefaner in Wassermeyer, Vor Art. 1 DBA-Österreich Rz. 18; differenzierend Lampert, IStR 2012, 513 ff. 3 Vgl. Lang, IStR 2007, 606 (608); a.A. Krabbe, FR 2001, 129 (131). 4 Vgl. BT-Drucks. 17/2249, 86; vgl. BMF v. 13.4.2010 – IV B 3-S 1301/10/10003 – DOK2010/0245759, BStBl. I 2010, 353; Schröder, IStR 2009, 50; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 191. 5 BFH v. 10.7.1996 – I R 83/95, BStBl. II 1997, 341; v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; v. 11.11.2009 – I R 84/08, BStBl. II 2010, 390; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 154, 166; Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 109, 200 f.; Lüthi in G/K/G/K, Art. 25 OECD-MA Rz. 94; Schmitz in S/K/K, Art. 25 OECD-MA Rz. 64; Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 61; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 16.108; Ismer, IStR 2009, 366; Lühn, BB 2009, 202; Portner, IStR 2008, 586. 6 Stv. BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387. 7 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768 (1792). 8 Vgl. BT-Drucks. 17/2249, 86. 9 Vgl. Ismer, IStR 2009, 370 f.; vgl. auch die Hinweise auf diesen Lösungsweg bei Gosch, PR 2010, 38; Heger, SWI 2011, 97. 10 Vgl. i.Erg. BFH v. 10.6.2015 – I R 79/13, BStBl. II 2016, 326; Brandis in Wassermeyer, Art. 1 DBA-Schweiz, Rz. 8; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43b; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.109; Gosch in FS Spindler, 2011, 420 f.; Anger, IStR 2016, 57; Lehner, IStR 2011, 733; Hummel, IStR 2011, 397; Koops/Kossmann, DB 2010, Beilage 7, 41; Micker, IWB 2011, 67; Nacke, DB 2010, 1149; Drüen, IWB 2011, 360; positiv hingegen Bisle, IWB 2010, 794.

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G. DBA und EU-Recht

Rz. 119 Systematik

lichen Bedenken an der Wirksamkeit der Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 2 Satz 1 AO durch.1 Zu sehen ist aber, dass Rechtsverordnungen in der Normenhierarchie rangmäßig unterhalb von Gesetzen im formellen Sinne angesiedelt sind und Änderungen bestehender Abkommen – ebenso wie deren Zustandekommen – der Form des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG (Zustimmungsgesetz) genügen müssen.2 Soweit eine auf § 2 Abs. 2 AO gestützte Rechtsverordnung inhaltlich eine Änderung eines DBA zum Gegenstand hätte, wäre diese als gesetzwidrige Rechtsverordnung nichtig.3 Jedenfalls müssen sich die auf der Verordnungsermächtigung des Art. 80 Abs. 1 GG erlassenen Konsultationsvereinbarungen im Rahmen des Regelungsprogramms eines DBA bewegen, d.h., § 2 Abs. 2 AO bietet keine Grundlage für die Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen, die mit einer Änderung des DBA einhergehen, auf dem sie beruhen.4 Im Ergebnis bleibt damit die Regelung des § 2 Abs. 2 AO ohne erweiterte Wirkung, die eigentliche Zielsetzung, hierdurch v.a. doppelte Nichtbesteuerungen zu vermeiden, wird nicht erreicht.5 Erzielten Konsultationsvereinbarungen kommt daher auch weiterhin nur eine Bedeutung im Rahmen der authentischen Interpretation zu (vgl. Rz. 110). Bedeutung des § 2 Abs. 3 AO n.F. Regelungen in den deutschen DBA enthalten teilweise selbst eine aus- 118 drückliche Öffnung für spätere Änderungen oder Erweiterungen des DBA, die jedoch aus deutscher Sicht stets einer verfassungsrechtlich ausreichenden innerstaatlichen Rechtsgrundlage bedürfen.6 § 2 Abs. 3 AO n.F.7 ermächtigt das BMF seit 1.1.2017, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen, um (i) für den Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode durch Notifikation auf Grundlage einer sog. Notifikationsklausel8 (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 AO) bzw. (ii) für den Fall der abkommensrechtlich zulässigen Ausweitung des sog. Kassenstaatsprinzips9 (§ 2 Abs. 3 Nr. 2) eine entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen.10 Im Ergebnis greifen die gegen § 2 Abs. 2 AO vorgebrachten Bedenken aber auch hier: Es bedarf aus verfassungrechtlichen Gründen auch in diesen Fällen eines Parlamentsgesetzes. Eine auf § 2 Abs. 3 AO gestützte Rechtsverordnung bildet für eine Änderung oder Erweiterung eines DBA keine ausreichende Rechtsgrundlage. Dies gilt sowohl für Fälle des § 2 Abs. 3 Nr. 111 als auch für jene des § 2 Abs. 3 Nr. 2 AO12.

G. DBA und EU-Recht I. Grundlagen 1. Unmittelbare Geltung und Anwendungsvorrang des EU-Rechts Unmittelbare Geltung. Das Verhältnis des EU-Rechts zum nationalen Recht ist durch die Grundsätze der unmittelbaren Geltung und des Vorranges des Unionsrechtes geprägt.13 Unmittelbare Geltung bedeutet dabei, dass das EU-Recht ohne „Umweg“ Rechtsbeziehungen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten sowie zwischen der EU und den Staatsangehörigen der jeweiligen Mitgliedstaaten, u.U. aber auch zwischen der EU und Drittstaaten begründet. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob dem einzelnen Marktteilnehmer durch das EU-Recht ein (ggf. klagbares) Recht verliehen wird. Der EuGH hat diese Kraft insbesondere dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV sowie mittlerweile sämtlichen Grundfreiheiten des AEUV (Warenverkehrsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, Dienstleistungsverkehrsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit) zuerkannt. Gleiches gilt für umsetzungsbedürftige RL, soweit deren

1 Vgl. ausf. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43e; Musil in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 332; Oellerich in Gosch, § 2 AO Rz. 102; a.A. hM, vgl. BFH v. 10.6.2015 – I R 79/13, BStBl. II 2016, 326; Lehner, IStR 2011, 733 (739); vgl. auch Hummel, IStR 2011, 397 (398): notwendige „einengende Auslegung“. 2 Zutreffend Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43 f. 3 Drüen, in T/K, § 2 AO Rz. 43 f. 4 Vgl. Hummel IStR 2011, 397 (403). 5 Vgl. insgesamt Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43h m.w.N. 6 Vgl. Oellerich in Gosch, § 2 AO Rz. 110. 7 Eingeführt durch Gesetz v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000 (3002). 8 Dazu Schönfeld/Häck, Art. 23A/B Rz. 105. 9 Bei Abkommensklauseln, die z.B. Art. 18 Abs. 3 und Abs. 5 DE-VG entsprechen oder nachgebildet sind. 10 Vgl. BT-Drucks. 18/9536, 45. 11 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43k. 12 Oellerich in Gosch, § 2 AO Rz. 122; a.A. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43k. 13 EuGH v. 5.2.1963 – Rs. 26/62 – Van Gend & Loos, EuGHE 1963, I-1 (I-25); v. 15.7.1964 – Rs. C-6/64 – Costa/ ENEL, EuGHE 1964, I-1251 (I-1269).

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Systematik Rz. 119

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

Umsetzung zeitlich oder inhaltlich nicht ordnungsgemäß erfolgte und die betreffende RL-Bestimmung inhaltlich unbedingt und hinreichend genau bestimmt ist.1 120

Anwendungsvorrang. Anwendungsvorrang des EU-Rechts bedeutet schließlich, dass die mit EU-Recht kollidierende nationale Rechtsvorschrift vom EU-Recht überlagert wird (im Übrigen bleibt die Regelung allerdings anwendbar, d.h. keine Nichtigkeit i.S. eines Geltungsvorranges). Im Ergebnis wird der Rechtsanwender dazu verpflichtet, das (ggf. entgegenstehende) nationale Recht so anzuwenden, dass der vom EU-Recht bezweckte Schutz des Marktteilnehmers erreicht wird.2 Diese Verpflichtung trifft nicht nur die nationalen Gerichte, sondern auch die nationalen Behörden. 2. Anwendung der allgemeinen EU-rechtlichen Grundsätze auf DBA

121

Grundsatz. Nach deutschem Rechtsverständnis erlangen DBA als völkerrechtliche Verträge durch ein entsprechendes Zustimmungsgesetz den Rang einfachen Bundesrechts (vgl. Rz. 71 ff.). Es kann deshalb im Ausgangspunkt nicht zweifelhaft sein, dass mit EU-Recht kollidierendes DBA-Recht ebenso wie anderes einfaches Steuerrecht von den in Rz. 119 ff. dargestellten Rechtswirkungen des EU-Rechts betroffen ist.

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Aber: Partielle grundfreiheitliche Immunisierung der DBA. Diesem einfachen Befund steht jedoch der Umstand gegenüber, dass nach der Rspr. des EuGH „die Mitgliedstaaten befugt bleiben, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen.“3 Damit dürften weite Teile der DBA – insbesondere die sog. Verteilungsnormen – unionsrechtlich „immunisiert“ sein.4 Darüber hinaus hat der EuGH in der Rs. „Kerkhaert und Morres“ angedeutet, dass sich zumindest aus den Grundfreiheiten des AEUV keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten ergibt, ob und wie eine (juristische) Doppelbesteuerung zu vermeiden ist, die sich aus dem schlichten Zugriff zweier Mitgliedstaaten auf ein und dasselbe Steuergut ergibt.5 Das kann von Bedeutung für eine etwaige grundfreiheitliche Immunisierung der in DBA enthaltenen Methodenartikel sein. Schließlich hat der EuGH in der Rs. „D“ zum Ausdruck gebracht, dass es DBA-Bestimmungen geben kann, die von dem übrigen Abkommen nicht losgelöst werden können, sondern einen integralen Bestandteil des DBA bilden und daher zu dessen allgemeiner Ausgewogenheit beitragen; die Begrenzung der Rechte und Pflichten aus dem Abkommen auf die in den Abkommensstaaten ansässigen Personen wurde für grundfreiheitskonform erklärt.6 Bei wortgetreuer Anwendung der Entscheidung müssten allerdings alle DBA-Vorschriften einer grundfreiheitlichen Überprüfung entzogen sein, weil sämtliche Regelungen eines DBA das Ergebnis eines reziproken Verhandlungsprozesses sind und deshalb nicht isoliert aus dem DBA herausgelöst werden können. Der EuGH wurde denn auch für seine Rechtsprechung in der Rs. “D“ kritisiert, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen kann, eine anderweitig unzulässige Diskriminierung allein dadurch zu vermeiden, dass sie (im Wege eines kollusiven Zusammenwirkens mit dem anderen Vertragstaat) einfach von der innerstaatlichen Ebene auf die DBA-Ebene gehoben wird.7 Gleichwohl hat der EuGH diese Rechtsprechung bestätigt8 und, über die Entscheidung eines Inbound-Falles wie in der Rs. “D“ hinaus, auf Outbound-Fälle ausgedehnt.9 Auch wenn diese Entwicklung zu Recht kritisch gesehen werden muss, wird man vorläufig davon ausgehen müssen, dass der EuGH eine unterschiedliche Behandlung von verschiedenen grenzüberschreitenden Sach-

1 Aus der steuerlichen Rspr. vgl. nur EuGH v. 17.10.1996 – Rs. C-291/94 und C-292/94 – Denkavit, VITIC und Vormeer, EuGHE 1996, I-5063 Rz. 37 ff. 2 Zu den Problemen bei gesetzesübersteigender Rechtsanwendung vgl. z.B. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 285 ff. m.w.N.; ausführlich auch Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.24. 3 Vgl. EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2793 Rz. 24 und 30; v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6161 Rz. 57; v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, EuGHE 2002, I-11819 Rz. 93; v. 19.1.2006 – Rs. C-265/04 – Bouanich, EuGHE 2006, I-923 Rz. 49; v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03 – van Hilten, EuGHE 2006, I-1957 Rz. 47; v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, EuGHE 2006, I-7409 Rz. 44; v. 3.10.2006 – Rs. C-290/04 – Scorpio, EuGHE 2006, I-9461 Rz. 54; v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – ACT Group Litigation, EuGHE 2006, I-11673 Rz. 52; v. 14.12.2006 – Rs. C-170/05 – Denkavit Internationaal BV, EuGHE 2006, I-11949 Rz. 44; v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, EuGHE 2007, I-2107 Rz. 49. 4 Ferner zur „Immunisierungswirkung“ Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 530 ff. 5 EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerkhaert und Morres, EuGHE 2006, I-10967 Rz. 22; zu Recht kritisch Englisch, IStR 2007, 67 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 167 ff.; Rainer, Intertax 2007, 63 (64). 6 EuGH v. 5.7.2005 – Rs. C-376/03 – D, EuGHE 2005, I-5821 Rz. 62. 7 Zu Recht kritisch auch Lang, DStJG 41, 383 (397). 8 EuGH v. 20.5.2008 – Rs. C-194/06 – Orange European Smallcap Fund, EuGHE 2008, I-3747 Rz. 50 f. 9 EuGH v. 30.6.2016 – Rs. C-176/15 – Riskin u.a., ECLI:EU:C:2016:488 Rz. 31 ff.

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G. DBA und EU-Recht

Rz. 124 Systematik

verhalten zulässt, wenn sich diese auf die Unterschiedlichkeit der jeweiligen DBA zurückführen lässt.1 Ein Grundsatz oder ein Gebot der Meistbegünstigung in dem Sinne, dass sich ein Steuerpflichtiger auf das jeweils günstigste DBA berufen kann, lässt sich damit nicht auf die Grundfreiheiten stützen.2 Die genannte Rechtsprechung steht aber in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Entscheidung des EuGH in der Rs. „de Groot“, wonach eine nationale Regelung „unabhängig davon, ob sie in ein Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommen worden ist“, den Grundfreiheiten entgegenstehen kann.3 Insbesondere ist ferner durch den EuGH anerkannt worden, dass die Versagung von Abkommensbegünstigungen zulasten von Betriebsstätten von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten grundfreiheitswidrig sein kann; eine (einseitige) Ausdehnung der Abkommensvorteile auf diese Betriebsstätten stelle weder die Verpflichtungen des Mitgliedstaats aus dem Abkommen in Frage, noch beeinträchtige sie die Rechte und Pflichten des anderen Vertragstaats.4 Der Gedanke der Reziprozität gilt also scheinbar nicht absolut. Um dieses Spannungsverhältnis aufzulösen, wird der EuGH eines Tages der Immunisierungswirkung von DBA Grenzen setze (müssen) und seine Rechtsprechung dogmatisch schärfer konturieren müssen. Ansonsten könnte in einem DBA auch unmittelbar vereinbart werden, dass der AEUV keine Anwendung findet. Das dürfte der EuGH aber vermutlich ebenso wenig hinnehmen, wie eine seine Rspr. ausdrücklich konterkarierende Regelung in einem DBA. 3. DBA mit Drittstaaten Bedeutung des EU-Rechts im Verhältnis zu Drittstaaten-DBA. Die Grundsätze der unmittelbaren Geltung und des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts kommen nicht nur für DBA zwischen Mitgliedstaaten zum Tragen, sondern gelten – im Umkehrschluss zu Art. 351 AEUV – auch für DBA mit Drittstaaten, soweit eine DBA-Vorschrift unionsrechtlich relevante Auswirkungen im Binnenmarkt zeitigt.5 So hat etwa der EuGH in der Rs. „Saint Gobain“ aus dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung abgeleitet, dass ein Mitgliedstaat, auf dessen Territorium eine Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaats eine Betriebsstätte gründet, dieser Betriebsstätte dieselben Abkommensvergünstigungen aus einem Drittstaaten-DBA gewähren muss, wie sie einer entsprechenden Tochtergesellschaft (anstelle einer Betriebsstätte) aus diesem DBA zu gewähren wären.6 Die Besonderheit der Entscheidung liegt allerdings darin, dass Anknüpfungspunkt für die grundfreiheitliche Prüfung der Niederlassungsvorgang des in einem Mitgliedstaat ansässigen Stammhauses in einem anderen Mitgliedstaat war, also ein innergemeinschaftlicher Vorgang. Geht es demgegenüber um die durch eine DBA-Regelung verursachte Beschränkung eines grenzüberschreitenden Engagements eines in einem Mitgliedstaat ansässigen Marktteilnehmers in einem Drittstaat (und umgekehrt), kommt in erster Linie die den Kapitalverkehr mit Drittstaaten schützende Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) als primärrechtlicher Prüfungsmaßstab in Betracht.7 Daneben können zwischen der EU und Drittstaaten abgeschlossene Assoziierungsabkommen von Bedeutung für die Anwendung und Auslegung von Regelungen in Drittstaaten-DBA sein (vgl. ausführlich Rz. 174 ff.).

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a) Unberührtheitsklausel des Art. 351 AEUV für vorgemeinschaftliche Drittstaatsabkommen Anwendungsbereich. Die Anwendung des Unionsrechts auf Drittstaaten-DBA erfährt eine erste generelle Einschränkung durch Art. 351 Abs. 1 AEUV.8 Danach werden „[d]ie Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor dem 1.1.1958 oder, im Falle später beigetretener Staaten, vor dem Zeitpunkt ihres Beitrittes zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern andererseits geschlossen wurden, […] durch diesen Vertrag nicht berührt.“ Die Regelung ist auch auf DBA anwendbar.9 Sie erfasst nur vorgemeinschaftliche Abkommen mit Drittstaaten, nicht auch vorgemeinschaftliche Abkommen zwischen nunmehrigen Mitgliedstaaten.10

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Vgl. auch Lang, DStJG 41, 383 (395 ff.) mit einer Zusammenfassung der relevanten Rechtsprechung. Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.161. EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, EuGHE 2002, I-11819. EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6161 Rz. 57 ff. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 281 ff.; Kluge, Internationales Steuerrecht4, Rz. R 98; Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1995, 139. EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6161 Rz. 34 ff. Vgl. z.B. EuGH v. 3.10.2006 – Rs. C-452/04 – Fidium Finanz AG, EuGHE 2006, I-9521; v. 24.5.2007 – Rs. C-157/05 – Holböck, EuGHE 2007, I-4051; v. 6.11.2007 – Rs. C-415/06 – Stahlwerk Ergste Westig, EuGHE 2007, I-151. Ausführlich Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 280 ff., 421 ff. m.w.N. Vgl. Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1995, 49; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 280 ff., m.w.N. EuGH v. 27.9.1988 – Rs. C-235/87 – Matteucci, EuGHE 1988, I-5589.

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Systematik Rz. 125

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

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Regelungszweck. Durch die Regelung soll der Gefahr begegnet werden, dass sich ein Mitgliedstaat aufgrund des AEUV daran gehindert sieht, seinen Verpflichtungen aus einem vorgemeinschaftlichen Abkommen zu einem Drittstaat nachzukommen.1 Dies bedeutet zugleich, dass durch Art. 351 Abs. 1 AEUV lediglich das Recht des Drittstaats aus einem DBA sowie die damit korrespondierende Verpflichtung des Mitgliedstaats dem Anwendungsvorrang des EU-Rechts entzogen wird, nicht aber (umgekehrt) das Recht eines Mitgliedstaats sowie die korrespondierende Verpflichtung des Drittstaats. Entsprechend kann sich ein Mitgliedstaat nicht auf Art. 351 Abs. 1 AEUV berufen, wenn es darum geht, eine mit EU-Recht kollidierende Regelung aus einem Drittstaaten-DBA anzuwenden, die ihn zu einer diskriminierenden oder beschränkenden Maßnahme berechtigt. Will man diese Rechtsfolge nicht bereits dem Telos von Art. 351 Abs. 1 AEUV entnehmen, so ergibt sie sich jedenfalls aus der in Art. 351 Abs. 2 AEUV enthaltenen Verpflichtung.

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Zeitlich nachfolgende Änderungen. Nachträgliche Änderungen von unter Art. 351 Abs. 1 AEUV fallenden Alt-DBA sind zumindest insoweit schädlich, als das Alt-DBA durch ein Neu-DBA vollständig ersetzt wird und zwischen den Vertragsstaaten neue bedeutende Rechte und Pflichten entstehen.2 Wird ein Alt-DBA demgegenüber nur durch ein Protokoll ergänzt, kann die Prüfung von Art. 351 Abs. 1 AEUV im Einzelfall schwierig sein. Insbesondere ist es nicht fernliegend, die zur Fortbestandsgarantie des Art. 64 AEUV ergangene Rspr. auf Art. 351 Abs. 1 AEUV zu übertragen3 und damit auch substanziell identische sowie die unionskonforme Situation annähernde Neuregelungen unter Art. 351 Abs. 1 AEUV zu fassen.

127

Maßgeblicher Zeitpunkt. Für die Bestimmung des nach Art. 351 Abs. 1 AEUV maßgeblichen Zeitpunkts ist nach dem Wortlaut allein entscheidend, wann das Drittstaaten-DBA „geschlossen wurde“; irrelevant ist demgegenüber grds. dessen Inkrafttreten.

128

Rechtspflicht zur Behebung von Vertragskollisionen (Art. 351 Abs. 2 AEUV). Im Fall des Widerspruchs eines Drittstaaten-DBA mit EU-Recht begründet Art. 351 Abs. 2 AEUV zum einen die Pflicht der betroffenen Mitgliedstaaten, alle geeigneten Mittel zu ergreifen, um die festgestellte Unvereinbarkeit zu beheben; zum anderen müssen die übrigen Mitgliedstaaten erforderlichenfalls zu diesem Zweck Hilfe leisten und ggf. eine gemeinsame Haltung einnehmen. An der Verdrängung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ändert dies indes nichts.4 b) Fortbestandsgarantie des Art. 64 AEUV für vor dem 31.12.1993 bestandene Beschränkungen

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Verhältnis zu Art. 351 AEUV. Dem Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit kann eine beschränkende Regelung schließlich generell gem. der sog. „Stand-Still-Klausel“ des Art. 64 AEUV entzogen sein, wenn sie am 31.12.1993 bestanden hat. Dies wirft zunächst die Frage nach dem Verhältnis zu Art. 351 AEUV auf. Nach dem Wortlaut von Art. 64 Abs. 1 AEUV werden nur Beschränkungen erfasst, die „aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftsrechtlicher Rechtsvorschriften“ bestanden. Man könnte argumentieren, bei DBA handele es sich weder um einzelstaatliche noch um unionsrechtliche, sondern vielmehr um völkerrechtliche Regelungen. Dem dürfte aber jedenfalls aus deutscher Sicht entgegenstehen, dass DBA durch Zustimmungsgesetz zu einfachem Bundesrecht werden. Es handelt sich deshalb bei DBA um innerstaatliches Recht. Auch unter teleologischen Gesichtspunkten erscheint es sachgerecht, DBA-Regelungen in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 64 AEUV einzubeziehen, weil die Mitgliedstaaten mit der Schaffung der Fortbestandsgarantie sicherlich eine für den Kapitalverkehr spezielle Regelung schaffen wollten, die abschließend Altbeschränkungen für zulässig erklärt.5

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Zeitliche Voraussetzungen. In zeitlicher Hinsicht muss die betreffende DBA-Regelung bereits am 31.12.1993 „bestehen“. Anders als im Rahmen von Art. 351 AEUV kann man darüber streiten, wann eine DBA-Regelung besteht. Es sind mehrere Zeitpunkte denkbar. So könnte man auf die Veröffentlichung des Zustimmungsgesetzes im Bundesgesetzblatt, auf das Inkrafttreten des DBA (i.d.R. durch Austausch der Ratifikationsurkunden) oder auf die erstmalige Anwendung vor dem 31.12.1993 abstellen. Die Frage ist in der Rspr. des EuGH bislang nicht geklärt, die besseren Gründe sprechen jedoch für die erstmalige Anwendung, weil die betreffende Regelung dann die für die Versteinerungswirkung maßgebliche beschränkende Wirkung erstmals vor dem 31.12.1993 entfaltet hat. Eine weitere Frage ist die, ob eine DBA-Regelung auch dann von Art. 64 AEUV erfasst wird, wenn sie am 31.12.1993 bestanden hat, aber die von ihr ausgehende 1 EuGH v. 28.3.1995 – Rs. C-324/93 – Evans Medical und Macfarlan Smith, EuGHE 1995, I-563 Rz. 27; v. 14.1.1997 – Rs. C-124/95 – Centro Com, EuGHE 1997, I-81 Rz. 56. 2 Vgl. EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-466/98 – Kommission/Vereinigtes Königreich, EuGHE 2002, I-9427 Rz. 29; v. 5.11.2002 – Rs. C-475/98 – Open Skies, EuGHE 2002, I-9797 Rz. 48. 3 Ebenso Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 428 f. 4 Näher Lavronos in von der Groeben/Schwarze/Hatje7, Art. 351 AEUV Rz. 7f. 5 Im Ergebnis wohl auch Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1995, 183.

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G. DBA und EU-Recht

Rz. 132 Systematik

beschränkende Wirkung bis zu diesem Datum durch eine innerstaatliche Rechtsvorschrift neutralisiert wurde, und diese Rechtsvorschrift nach dem 31.12.1993 aufgehoben wurde.1 Vor dem 31.12.1993 erlassene Regelungen, die danach geändert wurden, können schließlich unter Art. 64 Abs. 1 AEUV fallen, wenn sie „im Wesentlichen mit der früheren Regelung übereinstimmen oder nur ein Hindernis, das nach der früheren Regelung der Ausübung der gemeinschaftsrechtlichen Rechte und Freiheiten entgegenstand, abmildern oder beseitigen.“2 In dem Zusammenhang hat der EuGH in einem durch den BFH initiierten Vorabentscheidungsverfahren3 zur Zeit erstmals die Gelegenheit, u.a. die Frage zu klären, ob das zeitliche Kriterium des Art. 64 Abs. 1 AEUV erfüllt ist, wenn die den Kapitalverkehr beschränkende Norm (im Entscheidungsfall § 7 Abs. 6 AStG) nach dem maßgebenden Stichtag (31.12.1993) formal-rechtlich wesentlich verändert worden ist, die Neuregelung materiell-rechtlich auch in Kraft trat, dann aber rückwirkend durch die Altregelung ersetzt wurde, bevor sich für den Steuerpflichtigen tatsächliche Auswirkungen ergeben konnten. Wie der EuGH grundsätzlich auch4 vertrat GA Mengozzi eine wirkungsorientierte Betrachtungsweise und hält die Stillhalteklausel des Art. 64 Abs. 1 Satz 1 AEUV in diesem Fall für anwendbar.5 Da beim Abschluss eines DBA auch eine Rückwirkung vereinbart werden kann (s. hierzu Rz. 78), könnte die zu erwartende Entscheidung des Gerichtshofs auch für das Abkommensrecht Relevanz entfalten. Inhaltliche Voraussetzungen. In inhaltlicher Hinsicht ist zu beachten, dass Art. 64 Abs. 1 AEUV nur solche Beschränkungen schützt, die zu dem betreffenden Zeitpunkt „für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.“ Nach der Rspr. des EuGH muss im konkreten Lebenssachverhalt ein solcher Kapitalverkehrsvorgang gegeben sein.6 Für die Anwendung des Art. 64 AEUV kommt es, wie bereits dargestellt, auf den Gegenstand der Vorschrift selbst nicht an.7 Folglich ist es irrelevant, inwieweit die beschränkende DBARegelung nach ihrer Zielsetzung die Beschränkung eines derartigen Kapitalverkehrsvorgangs vor Augen hat. Es genügt deshalb z.B. nicht, wenn im konkreten Fall nur eine Portfoliobeteiligung gegeben ist; Art. 64 AEUV wäre nicht anwendbar.

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c) Weitere Einschränkung des Drittstaatenschutzes im Rahmen von Art. 63 AEUV Verhältnis der Kapitalverkehrsfreiheit zu anderen Grundfreiheiten. Eine weitere Einschränkung erfährt der Drittstaatenschutz schließlich dadurch, dass die Kapitalverkehrsfreiheit nach der Rspr. des EuGH hinter eine andere (hypothetisch anzuwendende) Grundfreiheit zurücktreten soll, wenn die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit lediglich die „unvermeidliche Konsequenz“ der Beschränkung der anderen Grundfreiheit ist.8 Die Frage, ob die Prüfung auf die konkrete Norm (Beschränkt die Regelung primär eine andere Grundfreiheit?) oder auf den konkreten Sachverhalt (Liegt im konkreten Fall eine Beschränkung einer anderen Grundfreiheit vor?) zielt, ist vom EuGH nunmehr dahin gehend entschieden worden, dass jedenfalls in Drittstaatenfällen auf die primäre Beschränkungsrichtung der konkreten Norm abzustellen ist.9 Der BFH hatte dies schon immer so gesehen.10 Beschränkt die fragliche nationale Regelung daher nach der Idee des Gesetzgebers in erster Linie eine andere Grundfreiheit (z.B. für wesentliche Beteiligungen11) und wer1 Zu diesem Problem vgl. BFH v. 22.8.2006 – I R 116/04, BStBl. II 2006, 864. 2 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, EuGHE 2006, I-11753 Rz. 196; v. 24.5.2007 – Rs. C-157/05 – Holböck, EuGHE 2007, I-4051 Rz. 41. 3 BFH v. 12.10.2016 – I R 80/14, BStBl. II 2017, 615, anhängig als Rs. C-135/17, ABl. EU 2017, Nr. C 221, 4; vgl. dazu Ellenrieder/Kahlenberg, BB 2018, 1815 (1817). 4 EuGH v. 15.2.2017 – Rs. C-317/15 – X, ECLI:EU:C:2017:119, Rz. 21. 5 GA Mengozzi v. 5.6.2018 – Rs. C-135/17 – X GmbH, ECLI:EU:C:2018:389 Rz. 30 ff. 6 EuGH v. 24.5.2007 – Rs. C-157/05 – Holböck, EuGHE 2007, I-4051 Rz. 31 ff.; v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, EuGHE 2006, I-11753 Rz. 189 ff.; ebenso BFH v. 21.12.2005 – I R 4/05, BStBl. II 2006, 555. 7 Vgl. Gosch/Schönfeld, IStR 2015, 755, 760, dort auch kritisch zu EuGH, v. 21.5.2015 – Rs. C-560/13 – WagnerRaith, ECLI:EU:C:2015:347, dem sich auch ein anderes Ergebnis entnehmen lässt. 8 EuGH v. 3.10.2006 – Rs. C-452/04 – Fidium Finanz AG, EuGHE 2006, I-9521 Rz. 34 ff.; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 Rz. 33; v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, EuGHE 2007, I-2107 Rz. 34. 9 EuGH v. 21.5.2015 – Rs. C-560/13 – Wagner-Raith, ECLI:EU:C:2015:347; v. 11.9.2014 – Rs. C-47/12 – Kronos International Inc., ECLI:EU:C:2014:2200; v. 13.11.2012 – C-35/11 – Test Claimants in the FII Group Litigation, ECLI:EU:C:2012:707 mwN. 10 Vgl. nur BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, IStR 2012, 935, mwN. 11 Nach Ansicht des BFH lag die Grenze früher bei 10 %, was mit Blick auf die durch die Niederlassungsfreiheit geprägte MTRL nicht fernlag, vgl. BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BStBl. II 2013, 89. Der EuGH hingegen hielt zuletzt eine 10 %-ige Beteiligung nicht zwangsläufig für ausreichend, vgl. EuGH v. 3.10.2013 – Rs. C-282/12 – Itelcar,

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Systematik Rz. 132

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

den Kapitalverkehrsfreiheitsfälle zufällig miterfasst, dann tritt die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit als bloße zwangsläufige Folge der Beschränkung der anderen Grundfreiheit hinter diese zurück. Für den Drittstaatenschutz bleibt dann kein Raum. Selbst für den Fall des Eingreifens der Kapitalverkehrsfreiheit hat der EuGH aber zum Ausdruck gebracht, einer im Schrifttum vertretenen Auffassung zuzuneigen, wonach aufgrund der fehlenden rechtlichen Integration von Drittstaaten (insbesondere fehlende Anwendung der Amtshilfe-RL) im Verhältnis zu Drittstaaten auf der Rechtfertigungsebene ggf. andere (und i.E. strengere) Maßstäbe angelegt werden können sollen.1 Hier können die Reichweite der im betreffenden DBA enthaltenen Auskunftsklausel sowie das konkrete Verhalten des DBA-Staats bzgl. des Informationsaustausches relevant sein.

II. Einwirkung primären Unionsrechtes auf DBA 1. Abkommensberechtigung 133

Abkommensschutz und Ansässigkeit. Der Einwirkung durch das primäre Unionsrecht kann zunächst die in den DBA geregelte Frage ausgesetzt sein, wer in den Genuss einer Abkommensvergünstigung kommen kann (sog. Abkommensberechtigung). Nach Art. 1 können nur die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässigen Personen die in einem DBA enthaltenen Abkommensvergünstigungen beanspruchen. Art. 4 Abs. 1 bestimmt näher, wann eine Person in einem Vertragsstaat ansässig ist. Maßgeblich sind die Steuerpflicht im Vertragsstaat aufgrund des Wohnsitzes, der ständige Aufenthalt, der Ort der Geschäftsleitung oder aufgrund eines ähnlichen Merkmals. In der Regel handelt es sich dabei um die unbeschränkte Steuerpflicht (zur Abgrenzung von Ansässigkeit und unbeschränkter Steuerpflicht vgl. Art. 4 Rz. 23 ff.). Beschränkt Steuerpflichtige kommen deshalb grds. nicht in den Genuss von Abkommensvergünstigungen. Die Differenzierung zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht und damit die Anknüpfung an die Ansässigkeit werden vom EuGH nicht per se als verdeckte Diskriminierung angesehen. Vielmehr stört er sich erst dann an einer aus dieser Unterscheidung folgenden Ungleichbehandlung, wenn sich beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtige Personen in vergleichbaren Situationen befinden.2 Die Frage muss im Einzelfall beantwortet werden. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH keinen Anstoß daran nimmt, wenn die Ansässigkeit als Anknüpfungspunkt herangezogen wird, um die betreffende Person mit ihrem Welteinkommen der inländischen Besteuerung zu unterwerfen.3 Ob das auch dann gilt, wenn der „Ansässige“ aufgrund z.B. eines vorangegangenen Wegzugs nur noch über geringe tatsächliche Verknüpfungen zum „Ansässigkeitsstaat“ verfügt, er aber gleichwohl der inländischen Besteuerung unterworfen wird (z.B. im Rahmen der erweitert unbeschränkten bzw. beschränkten Steuerpflicht), ist im Schrifttum bezweifelt worden.4 Der Entscheidung des EuGH in der Rs. „van Hilten“5 wird allerdings teilweise eine Akzeptanz der erweitert unbeschränkten (Erbschaft-)Steuerpflicht entnommen.6

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Wahlrecht zwischen Betriebsstätte und Tochtergesellschaft. Vor dem Hintergrund der Regelung in Art. 49 Abs. 2 Satz 2 AEUV hat der EuGH bereits mehrfach entschieden, dass es im Falle vergleichbarer Situationen verboten ist, die Betriebsstätte eines Gebietsfremden gegenüber einer gebietsansässigen natürlichen oder juristischen Person steuerlich zu diskriminieren.7 In der Rs. „Saint Gobain“ ist diese Sichtweise ausdrücklich auf abkommensrechtliche Vergünstigungen ausgedehnt worden.8 Anders gewendet: Diejenigen Abkommensvergünstigungen, die einer gebietsansässigen Person gewährt werden, müssen – ceteris paribus – auch unselbständigen Betriebsstätten gebietsfremder Personen offenstehen. Im Schrifttum ist daraus ein umfassendes Wahlrecht (i.S. einer steuerlichen Rechtsformneutralität) zwischen unselbständiger Betriebsstätte und selbständiger juristischer Person als Niederlassungsvehikel abgeleitet worden.9 Im Ein-

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ECLI:EU:C:2013:629 Rz. 22; v. 11.9.2014 – Rs. C-47/12 – Kronos International, ECLI:EU:C:2014:2200 Rz. 35. In der Folge gab nun auch der BFH deswegen die 10 %-Grenze auf, vgl. BFH v. 24.7.2018 – I R 75/16 Rz. 21 ff. Da der EuGH aber jeweils davon spricht, dass eine 10 %-Beteiligung „nicht zwangsläufig“ dem Anteilseigner einen sicheren Einfluss auf die Gesellschaft ermögliche, besteht noch eine gewisse Unsicherheit für Beteiligungsquoten zwischen 10 % und 25 %, vgl. Gosch/Schönfeld, IStR 2015, 755 (758). EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, EuGHE 2006, I-11753 insbesondere Rz. 170 ff. Vgl. grundlegend EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-225. Vgl. EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837 Rz. 39. Vgl. Lang, IStR 2005, 289, 291; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 35 f. EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03 – van Hilten, EuGHE 2006, I-1957. Vgl. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 449 f. Vgl. grundlegend EuGH v. 28.1.1986 – Rs. C-270/83 – Avoir fiscal, EuGHE 1986, I- 273. EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6161. Dazu ausführlich Schön, EWS 2000, 281 m.w.N.

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G. DBA und EU-Recht

Rz. 136 Systematik

zelnen ist allerdings noch ungeklärt, wieweit die Freiheit der Rechtsformwahl geht.1 Das gilt insbesondere für den Einfluss des EU-Rechts auf die Betriebsstättengewinnermittlung. Innerhalb der EU und der OECD geht allerdings ein deutlicher Trend dahin, auch für rein unternehmensinterne Leistungsbeziehungen die Betriebsstätte (fiktiv) einer selbständigen juristischen Person gleichzustellen. Die aus dieser Fiktion resultierenden Folgeprobleme sind nicht ohne Kritik geblieben.2 Zurechnungs- und Qualifikationskonflikte. Im Bereich der Abkommensberechtigung ist ferner der Umstand von Interesse, dass es zu Zurechnungskonflikten (und damit verbundenen Doppelbesteuerungspotenzialen) kommen kann, wenn die beteiligten DBA-Staaten ein Rechtsgebilde unterschiedlich als transparent oder intransparent qualifizieren. Das ist z.B. bei einer belgischen CV der Fall, die nach belgischem Recht als Körperschaft behandelt wird, während Deutschland nach dem Rechtstypenvergleich eine KG annimmt. Aus EU-rechtlicher Sicht wird die Frage primär aus dem Blickwinkel des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung diskutiert.3 Es wird darauf hingewiesen, dass das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung nach der Rs. „Centros“ & Co.4 nicht nur bzgl. der gesellschaftsrechtlichen, sondern auch für die steuerliche Anerkennung ausländischer Rechtsgebilde greife. Zwar sei einzuräumen, dass die fehlende Anerkennung der von einer ausländischen Rechtsordnung geschaffenen Rechtssubjektivität im Steuerrecht (anders als im Gesellschaftsrecht) nicht per se den Niederlassungsvorgang unmöglich mache. Auch ergebe sich aus Art. 4 Abs. 1 lit. a) MTRL, dass zumindest im Anwendungsbereich der RL die Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung transparenter Rechtsgebilde eingeschränkt sei. Dies ändert jedoch (insbesondere außerhalb des Anwendungsbereichs der MTRL) nichts daran, dass durch die Nichtanerkennung die grenzüberschreitende Tätigkeit weniger attraktiv gemacht werden kann, zumal sich auch die MTRL als Sekundärrecht an den Grundfreiheiten messen lassen muss. Die entscheidende Frage ist dann die, ob die von der Nichtanerkennung ausgehende Beschränkung (z.B. aus Gründen der Gewährleistung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) gerechtfertigt sein kann. In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass in der Rs. „Columbus Container Services“5 der von § 20 Abs. 2 AStG ausgehende Übergang von der Freistellung zur Anrechnung genau einen solchen hybriden Rechtsträger (belgische CV) betraf. Die Frage der möglichen Pflicht zur Anerkennung der CV durch Deutschland wurde in der mündlichen Verhandlung eingehend diskutiert. Der EuGH hat im Urteil jedoch zum Ausdruck gebracht, dass das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung für die (grenzüberschreitende) steuerliche Qualifikation eines Rechtsträgers nicht eingreift.

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2. Verteilungsnormen Befugnis zur freien Aufteilung der Besteuerungsrechte entbindet nicht von diskriminierungsfreier Aus- 136 übung dieser Besteuerungsrechte. Ausgehend von dem Umstand, dass es keinen EU-rechtlichen Bedenken begegnet, wenn jeder Vertragsstaat die Besteuerung des Welteinkommens für sich beansprucht (vgl. Rz. 133 ff.), ist es nur konsequent, dass das EU-Recht auch keine Kriterien dafür enthält, wie die Aufteilung dieses Besteuerungsrechts zwischen den Vertragsstaaten zu erfolgen hat. Es entspricht ständiger Rspr. des EuGH, „dass die Mitgliedstaaten in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen befugt bleiben, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen“ (vgl. die Nachweise in Rz. 122). Und: Insoweit „ist es für die Mitgliedstaaten nicht sachfremd, sich an der internationalen Praxis und den von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeiteten MA zu orientieren.“6 Die in den Art. 6–21 enthaltenen Zuteilungsnormen dürften deshalb einer Nachprüfung durch den EuGH weitgehend entzogen sein, soweit sie sich mit der gegenseitigen Abgrenzung der Besteuerungsrechte befassen. Davon zu unterschieden ist die Frage, wie die einmal aufgeteilten Besteuerungsrechte auszuüben sind. Es entspricht ebenfalls ständiger Rspr. des EuGH, dass die Mitgliedstaaten „[b]ei der Ausübung der in dieser Weise aufgeteilten Steuerhoheit […] verpflichtet [sind], den Gemeinschaftsvorschriften nachzukommen […] und insbesondere den Grundsatz der Inländerbehandlung von Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten und ihrer eigenen Staatsangehörigen zu wahren, die von den durch

1 Vgl. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 456 ff. 2 Vgl. die von Wassermeyer, IStR 2004, 733, eingeleitete instruktive Diskussion, fortgeführt von Kroppen, IStR 2005, 74; Wassermeyer, IStR 2005, 84; Hruschka/Lüdemann, IStR 2005, 76. 3 Ausführlich Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 494 ff. m.w.N. 4 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE 2002, I-9919; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155. 5 Vgl. EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10451. 6 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2823 Rz. 24 u. 30; v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03 – van Hilten, EuGHE 2006, I-1957 Rz. 47; v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, EuGHE 2006, I-7409 Rz. 45.

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Systematik Rz. 136

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

den EG-Vertrag garantierten Freiheiten Gebrauch gemacht haben.“1 Anders gewendet: Die Befugnis zur freien Aufteilung der Besteuerungsrechte entbindet nicht von der Verpflichtung, die einmal aufgeteilten Besteuerungsrechte diskriminierungsfrei auszuüben.2 3. Methodenartikel 137

Doppelbesteuerung und EU-Recht. Neben den besonderen Problemen, die sich aus der Aufnahme von bestimmten Anti-Missbrauchsklauseln in Methodenartikeln ergeben, stellt sich die allgemeine Vorfrage nach dem Verhältnis von Doppelbesteuerung und EU-Recht. In der Rspr. des EuGH ist zunächst geklärt, dass aus dem – im AEUV nicht mehr enthaltenen! – Art. 293 EGV zwar die Verpflichtung an die Mitgliedstaaten folgt, zur Vermeidung der Doppelbesteuerung DBA abzuschließen; ein subjektives Recht kann der Einzelne daraus jedoch nicht für sich herleiten.3 Aus der Rspr. ergibt sich allerdings auch, dass eine (juristische oder wirtschaftliche) Doppelbesteuerung zumindest insoweit gegen die Grundfreiheiten verstößt (und diese damit den Einzelnen schützen), als deren Vermeidung vom betreffenden Mitgliedstaat auf inländische Sachverhalte beschränkt wird, während grenzüberschreitende Sachverhalte einer Doppelbesteuerung ausgesetzt werden.4 Im Schrifttum ist ein solches grundfreiheitliches Verbot auch für den Fall gefordert worden, dass eine (juristische) Doppelbesteuerung allein aus dem Zusammenwirken zweier Steuerrechtsordnungen resultiert. Die Anrechnungsmethode soll danach den EU-rechtlichen Mindeststandard zur Vermeidung der Doppelbesteuerung darstellen. Begründet wird dies damit, dass von einem grenzüberschreitenden Engagement abgehalten wird, wenn der grenzüberschreitende Sachverhalt einer steuerlichen Kumulation durch den mehrfachen Zugriff auf ein und dasselbe Steuersubstrat ausgesetzt wird, während der reine Binnensachverhalt davon immanent verschont bleibt.5

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Kein grundfreiheitliches Verbot der Doppelbesteuerung nach „Kerkhaert und Morres“. Der EuGH ist dem in der Rs. „Kerkhaert und Morres“ nicht gefolgt.6 Danach schreibt das „Gemeinschaftsrecht […] bei seinem gegenwärtigen Stand und in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft keine allgemeinen Kriterien für die Verteilung der Kompetenzen der Mitgliedstaaten untereinander vor.“7 Abgesehen von der MTRL,8 der EU-Schiedsverfahrenskonvention9 und der Zins- und Lizenzgebühren-RL10 sei „bis heute im Rahmen des Gemeinschaftsrechts keine Maßnahme der Vereinheitlichung oder Harmonisierung zum Zweck der Beseitigung von Doppelbesteuerungstatbeständen erlassen worden.“ Im Schrifttum ist das nicht ohne Kritik geblieben.11 Es ist auch in der Tat nicht ausgeschlossen, dass der EuGH bei der Vorlage eines entsprechenden Falls seine Ausführungen überdenkt. Denn in dem streitgegenständlichen Sachverhalt bestand (aufgrund der zusätzlichen Gewährung des avoir-fiscal) die Besonderheit, dass es in der Gesamtbelastung zu keiner Überbesteuerung kam, vielmehr der grenzüberschreitende Sachverhalt durch die Anrechnung der Quellensteuern gegenüber dem Binnensachverhalt bessergestellt worden wäre.12 Der EuGH selbst hat sich diese Möglichkeit scheinbar ausdrücklich offengehalten („in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens“). Gleichwohl wird man in rechtspraktischer Hinsicht die Entscheidung zunächst zur Kenntnis nehmen müssen. Die zunehmend zurückhaltendere Rspr. des EuGH im Bereich der Ertragsteuern spricht auch eher dafür, dass es bei diesem Ergebnis bleibt.

1 EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, EuGHE 2002, I-11819 Rz. 94. 2 Zum Ganzen auch Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 439 ff. m.w.N. 3 Vgl. EuGH v. 12.5.1998 – RS. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2823 Rz. 14 ff.; zustimmend Forsthoff, IStR 2006, 509 ff.; Bron, IStR 2007, 431 (434); ausführlich z.B. Pistone, The Impact of Community Law on Tax Treaties: Issues and Solutions, 2002, 68 ff. jeweils m.w.N. 4 Vgl. zum körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C 319/02 – Manninen, EuGHE 2004, I-7477; v. 6.3.2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke, EuGHE 2007, I-1835. 5 So namentlich Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, 253 f.; Englisch, Intertax 2005, 323 ff.; vgl. auch die Analyse bei Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 131 ff. 6 EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerkhaert und Morres, EuGHE 2006, I-10967 Rz. 15 ff. 7 EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerkhaert und Morres, EuGHE 2006, I-10967 Rz. 22. 8 90/435/EWG, ABl. EG 1990 L 225, 6. 9 ABl. EG 1990 L 225, 10. 10 ABl. EG L 157, 38. 11 Vgl. Englisch, IStR 2007, 67 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 167 ff. 12 Vgl. die Berechnungen von GA Geelhoed, Schlussanträge v. 6.4.2006 – Rs. C-513/04 – Kerkhaert und Morres, EuGHE 2006, I-10967 Rz. 25.

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Schönfeld/Häck

G. DBA und EU-Recht

Rz. 141 Systematik

Keine EU-rechtliche Präferenz für eine der Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Trifft es zu, dass sich aus den Grundfreiheiten außerhalb einer diskriminierenden Anwendung einer Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung keine Verpflichtung ergibt, eine (juristische) Doppelbesteuerung zu vermeiden (Rz. 122), dann kann es auch keine grundfreiheitliche Präferenz für eine der Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geben. Es kann deshalb dahinstehen, ob der EuGH einer solchen Präferenz bereits in der Rs. „Gilly“ eine Absage erteilt hat.1 Die vom Schrifttum gegen die Anrechnungsmethode wegen deren protektionistischen Charakters vorgebrachten Einwände haben den EuGH augenscheinlich nicht überzeugt.2

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EU-rechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung der Anrechnungsmethode. Soll nach der Rs. „Kerkhaert und Morres“ schon keine Verpflichtung bestehen, die Anrechnungsmethode als Mindeststandard zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vorzusehen, dann kann deren Ausgestaltung erst recht keinen EUrechtlichen Anforderungen ausgesetzt sein. In der Mehrzahl der Fälle wird allerdings der Ansässigkeitsstaat im reinen Binnensachverhalt für eine Vermeidung der Doppelbesteuerung über eine Anrechnung inländischer Steuern (ggf. mit Erstattungsmöglichkeit) sorgen (vgl. z.B. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Ist das der Fall, dann ergibt sich nicht nur eine entsprechende Verpflichtung im vergleichbaren grenzüberschreitenden Sachverhalt. Vielmehr muss die Anrechnungsmethode im grenzüberschreitenden Sachverhalt grds. so ausgestaltet sein, dass die Besteuerung des grenzüberschreitenden Sachverhalts im wirtschaftlichen Ergebnis nicht über die des Binnensachverhalts hinausgeht. Das kann dann problematisch sein, wenn die in einem DBA vorgesehene Anrechnungsmethode (ggf. über einen Verweis auf das innerstaatliche Recht) z.B. eine „per-country-limitation“ oder eine „per-item-limitation“ enthält, und wenn daraus resultierende Anrechnungsüberhänge einer Vor- oder Rücktragsfähigkeit entbehren.3

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Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung. Sind die in einem anderen Vertragsstaat erzielten Einkünfte nach einem DBA in Deutschland von der Besteuerung ausgenommen, so entspricht es insbesondere der ständigen Rspr. des I. Senats des BFH, dass die betreffende DBA-Vorschrift (i.d.R. die vereinbarte Freistellungsmethode) sowohl positive als auch negative Einkünfte erfasst.4 Betrachtet man z.B. ein inländisches Stammhaus, hat die Anwendung dieser „Symmetriethese“ die nachteilige Folge, dass die fehlende Berücksichtigung der ausländischen Betriebsstättenverluste im Rahmen der inländischen Veranlagung eine steuerliche Benachteiligung des ausländischen gegenüber dem vergleichbaren inländischen Engagement bewirken kann. Diese Ungleichbehandlung ist zwar als eine Beschränkung der einschlägigen Grundfreiheiten zu qualifizieren, der EuGH hat jedoch für ausländische Betriebsstättenverluste in den Rs. „Lidl Belgium“5 und „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt“6 entschieden, dass die Beschränkung gerechtfertigt werden kann. Im Ergebnis standen daher aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur sog. „finale Verluste“7 im Finalitätsjahr8 für eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung zur Verfügung. Die nachfolgende „Timac Agro“-Entscheidung9 wurde daher vielfach als eine Kehrtwende in der Rechtsprechung des EuGH gewertet, da dieser dort gleich zwei Mal10 die Vergleichbarkeit von in- und ausländischem Sachverhalt ver-

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1 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2793. 2 Vgl. hierzu Lehner in FS Wassermeyer, 2005, 241 ff.; Rädler, StuW 1960, 729 (731 ff.); Schönfeld, StuW 2005, 158 (160 f.); Terra/Wattel, European Tax Law, 2001, 159 f.; Vogel, IBFD-Bulletin 2002, 4 ff.; Wattel, Legal Issues of Economic Integration, 2/2004, 81 (89 f.); zusammenfassend Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 669 ff. 3 Zum Ganzen ausführlich Cordewener/Schnitger, StuW 2006, 50 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 675 ff.; Schönfeld in F/W/B/S, Vor § 34c EStG Rz. 31 ff. (Stand: November 2005). 4 Vgl. BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703; v. 28.6.2006 – I R 84/04, BStBl. II 2006, 861; v. 13.11.2002 – I R 13/02, IStR 2003, 314; v. 6.10.1993 – I R 32/93, BStBl. II 1994, 113 f.; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531 f.; v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948 (949); v. 11.3.1970 – I B 50/68 u. I B 3/69, BStBl. II 1970, 569 (570 ff.); RFH v. 25.1.1933 – VI A 199/32, RStBl. 1933, 478; v. 26.6.1935 – VI A 414/35, RStBl. 1935, 1358 f.; vgl. zur Diskussion mit zahlreichen Nachweisen aus dem Schrifttum den umfassenden Beitrag von Cordewener, DStJG Bd. 28 (2005), 255 ff. m.w.N. 5 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, EuGHE 2008, I-3601. 6 EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, EuGHE 2008, I-8061. 7 Zur Problematik der Finalität pars pro toto Schwenke, Verrechnung „finaler“ ausländischer Betriebsstättenverluste im Inland, in Baumhoff/Schönfeld (Hrsg.), Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 2011, 1 ff. Vgl. zum Thema auch Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 8.99 ff. m.w.N. 8 BFH v. 9.1.2010 – I R 16/10, BFH/NV 2011, 524; dazu Gosch, BFH/PR 2011, 142; Heinsen, BB 2011, 614; Homburg, IStR 2011, 111; Lieber, jurisPR-SteuerR 15/2011 Anm. 1; Mitschke, IStR 2011, 185. 9 EuGH v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14 – Timac Agro, ECLI:EU:C:2015:829. 10 EuGH v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14 – Timac Agro, ECLI:EU:C:2015:829 Rz. 27 und 63.

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Systematik Rz. 141

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

neinte, bevor er überhaupt in die Rechtfertigungsprüfung einstieg.1 Dies war für den BFH Grund genug, seine Rechtsprechung zu ändern und von der auch von ihm akzeptierten Figur der finalen Verluste im abkommensrechtlichen Freistellungsfall abzurücken.2 Dass der Gerichtshof später in den jeweils zum dänischen Recht ergangenen Entscheidungen „Bevola und Jens W. Trock“3 und „NN“4 den finalen Verlusten neues Leben einhauchen würde, war somit (vielleicht) nicht zwingend zu erwarten. In dem erstgenannten Urteil geht es um eine dänische Kapitalgesellschaft mit finnischer Betriebsstätte, die sich auf Grundlage eines ausgeübten innerstaatlichen Wahlrechts gegen die sog. gemeinsame internationale Besteuerung entschieden hat. Folge daraus ist, dass die Einkünfte der finnischen Betriebsstätte freizustellen und Verluste der finnischen Betriebsstätte im Zeitpunkt der Einstellung der Tätigkeit nicht abziehbar sind.5 Wie auch in „NN“ bestätigte der Gerichtshof seine vor „Timac Agro“ ergangene Rechtsprechung, nach der die Versagung des Abzugs finaler Verluste eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen könne. Aus deutscher Sicht stellt sich damit die umstrittene Frage, wie mit diesen Urteilen umzugehen ist und ob sie sich auf die deutsche Rechtslage übertragen lassen.6 Eine solche Übertragbarkeit sollte nicht deswegen schon ausscheiden, weil der EuGH zu einer unilateralen, dänischen Freistellungsvorschrift und nicht – wie in der Rs. „Timac Agro“ – zur abkommensrechtlichen Freistellung entschieden hat. Da den DBA durch Zustimmungsgesetz der Rang eines einfachen Bundesgesetzes zukommt,7 ist für eine solche Unterscheidung grundsätzlich kein Raum.8 Zudem wird man wohl auch die Entscheidung „Timac Agro“ neu bewerten und stärker berücksichtigen müssen, dass der Gerichtshof dort aufgrund des § 2a EStG a.F. die Gelegenheit hatte, trotz der damals verneinten Vergleichbarkeit in die Rechtfertigungsprüfung einzusteigen.9 In Bevola stellte der Gerichtshof insoweit klar, dass die (nach seinem Verständnis wohl durch § 2a EStG a.F. herbeigeführte) Gleichbehandlung in- und ausländischer Betriebsstätten für ihn in diesem Fall die Notwendigkeit entfallen ließ, sich mit dem Zweck der nationalen Regelung im Rahmen der Vergleichbarkeitsprüfung auseinanderzusetzen.10 Auch, dass in „Timac Agro“ der Verlust wohl bereits gar nicht „final“ war,11 könnte eine Rolle für das Ergebnis gespielt haben.12 Denn auch in der Bevola-Entscheidung betonte der Gerichtshof, dass der rein inländische Sachverhalt grundsätzlich nicht mit dem grenzüberschreitenden Sachverhalt verglichen werden könne, dies aber im Falle von endgültigen Verlusten, die ansonsten nicht mehr abgezogen werden könnten, anders sei.13 Damit misst der Gerichtshof der Finalität der Verluste nunmehr auch bereits auf der Ebene der Vergleichbarkeit Bedeutung bei. Da derzeit noch einschlägige Verfahren beim BFH anhängig sind, wird sich zeigen, wie der BFH die erneute Wendung der Unionsrechtsprechung adaptieren wird.14 Der BFH wird sich dabei auch mit einer Entscheidung des Hessischen FG befassen: Dieses hat entschieden, dass die zu Timac Agro ergangene Entscheidung des BFH durch Bevola überholt sei; es erkannte finale Verluste – auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags – an.15 Die parallele Situation bei der Verrechnung von Verlusten ausländischer Tochter(kapital)gesellschaften hatte den EuGH erstmals im Jahre 2005 in der Rs. „Marks & Spencer“ beschäftigt.16 Im Jahre 2010 hatte der EuGH erneut Gelegenheit, in der Rs. „X-Holding“17 die Diskussion um Verluste ausländischer Tochterge1 Z.B. Mitschke, FR 2016, 134 ff.; Schiefer, IStR 2016, 79 ff.; Benecke/Staats, IStR 2016, 81 ff. 2 BFH v. 22.2.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 709 Rz. 38; entgegen seiner vorhergehenden Rechtsprechung, vgl. BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09 – BFH/NV 2010, 1744; v. 5.2.2014 – I R 48/11 – BFHE 244, 371. 3 EuGH v. 12.6.2018 – Rs. C-650/16 – Bevola und Jens W. Trock, ECLI:EU:C:2018:424. 4 EuGH v. 4.7.2018 – Rs. C-28/17 – NN, ECLI:EU:C:2018:526. 5 EuGH v. 12.6.2018 – Rs. C-650/16 – Bevola und Jens W. Trock, ECLI:EU:C:2018:424, Rz. 24 f. 6 Vgl. hierzu exemplarisch die Diskussion zwischen Mitschke, Kahlenberg und Trossen, Ubg. 2018, 467 ff., aber auch Heckerodt, IWB 2018, 521 ff.; Heckerodt/Schulz, DStR 2018, 1457 ff.; Schulze-Trieglaff, StuB 2018, 590 ff.; Kraft, IStR 2018, 508. 7 BVerfG, v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1. 8 Vgl. Kahlenberg, Ubg. 2018, 471; a.A. Mitschke, Ubg. 2018, 467. 9 EuGH v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14 – Timac Agro, ECLI:EU:C:2015:829 Rz. 28 ff. 10 EuGH v. 12.6.2018 – Rs. C-650/16 – Bevola und Jens W. Trock, ECLI:EU:C:2018:424, Rz. 34. 11 EuGH v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14 – Timac Agro, ECLI:EU:C:2015:829 Rz. 56 f.; dies festzustellen sei aber Sache des vorlegenden Gerichts. 12 So auch damals bereits Schlücke, FR 2016, 130 (131). 13 Vgl. EuGH v. 12.6.2018 – Rs. C-650/16 – Bevola und Jens W. Trock, ECLI:EU:C:2018:424, Rz. 37 f.; dies gelte zumindest für Regelungen, deren Zweck in der Vermeidung oder Abschwächung der Doppelbesteuerung liege. Der Regelungszweck bildet für den Gerichtshof den Bezugspunkt der Vergleichbarkeitsprüfung. 14 FG Hamburg v. 6.8.2014 – 2 K 355/12, EFG 2014, 2048, Rev. eingelegt BFH – I R 17/16; FG Münster v. 28.3.2017 – 12 K 12 K 3545/14 G F, EFG 2017, 1740, Rev. eingelegt BFH – I R 48/17, FG Münster v. 28.3.2017 – 12 K 12 K 3541/14 G F, Rev. eingelegt BFH – I R 49/17. 15 Hessisches FG v. 4.9.2018 – 4 K 385/17, EFG 2018, 1876, Rev. anhängig unter I R 32/18. 16 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837. 17 EuGH v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08 – X-Holding, DStR 2010, 427.

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G. DBA und EU-Recht

Rz. 144 Systematik

sellschaften weiter voranzubringen. Die in der Sache (damals) wohl zutreffende Entscheidung des BFH v. 9.11.2010,1 wonach Verluste ausländischer Tochtergesellschaften allenfalls im Jahre ihrer Finalität für eine Verrechnung mit inländischen Gewinnen in Betracht kommen sollen, dürfte vor dem Hintergrund der jüngsten EuGH Rechtsprechung ebenfalls wieder an Bedeutung gewinnen. Insoweit wird man die weitere Entwicklung abwarten müssen. 4. Diskriminierungsverbot Allgemeines. Art. 24 enthält einen eigenen abkommensrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Nichtdiskriminierung. Insoweit kann es zu gegenseitigen Wechselwirkungen zwischen dem EU-rechtlichen Diskriminierungsschutz und Art. 24 kommen.2 So ist etwa einerseits denkbar, dass die Beseitigung der von einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift ausgehenden EU-rechtlichen Diskriminierung zugleich einen Verstoß gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot beseitigt. Andererseits kann die Anwendung der abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbote einen Verstoß gegen EU-Recht verhindern, ohne übermäßig in die Souveränität der Mitgliedstaaten einzugreifen (sog. Subsidiaritätsprinzip).

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Inbound-Meistbegünstigung. Die Vermeidung einer abkommensrechtlichen Diskriminierung wird dabei vielfach vor dem Hintergrund der sog. „Meistbegünstigung“ diskutiert.3 Der BFH hat allerdings in ständiger Rspr. eine allgemeine Drittwirkung von Abkommen i.S. eines abkommensrechtlichen Meistbegünstigungsgebotes verneint.4 Nach Ansicht des BFH soll ein solches Gebot auch nicht aus dem EG-Recht hergeleitet werden können.5 Zumindest für den Fall der sog. Inbound-Meistbegünstigung entspricht das der Rspr. des EuGH in der Rs. „D“.6 Die apodiktischen Formulierungen des EuGH in der Rs. „D“ waren indes nicht entscheidungserheblich, weil die Diskriminierung des Herrn „D“ im Quellenstaat gegenüber Abkommensberechtigten eines anderen DBA weder unter das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV noch unter die Grundfreiheiten fiel. Das Unionsrecht schützt grundsätzlich nicht davor, dass Ausländer im Quellenstaat unterschiedlich behandelt werden. Aufgrund des „Inbound-Investments“ hatte sich Herr „D“ der DBA-rechtlichen Benachteiligung gegenüber anderen ausländischen Abkommensberechtigten im Quellenstaat bewusst ausgesetzt. Er musste sie deshalb zumindest vor den Grundfreiheiten hinnehmen.

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Outbound-Meistbegünstigung. Anders kann es demgegenüber liegen, wenn der Ansässigkeitsstaat über unterschiedliche, nicht auf dem Grundsatz der Reziprozität beruhenden DBA-Vorschriften seine Ansässigen davon abhält, in einem bestimmten Mitgliedstaat ein „Outbound-Investment“ zu tätigen. Im Schrifttum wird diese Konstellation zwar teilweise nicht als echter Fall des aus dem Völkerrecht stammenden Meistbegünstigungsgebots gesehen.7 Allerdings ist die Interessenlage aus unionsrechtlicher Perspektive vergleichbar: Ein Inländer begehrt für eine Investition in einem Staat A diejenige Abkommensbegünstigung von seinem Ansässigkeitsstaat, die er erhalten würde, wenn er sich in Staat B engagiert hätte.8 Die Forderung nach einer Outbound-Meistbegünstigung wurde insbesondere am Beispiel der DBA-Aktivitätsklauseln exemplifiziert: Es sei EU-rechtlich bedenklich, dass inländische Steuerpflichtige in vergleichbaren Situationen hinsichtlich ihrer Einkunftsquellen danach diskriminiert würden, ob diese aus einem DBA-Staat mit oder ohne Aktivitätsklausel stammen, weil die Investitionsentscheidung von nichtökonomischen Kriterien verzerrt werde. Dies widerspreche aber der ökonomisch fundierten Idee des Binnenmarkts, die Produktionsfaktoren an den Ort zu leiten, der deren effizientesten Einsatz gewährleistet. Der BFH hat diese

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1 BFH v. 9.11.2010 – I R 16/10, BFH/NV 2011, 524; dazu Gosch, BFH/PR 2011, 142; Heinsen, BB 2011, 614; Homburg, IStR 2011, 111; Lieber, jurisPR-SteuerR 15/2011 Anm. 1; Mitschke, IStR 2011, 185. 2 Zum Nachfolgenden vgl. Lehner, IStR 2001, 329 (333); Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 19; Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 27. 3 Ausführlich dazu Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 759 ff.; Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 29 ff. jeweils mit zahlreichen Nachweisen. 4 Vgl. BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; v. 19.11.2003 – I R 22/02, BStBl. II 2004, 560. 5 BFH v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564. 6 EuGH v. 5.7.2005 – Rs. C-376/03 – D, EuGHE 2005, I-5821; vgl. dazu Cloer, EWS 2005, 423; Gosch, BFH-PR 2005, 390; Graaf/Janssen, EC Tax Review 2005, 173; Habers, International Tax Review 2005 (No. 8), 66; Kofler/Schindler, European Taxation 2005, 530; Lang, SWI 2005, 365; O’Shea, EC Tax Review 2005, 190; Schuch, EC Tax Review 2006, 6; van Thiel, Intertax 2005, 454; Thömmes, IWB 2004, Fach 11a, 799; Weber, Intertax 2005, 429; Weggenmann, RIW 2005, 717; ausführlich dazu der Tagungsband von Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung im Steuerrecht der EU-Staaten, 2006; sowie Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 764 ff. jeweils m.w.N. 7 Lehner, IStR 2001, 329 (336); Schuch, SWI 1996, 267. 8 Zur Outbound-Meistbegünstigung vgl. auch Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 32; Haslinger, SWI 2005, 170 (175 ff.); Lang, IStR 2005, 289 (295); Lang SWI 2005, 365 (373); Rödder/Schönfeld, IStR 2005, 523 ff.; Schnitger, FR 2005, 1079 (1081 ff.); Wassermeyer, DStJG Bd. 19 (1996), 151 (162 ff.); ferner die ausführliche Analyse bei Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 808 ff.

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Systematik Rz. 144

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

Auffassung nicht geteilt und ein EU-rechtliches Gebot der Outbound-Meistbegünstigung verneint.1 Er antizipierte damit die Rechtsprechung des Gerichtshofs, der eine Outbound-Meistbegünstigung mittlerweile selbst dann ablehnt, wenn dies dazu führt, dass eine Investition in einen Drittstaat aufgrund eines entsprechenden DBA besser gestellt wird als eine Investition in einen Mitgliedstaat.2 5. Missbrauchsbekämpfung 145

Allgemeines. Einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBA (zum Missbrauchsbegriff vgl. Rz. 186) wird in der Praxis dadurch begegnet, dass die DBA selbst oder – im Wege eines „Treaty override“ – das innerstaatliche Steuerrecht entsprechende Anti-Missbrauchsvorschriften bereithalten. Diese Vorschriften müssen sich jedoch insbesondere an den Grundfreiheiten des AEUV messen lassen. Die EU-rechtliche Zulässigkeit von Missbrauchsbekämpfungsvorschriften hängt dabei zunächst davon ab, ob diese diskriminierend (nur in grenzüberschreitenden Sachverhalten) oder nicht diskriminierend (in allen Fällen) sind.3 Sind die Missbrauchsbekämpfungsvorschriften nicht diskriminierend bzw. nicht beschränkend, so sind diese Vorschriften uneingeschränkt zulässig.4 Dies ist auch in der Sache nachvollziehbar, weil die EU-Grundfreiheiten nur dann die Anwendung einer nationalen Vorschrift hindern, wenn eine Diskriminierung oder eine Beschränkung dieser Grundfreiheiten gegeben ist.5 Auch diskriminierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften sind grundsätzlich zulässig. Bis zur Entscheidung des EuGH in der Rs. „Cadbury Schweppes“ war diese Einsicht allerdings nicht selbstverständlich. Bis dahin ging man davon aus, dass insbesondere typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften, die nur im grenzüberschreitenden Fall eingreifen, per se unzulässig sind. Mit der Entscheidung in der Rs. „Cadbury Schweppes“ stellte der EuGH allerdings klar, dass auch typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften grundsätzlich zulässig sind. Die Grenze ist jedoch das EU-rechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot, d.h., die typisierende Maßnahme darf nicht über das hinausgehen, was zur Zielerreichung erforderlich ist. Der EuGH folgert daraus, dass der Steuerpflichtige in jedem Einzelfall die Möglichkeit haben muss, den typisierten Missbrauchsvorwurf zu widerlegen (Stichwort: „wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit“).6 Denn gelingt ihm dieser Nachweis, ist auch die Anwendung einer (typisierenden) Missbrauchsbekämpfung nicht erforderlich. Dieser Ansicht ist der EuGH nunmehr in der Rs. „Hornbach Baumarkt AG“7 auch mit Blick auf § 1 AStG gefolgt. Der Steuerpflichtige darf demnach von fremdüblichen Verrechnungspreisen abweichen, wenn er dafür „wirtschaftliche Gründe“ anführen kann.8 Es stößt aber auf die Missbilligung des Gerichtshofs, wenn eine einzelfallunabhängige gesetzliche Missbrauchsunterstellung dem Steuerpflichtigen bereits grundsätzlich und von vornherein einen Entlastungsnachweis aufbürdet.9 Außerhalb der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von DBA gibt es darüber hinaus einen Trend, die Anwendung rein innerstaatlicher Missbrauchsbekämpfungsvorschriften (z.B. §§ 7–14 AStG), die im Verdacht stehen, gegen EU-Recht zu verstoßen, über eine entsprechende DBA-Vorschrift abzusichern. Auch diese Vorgehensweise muss sich dem Anwendungsvorrang des EU-Rechts stellen. Im Einzelnen:

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Allgemeine Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 42 AO. Die allgemeine Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 42 AO ist EU-rechtlich uneingeschränkt zulässig. Dies ist in der Sache auch nachvollziehbar, weil § 42 AO jedenfalls von seinem Wortlaut her eine nichtdiskriminierende Regelung ist. Hinzuweisen ist aber darauf, dass in der praktischen Rechtsanwendung kein unterschiedliches Missbrauchsverständnis in Abhängigkeit davon zugrunde gelegt werden darf, ob es um einen inländischen oder um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt geht. Wird ein solcher Unterschied gemacht, und zwar zulasten des grenzüberschreitenden Sachverhalts, dann kann diese Rechtsanwendungspraxis sehr wohl gegen die EU-Grundfreiheiten verstoßen mit der Folge, dass der Steuerpflichtige wiederum den Nachweis führen können muss, dass die von ihm gewählte Gestaltung keine rein künstliche Konstruktion bar jeder wirtschaftlichen Realität ist.

1 BFH v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564; kritisch dazu Rödder/Schönfeld, IStR 2006, 882. 2 EuGH v. 30.6.2016 – Rs. C-176/15 – Riskin u.a., ECLI:EU:C:2016:488. Kritisch zur Rechtsprechung bereits oben in Rz. 104. 3 Aus der großen Zahl der Beiträge dazu vgl. z.B. Bergmann, StuW 2010, 246; Thiele, IStR 2011, 452; Kofler, in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, 13.18 jeweils m.w.N. 4 Vgl. zur Normenhierarchie von Missbrauchsvermeidungsvorschriften Haarmann, IStR 2018, 573. 5 Vgl. z.B. EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10451. 6 Vgl. EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 Rz. 60 ff.; vgl. für das Erfordernis der Gelegenheit zum Gegenbeweis aber auch EuGH v. 8.3.2017 – Rs. C-14/16 – Euro Park Service, ECLI:EU: C:2017:177. 7 EuGH v. 31.5.2018 – Rs. C-382/16 – Hornbach-Baumarkt AG, ECLI:EU:C:2018:366. 8 Vgl. hierzu Schönfeld/Kahlenberg, IStR 2018, 498. 9 Vgl. EuGH v. 8.3.2017 – Rs. C-14/16 – Euro Park Service, ECLI:EU:C:2017:177 Rz. 54–56 i.V.m. Rz. 69.

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Schönfeld/Häck

G. DBA und EU-Recht

Rz. 148 Systematik

Anti-treaty-shopping-Klauseln. Die Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen im Quellenstaat (insbesondere die Quellensteuerreduktion auf Dividenden und Zinsen) wird mitunter davon abhängig gemacht, dass die die Abkommensvergünstigung beanspruchende Person bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Das wird entweder unmittelbar im DBA in einer sog. „Limitation-on-Benefits-clause“ (kurz „LoB-Clause“) niedergelegt oder in einer innerstaatlichen Anti-Treaty-Shopping-Regelung (z.B. § 50d Abs. 3 EStG) geregelt. Bei der EU-rechtlichen Prüfung muss man zunächst die Frage beantworten, ob derartige Regelungen die Grundfreiheiten beschränken (zur Kollision mit sekundärrechtlichen RL vgl. Rz. 175). Bezogen auf eine unmittelbar im DBA enthaltene LoB-Clause ist dabei darauf hinzuweisen, dass dann, wenn keine Ungleichbehandlung zum vergleichbaren inländischen Sachverhalt gegeben ist, eine Rüge durch die die Abkommensvergünstigung beanspruchende Person problematisch sein kann. Denn in diesem Fall bliebe nur eine Berufung darauf, dass möglicherweise in DBA mit Drittstaaten keine derartige Klauseln enthalten sind. Dies ist aber vor dem Hintergrund der Überlegungen zur Meistbegünstigung deshalb bedenklich, weil die Meistbegünstigung vom Quellenstaat verlangt wird, eine solche Inbound-Meistbegünstigung nach der EuGH-Rspr. aber nicht EU-rechtlich geboten sein soll (vgl. Rz. 143 f.). Für die innerstaatliche Anti-TreatyShopping-Klausel des § 50d Abs. 3 EStG wird im Schrifttum ganz überwiegend eine Verletzung der Grundfreiheiten bejaht.1 Diese Ansicht hat der EuGH in der Rs. „Deister Holding und Juhler Holding“2 für den § 50d Abs. 3 EStG aF und in der Rs. „GS“3 für die aktuelle Fassung eindrucksvoll bestätigt.4 Kommt man dazu, dass von einer LoB-Clause oder anderweitiger Anti-Treaty-Shopping-Regelungen eine Beschränkung der Grundfreiheiten ausgeht, muss man sich dem Inhalt dieser Regelungen zuwenden.5 Hier kann es EU-rechtlich bedenklich sein, wenn die die Abkommensvergünstigung beanspruchende Person z.B. im Rahmen eines sog. „Base-Erosion-Tests“ dazu gezwungen wird, bestimmte Leistungen nur noch auf dem räumlichen Beschaffungsmarkt ihres Ansässigkeitsstaats einzukaufen.6 Bedenken kann auch ein „Active-Business-Test“ ausgesetzt sein, der die Inanspruchnahme einer Abkommensvergünstigung davon abhängig macht, dass die beanspruchende Person die (begünstigten) Einkünfte im Zusammenhang mit einer bestimmten aktiven gewerblichen Tätigkeit bezieht und dabei die Vermögensverwaltung ungeachtet der Tatsache generell ausschließt, dass nach der Rspr. des EuGH auch die (grenzüberschreitende) Vermögensverwaltung eine von den Grundfreiheiten geschützte Tätigkeit sein kann.7 Gleiches gilt, wenn der „Active-Business-Test“ den Ort der Betätigung vorschreibt (z.B. nur im Ansässigkeitsstaat der die Abkommensvergünstigung beanspruchenden Person). Problematisch kann auch ein „Ownership-Test“ oder „Indirect-Ownership-Test“ sein, der die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der die Abkommensvergünstigung beanspruchenden Person räumlich beschränkt (z.B. auf Gesellschaften in einem der Vertragsstaaten). Der neue Art. 28 DBA-USA 2006 will diesen Bedenken im Rahmen eines „Derivative-Benefit-Tests“ dadurch begegnen, dass an der die Abkommensvergünstigung beanspruchenden Person auch Gesellschaften in anderen EU-/EWR-Staaten beteiligt sein können. Die vorgenannten Bedenken gegen die im Rahmen der Tests vorgenommenen Typisierungen können nur ausgeräumt werden, wenn im Einzelfall der Gegenbeweis durch die die Abkommensvergünstigung beanspruchende Person zulässig ist, dass keine missbräuchliche Inanspruchnahme des DBA vorliegt. In Art. 28 DBA-USA 2006 dürfte dieser Aufgabe die in Art. 28 Abs. 7 DBA-USA 2006 enthaltene „Gnadenklausel“ zukommen.

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Aktivitätsvorbehalte. Die Gewährung der Freistellung anstelle der Anrechnung wird zunehmend (insbesondere im Verhältnis zu weniger starken Abkommenspartnern) davon abhängig gemacht, dass die freizustellenden Einkünfte das Ergebnis einer bestimmten „aktiven“ Tätigkeit sind (vgl. z.B. Art. 24 Abs. 1 Buchst. a und b DBA-Schweiz). In deutschen DBA wird zu diesem Zweck vielfach auf den (überalterten) Aktiv-/Passivkatalog des § 8 Abs. 1 AStG verwiesen.8 Im Schrifttum wurden hiergegen EU-rechtliche Bedenken erhoben.9 Begründet wurde dies damit, dass eine grenzüberschreitende Investitionsentscheidung

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1 Eckl, European Taxation 2007, 120 (124 f.); Gosch in Kirchhof17, § 50d EStG Rz. 26 f.; Günkel/Lieber, DB 2007, 2197 (2199); Ritzer/Stangl, FR 2006, 757 (765). 2 EuGH v. 20.12.2017 – Rs. C-504/16 und C-613/16 – Deister Holding und Juhler Holding, ECLI:EU:C:2017:1009. 3 EuGH v. 14.6.2018 – Rs. C-440/17 – GS, ECLI:EU:C:2018:437. 4 Vgl. zu „Deister Holding und Juhler Holding“ Schnitger, IStR 2018, 169 und zum dazu erlassenen BMF-Schreiben v. 4.4.2018 – IV B 3 - S 2411/07/10016-14 – DOK 2018/0148776, BStBl. I 2018, 589 kritisch Schönfeld, IStR 2018, 325; Beutel/Oppel, DStR 2018, 1469; Gebhardt, BB 2018, 1498. 5 Grundlegend Scherer, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1995, 139 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 500 ff. m.w.N. 6 Zu Art. 28 DBA-USA z.B. Becker/Thömmes, DB 1991, 566; Becker/Thömmes, ET 1991, 173; Wassermeyer/Schönfeld, DB 2006, 1970 (1973). 7 Vgl. nur EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995. 8 Eine (punktuelle) Angleichung des § 8 Abs. 1 AStG wird durch die Ratifizierung der ATAD in Kürze erfolgen. 9 Pars pro toto Lang, IStR 2005, 289 (295); Rödder/Schönfeld, IStR 2005, 523 (525 f.); zu einer ausführlichen Analyse vgl. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 809 ff.; Schilcher in Lang/

Schönfeld/Häck

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Systematik Rz. 148

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

durch derartige Aktivitätsklauseln verzerrt werde. Es erfolge eine – einem Binnenmarkt ohne Grenzen zuwiderlaufende – Diskriminierung nach dem Investitionsort. Der EuGH ist diesen Argumenten in der Rs. „Columbus Container Services“1 nicht gefolgt. Dazu stellt der EuGH fest, dass über den Wechsel von der Freistellung zur Anrechnung eine grenzüberschreitende Investition nicht schlechter als eine rein inländische Investition behandelt werde.2 Überzeugen kann dies zwar nur wenig, mit der Entscheidung des EuGH scheint diese Diskussion aber wohl vorerst beendet, sodass auch Aktivitätsvorbehalte nicht gegen EU-Recht verstoßen werden. Sie könnte durch die Implementierung der ATAD in innerstaatliches Recht allerdings wieder Fahrt aufnehmen. 149

Allgemeine Subject-to-tax-Klauseln. Allgemeine „Subject-to-tax-Klauseln“ stellen eine Abkommensvergünstigung unter den Vorbehalt der Besteuerung im anderen Staat (z.B. Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz). Unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH in der Rs. „Columbus Container Services“3 erscheint es fraglich, ob derartige Regelungen EU-rechtlichen Bedenken ausgesetzt sind. Denn soweit eine „Subject-totax-Klausel“ den möglicherweise bewussten Besteuerungsverzicht des anderen Vertragsstaats zum Anlass nimmt, um Abkommensvorteile zu versagen, ähnelt die Situation deutlich der in der Rs. „Columbus Container Services“ streitigen Vorschrift des § 20 Abs. 2 AStG. Ebenso wie sich § 20 Abs. 2 AStG an der (aus deutscher Sicht anstößigen) Niedrig- oder Nullbesteuerung stört und damit den Investor hinsichtlich seines Investitionsorts innerhalb des EU-/EWR-Raums diskriminiert, missfällt einer „Subject-to-tax-Klausel“ die Nichtbesteuerung im anderen Vertragsstaat. Der EuGH konnte dem keinen Verstoß gegen die Grundfreiheiten entnehmen. Selbst wenn man aber zu einer Beschränkung käme, erscheint es sehr wahrscheinlich, dass der EuGH in Anlehnung an die in der Rs. „Marks & Spencer“4 auf der Rechtfertigungsebene herangezogene Vermeidung einer doppelten Verlustberücksichtigung in der „Keinmalbesteuerung“ eine Rechtfertigung erblickt.

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Rückfallklauseln. Mitunter wird die Gewährung der Freistellungsmethode nicht von einer bestimmten Tätigkeit, sondern von der Besteuerung der Einkünfte im anderen Vertragsstaat abhängig gemacht (z.B. Art. 23 Abs. 4 Buchst. b DBA-USA 2006). Aus grundfreiheitlicher Sicht dürften die Ausführungen in Rz. 148 f. entsprechend gelten, sodass insoweit eine EU-rechtliche Kollision eher unwahrscheinlich erscheint. Daneben kann man aber auch an einen Verstoß gegen die MTRL denken, soweit der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der MTRL eröffnet ist.5 Art. 4 Abs. 1 MTRL räumt allerdings dem Staat der Muttergesellschaft ein Wahlrecht zwischen Anrechnungs- und Freistellungsmethode ein. Legt man die Regelung dahin gehend aus, dass bei Ausübung des Wahlrechts zur Freistellungsmethode gleichwohl im Einzelfall auf die Anrechnungsmethode übergegangen werden kann, dann dürfte ein Verstoß aus den in Rz. 148 dargelegten Gründen eher abzulehnen sein. Vorzugswürdig erscheint jedoch die Auslegung, dass sich der betreffende DBA-Staat für „Gewinnausschüttungen“ i.S.d. MTRL für eine der beiden Methoden entscheiden muss. Dies auch deshalb, weil Art. 4 Abs. 1 lit. b) MTRL erst auf Drängen derjenigen EG-Staaten aufgenommen wurde (z.B. Vereinigtes Königreich), die traditionell die Anrechnungsmethode praktizieren. Sollte sich diese Auffassung durchsetzen, kann der Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 lit. a) MTRL nur unter Rückgriff auf den Missbrauchsvorbehalt des Art. 1 Abs. 4 MTRL geheilt werden. Dabei wird man allerdings zu berücksichtigen haben, dass Art. 1 Abs. 4 MTRL nicht davor bewahrt, die nationale Missbrauchsvorschrift verhältnismäßig auszugestalten. Im Einzelfall muss deshalb der Missbrauchsvorwurf entkräftet werden können. Steht der Rückfall unter dem Vorbehalt, dass die Dividenden bei der ausschüttenden Gesellschaft abzugsfähig sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der EuGH darin mit Blick auf die kritisch beurteilte Gefahr der doppelten Verlustnutzung in der Rs. „Marks & Spencer“6 einen Rechtfertigungsansatz sieht. Zwingend ist dies allerdings nicht, weil darin eine bewusste Entscheidung des anderen Vertragsstaats liegen kann, um z.B. günstige Finanzierungsbedingungen (typisch stille Beteiligung) zu schaffen.

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DBA-Vorbehalte zugunsten nationaler Anti-Missbrauchsvorschriften. In DBA findet man zunehmend die Praxis, sich die Möglichkeit der Anwendung von solchen nationalen „Anti-Missbrauchsvorschriften“ zusichern zu lassen, die mit EU-Recht kollidieren (vgl. z.B. Art. 1 Abs. 6 DBA-USA 2006 zur Anwendung der §§ 7–14 AStG, wobei deren Nichtanwendung im Verhältnis zu Drittstaaten noch nicht abschließend ge-

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Schuch/Staringer, Tax Treaty Law and EC Law, 2007, 151 (182 ff.) jeweils m.w.N.; a.A. möglicherweise BFH v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564. Vgl. nur EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-.298/05 – Columbus Container Services, EuGHE 2007, I-10451. In diese Richtung auch bereits Franck, IStR 2007, 489 ff. Vgl. nur EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-.298/05 – Columbus Container Services, EuGHE 2007, I-10451. EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837. Insbesondere „Gewinnausschüttungen“; so zu § 50d Abs. 9 EStG z.B. Wagner, NWB 2007 Fach 3, 14427. EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837.

Schönfeld/Häck

G. DBA und EU-Recht

Rz. 153 Systematik

klärt ist). Zwar hat der EuGH in der Rs. „D“ zum Ausdruck gebracht, bei der Überprüfung von DBA-Regeln zurückhaltend zu sein, soweit die betroffene Regelung Ausdruck eines ausgewogenen „Geben und Nehmens“ ist (vgl. Rz. 107). Auch der BFH hat dies angedeutet.1 Allerdings erscheint es mehr als fraglich, ob sich Vertragsstaaten ihrer unionsrechtlichen Verpflichtungen einfach dadurch entziehen können, dass sie eine gegen EU-Recht verstoßende nationale Regelung über ein DBA zu immunisieren suchen. Wäre das möglich, dann könnte in einem DBA auch unmittelbar vereinbart werden, dass der EU-Vertrag keine Anwendung findet. Das dürfte der EuGH aber vermutlich nicht hinnehmen. Diese Frage könnte vor dem Hintergrund des Inkrafttretens der ATAD interessant werden, nämlich für den Fall, dass die Anti-Missbrauchsklausel auf die Vorschriften des § 7–14 AStG verweist, diese allerdings (noch) nicht unionsrechtkonform ausgestaltet sind.2 Die einzig denkbare Rechtsfolge eines solchen DBA-Vorbehalts zugunsten nationaler Anti-Missbrauchsvorschriften ist deshalb die, dass eine durch diese Vorschrift ggf. verursachte DBA-Kollision beseitigt wird. Unilateraler Treaty override. Teilweise werden abkommensrechtliche Vergünstigungen unter dem Schild der Missbrauchsbekämpfung einfach unilateral versagt. Man spricht dann von einem „Treaty override“. Der von dieser Praxis ausgehende Abkommensbruch begründet im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander einen Verstoß gegen den völkerrechtlichen Grundsatz des „pacta servanda sunt“. Darin wurde in der Vergangenheit ganz überwiegend auch ein Verstoß gegen – den im AEUV nicht mehr enthaltenen! – Art. 293 Spiegelstrich 2 EG-Vertrag gesehen.3 Dem Einzelnen nützt das allerdings wenig. Denn ungeachtet dessen, dass diese Vorschrift nicht mehr existiert, stellte sie lediglich objektives Recht dar, auf welches sich die Marktteilnehmer nicht berufen konnten. Deshalb hätten allenfalls die Mitgliedstaaten oder die Europäische Kommission einen Treaty override im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem EuGH angreifen können. Damit war aber nicht wirklich zu rechnen. Soweit der Treaty override in seinen Wirkungen zu einer Doppelbesteuerung führt, könnte man darin zwar einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten sehen.4 Manche sprechen einem Treaty override sogar das Potential zu, bei DBA zwischen Mitgliedstaaten der EU gegen die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit zu verstoßen (Art. 4 Abs. 3 AEUV).5 Der Gerichtshof hatte jedoch in der Vergangenheit sowohl ein unionsrechtliches Gebot zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verneint6 als auch darauf hingewiesen, dass er nicht dafür zuständig sei, darüber zu befinden, ob ein Mitgliedstaat seine abkommensrechtlichen Verpflichtungen verletzt oder nicht.7 Dieses Ergebnis vermag zu überzeugen, denn zum einen wird eine Doppelbesteuerung in diesen Situationen vielfach nicht ihre (alleinige) Ursache in dem Treaty override, sondern in der ggf. unzulänglichen (und i.E. diskriminierenden) Ausgestaltung der Anrechnungsmethode haben. Und zum anderen handelt es sich aus der Perspektive des EuGH sowohl beim Abkommen als auch beim abkommensbrechenden Gesetz jeweils um nationales Recht; es ist grundsätzlich aber schlicht nicht Aufgabe des Gerichtshofs, über mitgliedstaatliches Recht oder dessen Rangverhältnis zu befinden.8 Auch die Hoffnung, dass der Treaty override an verfassungsrechtlichen Hürden scheitern könnte, zerschlug das BVerfG vorerst in einer wegweisenden Entscheidung.9

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6. Besonderheiten des EU-Beihilferechts a) Das Beihilferecht als Teil der Unionsrechtsordnung Ideengeschichtlicher Hintergrund und steigende Relevanz des Beihilferechts. Das seit Inkrafttreten der römischen Verträge beinahe unveränderte10 Beihilferecht der Art. 107–109 AEUV11 nimmt eine Komplementärfunktion insbesondere zu den marktöffnenden Grundfreiheiten und dem Abbau von tarifären Han-

1 BFH v. 21.12.2005 – I R 4/05, BStBl. II 2006, 555. 2 Vgl. zum Anpassungsbedarf durch die Einführung der ATAD im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung Schnitger/Nitzschke/Gebhardt, IStR 2016, 960; Linn, IStR 2016, 245; Schönfeld, IStR 2017, 721. 3 Grundlegend Seer, IStR 1997, 520 ff.; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, 93 ff. m.w.N. 4 Vgl. Stöber, DStR 2016, 1894 f. 5 Vgl. Scherer, IStR 2016, 741. 6 EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerkhaert und Morres, EuGHE 2006, I-10967. 7 Vgl. EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10451 Rz. 46 f. 8 M. Lang in DStJG 41, 383 (391 m.w.N.). 9 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1. Eingehend hierzu und zum Stand der derzeitigen Diskussion noch in Rz. 147 ff. 10 Vgl. zu den Änderungen Wallenberg/Schütte in Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 107 Rz. 2. 11 Das Beihilferecht fand in den Art. 92 ff. EWG Eingang in das europäische Primärrecht und rückte mit dem Vertrag von Amsterdam in die Art. 87 ff. EG, mit dem Vertrag von Lissabon an seine heutige Stelle.

Schönfeld/Häck/Ellenrieder

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Systematik Rz. 153

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

delshemmnissen ein:1 Es schützt den freien Wettbewerb, in dem Waren und Dienstleistungen grundsätzlich frei zwischen den Mitgliedstaaten zirkulieren können, vor Verfälschungen durch mitgliedstaatliche Subventionierungsmaßnahmen. Diese Freiheiten des Binnenmarkts könnten ohne die unionsrechtliche Beihilfenregulierung durch eine unfaire Subventionspolitik einzelner Mitgliedstaaten missbraucht werden, denn anderen Mitgliedstaaten wären bei der Verteidigung gegen diese Politik durch das Verbot von Zöllen oder mengenmäßigen Beschränkungen weitgehend die Hände gebunden.2 Gleichwohl sind deswegen Beihilfen und Subventionen in der EU nicht schlechthin verboten, denn einerseits fällt die Vergabe von Beihilfen durch die Union selbst nicht unter das Verbot der Art. 107 f. AEUV,3 andererseits ist das Beihilfeverbot aufgrund der Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet.4 Durch die Genehmigungskompetenz der Kommission wird die Entscheidung zur Beihilfegewährung auf Unionsebene zentralisiert.5 Hierdurch soll ein Subventionswettlauf zwischen den Mitgliedstaaten verhindert werden, der letztlich nur Verlierer kennt und zulasten aller Beteiligten gehen muss.6 Gleichzeitig soll aber die Vergabe von Beihilfen nicht schlechthin verboten werden, um z.B. die Gewährung von „nützlichen“ und „sinnvollen“ Beihilfen – etwa im Falle eines Marktversagens7 – weiterhin zu ermöglichen.8 154

Der Tatbestand des Beihilfeverbots im Überblick. Art. 107 Abs. 1 AEUV verbietet, soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt, ist (i) staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die (ii) Begünstigung (iii) bestimmter (iv) Unternehmen oder Produktionszweige (v) den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, als mit dem Binnenmarkt grundsätzlich unvereinbar, soweit sie (vi) den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Abgesehen vom Kriterium der sog. Selektivität (iii) erfüllen Beihilfen in Gestalt abstrakt-genereller Steuervergünstigungen diese Tatbestandsmerkmale regelmäßig unproblematisch: Im Verzicht auf Einnahmen ist eine Verwendung staatlicher Mittel im Sinne des Beihilferechts zu sehen, die – entgegen dem Normwortlaut – nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte kumulativ9 neben die staatliche Zurechenbarkeit der Maßnahme treten muss (i). Soweit jedoch eine staatliche Regelung durch eine unionsrechtliche Harmonisierungsmaßnahme bedingt ist, kann sie einem Mitgliedstaat nicht mehr zugerechnet werden und folglich auch keine durch Art. 107 Abs. 1 AEUV verbotene Maßnahme mehr darstellen.10 Das Kriterium der Begünstigung bzw. des Vorteils (ii) ist ebenfalls grundsätzlich erfüllt, da Unternehmen von einer normalerweise zu tragenden Last verschont werden11 und ihnen dadurch ein Vorteil zugewandt wird, den sie unter Marktbedingungen nicht erhalten hätten.12 Tritt der Mitgliedstaat insoweit jedoch dem Steuerpflichtigen nicht als Hoheitsträger gegenüber, sondern handelt er im konkreten Einzelfall13 wie ein Marktteilnehmer und in marktkonformer Weise – beispielsweise als Investor oder Gläubiger –, so wendet er einem Unternehmen keinen beihilfe1 Vgl. GA Wathelet, Schlussanträge v. 28.7.2016 – verb. Rs. C-20/15 P und C-21/15 P – World Duty Free u.a., ECLI:EU:C:2016:624 Rz. 137: „Kehrseite der Medaille“; vgl. zudem Schnitger, IStR 2017, 421 und Müller-Graff in Vedder/Hentschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht2, Art. 107 AEUV Rz. 2 f. 2 Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 9.2. 3 Diese Maßnahmen erfüllen bereits mangels staatlicher Zurechnung und der Verwendung staatlicher Mittel nicht den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV, vgl. Mestmäcker/Schweitzer in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht5, Die Beihilfenregeln im System des EU-Vertrags Rz. 44. 4 Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.56; Kühling in Streinz, EUV/AEUV3, Art. 107 AEUV Rz. 4. 5 Hierzu aus ökonomischer Sicht nicht unkritisch Kerber in Cassel, Europäische Integration als ordnungspolitische Gestaltungsaufgabe, 1998, 37 (50 ff.). 6 Behrens in Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Beihilfenrecht, Einleitung, Rz. 175; Wallenberg/Schütte in Grabitz/Hilf/ Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 107 Rz. 10; kritisch Kerber in Cassel, Europäische Integration als ordnungspolitische Gestaltungsaufgabe, 1998, 37 (64 ff.). 7 S. zum von der Kommission verfolgten „more economic approach“ im Beihilferecht Englisch in Schaumburg/ Englisch, Europäische Steuerrecht Rz. 9.47. 8 Behrens in Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Beihilfenrecht, Einleitung, Rz. 164. 9 St. Rechtsprechung: EuGH v. 13.3.2001 – Rs. C-379/98 – Preussen Elektra, EuGHE 2001, I-2099 Rz. 58; v. 15.7.2004 – Rs. C-345/02 - Pearle, EuGHE 2004, I-7139 Rz. 35; v. 19.12.2013 – Rs. C-262/12 – Association Vent de Colère!, ECLI:EU:C:2013:851 Rz. 16, 19 f. 10 Soweit zumindest der Grundsatz, vgl. EuGH v. 23.4.2009 – Rs. C-460/07 – Puffer, EuGHE 2009, I-3251 Rz. 69 f. Soweit die Harmonisierungsmaßnahme den Mitgliedstaaten jedoch Spielräume eröffnet, die dann vom Mitgliedstaat ausgenutzt werden, kann aber eine Beihilfe vorliegen, vgl. die Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 45, zurecht kritisch differenzierend Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 9.39. 11 Vgl. EuGH v. 23.2.1961 – Rs. 30/59 – De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg, EuGHE 1961, 3, 43; v. 22.11.2001 – Rs. C-53/00 – Ferring, EuGHE 2001, I-9067 Rz. 15; v. 24.1.2013 – Rs. C-73/11 P – Frucona Kosˇice, ECLI:EU:C:2013:32 Rz. 69. 12 EuGH v. 11.7.1996 – Rs. C-39/94 – SFEI u.a., EuGHE 1996, I-3547, Rz. 60. 13 Vgl. Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 82.

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rechtlich relevanten Vorteil zu.1 Dies kann nach der Rechtsprechung auch gelten, wenn er sich beispielsweise mit einem Steuergesetz eines Mittels bedient, obwohl dieses Mittel einem vergleichbar handelnden Marktteilnehmer nicht zur Verfügung steht.2 Dass nur Unternehmen taugliche Beihilfeempfänger sein können (iv), verdeutlicht die wettbewerbsorientierte Teleologie des Beihilferechts, wird aber gleichzeitig dadurch relativiert, dass auch mittelbare Begünstigungen den Tatbestand erfüllen können;3 denkbar sind verbrauchervermittelte Beihilfen, die mittelbar auch Unternehmen zugute kommen,4 ebenso wie allgemeine Maßnahmen, die erst auf Ebene des mittelbaren Empfängers ihren selektiven Charakter entfalten.5 Die oft zusammen geprüften oder gar vermengten6 Tatbestandsmerkmale der Wettbewerbsverfälschung und der Handelsbeeinträchtigung zeitigen im Lichte der Unionsrechtsprechung kaum mehr tatbestandsbegrenzende Wirkung, denn der EuGH verlangt der Kommission in ständiger Rechtsprechung insoweit keinen konkreten Nachweis ab; allein die Möglichkeit, dass eine Maßnahme zur Tatbestandserfüllung geeignet ist, soll bereits ausreichen.7 Insbesondere ist nicht erforderlich, dass die Beeinflussung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zwischen konkurrierenden Unternehmen nachgewiesen werden muss.8 Eine Wettbewerbsverfälschung kann aber insbesondere dann entfallen, wenn eine Beihilfe in einem nicht liberalisierten Wirtschaftszweig gewährt wird, in dem ohnehin kein Wettbewerb herrscht.9 Die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten wird allenfalls in solchen Fällen verneint, in denen der Begünstigungseffekt sich nur in engen lokalen Grenzen auswirken kann.10 Das grundsätzliche Verbot staatlicher Beihilfen ist jedoch weder absolut, noch unbedingt:11 Sind die Tatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV allesamt erfüllt, so besteht die Möglichkeit, dass eine Beihilfe aus den in Art. 107 Abs. 2 AEUV genannten Gründen de iure mit dem Binnenmarkt vereinbar ist oder aber ihre Binnenmarktkompatibilität nach Art. 107 Abs. 3 AEUVerklärt werden kann. In beiden Fällen muss die Binnenmarktvereinbarkeit aber durch die Kommission festgestellt werden,12 wobei der Kommission in den Fällen des Art. 107 Abs. 3 AEUV ein weiter Ermessensspielraum zusteht.13 Insbesondere: Das Tatbestandsmerkmal der Selektivität. Das unionsrechtliche Beihilfeverbot richtet sich nur gegen die Begünstigung „bestimmter“ Unternehmen und Produktionszweige. Dieses Kriterium der Selektivität14 dient der Abgrenzung der selektiven Beihilfe von der allgemeinen wirtschaftspolitischen Maß-

1 Eingehend zu den verschiedenen denkbaren Konstellationen des Kriteriums des Staats als marktwirtschaftlich handelndem Wirtschaftsbeteiligten äußert sich die Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 73 ff. 2 Vgl. grundlegend EuGH v. 5.6.2012 – Rs. C-124/10 – EdF, ECLI:EU:C:2012:318 Rz. 94 ff. 3 EuGH v. 28.7.2011 – Rs. C-403/10 P – Mediaset SpA/Kommission, EuGHE (abgek. Veröff.) 2011, I-117* Rz. 81: Art. 107 Abs. 2 Buchst. a AEUV wäre ansonsten überflüssig; vgl. zur mittelbaren Beihilfe Koenig/Sander, EuR 2000, 743; Soltész/Hellstern, EuZW 2013, 489 (491). Kritisch zur mittelbaren Beihilfe Heidenhain, EuZW 2007, 623 ff. und bereits Heidenhain, EuZW 2000, 729 f.; Hey, StuW 2015, 331 (342). 4 EuGH v. 28.7.2011 – Rs. C-403/10 P – Mediaset SpA/Kommission, EuGHE (abgek. Veröff.) 2011, I-117* Rz. 81; Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 115; Koenig/Sander, EuR 2000, 743. 5 EuGH v. 19.9.2000 – Rs. C-156/98 – Deutschland/Kommission, EuGHE 2000, I-6857 Rz. 22 ff. 6 Exemplarisch EuGH v. 17.9.1980 – Rs. 730/79 – Philip Morris/Kommission, EuGHE 1980, 2671 Rz. 12; EuG v. 15.6.2000 – verb. Rs. T-298/97, T-312/97 u.a. – Alzetta Mauro u.a., EuGHE 2000, II-2319 Rz. 81; s. auch Biondi, CML Rev 50 (2013), 1719, 1720. 7 EuGH v. 8.5.2013 – Rs. C-197/11 und C-203/11 – Libert u.a./Flämische Regierung, ECLI:EU:C:2013:288 Rz. 76; v. 9.10.2014 – Rs. C-522/13 – Ministerio de Defensa und Navantia/Concello de Ferrol, ECLI:EU:C:2014:2262 Rz. 51; s. auch Europäische Kommission, Bekanntmachung zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016, Nr. C 262, 1 Rz. 187 und 190. 8 Vgl. im Detail Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 9.41 ff. Kritisch da Cruz Vilaça, EStAL 2009, 443 (445 ff.). 9 Europäische Kommission, Bekanntmachung zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016, Nr. C 262, 1 Rz. 188 m.w.N. 10 Bspw. für ein Sportcamp in Franken, Beschluss der Kommission v. 9.8.2016 – C(2016) 51505 final – BLSV Sportcamp. Für möglich gehalten aber beim Eingriff in Markt für Funkmietwagen und Taxis in London, EuGH v. 14.1.2015 – Rs. C-518/13 – Eventech, ECLI:EU:C:2015:9 Rz. 70. 11 EuGH v. 8.11.2001 – Rs. C-143/99 – Adria-Wien Pipeline, EuGHE 2001, I-8365 Rz. 30. 12 Dies gilt auch für die de iure mit dem Binnenmarkt vereinbaren Beihilfen nach Art. 107 Abs. 2 AEUV, vgl. Cremer in Callies/Ruffert, EUV/AEUV5, Art. 107 AEUV Rz. 42; Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 9.56. 13 EuGH v. 22.3.1977 – Rs. 74/76 – Iannelli & Volpi/Meroni, EuGHE 1977, I-557 Rz. 11/12; v. 11.7.1996 – Rs. C-39/94 – SFEI u.a., EuGHE 1996, I-3547 Rz. 36; v. 8.11.2001 –Rs. C-143/99 – Adria-Wien Pipeline, EuGHE 2001, I-8365 Rz. 30. 14 Teilweise auch als Spezifität, Spezialität oder Bestimmtheit bezeichnet, vgl. Stein, Bestimmtheit von Regionalbeihilfen, 2007, 57 m.w.N.

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nahme.1 Begrifflich unterscheidet man regelmäßig zwischen regionaler und materieller Selektivität.2 Die Selektivität einer Einzelmaßnahme, beispielsweise in Form einer direkten Leistungssubvention, ist regelmäßig leicht zu erkennen und wird bei Vorliegen einer Begünstigung von der Unionsrechtsprechung vermutet.3 Steuerliche Verschonungsbeihilfen bereiten mit ihrer abstrakt-generellen Regelungstechnik hingegen mehr Probleme bei der Beurteilung der Selektivität. Bei diesen Beihilferegelungen ist die Selektivität daher positiv festzustellen.4 Dass dies eine juristisch sehr anspruchsvolle Aufgabe mit meist schwer vorhersehbarem Ergebnis ist, liegt nicht zuletzt daran, dass eine beihilfeverdächtige Maßnahme nach der Wirkungsdoktrin des EuGH allein anhand ihrer Wirkung zu beurteilen ist. Insbesondere soll die gewählte (formale) Regelungstechnik irrelevant sein.5 Es kommt dabei, wie das Beispiel der Sanierungsklausel gezeigt hat, nicht darauf an, ob eine Maßnahme als Regel oder als Ausnahme formuliert ist.6 Auch, dass eine Maßnahme eine sehr große Zahl an Unternehmen begünstigt, nimmt ihr nicht den selektiven Charakter.7 So bejahte die Rechtsprechung eine Selektivität in der Vergangenheit auch bei der Begünstigung mehrerer Wirtschaftszweige8 und selbst bei der Begünstigung aller Unternehmen, deren Schwerpunkt in der Herstellung körperlicher Güter besteht.9 Die Komplexität der Analyse wird noch dadurch gesteigert, dass es zwar einerseits nicht ausreichen soll, dass eine Maßnahme nur nach objektiven Kriterien gewährt wird, um sie dem Anwendungsbereich des Beihilfeverbots zu entziehen,10 sie andererseits aber auch nicht bereits deshalb selektiv ist, weil sie an die Erfüllung bestimmter Tatbestandsmerkmale geknüpft ist.11 156

Die drei Stufen der Selektivitätsprüfung im Überblick. Die Prüfung der Selektivität erfolgt anhand eines dreistufigen Schemas: Grundsätzlich ist auf einer ersten Stufe ein Referenzsystem als Vergleichsmaßstab zu bestimmen.12 Das von der Rechtsprechung auch als allgemeine Steuerregelung13 bezeichnete Referenzsystem bildet die Benchmark der Selektivitätsprüfung.14 Dadurch, dass hierbei von der zu ermittelnden „normalen Besteuerung“15 auszugehen ist, mithin also das Steuerrecht des betreffenden Mitgliedstaats selbst den Bezugsrahmen der Selektivitätsprüfung darstellt, soll in Abwesenheit von Harmonisierungsmaßnahmen die Souveränität der Mitgliedstaaten in Steuersachen respektiert werden.16 Im zweiten Prüfschritt ist eine Abweichung vom Referenzsystem zu bestimmen. Nachdem die Rechtsprechung früher die Abweichung kasuis1 Sutter, Das EG-Beihilfenverbot und sein Durchführungsverbot in Steuersachen, 2005, 88; Jennert/Ellenrieder, EWS 2011, 305 (306); Blumenberg/Kring, IFSt-Schrift Nr. 473, 14; Romariz, EStAL 2014, 39 (40); Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 117; vgl. auch EuGH v. 15.12.2005 – Rs. C-66/02 – Italien/Kommission, EuGHE 2005, I-10901 Rz. 98 f.; v. 15.6.2006 – Rs. C-393/04 und C-41/05 – Air Liquide, EuGHE 2006, I-5293 Rz. 32. 2 Exemplarisch die Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 119. 3 EuGH v. 4.6.2015 – Rs. C-15/14 P – MOL, ECLI:EU:C:2015:362 Rz. 60; v. 26.10.2016 – Rs. C-211/15 P – Orange, ECLI:EU:C:2016:798 Rz. 53. 4 EuGH v. 30.6.2016 – Rs. C-270/15 P – Belgien/Kommission (BSE-Test), ECLI:EU:C:2016:489 Rz. 49. 5 EuGH v. 22.12.2008 – Rs. C- 487/06 P – British Aggregates, EuGHE 2008, I-10515 Rz. 89; v. 15.11.2011 – Rs. C-106/09 P und C-107/09 P – Gibraltar, EuGHE 2011, I-11113 Rz. 88; v. 28.6.2018 – Rs. C-203/16 P – Dirk Andres (Sanierungsklausel), ECLI:EU:C:2018:506 Rz. 91 ff. 6 EuGH v. 28.6.2018 – Rs. C-203/16 P – Dirk Andres (Sanierungsklausel), ECLI:EU:C:2018:506 Rz. 90. Vgl. auch bereits EuGH v. 22.12.2008 – Rs. C-487/06 P – EuGHE 2008, I-10515 Rz. 89. 7 EuGH v. 17.6.1999 – Rs. C-75/97 – Belgien/Kommission (Maribel a und b), EuGHE 1999, I-3671 Rz. 32; v. 8.11.2001 – Rs. C-143/99 – Adria-Wien Pipeline, EuGHE 2001, I-8365 Rz. 48; nach Luja in Weber, EU Income Tax Law: Issues for the Years Ahead, 2013, 115 (118) wären in der Rs. Gibraltar (EuGH v. 15.11.2011 – Rs. C-106/09 P und C-107/09 P – Gibraltar, EuGHE 2011, I-11113) bis zu 99 % der Unternehmen von der Begünstigung betroffen gewesen. 8 EuGH v. 17.6.1999 – Rs. C-75/97 – Belgien/Kommission (Maribel), EuGHE 1999, I-3671. 9 EuGH v. 8.11.2001 – Rs. C-143/99 – Adria-Wien Pipeline, EuGHE 2001, I-8365. 10 EuG v. 6.3.2002 – Rs. T-92/00 und T-103/00 – Ramondín und Ramondín Cápsulas, EuGHE 2002, II-1385 Rz. 58; EuGH v. 8.11.2001 – Rs. C-143/99 – Adria-Wien Pipeline, EuGHE 2001, I-8365 Rz. 53; v. 15.7.2004 – Rs. C-501/00 – Spanien/Kommission, EuGHE 2004, I-6717 Rz. 118 ff. 11 EuGH v. 29.3.2012 – Rs. C-417/10 – 3M Italia, ECLI:EU:C:2012:184 Rz. 42, 59. 12 EuGH v. 6.9.2006 – Rs. C-88/03 – Portugal/Kommission, EuGHE 2006, I-7115 56; v. 9.10.2014 – Rs. C-522/13 – Ministerio de Defensa und Navantia, ECLI:EU:C:2014:2262 Rz. 35 f.; v. 28.6.2018 – Rs. C-203/16 P – Dirk Andres (Sanierungsklausel), ECLI:EU:C:2018:506 Rz. 83, 85 f. 13 Vgl. EuGH v. 21.12.2016 – verb. Rs. C-20/15 P und C-21/15 P – World Duty Free u.a., ECLI:EU:C:2016:981 Rz. 76. 14 Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 132. Grundlegend Schön in Koenig/Roth/Schön, Aktuelle Fragen des EG-Beihilfenrechts, 2001, 106 (115 ff.). 15 EuGH v. 6.9.2006 – Rs. C-88/03 – Portugal/Kommission, EuGHE I-7115 Rz. 56; vgl. auch EuGH v. 28.6.2018 – Rs. C-203/16 P – Dirk Andres (Sanierungsklausel), ECLI:EU:C:2018:506 Rz. 86. 16 Grundlegend Schön in Koenig/Roth/Schön, Aktuelle Fragen des EG-Beihilfenrechts, 2001, 106 (115 ff.); vgl. auch EuG v. 1.7.2004 – Rs. T-308/00, EuGHE 2004, II-1933 Rz. 81. Kritisch gegen die tendenzielle Auflösung dieses Grundsatzes in neueren Kommissionsbeschlüssen z.B. Bartosch, BB 2017, 2199 ff.

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tisch bestimmte,1 hat sie die Abweichungsprüfung inzwischen zu einer genuin beihilferechtlichen Diskriminierungsprüfung fortentwickelt.2 Nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte sowie der Kommissionspraxis ist demnach zu prüfen, ob eine Maßnahme insoweit vom Referenzsystem abweicht, als sie zwischen Unternehmen differenziert, die sich im Hinblick auf das mit dem Referenzsystem verfolgte Ziel3 in vergleichbarer rechtlicher und tatsächlicher Lage befinden (sog. prima facie-Selektivität4).5 Da die beihilferechtliche Abweichung nach der Rechtsprechung zwingend durch diese Vergleichsprüfung zu ermitteln ist, ist es für die Kommission weder notwendig6 noch hinreichend7, darzutun, dass (nur) Unternehmen einer bestimmten Kategorie – z.B. einer bestimmten Größe oder eines bestimmten Sektors – begünstigt werden. Der Unionsrechtsprechung lässt sich zwar derzeit nur schwer entnehmen, wie das Referenzsystem richtigerweise zu bestimmen ist.8 Es herrscht jedoch in der Praxis der Rechtsprechung9 und der Kommission10 eine Tendenz vor, das Referenzsystem im Zweifel weit auszulegen und ganze Steuergesetze als Referenzsystem heranzuziehen: Demnach kann etwa das Körperschaftsteuersystem mit dem für die Vergleichsprüfung relevanten Ziel der Besteuerung der Gewinne als Referenzsystem herangezogen werden11 oder z.B. das Grundsteuersystem mit dem Ziel, den Besitz oder die Nutzung eines Grundstücks zu besteuern,12 bei Lenkungssteuern bildet folgerichtig das Lenkungsziel den Vergleichsmaßstab.13 Der Belastungsgrund einer Steuer wird damit zunehmend Dreh- und Angelpunkt zur Bestimmung einer beihilferechtlichen Abweichung. Ist eine Maßnahme aufgrund dieser Vergleichsprüfung als prima facie-selektiv einzustufen, ist auf der dritten Prüfstufe zu untersuchen, ob sie durch die Natur oder den inneren Aufbau des Bezugssystems gerechtfertigt werden kann.14 Während für die Abweichung noch das Belastungsziel der Steuer im Vordergrund steht, sollen auf der Rechtfertigungsstufe die Grund- oder Leitprinzipien des Referenzsystems15 sowie systemimmanente16 Mechanismen, die für das Funktionieren und die Wirksamkeit des Systems erforderlich sind,17 Beachtung finden. 1 Vgl. z.B. EuGH v. 17.6.1999 – Rs. C-295/97 – Piaggio, EuGHE 1999, I-3735 Rz. 37–39; v. 5.10.1999 – Rs. C-251/97 – Frankreich/Kommission, EuGHE 1999, I-6639 Rz. 38; v. 15.12.2005 – Rs. C-66/02 – Italien/Kommission, EuGHE 2005, I-10901 Rz. 97 f. Vgl. zur Entwicklung des Prüfschemas z.B. Ellenrieder, IStR 2018, 480 (481 f.). 2 Vgl. EuGH v. 21.12.2016 – Rs. C-524/14 P – Flughafen Lübeck, ECLI:EU:C:2016:971 Rz. 53; v. 28.6.2018 – Rs. C-203/16 P – Dirk Andres (Sanierungsklausel), ECLI:EU:C:2018:506 Rz. 83; kritisch zu diesem Verständnis als Diskriminierungsprüfung z.B. Sutter, EuZW 2002, 215 (216 f.); Arhold, EStAL 2011, 71 (76). 3 Früher war aufgrund der schwankenden Diktion des EuGH nicht ganz klar, ob das Ziel der zu untersuchenden Maßnahme oder aber des Referenzsystems den Vergleichspunkt der Prüfung auf dieser Stufe bilden sollte, vgl. hierzu Ellenrieder, IStR 2018, 480 (483 f. m.w.N.). 4 Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 118, 137. 5 St. Rechtsprechung, vgl. EuGH v. 21.12.2016 – verb. Rs. C-20/15 P und C-21/15 P – World Duty Free u.a., ECLI:EU:C:2016:981 Rz. 57; v. 26.4.2018 – Rs. C-233/16 – ANGED, ECLI:EU:C:2018:280 Rz. 40; vgl. hierzu Ellenrieder, IStR 2018, 480 (482 und 486). A.A. scheinbar Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 9.16 und Hey, FR 2017, 453 (455), die insoweit zwischen der Abweichung vom Referenzsystem und der Vergleichbarkeit von Unternehmen mit Blick auf das Regelungsziel differenzieren wollen. 6 Vgl. EuGH v. 21.12.2016 – verb. Rs. C-20/15 P und C-21/15 P – World Duty Free u.a., ECLI:EU:C:2016:981 Rz. 70–74. 7 EuGH v. 20.12.2017 – Rs. C-70/16 P – Comunidad Autónoma de Galicia u.a., ECLI:EU:C:2017:1002 Rz. 61. 8 Kritisch GA Wahl, Schlussanträge v. 20.12.2017 – Rs. C-203/16 P – Heitkamp BauHolding (Sanierungsklausel), ECLI:EU:C:2017:1017 Rz. 100. Die verschiedenen Möglichkeiten, ein Referenzsystem zu bestimmen, diskutierend z.B. Jung/Neckenich, ISR 2018, 83 ff., vielen von diesen Möglichkeiten kritisch gegenüberstehend M. Lang, 17. ÖJT Band IV/1, 25. 9 Vgl. nur EuGH v. 28.6.2018 – Rs. C-203/16 P – Dirk Andres (Sanierungsklausel), ECLI:EU:C:2018:506. 10 Vgl. Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 134. 11 EuGH v. 8.9.2011 – C-78/08–C-80/08 – Paint Graphos ua, EuGHE 2011, I-7611, Rz. 50, 54. 12 EuGH v. 9.10.2014 – C-522/13 – Ministerio de Defensa und Navantia/Concello de Ferrol, ECLI:EU:C:2014:2262 Rz. 36, 38. 13 EuGH v. 26.4.2018 – Rs. C-233/16 – ANGED, ECLI:EU:C:2018:280 Rz. 52 ff.; Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 136. 14 St. Rechtsprechung, z.B. EuGH v. 2.7.1974 – Rs. 173/73 – Italien/Kommission, EuGHE 1974, 709 Rz. 33/35; v. 17.6.1999 – Rs. C-75/97 – Belgien/Kommission (Maribel a und b), EuGHE 1999, I-3671 Rz. 33 ff.; v. 8.9.2011 – Rs. C-78/08–C-80/08 – Paint Graphos, EuGHE 2011, I-7611 Rz. 65 ff. 15 EuGH v. 6.9.2006 – Rs. C-88/03 – Portugal/Kommission, EuGHE 2006, I-7115 Rz. 81; v. 9.10.2014 – Rs. C-522/13 – Ministerio de Defensa und Navantia/Concello de Ferrol, ECLI:C:2014:2262 Rz. 43. 16 Systemfremde Anliegen wie etwa der Erhalt von Arbeitsplätzen können grds. keine Rechtfertigung bewirken, vgl. EuGH v. 18.7.2013 – Rs. C-6/12 – P Oy, ECLI:EU:C:2013:525 Rz. 24 ff. und insbes. Rz. 29 f.; EuG v. 6.3.2002 – Rs. T-127/99, T-129/99 und T-148/99 – Territorio Histórico de Álava u.a., EuGHE 2002, II-1275 Rz. 168; Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 138. 17 EuGH v. 6.9.2006 – Rs. C-88/03 – Portugal/Kommission EuGHE 2006, I-7115 Rz. 81; v. 8.9.2011 – Rs. C-78/08– C-80/08 – Paint Graphos, EuGHE 2011, I-7611 Rz. 69.

Schönfeld/Ellenrieder

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Systematik Rz. 156

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

Die Vermeidung der Doppelbesteuerung bildet nach der Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff ebenso einen Rechtfertigungsgrund wie bspw. die Vermeidung von Betrug und Steuerhinterziehung; beachtlich seien aber z.B. auch die Grundsätze der Steuerneutralität und der Handhabbarkeit der Verwaltung.1 Während die Kommission darlegungsbelastet für das Vorliegen einer prima facie-Selektivität ist, trägt der Mitgliedstaat die Nachweispflicht dafür, dass eine Differenzierung im Sinne der Vergleichsprüfung gerechtfertigt werden kann.2 Kommt der Mitgliedstaat seiner Darlegungslast nicht bereits im Prüfverfahren der Kommission nach, kann dies zur Folge haben, dass er mit diesen Rechtfertigungsgründen später faktisch auch vor den Unionsgerichten präkludiert ist.3 Auf der Rechtfertigungsstufe gilt zudem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, d.h. das verfolgte zulässige Ziel darf nicht auch durch weniger weit reichende Maßnahmen erreicht werden können.4 Außerdem muss der Mitgliedstaat auch Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen ergreifen, um eine prima facie-selektive, aber gerechtfertigte Maßnahme vor missbräuchlicher Inanspruchnahme zu schützen.5 157

Das Beihilfeverfahren im Überblick. Das beihilferechtliche Prüfverfahren ist in groben Zügen durch Art. 108 AEUV vorgezeichnet und wird durch die auf Grundlage des Art. 109 AEUV erlassene Verfahrensverordnung (VerfVO)6 näher ausgestaltet. Demnach ist zu unterscheiden zwischen bestehenden Beihilfen und sog. Neubeihilfen. Bestehende Beihilfen sind insbesondere solche, die bei Inkrafttreten des AEUV bzw. der ihm vorausgehenden Verträge schon eingeführt worden waren (sog. Altbeihilfen).7 Neubeihilfen sind alle übrigen Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen. Neubeihilfen sind, wenn sie nicht aufgrund einer Gruppenfreistellungsverordnung vom Verfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV ausgenommen sind,8 vor ihrer Einführung der Kommission zu notifizieren (Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV). Wird eine – potentielle – Beihilfe vom Mitgliedstaat, ggf. nach einer informellen Vorverständigung mit der Kommission,9 förmlich nach Art. 2 VerfVO angemeldet, entscheidet die Kommission grundsätzlich, ob sie nach einer vorläufigen Prüfung entweder durch Beschluss nach Art. 4 Abs. 2 bzw. 3 VerfVO feststellt, dass die Maßnahme keine Beihilfe oder aber mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, oder aber das förmliche Prüfverfahren gem. Art. 4 Abs. 4 durch Beschluss eröffnet wird. An dessen Ende steht ein Beschluss, nach dem die Maßnahme entweder keine Beihilfe ist oder, je nachdem, eine mit dem Binnenmarkt – ggf. unter Auflagen und Bedingungen – vereinbare oder unvereinbare Beihilfe darstellt.10 Nach dem Stillhaltegebot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV11 dürfen neue Beihilfen nicht ohne positiven Beschluss der Kommission eingeführt werden. Diese Norm ist, anders als Art. 107 Abs. 1 AEUV,12 unmittelbar in den Mitgliedstaaten anwendbares und drittschützendes Recht, wel-

1 Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 139. 2 Grundlegend EuGH v. 8.9.2011 – Rs. C-279/08 – Kommission/Niederlande (NOX), EuGHE 2011, I-7671 Rz. 62 und 77; v. 21.6.2012 – Rs. C-452/10 P – BNP Paribas, ECLI:EU:C:2012:366 Rz. 121; v. 15.11.2011 – Rs. C-106/09 P und C-107/09 P – Gibraltar, EuGHE 2011, I-11113 Rz. 146. 3 Vgl. EuGH v. 15.11.2011 – Rs. C-106/09 P und C-107/09 P – Gibraltar, EuGHE 2011, I-11113 Rz. 144–152; vgl. zudem auch Rz. 150: der Sachverhalt hätte in diesem Fall auch dann anders zu beurteilen sein können, wenn der Kläger begründeterweise vortragen kann, dass der Kommission bereits konkrete Gesichtspunkte vorgelegen haben, aufgrund derer sie eine Rechtfertigungsprüfung hätte vornehmen müssen. 4 EuGH v. 8.9.2011 – Rs. C-78/08–C-80/08 – Paint Graphos, EuGHE 2011, I-7611 Rz. 75; Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 140. 5 EuGH v. 8.9.2011 – Rs. C-78/08–C-80/08 – Paint Graphos, EuGHE 2011, I-7611 Rz. 74; Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 140. 6 Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates v. 13.7.2015, AblEU 2015 L 248/9. 7 Vgl. Art. 1 Buchst. b (i) VerfVO. Daneben sind z.B. auch genehmigte oder als genehmigt geltende Beihilfen unter den Begriff der bestehenden Beihilfe zu subsumieren. 8 Vgl. z.B. Verordnung (EU) 651/2014 der Kommission v. 17.6.2014, ABl. EU 2014 L 187, 1 i.d.F. der Verordnung (EU) 2017/1084 der Kommission v. 14.6.2017, ABl. EU 2017 L 156, 1; s. auch Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäische Steuerrecht Rz. 9.49. Die Anmeldepflicht entfällt ferner bei sog. de-minimis-Beihilfen nach der Verordnung [EU] 1407/2013 v. 18.12.2013, ABl. EU 2013 L 352, 1, die aber regelmäßig bei Beihilferegelungen in Gestalt von Steuergesetzen nicht greifen wird, vgl. Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.44. 9 Die Kommission regt Vorabkontakte zur Beschleunigung des Prüfverfahrens ausdrücklich an, vgl. Verhaltenskodex für die Durchführung von Beihilfeverfahren, ABl. EU 2009 C 136, 13 Rz. 10 f. 10 Vgl. Art. 9 Abs. 1 VerfVO. 11 Vgl. auch Art. 3 VerfVO. 12 Da die Kommission nach Prüfung einer Beihilfe auch deren Binnenmarkvereinbarkeit erklären kann, kann sich ein Konkurrent nicht unmittelbar auf Art. 107 Abs. 1 Satz 1 AEUV berufen, vgl. EuGH v. 22.3.1977 – Rs. 78/76 – Steinike und Weinlig, EuGHE 1977, 595 Rz. 10 ff.; Cremer in Callies/Ruffert, EUV/AEUV5, Art. 107 AEUV Rz. 8.

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Schönfeld/Ellenrieder

G. DBA und EU-Recht

Rz. 157 Systematik

ches durch die mitgliedstaatlichen Gerichte zu beachten und durchzusetzen ist.1 Eine unter Verstoß gegen das Stillhaltegebot eingeführte rechtswidrige Beihilfe wird ebenfalls einem vorläufigen und ggf. auch einem anschließenden förmlichen Prüfverfahren der Kommission unterzogen, die in diesen Fällen auch ohne Notifizierung von Amts wegen tätig werden kann.2 Stellt sie durch Positivbeschluss die Binnenmarktvereinbarkeit der Beihilfe fest, sind mindestens durch die vorzeitige Beihilfegewährung verursachte Liquiditätsvorteile bis Beschlusserlass durch Rechtswidrigkeitszinsen abzuschöpfen.3 Kommt die Kommission am Ende des förmlichen Prüfverfahrens hingegen in einem Negativbeschluss zum Ergebnis, dass die Beihilfe mit dem Binnenmarkt nicht vereinbar ist, so ist die Beihilfe grundsätzlich verzinst4 nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 VerfVO zurückzufordern,5 wenn ihre Gewährung nicht länger als zehn Jahre zurückliegt.6 Anwendbar ist insoweit das jeweilige mitgliedstaatliche Verfahrensrecht, welches jedoch im Sinne des effet utile die Rückforderung nicht vereiteln darf.7 Dies bedeutet insbesondere, dass weder eine fehlende Rechtsgrundlage,8 noch entgegenstehende etwaige Fristen einer Rückforderung entgegenstehen;9 Vertrauensschutz lässt die Unionsrechtsprechung dabei nur aufgrund qualifizierter Handlungen der kompetenten Unionsorgane, insbesondere der EUKommission,10 und auch nur unter sehr engen Voraussetzungen zu.11 Die Erkennbarkeit einer Beihilfe ist grds. unbeachtlich,12 der Steuerpflichtige insbesondere gehalten, sich selbst über die Einhaltung der Notifizierungspflicht durch den jeweiligen Mitgliedstaat zu vergewissern.13 Diese drastischen Rechtsfolgen treten bei bestehenden Beihilferegelungen14 nicht ein. Sie werden laufend von der Kommission auf ihre Binnenmarktkompatibilität im Sinne des Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV überwacht,15 welche ggf. mit Wirkung für die Zukunft die Aufhebung der Beihilfe anordnen kann.16

1 Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 9.61 m.w.N. Vgl. instruktiv zur Rolle der mitgliedstaatlichen Gerichte die Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte, ABl. EU 2009 C 85, 1. 2 Vgl. Art. 12 VerfVO. 3 Vgl. EuGH v. 12.2.2008 – Rs. C-199/06, EuGHE 2008, I-469 Rz. 52 ff.; das mitgliedstaatliche Recht darf jedoch strenger sein und auch die Rückforderung der gesamten Beihilfe zuzüglich Zinsen anordnen, unbeschadet des Rechts des Mitgliedstaats, die Beihilfe später erneut zu gewähren. 4 Nach Art. 11 Abs. 2 der Durchführungs-VO (EG) 794/2004 v. 21.4.2004, ABl. EU 2004 L 140, 1, zuletzt geändert durch VO (EU) 2016/2105 v. 1.12.2016, ABl. EU 2016 L 327, 19 gilt dies zuzüglich Zinseszinsen; der Zinssatz berechnet sich grundsätzlich durch Erhöhung des Geldmarktsatzes um 100 Basispunkte, vgl. Art. 9 der Durchführungs-VO. 5 Aus Art. 16 Abs. 1 Satz 1 VerfVO ergibt sich nunmehr eine grundsätzliche Pflicht zur Rückforderung im Falle eines Negativbeschlusses, vgl. Bartosch, EU-Beihilfenrecht2, Art. 16 VO 2015/1589 Rz. 1. Eine Rückforderung unterbleibt nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 AEUV nur, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstoßen würde. Dies wäre der Fall, wenn die Rückforderung absolut unmöglich wäre oder aber gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen würde vgl. Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 9.65 und 9.66. 6 BFH v. 30.1.2009 – VII B 180/08, BFHE 224, 372. 7 Exemplarisch EuGH v. 20.3.1997 – Rs. C-24/95 – Alcan, EuGHE 1997, I-1591 Rz. 24 ff.; Koenig/Ghazarian in Streinz, EUV/AEUV3, Art. 108 AEUV Rz. 40. 8 Vgl. EuGH v. 21.3.1991 – Rs. C-303/88 – EuGHE 1991, I-1433 Rz. 56, 60; vgl. zu den in Deutschland in Betracht kommenden Korrekturvorschriften Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 9.65. 9 EuGH v. 20.3.1997 – Rs. C-24/95 – Alcan, EuGHE 1997, I-1591 Rz. 38. 10 EuGH v. 13.6.2013 – verb. Rs. C-630/11 P–C-633/11 P – HGA, ECLI:EU:C:2013:387 Rz. 132; v. 19.7.2016 – C-526/14 – Kotnik ua., ECLI:EU:C:2016:570, Rz. 62. 11 Vgl. hierzu Schönfeld/Ellenrieder, IStR 2018, 444 ff. m.w.N. 12 Die Rechtsprechung unterstellt die Erkennbarkeit bei Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Notifizierungsverfahrens, vgl. BFH v. 30.1.2009 – VII B 180/08, BFHE 224, 372; zu Recht kritisch aufgrund dieser rigiden Handhabung Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 9.68. 13 EuGH v. 20.9.1990 – Rs. C-5/89 – Kommission/Deutschland, EuGHE 1990, I-3437 Rz. 14; Schönfeld/Ellenrieder, IStR 2018, 444 (446). 14 Vgl. Art. 108 Abs. 1 Satz 1 AEUV. Nach Art. 1 Buchst. d VerfVO handelt es sich bei einer Beihilferegelung cum grano salis um generell-abstrakt formulierte Regelungen, die als Grundlage für eine Gewährung von Beihilfen im Einzelfall dienen. Daher stellen Steuergesetze, die als Beihilfe qualifizieren, grundsätzlich eine Beihilferegelung und keine Einzelbeihilfe dar. 15 Demgegenüber werden bestehende Einzelbeihilfen nicht (mehr) von der laufenden Beihilfeüberwachung des Art. 108 Abs. 1 Satz 1 AEUV erfasst, vgl. Lessenich in von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht7, Art. 108 AEUV Rz. 71; Bartosch, EU-Beihilfenrecht2, Art. 108 AEUV Rz. 2. 16 Lessenich in von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht7, Art. 108 AEUV Rz. 85.

Schönfeld/Ellenrieder

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Systematik Rz. 158

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

b) Die (mögliche) Relevanz des Beihilferechts für DBA 158

Überblick über den Diskussionsstand in der Literatur. Wie sich das Beihilferecht in der Praxis auf das Recht der DBA auswirken wird, ist bislang noch weitgehend unklar, aber nicht gänzlich unerforscht.1 Drehund Angelpunkt der Diskussion ist dabei abermals das Tatbestandsmerkmal der Selektivität. Untersuchungen im Schrifttum verweisen insoweit auf Implikationen des DBA-Rechts für die Bestimmung des Referenzsystems, da neben dem mitgliedstaatlichen Recht auch einzelne DBA, Musterabkommen und Verhandlungsgrundlagen treten, sodass fraglich sein kann, was in einem grenzüberschreitenden Sachverhalt die referenzielle Normalbesteuerung ausmachen soll und in welchem Verhältnisse diese Regelungen zueinander stehen.2 Die Kommission folgte dabei in jüngerer Zeit dem Trend zu einem weiten Referenzsystem3 und tendiert dazu, ihrer Prüfung bspw. das gesamte Körperschaftsteuerrecht zugrundezulegen; dieses beinhalte auch die von einem Staat abgeschlossenen DBA.4 Bevor die Kommission diesen Weg einschlug, wurde die territorial beschränkte Begünstigungswirkung der DBA von der Literatur mit ihrem bilateralen Charakter und dem Verhandlungsprozess bei ihrem Zustandekommen erklärt und für gerechtfertigt befunden, soweit dadurch Abweichungen von anderen Abkommen oder unilateralen Regimen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verbunden sind.5 Der Gerichtshof urteilte im Angesicht einer auf die Nutzer eines Flughafens beschränkten Gebührenordnung bereits, dass sich andere Flughäfen nutzende Fluggesellschaften nicht in einer vergleichbaren Situation mit den unter die Gebührenordnung fallenden Fluggesellschaften befinden.6 Damit sprechen gute Gründe dafür, dass der EuGH, ähnlich wie im Recht der Grundfreiheiten,7 auch im Beihilferecht die territoriale Beschränkung der Abkommensvergünstigungen akzeptieren könnte.8 Gleichwohl hat auch dieses Argumentationsmuster Grenzen. Denn auch, wenn die Mitgliedstaaten frei sind, DBA abzuschließen, hat der Gerichtshof doch deutlich gemacht, dass sie diese Freiheiten unter Wahrung des Unionsrechts auszuüben haben.9 Da zudem die Regelungstechnik keine Rolle für die Beurteilung einer Beihilfe spielen soll,10 ist davon auszugehen, dass der EuGH ein kollusives Zusammenwirken zweier Abkommensstaaten mit dem Ziel der Gewährung selektiver Beihilfen missbilligen würde.11 Zu Recht wurde daher angebracht, dass sich z.B. DBA-Freistellungen nicht mehr aus der Logik der Doppelbesteuerungsvermeidung erklären ließen und sich damit auch als beihilferechtlich problematisch erweisen können, wenn sie keinen hinreichenden Bezug mehr zum Quellenstaat aufweisen.12 Vor diesem Hintergrund werden darüber hinaus auch sektorspezifische Bestimmungen in den Verteilungsnormen eines DBA zumindest erklärungsbedürftig, wenn sie etwa wie Art. 5 OECD-MA 2014 ausschließlich für Bau- und Montagebetriebsstätten zeitliche Grenzen vorsehen, innerhalb derer diese Tätigkeit „betriebsstättenlos“ ausgeführt werden können.13 Ähnliches gilt für die spezifischen Normen für die Tätigkeit von Gastdozenten, die im Falle einer selbständigen Tätigkeit als beihilferechtliches Unternehmen qualifizieren können,14 oder eine extensive Auslegung des

1 Vgl. etwa die frühen Arbeiten insbesondere von Sutter, SWI 2004, 4 ff. und Sutter in Gassner/Lang/Schuch/Staringer, Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2005, 83 ff. 2 Sutter in Gassner/Lang/Schuch/Staringer, Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2005, 83 (94 ff.); Sutter, SWI 2004, 4 (6 ff.); vgl. auch Luja, ET 2004, 234 (235 f.). 3 Vgl. oben Rz. 156. 4 Kommission, Beschluss v. 3.12.2015 –C(2015) 8343 final (Beihilfe SA. 38945) – McDonald’s, ABl. EU 2016 C 258, 11 Rz. 72. 5 So Luja, ET 2004, 234 (235 und 237). 6 EuGH v. 21.12.2016 – Rs. C- 524/14 P – Flughafen Lübeck, ECLI:EU:C:2016:971 Rz. 61. 7 EuGH v. 5.7.2005 – Rs. C-376/03 – D, EuGHE 2005, I-5821, Rz. 61. 8 Vgl. auch M. Lang, 17. ÖJT Band IV/1, 33 f. 9 Mit Blick auf die Grundfreiheiten EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Compagnie de Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6161 Rz. 57 f. Vgl. auch bereits oben Rz. 103 ff. 10 EuGH v. 15.11.2011 – Rs. C-106/09 P und C-107/09 P - Gibraltar, EuGHE 2011, I-11113 Rz. 88 ff.; vgl. bereits oben Rz. 155. 11 Zu Recht Sutter in Gassner/Lang/Schuch/Staringer, Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2005, 83 (87). 12 Sutter in Gassner/Lang/Schuch/Staringer, Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2005, 83 (112). 13 Diskutiert von Luja, ET 2004, 234 (235 ff.), der insoweit eine Notifizierung empfiehlt; kritisch auch Sutter in Gassner/Lang/Schuch/Staringer, Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2005, 83 (108). 14 Sutter in Gassner/Lang/Schuch/Staringer, Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2005, 83 (108 ff.).

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Schönfeld/Ellenrieder

G. DBA und EU-Recht

Rz. 159 Systematik

Art. 8 OECD-MA zugunsten der See- und Binnenschifffahrt sowie der Luftfahrtbranche.1 Soweit man die 06201 844884Situationen im Sinne der beihilferechtlichen Selektivitätsprüfung überhaupt für vergleichbar hält, wäre insoweit eine Fortentwicklung der Rechtfertigungsgründe wünschenswert, um tätigkeitsspezifischen Typisierungsbedürfnissen und den Besonderheiten der besteuerungswürdigen Wertschöpfung im Rahmen einer bestimmten Einkunftsart Rechnung zu tragen. Auch gilt es, die Symmetrie eines Abkommens mit einzubeziehen: Je nach Steuergefälle und Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung kann eine solche Differenzierung als Begünstigung oder aber als Belastung wirken. Darüber hinaus wurde auch kritisch diskutiert, ob durch unzulängliche (Rück-) Ausnahmen zu sog. limitation on benefits-Klauseln nach Art der in den US-Abkommen verwendeten Klauseln2 eine beihilferechtlich bedenkliche Differenzierung eintreten könnte.3 Auch die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung standen bereits im Fokus der beihilferechtlichen Literatur. So wurde bereits zur Diskussion gestellt, ob die Anrechnungsmethode letztlich eine „negative“ Beihilfe zugunsten der rein inländisch tätigen Unternehmen sein könnte, weil sie ihren grenzüberschreitend tätigen Konkurrenten die Möglichkeit verwehre, mit den Auslandseinkünften effektiv zu dem dortigen Steuersatz besteuert zu werden.4 Auch die Freistellungsmethode, insbesondere, wenn sie ohne Vorbehalte mit Blick auf die Besteuerung durch den anderen Staat gewährt wird, wurde schon zum Gegenstand von Untersuchungen gemacht.5 In letzter Zeit wird zuweilen v.a. unter Berufung auf das Gibraltar-Urteil des EuGH6 auch vertreten, dass eine Abkehr von wesentlichen internationalen Besteuerungsstandards wie z.B. – aber nicht nur – den OECDVerrechnungspreisleitlinien, eine Beihilfe darstellen könnte.7 Ein unzulängliches Missbrauchsvermeidungsregime, welches nicht mindestens eine Einmalbesteuerung grenzüberschreitender Einkünfte sicherstelle, könne demnach eine Beihilfe begründen, wodurch das Beihilferecht gleichsam zur „Wunderwaffe“ gegen BEPS würde.8 Dieser Ansatz erscheint fraglich, denn der Gerichtshof hat in der Sache Gibraltar keinerlei Bezug auf internationale Steuerstandards genommen, sondern lediglich – zu Recht9 – in Übereinstimmung mit seinem tradierten Drei-Stufen-Test die Inkohärenz eines Referenzsystems, bestehend aus einer jeweils gewinnabhängigen Lohnsummensteuer und Gewerbeflächennutzungssteuer verworfen, da diese Inkohärenz (wohl nicht ungewollt) zu einer weitgehenden Steuerfreistellung von Offshore-Unternehmen führte.10 Relevanz der Vermeidung der Doppelbesteuerung in Verlautbarungen der Kommission. In ihrer mittlerweile aufgehobenen Mitteilung zur Unternehmensbesteuerung nannte die Kommission Vorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gleich zwei Mal: Zum einen als Beispiel einer grundsätzlich allgemei-

1 Luja, ET 2004, 234 (235 f.); zustimmend Sutter in Gassner/Lang/Schuch/Staringer, Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2005, 83 (111); kritisch auch M. Lang, 17. ÖJT Band IV/1, 34 f. 2 Vgl. Art. 28 DBA-USA. 3 Das Problem aufwerfend Panayi, ET 2004, 83 ff.; eine Beihilfe ablehnend Luja, ET 2004, 234 (237 f.). Im Angesicht einer ähnlichen Regel-Ausnahme-Rückausnahme-Konstellation der Sanierungsklausel könnte die Rechtsprechung des EuGH v. 28.6.2018 – Rs. C-203/16 P – Dirk Andres (Sanierungsklausel), ECLI:EU:C:2018:506 tendenziell gegen eine Beihilfe zugunsten einer „berechtigten Person“ im Sinne des LOB-Tests sprechen, auch wenn der Gerichtshof hier nur die zutreffende Einstufung des Referenzsystem durch die Kommission und nicht das Vorliegen einer Abweichung prüfte. 4 Pistone, Intertax 40 (2012), 85 (89). Im Ergebnis a.A. Sutter, SWI 2004, 4 (9); Sutter in Gassner/Lang/Schuch/Staringer, Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2005, 83 (101 ff.) und M. Lang, 17. ÖJT Band IV/1, 34, jedoch jeweils im Rahmen der Prüfung, ob die Anrechnungsmethode einen selektiven Vorteil zugunsten der im Ausland tätigen Unternehmen begründet. 5 Kritisch differenzierend, aber eher theoretisch betrachtend Sutter, SWI 2004, 4 ff.; Sutter in Gassner/Lang/Schuch/ Staringer, Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2005, 83 (101 ff.) und M. Lang, 17. ÖJT Band IV/1, 34; klar eine Beihilfe ablehnend aber Luja, ET 2004, 234 (235). 6 EuGH v. 15.11.2011 – Rs. C-106/09 P und C-107/09 P – Gibraltar, EuGHE 2011, I-11113. 7 Vgl. Rossi-Maccanico, TNI 75 (2014), 857 ff.; Rossi-Maccanico, EC Tax Rev 24 (2015) 63 ff.; Ismer/Piotrowski, Intertax 2015, 559 (568 f.) und Ismer/Piotrowski, IStR 2015, 257 (260 [in Fn. 33] und 264; Ismer/Piotrowski, Intertax 46 (2018), 156, 164 f. 8 So die Essenz von Rossi-Maccanico, TNI 75 (2014), 857 ff.; Rossi-Maccanico, EC Tax Rev 24 (2015), 63 ff.; vgl. zu Recht a.A. mit zutreffender Begründung Luja, TNI 76 (2014), 353 ff. 9 Vgl. Schön in Lüdicke, Praxis und Zukunft des deutschen Internationalen Steuerrechts, 2012, 124: „Die Jungs sind wirklich zu weit gegangen“. 10 Vgl. eingehender Ellenrieder, IStR 2018, 480 (485 ff. m.w.N. zum Streitstand).

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nen, d.h. nicht-selektiven Maßnahme.1 Zum anderen wird auf Ebene der Rechtfertigung das Prinzip der Einmalbesteuerung genannt und daraus gefolgert, dass sich „die Berücksichtigung der an den Staat gezahlten Steuer, in dem das Unternehmen seinen Steuersitz hat“, in die Systemlogik einfüge.2 Insoweit wird die Vermeidung der Doppelbesteuerung gewissermaßen indirekt auf Rechtfertigungsebene berücksichtigt. Nachdem im zwischenzeitlichen Entwurf einer Bekanntmachung zum Beihilfebegriff die Vermeidung der Doppelbesteuerung ausdrücklich nur noch in den Erläuterungen zu den Besonderheiten von Investmentfonds bzw. Investmentgesellschaften genannt wurde,3 findet sich heute „die Notwendigkeit der Vermeidung der Doppelbesteuerung“ nur noch als Rechtfertigungsgrund in der finalen Bekanntmachung zum Beihilfebegriff wieder.4 Man könnte der Bekanntmachung zum Beihilfebegriff daher eine gewisse Verschärfung gegenüber der Mitteilung zur Unternehmensbesteuerung entnehmen, denn auf Rechtfertigungsebene gilt neben einer Beweislastumkehr zulasten des Mitgliedstaats die Pflicht zur Einrichtung von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen und das Verhältnismäßigkeitsprinzip.5 Aus diesen Prinzipien könnte man etwa eine Pflicht zur Einrichtung von Missbrauchsvermeidungsregimen zur Verhinderung einer Doppelnichtbesteuerung ableiten.6 Dies könnte im weitreichendsten Fall dazu führen, dass etwa ein Abkommensstaat ein DBA von vornherein so auszulegen hätte, dass er für den Steuerpflichtigen günstige Qualifikationskonflikte vermeidet;7 auch Instrumente wie subject-to-tax- oder switch-over-Klauseln könnten insoweit bei sehr weiter Auslegung dieser Prinzipien obligatorisch werden.8 Der Gerichtshof hat jedoch das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die Pflicht zur Einführung von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen bislang nicht weiter konturiert. Damit ist richtigerweise zu berücksichtigen, dass der EuGH anerkannt hat, dass es keinen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts gibt, der die Staaten im Bereich der direkten Besteuerung zur Missbrauchsvermeidung zwingt.9 Darüber hinaus wird sich zeigen müssen, ob und wie das Erfordernis der Vermeidung der Doppelbesteuerung bereits auf Ebene der prima facie-Selektivität von der Unionsrechtsprechung diskutiert werden wird. Da sich eine Doppelbesteuerung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten auf die Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen auswirkt, könnte die Vermeidung der Doppelbesteuerung bereits bei der Prüfung der Abweichung eine Rolle spielen, wenn man auf dieser Prüfstufe das Leistungsfähigkeitsprinzip als systemrelevantes Ziel der Vergleichsprüfung zugrunde legt; solche grenzüberschreitenden Sachverhalte wären insoweit nicht vergleichbar mit dem reinen Inlandsfall.10 Ob dies auch gilt, wenn im Ausland überhaupt keine Steuer erhoben wird,11 werden die Unionsgerichte zu klären haben. 160

Jüngere Entwicklungen in der Beschlusspraxis der Kommission. In jüngerer Zeit geht die Kommission vermehrt gegen die Ermöglichung von Gestaltungspraktiken vor, die der aggressiven Steuerplanung zugerechnet werden und im Rahmen des BEPS-Projekts der OECD12 adressiert werden. Die Kommission stellt diese Untersuchungen dabei selbst in den Zusammenhang mit dem Kampf gegen aggressive Steuerplanung.13 Dieses Vorgehen erinnert an das Ende der 1990er Jahre: In engem zeitlichen Zusammenhang mit dem OECD-Bericht zu schädlichem Steuerwettbewerb14 veröffentlichte die Kommission ihre damalige Mit1 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung, ABl. EG 1998 C 384, 3 Rz. 13. 2 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmenssteuerung [sic!], ABl. EG 1998 C 384, 3 Rz. 26. 3 Vgl. den Entwurf einer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe nach Artikel 107 Absatz 1 AEUV Rz. 163 f., abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/consultations/2014_state_aid_notion/draft_guidance_ de.pdf (zuletzt abgerufen am 16.9.2018). Bei den Rechtfertigungsgründen war dort lediglich der Grundsatz der Steuerneutralität genannt, s. ebendort Rz. 139. 4 Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 139. Die Nennung im Zusammenhang mit Investmentfonds wurde ebenfalls beibehalten, vgl. Rz. 162 f. der Bekanntmachung. 5 EuGH v. 8.9.2011 – Rs. C-78/08–C-80/08 – Paint Graphos, EuGHE 2011, I-7611 Rz. 73–75; s. auch oben Rz. 156. 6 In diese Richtung etwa Rossi-Maccanico, TNI 75 (2014), 857 (858); a.A. Luja, TNI 2014, 353 ff., skeptischer aber Luja, EU State Aid Law and National Tax Rulings, 16 f. (am 16.9.2018 zuletzt abgerufen unter http://www.europarl. europa.eu/RegData/etudes/IDAN/2015/563453/IPOL_IDA(2015)563453_EN.pdf). 7 Zu Recht skeptisch hierzu Sutter in Gassner/Lang/Schuch/Staringer, Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2005, 83 (112). 8 Vgl. zu diesem Gedanken noch Rz. 164. 9 EuGH v. 29.3.2012 – Rs. C-417/10 – 3M Italia, ECLI:EU:C:2012:184 Rz. 32. 10 In diese Richtung Szudoczky, The sources of EU law and their relationships: lessons for the field of taxation, 2014, 605. 11 Das Problem aufwerfend etwa M. Lang, 17. ÖJT Band IV/1, 34, der ferner daran zweifelt, dass sich das Problem mit der Verknüpfung mit einer subject-to-tax-Klausel völlig entschärfen ließe. 12 Vgl. hierzu Rz. 84 ff. 13 Vgl. die Pressemitteilung IP/15/4080. 14 OECD, Report on Harmful Tax Competition, 1998.

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teilung zur Unternehmensbesteuerung1 und untersuchte anschließend eine ganze Reihe von Maßnahmen, die als Instrument des schädlichen Steuerwettbewerbs diskutiert wurden.2 Erst in Folge dieser Mitteilung und dieser Verfahren entwickelte das steuerliche Beihilferecht seine heutige Relevanz. Die jüngsten Beschlüsse könnten daher eine neue Ära einleiten, in der Maßnahmen unter „BEPS-Verdacht“ verstärkt in den Fokus des Beihilferechts geraten. Mit Blick auf die Rückforderungskompetenzen3 der Kommission besteht somit für als „aggressiv“ empfundene Steuergestaltungsmaßnahmen ohne Notifizierungsverfahren eine latente Rechtsunsicherheit. Insbesondere: Verrechnungspreise und Beihilferecht. Im besonderen Fokus der Kommission stehen jüngst Verrechnungspreisgestaltungen. Die Kommission überprüft dabei, ob Mitgliedstaaten verbindliche Auskünfte bzw. APA akzeptierten, die nicht im Einklang mit den OECD-Verrechnungspreisleitlinien stehen.4 Das Vorgehen der Kommission ähnelt sich in allen Fällen stark und ist in den wesentlichen Grundzügen auch in der Bekanntmachung zum Beihilfebegriff beschrieben worden.5 Wenn sie nicht ausnahmsweise generell-abstrakte Regelungen prüft,6 sondern einzelne Vorbescheide, verweist sie oftmals darauf, dass bei solchen Einzelbeihilfen bereits das Vorliegen eines Vorteils die Selektivität indiziere.7 Diese prüft sie jedoch trotzdem hilfsweise. Verrechnungspreise werden dabei einerseits rechtlich daraufhin untersucht, ob sie mit den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien übereinstimmen und insbesondere die im konkreten Einzelfall für angemessen erachtete Verrechnungspreismethode zur Anwendung gelangt ist.8 Andererseits prüft sie aber auch in tatsächlicher Hinsicht, ob bspw. die vom Steuerpflichtigen behauptete Aufteilung von Funktionen und Risiken zutreffend beschrieben wurde.9 In den zunächst ergangenen Beschlüssen vertrat sie noch die Auffassung, dass zwischen Vorteil und Selektivität kaum unterschieden werden könne,10 und ermittelte den selektiven Vorteil anhand des Drei-Stufen-Tests.11 Sie ist dabei jeweils der Ansicht, dass das Körperschaftsteuerrecht das Referenzsystem bilde, das dem Ziel diene, die Gewinne der Unter-

1 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmenssteuerung [sic!], ABl. EG 1998 C 384, 3. 2 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung v. 9.2.2004 – C(2004) 434 – Bericht über die Umsetzung der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung. 3 Vgl. Rz. 157. 4 Die Kommission leitete eine ganze Reihe von vielbeachteten Verfahren ein, vgl. Beschluss (EU) 2017/502 v. 21.10.2015 – C(2015) 7143 final (Beihilfe SA.38374) – Starbucks, ABl. EU 2017 L 83, 38; Beschluss (EU) 2016/2326 v. 21.10.2015 – C(2015) 7152 final (Beihilfe SA.38375) – Fiat Finance and Trade, ABl. EU 2016 L 351, 1; Beschluss (EU) 2016/1699 v. 11.1.2016 – C(2015) 9837 (SA.37667) – Belgische Steuerregelung für Gewinnüberschüsse, ABl. EU 2016 L 260, 61; Beschluss (EU) 2017/1283 v. 30.8.2016 – C(2016) 5605 final (Beihilfe SA.38373) Apple, ABl. EU 2017 L 187, 1; Beschluss (EU) 2018/859 v. 4.10.2017 – C(2017) 6740 (Beihilfe SA.38944) – Amazon, ABl. EU 2018, L 153, 1; Beschluss 2018/C 121/04 v. 18.12.2017 – C(2017) 8753 final (Beihilfe SA.46470) – IKEA, AblEU 2018 C 121, 30. 5 Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 169 ff. 6 Beschluss (EU) 2016/1699 v. 11.1.2016 – C(2015) 9837 (SA.37667) – Belgische Steuerregelung für Gewinnüberschüsse, ABl. EU 2016 L 260, 61. 7 Vgl. z.B. Beschluss (EU) 2017/1283 v. 30.8.2016 – C(2016) 5605 final (Beihilfe SA.38373) Apple, ABl. EU 2017 L 187, 1 Rz. 224; Beschluss (EU) 2018/859 v. 4.10.2017 – C(2017) 6740 (Beihilfe SA.38944) – Amazon, ABl. EU 2018, L 153, 1 Rz. 583 ff. 8 Grundlegend die Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 174 Buchst. c: indirekte Methode wie z.B. cost-plus-Methode, obwohl direktere Methoden zur Verfügung stünden; vgl. exemplarisch z.B. Beschluss (EU) 2016/2326 v. 21.10.2015 – C(2015) 7152 final (Beihilfe SA.38375) – Fiat Finance and Trade, ABl. EU 2016 L 351, 1 Rz. 241 ff.; Beschluss (EU) 2018/859 v. 4.10.2017 – C(2017) 6740 (Beihilfe SA.38944) – Amazon, ABl. EU 2018, L 153, 1 Rz. 519 ff. 9 Beschluss (EU) 2017/1283 v. 30.8.2016 – C(2016) 5605 final (Beihilfe SA.38373) Apple, ABl. EU 2017 L 187, 1 Rz. 282 ff.; Beschluss (EU) 2018/859 v. 4.10.2017 – C(2017) 6740 (Beihilfe SA.38944) – Amazon, ABl. EU 2018, L 153, 1 Rz. 473 ff. und 565 ff.; Beschluss 2018/C 121/04 v. 18.12.2017 – C(2017) 8753 final (Beihilfe SA.46470) – IKEA, ABl. EU 2018 C 121, 30 Rz. 115 ff. 10 Z.B. Beschluss (EU) 2016/2326 v. 21.10.2015 – C(2015) 7152 final (Beihilfe SA.38375) – Fiat Finance and Trade, ABl. EU 2016 L 351, 1 Rz. 217; Beschluss (EU) 2017/502 v. 21.10.2015 – C(2015) 7143 final (Beihilfe SA.38374) – Starbucks, ABl. EU 2017 L 83, 38 Rz. 253. 11 Z.B. Beschluss (EU) 2017/502 v. 21.10.2015 – C(2015) 7143 final (Beihilfe SA.38374) – Starbucks, ABl. EU 2017 L 83, 38 Rz. 231 ff.; Beschluss (EU) 2016/2326 v. 21.10.2015 – C(2015) 7152 final (Beihilfe SA.38375) – Fiat Finance and Trade, ABl. EU 2016 L 351, 1 Rz. 193 ff.; Beschluss (EU) 2016/1699 v. 11.1.2016 – C(2015) 9837 (SA.37667) – Belgische Steuerregelung für Gewinnüberschüsse, ABl. EU 2016 L 260, 61 Rz. 120 ff.

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Systematik Rz. 161

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

nehmen zu besteuern.1 Vor diesem Ziel seien konzernverbundene Unternehmen in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Situation mit unverbundenen Unternehmen, deren Gewinne naturgemäß aufgrund marktkonformer Preise entstehen.2 Da dieser Grundgedanke allen Steuersystemen zugrunde liege, sei ein Abweichen vom Fremdvergleichsgrundsatz – der der Ermittlung des marktkonformen Preises diene – gleichzeitig eine prima facie-selektive Abweichung vom Referenzsystem; dies gelte unabhängig davon, ob er in einzelstaatlichen Steuersystemen verankert sei.3 Aufgrund ihrer internationalen Akzeptanz könne dieser beihilferechtliche Fremdvergleichsgrundsatz „in der Regel“ (!) anhand der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien bestimmt werden.4 In neueren Beschlüssen geht die Kommission nun dazu über, zwischen Vorteil und Selektivität zu trennen. In diesen Fällen prüft sie die Vereinbarkeit mit dem Fremdvergleichsgrundsatz im Rahmen des Vorteilskriteriums bei der Verringerung einer normalerweise zu tragenden Last.5 Sie hat dabei das vorgenannte Argumentationsmuster jedoch im Grundsatz beibehalten und verweist dann in ihrer Begründung der Selektivität in wesentlichen Teilen auf ihre Argumentation zum Vorteil.6 Ob dieses neuartige Vorgehen vor den Unionsgerichten Bestand haben wird, ist fraglich. Vor dem EuG sind jedenfalls bereits zahlreiche Klagen anhängig,7 die ihren Weg im Rechtsmittel sicherlich auch zum EuGH finden werden. Vor den Gerichten könnte eine Besonderheit des unionsrechtlichen Verfahrensrechts relevant werden: Bei der Beurteilung von technischen und komplexen wirtschaftlichen Sachverhalten gestehen die Unionsgerichte der Kommission einen Beurteilungsspielraum zu und üben insoweit nur eine beschränkte gerichtliche Kontrolle aus.8 Die ökonomisch geprägte Beurteilung der zutreffenden Verrechnungspreisbandbreite könnte, zumal wenn immaterielle Wirtschaftsgüter oder komplexe Finanzierungstransaktionen zu bewerten sind, potenziell in diese Kategorie fallen. 162

Kritik. Die Praxis der Kommission zu den Verrechnungspreisen könnte sich auf die Anwendung von Art. 9 OECD-MA und Art. 7 OECD-MA auswirken. Sie ist jedoch auf – teilweise scharfe – Kritik im Schrifttum gestoßen. Diese fußt z.B. darauf, dass die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien nur rechtlich unverbindliches Soft Law darstellten.9 Zu Recht wird auch darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten in der Ausgestaltung ihres Referenzsystems frei seien und daher die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien nicht unabhängig vom Recht des jeweiligen Mitgliedstaats zum Prüfungsmaßstab des Beihilferechts erhoben werden können.10 Auch die von der Kommission in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs in der Sache Forum 18711 stützt das Vorgehen der Kommission nach zutreffender Ansicht nicht.12 Die Kommission erhebt den Fremdvergleichsgrundsatz in der spezifischen Ausprägung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien gleichsam zu einer Art „Naturgesetz“ des Ertragsteuerrechts. Durch die Vorlage eines Richtlinienentwurfs ei1 Z.B. Beschluss (EU) 2017/502 v. 21.10.2015 – C(2015) 7143 final (Beihilfe SA.38374) – Starbucks, ABl. EU 2017 L 83, 38 Rz. 232 ff.; Beschluss (EU) 2016/1699 v. 11.1.2016 – C(2015) 9837 (SA.37667) – Belgische Steuerregelung für Gewinnüberschüsse, ABl. EU 2016 L 260, 61 Rz. 123 ff. 2 Beschluss (EU) 2017/502 v. 21.10.2015 – C(2015) 7143 final (Beihilfe SA.38374) – Starbucks, ABl. EU 2017 L 83, 38 Rz. 236; Beschluss (EU) 2016/2326 v. 21.10.2015 – C(2015) 7152 final (Beihilfe SA.38375) – Fiat Finance and Trade, ABl. EU 2016 L 351, 1 Rz. 199; Beschluss (EU) 2017/1283 v. 30.8.2016 – C(2016) 5605 final (Beihilfe SA.38373) Apple, ABl. EU 2017 L 187, 1 Rz. 228. 3 Grundlegend die Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 172. 4 Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 Rz. 173; kritisch gegenüber einem scheinbar selbständig neben den Verrechnungspreisrichtlinien stehenden originär beihilferechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz aufgrund der damit verbundenen Rechtsunsicherheit etwa Kyriazis, EStAL 2016, 428 (437 f.). 5 Beschluss (EU) 2018/859 v. 4.10.2017 – C(2017) 6740 (Beihilfe SA.38944) – Amazon, ABl. EU 2018, L 153, 1 Rz. 401 ff.; Beschluss 2018/C 121/04 v. 18.12.2017 – C(2017) 8753 final (Beihilfe SA.46470) – IKEA, ABl. EU 2018 C 121, 30 Rz. 110 ff. 6 Beschluss (EU) 2018/859 v. 4.10.2017 – C(2017) 6740 (Beihilfe SA.38944) – Amazon, ABl. EU 2018, L 153, 1 Rz. 585 ff.; Beschluss 2018/C 121/04 v. 18.12.2017 – C(2017) 8753 final (Beihilfe SA.46470) – IKEA, ABl. EU 2018 C 121, 30 Rz. 223 ff. 7 Vgl. z.B. Rs. T-760/15, T-759/15, T-755/15, T-636/16, T-778/16, T-892/16, T-816/17, T-318/18. 8 EuGH v. 2.9.2010 – Rs. C-290/07 P – Scott, EuGHE 2010, I-7763 Rz. 66; v. 22.12.2008 – Rs. C-487/06 P – British Aggregates, EuGHE 2008, I-10515 Rz. 111 ff. 9 Bartosch, BB 2015, 34 (36); Brocke/Wohlhöfler, IWB 2015, 434 (437); Vos, EC Tax Rev. 2018, 113 (115). 10 Bartosch, BB 2015, 34 (36); Brocke/Wohlhöfler, IWB 2015, 434 (437); Taferner/Kuipers, ET 2016, 134 (139); Kyriazis, EStAL 2016, 428 (433 f.); eingehend auch Bartosch, BB 2017, 2199 ff. 11 EuGH v. 22.6.2006 – Rs. C-182/03 und C-217/03 – Belgien und Forum 187/Kommission, EuGHE 2006, I-5479. 12 Nicolaides, EStAL 2016, 416 (420); Kyriazis, EStAL 2016, 428 (435 f.), Joris/Wout De Cock, EStAL 2017, 607 ff.; Vos, EC Tax Rev. 2018, 113 (117). In der Rs. Forum 187 ging es um ein Sondersteuerregime für bestimmte Koordinationszentren, die bestimmte Voraussetzungen erfüllten und denen gleich mehrere Steuervorteile gewährt wurden. Die dort streitigen Maßnahmen waren gleich aus mehrerlei Gründen selektiv, ein Bezug des Gerichtshofs auf die Verrechnungspreissrichtlinien der OECD fehlt völlig.

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G. DBA und EU-Recht

Rz. 163 Systematik

ner Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage hat die Kommission allerdings selbst bewiesen, dass der Fremdvergleichsgrundsatz nicht zwingend ist, sondern bei verbundenen Unternehmensgruppen auch bspw. eine formelhafte Gewinnaufteilung möglich ist.1 Zudem überzeugt auch die Grundannahme der Kommission nicht, nach der sich unverbundene und verbundene Unternehmen mit Blick auf das Ziel von Ertragsteuersystemen stets in vergleichbarer Situation befänden.2 Erst jüngst hatte der Gerichtshof in seiner Hornbach-Entscheidung mit Blick auf die Niederlassungsfreiheit klargemacht, dass ein Unternehmen eine Abweichung vom Fremdvergleichspreis durch wirtschaftliche Gründe rechtfertigen können muss, die auch aus der Gesellschafterstellung herrühren können.3 Ein beihilferechtlich verpflichtender Fremdvergleichsgrundsatz ist mit dieser Rechtsprechung nicht vereinbar. Verbundene und unverbundene Unternehmen sind insoweit nicht vergleichbar, da sich bei Transaktionen mit unverbundenen Unternehmen die Frage nach aus der Gesellschafterstellung herrührenden wirtschaftlichen Gründen gar nicht erst stellen kann. Richtig ist aber, dass das Beihilferecht einen Mitgliedstaat dazu zwingt, seine eigenen Besteuerungsprinzipien kohärent umzusetzen.4 Soweit ein Mitgliedstaat auf konzerninterne Transaktionen den Fremdvergleichsgrundsatz anwendet, kann ein Abweichen von diesem Grundsatz durchaus den Verdacht einer Beihilfe begründen.5 Dies gilt aber stets nur für die konkret durch den Mitgliedstaat jeweils verwirklichte „Spielart“ des Fremdvergleichsgrundsatzes. Ordnet ein Mitgliedstaat beispielsweise selbst die Geltung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien an, muss er sich aus der Perspektive des Beihilferechts daran festhalten lassen.6 Der Gerichtshof deutete an, dass hierbei auch Verwaltungsschreiben beihilferechtlich relevant sein können.7 Ein Verweis auf die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien in BMF-Schreiben8 könnte demnach bereits ausreichen, um diese Richtlinien ungeachtet ihres Charakters als soft law über den Weg des Beihilferechts wenigstens teilweise9 „auszuhärten“ und verbindlich zu machen. Richtigerweise muss aber die Kommission die Anwendung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien in einem Mitgliedstaat feststellen.10 Es stellt sich auch dann aber die bislang noch nicht abschließend beantwortete Frage, ob und inwieweit allein Fehler bei der Rechtsanwendung im Einzelfall zwingend eine Beihilfe darstellen. Insbesondere: Anwendung von DBA und Beihilferecht. Im Verfahren McDonald’s äußerte sich die Kommission in einem Beschluss zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens zum ersten Mal ausführlich zur Anwendung des Beihilferechts auf das Recht der DBA.11 In der Sache ging es um einen Qualifikationskonflikt im weiteren Sinne, der im Ergebnis in einer doppelten Nichtbesteuerung mündete. Die luxemburgischen Steuerbehörden legten den Betriebsstättenbegriff aus luxemburgischer Sicht aus. In der Konsequenz wurden Lizenzeinkünfte einer US-amerikanischen Betriebsstätte eines in Luxemburg ansässigen Unternehmens der McDonald’s-Gruppe zugerechnet, die aber aus Sicht der amerikanischen Finanzverwaltung – wohl nach dem innerstaatlichem US-Recht12 – nicht die Voraussetzungen einer Betriebsstätte erfüllte. Die Kommission sah in ihrem Beschluss zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens hierin noch eine Beihilfe, änderte aber ihre Meinung zum Abschluss des Prüfverfahrens hin: Ihrer anfänglichen Analyse des Tatbestandsmerkmals der Selektivität nach bestand das Referenzsystem im gesamten Körperschaftsteuerrecht Luxemburgs, einschließlich der DBA; Ziel des Systems sei die Besteuerung des Welteinkommens der in Luxemburg ansässigen Unternehmen, es sei denn, ein Doppelbesteuerungsabkommen finde Anwendung und

1 Vgl. Europäische Kommission v. 25.10.2016 – COM(2016) 683 final – Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB), Art. 28 ff. 2 Kritisch bspw. auch Verhagen, ET 2017, 279 (283 f.). 3 EuGH v. 31.5.2018 – Rs. C-382/16 – Hornbach-Baumarkt, ECLI:EU:C:2018:366 Rz. 49 ff. 4 Ellenrieder, IStR 2018, 480 (484). 5 Zutreffend Linn, IStR 2015, 114 (119); Taferner/Kuipers, ET 2016, 134 (139). 6 In diese Richtung auch Blumenberg in FS Endres, 2016, 17 (27 f.). 7 Vgl. EuGH v. 18.7.2013 – Rs. C-6/12 – P Oy, ECLI:EU:C:2013:525 Rz. 20, 28 und 30. 8 Vgl. etwa BMF v. 5.7.2018 – IV B 5 - S 1341/0:003 – DOK 2018/0513090 BStBl. I 2018, 743. 9 Da das Beihilferecht naturgemäß nur Begünstigungen erfassen kann, würden belastende Abweichungen von den Richtlinien grundsätzlich beihilferechtlich irrelevant bleiben. 10 Dies versuchte die Kommission bspw. im Beschluss (EU) 2017/502 v. 21.10.2015 – C(2015) 7143 final – Starbucks, ABl. EU 2017 L 83, 38 Rz. 87 ff. und 237 und Beschluss (EU) 2016/2326 v. 21.10.2015 – C(2015) 7152 final (Beihilfe SA.38375) – Fiat Finance and Trade (FFT), ABl. EU 2016 L 351, 1, Rz. 76 ff. 11 Europäische Kommission, Beschluss 2016/C 258/03 v. 3.12.2015 – C(2015) 8343 final (Beihilfe SA.38945) – McDonald’s, ABl. EU 2016 C 258, 11. 12 Vgl. Rz. 46 der Entscheidung: „[…] McD Europe’s tax advisor explains that based on US domestic law and although the US Franchise Branch has a fixed place of business through which the branch manager conducts certain activities, the US Franchise Branch does not constitute a PE for US tax purposes […]“ (Hervorhebung durch den Verfasser).

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Systematik Rz. 163

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

sehe eine Befreiung von Einkünften vor.1 Luxemburg habe jedoch nach der ersten Einschätzung der Kommission sowohl das DBA Luxemburg/USA als auch das innerstaatliche Recht, welches das Abkommen umsetzt, im Vorbescheid fehlerhaft angewandt. Zwar seien nach Art. 25 Abs. 2 DBA Luxemburg/USA Einkünfte, die in den USA besteuert werden können, in Luxemburg freizustellen. Auch liest die Kommission in diese Abkommensbestimmung nicht hinein, dass sie eine effektive Besteuerung der Einkünfte in den USA zur Voraussetzung der Freistellung mache; jedoch müssten diese Einkünfte in den USA besteuert werden können. Dies sei nach Art. 7 des DBA Luxemburg/USA über die Unternehmensgewinne aber nicht möglich gewesen, da diese Abkommensbestimmung den USA nur ein Besteuerungsrecht für Einkünfte einer Betriebsstätte zugestehe und eine solche Betriebsstätte in den Vereinigten Staaten aus US-Sicht eben nicht bestehe. Da die USA diese Einkünfte nicht besteuern konnten, hätte Luxemburg diese nicht nach Art. 25 Abs. 2 DBA Luxemburg/USA freistellen dürfen.2 In dieser Sichtweise sah sich die Kommission durch die Ausführungen zu Qualifikationskonflikten in Tz. 32.6 des OECD-Musterkommentars zu Art. 23A des OECD-MA bestätigt.3 In Pressemitteilungen verkündete die Kommission nun, dass sie von ihrer anfänglichen Analyse Abstand nehme und in ihrem finalen Beschluss entschieden habe, dass keine Beihilfe vorliege, da Luxemburg nach seinem eigenen Steuerrecht davon ausgehen durfte, dass eine Betriebsstätte in den USA vorlag.4 Der finale Beschluss ist noch nicht veröffentlicht, doch es lässt sich den Pressemitteilungen der Kommission entnehmen, dass eine Disparität zwischen zwei Steuerordnungen für sich (noch) nicht ausreichend ist, um eine selektive Fehlanwendung eines Abkommens darzutun.5 164

Kritik. Ob die Kommission mit ihrer McDonald’s-Entscheidung im Ergebnis richtig liegt, ist richtigerweise eine Frage des luxemburgischen Steuerrechts, die daher an dieser Stelle nicht beantwortet werden kann.6 Der Eröffnungsbeschluss der Kommission vermochte insoweit nicht zu überzeugen, als er sich noch kaum mit der eigentlich entscheidungsrelevanten Sicht des luxemburgischen Rechts auseinandersetzte. Auch auf die abkommensrechtliche Sicht der Vereinigten Staaten auf den Betriebsstättenbegriff ging er kaum ein. Aus den Pressemitteilungen lässt sich nun aber schließen, dass sich die Kommission bis zu ihrem abschließenden Beschluss zumindest mit der Sicht des luxemburgischen Rechts auf den Abkommenssachverhalt befasst und insoweit im Fall von McDonald’s keine selektive Sonderbehandlung erkannt hat. Die Bestimmung des Referenzsystems im Eröffnungsbeschluss hingegen vermochte zu überzeugen. Wenn man richtigerweise als Referenzsystem das gesamte Körperschaft- oder Einkommensteuersystem einschließlich der DBA betrachtet, dürften auch die Ziele der Abkommen beim Vergleichstest auf der zweiten Stufe der Selektivitätsprüfung den Prüfungsmaßstab bilden. Damit sollten nur Abkommensbestimmungen, die die Abkommensziele inkohärent umsetzen oder abkommensfremde – etwa sozialpolitische oder steuerfremde wirtschaftspolitische – Ziele verfolgen, in beihilferechtlicher Sicht zu diskutieren sein. Ob und inwieweit das mitgliedstaatliche Recht aber an die steuerliche Behandlung im anderen Abkommensstaat eigene Steuerfolgen knüpft, müsste richtigerweise dem jeweiligen Mitgliedstaat überlassen bleiben, wenn dieser wirklich frei sein soll, sein steuerliches Referenzsystems selbst zu bestimmen. Scheinbar teilt die Kommission in ihrem finalen Beschluss nunmehr diese Grundhaltung. Eine Beihilfe könnte aber auch nach diesem Verständnis gegeben sein, wenn ein Abkommen oder aber das abkommensüberschreitende mitgliedstaatliche Steuerrecht eine subject-to-tax-Klausel zwar vorsieht, diese aber im zu untersuchenden Fall fehlerhaft (oder gar nicht) angewendet wird. Der Mitgliedstaat ist nach dem Beihilferecht nur gehalten, das Referenzsystem kohärent umzusetzen. Es wäre deshalb höchst bedenklich, wenn es vom Recht des jeweils anderen Abkommensstaats abhinge, ob eine Maßnahme eines Mitgliedstaats eine unionsrechtswidrige Beihilfe darstellt.7 Daher sollte richtigerweise die Gefahr einer doppelten Nichtbesteuerung auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auf der Rechtferti1 Europäische Kommission, Beschluss 2016/C 258/03 v. 3.12.2015 – C(2015) 8343 final (Beihilfe SA.38945) – McDonald’s, ABl. EU 2016 C 258, 11 Rz. 69 ff. und 76 ff. 2 Vgl., auch zum Vorhergehenden Europäische Kommission, Beschluss 2016/C 258/03 v. 3.12.2015 – C(2015) 8343 final (Beihilfe SA.38945) – McDonald’s, ABl. EU 2016 C 258, 11 Rz. 84 ff. 3 Vgl. Europäische Kommission, Beschluss 2016/C 258/03 v. 3.12.2015 – C(2015) 8343 final (Beihilfe SA.38945) – McDonald’s, ABl. EU 2016 C 258, 11 Rz. 90: „The Commission’s understanding […] is in line with the OECD Commentaries […]“. Weitergehend wohl das abweichende Verständnis von Linn/Pignot, StuB 2016, 573 (577), nach dem die Kommission den OECD-Musterkommentar zum Maßstab ihrer Prüfung gemacht habe. 4 Vgl. die Pressemitteilung IP/18/5831 der Kommission v. 19.9.2018 und das Statement/18/5833 der Wettbewerbskommissarin Vestager v. 19.9.2018. 5 Vgl. die Pressemitteilung IP/18/5831 der Kommission v. 19.9.2018 und das Statement/18/5833 der Wettbewerbskommissarin Vestager v. 19.9.2018. 6 Vgl. Schnitger, IStR 2017, 421 (430). 7 Vgl., wenn auch zum Recht der Grundfreiheiten, M. Lang, DStJG 41 (2018), 383 (385).

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G. DBA und EU-Recht

Rz. 167 Systematik

gungsebene der Selektivitätsprüfung1 jedenfalls dann unbeachtlich sein, wenn der jeweilige Mitgliedstaat sein eigenes Recht kohärent umsetzt und dabei systemfremde Erwägungen außen vor lässt. Wenn der Gerichtshof seine Rechtsprechung zu den Grundfreiten auf das Beihilferecht übertragen würde, sollte auch das Beihilferecht keinen Grundsatz der Meistbegünstigung2 bedingen.3 Dies gilt auch für Übertragbarkeit der faktischen „Immunisierung“ der Verteilungsnormen eines DBA in der Rechtsprechung des EuGH auf das Beihilferecht.4 Die Vergleichsprüfung, die beim Tatbestandsmerkmal der Selektivität vorzunehmen ist, könnte in ihrer Gestalt als Diskriminierungsprüfung einen dogmatischen Weg aufweisen, auf dem sich die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Grundfreiheiten auf das Beihilferecht übertragen ließe. Ausblick. Auch das Abkommensrecht wird sich dem Sog des Beihilferechts nicht entziehen können. Mit der McDonald’s-Entscheidung hat die Kommission den ersten Schritt getan. Die Veröffentlichung des verfahrensbeendenden Beschlusses im Wortlaut kann mit Spannung erwartet werden und verspricht Rückschlüsse der beihilferechtlichen Sicht der Kommission auf das Recht der DBA. Die Unionsgerichte werden ggf. selbst eines Tages Abkommensrecht im Rahmen eines Beihilfeverfahrens auslegen müssen,5 um zu bestimmen, ob ein Mitgliedstaat ein Abkommen „richtig“, wenigstens aber nach seinem Verständnis kohärent ausgelegt hat. Die weitere Entwicklung ist zwar zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen. Die vorstehenden Ausführungen sollten aber illustriert haben, dass das Abkommensrecht auch unter beihilferechtlichen Gesichtspunkten vielerlei Facetten zu bieten hat. Befürchtungen des Schrifttums, nach denen das Beihilferecht faktisch weite Teile der Abkommenspraxis wenigstens in Frage stellen könnte, scheinen sich nach dem finalen Beschluss im McDonald’s-Fall nun nicht zu erfüllen. Dies ist im Ergebnis auch richtig, denn grundsätzlich steht weder der Kommission oder dem EuGH die Hoheit zur originären Auslegung des Abkommensrechts zu, noch ist das Beihilferecht ein originäres Instrument zur Harmonisierung des Abkommensrechts oder zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs. Gleichwohl ist der Rechtsanwender gut beraten, auch bei der Anwendung des Abkommensrechts die beihilferechtlichen Entwicklungen kritisch zu verfolgen.

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III. Einwirkung sekundären Unionsrechts auf DBA Verhältnis von Richtlinien- und DBA-Recht. Für das Verhältnis von Richtlinien- zum DBA-Recht gelten zunächst die Ausführungen zur unmittelbaren Geltung und zum Anwendungsvorrang des Unionsrechts entsprechend (Rz. 103). Soweit eine transformierte Richtlinienbestimmung (oder soweit diese aufgrund eines Umsetzungsmangels unmittelbar gilt) ein „Mehr“ an Rechten gegenüber einer kollidierenden DBA-Regelungen gewährt, geht die Richtlinienbestimmung unmittelbar vor (z.B. Quellensteuerreduktion auf null nach MTRL gegenüber Quellensteuerreduktion auf 5 % nach DBA). Bleibt das in einer (transformierten) Richtlinienbestimmung niedergelegte Recht hinter einer entsprechenden DBA-Regelung zurück, so enthalten die RL zumeist einen Günstigkeitsvorbehalt zugunsten des DBA (vgl. z.B. Art. 9 Zins- und Lizenzgebühren-RL, wonach diese RL „nicht die Anwendung einzelstaatlicher oder bilateraler Bestimmungen [berührt], die über die Bestimmungen dieser RL hinausgehen und die Beseitigung oder Abschwächung der Doppelbesteuerung von Zinsen und Lizenzgebühren bezwecken“). Etwas ambivalent kann das Verhältnis des in Art. 7 Abs. 2 MTRL enthaltenen Vorbehalts zu DBA sein.6 Eine andere Frage geht dahin, ob eine in einer RL enthaltene Verpflichtung eine solche DBA-Regelung zu verdrängen vermag, die hinter der Richtlinienverpflichtung zurückbleibt (z.B. Pflicht zur Amtshilfe nach Amtshilfe-RL gegenüber kleiner Auskunftsklausel nach DBA). Soweit z.B. Art. 11 Amtshilfe-RL normiert, dass „[w]eitergehende Verpflichtungen zum Auskunftsaustausch nach anderen Rechtsvorschriften […] von den vorstehenden Bestimmungen unberührt bleiben“, besagt das noch nichts darüber, ob „geringere Verpflichtungen“ ebenfalls unangetastet bleiben. Allerdings wird man mit Blick auf den allgemeinen Telos der RL, einen Binnenmarkt ohne Grenzen zu schaffen, die Auffassung vertreten müssen, dass weitergehende (und damit der Schaffung des Binnenmarkts dienende) Richtlinienbestimmungen hinter dem Binnenmarktstandard zurückbleibendes Abkommensrecht verdrängen.7

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Mutter-Tochter-RL. Die MTRL8 will Hindernisse beseitigen, die für grenzüberschreitende Dividendenzahlungen von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft an eine im anderen Mitgliedstaat

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1 2 3 4 5

Vgl. oben Rz. 159. Vgl. hierzu oben in Rz. 122 und 143 f. In diese Richtung auch Broe, EC Tax Rev. 2018, 228 (231). Vgl. oben in Rz. 122. Im Schrifttum wurde der Gerichtshof dafür kritisiert, sich bei diesem Unterfangen in der Vergangenheit „nicht mit Ruhm bekleckert“ zu haben, vgl. M. Lang, DStJG 41 (2018), 383 (387). 6 Vgl. ausführlich Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 847 ff. 7 Zum Ganzen vgl. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 840 ff. 8 RL 2011/96/EU, ABl. EU 2011 L 345, 8.

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Systematik Rz. 167

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

ansässige Muttergesellschaft aus der Besteuerung im Quellen- und im Ansässigkeitsstaat resultieren können. Für den Quellenstaat enthält Art. 5 Abs. 1 MTRL dabei ein Quellenbesteuerungsverbot, wohingegen der Ansässigkeitsstaat gem. Art. 4 Abs. 1 MTRL zur wahlweisen Entlastung nach der Anrechnungs- oder Freistellungsmethode verpflichtet ist. Damit überlagert die MTRL die in Art. 10 und 23A OECD-MA enthaltenen DBA-Regelungen. Hinzuweisen ist darauf, dass der Telos des Quellenbesteuerungsverbots darin besteht, an die (grenzüberschreitende) Ausschüttungsentscheidung der Muttergesellschaft keine negativen Konsequenzen bei der Tochtergesellschaft (durch den Quellenstaat) zu knüpfen. Vor diesem Regelungsanliegen erscheint es daher verwunderlich, wenn der EuGH mittlerweile1 anstelle einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ein formalisierendes Quellensteuerverständnis pflegt, nach dem eine Quellensteuer zwingend voraussetzt, dass der Ausschüttungsempfänger auch der (formale) Steuerschuldner sein soll.2 Der Anwendungsbereich der MTRL ist i.Ü. nur für die im Anh. zur MTRL enumerativ aufgezählten Gesellschaften eröffnet, soweit die in Art. 3 MTRL enthaltenen weiteren Beteiligungsvoraussetzungen erfüllt sind (insbesondere Mindestbeteiligung). Die geänderte RL enthält nunmehr auch Regelungen unter Beteiligung von Betriebsstätten.3 Hinzuweisen ist auch auf den in Art. 1 Abs. 4 MTRL enthaltenen Vorbehalt zugunsten einzelstaatlicher oder vertraglicher Missbrauchsbekämpfungsvorschriften. Das kann insbesondere für die Zulässigkeit von Anti-Treaty-Shopping-Klauseln sowie für Aktivitätsvorbehalte und Subject-to-tax-Klauseln von Bedeutung sein. Art. 1 Abs. 4 MTRL entbindet die Mitgliedstaaten indes nicht davon, ihre Anti-Missbrauchsvorschriften verhältnismäßig auszugestalten (zum Gegenbeweis im Einzelfall vgl. Rz. 119). Wie der EuGH in gleich zwei Entscheidungen feststellte, ist es dem Gesetzgeber bei § 50d Abs. 3 EStG nicht gelungen, diesen Voraussetzungen gerecht zu werden.4 Mittlerweile wurden nun mit Art. 1 Abs. 2 und 3 MTRL Vorschriften eingeführt, die eine sekundärrechtliche Versagung von Richtlinienvorteilen im Missbrauchsfall vorsehen. Diese Vorschriften fassen den Missbrauchstatbestand aber weiter als die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Grundfreiheiten.5 Fraglich ist derzeit noch, wie der Gerichtshof diese Diskrepanz auflösen wird.6 Richtigerweise kann ein strengerer Missbrauchsbegriff der MTRL allenfalls insoweit gelten, als der Gewährleistungsgehalt der MTRL über denjenigen der Grundfreiheiten hinausgeht.7 Soweit sich der Gewährleistungsgehalt von Richtlinie und Grundfreiheiten decken, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit der MTRL mit dem Primärrecht.8 168

Zins- und Lizenzgebühren-RL. Das Anliegen der Zins- und Lizenzgebühren-RL9 besteht darin, Zins- und Lizenzgebührenzahlungen zwischen verbundenen Unternehmen umfassend von der Besteuerung an der Quelle zu befreien (Art. 1 Zins- und Lizenzgebühren-RL). Damit werden Art. 11 und 12 OECD-MA überlagert. Zugleich wird den Mitgliedstaaten die Chance genommen, im Anwendungsbereich der RL insbesondere auf Zinsen entsprechende Quellensteuern zu erheben. Ob sich die Mitgliedstaaten der Konsequenzen ihres Handelns bewusst waren, als sie der RL zustimmten, darf bezweifelt werden. Nur ein Beleg für die Reparaturversuche ist die missglückte Regelung in § 8a KStG i.d.F. des UntStRefG 2008. Was unter Zinsen und Lizenzgebühren zu verstehen ist, regelt Art. 2 Zins- und Lizenzgebühren-RL, was ein verbundenes Unternehmen ist, Art. 3 Zins- und Lizenzgebühren-RL. Art. 4 Zins- und Lizenzgebühren-RL enthält einen Ausschluss

1 Mindestens missverständlich noch EuGH v. 4.10.2001 – Rs. C-294/99 – Athinaïki, EuGHE 2001, I-6797 Rz. 23 ff.; vgl. hierzu Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 14.83. 2 Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise lehnt der Gerichtshof insoweit ausdrücklich ab, EuGH v. 17.5.2017 – Rs. C-68/15 – Belgische Fairness Tax, ECLI:EU:C:2017:379 Rz. 63 ff.; s. auch EuGH v. 26.6.2008 – Rs. C-284/06 – Burda, EuGHE 2008, I-4571 Rz. 58–62. Vgl. hierzu Ellenrieder/Kahlenberg, BB 2018, 1879 (1882 f.). 3 Vgl. ausführlich Bullinger, IStR 2004, 406. 4 EuGH v. 20.12.2017 – verb. Rs. C-504/16 und C-613/16 – Deister Holding und Juhler Holding, ECLI:EU:C: 2017:1009 für § 50d Abs. 3 EStG a.F.; nachfolgend BMF v. 4.4.2018 – IV B 3 – S 2411/07/10016-14 – DOK 2018/0148776, BStBl. I 2018, 589 (kritisch hierzu Schönfeld, IStR 2018, 325 und Beutel/Oppel, DStR 2018, 1469). Vgl. zudem EuGH v. 14.6.2018 – Rs. C-440/17 – GS, ECLI:EU:C:2018:437 für § 50d Abs. 3 EStG idF des Beitreibungsrichtlinienumsetzungsgesetzes v. 7.12.2011 (BGBl. I 2011, 2592); vgl. zur Thematik ferner z.B. Schnitger, IStR 2018, 169; Kraft, NWB 2018, 473; Kahlenberg, IWB 2018, 145; Brühl/Weiss, IStR 2018, 550. Wie der Gesetzgeber auf die erneute Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit des § 50d Abs. 3 EStG reagieren wird, stand bei Redaktionsschluss noch aus. 5 So unterstellt Art. 1 Abs. 3 MTRL insoweit eine unangemessene Gestaltung, wie sie nicht aus „triftigen wirtschaftlichen Gründen vorgenommen wurde, die die wirtschaftliche Realität widerspiegeln“. Der EuGH sieht hingegen einen Missbrauch in „rein künstlichen, jeder wirtschaftlichen Realität baren Gestaltungen“ und verneint eine Missbräuchlichkeit bereits bei Vorliegen einer „wirklichen“ wirtschaftlichen Tätigkeit, vgl. EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 Rz. 54, 55, 66, 68. 6 Vgl. hierzu Eisendle, ISR 2017, 157 (160) und Kahlenberg, IWB 2018, 145 (149). 7 Eisendle, ISR 2017, 157 (160). 8 Vgl. zur Vereinbarkeit von Sekundärrecht mit Primärrecht noch die parallele Diskussion zur ATAD in Rz. 169. 9 2003/49/EG, ABl. EG 2003 L 157, 49.

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Rz. 170 Systematik

für bestimmte Zins- und Lizenzgebühren (z.B. vGA). Der Missbrauchsvorbehalt ist in Art. 5 Zins- und Lizenzgebühren enthalten. Anti-Tax Avoidance-RL. Die im Kontext der BEPS-Initiative geborene1 und grundsätzlich nur auf Körper- 169 schaften anwendbare2 ATAD3 hat keinen direkten Abkommensbezug.4 Gleichwohl wird sie das internationale Steuerrecht insoweit prägen, als sie den Mitgliedstaaten der Union ein Mindestniveau5 an unilateralen Maßnahmen zur Verhinderung der Bemessungsgrundlagenerosion vorschreibt. Neben Vorgaben zur Ausgestaltung von CFC-Regimen6 dürften dabei insbesondere die Regelungen zu hybriden Gestaltungen grenzüberschreitende Gestaltungsanreize begrenzen.7 Zuweilen suggeriert die ATAD dabei in einzelnen Formulierungen ein Missbrauchsverständnis, welches in seiner Strenge über dasjenige Maß hinausgeht, das der Gerichtshof den Mitgliedstaaten für ihre nationalen Missbrauchsvermeidungsnormen zugesteht.8 Da das Sekundärrecht dem Primärrecht gegenüber nachrangig ist,9 wären etwaige Widersprüche, soweit möglich, grundsätzlich durch eine primärrechtskonforme Auslegung des Sekundärrechts zu lösen.10 Gerade im Falle steuerlicher Missbrauchsvermeidungsnormen legte der Gerichtshof in der Vergangenheit bei der Beurteilung mitgliedstaatlicher Maßnahmen denn auch parallele Maßstäbe in der Auslegung von Sekundärund Primärrecht an,11 und zwar teils auch dann, wenn der Wortlaut der ausgelegten Richtlinie in seiner Strenge hinter dem grundfreiheitlichen Maß zurückbleibt.12 Ist eine primärrechtskonforme Auslegung hingegen nicht möglich, kann das vertragswidrige Sekundärrecht grundsätzlich mit der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV bzw. im Vorlageverfahren im Rahmen der Gültigkeitskontrolle nach Art. 267 Abs 1 Buchst. a AEUV geprüft werden.13 Gleichwohl attestiert die Literatur für den Bereich der Grundfreiheiten dem EuGH bei der Kontrolle des Unionsgesetzgebers eine, verglichen mit seinem Vorgehen bei mitgliedstaatlichen Maßnahmen, großzügige Herangehensweise.14 Vor dem Hintergrund, dass der Gerichtshof zudem gelegentlich äußerte, im Falle einer abschließenden Harmonisierung eine mitgliedstaatliche Umsetzungsmaßnahme nur an sekundärrechtlichen Maßstäben messen zu wollen,15 wird bereits erwartet, dass der BFH eine Vorlage an den EuGH beschließen wird, wenn sich ihm eine Gelegenheit zur Klärung des Verhältnisses zwischen Primär- und Sekundärrecht bietet.16 Fusions-RL. Die FRL17 befasst sich mit der Steuerneutralität von grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen. Sie hat keinen unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf DBA, sondern knüpft z.B. in Art. 3, 4 und 10 an das DBA-Recht an.18 1 Vgl. Erwägungsgrund 1 der ATAD. 2 Die ATAD soll grundsätzlich nicht für transparente (Personen-) Gesellschaften gelten, vgl. Erwägungsgrund 4 der ATAD und Art. 1 ATAD; vgl. aber auch Art. 1 Abs. 2 iVm Art. 9a ATAD. 3 Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates v. 12.7.2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts, ABl. EU 2016 L 193, 1, geändert durch RL (EU) 2017/952 des Rates v. 29.5.2017, ABl. EU 2017 L 144, 1. 4 Vgl. aber z.B. den punktuellen Vorrang eines DBA nach Art. 9 Abs. 5 Satz 2 ATAD sowie die Bezugnahme auf ein Abkommen in Art. 9b Satz 2 ATAD. 5 Vgl. Art. 3 ATAD. 6 Art. 7 f. ATAD. 7 Art. 9 ff. ATAD. 8 Vgl. z.B. Art. 7 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 ATAD, wo für den Substanznachweis im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung der Nachweis einer „wesentlichen“ wirtschaftlichen Tätigkeit abverlangt wird, wohingegen der EuGH nur den Nachweis einer „wirklichen“ wirtschaftlichen Tätigkeit fordert, vgl. EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04, EuGHE 2006, I-7995. S. zum Problem Schönfeld, IStR 2017, 949; Schönfeld, IStR 2018, 325 (328). 9 Ruffert in Callies/Ruffert, EUV/AEUV5, Art. 288 Rz. 8 f. 10 EuGH v. 13.12.1983 – 218/82, EuGHE 1983, 4063 Rz. 15; v. 1.4.2004 – C-1/02 – Privat-Molkerei Borgmann, EuGHE 2004, I-3219 Rz. 30. 11 Vgl. z.B. EuGH v. 8.3.2017 – Rs. C-14/16 – Euro Park Service, ECLI:EU:C:2017:177 Rz. 53 ff. und 69; v. 20.12.2017 – verb. Rs. C-504/16 und C-613/16 – Deister Holding und Juhler Holding, ECLI:EU:C:2017:1009 Rz. 64 ff. und 97. 12 Vgl. z.B. die Formulierung des EuGH v. 8.3.2017 – Rs. C-14/16 – Euro Park Service, ECLI:EU:C:2017:177 Rz. 53 und den Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 Buchst. a der damaligen Fassung der Fusions-RL 90/434/EWG; hierzu Eisendle, ISR 2017, 157 (160). 13 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015 Rz. 4.7; vgl. auch EuGH v. 9.11.2010 – Rs. C-92/09 und C-93/09 – Schecke u.a., EuGHE 2010, I-11063. 14 Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht23, § 4 Rz. 10. 15 EuGH v. 8.3.2017 – Rs. C-14/16 – Euro Park Service, ECLI:EU:C:2017:177 Rz. 19; v. 12.11.2015 – Rs. C-198/14 – Visnapuu, ECLI:EU:C:2015:751 Rz. 40 m.w.N. 16 Märtens, jurisPR-SteuerR 7/2018, Anm. 4. 17 2009/133/EG, ABl. EU 2009 L 310, 34. 18 Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 825.

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Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

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Amtshilfe- und Beitreibungs-RL. In verfahrensrechtlicher Hinsicht werden die DBA-Regelungen zum Informationsaustausch (Art. 26 OECD-MA) sowie zur Amtshilfe bei der Vollstreckung von Steueransprüchen (Art. 27 OECD-MA) durch die Amtshilfe-RL1 sowie die Beitreibungs-RL2 überlagert.

172

Schiedsverfahrenskonvention. Die vorgeschlagene RL zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für den Fall der Gewinnberichtigung zwischen verbundenen Unternehmen3 hätte über ein zwingendes Schiedsverfahren auf unionsrechtlicher Ebene erheblichen Einfluss auf das in Art. 25 geregelte Verständigungsverfahren gehabt. Dazu ist es allerdings nicht gekommen. Vielmehr ist die Frage auf vertraglicher Basis im Rahmen der Schiedsverfahrenskonvention geregelt worden.4 Auch dadurch wird Art. 25 allerdings in weiten Teilen überlagert.

173

Streitbeilegungsrichtlinie. Durch die am 10.10.2017 gebilligte EU-Richtlinie über das Verfahren zur Beilegung von Steuerstreitigkeiten,5 welche bis zum 30.6.2019 in nationales Recht umzusetzen ist, werden weitere Schwächen der bislang bestehenden Streitbeilegungsmechanismen geheilt (s. Art. 25 Rz. 493 ff.).6 Die Richtlinie konzentriert sich dabei lediglich auf verfahrensrechtliche Mechanismen zur Lösung von Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten über die Auslegung und Anwendung von DBA, ohne aber in die Auslegung selbst einzugreifen.7 Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist weiter als die Schiedsverfahrenskonvention, denn die Streitbeilegungsrichtlinie umfasst sämtliche Doppelbesteuerungsstreitigkeiten.8 Die Richtlinie ist zwar bereits in Kraft getreten, muss aber erst bis zum 30.6.2019 in nationales Recht umgesetzt werden.9 Wenn die jeweils zuständigen Behörden nicht vereinbaren, die Richtlinie früher oder für weiter zurückreichende Veranlagungszeiträume anzuwenden, ist sie anwendbar auf Beschwerden, die ab dem 1.7.2019 eingereicht werden und Steuerjahre betreffen, die am oder nach dem 1.1.2018 begonnen haben.

IV. Einwirkung EU-rechtlicher Abkommen zu Nicht-EU-Staaten auf DBA 1. Allgemeines 174

Assoziierungsabkommen. Neben dem EWR-Abkommen (Rz. 175) und dem Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz (Rz. 177) gibt es noch andere sog. Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Drittstaaten, die mitunter Regelungen enthalten, welche ein den Grundfreiheiten des EU-Vertrags vergleichbares Schutzniveau entfalten. Das Abkommen mit Mazedonien etwa enthält ein Verbot steuerlicher Diskriminierungen10 und sieht die schrittweise Einführung der Grundfreiheiten11 vor.12 Das jeweils tatsächlich gewährte Schutzniveau muss allerdings in jedem Einzelfall anhand der konkreten Regelung des Assoziierungsabkommens geprüft werden. Kommt man zu einem positiven Ergebnis, dann sollten die in Rz. 119 ff. dargelegten Grundsätze auch für DBA mit derart assoziierten Gebieten gelten. Neben diesem mittelbaren Einfluss auf DBA mit Drittstaaten ist schließlich auch ein unmmittelbarer Einfluss durch solche Assoziierungsabkommen denkbar, die – ähnlich z.B. der MTRL – bestimmte DBA-Regelungen überlagern. Insoweit gelten die Ausführungen zum Einfluss sekundären Unionsrechts auf DBA grds. entsprechend (Rz. 166 ff.). 2. Verhältnis zu EWR-Staaten

175

EWR-Abkommen. Das wohl bedeutendste und weitreichendste Assoziierungsabkommen ist das am 1.1.1994 in Kraft getretene Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum.13 Es wurde ursprünglich zwischen der EU und den EFTA-Staaten Liechtenstein, Österreich, Finnland, Schweden, Norwegen und Is1 RL 2011/16/EU v. 15.2.2011, ABl. EU 2011 L 64, 1, zuletzt geändert durch RL (EU) 2018/822 v. 25.5.2018, ABl. EU 2018 L 139, 1. 2 RL 2010/24/EU v. 16.3.2010, ABl. EU 2010 L 84, 1. 3 ABl. EG 1976 C 301, 4. 4 90/436/EWG, ABl. EG 1990 L 225, 10, zuletzt geändert durch 2014/899/EU, ABl. EU 2014 L 358, 19. 5 RL (EU) 2017/1852, ABl. EU 2017 L 265, 1. 6 Vgl. ausführlich zu der neuen Streitbeilegungsrichtlinie Zinowsky/Schönfeld, ISR 2018, 7; Chwalek/Bühl, IWB 2018, 214. Zum Verhältnis zwischen der Streitbeilegungsrichtlinie und dem MLI Piotrowski, IStR 2018, 257. 7 Zinowsky/Schönfeld, IStR 2017, 7 (8); Chwalek/Bühl, IWB 2018, 214 (215). 8 Cloer/Niemeyer, FR 2018, 674 (676). 9 Art. 23 Abs. 2 der Streitbeilegungsrichtlinie, vgl. auch Zinowsky/Schönfeld, ISR 2018, 7. 10 Art. 33 des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien andererseits, ABl. EU 2004 L 84, 13 (Assoz.abk.-Mazedonien). 11 Vgl. Art. 44 ff. Assoz.abk.-Mazedonien. 12 Vgl. Gröpl in Dauses/Ludwig, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts44, Kapitel J. Steuerrecht Rz. 257. 13 ABl. EG 1994, L 1.

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G. DBA und EU-Recht

Rz. 177 Systematik

land geschlossen. Die Schweiz hatte das EWR-Abkommen ebenfalls unterzeichnet, jedoch nicht ratifiziert. Mit dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zur EU am 1.1.1995 entfaltet das EWR-Abkommen nur noch im Verhältnis zu den Nicht-EU-Mitgliedstaaten Liechtenstein, Norwegen und Island eine entsprechende Relevanz. Die Bedeutung des EWR-Abkommens ist deshalb so groß, weil es den vier EUGrundfreiheiten im Wesentlichen vergleichbare Freiheiten enthält.1 Deutsche Finanzgerichte haben sich dieser Auffassung ausdrücklich angeschlossen.2 Das BMF erkennt die Rechtswirkungen der Freiheiten des EWR-Abkommens nunmehr ebenfalls im Grundsatz an.3 Allerdings wurde vom BMF und zuweilen auch dem Gesetzgeber4 in der Vergangenheit regelmäßig eine faktische Ausnahme für Liechtenstein gemacht, weil im Verhältnis zu diesem EWR-Staat weder die Amtshilfe-RL noch eine entsprechende Regelung nach einem DBA eingriff. Ob das nunmehr geltende Informationsaustauschabkommen zwischen Deutschland und Liechtenstein dem Standard der Amtshilfe-RL entspricht, wird nach einem ablehnenden Urteil des FG Düsseldorf5 streitig diskutiert,6 dürfte aber mit der wohl herrschenden Meinung entgegen der Ansicht des FG Düsseldorf zu bejahen sein.7 Neben Bestimmungen zu den Grundfreiheiten enthalten die Art. 61 ff. des EWR-Abkommens auch Vorschriften zu staatlichen Beihilfen, die dem Beihilfeverbot des AEUV nachgebildet sind. Die insoweit anstelle der EU-Kommission für die Beihilfeaufsicht zuständige EFTA-Überwachungsbehörde arbeitet dabei gem. Art. 62 Abs. 2 EWR-Abkommen i.V.m. Protokoll 27 zum EWR-Abkommen eng mit der Kommission zusammen, um eine synchrone Anwendung des Beihilferechts zu ermöglichen.8 Diese Zusammenarbeit kommt auch in den parallelen Veröffentlichungen der jeweiligen Bekanntmachungen zum Beihilfebegriff zum Ausdruck,9 die für die Praxis eine erhebliche Rolle spielen. 3. Verhältnis zur Schweiz Allgemeines. Die gescheiterte (Voll-)Assoziierung der Schweiz über das EWR-Abkommen wird nun über eine (Teil-)Assoziierung über verschiedene Abkommen zu ersetzen versucht.

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Freizügigkeitsabkommen. Ab dem 1.6.2002 gilt das zwischen der EU und der Schweiz abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen (FZA).10 Es enthält den Grundfreiheiten des EU-Vertrags zumindest ähnliche Freiheiten. Nach der Rspr. des BFH ist das FZA Bestandteil der Unionsrechtsordnung und stellt die Handlung eines Gemeinschaftsorgans dar.11 Damit nimmt der Abkommensinhalt, der für die Organe der Gemeinschaft (Union) und die Mitgliedstaaten verbindlich ist (Art. 216 Abs. 2 AEUV), am Vorrang des EURechts gegenüber nationalem Recht teil und bewirkt im Fall einer abkommenswidrigen innerstaatlichen Vorschrift deren Nichtanwendbarkeit. Über die Auslegung des Abkommens ist der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren zuständig.12 Dieser legte Art. 21 Abs. 1 FZA auch restriktiv aus, nach dem die Bestimmungen der DBA zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Union durch das FZA unberührt bleiben sollen; insbesondere sei Art. 21 Abs. 1 FZA nicht dahingehend zu verstehen, dass er es den Mitgliedstaaten der Union oder der Schweiz erlaube, den Freizügigkeitsrechten ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen.13 In materieller Hinsicht hervorzuheben ist insbesondere die in Art. 2 i.V.m. Anh. I zu Art. 15 Abs. 1 FZA niedergelegte Niederlassungsfreiheit. Im Einzelnen ist allerdings die Reichweite der Niederlassungsfreiheit noch ungeklärt. So kann mit Blick auf den Wortlaut nicht ausgeschlossen werden, dass diese nur die Niederlassung

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1 Vgl. EFTA-Gerichtshof v. 23.11.2004 – Rs. E-1/04 – Fokus Bank, IStR 2005, 55 ff. Rz. 23; EuGH v. 23.9.2003 – Rs. C-452/01 – Ospelt und Schlössle Weissenberg, EuGHE 2003, I-9743 Rz. 29. 2 Vgl. FG Hess. v. 10.12.2002 – 4 K 1044/99, EFG 2003, 1120 (1124 f.) rkr; FG Berlin v. 11.4.2005 – 8 K 8101/00, IStR 2005, 571 (573) rkr. 3 Zur Ausdehnung der Rspr. des EuGH in der Rs. „Cadbury Schweppes“ vgl. z.B. des BMF v. 8.1.2007 – IV B 4 - S 1351 - 1/07, BStBl. I 2007, 99 Rz. 2. 4 Vgl. etwa § 8 Abs. 2 Satz 2 AStG. 5 FG Düsseldorf v. 22.1.2015 – 16 K 2858/13 F, 16 K 2858/13, EFG 2015, 629, Nichtzulassungsbeschwerde vom BFH mit unveröff. Beschluss vom 30.9.2015 – I B 23/15 als unbegründet zurückgewiesen. 6 Der Ansicht des FG Düsseldorf zustimmend Kalenberg/Reichert, IStR 2016, 140. 7 S. z.B. Kirchhain, IStR 2015, 346; Jo. Lüdicke/Oppel, ISR 2015, 265; Jo. Lüdicke/Eiling, IStR 2017, 841 (843); Lehfeldt in Strunk/Kaminski/Köhler, § 8 AStG Rz. 182.17. 8 Vgl. zum EWR-Beihilfenrecht Bungenberg in Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kapitel 6 Rz. 1 ff. 9 Vgl. die Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfebegriff, ABl. EU 2016 C 262, 1 und die Bekanntmachung der EFTA-Überwachungsbehörde, ABl. EU 2017 L 342/35. 10 ABl. EG 2002, L 114, 6; dazu Kokott in FS Steinberger, 771 ff.; Reich/König, Europäisches Steuerrecht, 2006, 48 f.; Kreuschitz in von der Groeben/Schwarze/Hatje7, Vor Art. 45-48 AEUV Rz. 71–74. 11 BFH v. 23.6.2010 – I R 37/09, BStBl. II 2010, 895. 12 EuGH v. 30.4.1974 – Rs. C-181/73 – Haegemann, EuGHE 1974, I-449; v. 30.9.1987 – Rs. C-12/86 – Demirel, EuGHE 1987, I-3719; Cordewener, IStR 2008, 536. 13 EuGH v. 19.11.2015 – Rs. C-241/14 – Bukovansky, ECLI:EU:C:2015:766 Rz. 41.

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Systematik Rz. 177

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

natürlicher Personen, nicht aber auch die von juristischen Personen schützt. Nachdem im Schrifttum bereits ein umfassendes Beschränkungsverbot vergleichbar dem der EU-Grundfreiheiten bejaht wurde,1 hat auch der EuGH mittlerweile geklärt, dass das FZA Rechte nicht nur gegenüber dem Zielstaat, sondern auch gegenüber dem Herkunftsstaat vermitteln kann.2 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass nach Art. 16 Abs. 2 FZA für die Anwendung des FZA nur die vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens (21.6.1999) ergangene Rspr. des EuGH zu berücksichtigen sein soll. Über nach diesem Datum ergangene Rspr. wird die Schweiz unterrichtet. Um das ordnungsgemäße Funktionieren des Freizügigkeitsabkommens sicherzustellen, stellt der Gemischte Ausschuss (Art. 14 FZA) auf Antrag einer Vertragspartei die Auswirkungen dieser Rspr. fest. Der BFH hat daraus geschlossen, dass unionsrechtliche Begriffe, die bereits Gegenstand einer Entscheidung des EuGH waren oder vom EuGH entwickelt worden sind, im Rahmen des FZA nur dann in der Auslegung des EuGH zur Anwendung gebracht werden dürfen, wenn die EuGH-Entscheidung vor dem 21.6.1999 ergangen ist.3 Die Auffassung des BFH erscheint jedoch hochproblematisch. So ist bereits fraglich, warum Art. 16 Abs. 2 FZA den BFH von seiner originären Auslegungsverpflichtung entbinden soll. So wird der BFH z.B. den Begriff der „Niederlassungsfreiheit“ in eigener Kompetenz auszulegen haben. Eine andere Frage ist die, ob er dabei an die Rspr. des EuGH gebunden ist. Im Übrigen wäre bei Richtigkeit der Auffassung des BFH das FZA reine Makulatur, weil die wesentlichen Erkenntnisse zum Europäischen Steuerrecht erst nach dem 21.6.1999 gewonnen worden sein dürften. So ist zu begrüßen, dass das FG Baden-Württemberg in einem Vorlagebeschluss einen differenzierteren Ansatz wählt und Rechtsprechung des EuGH berücksichtigt, die zwar nach Unterzeichnung des Abkommens erging, aber lediglich die schon vor Unterzeichnung bestehende Rechtslage präzisiere.4 Im nachfolgenden Urteil des Gerichtshofs setzte sich dieser denn auch tatsächlich mit der vom FG Baden-Württemberg genannten Rechtsprechung auseinander.5 Es wäre daher wünschenswert, wenn auch der BFH bezüglich der Frage der zu berücksichtigenden EuGH-Rechtsprechung im Zweifel an den EuGH vorlegt. Künftig gilt es zudem zu beachten, dass der Fortbestand u.a. des FZA nach einem Referendum in der Schweiz „Gegen Masseneinwanderung“ nicht mehr als selbstverständlich gelten kann. Der Rat der Europäischen Union hält es jedenfalls für möglich, dass die aufgrund des Referendums ergangene Gesetzgebung mit dem FZA vereinbar sein kann und kündigte eine erneute Bewertung für Ende des Jahres 2018 an.6 178

Zinsbesteuerungsabkommen. Das Zinsbesteuerungsabkommen (ZBstA) zwischen der EU und der Schweiz v. 29.12.20047 wurde mittlerweile durch ein Änderungsprotokoll umfassend zum Abkommen über den automatischen Informationsaustausch (AIA) umgestaltet.8 Das AIA trat zum 1.1.2017 in Kraft und ersetzt ab diesem Zeitpunkt die Regelungen des ZBstA. Das alte ZBstA enthielt insbesondere Regelungen zum Steuerrückbehalt durch schweizerische Zahlstellen für Zinszahlungen an Nutzungsberechtigte in EU-Mitgliedstaaten (Art. 1 ff. ZBstA), zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 9 ZBstA) sowie zum Informationsaustausch (Art. 10 ZBstA). Kollidierende Regelungen in Schweizer DBA mit EU-Staaten wurden dadurch grds. überlagert (Art. 14 ZBstA). Anders als die Bezeichnung des Abkommens vermuten lässt, sah Art. 15 Abs. 1 ZBstA ein für die Praxis wichtiges Quellenbeststeuerungsverbot für zwischengesellschaftliche Dividenden vor.9 Als Teil des Unionsrechts genießt das ZBstA gem. Art. 216 Abs. 2 AEUV Anwendungsvorrang vor den DBA. Aus Art. 15 Abs. 3 ZBstA ergibt sich indes, dass eine günstigere steuerliche Behandlung nach dem DBA unberührt bleibt. Die Bundesrepublik hat sich deshalb entschieden, von einer Umsetzung von Art. 15 Abs. 1 ZBstA abzusehen.10 Die Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 1 ZBstA sind im Hinblick auf die zweijährige Mindestbeteiligung, den Beteiligungsumfang von mindestens 25 % sowie den Begriff der „Dividendenzahlung“ (keine vGA?) in der Tat wesentlich enger als Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz. Die Regelung wird damit in aller Regel keine weitergehende Quellensteuererleichterung im Verhältnis Deutschland-Schweiz schaffen. Sollte sich 1 z.B. Reich/König, Europäisches Steuerrecht, 2006, 48 f. m.w.N. Vgl. auch die Prüfung bei EuGH v. 19.11.2015 – Rs. C-241/14 – Bukovansky, ECLI:EU:C:2015:766, in der der Gerichtshof seine Prüfung parallel zu den unionsrechtlichen Grundfreiheiten unter Rückgriff auf seine diesbezügliche Rechtsprechung ausrichtet. 2 EuGH v. 15.12.2011 – Rs. C-257/10, Bergström, EuGHE 2011, I-13252 Rz. 27–34; v. 28.2.2013 – Rs. C-425/11, ECLI:EU:C:2013:121 – Ettwein, BStBl. II 2013, 896 Rz. 33. 3 BFH v. 7.9.2011 – I B 157/10, BFH/NV 2012, 95. 4 FG Baden-Württemberg v. 15.7.2015 – 14 K 1229/13, EFG 2016, 1957. 5 EuGH v. 21.9.2016 – Rs. C-478/15 – Radgen, ECLI:EU:C:2016:705 Rz. 50 ff. Vgl. bereits kritisch gegenüber der statischen Betrachtung des BFH Schönfeld, IStR 2016, 416 (418) mit Blick auf EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-425/11, ECLI:EU:C:2013:121 – Ettwein, BStBl. II 2013, 896. 6 Schlussfolgerungen des Rates zu den Beziehungen der EU zur Schweizerischen Eidgenossenschaft v. 28.2.2017, 6767/17 Rz. 1, 3. 7 ABl. EG 2004 L 385, 30 (in Kraft getreten am 1.1.2005). 8 ABl. EU 2015 L 333/12. 9 Vgl. dazu Helbing/Wetli, Der Schweizer Treuhänder 2006, 959 ff.; Jung, ET 2006, 112. 10 Vgl. BMF v. 28.6.2005 – IV B 1 - S 1316 - 42/05, BStBl. I 2006, 858.

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H. DBA und innerstaatliches Steuerrecht, insbesondere „Treaty override“

Rz. 180 Systematik

gleichwohl erweisen, dass sich aus Art. 15 Abs. 1 ZBstA im Einzelfall eine für den betroffenen Stpfl. günstigere Rechtsfolge ergibt, so wird dieser sich in Anlehnung an die Rspr. des EuGH zur fehlenden Umsetzung von RL nach Ablauf der Umsetzungsfrist (1.1.2005, vgl. Art. 17 Abs. 2 ZBstA) unmittelbar auf das ZBstA berufen können.

H. DBA und innerstaatliches Steuerrecht, insbesondere „Treaty override“ I. Verhältnis von DBA und (sonstigem) innerstaatlichen Steuerrecht DBA als einfaches Bundesrecht. Der normenhierarchisch dem einfachen Bundesrecht zuzuordnende § 2 Abs. 1 AO sieht vor, dass Verträge mit anderen Staaten i.S.v. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG über die Besteuerung – nach Erteilung des innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls (vgl. Rz. 75) – den Steuergesetzen vorgehen sollen. Nach dem gesetzgeberischen Willen enthält § 2 Abs. 1 AO als Nachfolgerregelung des § 9 StAnpG die Klarstellung, „dass völkerrechtliche Vereinbarungen, soweit sie innerstaatliches Recht geworden sind, Vorrang vor den innerstaatlichen Steuergesetzen haben und deshalb allein durch spätere innerstaatliche Gesetze nicht abgeändert werden können.“1 Indes stehen DBA als völkerrechtliche Verträge selbst nicht auf der Stufe des dem einfachen Bundesrecht vorrangigen Völkergewohnheitsrechts (Art. 25 Satz 2 GG), sondern stellen selbst nur einfaches Bundesrecht dar.2 § 2 Abs. 1 AO ist als Norm im Rang eines einfachen Bundesgesetzes jedoch nicht in der Lage, einem – auf gleicher Rangebene stehenden – DBA die Vorrangigkeit vor anderen, insbesondere späteren innerstaatlichen Steuerrechtsregeln einzuräumen.3 § 2 Abs. 1 AO entfaltet dennoch Wirkung im Rahmen der Lösung von Normenkollisionen (s. Rz. 182).

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Phänomen abkommensüberschreibender Regelungen (Treaty Override). Mit dem aus dem angelsächsischen Raum stammenden Begriff des „Treaty override“ (übersetzt etwa „Abkommensüberschreibung“4, „Abkommensüberrollung“5) wird die konfliktäre Situation beschrieben, in der sich eine im innerstaatlichen Recht geltende Norm eines DBA befindet, wenn eine von dieser Abkommensnorm gewährte begünstigende Rechtsfolge durch nachfolgende Akte des nationalen Steuergesetzgebers eingeschränkt oder beseitigt wird, kurzum späteres innerstaatliches Recht6 sich in Widerspruch zu einer DBA-Vorschrift setzt.7 Die Beurteilung eines nationalen Steuergesetzes kann je nach DBA zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen. Treaty Overrides lassen sich anhand ihrer Zielsetzungen in unterschiedlicher Weise kategorisieren.8 Für die (verfassungs)rechtliche Betrachtung von deren Zulässigkeit und Verhältnis zu den DBA lässt sich hieraus aber wenig gewinnen.9 Auch die Unterscheidung10 in „offene“ (die Abkommensüberschreibung im Gesetzeswortlaut ausdrückende11) und „verdeckte“ (nur in ihrer Wirkung abkommensüberschreibende) Treaty Overrides ist letztlich nur zu Abstraktionszwecken hilfreich, wenn es darum geht, ob für einen Vorrang der abkommensüberschreibenden Norm gegenüber dem einschlägigen DBA der notwendige „Überschreibungswille“ ausreichend (i.d.R. bei „offenen“ Treaty Override) oder nicht ausreichend (i.d.R. bei „verdeckten“ Treaty Override) zum Ausdruck kommt (dazu Rz. 183). Eine Abkommensüberschreibung ist ungeachtet der vom BVerfG postulierten verfassungsrechtlichen Zulässigkeit (s. Rz. 181) rechtspolitisch bedenklich, weil das Vorgehen der Bundesrepublik alle anderen Vertragspartner einlädt, in anderen Fällen ähnlich zu verfahren.12 Dies gilt insbesondere dann, wenn man den Vorrang einer nationalen Vorschrift auch gegenüber erst später geschlossenen DBA annimmt, selbst wenn das DBA eigentlich etwas anderes zum Ausdruck bringt (s. Rz. 184). Obwohl das Treaty Override völkerrechtswidrig ist, scheint es auf Ebene des Völkerrechts so, dass der Verstoß faktisch sanktionslos bleibt. Zwar könnte man z.B. an eine Kündigung des gesamten DBA ge-

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1 Vgl. Bericht und Antrag des Finanzausschusses v. 7.11.1975, BT-Drucks. 7/4292, 15. 2 Vgl. stv. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 Rz. 48; BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5. 3 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 Rz. 48. 4 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 Rz. 77. 5 Vgl. Schwenke in Wassermeyer, Vor Art. 1 Rz. 12. 6 S. die Übersicht potentieller treaty overrides bei Jochimsen/Gradl, IStR 2015, 236 (238). 7 In diesem Sinne das sog. „Treaty overriding“ definierend Kluge, Internationales Steuerrecht4, Rz. R 8; Mössner, Rechtsschutz bei Treaty Overriding, in Fischer (Hrsg.), Besteuerung internationaler Konzerne, 1993, 116; Ausf. zum Begriff auch Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 194. 8 Vgl. Gosch, IStR 2008, 413. 9 Schwenke in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 13. 10 Vgl. noch BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791. 11 Z.B. „ungeachtet des Abkommens“ (§ 50d Abs. 9 EStG), „Die Vorschriften […] werden durch die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht berührt.“ (§ 20 Abs. 1 AStG). 12 Schwarz/Fischer-Zernin, MW 1992, 49; Tulloch, DB 1992, 1444.

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Systematik Rz. 180

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

stützt auf Art. 60 WÜRV oder auf eine Art. 31 OECD-MA nachgebildete Kündigungsklausel denken. Im Hinblick auf die gravierenden Auswirkungen, die eine Kündigung des gesamten Vertrags haben dürfte, wird eine solche Maßnahme aber fast nie in Betracht kommen. 181

Verfassungsrechtliche Beurteilung von Treaty Override. Die vor mehr als 20 Jahren begonnene Diskussion um die (zweifelhafte) verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Treaty Override1 hatte der BFH – nach anfänglichem Zögern2 – schließlich ab 2012 in mehreren Vorlagebeschlüssen zu § 50d Abs. 8 EStG,3 § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG4 und § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG5 zum Anlass genommen, die verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht beantworten zu lassen.6 Das BVerfG hat mit Beschluss v. 15.12.20157 zu § 50d Abs. 8 EStG die vom BFH und im Schrifttum geäußerten Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes (Art. 25 GG),8 das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG)9 und den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)10 nicht geteilt. Die Entscheidung ist nicht ohne Kritik geblieben.11 Die Uneinigkeit im entscheidenden Senat lässt sich an dem Minderheitenvotum von König ablesen. Das von König vorgebrachte Argument, in einer globalisierten Welt sei es nicht mehr überzeugend, dass der Gesetzgeber freie Hand habe, sich per lex-posterior-Grundsatz bewusst und gewollt über Bestimmungen in völkerrechtlichen Verträgen hinwegzusetzen, bekommt vor dem Hintergrund der zunehmenden steuerrechtlichen Zusammenarbeit der internationalen Staatengemeinschaft in den letzten Jahren, v.a. im Rahmen des BEPS-Projekts (s. Rz. 85 f.) und des MLI (s. Rz. 87 ff.), besonderes Gewicht. Auch das schweizerische Bundesgericht ist mit seinem Urteil vom 26.11.201512 (wenn auch nicht zu einem DBA) jüngst zu einem gänzlich anderen Ergebnis gekommen. Ob die Entscheidung des BVerfG tatsächlich einen verfassungsrechtlichen Schlussstrich13 zieht, ist noch nicht ausgemacht.14 Möglichweise ergeben sich neue Erkenntnisse aus den beiden noch nicht entschiedenen Vorlagebeschlüssen des BFH zu § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG15 und § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG.16 Die „Kernbotschaft“ des BVerfG, keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Treaty Override zu gegen, wird aber auch dort keine andere sein.17 Vor diesem Hintergrund verlagert sich die Perspektive derzeit auf Detailfragen im Zusammenhang mit der Auflösung der Normenkollision zwischen DBA und nationaler Steuervorschrift im Einzelfall (s. Rz. 182 ff.).

II. Auflösung von Kollisionen zwischen DBA und nationalem Steuergesetz 182

Kollisionen zwischen DBA und nationaler Norm. Eine Kollision abkommensrechtlicher Regelungen mit den nationalen Steuergesetzen ist grds. unter Beachtung der allgemeinen Regeln aufzulösen.18 Für ranggleiches innerstaatliches Recht19 gilt im Fall der Kollision der Grundsatz, dass der spätere Rechtssatz dem gleichrangigen früheren Rechtssatz vorgeht (lex posterior derogat legi priori, sog. lex-posterior-Grundsatz), es sei denn, die ältere Regelung ist spezieller als die jüngere (lex specialis derogat legi generali, sog. lex-spe1 Vgl. Vogel, JZ 1997, 161. 2 BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFH/NV 2011, 154. 3 BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, BFH/NV 2012, 1056, ergänzt durch BFH v. 10.6.2015 – I R 66/09, BFH/NV 2015, 1250; hierauf BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 Rz. 55 mit Anschlussentscheidung des BFH v. 29.6.2016 – I R 66/09, BFH/NV 2016, 1688. 4 BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791 (Az. beim BVerfG: 2 BvL 15/14). 5 BFH v. 20.8.2014 – I R 86/13, BStBl. II 2015, 18. 6 Zur Entwicklung im Überblick auch Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5a. 7 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1. 8 Zu den Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit die Vorauflage, Systematik, Rz. 154 ff. und Stein, IStR 2006, 505 (508); Becker, NVwZ 2005, 289 (291); Rust/Reimer, IStR 2005, 843 (846); Vogel, JZ 1997, 161 (165 ff.). 9 Zu den Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsgebot ausf. die Vorauflage, Systematik, Rz. 149 ff. und Frotscher, IStR 2009, 593 (599); Gosch, IStR 2008, 413 (419); Kempf/Bandl, DB 2007, 1377 (1381); Rust, Die Hinzurechnungsbesteuerung, 2007, 105 ff.; Rust/Reimer, IStR 2005, 843 (847); Stein, IStR 2006, 505 (509); Vogel, JZ 1997, 161 (165). 10 Zu den Bedenken im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG stv. Frotscher, IStR 2009, 593 (598). 11 Vgl. Stöber, DStR 2016, 1889 ff.; Scherer, IStR 2016, 741 ff.; zu Art. 3 Abs. 1 GG Hummel, IStR 2016, 335 (336). 12 BG v. 26.11.2015 – 2C_716/2014, dazu Weigell/Görlich, IStR 2017, 772. 13 So Musil, FR 2016, 297. 14 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5b m.w.N.; Haendel, IStR 2017, 436 ff. 15 BFH v. 20.8.2014 – I R 86/13, BStBl. II 2015, 18. 16 BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791 (Az. beim BVerfG: 2 BvL 15/14). 17 Musil, FR 2016, 297 (300). 18 Zu Einzelheiten Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 1 ff.; Schwenke in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 16; Frotscher, IStR 2016, 561 (562 ff.). 19 Zum Rang von DBA in der Normenhierachie als einfaches Bundesrecht s. Rz. 146.

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H. DBA und innerstaatliches Steuerrecht, insbesondere „Treaty override“

Rz. 183 Systematik

cials-Grundsatz) oder die Geltung des lex-posterior-Grundsatzes wird abbedungen.1 Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 15.12.20152 zwar deutlich gemacht, dass aus Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG keine generelle Einschränkung des lex-posterior-Grundsatzes bei Kollisionen von völkerrechtlichen Verträgen mit nationalen Steuergesetzen resultiert, der Gesetzgeber also grds. mit einer dem DBA zeitlich nachfolgenden Regelung ein entgegenstehendes DBA überschreiben kann.3 Aus dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit im Zusammenspiel mit § 2 Abs. 1 AO folgt aber, dass sich die abkommensüberschreibende Norm gegenüber dem DBA nur durchsetzen kann, wenn ein entsprechender gesetzgeberischer „Überschreibungswille“ zum Ausdruck kommt: Der verfassungsrechtlich fundierte Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit dient als Auslegungshilfe u.a. des einfachen Rechts.4 Er gebietet, die nationalen Gesetze nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht entsteht und im Rahmen geltender methodischer Grundsätze von mehreren möglichen Auslegungen eines Gesetzes grundsätzlich eine völkerrechtsfreundliche zu wählen ist.5 Sofern vom Gesetzgeber nicht klar bekundet, kann grds. nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will.6 Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund lässt sich § 2 Abs. 1 AO („gehen, […] den Steuergesetzen vor“) materiell zwar kein normenhierarchischer Vorrang von DBA (s. Rz. 179), wohl aber ein einfachgesetzlicher Anwendungsvorrang von DBA bei der Auflösung von Normenkollisionen entnehmen.7 Einen entsprechenden einfachgesetzlichen Anwendungsvorrang deutet auch – obwohl nicht in dessen Kontrollkompetenz fallend – das Bundesverfassungsgericht an,8 wonach § 2 Abs. 1 AO „[a]llenfalls […] die Subsidiarität der nationalen Steuergesetze gegenüber Doppelbesteuerungsabkommen und anderen völkerrechtlichen Verträgen im Steuerrecht anordnen [könne]“.9 Der einfachgesetzliche Anwendungsvorrang der DBA kann vom Gesetzgeber durch eine nationale Steuervorschrift wirksam suspendiert werden, wenn diese erkennbar das DBA überschreiben will, d.h. sich ein entsprechender gesetzgeberischer „Wille zur Abkommensüberschreibung“10 finden lässt (dazu Rz. 183).11 Anforderungen an den gesetzgeberischen „Überschreibungswillen“. Der für die wirksame Abkommens- 183 überschreibung notwendige „Überschreibungswille“ des Gesetzgebers (s. Rz. 182) muss klar zur Geltung kommen, um einen Konflikt zwischen einem DBA und einer nationalen Steuervorschrift zugunsten Letzterer aufzulösen.12 In Zweifelsfällen ist dem DBA der Vorzug zu geben.13 Kommt der gesetzgeberische Überschreibungswille im Gesetzestext selbst zum Ausdruck (z.B. „ungeachtet des Abkommens“; „Die Vorschriften […] werden durch die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht berührt.“), ist diese Voraussetzung erfüllt. Gleiches gilt, wenn der Überschreibungswille im Gesetzwortlaut angelegt ist und durch Auslegung ermittelt werden kann.14 Diese Voraussetzung ist bspw. im Hinblick auf § 1 Abs. 1 AStG nicht erfüllt,15 obwohl die Norm nach ihrem Wortlaut „unbeschadet anderer Vorschriften“Anwendung findet. Dies ergibt sich insoweit – entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung16 – aus der Gesetzesbegründung17 zu § 1 Abs. 1 AStG.18 Ist im Gesetzestext kein Überschreibungswille angelegt, stellt sich die Frage, ob die Fest-

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BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 Rz. 50. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 Rz. 51. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 Rz. 67, 71. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 Rz. 71. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 Rz. 72. Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6b; Lüdicke, IStR 2017, 289 (290); s. aber Schwenke in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 18. Gl.A. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6b; Kempermann, ISR 2016, 362. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 Rz. 48. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 Rz. 88. Vgl. auch Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6b; Oellerich in Gosch, § 2 AO Rz. 75; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 3.24; Lüdicke, IStR 2017, 289 (290); Kempermann, ISR 2016, 362; Musil, FR 2016, 297 (298); Kußmaul/Schwarz, Ubg. 2016, 392. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6b. Vgl. Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 18e; Gebhardt, Deutsches Tax Treaty Overriding, 24; s. aber Schwenke in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 18. Vgl. Lüdicke, IStR 2017, 289 (290) zu § 50d Abs. 3 EStG. Vgl. BFH v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5-S 1341/11/10004-07, BStBl. I 2016, 455. BT-Drucks. 16/4841, 85 zu § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG. Vgl. FG Baden-Württemberg v. 23.11.2017 – 3 K 2804/15, EFG 2018, 269 (Revision beim BFH unter Az.: I R 81/17); FG Baden-Württemberg v. 12.1.2017 – 3 K 2647/15, EFG 2017, 635 (Revision beim BFH unter Az.: I R 5/17); Ditz/Engelen/Quilitzsch, Ubg. 2016, 513.

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Systematik Rz. 183

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

stellung eines solchen anhand bspw. der Entstehungsgeschichte ausreicht1 oder nicht.2 Der BFH3 hat früher die „formalrechtlich erforderliche Kenntlichmachung des Vorrangs“ im Gesetz selbst für notwendig erachtet. Im Vorlagebeschluss zu § 50d Abs. 10 EStG4 ist er von einem „verdeckten“ Treaty Override ausgegangen. Lässt sich ein Überschreibungswille weder im Gesetzestext noch in den Gesetzesmaterialien festmachen, kann sich die nationale Steuervorschrift nicht gegenüber der Abkommensregelung durchsetzen, auch wenn sie materiell eine Abkommensüberschreibung zur Rechtsfolge hätte.5 184

Vorrang eines Treaty Override gegenüber späteren DBA? Normenkollisionen zwischen nationalem Steuerrecht und einem DBA sind nach allgemeinen Grundsätzen zur Normenkonkurrenz aufzulösen (s. dazu Rz. 182). Nicht abschließend geklärt und auch nicht Gegenstand der Entscheidung des BVerfG v. 15.12.20156 ist die Frage, ob sich eine nationale Steuervorschrift auch gegenüber später abgeschlossenen DBA durchzusetzen vermag7 oder nicht.8 Es gilt auch hier das Primat der Einzelfallbetrachtung ggü. dem jeweils anzuwendenden DBA.9 Ist die später geschaffene Abbkommensnorm materiell allgemeiner als die früher eingeführte nationale Vorschrift, geht das speziellere frühere Recht vor, das DBA kann sich nicht durchsetzen (lex posterior generalis non derogat legi priori speciali).10 Es kommt aber auf eine genaue Analyse zum Verhältnis der kollidierenden Vorschriften an. So hat das FG Hamburg11 zum Verhältnis von § 50d Abs. 8 EStG („ungeachtet des Abkommens“) und dem später geschaffenen Art. 23 Abs. 1 DBA-Aserbaidschan zutreffend12 die Eindeutigkeit des „Überschreibungswillens“ des § 50d Abs. 8 EStG verneint, da die Abkommensvorschrift – anders als § 50d Abs. 8 EStG – die Freistellung nicht von einem Nachweis der Besteuerung im anderen Vertragsstaat abhängig macht. Der BFH hat hingegen im Anschluss den Vorrang des § 50d Abs. 8 EStG gegenüber Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Aserbaidschan bejaht.13 Die Ansicht des BFH kann nicht ohne weiteres auf andere Normenkollisionen übertragen werden.14 So lässt sich v.a. im Hinblick auf in jüngeren DBA enthaltene switch-over-Klauseln (z.B. Art. 23 Abs. 1 Buchst. e, i DBA-China), die für den Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode engere Voraussetzungen vorsehen als § 50d Abs. 9 EStG, ein Vorrang der Abkommensvorschrift bejahen.15

III. Treaty Override und EU-Recht 185

Verstoß gegen primäres Unionsrecht? Im Schrifttum wurde früher ganz überwiegend ein Verstoß gegen den damals geltenden Art. 293 Spiegelstrich 2 EG-Vertrag bejaht.16 Allerdings dürfte die Regelung lediglich objektives Recht darstellen, auf welches sich der einzelne Unionsbürger grundsätzlich nicht berufen kann. Der EuGH hat dies jedenfalls in der Rs. „Gilly“ unzweideutig festgestellt.17 Deshalb dürften allenfalls die Mitgliedstaaten oder die EU-Kommission ein „Treaty override“ im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem EuGH angreifen. Damit dürfte aber nicht wirklich zu rechnen sein. Im Übrigen deuten

1 Vgl. Oellerich in Gosch, § 2 AO Rz. 75; Schild/Eisele, IStR 2005, 217 (221). 2 Vgl. BFH v. 23.6.2010 – I R 71/09, BStBl. II 2011, 129; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6b; Kußmaul/Schwarz, Ubg. 2016, 392; Seer, IStR 1997, 481 (485). 3 Vgl. BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BStBl. II 2011, 131; Gosch, IStR 2008, 413. 4 BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791 (Az. beim BVerfG: 2 BvL 15/14). 5 Vgl. jeweils zu § 1 Abs. 1 AStG FG Baden-Württemberg v. 23.11.2017 – 3 K 2804/15, EFG 2018, 269 (Revision beim BFH unter Az.: I R 81/17); FG Baden-Württemberg v. 12.1.2017 – 3 K 2647/15, EFG 2017, 635 (Revision beim BFH unter Az.: I R 5/17); FG Düsseldorf v. 17.10.2017 – 6 K 1141/14 K, G, F, EFG 2017, 1939 zu § 4 InvStG (kein Überschreibungswille); weitergehend mglw. aber Schwenke in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 18. 6 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1. 7 Vgl. in diese Richtung BFH v. 25.6.2016 – I R 64/13, BStBl. II 2017, 1185 zu § 50d Abs. 8 EStG; Ismer in H/H/R, Einführung zum EStG, Rz. 1051; Oellerich in Gosch, § 2 AO Rz. 75; Frotscher, IStR 2016, 561 (565 f.); Kube, StuW 2015, 134 (138); Cloer/Hagemann, NWB 2016, 1802 (1809); Kempermann, ISR 2016, 362. 8 Vgl. in diese Richtung Benz/Rosenberg in FS Haarmann, 301 (319); Jochimsen/Gradl, IStR 2015, 236; Kofler/Rust, SWI 2016, 144 (149); Musil, FR 2015, 297 (302). 9 Kempermann, ISR 2016, 362. 10 Vgl. Hummel, IStR 2016, 335 (336). 11 FG Hamburg v. 21.8.2013 – 1 K 87/12, EFG 2013, 1932. 12 So auch Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6c; Hummel, IStR 2016, 335 (336). 13 Vgl. BFH v. 25.6.2016 – I R 64/13, BStBl. II 2017, 1185 zu § 50d Abs. 8 EStG. 14 Vgl. auch Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6c. 15 Zutr. Kempermann, ISR 2016, 362; Jochimsen, ISR 2016, 125 (128). 16 Grundlegend Seer, IStR 1997, 520; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, Berlin 2000, 93 ff. m.w.N.; zur Bedeutung von Art. 293 EG für die DBAvgl. auch Pistone, The Impact of Community Law on Tax Treaties: Issues and Solutions, London 2002, 68 ff. 17 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2823 Rz. 14 ff.

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Schönfeld/Häck

I. „Missbrauch“ von DBA

Rz. 187 Systematik

die apodiktischen Ausführungen des EuGH in der Rs. „Columbus Container Services“ darauf hin, dass sich der Gerichtshof auch dafür nicht berufen fühlt.1 Hinzu kommt, dass sich die Regelung des Art. 293 Spiegelstrich 2 EG-Vertrag im AEUV nicht mehr wiederfindet. Damit scheinen sich auch die Mitgliedstaaten in dieser Angelegenheit einig zu sein.2 Wegen der weiteren Einzelheiten vgl. auch Rz. 152.

I. „Missbrauch“ von DBA I. Begriff und Arten der missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBA Missbrauchsbegriff. Das Problem des Missbrauchs und dessen Vermeidung gehören mit zu den schillerndsten Problemen des Steuerrechts. Bevor man sich allerdings der Frage nähert, inwieweit die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA durch nationale Regelungen bekämpft werden darf, sollte man sich vergegenwärtigen, was überhaupt unter dem Begriff des Missbrauches zu verstehen ist. Außerhalb des Steuerrechts wird mit „Missbrauch“ im Allgemeinen ein funktionswidriger, Treu und Glauben widersprechender Gebrauch einer Sache oder eines Rechts beschrieben.3 Darin kommt bereits zum Ausdruck, dass es im Kern darum geht, ein gewährtes Recht zweckwidrig zu gebrauchen. Der Missbrauchsbegriff im deutschen Steuerrecht setzt dieses Verständnis noch wesentlich detaillierter um. Danach setzt Missbrauch eine rechtliche Gestaltung voraus, die gemessen an dem angestrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht gerechtfertigt werden kann.4 Darin kommt insbesondere zum Ausdruck, dass das Steuerrecht einem zivilrechtlichen Subsumtionsvorschlag nicht folgt, wenn die Gestaltungsmöglichkeiten des Zivilrechts ausschließlich dazu genutzt werden, Steuern zu mindern und dieses Ziel durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht gerechtfertigt werden kann. In einem ähnlichen Sinne versteht auch das Europäische Steuerrecht den Missbrauch. Danach ist eine missbräuchliche Praktik jede rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltung, die zu dem Zweck errichtet wird, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet wird.5 Im Kern geht es also dem europäischen Missbrauchsbegriff darum, dass die vom EU-Recht gewährten Grundfreiheiten nicht ihrem eigentlichen Zweck entsprechend genutzt werden, nämlich die europäischen Teilmärkte gegenseitig zu durchdringen, sondern nur deshalb in Anspruch genommen werden, um der in einem Mitgliedstaat erhobenen Steuer zu entgehen. Auf einer ähnlichen Linie liegt das abkommensrechtliche Missbrauchsverständnis. Danach wird unter Missbrauch jede künstliche Rechtskonstruktion verstanden, die darauf gerichtet ist, in den Genuss von Steuervorteilen nach bestimmten innerstaatlichen Gesetzen bzw. von Steuererleichterungen nach den DBA zu kommen.6 In diesem weiten Sinne soll der Missbrauchsbegriff im Weiteren verwandt werden.

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Erscheinungsformen. Hat man sich ein Bild davon gemacht, was unter dem Begriff des Missbrauchs zu verstehen ist, kann man sich der weiteren Frage zuwenden, welche Erscheinungsformen der missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBA es gibt. Die wohl bekannteste Erscheinungsform ist das sog. „Treaty-Shopping“. Dabei handelt es sich um eine Gestaltung, die darauf angelegt ist, den Schutz eines DBA zu erlangen, welches an sich für den Steuerpflichtigen nicht gilt. Der Klassiker ist die Einschaltung einer abkommensberechtigten Person für das Erzielen bestimmter Einkünfte, etwa die Einschaltung einer Gesellschaft in einem Staat, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, welches Vorteile gewährt, die bei einem unmittelbaren Bezug der Einkünfte nicht zur Anwendung kämen. Ferner zu nennen ist das sog. „rule shopping“. Eine derartige Gestaltung ist darauf angelegt, die Voraussetzung einer bestimmten Verteilungsnorm eines DBA herbeizuführen, dessen Schutz der Steuerpflichtige an sich beanspruchen kann. Zu nennen ist hier z.B. der Versuch, in den Genuss des Zinsartikels anstelle des Dividendenartikels zu gelangen, weil der Zinsartikel nach dem deutschen DBA typischerweise kein Quellenbesteuerungsrecht vorsieht, wohingegen der Dividendenartikel typischerweise ein Quellenbesteuerungsrecht ermöglicht (ausgenommen Schachtelprivileg). Eine weitere Erscheinungsform der missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBA sind sog. Qualifikationskonflikte. Derartige Gestaltungen sind darauf angelegt, durch die unterschiedliche Anwendung eines DBA im Quellenund Ansässigkeitsstaat einen Steuervorteil zu erlangen, der bei übereinstimmender Auslegung des DBA nicht entstanden wäre (Stichwort: „weiße Einkünfte“). Schließlich kann man auch die Einkünfteverlagerung da-

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EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container Services, EuGHE 2007, I-10451 Rz. 47. Vgl. auch Prokopf in S/K/K, § 20 AStG, Rz. 81 ff.; Schütz in Fuhrmann, § 20 AStG Rz. 18 f. Vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. IV (K-OZ), 1982, 688. Vgl. z.B. BFH v. 19.1.2017 – IV R 50/14, BStBl. II 2017, 456; v. 17.11.1999 – I R 11/99, BStBl. II 2001, 822 m.w.N. 5 Grundlegend EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 Rz. 55. 6 Vgl. Art. 1 Rz. 8 OECD-MK.

Schönfeld/Häck

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Systematik Rz. 187

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

runter fassen, bei der es darum geht, Einkünfte in einen i.d.R. niedrig besteuernden DBA-Quellenstaat zu verlagern, für die der Ansässigkeitsstaat die Freistellungsmethode gewährt oder anderweitig an der Besteuerung gehindert ist (z.B. zivilrechtliche Abschirmwirkung ausländischer Rechtsträger).

II. Missbrauchsvermeidungsvorschriften 188

Rechtsgrundlagen im DBA-Recht. So enthalten die deutschen DBA zunehmend selbst Regeln, um eine aus Sicht der Abkommenspartner missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA zu verhindern. So werden z.B. bestimmte Rechtsträger generell von der Abkommensberechtigung ausgenommen, wenn im Zusammenhang mit diesen Rechtsträgern typischerweise unangemessene Gestaltungen verbunden sind. Zu nennen ist hier z.B. das neue DBA-Liechtenstein, welches Privatvermögenstrukturen liechtensteinischen Rechts, die ausschließlich der Mindestertragsteuer in Liechtenstein unterliegen, vom Abkommensschutz ausnimmt (z.B. Familienstiftungen).1 Zunehmend wird auch der Kreis der durch DBA begünstigten Personen mit Hilfe sog. „Limitation-on-Benefits“-Klauseln eingegrenzt. Die bekannteste und komplexeste Regelung enthält hier Art. 28 DBA-USA. In den DBA werden auch zunehmend Regelungen aufgenommen, um Qualifikationskonflikte zu verhindern (z.B. Art. 1 Abs. 7 DBA-USA und Art. 23 Abs. 4 Buchst. b Alt. 1 DBA-USA). Beliebt sind auch sog. „Subject-to-Tax“-Klauseln (z.B. Art. 23 Abs. 4 Buchst. b Alt. 2 DBA-USA), die die Anwendung der Freistellungsmethode davon abhängig machen, dass die freigestellten Einkünfte im Quellenstaat einer Besteuerung unterlegen haben. Echte Klassiker sind mittlerweile sog. Aktivitätsvorbehalte (z.B. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz), die die Freistellung davon abhängig machen, dass die freigestellten Einkünfte aus einer bestimmten aktiven Tätigkeit stammen. Damit will man verhindern, dass insbesondere bestimmte (mobile) betriebliche Teilfunktionen in eine Freistellungsbetriebstätte verlagert werden. Dann enthalten die DBA auch Öffnungsklauseln, die die Anwendung innerstaatlicher Missbrauchsbekämpfungsvorschriften ausdrücklich ermöglichen. So sieht z.B. Art. 1 Abs. 6 DBA-USA vor, dass Deutschland seine Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zur USA anwenden kann. Ist eine solche Öffnungsklausel enthalten, wird man nur schwerlich von einem „Treaty override“ sprechen können, weil dieser im DBA selbst angelegt ist.

189

Rechtsgrundlagen im innerstaatlichen Steuerrecht. Im Bereich des innerstaatlichen Steuerrechts hat man zu unterscheiden zwischen der allgemeinen Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 42 AO einerseits und den typisierenden Missbrauchsbekämpfungsvorschriften andererseits. In diesem Zusammenhang ist deutlich zu erkennen, dass es der Gesetzgeber (auch bedingt durch die zurückhaltende Anwendung von § 42 AO durch die Rspr.) bevorzugt, missbräuchliches Verhalten zu typisieren und steuerlich entsprechend zu sanktionieren. Von diesen typisierenden Missbrauchsbekämpfungsvorschriften sind im Bereich des Internationalen Steuerrechts insbesondere zu nennen die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7–14 AStG, der Switch-over von der DBA-Freistellung zur Anrechnung nach § 20 Abs. 2 AStG, die Einkünftekorrektur bei verbundenen Unternehmen gem. § 1 AStG, die Anti-treaty-shopping- und Anti-directive-shopping-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG sowie die Regelung zur Vermeidung von sog. „weißen Einkünften“ aufgrund von DBA-Qualifikationskonflikten nach § 50d Abs. 9 EStG. Die Aufzählung könnte weiter fortgesetzt werden, es sollen hier nur die praktisch wichtigsten Vorschriften genannt werden.

III. Zulässigkeit von Missbrauchsbekämpfungsvorschriften 1. Zulässigkeit im innerstaatlichen Recht 190

Missbrauchsbekämpfungsvorschriften ohne Treaty override. Was die Zulässigkeit von Vorschriften zur Bekämpfung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBA anbelangt, so ist zunächst zwischen solchen Vorschriften zu unterscheiden, die einen sog. „Treaty override“ bewirken und solchen Vorschriften, von denen ein solcher völkerrechtsunfreundlicher Akt nicht ausgeht.2 Missbrauchsbekämpfungsvorschriften, die ohne einen „Treaty override“ auskommen (z.B. weil deren Anwendung im betreffenden DBA ausdrücklich zugelassen ist), sollen nach bislang ganz h.M. grds. zulässig sein. Es ist allerdings Hey3 und ihrer Schülerin Gabel4 zu verdanken, in jüngster Vergangenheit den Blick insoweit etwas geschärft zu haben. Sie haben sich mit überzeugenden Argumenten dafür ausgesprochen, die Zulässigkeit typisierender Missbrauchsbekämpfung stärker an den Grundrechten zu messen, insbesondere dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung die Möglichkeit des Nachweises einzuräumen, dass ihn der typi1 2 3 4

88

Vgl. Protokoll Nr. 2c zum DBA-Liechtenstein. Vgl. hierzu auch grundlegend z.B. Gosch, IStR 2008, 413. Hey, DStJG Bd. 33 (2010), 139 ff. Gabel, StuW 2011, 3 ff.

Schönfeld/Häck

I. „Missbrauch“ von DBA

Rz. 194 Systematik

sierte Missbrauchsvorwurf im konkreten Fall überhaupt nicht trifft. Dem kann nur beigepflichtet werden. Denn es drängt sich doch geradezu die Frage auf, warum das, was für die Grundfreiheiten des AEUV gilt, nicht auch für die Grundrechte des GG gelten soll. Hier wie dort geht es um die Gewährleistung von Freiheitsrechten. Und hier wie dort gibt es ein Verhältnismäßigkeitsgebot, welches überschießende Tendenzen typisierender Missbrauchsbekämpfungsvorschriften begrenzt. Im Verfassungsrecht ist es nur lediglich so, dass das BVerfG (anders als der EuGH) bislang nur sehr eingeschränkt einen Eingriff in die Grundrechte durch steuerliche Vorschriften bejaht (Stichwort: konfiskatorische Besteuerung). Insoweit kommt das BVerfG meist gar nicht zur Verhältnismäßigkeitsprüfung. Hier könnte die Grundfreiheitsdogmatik des EuGH neue Anstöße für eine freiheitsfreundliche Auslegung des GG geben. Missbrauchsbekämpfungsvorschriften mit Treaty overriding. Die vorstehenden Überlegungen gelten erst recht, wenn von der betreffenden Missbrauchsbekämpfungsvorschrift ein „Treaty override“ ausgeht. Bei der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ist aber zu beachten, dass die Grundrechte nicht schrankenlos gewährleistet werden und das BVerfG einen Verfassungsverstoß zuletzt verneint hatte (Rz. 181 ff.). Ob die Missbrauchsbekämpfung mit Blick auf die aus Art. 3 GG folgende Verpflichtung des Staats, für eine Gewährleistung der gleichmäßigen Besteuerung zu sorgen, zu derart tragenden Verfassungsgrundsätzen gehört, darüber kann man sicherlich streiten. Bejaht man dies aber, dann muss dem Steuerpflichtigen als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots die Möglichkeit eingeräumt werden, den (ggf. typisierten) Missbrauchsvorwurf zu widerlegen.

191

2. Zulässigkeit im EU-Recht Nichtdiskriminierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften. Neben dem innerstaatlichen Recht können der Missbrauchsbekämpfung auch (ggf. effektivere) Grenzen durch das (höherrangige) EU-Recht gesetzt sein,1 auch wenn der EuGH dem „Treaty override“ als solchem bislang (leider) keine Verletzung von EU-rechtlichen Vorgaben entnehmen konnte, und zwar grds. selbst dann nicht, wenn dies zu einer Doppelbesteuerung führt2 (Rz. 152 und 185). Sind typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften nicht diskriminierend bzw. nicht beschränkend, so sind diese Vorschriften EU-rechtlich uneingeschränkt zulässig. Dies ist auch in der Sache nachvollziehbar, weil die EU-Grundfreiheiten nur dann die Anwendung einer nationalen Vorschrift hindern, wenn eine Diskriminierung oder eine Beschränkung dieser Grundfreiheiten gegeben ist.3

192

Diskriminierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften. Auch diskriminierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften sind grundsätzlich zulässig. Bis zur Entscheidung des EuGH in der Rs. „Cadbury Schweppes“ war diese Einsicht allerdings nicht selbstverständlich. Bis dahin ging man davon aus, dass typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften per se unzulässig sind. Mit der Entscheidung in der Rs. „Cadbury Schweppes“ stellte der EuGH allerdings klar, dass auch typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften grundsätzlich zulässig sind. Die Grenze ist jedoch das EU-rechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot, d.h. die typisierende Maßnahme darf nicht über das hinausgehen, was zur Zielerreichung erforderlich ist. Der EuGH folgert daraus, dass der Steuerpflichtige in jedem Einzelfall die Möglichkeit haben muss, den typisierten Missbrauchsvorwurf zu widerlegen (Stichwort: „wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit“).4 Denn gelingt ihm dieser Nachweis, ist auch die Anwendung einer (typisierenden) Missbrauchsbekämpfung nicht erforderlich. Dies hat der EuGH zuletzt ausdrücklich für die deutsche Anti-Treaty-Shopping-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG noch einmal deutlich gemacht.5 Ähnliches hat der Gerichtshof auch zur Verrechnungspreiskorrektur nach § 1 AStG ausgeführt. Demnach muss grundsätzlich dem Steuerpflichtigen der Nachweis wirtschaftlicher Gründe zur Rechtfertigung nicht fremdüblicher Verrechnungspreise gestattet werden.6

193

Allgemeine Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 42 AO. Auch die allgemeine Missbrauchsbekämp- 194 fungsvorschrift des § 42 AO ist EU-rechtlich uneingeschränkt zulässig. Dies ist in der Sache auch nachvollziehbar, weil § 42 AO jedenfalls von seinem Wortlaut her eine nichtdiskriminierende Regelung ist. Hin1 Aus der großen Zahl der Beiträge dazu vgl. z.B. Bergmann, StuW 2010, 246; Thiele, IStR 2011, 452 jeweils m.w.N. 2 Vgl. EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerkhaert und Morres, EuGHE 2006, I-10967 Rz. 15 ff.; zu Recht kritisch Englisch, IStR 2007, 67 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 167 ff. 3 Vgl. z.B. EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10451. 4 Vgl. EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 Rz. 60 ff. 5 EuGH v. 20.12.2017 – verb. Rs. C-504/16 und C-613/16 – Deister Holding u.a., ECLI:EU:C:2017:1009; v. 14.6.2018 – Rs. C-440/17 – GS, ECLI:EU:C:2018:437. 6 EuGH v. 31.5.2018 – Rs. C-382/16 – Hornbach-Baumarkt, ECLI:EU:C:2018:366.

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Systematik Rz. 194

Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen

zuweisen ist aber darauf, dass in der praktischen Rechtsanwendung kein unterschiedliches Missbrauchsverständnis in Abhängigkeit davon zugrunde gelegt werden darf, ob es um einen inländischen oder um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt geht. Wird ein solcher Unterschied gemacht, und zwar zulasten des grenzüberschreitenden Sachverhalts, dann kann diese Rechtsanwendungspraxis sehr wohl gegen die EUGrundfreiheiten verstoßen mit der Folge, dass der Steuerpflichtige wiederum den Nachweis führen können muss, dass die von ihm gewählte Gestaltung keine rein künstliche Konstruktion bar jeder wirtschaftlichen Realität ist. In diesem Kontext ist zu beachten, dass Art. 6 ATAD die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine allgemeine Missbrauchsvorschrift einzuführen. Es wird zwar grundsätzlich davon ausgegangen, dass durch Art. 6 ATAD grundsätzlich keine Änderung des Gesetzeswortlauts notwendig wird.1 Da § 42 AO künftig insoweit aber auch Sekundärrecht umsetzt, wird diese Norm verstärkt im Lichte des Unionsrechts gesehen und auch vom EuGH ausgelegt werden müssen.2 195

EU-rechtliche Missbrauchsbekämpungsvorbehalte. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass das EU-Recht z.T. ausdrückliche Missbrauchsbekämpfungsvorbehalte zugunsten der Mitgliedstaaten enthält (z.B. Art. 1 Abs. 2 MTRL).

1 Hey, StuW 2017, 248 (263); vgl. auch Holle in Hagemann/Kahlenberg, Art. 6 ATAD Rz. 331. 2 Hey, StuW 2017, 248 (263 f.).

90

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Abschnitt I. Geltungsbereich des Abkommens

Artikel 1 Unter das Abkommen fallende Personen (1) Dieses Abkommen gilt für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind. (2)1 Im Sinne dieses Abkommens gelten Einkünfte, die durch oder über Rechtsträger oder Gebilde bezogen werden, die nach dem Steuerrecht eines der Vertragsstaaten als vollständig oder teilweise steuerlich transparent behandelt werden, als Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person, jedoch nur, soweit die Einkünfte für Zwecke der Besteuerung durch diesen Vertragsstaat als Einkünfte einer in diesem Vertragsstaat ansässigen Person behandelt werden. (3)2 Dieses Abkommen lässt die Besteuerung der in einem Vertragsstaat ansässigen Personen durch diesen Vertragsstaat unberührt, sofern es sich nicht um Vorteile handelt, die gemäß Artikel 7 Absatz 3 und Artikel 9 Absatz 2 sowie gemäß Artikel 19, 20, 23A, 23B, 24, 25 und 28 gewährt werden. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht/Völkerrecht . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . I. Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Persönlicher Abkommensschutz – Ansässige Person im Sinne des OECD-MA . . . . . . . 1. Überblick/Vertragsstaat . . . . . . . . . . . . 2. Abkommensberechtigung natürlicher Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abkommensberechtigung juristischer Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abkommensberechtigung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übereinstimmende Einordnung als Körperschaftsteuersubjekt . . . . . . . . c) Übereinstimmende Einordnung als transparente Einheit (Mitunternehmerschaft) . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterschiedliche Einordnung durch die beteiligten Staaten . . . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . bb) Position der OECD . . . . . . . . . . cc) Position der Rechtsprechung . . . .

1 1 2 5 6 6 10 15 25 25 31 31 36 39 45 45 48 49

5.

55 55 57 59

6. 7. C.

dd) Position der Finanzverwaltung/§ 50d Abs. 1 Satz 11 EStG . . . ee) Eigene Auffassung . . . . . . . . . . e) Auflösung von Einordnungskonflikten – Deutschland als Quellenstaat . . . . . . . aa) Gesellschaft ist aus Sicht des Quellenstaates transparent und aus Sicht des Sitzstaats Steuersubjekt . . . . . bb) Gesellschaft ist aus Sicht des Quellenstaats Steuersubjekt und aus Sicht des Sitzstaats transparent . . . f) Auflösung von Einordnungskonflikten – Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesellschaft ist aus Sicht des Ansässigkeitsstaats transparent und aus Sicht des Sitzstaats Steuersubjekt . . bb) Gesellschaft ist aus Sicht des Ansässigkeitsstaats Steuersubjekt . . g) Auflösung von Einordnungskonflikten – Deutschland als Sitzstaat der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesellschaft ist aus Sicht des Sitzstaats transparent . . . . . . . . bb) Gesellschaft ist aus Sicht des Sitzstaats Steuersubjekt . . . . . . . cc) Besonderheit – Kommanditgesellschaft auf Aktien . . . . . . . . Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen . . . . . . . . . . . . . Sondervergütungen . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Personenzusammenschlüsse, Vermögensmassen . . . . . . . . . . . . . . . Hybride Gesellschaften (Abs. 2) . . . . . . .

62 64 68 68 72 75 75 77 79 79 81 82 83 84 87 94

1 Art. 1 Abs. 2 ist eine inoffizielle Übersetzung der ursprünglichen OECD-Version, die in englischer Sprache unter dem Titel Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017, OECD Publishing, Paris unter https://doi.org/10.1787/20745419 abrufbar ist. In Zweifelsfällen ist die ursprüngliche, englische Fassung maßgeblich. 2 Art. 1 Abs. 3 ist eine inoffizielle Übersetzung der ursprünglichen OECD-Version, die in englischer Sprache unter dem Titel Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017, OECD Publishing, Paris unter https://doi.org/10.1787/20745419 abrufbar ist. In Zweifelsfällen ist die ursprüngliche, englische Fassung maßgeblich.

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Art. 1 Rz. 1 D. E. I. II. III. 1. 2. 3.

F. G. I. 1. 2. II. 1. 2. III. 1. 2. IV. 1. 2.

Unter das Abkommen fallende Personen

Saving Clause (Abs. 3) . . . . . . . . . . . Missbrauch von DBA . . . . . . . . . . . . Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . Missbrauchsbekämpfung im Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Missbrauchsbekämpfung im innerstaatlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung des § 42 AO . . . . . . . . . . a) Verhältnis zum Abkommensrecht . . . b) Basisgesellschaften . . . . . . . . . . . . Spezielle Vorschriften zu Missbrauchsvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 50d Abs. 3 EStG . . . . . . . . . . . . b) § 50d Abs. 8 EStG . . . . . . . . . . . . c) § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG . . . . . . . . . d) § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG . . . . . . . . . e) § 50d Abs. 10, 11 und 12 EStG . . . . . f) § 20 Abs. 2 AStG . . . . . . . . . . . . . g) Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . . . . . . Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . .

. 102 . 109 . 109 . 112 . . . . .

119 119 120 120 123

. . . . . . . . .

125 126 129 131 132 133 134 137 140

. . . . . . . . . . . . .

141 141 141 142 143 143 144 145 145 146 147 147 148

V. 1. 2. VI. 1. 2. VII. 1. 2. VIII. 1. 2. IX. 1. 2. X. 1. 2. XI. 1. 2. XII. 1. 2. XIII. 1. 2. XIV. 1. 2. XV. 1. 2.

Indien . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Italien . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Japan . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Kanada . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Luxemburg . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Niederlande . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Russland . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Spanien . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149 149 150 151 151 152 153 153 154 155 155 156 157 157 158 159 159 160 161 161 162 163 163 164 165 165 166 167 167 168 169 169 170

OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: https://doi.org/10.1787/20745419.

KOMMENTIERUNG ZU ART. 1 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck 1

Bestimmung des subjektiven Geltungsbereichs. Art. 1 bildet zusammen mit Art. 2 den I. Abschnitt des OECD-MA, der dessen Geltungsbereich festlegt. In diesem Zusammenhang beschreibt Art. 1 Abs. 1 den subjektiven Geltungsbereich, d.h. es wird geregelt, auf wen das Abkommen Anwendung findet bzw. wer sich hierauf berufen kann. Damit ist auch die Frage verbunden, was unter einem Abkommen zu verstehen ist und welche Regelungen neben dem eigentlichen Abkommenstext zum Abkommen zu zählen sind. Mit dem OECD-MA 20171 wurde Art. 1 noch um Regelungen zur abkommensrechtlichen Behandlung hybrider Gebilde (Abs. 2) sowie um eine „Saving Clause“ ergänzt. Die konkreten Auswirkungen der mit dem Update des OECD-MA verbundenen Änderungen des Art. 1 dürften für die deutsche Abkommenspraxis allerdings 1 OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version (as it read on 21 November 2017).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 5 Art. 1

eher gering sein. So hat sich Deutschland die Umsetzung von Art. 1 Abs. 2 OECD-MA sowie die Umsetzung der entsprechenden Vorschriften auf Grund des Multilateralen Instruments ausdrücklich vorbehalten (Rz. 95).1 Art. 2 legt dagegen den sachlichen Geltungsbereich des Abkommens fest, d.h., welche Steuern – bestimmt nach Steuerart und Steuergläubiger – in dessen Regelungsbereich einbezogen sind (vgl. Art. 2 Rz. 1 ff.). Inhaltlich abgerundet werden Art. 1 und 2 durch Art. 29. Dieser Artikel eröffnet die Möglichkeit, das Abkommen durch einfachen Notenaustausch auf andere Hoheitsgebiete zu erstrecken. Insoweit handelt es sich um eine vereinfachte Form der Vertragsänderung (vgl. Art. 30 Rz. 10 ff.).

II. Aufbau der Vorschrift Grundsatz – Ansässige Person. Art. 1 enthält nunmehr drei Absätze. Abs. 1 besteht lediglich aus einem Satz: „Dieses Abkommen gilt für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind.“ Die einzelnen Begriffe definiert Art. 1 Abs. 1 nicht selbst. Insoweit ist auf die Definitionen an anderen Stellen im Abkommen selbst bzw. über Art. 3 Abs. 2 auf Begriffe des nationalen Rechts der Vertragsstaaten zurückzugreifen (vgl. Art. 3 Rz. 66 ff.). Innerhalb des Abkommens sind hier insbesondere Art. 3 Abs. 1 Buchst. a (Begriff der „Person“) und Art. 4 (Begriff der „ansässigen Person“) von Bedeutung. Die Abgrenzung, ob für diese Begriffe auf das Recht der jeweiligen Vertragsstaaten zurückzugreifen ist, oder ob diesen eine eigenständige abkommensrechtliche Bedeutung zuzumessen ist, ist eine der Grundfragen für die Bestimmung des subjektiven Anwendungsbereichs.

2

Hybride Rechtsträger und Gebilde. Ein Grundproblem der Abkommensanwendung war und ist die Be- 3 handlung von Rechtsträgern (als Hauptanwendungsfall: Personengesellschaften) und anderen Gebilden (etwa Trusts angloamerikanischen Rechts), die nach dem Steuerrecht (nur) eines der Vertragsstaaten als vollständig oder teilweise transparent behandelt werden (vgl. Rz. 55 ff. sowie Art. 3 Rz. 43 ff.). Zu diesen hybriden Gebilden ist nunmehr mit dem OECD-MA 2017 in Art. 1 ein neuer Abs. 2 eingefügt worden, wonach Einkünfte, die über einen solchen hybriden Rechtsträger oder ein solches hybrides Gebilde bezogen werden, als Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person gelten. Das gilt aber nur, soweit dieser Vertragsstaat die Einkünfte als Einkünfte einer in diesem Vertragsstaat ansässigen Person behandelt. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass auf Grund der unterschiedlichen steuerlichen (abkommensrechtlichen) Einordnung derartiger hybrider Gebilde Einkünfte weder in dem einen noch in dem anderen Staat steuerlich erfasst werden können. Saving Clause. Der ebenfalls neu eingefügte Abs. 3 soll vermeiden, dass einzelne Abkommensbestimmungen in einer Weise interpretiert werden, dass das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats über die im Abkommen ausdrücklich geregelten Fälle – das sind die in Abs. 3 genannten Fälle, insbes. Art. 23A und 23B – durch das Abkommen beschränkt wird (Art. 1 Rz. 17 und 18 OECD-MK, vgl. Rz. 102 ff.). Ferner gewährleistet die Vorschrift die Anwendung innerstaatlicher Missbrauchs- und Zurechnungsvorschriften.2

4

III. Rechtsentwicklung Wesentliche Ergänzungen durch das OECD-MA 2017. Art. 1 – nunmehr Art. 1 Abs. 1 – ist seit der ursprünglichen Fassung des OECD-MA 1963 unverändert geblieben. Indem das Abkommen grundsätzlich zur Bestimmung des subjektiven Anwendungsbereichs auf die Ansässigkeit der betroffenen Personen abstellt, hat sich die OECD von Anfang an insbesondere von der früher gängigen Praxis, auf die Staatsangehörigkeiten der betroffenen Personen abzustellen, abgewandt (vgl. Art. 1 Rz. 1 Sätze 1 und 3 OECD-MK). Mit dem Update 20173 wurden Abs. 2 und 3 neu in das OECD-MA aufgenommen. Der Text des bisherigen Art. 1 wurde unverändert in Abs. 1 fortgeführt.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften Ausgewählte Literatur: Bendlinger, Das OECD-Musterabkommen 2017, SWI 2017, 450; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, Das neue OECD-Musterabkommen 2017, DB 2018, 1171; Grotherr, Welche Steuergestaltungsmodelle sollen durch die neue Anti-Hybrid-Richtlinie bekämpft werden?, BB 2017, 1367; Haarmann, Die Missbrauchsverwirrung, IStR 2018, 561; Hey, Harmonisierung der Missbrauchsabwehr durch die Anti-Tax-Avoidance-Directive (ATAD), StuW 2017, 1 Eine mit § 1 Abs. 2 vergleichbare Regelung ist allerdings in Art. 1 Abs. 7 DBA-USA enthalten. Auch das Protokoll zum DBA-Niederlande enthält eine Regelung zu hybriden Rechtsträgern. 2 Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1172); Bendlinger, SWI 2017, 450 (452). 3 OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version (as it read on 21 November 2017).

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5

Art. 1 Rz. 6

Unter das Abkommen fallende Personen

248; Köhler, Hybrids: alle Schotten dicht?, ISR 2018, 250, Müller-Gatermann, Notwendige strukturelle Steuergesetzgebung in dieser Legislaturperiode bei den direkten Steuern, FR 2018, 389; Zinowsky/Jochimsen, ATAD II – Ausweitung der Abwehrmaßnahmen gegen steuerlich hybride Gestaltungen auf Drittlandsfälle, ISR 2017, 325. Treaty override: Brombach-Krüger, Treaty override aus europarechtlicher und verfassungsrechtlicher Sicht, Ubg 2008, 324; Cloer/Trinks, § 50d Abs. 8 verfassungskonform?, IWB 2012, 402; Cloer/Trinks, Einseitiges Überschreiben von DBA zulässig?, PIStB 2012, 173; Daragan, Treaty override und Rechtsstaatsprinzip, DB 2011, 2681; Frotscher, Zur Zulässigkeit des „Treaty-Override, FS Schaumburg (2009), 687; Gebhardt, § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 in der europa- und verfassungsrechtlichen Kritik, IStR 2011, 58; Gebhardt, Grundlegendes zum Phänomen Tax Treaty Overriding im deutschen Internationalen Steuerrecht, Ubg 2012, 585; Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413; Hahn, Treaty Overriding sine ira et studio, IStR 2011, 863; Hahn, Treaty-Override als Verfassungsverstoß, BB 2012, 1955; Hageböke, Zum Konkurrenzverhältnis von DBA-Schachtelprivileg und § 8b KStG, IStR 2009, 473; Heeger, Das Verhältnis von Abkommensrecht und nationalem Steuerrecht, SWI 2011, 95; Hey, Nationale Missbrauchsvorschriften im Spannungsfeld von DBA und EU-Recht, in Lüdicke, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 35, Köln 2009, S. 137; Hilbert, Unilaterale treaty-override-Regelungen bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, IStR 2012, 405; Jansen/Weidmann, Treaty Overriding und Verfassungsrecht, IStR 2010, 596; Kofler, Doppelbesteuerung und EURecht, IStR 2011, 668; Lehner, Treaty override im Anwendungsbereich des § 50d EStG, IStR 2012, 389; Mitschke, Das Treaty override zur Verhinderung einer Keinmalbesteuerung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2011, 2221; Musil, § 50d Abs. 3 EStG – eine unendliche Geschichte?, FR 2012, 149; Schwenke, Treaty override und kein Ende?, FR 2012, 443; Vogel, Völkerrechtliche Verträge und innerstaatliche Gesetzgebung, IStR 2005, 29; Vogel, Wortbruch im Verfassungsrecht, JZ 1997, 161; Wichmann, Anmerkungen zur deutschen Abkommenspolitik, FR 2011, 1082. Nach der Entscheidung vom 15.12.2015: Frotscher, Treaty Override – causa finita?, IStR 2016, 561; Grzeszick, Völkervertragsrecht in der parlamentarischen Demokratie, NVwZ 2016, 1753; Lehner, Treaty Override ist nicht verfassungswidrig, IStR 2016, 217; Lüdicke, EU-Grundfreiheiten, DBA-Diskriminierungsverbote nach der Staatsangehörigkeit und Treaty Override, IStR 2017, 289; Payandeh, Grenzen der Völkerrechtsfreundlichkeit, NJW 2016, 1279; Scherer, Treaty Override und Unionsrecht – ein Versuch, IStR 2016, 741; Stöber, Zur verfassungs- und europarechtlichen (Un-)Zulässigkeit von Treaty Overrides, DStR 2016, 1889; Weigell/Görlich, Treaty Override verfassungsgemäß?, IStR 2017, 772.

1. Abkommensrecht 6

Grundsatz. Art. 1 legt zusammen mit Art. 2 den Geltungsbereich des Abkommens fest. Beide Vorschriften werden durch Art. 29 hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereichs des Abkommens ergänzt. Art. 1 eröffnet damit im Verhältnis zu den folgenden Artikeln des OECD-MA deren Anwendungsbereich. Überschneidungen und Konkurrenzen zu diesen ergeben sich i.d.R. insoweit nicht.

7

Erweiterung des Anwendungsbereichs durch Art. 10 Abs. 5. Eine (scheinbare) Ausnahme von dem Grundsatz, dass der subjektive Anwendungsbereich des Abkommens von Art. 1 abschließend bestimmt wird, ist in Art. 10 Abs. 5 enthalten. Geregelt wird hier das Besteuerungsrecht an Dividenden, die eine Gesellschaft mit Sitz in dem einen Vertragsstaat ausschüttet und die ausschüttende Gesellschaft Gewinne aus dem anderen Vertragsstaat (z.B. durch eine dortige Betriebsstätte) erzielt. Nach Art. 10 Abs. 5 darf in diesen Fällen der Betriebsstättenstaat die Dividenden nicht besteuern, es sei denn, dass der Dividendenempfänger in diesem Vertragsstaat (dem Betriebsstättenstaat) ansässig ist. Art. 10 Abs. 5 schützt damit neben den Dividendenempfängern, die im Sitzstaat der ausschüttenden Gesellschaft ansässig sind, auch Dividendenempfänger mit Ansässigkeit in einem Drittstaat vor einer Besteuerung im Betriebsstättenstaat.1 Der im Drittstaat ansässige Dividendenempfänger kann sich also in Bezug auf die Besteuerung dieser Dividenden gegenüber dem Staat, in dem die ausschüttende Gesellschaft eine Betriebsstätte unterhält, auf das zwischen diesem Staat (dem Betriebsstättenstaat) und dem Sitzstaat der Kapitalgesellschaft geschlossene Abkommen berufen, obwohl es sich bei dem Dividendenempfänger um keine in Art. 1 genannte Person handelt. Art. 10 Abs. 5 stellt somit eine Erweiterung des subjektiven Anwendungsbereichs dar, die mit der Umsetzung des Abkommens in innerstaatliches Recht wie das gesamte Abkommen Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung wird, auf die sich jedermann berufen können muss (vgl. Art. 10 Rz. 206 ff.).2

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Einschränkungen des Anwendungsbereichs. Wird zwischen zwei Staaten ein Abkommen geschlossen, mit dem Doppelbesteuerungen3 vermieden werden sollen (Doppelbesteuerungsabkommen – DBA), und werden auf Grund eines solchen Abkommens die Besteuerungsrechte der jeweiligen Staaten ganz oder zum Teil eingeschränkt, so kann dies auch immer die Begehrlichkeit wecken, durch künstliche Konstruktionen in den Anwendungsbereich dieses Abkommens zu gelangen – zum Beispiel durch Einschaltung von Basisgesell-

1 Vgl. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 3. 2 Vgl. Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 253; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 97 (Stand: Februar 2017); a.A. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 184 (Stand: August 2012) unter Hinweis auf BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 186; Gold in S/K/K, Art. 1 OECD-MA Rz. 5.6 (Stand: Juni 2015). 3 Zum Begriff der „Doppelbesteuerung“ vgl. Systematik Rz. 1 ff.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 11 Art. 1

schaften oder durch eine künstliche Wohnsitzverlegung (vgl. Art. 1 Rz. 8 u. 9 OECD-MK). Ebenso kann das Interesse bestehen, den zu besteuernden Sachverhalt so zu gestalten, dass eine bestimmte – für den Steuerpflichtigen in der Gesamtsteuerbelastung günstige – Verteilungsnorm erfüllt wird. Damit ist zu entscheiden, ab wann ein Missbrauch des Abkommens vorliegt bzw. unter welchen Voraussetzungen die beteiligten Steuerrechtsordnungen dem (gestalteten) Sachverhalt nicht mehr für die Besteuerung folgen müssen. Mit dem Update 2017 enthält das OECD-MA nunmehr bereits in seiner Präambel den Hinweis, dass das Abkommen ausschließlich der Vermeidung von Doppelbesteuerungen dient und keine Räume für Steuerverkürzungen oder -vermeidungen schaffen soll. Zudem ist in dem neuen Art. 29 erstmals eine allgemeine Missbrauchsregelung aufgenommen worden (vgl. dazu die Kommentierung zu Art. 29 Rz. 1 ff.). Auch die in Art. 1 eingefügten Abs. 2 und – mit Einschränkungen auch – Abs. 3 dienen letztlich der Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen. Zumindest der OECD-MK sieht zudem einzelne einschränkende Formulierungen, wie z.B. den Begriff des „Nutzungsberechtigten“ in Art. 10, 11 und 12 sowie die Regelung in Art. 17 Abs. 21, als Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerumgehungen an (vgl. Art. 1 Rz. 63 OECD-MK). Außerhalb des OECD-MA bestehen auch jetzt schon verschiedene Versuche, missbräuchlichen Gestaltungen entgegenzuwirken. Zunächst einmal enthalten verschiedene DBA explizite Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung2 (vgl. Rz. 112). Darüber hinaus haben die vertragschließenden Staaten in ihr innerstaatliches Recht häufig weitere Missbrauchsbekämpfungsvorschriften aufgenommen (vgl. Rz. 119 ff.). In Deutschland stellt sich neben verschiedenen speziellen Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung insbesondere die Frage der Anwendbarkeit von § 42 AO (vgl. Rz. 120 ff.). Diskriminierungsverbot des Art. 24. Die Diskriminierungsverbote des Art. 24 sind unabhängig davon an- 9 wendbar, ob eine ansässige Person i.S. des Art. 1 betroffen ist. Art. 24 Abs. 1 stellt auf die Staatsangehörigkeit ab. Wie Art. 24 Abs. 1 Satz 2 klarstellt, gilt Art. 24 auch für Personen, die in keinem Vertragsstaat ansässig sind (vgl. Art. 24 Rz. 50 ff.). 2. EU-Recht/Völkerrecht Erstreckung des materiellen Steuerrechts auf Auslandssachverhalte. Nach allgemeinem Völkerrecht sind die Staaten dem Grunde nach nicht gehindert, auch Sachverhalte zu regeln, die außerhalb ihrer jeweiligen Staatsgebiete verwirklicht werden. Ein durchgängiges völkerrechtliches Territorialprinzip besteht nicht. Voraussetzung für die Regelungszuständigkeit ist allerdings, dass ein hinreichender Anknüpfungspunkt (sog. „genuine link“) besteht.3 Dieser allgemeine völkerrechtliche Grundsatz gilt nach h.M. auch für die Erhebung von Abgaben.4 Zulässigerweise kann der Staat hierzu an die Person des Steuerpflichtigen (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt) oder an die Einkunftsquelle anknüpfen. In diesem Rahmen hat der jeweilige Staat nach dem Völkerrecht ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht. Völkerrechtlich ergibt sich eine Beschränkung lediglich durch die bilateralen oder – soweit bestehend – multilateralen Abkommen, auf Grund derer die Besteuerungsrechte für bestimmte Einkünfte zwischen den vertragsschließenden Staaten verteilt werden. Ein völkerrechtliches Verbot der Doppelbesteuerung gibt es nicht.5

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Kein Verbot der Doppelbesteuerung nach Unionsrecht. Nach ständiger Rspr. des EuGH fallen die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, jedoch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben.6 Dabei akzeptiert das Unionsrecht die Koexistenz von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht in den Mitgliedstaaten und die damit verbundene Gefahr möglicher Doppelbe-

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1 Nach Art. 17 Abs. 2 können Einkünfte, die einem Dritten aus einer von einem Künstler oder Sportler in dieser Eigenschaft persönlich ausgeübten Tätigkeit zufließen, ungeachtet der Art. 7 und 15 in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Künstler oder Sportler die Tätigkeit ausübt (vgl. zu Einzelheiten Art. 17 Rz. 53 ff.). 2 Z.B. Art. 4 Abs. 6 und Art. 23 DBA-Schweiz, Art. 28 DBA-USA. 3 Vgl. StIGH v. 7.9.1927, Series A, No. 10 S. 18 ff. 4 Vgl. BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, 369 ff.; v. 14.5.1968 – 2 BvR 544/63, BVerfGE 23, 288, 309 ff.; BFH v. 26.4.1963 – III 237/58 U, BStBl. III 1963, 413; v. 18.12.1963 – I R 230/61 S, BStBl. III 1964, 253, 256 f.; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 2.5; Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. A 457 ff. (Stand: August 2000); Lampert in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 2.3; Keuthen, Die Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 2009, 24 f. 5 Vgl. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 2.5; Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 14. Vgl. auch – wenn auch ohne ausdrückliche Auseinandersetzung mit dem Völkerrecht: BFH v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497, 498. 6 Vgl. EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785, Rz. 45 = FR 2012, 25; v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670, Rz. 44 = IStR 2011, 840; v. 12.2.2009 – C-128/08 – Damseaux, ECLI:EU:C:2009:471, Rz. 24 = IStR 2009, 622; v. 13.12.2005 – C-446/03 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2005:763, Rz. 29 = IStR 2006, 19 jeweils m.w.N.

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Art. 1 Rz. 11

Unter das Abkommen fallende Personen

steuerungen dem Grunde nach.1 Insbesondere ist eine Doppelbesteuerung nach inzwischen ständiger Rspr. des EuGH – schon vor Wegfall des Art. 293 2. Spiegelstrich EG durch den Vertrag von Lissabon – nicht europarechtswidrig und insbesondere nicht als Verstoß gegen die Grundfreiheiten zu werten.2 In Ermangelung unionsrechtlicher Regelungen bleiben die Mitgliedstaaten befugt, zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen.3 Soweit zwischen den Mitgliedstaaten allerdings ein DBA besteht, hat der EuGH hierin verschiedentlich einen tragfähigen Differenzierungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung gesehen. Hintergrund hierfür ist, dass bei bilateralen Vereinbarungen die Vermutung besteht, dass die Regelungen insgesamt ausgeglichen sind.4 Die europarechtlichen Diskriminierungsverbote dürfen daher nicht vorbehaltslos auf sämtliche Abkommensbestimmungen übertragen werden.5 Bestrebungen, ein multilaterales DBA zwischen den Mitgliedstaaten abzuschließen,6 haben sich als nicht durchsetzbar erwiesen und wurden bisher nicht umgesetzt. Einen mittelbaren Bezug zu den indirekten Steuern hat das Unionsrecht damit nur, soweit das sekundäre Unionsrecht – insbesondere also die zu den indirekten Steuern ergangenen RL – zu einer Änderung des innerstaatlichen Rechts geführt hat. Beispiele hierfür sind die sog. Mutter-Tochter-Richtlinie,7 die Zins- und Lizenz-Richtlinie8 und die Zinsrichtlinie.9 Im Verhältnis zu diesen Regelungen sind Überschneidungen und Konkurrenzen zu den DBA möglich. Der Steuerpflichtige kann sich hier jeweils auf die für ihn günstigere Regelung berufen. 12

Einwirkung des primären Unionsrechts auf DBA. Für die Abkommensberechtigung ist unter dem Blickwinkel des Europarechts zunächst von Interesse, dass Art. 1 auf die Ansässigkeit (und damit i.E. auf die unbeschränkte Steuerpflicht) der betreffenden Person abstellt. Dies dürfte allerdings nicht per se als verdeckte Diskriminierung anzusehen sein. Eine solche wird in der Regel vielmehr erst dann eintreten, wenn sich beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtige Personen in vergleichbaren Situationen befinden, aber ungleich behandelt werden (vgl. Systematik Rz. 133). Gleichfalls wird unter europarechtlichen Gesichtspunkten diskutiert, ob ein Mitgliedstaat nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung gehalten ist, ein Rechtsgebilde eines anderen Mitgliedstaats, das nach dessen Rechtsordnung steuerlich intransparent ist, ebenfalls als Steuersubjekt anzuerkennen (vgl. Systematik Rz. 135).

13

Europarechtliche Zulässigkeit abkommensüberschreibender Vorschriften (Treaty override). Von der Frage eines unionsrechtlichen Verbots der Doppelbesteuerung zu unterscheiden ist die Frage, ob es europarechtlich zulässig ist, wenn sich ein Mitgliedstaat durch ein innerstaatliches (Steuer-)Gesetz über ein mit einem anderen Mitgliedstaat geschlossenes (bilaterales) Abkommen hinwegsetzt, also ein Treaty override stattfindet.10 Dies war in der Literatur umstritten. Seit der Entscheidung des EuGH i.S. „Columbus Container Services“ dürfte allerdings geklärt sein, dass ein Bruch eines zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen Vertrages nicht per se als Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben einzuordnen ist.11 Die Gesamtregelung muss allerdings europarechtskonform sein. Vor diesem Hintergrund hat der BFH im Schlussurteil zu Columbus Container Sevices entschieden, dass der in § 20 Abs. 2 AStG i.d.F. des Missbrauchsbekämp1 Vgl. EuGH v. 13.12.2005 – C-446/03 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2005:763, Rz. 39; Kofler, IStR 2011, 668. 2 Vgl. EuGH v. 15.4.2010 – C-96/08 – CIBA, ECLI:EU:C:2010:185, Rz. 27 = HFR 2010, 774; v. 12.2.2009 – C-128/08 – Damseaux, ECLI:EU:C:2009:471, Rz. 27 = IStR 2009, 622; v. 20.5.2008 – C-194/06 – OESF, ECLI:EU:C:2008:289, Rz. 32 = IStR 2008, 435; v. 14.11.2006 – C-513/04 – Kerckhaert und Morres, ECLI:EU:C:2006:713, Rz. 22 = IStR 2007, 66. Kritisch insoweit Kofler, IStR 2011, 668. 3 Vgl. EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670, Rz. 46 u. 48 = IStR 2011, 840; v. 5.7.2005 – C-376/03 – D, ECLI:EU:C:2005:424, Rz. 52 = IStR 2005, 483; v. 12.12.2006 – C-374/04 – ACT, ECLI:EU:C:2006:773, Rz. 52 = IStR 2007, 138. 4 Vgl. EuGH v. 5.7.2005 – C-376/03 – D, ECLI:EU:C:2005:424 Rz. 61 f. = IStR 2005, 483; v. 12.12.2006 – C-374/04 – ACT, ECLI:EU:C:2006:773, Rz. 88 ff. = IStR 2007, 138. 5 Vgl. Gosch, IStR 2008, 413, 420. 6 Vgl. dazu Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 256d m.w.N. 7 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. 8 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/49 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363, 19 v. 20.12.2006. 9 RL 2003/48/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363/19 v. 20.12.2006. 10 Zum Begriff und der Zulässigkeit eines Treaty override nach innerstaatlichem Recht vgl. Rz. 18 und Systematik Rz. 179 ff. 11 Vgl. EuGH v. 6.12.2007 – C-298/05 – Columbus Container Services, ECLI:EU:C:2007:754, Rz. 46 f. = BFH/NV 2008, Beilage 2, 100; v. 12.2.2009 – C-128/08 – Damseaux, ECLI:EU:C:2009:471, Rz. 22 = IStR 2009, 622. Vgl. auch Brombach-Krüger, Ubg 2008, 324; Gosch, IStR 2008, 413. Kritisch: Kofler, IStR 2011, 668; Hey in Lüdicke, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 35, 2009, S. 137, 152. Mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen von BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788, Rz. 22. Zum Meinungsstand vor der EuGH-Entscheidung v. 6.12.2007: Bron, IStR 2007, 431; Kofler SWI 2006, 62; Musil, RIW 2006, 287 sowie Forsthoff, IStR 2006, 509 und Stein, IStR 2006, 505 andererseits.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 15 Art. 1

fungs- und Steuerbereinigungsgesetzes v. 21.12.1993 enthaltene Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode wegen des darin enthaltenen Verweises auf die §§ 7 ff. AStG i.E. gegen Unionsrecht verstößt.1 Weicht ein Mitgliedstaat einseitig durch innerstaatliche Regelungen von dem DBA ab, kann dies zudem bei schweren Verstößen die Ausgeglichenheitsvermutung erschüttern, was wiederum Auswirkungen darauf hat, ob ein DBA als Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung herangezogen werden kann (vgl. Rz. 11). ATAD und ATAD II. Ähnliche Ziele wie das BEPS-Projekt der OECD verfolgt auch die EU. Ergebnis dieser Bemühungen ist die Anti Tax Avoidance Direktive (ATAD)2 mit deren Erweiterung auf hybride Strukturen (ATAD II)3. ATAD II nimmt insoweit die Ergebnisse des BEPS-Aktionspunkts 2 auf. Technisch handelt es sich um eine einheitliche Richtlinie, die mit ihrer Erweiterung kein unmittelbar geltendes Recht setzt, sondern auf eine Änderung des jeweiligen innerstaatlichen Rechts der Mitgliedstaaten gerichtet ist. Die Umsetzung in innerstaatliches Recht muss grundsätzlich bis zum 31.12.2019 (mit Wirksamkeit ab dem 1.1.2020) erfolgt sein. Die in Art. 9a der RL enthaltenden Regelungen zu hybriden Strukturen sind bis zum 31.12.2021 (mit Wirksamkeit ab dem 1.1.2022) umzusetzen. ATAD und ATAD II beeinflussen die Abkommensanwendung damit nicht unmittelbar, jedoch mit der Übernahme in das innerstaatliche Recht mittelbar.4 Wesentliche Elemente sind Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuervermeidung in folgenden Bereichen:5 – Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen (Art. 4 der RL v. 12.7.2016); – Übertragung von Vermögenswerten und Wegzugsbesteuerung (Art. 5 der RL v. 12.7.2016); – Verhinderung von Missbrauch (Art. 6 der RL v. 12.7.2016)6; – beherrschte ausländische Unternehmen (Art. 7 u. 8 der RL v. 12.7.2016); – hybride Gestaltungen und umgekehrt hybride Gestaltungen (Art. 9 und Art. 9a der RL i.d.F v. 29.5.2017). Überschneidungen zum persönlichen Anwendungsbereich der DBA und damit zu Art. 1 OECD-MA ergeben sich insbesondere aus den Regelungen zur Behandlung unberücksichtigter Betriebsstätten in Art. 9 Abs. 5 der RL i.d.F. v. 29.5.2017 (der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters legt eine steuerpflichtige Einnahme der Besteuerung zugrunde) sowie aus den Regelungen zu den umgekehrt hybriden Unternehmen in Art. 9a der RL i.d.F. v. 29.5.2017 (der Sitzstaat der Gesellschaft sieht diese als ansässige Person an und besteuert deren Einkünfte, soweit diese nicht in einem anderen Staat der Besteuerung unterliegen).7

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3. Innerstaatliches Recht Abkommen als Teil des innerstaatlichen Rechts. Der Abschluss eines DBA führt nach deutschem Verständnis nicht dazu, dass das entsprechende Abkommen Teil der Rechtsordnung der Vertragsparteien wird. Zumindest nach deutschem Recht wird der völkerrechtliche Vertrag, den das Abkommen darstellt, frühestens mit dem Inkrafttreten des entsprechenden Zustimmungsgesetzes unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht. Das Abkommen in seiner Umsetzung durch das Zustimmungsgesetz steht damit grundsätzlich auf einer Stufe mit den anderen einfachgesetzlichen innerstaatlichen Rechtsnormen, insbesondere den Steuergesetzen.8 Die Frage, welche Rechtswirkungen das entsprechende Zustimmungsgesetz hat, ist nicht eindeutig geklärt. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass das Zustimmungsgesetz das Abkommen in innerstaatliches Recht transformiert – in diese Richtung scheint auch der BFH zu tendieren (mit der Folge, dass ausschließlich innerstaatliche Auslegungsgrundsätze zur Anwendung kommen).9 Nach anderer Auffassung stellt das Zustimmungsgesetz einen innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl für den Vertrag dar (Vollzugs-

1 Vgl. BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774, Rz. 26 ff.; vgl. dazu z.B.: Gosch, BFH/PR 2010, 113; Lieber, IStR 2010, 142; Sydow, IStR 2010, 174; Schön, JbFfStR 2010/2011, 45 ff.; Prinz, FR 2010, 378. 2 RL (EU) 2016/1164 v. 12.7.2016, ABl. EU 2016, Nr. L 193, 1. 3 RL (EU) 2017/952 v. 29.5.2017, ABl. EU 2017, Nr. L 144, 4. 4 Vgl. Köhler, ISR 2018, 250. Zum Verhältnis der verschiedenen Missbrauchsbestimmungen vgl. Haarmann, IStR 2018, 561. 5 Vgl. Müller-Gatermann, FR 2018, 389 (391). 6 Vgl. dazu nur Hey, StuW 2017, 248 (258 ff.). 7 Vgl. zu dem Regelungen im Einzelnen Grotherr, BB 2017, 1367; Köhler, ISR 2018, 250; Zinowsky/Jochimsen, ISR 2017, 325. 8 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1, Rz. 33, 37 ff.; BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 316 f.; BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129, 130; v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781, 782; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 3.23. 9 Vgl. BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156, Rz. 37; in diesem Sinne auch BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Rz. 31; vgl. auch Gosch, IStR 2008, 413.

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Art. 1 Rz. 15

Unter das Abkommen fallende Personen

theorie).1 Hiernach behält das Abkommen auch nach der Übernahme durch das Zustimmungsgesetz im Grundsatz seinen Charakter als völkerrechtlicher Vertrag und ist entsprechend auszulegen. In der Regel sollten allerdings auf Grundlage beider Ansätze vergleichbare Ergebnisse erzielt werden können (vgl. auch Systematik Rz. 75).2 16

Allgemeine Steuerbefreiungen. Steuerbefreiungen des innerstaatlichen Rechts (z.B. § 8b KStG) und abkommensrechtliche Freistellungen stehen im Grundsatz unabhängig nebeneinander und schließen sich wechselseitig nicht aus.3 Sind die Voraussetzungen sowohl für die Steuerbefreiung nach innerstaatlichem Recht als auch nach dem einschlägigen DBA gegeben, ist die (Tatbestands-)Konkurrenz beider Regelungen nach Auffassung des BFH zu Lasten des Abkommensrechts aufzulösen.4 Das ist auch dann anzunehmen, wenn die entsprechende Vorschrift des innerstaatlichen Rechts das Abkommensrecht ausdrücklich und klar erkennbar im Sinne eines Treaty override verdrängt (vgl. Rz. 18). Letzteres wird bei den allgemeinen Steuerbefreiungsvorschriften allerdings in der Regel auszuschließen sein.

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Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Unabhängig von den zwischen den Staaten geschlossenen DBA steht es den Einzelstaaten frei, im Rahmen ihres innerstaatlichen Rechts Doppelbesteuerungen zu vermeiden oder abzumildern. Zu einem Anwendungskonflikt kommt es nach deutschem Recht hier allerdings nicht, weil der insoweit einschlägige § 34c Abs. 1 bis 3 EStG nicht anzuwenden ist, wenn die Einkünfte aus einem ausländischen Staat stammen, mit dem ein DBA besteht (§ 34c Abs. 6 Satz 1 EStG). § 34c Abs. 1 Sätze 2 bis 5 und Abs. 3 EStG sind jedoch (modifiziert) anzuwenden, soweit nach dem DBA die Doppelbesteuerung durch die Anrechnung der im Quellenstaat erhobenen Steuern vermieden wird – sog. Anrechnungsmethode (§ 34c Abs. 6 Sätze 2 ff. EStG). Sollte es hier zu Überschneidungen kommen, wäre die jeweils im konkreten Fall für den Steuerpflichtigen günstigere Norm anzuwenden (Meistbegünstigungsgebot).

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Abkommensüberschreibende Normen des innerstaatlichen Rechts (Treaty override). Anwendungskonflikte ergeben sich jedoch im Zusammenhang mit Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, die die Anwendbarkeit der Abkommen einschränken sollen. Hinsichtlich des Zwecks eines solchen Treaty override kann zwischen – der Verhinderung von Missbräuchen (§ 50d Abs. 1 bzw. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG; § 20 Abs. 2 AStG), – der Verhinderung von Keinmalbesteuerungen (§ 50d Abs. 8 EStG, § 50d Abs. 9 Nr. 1 und 2 EStG, § 8 Abs. 1 Satz 3 KStG, § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG) und – der Sicherstellung von Besteuerungssubstrat (§§ 15 Abs. 1a, 15 Abs. 5 EStG, §§ 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 UmwStG, ggf. auch § 50d Abs. 10 EStG) unterschieden werden.5 Die Grenzen zwischen den ersten beiden Kategorien dürften allerdings fließend sein. So wird eine Gestaltung, die zu einer Keinmalbesteuerung führt (sog. „Weiße Einkünfte“) häufig den Vorwurf des Missbrauchs provozieren. Letztlich macht diese Unterscheidung aber dennoch Sinn, weil zumindest bei den Vorschriften, die der reinen Missbrauchsbekämpfung dienen, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt sein muss, den Missbrauchsvorwurf zu entkräften. Die Vermeidung von Keinmalbesteuerungen ist dagegen hiervon unabhängig.

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§ 2 Abs. 1 AO geht ins Leere. Konflikte zwischen den Regelungen des innerstaatlichen allgemeinen Steuerrechts und dem ins innerstaatliche Recht überführten Abkommen werden zwar dem Wortlaut nach durch § 2 Abs. 1 AO zugunsten der DBA entschieden, weil nach § 2 Abs. 1 AO völkerrechtliche Verträge i.S. des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG – und damit auch DBA – den Steuergesetzen vorgehen.6 Im Ergebnis hilft § 2 Abs. 1 AO allerdings nur eingeschränkt weiter, weil dieser als einfachgesetzliche Regelung kein Rangverhältnis zwi1 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 28 (Stand: Juli 2016); vgl. auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 7a (Stand: Januar 2008). In verschiedenen Entscheidungen spricht der BFH allerdings von einer „Transformation in nationales Recht“. 2 Vgl. nur Jarass in Jarass/Pieroth15, Art. 25 GG Rz. 2, der selbst die Vollzugstheorie für „dogmatisch leistungsfähiger“ erachtet. 3 Vgl. BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BStBl. II 2011, 131, Rz. 14 zur Anwendung von § 8b KStG im Organkreis im Veranlagungszeitraum 2002; v. 22.6.2006 – I R 30/05, BFH/NV 2006, 1659; Hageböke, IStR 2009, 473; Schönfeld, IStR 2010, 658. 4 Vgl. BFH v. 22.9.2016 – I R 29/15, BFH/NV 2017, 324, Rz. 10 zum Verhältnis von § 8b Abs. 1 KStG zum abkommensrechtlichen Schachtelprivileg. 5 Vgl. Gosch, IStR 2008, 413 (415); Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596; Lehner, IStR 2012, 389. 6 Nach dem Bericht des Finanzausschusses des Bundestages soll § 2 AO klarstellen, „dass völkerrechtliche Vereinbarungen, soweit sie innerstaatliches Recht geworden sind, Vorrang vor den innerstaatlichen Steuergesetzen haben und deshalb allein durch spätere innerstaatliche Gesetze nicht abgeändert werden, vgl. Finanzausschuss v. 7.11.1975, BT-Drucks. 7/4292, 15.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 21 Art. 1

schen Gesetzen der gleichen Normenhierarchie bestimmen kann; hierzu hätte es vielmehr einer Art. 25 Satz 2 GG entsprechenden Bestimmung bedurft.1 § 2 Abs. 1 AO verbleibt damit die Bedeutung einer Auslegungshilfe, sofern das Konkurrenzverhältnis dieser beiden Rechtskreise im Einzelfall nicht durch einen anderweitigen klaren Gesetzesbefehl aufzulösen ist. Herrschende Auffassung und Auffassung des BVerfG. Auf Grundlage der grundsätzlichen Gleichrangigkeit von Abkommensrecht und den (übrigen) Steuergesetzen ging die hergebrachte h.M. in Deutschland – wenn auch zum Teil mit erheblichen Differenzierungen – davon aus, dass innerstaatliche Gesetze, die einem DBA entgegenstehen, dem Grunde nach wirksam sind.2 Anwendungskonflikte sind danach im konkreten Einzelfall nach den allgemeinen Regeln aufzulösen. Insbesondere führt allein der Bruch eines völkerrechtlichen Vertrages nicht dazu, dass das den Vertragsbruch herbeiführende Gesetz verfassungswidrig und unwirksam ist. Die Auffassung vertritt nunmehr auch das BVerfG und hat in seinem Beschluss vom 15.12.2015 zu § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG a.F. entschieden, dass die Überschreibung von Völkervertragsrecht (hier eines DBA) durch innerstaatliches Gesetz verfassungsrechtlich zulässig sei.3 In der Ordnung des GG hätten völkerrechtliche Verträge i.d.R. den Rang einfacher Bundesgesetze. Sie könnten daher durch spätere, ihnen widersprechende Bundesgesetze ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG noch gegen das Rechtsstaatsprinzip verdrängt werden.4 Wesentliche tragende Gesichtspunkte der Entscheidung sind dabei das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG) sowie der Grundsatz der parlamentarischen Diskontinuität: Der spätere Gesetzgeber muss innerhalb der vom Grundgesetz gegebenen Grenzen Rechtsetzungsakte früherer Gesetzgeber revidieren können müssen.5 § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG a.F. sei auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Vorschrift enthalte zwar eine Ungleichbehandlung. Diese weise jedoch nur eine geringe Eingriffsintensität auf und sei durch vernünftige, einleuchtende Gründe gerechtfertigt.6 Die Entscheidung entspricht der ursprünglichen Linie der BFH-Rspr.:7 Diese Auffassung beruht im Wesentlichen darauf, dass sich der deutsche Gesetzgeber durch den Abschluss eines DBA zwar völkerrechtlich gebunden hat, er aber zumindest innerstaatlich nicht gehindert ist, den Vertrag entweder nicht (vollständig) umzusetzen oder ein einmal erlassenes Umsetzungsgesetz und damit das DBA durch ein anderes Gesetz aufzuheben oder zu überschreiben. Etwas anderes kann auch nicht aus dem Grundsatz des pacta sunt servanda hergeleitet werden. Dass ein Vertragspartner sich an geschlossene Verträge zu halten hat, stellt zwar eine allgemeine Regel des Völkerrechts dar, dies führt aber nicht dazu, dass der Inhalt eines völkerrechtlichen Vertrags seinerseits eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG wird.8 Zudem besteht die Vertragsbindung ausschließlich zwischen den Vertragsstaaten, so dass sich nur der jeweils andere Staat und nicht der einzelne Steuerpflichtige hierauf berufen kann.9

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Auflösung von Konkurrenzen nach allgemeinen Regeln. Konkurrenzen zwischen dem in innerstaatliches Recht überführten Abkommen und den weiteren Vorschriften des innerstaatlichen Rechts sind somit nach allgemeinen Regeln aufzulösen. Es gelten insbesondere die Lex-posterior-Regel (Vorrang des jüngeren Gesetzes) und die Lex-specialis-Regel (Vorrang des spezielleren Gesetzes) (vgl. auch Systematik Rz. 180). Über beiden Auslegungsregelungen schwebt allerdings – weiterhin und auch angesichts der Entscheidung des BVerfG vom 15.12.2015 – die Völkerrechtsfreundlichkeit des GG. Dieses ist nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands nicht entsteht.10 Diese Völkerrechtsfreundlichkeit des GG strahlt naturgemäß auch auf die einfachgesetzlichen Regelungen und damit auf die gesamte deutsche Rechtsordnung aus. Ein in deutsches Recht überführtes DBA ist daher – sofern sich aus dem anderen Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes ergibt – im Verhältnis zu den anderen Vorschriften des inner-

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1 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1, Rz. 48. 2 Vgl. Brombach-Krüger, Ubg 2008, 324; Frotscher in FS Schaumburg, 687; Hahn, IStR 2011, 863; Heger, SWI 2011, 95; Hey in Lüdicke, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 35, 2009, S. 137, 151; Mitschke, DStR 2011, 2221; Musil, FR 2012, 149; Wichmann, FR 2011, 1082. 3 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 mit Minderheitsvotum. In einem vergleichbaren Fall zum Schweizer Recht ist das schweizerische Bundesgericht (BG) zu dem entgegengesetzten Ergebnis gekommen: BG v. 26.11.2015 – 2_716/2014, LSK 2015, 112750. Dazu auch Weigell/Görlich, IStR 2017, 722. 4 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1, Rz. 33. 5 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1, Rz. 53. 6 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1, Rz. 97. 7 Vgl. nur BFH v. 21.5.1997 – I R 79/96, BStBl. II 1998, 113; v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129. 8 Vgl. BVerfG v. 8.5.2007 – 2 BvM 1-5/03, 1, 2/06, BVerfGE 118, 124, Rz. 31; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5 (Stand: Mai 2011) m.w.N. 9 Vgl. Frotscher in FS Schaumburg, 687 (697). 10 Vgl. BVerfG v. 4.5.2011 – 2 BvR 2333/08 u.a., BVerfGE 128, 326, Rz. 86; v. 8.7.2010 – 2 BvR 2485/07 u.a., NJW 2011, 207, Rz. 24; v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Rz. 34.

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Art. 1 Rz. 21

Unter das Abkommen fallende Personen

staatlichen Rechts als lex specialis anzusehen; dieser Gedanke kommt auch in § 2 Abs. 1 AO zum Ausdruck.1 Daher kann ein Treaty override nur dann angenommen werden, wenn das „überschreibende“ Gesetz insoweit eine klare Anordnung trifft.2 Im Zweifel setzt sich also die Abkommensregelung durch. Diese Grundsätze führen zu Folgendem: Gesetze, die nach Inkrafttreten eines DBA erlassen werden, also einen echten Treaty override darstellen, stellen das spätere Gesetz dar und verdrängen damit nach der Lex-posterior-Regel das frühere Gesetz (also hier das Abkommen). Aus dem grundsätzlichen Vorrang des Abkommensrechts auf Grund der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung ergibt sich aber einschränkend, dass das spätere innerstaatliche Gesetz ein bestehendes Abkommen nur verdrängen kann, wenn sich aus diesem Gesetz dessen Vorrang eindeutig ergibt.3 Innerstaatliche Gesetze, die vor einem neu abgeschlossenen oder geänderten DBA bereits in Kraft getreten sind, treten grundsätzlich hinter das DBA zurück. Hier greift sowohl die Lex-posterior-Regel als auch in der Regel die Lex-specialis-Regel zu Gunsten des Abkommens. Das bestehende Gesetz bleibt nur dann anwendbar, wenn es sich ausnahmsweise im Verhältnis zum DBA als das speziellere Gesetz erweist. Hieran sind aber noch höhere Anforderungen zu stellen, als dann, wenn ein innerstaatliches Gesetz nach dem DBA in Kraft getreten ist. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der Aushandlung der DBA die innerstaatliche Rechtslage im Blick zu haben hat und letztendlich nur Abkommen abschließen und umsetzen kann und darf, deren Rechtsfolgen er auch zu akzeptieren bereit ist. 22

Vorlagebeschluss des BFH. Die Entscheidung des BVerfG vom 15.12.2015 war erforderlich geworden, weil der BFH im Anschluss an eine Reihe von Entscheidungen des BVerfG, die mit der sog. Görgülü-Entscheidung begonnen hat,4 sowie diverser kritischer Stimmen in der Literatur,5 die bisherige Position aufgegeben und die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Treaty override durch § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 n.F. dem BVerfG vorgelegt hatte.6 Nach Auffassung des BFH in dem Vorlagebeschluss stellt ein Treaty override (konkret § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 n.F.) einen nicht zu rechtfertigenden Verstoß gegen Völkervertragsrecht dar, so dass eine Verletzung des Grundrechts auf Einhaltung der verfassungsrechtlichen Ordnung vorliegt7 (vgl. auch Systematik Rz. 182 ff.). Diese Auffassung hat das BVerfG letztlich aber nicht geteilt (vgl. Rz. 20).

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Stellungnahme. Auch wenn es durchaus wünschenswert wäre, der Unsitte des Gesetzgebers, sich im Steuerrecht in immer größerem Umfang über völkerrechtliche Verträge hinwegzusetzen, Schranken zu setzen, ist dem BVerfG in dessen Erwägungen für die Mehrzahl der zu betrachtenden Fälle zu folgen. Die grundsätzliche Aussage, dass jedweder Treaty override von der Entscheidung des BVerfG gedeckt und verfassungskonform ist, dürfte allerdings zu weit gehen. Vielmehr ist weiterhin eine nach Fallgruppen differenzierte Lösung auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten angezeigt und auch notwendig.8 Insbesondere wird sich ein Steuerpflichtiger nicht in allen Fällen eines Treaty override auf einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot berufen können (Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG). Im Ausgangspunkt dürfte hier zunächst einmal weitgehend unstreitig sein, dass die Legislative frei ist, die von der Exekutive ausgehandelten Abkommen ganz oder teilweise in geltendes Recht umzusetzen und – zumindest im Grundsatz – auch frei sein muss, eine einmal getroffene Entscheidung später revidieren zu können. Andernfalls würde die Gesetzgebungskompetenz der Legislative insoweit weitgehend ausgehöhlt und an ihre Stelle eine faktische Rechtssetzungskompetenz der Exekutive treten bzw. es würden die Kompetenzen zukünftiger Parlamente mit sich ggf. auch ändernden Mehrheiten beschnitten werden. Gerade auch in der Görgülü-Entscheidung betont das BVerfG, dass völkerrechtliche Verträge nicht unmittelbar innerstaatliches Recht werden, sondern der Umsetzung durch ein entsprechendes Gesetz bedürfen.9 Durch die Entscheidung des BVerfG dürfte dabei im Grundsatz geklärt sein, dass sich der Gesetzgeber innerhalb des ihm vom Grundgesetz (insbesondere von Art. 20 Abs. 3 GG) gesteckten Rahmens 1 Die Anwendung der Lex-posterior- und Lex-specialis-Regelungen im Verhältnis von Abkommensrecht und innerstaatlichem Recht sowie die Auswirkungen von § 2 Abs. 1 AO sind umstritten: Vgl. nur Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 3.24; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6a (Stand: April 2017) m.w.N.; Musil in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 194 ff. (Stand: November 2017): „leges aliud“. 2 BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BStBl. II 2011, 131, Rz. 15; Gosch, IStR 2008, 413; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6b m.w.N. (Stand: April 2017). Vgl. auch BFH v. 25.5.2016 – I R 64/13, BStBl. II 2017, 1185, Rz. 19. 3 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6b (Stand: April 2017); Musil in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 205 (Stand: November 2017). 4 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307. 5 Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 204 f.; Daragan, DB 2011, 2681; Gosch, IStR 2008, 413; Hageböke, IStR 2009, 473; Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596; Vogel, IStR 2005, 29. 6 Vgl. BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, DStR 2012, 949, 8, Rz. 13. Vgl. auch BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156, Rz. 37. Offengelassen von BFH v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394, Rz. 24; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764, Rz. 31; v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 556, Rz. 17. A.A. noch: BFH v. 21.5.1997 – I R 79/96, BStBl. II 1998, 113; v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129. 7 Vgl. BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, DStR 2012, 949, Rz. 13. 8 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5b (Stand: April 2017); Jochimsen, ISR 2016, 125 (127 ff.); Payandeh, NJW 2016, 1279. Zu unionsrechtlichen Erwägungen vgl. Scherer, IStR 2016, 741; Stöber, DStR 2016, 1889. 9 Vgl. BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Rz. 31 u. 34.

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

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über bestehende Abkommen – sofern die entsprechenden Bindungen gelöst werden sollen – auch einseitig und nur in Teilen (z.B. durch ein Treaty override) grundsätzlich hinwegsetzen kann. Umgekehrt werden Regelungen, die die Einmalbesteuerung dem Grunde nach sicherstellen und der Vermeidung „weißer Einkünfte“ dienen, in der Regel gerechtfertigt sein: Nimmt der andere Staat sein Besteuerungsrecht tatsächlich nicht wahr, dürften mögliche Eingriffe in dieses Besteuerungsrecht von eher geringer Intensität und in der Abwägung verfassungsrechtlich hinnehmbar sein. Offene Fragen. Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung bleibt aber auch nach der Entscheidung des BVerfG Art. 20 Abs. 3 GG. Dieser bindet den Gesetzgeber an die verfassungsmäßige Ordnung und damit an den gesamten Normbestand des Grundgesetzes. Hierzu gehört – soweit hier von Interesse – zum einen der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, aber auch die in Art. 59 Abs. 2, 25 GG zum Ausdruck kommende Kompetenzverteilung zwischen Exekutive und Legislative, letztlich also der Parlamentsvorbehalt bzw. das Demokratieprinzip.1 Im Verhältnis zur EMRK und der Rspr. des EuGH für Menschenrechte hat das BVerfG dieses Spannungsverhältnis bislang dahingehend aufgelöst, dass – auch als Ausdruck der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes – völkerrechtliche Verträge auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes heranzuziehen sind.2 Das Grundgesetz sei nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands nicht entstehe.3 Dies führt aber auch nach der Konzeption des BVerfG nicht dazu, dass sich jedermann auf jeden Völkerrechtsverstoß berufen kann. Hier besteht ein erheblicher Unterschied, ob insoweit ein Verstoß gegen die spezielleren Grundrechte oder ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip gerügt wird.4 In letztem Fall verbleibt ein eher weit zu bestimmender Handlungsspielraum des Gesetzgebers. Aber: Die Grenzen eines zulässigen Treaty override sind dort überschritten, wo in die Besteuerungsrechte des anderen Staats abkommenswidrig eingegriffen wird, weil der andere Staat als Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung (entgegen der im DBA vorgenommenen Verteilung) vermeiden muss bzw. die entsprechende Regelung des deutschen Rechts zu einer definitiven Doppelbesteuerung führt.5 Dies stellt zum einen im zwischenstaatlichen Verhältnis einen gravierenden Eingriff in die Struktur des Abkommens und die dort vorgenommene Aufteilung der Besteuerungsrechte dar. Zudem kann – zumindest im Rahmen der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG – aus der Sicht des Steuerpflichtigen anders als etwa bei einem Wechsel von der Freistellung zur Steueranrechnung hier nicht mehr von einer geringen Eingriffsintensität gesprochen werden. Ein solcher Eingriff wäre auch im Übrigen nicht gerechtfertigt. Bei der insoweit vorzunehmenden Abwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der deutsche Gesetzgeber die (endgültige) Doppelbesteuerung durch sein vertragswidriges Verhalten international verursacht, weil sich der Steuerpflichtige i.d.R. gegenüber dem anderen Staat wegen des geschlossenen DBA nicht mehr auf die Doppelbesteuerung berufen kann.

B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1) Ausgewählte Literatur: Konsultationsvereinbarungen: Anger, Interpretation von Doppelbesteuerungsabkommen mittels Konsultationsvereinbarungsverordnungen?, IStR 2016, 57; Drüen, Bindungswirkung von Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen, IWB 2011, 360; Hagemann/Kahlenberg/Cloer, BB-Rechtsprechungsreport Internationales Steuerrecht 2015/2016, BB 2017, 534, 599; Heeger, Das Verhältnis von Abkommensrecht und nationalem Steuerrecht, SWI 2011, 95; Hummel, Zur innerstaatlichen Bindungswirkung von auf Doppelbesteuerungsabkommen beruhenden Konsultationsvereinbarungen, IStR 2011, 397; Ismer, DBA-Konkretisierung durch die Exekutive, IStR 2009, 366; Kempermann, Urteilsanmerkung zu BFH v. 10.6.2015, ISR 2016, 10; Krüger, Warum ein treaty override nicht verfassungswidrig ist und die möglichen Auswirkungen des BVerfG-Beschlusses, DStZ 2016, 790; 1 Vgl. Schwenke, FR 2012, 443, 450. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das Grundgesetz die Außenvertretung Deutschlands dem Kompetenzbereich der Exekutive zuordnet. Die Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages sind vor diesem Hintergrund nicht – auch nicht auf Grund des aus dem Demokratieprinzip abgeleiteten allumfassenden Parlamentsvorbehaltes – in der Weise erweiternd auszulegen, dass die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschnitten und auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatgewalt hinauslaufen würde (BVerfG v. 19.6.2012 – 2 BvE 4/11, WM 2012, 1229, Rz. 91). 2 Vgl. BVerfG v. 4.5.2011 – 2 BvR 2333/08 u.a., BVerfGE 128, 326, Rz. 87 und 88; v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Rz. 32. 3 Vgl. BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, Rz. 33. 4 Insbesondere ist mit dem Rechtstaatsprinzip auf Grund dessen „Weite und Unbestimmtheit“ bei der Prüfung von Grundrechtsverstößen „mit Behutsamkeit“ vorzugehen: BVerfG v. 17.6.2004 – 2 BvR 383/03, BVerfGE 111, 54, Rz. 151; v. 22.2.1994 – 1 BvL 30/88, BVerfGE 90, 60, Rz. 138; v. 26.5.1981 – 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250, Rz. 65; FG Bremen v. 10.2.2011 – 1 K 20/10(3), EFG 2011, 988, Rz. 100, aufgehoben durch BFH v. 11.1.2012 – I R 27/11, DStR 2012, 689. Vgl. auch Jarass in Jarass/Pieroth15, Art. 20 GG Rz. 38. 5 Vgl. Frotscher in FS Schaumburg, 687 (708); Wichmann, FR 2011, 1082, 1084.

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Art. 1 Rz. 25

Unter das Abkommen fallende Personen

Lehner, Die Umsetzung von abkommensrechtlichen Konsultationsvereinbarungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen und Doppelnichtbesteuerungen durch Rechtsverordnungen, IStR 2011, 733; Mroz/Blume, Bindungswirkung der Konsultationsvereinbarungsverordnungen – Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil vom 10.06.2015 – I R 79/13, Ubg 2016, 152.

I. Abkommen 25

Begriff und Zustandekommen. Unter Abkommen i.S. des Art. 1 des OECD-MA ist der zwischen den beteiligten Staaten geschlossene völkerrechtliche Vertrag zu verstehen. Der Vertragsschluss folgt im internationalen Kontext dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.5.1969 (WÜRV)1 sowie den (Zuständigkeits-)Regelungen des GG (vgl. auch Systematik Rz. 71 ff.). Dabei sind in der Regel die folgenden Schritte zu unterscheiden: (1) Vertragsverhandlung: Völkerrechtliche Verträge werden durch Bevollmächtigte des Bundespräsidenten ausgehandelt, da dieser den Bund nach Art. 59 Abs. 1 GG völkerrechtlich vertritt und die Verträge mit ausländischen Staaten schließt. Konkret werden DBA in der Regel auf deutscher Seite von Vertretern des BMF zusammen mit Vertretern des Auswärtigen Amtes verhandelt. (2) Paraphierung: Nach Abschluss der Verhandlungen wird der Vertragstext durch Paraphierung des Abkommens bzw. dessen Unterzeichnung als authentisch und endgültig festgelegt. In der Regel werden DBA allerdings wegen Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG unter dem Vorbehalt der Ratifikation geschlossen werden. (3) Unterzeichnung: Die Unterzeichnung erfolgt durch einen vom Bundespräsidenten bevollmächtigten Vertreter (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1 GG). Mit Vertragsschluss wird das Abkommen allerdings noch nicht unmittelbar geltendes Recht. Dies bedarf noch eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes. (4) Erlass eines Zustimmungsgesetzes: Nach Unterzeichnung des Abkommens wird das innerstaatliche Gesetzgebungsverfahren eingeleitet, das auf den Erlass eines Zustimmungsgesetzes gerichtet ist. Der Abschluss eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung führt nach deutschem Verständnis nicht dazu, dass das entsprechende Abkommen Teil der Rechtsordnung der Vertragsparteien wird. Zumindest nach deutschem Recht wird der völkerrechtliche Vertrag, den das Abkommen darstellt, erst mit dem Inkrafttreten des entsprechenden Zustimmungsgesetzes unmittelbar geltendes innerstaatliches Recht (vgl. Rz. 15). Grundsätzlich kann über das Zustimmungsgesetz nur die Zustimmung zu dem ausgehandelten Vertragstext erteilt werden bzw. – wenn ein entsprechendes Gesetz nicht die erforderlichen Mehrheiten erhält – das Inkrafttreten des Abkommens verhindert werden. Ein Zustimmungsgesetz, dass den entsprechenden Vertragstext abändert, ist aber innerstaatlich wirksam.2 (5) Ratifikation: Mit der Ratifikation bindet sich Deutschland völkerrechtlich. Dies erfolgt durch die Unterzeichnung der Ratifikationsurkunde durch den Bundespräsidenten und den anschließenden Austausch der Ratifikationsurkunden. Damit tritt das DBA in Kraft, wobei in der Regel im jeweiligen Einzelabkommen selbst Regelungen über die erstmalige Anwendbarkeit enthalten sind.

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Umfang des Abkommens. Zum Abkommen gehört zunächst der eigentliche Abkommenstext. In der Regel wird das Abkommen in den beiden Sprachen der Vertragsparteien geschlossen, die beide gleichermaßen verbindlich sind. Zum Teil ist der Abkommenstext zusätzlich noch in einer dritten verbindlichen Sprache (z.B. Englisch) verfasst. Häufig existieren neben dem eigentlichen Vertragstext aber auch weitere Dokumente (Zusatzprotokolle, Schlussprotokolle, Notenwechsel) mit erläuternden oder einschränkenden Regelungen. Diese sind Bestandteil des Abkommens, wenn dies ausdrücklich in den jeweiligen Dokumenten festgelegt ist und diese Ergänzungen zusammen mit dem Abkommenstext das Ratifizierungsverfahren durchlaufen haben, insbesondere Gegenstand des Zustimmungsgesetzes geworden sind. Zudem können einzelne Anwendungsfragen Gegenstand abstrakter Verständigungs- und Konsultationsvereinbarungen zwischen den Vertragsstaaten sein (vgl. Rz. 28). Einschränkungen und Modifikationen erfährt die Abkommensanwendung schließlich durch in letzter Zeit immer häufiger anzutreffende „überschreibende Regelungen des innerstaatlichen Rechts – sog. Treaty override (vgl. Rz. 13 sowie Rz. 18).

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Multilaterales Instrument. Bei der Anwendung der Einzelabkommen ist wenigstens im Grundsatz zudem das Multilaterale Instrument – MLI – zu berücksichtigen. Das MLI ist ein mehrseitiger, völkerrechtlicher Vertrag. Der in englischer und französischer Sprache gefasste Vertragstext wurde als „Mehrseitiges Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung“ von der OECD am 24.11.2016 veröffentlicht und am 7.6.2017 von 76 Staaten unterzeichnet. Das MLI stellt dabei selbst kein verbindliches (multilaterales) DBA dar.3 In Deutschland 1 Vgl. Gesetz zu dem Wiener Übereinkommen v. 23.5.1969 über das Recht der Verträge v. 3.8.1985, BGBl. II 1985, 926. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 6 (Stand: August 2008) unter Hinweis auf das DBA-Italien 1989 und BFH v. 28.12.1993 – I B 168/93, BFH/NV 1994, 692; v. 16.3.1994 – I R 140/93, BStBl. II 1994, 508. 3 Reimer, IStR 2015, 1.

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 29 Art. 1

bedarf dieses noch der innerstaatlichen Umsetzung. Die Unterzeichnung des MLI hat nur den Charakter einer Paraphierung; innerstaatliches Recht wird das MLI erst mit dem Inkrafttreten des entsprechenden Zustimmungsgesetzes nach Art. 59 Abs. 2 GG. Darüber hinaus müssten die Änderungen in die jeweiligen Einzelabkommen überführt werden. Das kann etwa durch die Änderung des Zustimmungsgesetzes zu den jeweiligen Einzelabkommen erfolgen.1 Durch die konkrete Änderung der einzelnen DBA würde einerseits die Rechtsanwendung erheblich erleichtert, zudem könnte der verbindliche Abkommenstext bestimmt werden. Das ist erforderlich, weil das MLI nur in der offiziellen englischen und französischen Sprachfassung verbindlich ist (vgl. insgesamt ausführlich: Systematik Rz. 87 ff.). Auf die von Deutschland geschlossenen DBA und die dort enthaltenen Regelungen zu Art. 1 hat das MLI keine unmittelbaren Auswirkungen. Zunächst fällt nur ein geringer Anteil der deutschen DBA überhaupt unter das MLI.2 Darüber hinaus hat Deutschland für die Regelungen zu den hybriden Gestaltungen (Teil II des MLI, in diesem sind auch die Art. 1 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden Bestimmungen enthalten) von der Möglichkeit der Nichtanwendung Gebrauch gemacht. Konsultationsvereinbarungen nach § 2 Abs. 2 AO. Um Zweifel bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens zu beseitigen, sieht Art. 25 Abs. 3 Satz 1 sog. Konsultationsvereinbarungen vor (vgl. Art. 25 Rz. 216, 243 ff.). Hierbei handelt es sich um Vereinbarungen zwischen den Finanzverwaltungen der betroffenen Staaten über die Behandlung bestimmter, abstrakter Sachverhalte. Zu unterscheiden sind davon Verständigungsverfahren im engeren Sinne nach Art. 25 Abs. 1 und 2, die der Lösung von Konflikten im Einzelfall dienen. Völkerrechtlich sind die auf einer Art. 25 Abs. 3 entsprechenden Bestimmung geschlossenen Konsultationsvereinbarungen als Verwaltungsvereinbarungen wirksam und zwischen den beteiligten Staaten bindend. Innerstaatlich binden diese mit deren Veröffentlichung im Bundessteuerblatt die Finanzverwaltung. Umstritten war dagegen, ob hierdurch auch eine Bindung der Gerichte eintritt. Dies wurde zu Recht wegen des Gesetzesvorbehaltes des Art. 20 Abs. 3 GG zumindest dann verneint, wenn sich die entsprechende Vereinbarung außerhalb des Abkommenswortlauts bewegt; dieser stellt – so der BFH – in abschließender Weise die „Grenzmarke“ für das „richtige“ Abkommensverständnis dar.3 Die im Bundesteuerblatt veröffentlichte Vereinbarung hat innerstaatlich nur den Rang einer Verwaltungsvorschrift. Um die Bindungswirkung derartiger Vereinbarungen ohne ein formelles Transformationsgesetz zu gewährleisten, wurde durch das JStG 20104 § 2 Abs. 2 AO eingefügt. Danach wird das BMF ermächtigt, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zu erlassen. Hiervon hat das BMF auch bereits Gebrauch gemacht.5 Eine Sonderregelung in Bezug auf die zeitliche Anwendbarkeit ist in Art. 97 Abs. 9 EGAO enthalten. Für Rechtsverordnungen, die vor dem 1.1.2011 als Bundesratsdrucksache veröffentlicht wurden, ist vorgesehen, dass diese bereits mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2010 erlassen werden können.6 Für die Verwaltung bleibt auf Grund der Selbstbindung der Verwaltung zunächst die zwischen den zuständigen Behörden geschlossene Konsultationsvereinbarung maßgeblich.7

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Bindungswirkung. Das gesetzgeberische Ziel des § 2 Abs. 2 AO, die Bindungswirkung von Konsultations- 29 vereinbarungen auch ohne ein formelles Gesetz sicherzustellen, ist allerdings nicht erreicht worden. Zunächst genügt die in § 2 Abs. 2 AO enthaltene Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnun-

1 Dies wird aus verfassungsrechtlichen Gründen wegen Art. 59 Abs. 2 GG als erforderlich gesehen: Drüen in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 185 m.w.N. 2 Der aktuelle Stand ist einsehbar in der MLI Matching Database, abrufbar unter http://www.oecd.org/tax/treaties/ mli-matching-database.htm. 3 Vgl. BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394; v. 13.6.2012 – I R 41/11, BStBl. II 2012, 880, Rz. 16; vgl. hierzu auch die Besprechung von Schwenke, ISR 2012, 55. 4 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 5 Deutsch-Französische KonsultationsvereinbarungsVO v. 20.12.2010, BGBl. I 2010, 2138; Deutsch-Schweizerische KonsultationsvereinbarungsVO v. 20.12.2010, BGBl. I 2010, 2187; Deutsch-Belgische KonsultationsvereinbarungsVO v. 20.12.2010, BGBl. I 2010, 2137; Deutsch-Niederländische KonsultationsvereinbarungsVO v. 20.12.2010, BGBl. I 2010, 2183; Deutsch-Österreichische KonsultationsvereinbarungsVO v. 20.12.2010, BGBl. I 2010, 2185; Deutsch-Amerikanische KonsultationsvereinbarungsVO v. 20.12.2010, BGBl. I 2010, 2136. Zuletzt zudem: Deutsch-Britische KonsultationsvereinbarungsVO v. 9.7.2012, BGBl. I 2012, 1483; Deutsch-Luxemburgische KonsultationsvereinbarungsVO v. 9.7.2012, BGBl. I 2012, 1484. 6 Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Rückwirkung vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43d (Stand: April 2017) m.w.N. 7 Vgl. FM Saarl. v. 3.5.2011 – B/3-S 1301-9#007, 2011/34993, juris = DStR 2011, 2354.

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Art. 1 Rz. 29

Unter das Abkommen fallende Personen

gen nicht dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG.1 Dies gilt zumindest dann, wenn die Vorschrift nicht in der Weise verfassungskonform ausgelegt wird, dass § 2 Abs. 2 AO nur zum Erlass solcher Rechtsverordnungen ermächtigt, die inhaltlich an das entsprechende DBA anknüpfen und sich innerhalb dessen Regelungsprogramms als äußerster Grenzlinie bewegen.2 Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ergangene Rechtsverordnung innerhalb der innerstaatlichen Normenhierarchie als rein materielles Gesetz unterhalb der formalen Gesetze steht. Die Konsultationsvereinbarungsverordnungen können daher die durch ein formales Gesetz in innerstaatliches Recht umgesetzten DBA nicht ändern.3 Im Einzelnen bedeutet dies, dass die Gerichte an die durch Rechtsverordnung umgesetzten Konsultationsvereinbarungen nur insoweit gebunden sind, wie sich diese innerhalb des möglichen Rahmens des jeweiligen DBA bewegen.4 Um hierüber hinauszugehen, bedarf es letztlich wiederum eines Gesetzes i.S.d. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG. Durch § 2 Abs. 2 AO wurde somit nichts gewonnen, weil der BFH auch bisher die Konsultationsvereinbarungen bei der Abkommensauslegung – bis zur Grenze des Wortlautes des DBA – berücksichtigt hatte.5 Soweit die Verwaltung weiterhin Verständigungsvereinbarungen über abstrakte Sachverhaltsbehandlungen schließt und diese nicht in Rechtsverordnungen umgesetzt werden, gelten die Grundsätze der o.g. BFH-Rspr. unmittelbar weiter. 30

OECD-Musterkommentar. Der OECD-MK wird – wie auch das OECD-MA selbst – nicht Bestandteil der jeweiligen zwischen den Staaten abgeschlossenen Einzelabkommen, so dass er auch nicht durch das Zustimmungsgesetz in deutsches Recht überführt wird. Eine Bindungswirkung kommt dem OECD-MK somit nicht zu; diese tritt auch nicht nach Art. 25 GG ein. Insbesondere stellt der OECD-MK kein Völkergewohnheitsrecht dar.6 Bedeutung hat der OECD-MK allerdings bei der Auslegung des jeweiligen Abkommens. Ein Ansatzpunkt ist dabei Art. 31 Abs. 4 WÜRV (primäres Auslegungsmittel zur Bestimmung der besonderen Bedeutung eines Ausdrucks in einem völkerrechtlichen Vertrag).7 Darüber hinaus kann der OECD-MK als (sekundäres) ergänzendes Auslegungsmittel nach Art. 32 WÜRV herangezogen werden.8 Das gilt zumindest bei Abkommen zwischen zwei OECD-Staaten, die den Text des OECD-MA übernommen haben (Systematik Rz. 114 f.). In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Staaten die Ausführungen des OECDMK kannten und umsetzen wollten. Auch der BFH zieht den OECD-MK regelmäßig zur Bestätigung des gefundenen Auslegungsergebnisses – allerdings auch nur dazu – heran.9 Grenze ist auch hier aber der Wortlaut des in das deutsche Recht übernommenen Abkommens. Entsprechendes dürfte auch gelten, wenn mit einem Nichtmitgliedstaat der OECD ein DBA abgeschlossen wurde, dass erkennbar auf dem OECD-MA aufbaut.10 Spätere Änderungen des OECD-MA und des OECD-MK haben dagegen keine unmittelbaren Auswirkungen. Entweder handelt es sich um klarstellende Regelungen – dann kann schon auf den OECD-MK im Zeitpunkt des Abschlusses des DBA zurückgegriffen werden – oder die Auffassung der OECD im OECD-MK hat sich geändert – dann kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Vertragsstaaten bei Abschluss des DBA eine derartige Änderung vorhergesehen haben und umsetzen wollten. Einer dynamischen Verknüpfung 1 BFH v. 10.6.2015 – R 79/13, BStBl. II 2016, 326. A.A. etwa Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43e. (Stand: April 2017) m.w.N. Die Finanzverwaltung wendet das Urteil in vergleichbaren Fälle über den Einzelfall hinaus an: BMF v. 31.3.2016 – IV B 2-S 1304/09/10004 – DOK 2016/0311560, BStBl. I 2016, 474. 2 Vgl. noch vor der der Entscheidung des BFH v. 10.6.2015: Nacke, DB 2010, 1142 (1149); i.E. wohl auch Gosch in FS Spindler, 379 (421). Für die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung: Hummel, IStR 2011, 397 (400 ff.), differenzierend zwischen Fälle der Vermeidung der Doppelbesteuerung und den Fällen der Doppelnichtbesteuerung: Lehner, IStR 2011, 733 (738). 3 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43 f. (Stand: April 2017) m.w.N.; Musil in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 382 (Stand: November 2017). 4 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43e (Stand: April 2017); Drüen, IWB 2011, 360 (366 f.); Benecke/Schnitger, IStR 2010, 432 (439), Micker, IWB 2010, 61 (67); A.A. Ismer, IStR 2009, 366 (370); wohl auch: Heger, SWI 2001, 95 (98). 5 Vgl. BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387, Rz. 16; v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394, Rz. 20. 6 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.76; Wassermeyer in Wassermeyer, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 41 (Stand: Januar 2008); Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 42 (Stand: Juli 2016). 7 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.76; Vogel in V/L6, Grundlagen OECDMA Rz. 126; Wassermeyer in Wassermeyer, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 41 (Stand: Januar 2008), jeweils m.w.N. Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen vgl. Systematik Rz. 93 ff. Zur Bedeutung des OECD-MK vgl. Systematik Rz. 114 f. 8 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 42 (Stand: Juli 2016) zum OECD-MA. 9 BFH v. 11.7.2018 – I R 44/16, BFH/NV 2019, 149, Rz. 21 ff.; BFH v. 22.6.2011 – I R 103/10, BStBl. I 2012, 115, Rz. 16 zum DBA-Brasilien; v. 8.12.2010 – I R 92/09, BStBl. II 2011, 488, Rz. 15 zum DBA-Schweiz; weitergehend ggf. BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207, Rz. 16 und Rz. 21 zum DBA-Schweiz. Zur Berücksichtigung der OECD-Positionen durch andere Gerichte vgl. M. Lang, IStR 2011, 1. 10 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 54 (Stand: Januar 2008); a.A. BFH v. 14.3.1989 – IR 39/85, BStBl. II 1989, 599 zum DBA-Indien.

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 30 Art. 1

der DBA mit dem OECD-MK hat der BFH inzwischen eine Absage erteilt.1 Dies dürfte allerdings nur insoweit gelten, als dass dem OECD-MK eine Bindungswirkung zugesprochen wird, von der der BFH allerdings nicht ausgeht. Im Sinne einer Auslegungshilfe dürften auch Weiterentwicklungen des OECD-MK ergänzend heranzuziehen sein. Weitergehende Empfehlungen der OECD – insbesondere der sog. OECD-PartnershipReport 19992 vor der Neufassung des OECD-MK im Jahr 2000 und den nachfolgenden Änderungen in 2017 – sind bei der Auslegung des jeweiligen Einzelabkommens ebenfalls nur sehr eingeschränkt verwertbar.3

II. Persönlicher Abkommensschutz – Ansässige Person im Sinne des OECD-MA Literatur: Personengesellschaften (Auswahl): Brähler/Mayer, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften, IStR 2010, 678; Debatin, Subjektiver Schutz unter Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1989, Beilage 2 zu Heft 3/1989; Diehl, Qualifikationskonflikte im Steuerrecht, FR 1978, 517; Eimermann, Qualifikationsverkettung, in Doppelbesteuerung (Festgabe für Franz Wassermeyer) 2015, 65; Engel/Hilbert, Besteuerung des Gewinnanteils des inländischen Gesellschafters einer ausländischen Personengesellschaft, FR 2012, 394; Frotscher, Entlastung von Abzugsteuern bei hybriden Gesellschaftsformen nach § 50d Abs. 1 S. 11 EStG, in Festschrift für Dietmar Gosch, 2016, 97; Gosch, Internationale Qualifikationskonflikte, in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 27, Köln 2004, S. 103; Haase, Steuerrechtliche Wahlrechte bei DBA-Dreieckssachverhalten, BB 2010, 673; Haase, Nochmals, Steuerliche Wahlrechte bei Dreieckssachverhalten, BB 2010, 1823; Heinsen, Behandlung von Dreieckssachverhalten unter Doppelbesteuerungsabkommen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1843; Hruschka, Das BMF-Schreiben zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften vom 16.4.2010, DStR 2010, 1357; Jochum, Die Behandlung hybrider Gesellschaften nach dem neuen DBA Deutschland – Niederlande, IStR 2014, 1; Kahlenberg, Fallszenarien zur Steuerentlastung bei hybriden Gesellschaftsstrukturen, IStR 2016, 834; Kempf/Loose/Oskamp, Quellensteuerreduktion für hybride US-Gesellschaften nach Inkrafttreten der Vorschrift des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG, IStR 2017, 735; Kluge, Die Anerkennung ausländischer Gesellschaften im deutschen Steuerrecht, DStR 1976, 365; Knobbe-Keuk, „Qualifikationskonflikte“ im internationalen Steuerrecht der Personengesellschaften, RIW 1991, 306; Kofler/Lüdicke/Simonek, Hybride Personengesellschaften – Umsetzung des OECD Partnership Reports in Deutschland, Österreich und der Schweiz, IStR 2014, 349; M. Lang, Steuerlich transparente Rechtsträger und Abkommensberechtigung, IStR 2011, 1; M. Lang, Qualifikations- und Zurechnungskonflikte im DBA-Recht, IStR 2010, 114; M. Lang, Die abkommensrechtliche Behandlung von ausländischen Personengesellschaften mit Steuersubjektivität im Ausland, in Kleineidam (Hrsg.) Festschrift Lutz Fischer 1999, 713; Mensching, Die Limited Liabiliy Company (LLC) im Mienenfeld zwischen deutschem, innerstaatlichen Steuerrecht und Abkommensrecht, IStR 2008, 687; Prinz, Besteuerungsgrundsätze für hybride internationale Mitunternehmerschaften, FR 2012, 381 Richter, Einzelfragen internationaler Personengesellschaften im Abkommensrecht, FR 2010, 544; Scheuch/Schiefer, Entlastungsberechtigung hybrider Gesellschaften – § 50d Abs. 1 Satz 11 im Anwendungsbereich des § 44a Abs. 9 EStG, Ubg 2016, 263 Schmidt, Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, IStR 2010, 413; Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht (Teil 1), WPg 2002, 1134, (Teil 2), WPg 2002, 1232; Schönfeld/Korff, Gewerbesteuer bei gewerblich geprägten Personengesellschaften im abkommensrechtlichen Kontext, IStR 2018, 705; Schulz-Trieglaff, Zulässigkeit einer Qualifikationsverkettung auch ohne entsprechende abkommensrechtliche Anordnung in den Verteilungsnormen, IStR 2018, 341; Spengel/ Schaden/Wehrße, Besteuerung von Personengesellschaften in den 27 EU-Mitgliedstaaten und den USA – eine Analyse der nationalen Besteuerungskonzeptionen, StuW 2010, 44; Staats, Zur Neutralisierung hybrider Gestaltungen – Der OECD-Bericht zu Maßnahme 2 des BEPS-Aktionsplans, IStR 2014, 749; Suchanek/Herbst, Status Quo zur Behandlung intransparent besteuerter ausländischer Personengesellschaften, Ubg 2011, 779; Vogel, Zur Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften, IStR 1999, 5; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften einer in einem Vertragsstaat ansässigen Personengesellschaft, IStR 2011, 85; Wassermeyer, Grundfragen internationaler Personengesellschaften im Abkommensrecht, FR 2010, 537; Wassermeyer, Steuerpflicht, Einkünfteerzielung und Abkommensberechtigung, in Kessler (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 897; Wassermeyer, Soll Deutschland die Abkommensberechtigung von Personengesellschaften in seinen DBA verankern?, IStR 1999, 481; Weggenmann, Personengesellschaften im Abkommensrecht und abkommensrechtliche Fiktionswirkung, in Doppelbesteuerung, Festgabe für Franz Wassermeyer, 2015, 65; Weggenmann/Rödl, Sonderregelungen für Personengesellschaften in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 697.

1 Inzwischen ständige Rspr.: BFH v. 11.7.2018 – I R 44/16, BFH/NV 2019, 149, Rz. 16; BFH v. 25.11.2015 – I R 50/14, BStBl. II 2017, 247, Rz. 31 zum DBA USA; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. I 2014, 760, Rz. 19 zum DBA-Ungarn; v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106 zum DBA-Großbritannien, Rz. 21; v. 8.12.2010 – I R 92/09, BStBl. II 2011, 488, Rz. 16 zum DBA-Schweiz, z.T. unter Hinweis auf BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156 zum DBA-Spanien. Vgl. auch Lampert, IStR 2012, 513. 2 OECD, The Application of the OECD-Model Tax Convention to Partnerships v. 20.1.1999. 3 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. I 2014, 760, Rz. 19 zum DBA-Ungarn; Schulz-Trieglaff, IStR 2018, 341.

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Art. 1 Rz. 31

Unter das Abkommen fallende Personen

1. Überblick/Vertragsstaat 31

Person i.S. des OECD-MA. Um den persönlichen Anwendungsbereiches des Abkommens zu bestimmen, stellt Art. 1 auf die „Person“ ab. Damit ist dieser Begriff neben der „Ansässigkeit“ zentral zur Bestimmung des Schutzbereiches des Abkommens. Art. 1 enthält hierfür allerdings keine eigenständige Definition, so dass auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b zurückzugreifen ist. Danach umfasst der Ausdruck „Person“ natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen (vgl. Art. 3 Rz. 12 ff.). Der Ausdruck „Gesellschaft“ bedeutet juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden (vgl. Art. 3 Rz. 15 ff.). Im Ergebnis sind daher auch alle die Rechtsträger als Person im Sinne des Abkommens einzuordnen, die weder natürliche Person noch Personenvereinigung sind, die aber für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. So sind z.B. rechtsfähige Stiftungen Personen i.S. des Art. 1 (vgl. Art. 3 Rz. 2 OECD-MK). Darüber hinaus sind vom Begriff der Person auch alle anderen Personenvereinigungen umfasst. Darunter fallen als Hauptanwendungsfall die Personengesellschaften, die damit i.d.R. auch aus deutscher Sicht abkommensrechtlich „Personen“ sind.1 Wird die Personengesellschaft im Ansässigkeitsstaat wie eine juristische Person besteuert, so ist sie „Gesellschaft“ i.S. des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b.2

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Ansässigkeit i.S. des OECD-MA. Der andere wesentliche Begriff des Art. 1 ist der der „Ansässigkeit“, weil das Abkommen mit seinen Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur für diejenigen Personen gilt, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Wesentliches Kriterium hierfür ist nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1, ob diese Person in einem der Vertragsstaaten mit ihren Einkünften auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes der Geschäftsleitung oder eines vergleichbaren Merkmals in Bezug auf die im Abkommen genannten Steuern steuerpflichtig ist (vgl. Art. 4 Rz. 22 ff.). Wie die in Art. 4 Abs. 1 enthaltene Aufzählung zeigt, ist mit Steuerpflicht eine der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 EStG) vergleichbare Steuerpflicht gemeint (Inländerbesteuerung). Dem ist gleichgestellt, wenn eine Person als Haftungsschuldner für die Steuer einer anderen Person in Anspruch genommen wird und sich diese andere Person auf das DBA berufen könnte.3 Eine beschränkte Steuerpflicht (z.B. im Rahmen einer Quellenbesteuerung) reicht zur Begr. der Ansässigkeit dagegen nicht.4 Gleiches gilt für Objektsteuern, wie etwa die deutsche Gewerbesteuer (vgl. Rz. 47).5 Die Abkommensberechtigung einer Person bestimmt sich damit zumindest im Ergebnis auch nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht des Ansässigkeitsstaates dieser Person.6 Für natürliche und juristische Personen ist dies auch weitgehend unproblematisch. Umstritten sind aber die Fälle, in denen es zu einer unterschiedlichen Einordnung durch den Sitzstaat der Gesellschaft, den Quellenstaat und – soweit von den vorgenannten Staaten verschieden – den Anwenderstaat kommt. Dies betrifft insbesondere die steuerliche Behandlung der Personengesellschaften, weil das transparente Besteuerungskonzept, das Deutschland für diese Gesellschaften verfolgt, von einer Vielzahl von Steuerrechtsordnungen nicht geteilt wird (vgl. Rz. 55 ff.).

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Vertragsstaat als geographisches Element. Der subjektive Anwendungsbereich des OECD-MA hat schließlich auch ein geographisches Element. Abkommensberechtigt ist nur, „wer in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig“ ist. Was unter „Vertragsstaat“ zu verstehen ist, ist im OECD-MA nicht ausdrücklich definiert. Dies ist aber auch nicht notwendig. Vertragsstaaten des Abkommens sind die jeweiligen völkerrechtlichen Vertragspartner, also die Völkerrechtssubjekte, die das DBA abgeschlossen haben. Diese ergeben sich u.a. aus der Überschrift des jeweiligen DBA, ggf. auch aus dessen Präambel. In den deutschen DBA ist regelmäßig zudem in den jeweiligen Einzelabkommens (in der Regel in Art. 3 des entsprechenden DBA) eine ausdrückliche Definition der Vertragsstaaten enthalten. „Vertragsstaat“ und der „andere Vertragsstaat“ sind hiernach je nach Zusammenhang Deutschland oder jeweils der Vertragspartner. In der geographischen Abgrenzung umfasst der jeweilige Vertragsstaat zunächst einmal das jeweilige nach völkerrechtlichen Grundsätzen zu bestimmende Staatsgebiet innerhalb der hoheitlichen Grenzen. Neben den Landgebieten und den hiervon umschlossenen Gewässern, Kanälen und Binnenseen erstreckt sich dieses bei Staaten, die 1 Vgl. BFH v. 14.12.1988 – I R 397/83, BStBl. II 1989, 317; Brähler/Mayer, IStR 2010, 678 (680); Richter, FR 2010, 544 (544); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 16 (Stand: Januar 2008); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 20 (Stand: Oktober 2009). 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 27 (Stand: Januar 2008). 3 Vgl. BFH v. 24.4.2007 – I R 39/04, BStBl. II 2008, 95; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 30 (Stand: März 2012). 4 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 29 (Stand: März 2013). 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 17 (Stand: Oktober 2010); Lehner in V/L6, Art. 4 OECDMA Rz. 76b. Aus indischer Sicht hatte das Income Tax Appelate Tribunal, Mumbai/Indien, die Abkommensberechtigung einer deutschen Personengesellschaft wegen der deutschen Gewebesteuerpflicht bejaht, vgl. Oepen/Münch, IStR 2009, 55. 6 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.186.

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 36 Art. 1

unmittelbar an internationale Gewässer angrenzen, auch auf das Küstenmeer.1 Zum Staatsgebiet gehören zudem Zollausschlussgebiete (nicht die Zollanschlussgebiete)2 und die Handelsschiffe, die unter der Flagge des betreffenden Staates fahren, solange sich diese nicht in den Gewässern eines anderen Staates befinden.3 Zum Staatsgebiet gehört zudem der Luftraum. Sofern ein Gebiet unter der gemeinsamen Gebietshoheit mehrerer Staaten steht (Kondominium), kann der Anwendungsbereich mehrerer Abkommen eröffnet sein. Für den Anwendungsvorrang gilt der Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl. zu § 34c EStG oben Rz. 17 sowie Systematik Rz. 143 f.). Im Verhältnis der Staaten, die sich die Gebietshoheit teilen, ist – sofern diese keine besondere Regelung vereinbart haben – ein Verständigungsverfahren durchzuführen.4 Ausweitungen des Inlandsbegriffes (Festlandssockel). Nicht zum deutschen Staatsgebiet im völkerrechtlichen Sinn gehört der Festlandssockel. Allerdings steht Deutschland insoweit eine auf die Erforschung und die Ausbeutung der Naturschätze begrenzte Souveränität zu.5 Innerstaatlich hat Deutschland den steuerlichen Inlandsbegriff hinsichtlich des Deutschland zustehenden Anteils sowohl an der ausschließlichen Wirtschaftszone als auch an dem Festlandssockel für bestimmte Fälle ausgeweitet (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 1 Abs. 3 KStG). Im Einzelnen führt diese Ausweitung des Inlandsbegriffs jedoch schon nach innerstaatlichem Recht nicht dazu, dass z.B. auf einer Bohrinsel eine deutsche unbeschränkte Steuerpflicht begründet werden kann, weil ein dortiger (Wohn-)Sitz oder gewöhnlicher Aufenthalt nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer der o.g. Tätigkeiten steht.6 Abkommensrechtlich gilt entsprechendes, so dass in diesem Gebiet eine Ansässigkeit nicht begründet werden kann. Zudem wäre eine einseitige Ausdehnung des subjektiven Anwendungsbereiches eines DBA zu Lasten des jeweiligen anderen Staates auch nicht zulässig (vgl. die Diskussion unter Rz. 64). In der Abkommenspraxis stellt sich diese Frage allerdings nicht, weil in den deutschen DBA der geographische Anwendungsbereich regelmäßig ausdrücklich bestimmt ist. Entweder wird in den Einzelabkommen der geographische Anwendungsbereich an die Geltung des deutschen innerstaatlichen Steuerrechts geknüpft oder in Anlehnung an den Inlandsbetriff nach innerstaatlichem Steuerrecht eigenständig definiert. Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des DBA soll sich danach auf das Hoheitsgebiet Deutschlands und das an das Küstenmeer angrenzende Gebiet des Meeresbodens, seines Meeresuntergrundes und der darüber befindlichen Wassersäule erstecken, soweit die Bundesrepublik in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse zum Zwecke der Erforschung, Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen ausübt.

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Ansässigkeitsbescheinigung. Im Verfahren zur Erstattung der Quellensteuer bzw. der Freistellung vom Quellensteuerabzug ist gem. § 50d Abs. 4 EStG die Ansässigkeit einer Person in einem Staat regelmäßig durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des Ansässigkeitsstaates nachzuweisen (Ansässigkeitsbescheinigung). In Deutschland werden diese von den Finanzämtern ausgestellt. Entsprechende mit den ausländischen Finanzverwaltungen abgestimmte Vordrucke sind auf der Internetseite des BZSt abrufbar.7

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2. Abkommensberechtigung natürlicher Personen Begriff der natürlichen Person. Da eine Definition der „natürlichen Person“ im OECD-MA nicht enthalten ist, muss insoweit nach allgemeinen Grundsätzen auf das Recht des das Abkommen anwendenden Vertragsstaates (Anwenderstaat) abgestellt werden. Entscheidendes Merkmal einer „Person“ ist dabei die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können. In Abgrenzung zu den juristischen Personen, werden mit dem Begriff der natürlichen Person Menschen beschrieben. Das deutsche BGB ordnet die Rechtsfähigkeit für Menschen zwar nicht gesondert an, geht hiervon aber als selbstverständlich aus (vgl. § 1 BGB). Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt. Sie endet mit dem Tod. In diesen 1 Ipsen, Völkerrecht6, § 5 Rz. 5. 2 Vgl. BFH v. 13.4.1989 – IV R 196/85, BStBl. II 1989, 614. 3 Vgl. BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1986, 377; v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 50; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 41 (Stand: März 2012). 4 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.187 zum deutsch-luxemburgische Kondominium über die Mosel, Sauer und Our. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 41 (Stand: März 2012). 5 Genfer Konvention über den Festlandsockel v. 29.4.1958, Proklamation der Bundesregierung über die Erforschung und Ausbeutung des deutschen Festlandsockel v. 20.1.1964, BGBl. II 1964, 104. 6 Vgl. Heinicke in Schmidt37, § 1 EStG Rz. 31; Rauch in Blümich, § 1 EStG Rz. 138a (Stand: März 2018). A.A. etwa Gosch in Kirchhof18, § 1 EStG Rz. 6 f; Tiede in H/H/R, § 1 EStG Anm. 104 (Stand: Juni 2006). 7 Zur Praxis der Finanzverwaltung bei der Ausstellung von Ansässigkeitsbescheinigungen vgl. OFD NRW v. 5.9.2017 – S 1300-2010/0007-St 122, IStR 2017, 996; OFD Frankfurt v. 3.8.2015 – S 1301 A-086-St 514, BeckVerw 321836; OFD NRW v. 2.12.2015 – S 1301-1989/5000-St 125, DB 2015, 2977; FM Schleswig-Holstein Kurzinformation v. 11.8.2015 – VI 302 - S 1300 - 531, DB 2015, 1933 (Personengesellschaften).

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Art. 1 Rz. 36

Unter das Abkommen fallende Personen

Randbereichen kann auch mittelbar das Recht des Wohnsitzstaates durchschlagen, weil von diesem Recht die Steuerpflicht der natürlichen Person und damit auch deren abkommensrechtliche Ansässigkeit bestimmt wird.1 Doppelansässigkeiten werden nach Art. 4 Abs. 2 aufgelöst (Art. 4 Rz. 61 ff.). 37

Steuerpflicht. Ansässig sind nur natürliche Personen, die in einem der Vertragsstaaten ansässig sind, also in einem Vertragsstaat auf Grund des Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes (…) oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig sind (Art. 4 Abs. 1 Satz 1). Im Ergebnis müssen für diese Personen die Voraussetzungen einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in Deutschland bzw. die Voraussetzungen einer entsprechenden Steuerpflicht im Ausland vorliegen. Eine fiktive unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG oder nach § 1a EStG reicht nicht aus.2 Etwas anderes gilt allerdings, wenn das jeweilige Einzelabkommen nur auf die unbeschränkte Steuerpflicht abstellt, ohne vorzugeben, auf welchen Umständen diese unbeschränkte Steuerpflicht beruhen muss.3

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Doppelansässigkeit aus Sicht des Quellenstaats (Drittstaat). Denkbar sind in diesem Zusammenhang auch Fallkonstellationen in denen die Anwendbarkeit eines Abkommens aus Sicht des Quellenstaates zu beurteilen ist und die Person, die die Einkünfte erzielt, in zwei unterschiedlichen Staaten ansässig ist (Beispiel: Lizenzzahlungen aus Deutschland an eine Person, die sowohl in Österreich als auch in der Schweiz ansässig ist). Hier hat der Steuerpflichtige – im Sinne einer Meistbegünstigung – ein Wahlrecht, auf welches DBA er sich im Verhältnis zum Quellenstaat beruft4 (im Beispielsfall entweder auf das DBA DeutschlandÖsterreich oder auf das DBA Deutschland-Schweiz). Insbesondere kommt es nicht darauf an, in welchem Staat die Person nach dem zwischen den beiden Ansässigkeitsstaaten geschlossenen Abkommen (im Beispiel: nach dem DBA Österreich-Schweiz) ansässig ist. Auch Art. 4 Abs. 1 Satz 2 führt zu keinem anderen Ergebnis. Hiernach umfasst der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ keine Person, „die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenen Vermögen steuerpflichtig ist“. Mit anderen Worten soll eine persönliche Steuerpflicht, die sich lediglich auf die aus diesem Staat stammenden Quellen erstreckt (sog. Territorialbesteuerung), keine Abkommensansässigkeit in diesem Staat begründen. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 stellt aber ausschließlich auf die innerstaatlichen Vorschriften der Vertragsstaaten ab und kommt somit nur dann zur Anwendung, wenn sich die Territorialbesteuerung aus Bestimmungen des rein innerstaatlichen Rechts, d.h. aus der innerstaatlichen Selbstbeschränkung ergibt.5 Eine auf einem DBA (z.B. mit einem Drittstaat) beruhende Beschränkung der Territorialbesteuerung ist demgegenüber unbeachtlich (vgl. Art. 4 Rz. 59).6 Dieser Auffassung folgt auch die deutsche Finanzverwaltung.7 Auch nach dem Musterkommentar in der seit 2008 geltenden Fassung soll Art. 4 Abs. 1 Satz 2 die Abkommensansässigkeit von Personen ausschließen, die in einem Vertragsstaat keiner umfassenden Besteuerung unterliegen, weil sie, obwohl sie dort nach dem Recht dieses Staates ansässig sind, nach einem Abkommen zwischen diesem Staat und einem anderen Staat als in dem anderen Staat ansässig gelten (vgl. Art. 4 Rz. 8.2 Satz 2 OECD-MK). 3. Abkommensberechtigung juristischer Personen

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Begriff der juristischen Person. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a sind neben den natürlichen Personen und allen anderen Personenvereinigungen auch Gesellschaften vom Begriff der Person umfasst. Unter Gesellschaft wiederum werden juristische Personen und andere Rechtsträger verstanden, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. Nicht weiter definiert wird die „juristische Person“. Hierzu ist – wie bei den natürlichen Personen – auf das Recht des Anwenderstaates abzustellen. In Deutschland sind die der 1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 20 (Stand: Oktober 2010). 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 17 (Stand: Oktober 2010). Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 43 (Stand: Oktober 2013); Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 78 und 111a; Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 32 (Stand: Oktober 2014). 3 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 43 (Stand: Oktober 2013); a.A. BMF v. 25.1.2000 – IV B 3 - S 1301 SCHZ - 1/00, IStR 2000, 188 zum DBA-Schweiz. 4 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 4 (Stand: Oktober 2013); Haase, BB 2010, 673 (677). 5 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 45 (Stand: Oktober2013/Juni 2015); Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 121. 6 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 45 (Stand: Oktober2013/Juni 2015); Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 121a; Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 97; Lüdicke, in FS für Lutz Fischer (1999), 731(740 f.). Ebenso zur Parallele bei doppelansässigen Kapitalgesellschaften: Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999, 147 f. m.w.N. 7 Vgl. BMF v. 14.9.2006 – IV B 6-S 1300-367/06, BStBl. I 2006, 532, Rz. 8 zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns nach den DBA „wenn … die Person nach deutschem Rechtsverständnis dort also nur der beschränkten Steuerpflicht unterliegt“.

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 41 Art. 1

deutschen Körperschaftsteuer unterliegenden juristischen Personen in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KStG aufgezählt. Zu nennen sind dabei insbesondere die Kapitalgesellschaften, also Europäische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung; aber auch andere juristische Personen des privaten Rechts, wie etwa rechtsfähige Stiftungen.1 Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) nach § 5a GmbHG ist keine eigenständige Rechtform neben der GmbH, sondern stellt eine Variante dieser Rechtsform dar.2 Sie ist damit Kapitalgesellschaft und juristische Person und wird infolgedessen ebenfalls von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a erfasst. Quasi-juristische Personen. Gesellschaften und damit Personen i.S. von Art. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b sind auch Rechtsträger („Entities“), die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden (sog. quasi-juristische Personen). Sowohl der deutsche als auch der englische Text des OECD-MA legen hierbei nahe, dass als quasi-juristische Personen nur solche Gebilde in Betracht kommen, die rechtsfähig sind. Eine solche Interpretation würde allerdings zu weit gehen, weil ansonsten für die Fallgruppe der quasi-juristischen Personen kein Anwendungsbereich gegeben wäre. Zu Recht besteht daher i.E. Einigkeit, dass es auf die Rechtsfähigkeit der jeweiligen Einheit nicht ankommt, sofern diese wie eine Kapitalgesellschaft besteuert wird (vgl. Art. 3 Rz. 22 ff.).3 Aus deutscher Sicht unterliegen der Körperschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG auch nichtrechtfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen des privaten Rechts. Hierunter fallen auch Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die ihren Ort der Geschäftsleitung ins Inland verlegt haben und deshalb nach ausländischem Recht als aufgelöst gelten (vgl. Rz. 43). Zu fordern ist allerdings, dass die Vermögensmasse eine gewisse wirtschaftliche Selbständigkeit besitzt.4 Gleiches gilt nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG schließlich auch für die Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

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Ausländische Rechtsgebilde. Für die Frage, ob ein ausländisches Rechtsgebilde aus deutscher Sicht ein Körperschaftsteuersubjekt ist, ist darauf abzustellen, ob dieses Rechtsgebilde unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 KStG subsumiert werden kann. Diese Vorschrift bestimmt – abschließend5 – sowohl für die beschränkte als auch für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht die Grenze zwischen Rechtsgebilden, die als eigenständige Steuersubjekte der Körperschaftsteuer unterliegen, und steuerlich transparenten Personenvereinigungen, bei denen für die Besteuerung auf deren Gesellschafter abgestellt wird.6 Ausländische Rechtgebilde sind in diese Kategorien einzuordnen, wobei hierzu der Begriff der „Qualifikation“ eingebürgert hat.7 Diese Einordnung erfolgt auf Grundlage eines Typenvergleichs (Art. 3 Rz. 20; Art. 7 (2008) Rz. 75).8 Abzustellen ist darauf, ob das ausländische Rechtsgebilde einer deutschen Mitunternehmerschaft entspricht oder nach dem Gesamtbild seiner rechtlichen Ausgestaltung eher einem Körperschaftsteuersubjekt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 KStG gleicht. Hierzu wurden von der Rspr. verschiedene Beurteilungsmerkmale entwickelt, die für ein Körperschaftsteuersubjekt sprechen und die auch von der Finanzverwaltung angewendet werden. Diese sind:9 – Zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung, – beschränkte Haftung, – freie Übertragbarkeit der Anteile, – Gewinnzuteilung (durch Gesellschafterbeschluss), – Kapitalaufbringung,

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1 Vgl. z.B. Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 83; Levedag in R/H/vL, § 1 KStG Rz. 82. 2 Vgl. OFD Münster v. 15.12.2008 – Kurzinfo KSt Nr. 011/2008 (n.V.). 3 Vgl. nur Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 25 (Stand: Januar 2008) sowie Art. 3 Rz. 19. Dies entspricht auch der Position des OECD-MK zu Art. 3 OECD-MA, wenn dort als Beispiel für einen Rechtsträger, der wie eine Kapitalgesellschaft besteuert wird, die Stiftungen genannt werden, ohne danach zu differenzieren, ob diese rechtsfähig sind oder nicht, vgl. Art. 3 Rz. 2 OECD-MK. 4 Vgl. BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388, Rz. 10 zu einem Jersey-Trust. 5 Vgl. BFH v. 19.8.1958 – I 78/58 U, BStBl. III 1958, 468; v. 2.12.1970 – I R 122/68, BStBl. II 1971, 187; v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751. 6 Vgl. Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.5. 7 Zur Kritik an der Begrifflichkeit: Lehner in V/L6, Grundlagen OECD-MA Rz. 96b; Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.3 ff. 8 Grundlegend die sog. Venezuela-Entscheidung des RFH: RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444; zur neueren Rspr. vgl.: BFH v. 11.10.2017 – I R 42/15, BFH/NV 2018, 616, Rz. 11 f.; v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367, Rz. 10; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263, Rz. 17 ff.; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764, Rz. 13; v. 6.6.2012 – I R 52/11, BStBl. II 2014, 240, Rz. 12. Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung: BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 1.2. 9 Vgl. BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263, Rz. 20 ff.; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA-22/04, BStBl. I 2004, 411 (zur LLC); OFD Frankfurt am Main v. 14.11.2008 – S 2241 A - 107 - St 213, RIW 2009, 96; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 1.2.

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Art. 1 Rz. 41

Unter das Abkommen fallende Personen

– unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft, – Gewinnverteilung und – formale Gründungsvoraussetzungen. Für eine Vielzahl von Gesellschaftsformen ausländischen Rechts hat die Finanzverwaltung in den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen zudem ihre Auffassung niedergelegt, wie diese Gesellschaftsformen einzuordnen sind.1 Umfasst sind allerdings nur die jeweils typischen Ausgestaltungen der jeweiligen Rechtgebilde. Bei Abweichungen wird die Finanzverwaltung die Einordung im konkreten Einzelfall – d.h. insbesondere unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des jeweiligen Gesellschaftsvertrages – anhand der oben dargestellten Kriterien verproben.2 Hinsichtlich der zeitlichen Begrenzungen gelten die allgemeinen Grundsätze. Die ausländische Kapitalgesellschaft besteht zumindest solange fort, wie sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift.3 42

Ansässigkeit. Bei den juristischen Personen bringt die Bestimmung der abkommensberechtigten Person selten besondere Probleme mit sich, weil juristische Personen in der Regel nach allen betroffenen Rechtordnungen als eigenständiges Steuersubjekt und damit als ansässige Person einzuordnen sind. Das gilt auch im Fall einer ertragsteuerlichen Organschaft (§ 14 ff. KStG). Hier bleibt die Organgesellschaft ansässige Person.4 Zu einer abweichenden Einordnung durch die betroffenen Staaten kommt es bei Kapitalgesellschaften nur in Ausnahmefällen. Hier sind die Grundsätze der Auflösung von Einordnungskonflikten bei der abkommensrechtlichen Behandlung von Personengesellschaften entsprechend heranzuziehen (vgl. Rz. 45 ff.). Abgrenzungsfragen stellen sich jedoch bei den quasi-juristischen Personen (vgl. Rz. 40), weil sich die Steuerpflicht im Ansässigkeitsstaat nach dessen Recht „auf Grund des Wohnsitzes, des ständigen Aufenthaltes, des Ortes der Geschäftsleitung oder eines ähnlichen Merkmals“ ergeben muss (Art. 4 Abs. 1). Insbesondere bei den Zweckvermögen und ähnlichen Vermögensmassen ist es also erforderlich, dass diese eigenständig im Wirtschaftsleben in Erscheinung treten und im anderen Staat eine der Geschäftsführung vergleichbare Verwaltung dieses Vermögen erfolgt. Erforderlich aber auch ausreichend für die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat ist, dass die Kapitalgesellschaft oder quasi-juristische Person dort auf Grund der oben genannten Merkmale dem Grunde nach der Besteuerung unterliegt, also besteuert werden kann. Unerheblich ist es, wenn es – z.B. wegen einer Steuerbefreiung – tatsächlich nicht zu einer Besteuerung kommt (vgl. Art. 4 Rz. 25).5

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Doppelansässige juristische Personen. Ist eine Kapitalgesellschaft nach ausländischem Recht gegründet worden, hat aber ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt, so verliert sie ihre Abkommensberechtigung nicht. Soweit es sich um eine EU-Gesellschaft handelt, deren Gründungsstaat der Gründungstheorie folgt, muss Deutschland nach der Rspr. des EuGH diese Gesellschaft auch nach deren Zuzug weiterhin anerkennen.6 Die ausländische Kapitalgesellschaft bleibt juristische Person und damit auch Körperschaftsteuersubjekt. Sie bleibt aber auch dann Körperschaftsteuersubjekt und damit (ansässige) Person, wenn sie mit der Verlegung des Verwaltungssitzes ihre Rechtsfähigkeit verliert. Nach der Rspr. des BFH kann eine nach Deutschland zugezogene ausländische Kapitalgesellschaft auch in diesem Fall in Deutschland wie eine juristische Person besteuert werden, mit der Folge, dass sie sich auf sämtliche von Deutschland geschlossene Abkommen berufen kann.7 Vorausgesetzt ist in beiden Fällen allerdings, dass die Gesellschaft nach dem Typenvergleich einer deutschen Kapitalgesellschaft entspricht (vgl. Rz. 41). Verlegt eine nach deutschem 1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 mit mehrfachen nachfolgenden Änderungen, Tabellen 1 und 2. 2 Vgl. OFD Frankfurt am Main v. 14.11.2008 – S 2241 A – 107 – St 213, RIW 2009, 96. 3 Vgl. BFH v. 28.1.2004 – I B 210/03, BFH/NV 2004, 670, Rz. 8; FG Münster v. 11.5.2011 – 9 V 3872/10 K, EFG 2011, 1443, Rz. 18 (rkr.). 4 Vgl. nur Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 18c (Stand: Oktober 2009); Haase, IStR 2012, 659; Lüdicke, IStR 2011, 740; Schnitger/Berliner, IStR 2011, 753 (755 f.). 5 Vgl. BFH v. 11.10.2017 – I R 42/15, BFH/NV 2018, 616, Rz. 27 zum DBA-USA; v. 6.6.2012 – I R 52/11, BStBl. II 2014, 240, Rz. 12 zum DBA-Frankreich; FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828, Rz. 33 ff. zum DBA-Frankreich; Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 83; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 23 (Stand: Januar 2008), Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer Art. 4 OECD-MA Rz. 25 (Stand: Oktober 2013); a.A. FG Nds. v. 29.3.2007 – 6 K 514/03, EFG 2007, 1223 (rkr.) zum DBA-FRA. Vgl. i.Ü. auch die Ausführungen zu Investmentvermögen (Rz. 88). 6 Vgl. EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97 – Centros, ECLI:EU:C:1999:126 = IStR 1999, 253; v. 5.11.2002 – C-208/00 – Überseering, ECLI:EU:C:2002:632 = IStR 2002, 809; v. 30.9.2002 – C-167/01 – Inspire Art, ECLI:EU:C:2003:512 = IStR 2003, 849; v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723 = DStR 2009, 121. 7 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BStBl. II 2013, 186, Rz. 12; v. 23.6.1993 – I R 31/92, BFH/NV 1994, 661, Rz. 21; v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972, Rz. 18 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 26 (Stand: Januar 2008).

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 46 Art. 1

Recht gegründete Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) ihren Verwaltungssitz ins Ausland, so bleibt die Gesellschaft spätestens nach der Änderung von § 4a GmbHG bzw. § 5 AktG durch das MoMiG1 zumindest aus deutscher Sicht als juristische Person erhalten. Diese bleibt damit (ansässige) Person und abkommensberechtigt. Zur Auflösung von Doppelansässigkeiten aus Sicht des Quellenstaates vgl. Rz. 38. Durchgriff. Da juristische Personen in der Regel abkommensberechtigt sind, kann es sich aus Sicht des Steuerpflichtigen anbieten, seine abkommensrechtliche Position durch Zwischenschaltung einer solchen juristischen Person zu verbessern. Aus Sicht der beteiligten Staaten kann es wiederum nahe liegen, unter bestimmen Bedingungen den Durchgriff durch derartige juristischen Personen anzuordnen und für die Abkommensanwendung auf die „dahinterstehenden Personen“ abzustellen. Dies ist insbesondere eine Frage der abkommensrechtlichen Anerkennung der dazwischengeschalteten juristischen Person (vgl. zu den sog. Basisgesellschaften Rz. 123 f.).

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4. Abkommensberechtigung von Personengesellschaften a) Überblick Grundsätze. Ausgangspunkt jeder abkommensrechtlichen Beurteilung unter Einbeziehung von Personengesellschaften ist zunächst die steuerliche Einordnung des (ausländischen) Rechtsträgers als Kapital- oder Personengesellschaft. Das ist nach allgemeinen Grundsätzen auf Grundlage eines sog. Typenvergleichs zu entscheiden (vgl. Rz. 40). Liegt hiernach eine Personengesellschaft vor, so ist zu entscheiden, ob bzw. in welchem Umfang diese Personengesellschaft selbst abkommensberechtigt ist. Im Ausgangspunkt besteht hier weitgehende Einigkeit, dass Personengesellschaften als Personen im Sinne des Art. 1 einzuordnen sind; und zwar entweder als Gesellschaften im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b oder als andere Personenvereinigungen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a.2 Ob eine Personengesellschaft darüber hinaus auch als in einem Vertragsstaat ansässige Person i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 und damit auch i.S.v. Art. 1 anzusehen ist, richtet sich danach, ob diese Personengesellschaft auf Grund eines der in Art. 4 Abs. 1 genannten Merkmale (z.B. auf Grund ihres Sitzes) in einem der Vertragsstaaten selbst der Besteuerung unterliegt – in diesem Fall ist sie zumindest aus Sicht dieses Staates ansässige Person. Ansonsten kann sich die Personengesellschaft selbst nicht auf ein DBA berufen, es sei denn im jeweiligen Abkommen ist eine entsprechende Sonderregelung enthalten (vgl. Rz. 54). Abkommensberechtigt sind in diesem Fall vielmehr die Gesellschafter der Personengesellschaft, und zwar im Grundsatz aus den Abkommen ihres jeweiligen Ansässigkeitsstaats.

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Einordnung von Personengesellschaften im internationalen Kontext. Die Kernproblematik grenzüberschreitender Fälle unter Beteiligung von Personengesellschaften im Abkommensrecht beruht darauf, dass die steuerliche Einordnung von Personengesellschaften international bereits nach den jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnungen nicht einheitlich ist (Art. 7 (2008) Rz. 68 ff.). Zum Teil wird – wie z.B. in Deutschland – für die Besteuerung auf die Gesellschafter (Mitunternehmer) der Personengesellschaft abgestellt (sog. Transparenz- oder Mitunternehmerprinzip), während die Gesellschaft selbst nicht steuerpflichtig ist. Andere Steuerrechtsordnungen sehen die Personengesellschaft dagegen selbst als (körperschaft-)steuerpflichtige Einheit und damit als Steuersubjekt an. Zu einer Besteuerung der Gesellschafter kommt es in diesem Fall nur dann, wenn die Gewinne der Personengesellschaft von deren Gesellschafter entnommen werden. Zum Teil wird auch für die Besteuerung danach differenziert, ob die Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft haften oder nicht. So kann etwa bei einer der deutschen Kommanditgesellschaft vergleichbaren Rechtsform der auf einen Komplementär entfallende Gewinnanteil diesem zuzurechnen und von diesem zu versteuern sein, während der auf die Kommanditisten entfallende Teil der Körperschaftsteuer bei der Gesellschaft selbst unterliegt. Abkommensrechtlich hat das folgende Konsequenzen: Verfolgen die beteiligten Staaten in Bezug auf die Personengesellschaft nach ihrem jeweiligen innerstaatlichen Recht identische Besteuerungskonzepte, so bereitet die steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Sachverhalte in der Regel keine besonderen Schwierigkeiten. Schwierig und umstritten ist dagegen die abkommensrechtliche Beurteilung, wenn die beteiligten Staaten eine unterschiedliche Sichtweise haben. Im Kern stellt sich dann die Frage, ob der Staat, der das Abkommen anwendet (Anwenderstaat), für die Bestimmung der ansässigen Person an die Sichtweise des jeweils anderen Staates (Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters, Sitzstaat der Personengesellschaft, Quellenstaat) gebunden ist und ob diese Einordnung auf die abkommensrechtliche Beurteilung, insbesondere die Einkünftezurechnung durchschlägt – abkommensorientierte Sichtweise. Zum

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1 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 2 Vgl. Brähler/Mayer, IStR 2010, 678 (680); in einer Vielzahl deutscher Abkommen ist allerdings auf die Aufnahme von „anderen Personenvereinigungen“ in der Begriffsdefinition für Person im Sinne des Abkommens verzichtet worden, vgl. dazu die Übersicht bei Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 23.

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Art. 1 Rz. 46

Unter das Abkommen fallende Personen

Teil wird insoweit von einer subjektiven Qualifikationsverkettung gesprochen. Nach der Gegenposition entscheidet der jeweilige Staat zunächst autark unter Berücksichtigung der Wertungen des eigenen innerstaatlichen Steuerrechts über die abkommensrechtliche Zurechnung der von der Personengesellschaft erzielten Einkünfte – anwenderstaatorientierte Sichtweise (vgl. zur abkommensorientierten und anwenderstaatorientierten Sichtweise Rz. 55 ff. und Art. 3 Rz. 43 f.). Werden diese Einkünfte nach innerstaatlichem Recht den Gesellschaftern zugerechnet, spielt die abkommensrechtliche Frage der Ansässigkeit der Personengesellschaft nur noch eine eingeschränkte Rolle, weil es ausschließlich darauf ankommt, ob sich die Gesellschafter als diejenigen, denen die Einkünfte steuerlich zuzurechnen sind, auf ein Abkommen berufen können.1 47

Keine Ansässigkeit wegen Gewerbesteuerpflicht. Eine Personengesellschaft ist nicht schon deswegen in Deutschland ansässig i.S. der Art. 1, 4 Abs. 1 Satz 1, weil sie im Inland einen Gewerbebetrieb unterhält und damit gewerbesteuerpflichtig ist.2 Zwar ist die deutsche Gewerbesteuer in den sachlichen Anwendungsbereich wohl sämtlicher deutscher Abkommen einbezogen (vgl. Art. 2 Rz. 30); die Personengesellschaft unterliegt dieser Steuer aber nicht auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines ähnlichen Merkmals, wie es Art. 4 Abs. 1 Satz 1 verlangt. Der Besteuerung unterliegt vielmehr nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Für Zwecke der Gewerbesteuer können sich Personengesellschaften dagegen selbst auf das DBA berufen, sind also insoweit abkommensberechtigt.3 b) Übereinstimmende Einordnung als Körperschaftsteuersubjekt

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Anwendung der für juristische Personen geltenden Grundsätze. Soweit sämtliche betroffenen Staaten die Personengesellschaft einheitlich als Körperschaftsteuersubjekt einordnen, stellen sich in der Regel bei der Bestimmung der ansässigen und damit abkommensberechtigten Person keine besonderen Probleme. Es gelten insoweit die Grundsätze für die juristischen Personen. Die Personengesellschaft ist selbst als ansässige Person anzusehen und kann sich damit unmittelbar z.B. auf das zwischen ihrem Sitzstaat und einem Quellenstaat geschlossene DBA berufen. Aus Sicht des Ansässigkeitsstaates der Gesellschafter werden die von der Personengesellschaft erwirtschafteten Einkünfte in der Regel der Personengesellschaft selbst zuzurechnen sein. Zu einer Besteuerung auf der Ebene der Gesellschafter wird es somit nur kommen, wenn die Gewinne der Personengesellschaft an die Gesellschafter ausgeschüttet werden. Diese Ausschüttungen unterliegen dann abkommensrechtlich den jeweiligen Dividendenartikeln (Art. 10). c) Übereinstimmende Einordnung als transparente Einheit (Mitunternehmerschaft)

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Durchgriff auf die Gesellschafter. Weitgehend unproblematisch ist die abkommensrechtliche Beurteilung zumindest in Zwei-Staaten-Fällen auch dann, wenn die Personengesellschaft von allen betroffenen Steuerrechtsordnungen übereinstimmend als transparent eingeordnet wird (Art. 7 (2008) Rz. 76). Die Personengesellschaft ist in diesen Fällen zwar ggf. als Person im Sinne des Art. 1 einzuordnen, mangels eigener Steuerpflicht ist sie aber nicht ansässige Person und kann sich daher nicht selbst auf das Abkommen berufen. Das entspricht der Auffassung der OECD und dürfte im Ergebnis auch nicht streitig sein. In diesen Fällen können sich die Gesellschafter unmittelbar auf das zwischen ihrem Ansässigkeitsstaat und dem jeweiligen Quellenstaat geschlossene Abkommen berufen. Zwar werden die Einkünfte zivil- und handelsrechtlich von der (nicht steuerpflichtigen) Personengesellschaft erzielt und den Gesellschaftern insoweit nur ein Gewinnanteil zugerechnet; es entspricht aber allgemeiner Auffassung, dass wegen der steuerlichen Transparenz der Personengesellschaft deren Gesellschafter abkommensrechtlich die Einkünfte erzielen, die sich damit auf das Abkommen berufen können.4 Dem ist auch uneingeschränkt zuzustimmen. Daraus folgt auch: Eine

1 Das gilt auch dann, wenn die Personengesellschaft nach dem einschlägigen DBA als ansässige Person gilt: BFH v. 13.11.2013 – I R 67/12, BStBl. II 2014, 172, Rz. 16 und 17 zum DBA Belgien; v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953, Rz. 17 zum DBA-Italien. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 17 (Stand: Oktober 2010); Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 25 (Stand: Oktober 2013) und 46 (Stand: Juni 2015); Lehner in V/L6, Art. 4 OECDMA Rz. 76b. Für das DBA-Indien hatte das Income Tax Appelate Tribunal, Mumbai/Indien, allerding die Abkommensberechtigung einer deutschen Personengesellschaft auf Grund deren deutscher Gewebesteuerpflicht aus indischer Sicht bejaht, vgl. Oepen/Münch, IStR 2009, 55. 3 Vgl. Hruschka, DStR 2014, 2421; Hruschka, IStR 2014, 785; Hruschka, DStR 2010, 1357 (1358); a.A. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 76b; Schönfeld/Korff, IStR 2018, 705. 4 Vgl. nur BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703, Rz. 13; v. 25.11.2015 – I R 50/14, BStBl. II 2017, 247, Rz. 28; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764, Rz. 15 zum DBA-Großbritannien; Art. 1 Rz. 5 u. Rz. 6.4 OECD-MK; Art. 4 Rz. 8.4 Satz 2 OECD-MK; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.1.

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 51 Art. 1

Betriebsstätte der Personengesellschaft wird den Mitunternehmern zugerechnet (Art. 7 (2008) Rz. 69).1 Die Regelungen in einzelnen Abkommen, nach denen die für Unternehmensgewinne geltenden Artikel (Art. 7 OECD-MA) auch für Einkünfte aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft gelten (z.B. Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich), sind daher insoweit lediglich deklaratorisch. Ein eigenständiger Regelungsbereich kommt diesen Vereinbarungen jedoch zu, soweit hierin die Besteuerungsrechte an Sondervergütungen verteilt werden. Vermögensverwaltende Gesellschaften. Der Begriff der Vermögensverwaltung ist im Zusammenhang mit der steuerlichen Beurteilung von Personengesellschaften innerstaatlich als Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit zu sehen. Gewerblich ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG jede selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Ungeschriebenes weiteres Tatbestandsmerkmal für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit ist, dass die Grenze zur Vermögensverwaltung überschritten sein muss. Ist dies nicht der Fall, ist die vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft keine Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Das Vermögen der Gesellschaft und die Einkünfte sind den Gesellschaftern gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zuzurechnen. Typisch sind Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder sonstige Einkünfte (§ 22 EStG i.V.m. § 23 EStG). Gewerblich nach innerstaatlichem Recht ist die Tätigkeit als Besitzunternehmen innerhalb einer Betriebsaufspaltung. Als Gewerbebetrieb gilt zudem in vollem Umfang auch die Tätigkeit einer sog. infizierten Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 EStG) sowie einer gewerblich geprägten Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG). Abkommensrechtlich ist dagegen danach zu unterscheiden, ob die Personalgesellschaft Unternehmensgewinne erzielt oder sonstige Einkünfte. Diese Unterscheidung ist für das Abkommensrecht autonom vorzunehmen und nicht mit der innerstaatlichen Unterscheidung zwischen gewerblichen Einkünften und einer vermögensverwaltenden Tätigkeit gleichzusetzen (vgl. zur Darstellung des Meinungsstandes Art. 3 Rz. 32 ff.). Die nationalen Fiktionen – insbesondere die gewerbliche Prägung einer Gesellschaft oder die Betriebsaufspaltungsgrundsätze2 – haben abkommensrechtlich keine Bedeutung (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 55 ff.; a.A. Art. 3 Rz. 37). In Bezug auf die Bestimmung der Ansässigkeit der Personengesellschaft bestehen für vermögensverwaltende Personengesellschaften keine Besonderheiten. Auch die vermögensverwaltende Personengesellschaft ist „Person“ im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Buchst. a (andere Personenvereinigung). Mangels Steuerpflicht ist sie nach deutscher Sichtweise – wie auch die Mitunternehmerschaft – nicht ansässig im Sinne des Art. 4 Abs. 1. Im Einzelnen können sich damit die gleichen Qualifikationskonflikte wie bei einer Mitunternehmerschaft stellen, wenn der ausländische Staat die vermögensverwaltende Personengesellschaft selbst als steuerpflichtig und damit als ansässige Person ansieht.

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Praktische Auswirkungen des Transparenzprinzips. Das abkommensrechtliche Transparenzprinzip und der damit verbundene Durchgriff auf die Gesellschafter der Personengesellschaft bringt allerdings selbst bei einer übereinstimmenden Einordnung durch die verschiedenen Rechtsordnungen eine Reihe von Anwendungsproblemen mit sich. Diese treten insbesondere dann verstärkt auf, wenn an der Personengesellschaft eine Vielzahl von Gesellschaftern beteiligt und diese zudem noch in unterschiedlichen Staaten ansässig sind. In der Praxis bedeutet das, dass im Verhältnis zum Quellenstaat eine Vielzahl von unterschiedlichen DBA mit ggf. einer jeweils unterschiedlichen Aufteilung der Besteuerungsrechte (insbesondere mit unterschiedlichen Quellensteuersätzen) zu beachten und formelle Anforderungen (Ansässigkeitsnachweise, Anträge) jeweils von den einzelnen Gesellschaftern zu erfüllen sind. Praktische Probleme treten auch auf, wenn die Personengesellschaft Einkünfte aus unterschiedlichen Quellenstaaten erzielt und Verteilungskonflikte zwischen den Quellenstaaten bestehen (z.B. Gewinnabgrenzungen zwischen Betriebsstätten in zwei unterschiedlichen Staaten). Sind die Gesellschafter in einem Drittstaat ansässig, so können Aufteilungskonflikte nicht durch eine Anwendung des zwischen den beiden Betriebsstättenstaaten bestehenden Abkommen (z.B. durch ein nach diesem Abkommen durchgeführten Verständigungsverfahren) gelöst werden, da dieses Abkommen mangels dort ansässiger Personen keine Anwendung findet. Derartige Konflikte sind daher jeweils bilateral nach dem zwischen dem Ansässigkeitsstaat und dem jeweiligen Quellenstaat geschlossenen Abkommen zu lösen. Ggf. kann sich der Gesellschafter der Personengesellschaft auf das in Art. 24 verankerte Gleichbehandlungsgebot berufen (Art. 24 Rz. 45). Der jeweils andere Betriebsstättenstaat ist allerdings formal in das Verfahren nicht einbezogen, so dass mögliche Gegenkorrekturen wiederum bilateral im Verhältnis zu diesem Staat durchzusetzen wären. Innerhalb der EU kann auf die EU-Schiedskonvention

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1 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.3; BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764, Rz. 15 zum DBA-Großbritannien m.w.N.; v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703, Rz. 14 (Freiberuflergesellschaft/zum DBA-VAE); Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.33 u. 2.35. 2 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760, Rz. 22.

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Art. 1 Rz. 51

Unter das Abkommen fallende Personen

zurückgegriffen werden. Nach Art. 1 Abs. 2 EU-Schiedskonvention gilt auch eine Betriebsstätte eines Unternehmens eines Vertragsstaates, die in einem anderen Vertragsstaat gelegen ist, als Unternehmen des Staats, in dem sie gelegen ist (Art. 7 (2008) Rz. 32; vgl. zur EU-Schiedskonvention auch Art. 25 Rz. 300 ff.). Da insoweit auf die abkommensrechtlichen Begriffe abzustellen ist, sind hiervon auch die Betriebsstätten umfasst, die durch eine Personengesellschaft ihren Gesellschaftern vermittelt wird. 52

Ansässigkeitsbescheinigungen. Sofern wegen der Transparenz der Personengesellschaft auf die Abkommensberechtigung der einzelnen Gesellschafter abzustellen ist, bedeutet das, dass grundsätzlich jeder einzelne Gesellschafter eine Ansässigkeitsbescheinigung seines Wohnsitzfinanzamtes beantragen muss. Hierbei hat er anzugeben, dass er diese Bescheinigung als Gesellschafter einer Personengesellschaft benötigt. Die frühere Vereinfachungsregelung, nach der eine Ansässigkeitsbescheinigung auf den Namen der Personengesellschaft ausgestellt werden konnte, und einzelne Gesellschafter namentlich von der Gültigkeit ausgenommen wurden, wird nicht mehr praktiziert.1

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Drei-Staaten-Sachverhalte. Echte Drei-Staaten-Sachverhalte liegen vor, wenn der Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter, der Sitzstaat der Personengesellschaft und der Quellenstaat auseinanderfallen. Sehen in diesem Fall alle beteiligten Steuerrechtsordnungen die Personengesellschaft als steuerlich transparent an, sind für die Anwendung des Abkommens lediglich die Gesellschafter der Personengesellschaft als ansässige Personen einzuordnen.2 Der (abweichende) Sitzstaat der Personengesellschaft sowie andere Staaten kommen insoweit nur als Quellenstaaten in Betracht. Anwendbar aus Sicht des Quellenstaates ist damit jeweils nur das mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossene DBA. Das zwischen dem Drittstaat und dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossene DBA findet keine Anwendung. Aus Sicht des Ansässigkeitsstaats des Gesellschafters kommt eine Anwendung sowohl des mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft als auch des mit dem Drittstaat geschlossenen DBA (ggf. kumulativ) in Betracht. Daraus folgt: Aus Sicht des Drittstaats bestimmt sich das Besteuerungsrecht ausschließlich nach dem mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossenen DBA.3 Aus Sicht des Ansässigkeitsstaats des Gesellschafters sowie des Sitzstaats der Personengesellschaft ist dagegen auf Grundlage des zwischen diesen Staaten geschlossenen DBA zu differenzieren. Sind die (Drittstaaten-)Einkünfte nach dem zwischen den beiden vorgenannten Staaten bestehenden DBA einer Betriebsstätte im Sitzstaat der Personengesellschaft zuzurechnen, so hat nach dem OECD-Konzept der Sitzstaat der Personengesellschaft im Verhältnis dieser Staaten zueinander das Besteuerungsrecht (entweder aus Art. 7 Abs. 1 Satz 2 oder aus Art. 21 Abs. 2).4 Das gilt auch dann, wenn dem konkreten DBA eine Art. 21 Abs. 2 entsprechende Regelung fehlt.5 Der Ansässigkeitsstaat wird diese Einkünfte in der Regel freizustellen haben, so dass eine ggf. vom Quellenstaat erhobene Quellensteuer dort nicht anrechenbar sein wird. Der Sitzstaat der Personengesellschaft darf die Drittstaateneinkünfte besteuern. Eine Anrechnung von Quellensteuern kommt hier – zumindest auf Grundlage eines DBA – ebenfalls nicht in Betracht, weil das zwischen dem Sitzstaat der Personengesellschaft und dem Drittstaat geschlossene DBA mangels Ansässigkeit der Personengesellschaft nicht angewendet werden kann.6 Im Grundsatz ist der Steuerpflichtige damit auf eine Anrechnung nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts des Sitzstaats der Personengesellschaft angewiesen. Deutschland als Sitzstaat der Personengesellschaft würde hier nach nationalem Recht die entsprechende Steuer gem. §§ 34c Abs. 1 bis 3, 50 Abs. 3 EStG anrechnen oder zum Abzug bringen.7 Darüber hinaus kann eine Anrechnungsverpflichtung aber auch aus den abkommens- und europarechtlichen Diskriminierungsverboten abgeleitet werden.8 Sind die Einkünfte 1 Vgl. OFD Rheinland v. 28.5.2009 – S 1301-1018-St 152, juris, Rz. 6; FM Schleswig-Holstein Kurzinformation v. 11.8.2015 – VI 302 - S 1300 - 531, DB 2015, 1933 (Personengesellschaften). 2 Ausführlich: Schnitger in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 16.1 ff.; Schaumburg/ Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.182; Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 29. 3 Vgl. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 29; Heinsen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1843 (1851). 4 BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764, Rz. 25 ff. zum DBA-GB; Schnitger in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 16.31 ff., 16.35. Dafür, dass Art. 7 nicht erst auf Grund der Regelung des Art. 21 Abs. 2, sondern unmittelbar anwendbar ist: Helde, Dreiecksverhältnisse im Internationalen Steuerrecht unter Beteiligung einer Betriebsstätte, S. 80, Fn. 109 m.w.N. 5 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563. 6 Vgl. Schänzle/Engel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 6.164 ff.; Mick/Dyckmans in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 9.118 ff. 7 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 367. Sollte eine Anrechnung nach dem Recht des Sitzstaats der Personengesellschaft ausgeschlossen sein, hat der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters die Doppelbesteuerung im Wege von Billigkeitsmaßnahmen zu beseitigten, Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.182. 8 Vgl. zur Anwendung abkommens- bzw. europarechtlicher Diskriminierungsverbote z.B. Heinsen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1843 (1854); Schnitger in W/R/S, Personengesellschaften

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 54 Art. 1

dagegen keiner Betriebsstätte im Sitzstaat der Personengesellschaft zuzurechnen, so liegen aus Sicht des Sitzstaates der Personengesellschaft andere Einkünfte i.S. des Art. 21 Abs. 1 des mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossenen Abkommens vor, für die nach dem OECD-Konzept der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters und nicht der Betriebsstättenstaat (Sitzstaat der Personengesellschaft) das Besteuerungsrecht hat. Im Ergebnis gilt das sowohl für Einkünfte, die dem Grunde nach unter die Art. 10 bis 12 fallen,1 aber auch für Einkünfte aus Drittstaaten-Betriebsstätten2 und aus im Drittstaat belegenen Immobilien.3 Das Besteuerungsrecht richtet sich dann vorrangig nach dem zwischen dem Drittstaat (Quellenstaat) und dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossenen Abkommen. Abweichende Regelungen in einzelnen DBA. Obwohl das OECD-MA eine Regelung in Bezug auf die Behandlung der Personengesellschaften nicht vorsieht, hat die OECD die damit verbundenen Problemstellungen seit langem erkannt. Der OECD-MK sieht daher für Personengesellschaften ausdrücklich die Möglichkeit vor, in den abzuschließenden Einzelabkommen eine ausdrückliche Regelung subjektiver Qualifikationskonflikte zu vereinbaren (vgl. Art. 4 Rz. 8.4 Satz 4 OECD-MK sowie Art. 3 Rz. 44). Dies entspricht auch der deutschen Abkommenspraxis in der einzelne DBA Personengesellschaften als ansässige Person im Sinne des Abkommens behandeln.4 Zum Teil wird dies in den Abkommen dahingehend ergänzt, dass eine Personengesellschaft zwar dem Grunde nach als im Geschäftsleitungsstaat ansässig gilt, die in den Art. 6 bis 21 vorgesehenen Beschränkungen aber nur gelten, soweit die Einkünfte dort der Besteuerung unterliegen.5 Eine Besteuerung in der Person der Gesellschafter reicht aus – die Personengesellschaft muss also nicht selbst steuerpflichtig sein, um sich auf das DBA berufen zu können.6 Auf Grundlage einer solchen Sonderregelung kann die Personengesellschaft daher selbst in eigenem Namen z.B. Anträge auf Entlastung von Quellensteuern stellen und es können für die Personengesellschaft entsprechende Ansässigkeitsbescheinigungen ausgestellt werden. Auf die Besteuerung der Gesellschafter hat eine solche Regelung aber keine Auswirkung. Der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters wendet weiter seine innerstaatlichen Zurechnungsregelungen an,7 insoweit bleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen. Das mit Portugal geschlossene DBA sieht – wie das alte DBA-Spanien (1966)8 – dagegen einen grundlegend anderen Lösungsansatz vor. Hiernach sind Personengesellschaften selbst nicht abkommensberechtigt, allerdings werden deren Gesellschafter hinsichtlich der Besteuerung ihrer Einkünfte und des Vermögens (aus) der Personengesellschaft so behandelt, als seien sie im Geschäftsleitungsstaat ansässig.9 Verbreitet sind zudem Regelungen, nach denen Personen-

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im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 16.44 ff.; Helde, Dreiecksverhältnisse im Internationalen Steuerrecht unter Beteiligung einer Betriebsstätte, S. 103 ff. Vgl. Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 46 ff.; Schnitger in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 16.24 ff. In der Regel wird sich insoweit aber bereits kein Besteuerungsrecht im Rahmen der deutschen beschränkten Steuerpflicht der Gesellschafter der Personengesellschaft ergeben. Vgl. Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 46 ff.; Schnitger in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 17.61 (insoweit unabhängig von einer Zurechnung zu einer Betriebsstätte). Z.B. DBA-Belgien (vgl. dort Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, Art. 4 Abs. 1), DBA-Japan (vgl. dort Art. 1 Abs. 2), DBA-Kroatien (vgl. dort Art. 4 Abs. 4), DBA-Liberia (vgl. dort Abs. 4 und 5 des Protokolls), DBA-Mexiko (vgl. dort Abs. 1 des Protokolls), DBA-VAE (vgl. dort Art. 4 Abs. 1 Buchst. b). Eine Besonderheit enthält das DBA-Niederlande: Nach Abschn. I Abs. 2 des Protokolls hat das Abkommensrecht der Behandlung durch den Sitzstaat zu folgen, wenn die Einkünfte einer Person, die aus Sicht des einen Staats steuerlich transparent ist, im Sinne der Steuergesetze des Sitzstaats wie Einkünfte oder Gewinne einer ansässigen Person behandelt werden (vgl. Rz. 160). Eine solche Regelung findet sich z.B. jeweils in Art. 4 Abs. 4 folgender DBA: Albanien, Algerien; Island; Italien (dort in Abs. 2 des Protokolls), Polen, Slowenien, Syrien (nur für deutsche Personengesellschaften vgl. dort in Abs. 2 des Protokolls), Tadschikistan, Trinidad/Tobago (für eine in Trinidad/Tobago ansässige Personengesellschaft vgl. dort in Abs. 1 Buchst. b des Protokolls). Vgl. Burmeister in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Algerien Rz. 6 (Stand: Juli 2009); Burmeister in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Syrien Art. 4 Rz. 5 (Stand: Mai 2011); Hirscher in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Slowenien Rz. 19 (Stand: Mai 2008); Weggenmann in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Italien Rz. 24 ff. (Stand: Juli 2017; a.A. Reith in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Polen Rz. 29 ff. (Stand: Oktober 2017). Vgl. Weggenmann in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Italien Rz. 28 (Stand: Juli 2017); BFH v. 13.11.2013 – I R 67/12, BStBl. II 2014, 172, Rz. 16 f. zum DBA-Belgien; v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953, Rz. 17 zum DBA-Italien. Das am 18.10.2012 in Kraft getretene DBA-Spanien v. 3.2.2011 enthält insoweit keine Sonderregelung mehr. Vgl. Art. 4 Abs. 4 DBA-Portugal bzw. Art. 4 Abs. 4 DBA-Spanien. Eine Sonderregelung enthält auch das DBASchweiz in Art. 24 Abs. 1 Nr. 3 für den Fall, dass eine deutsche Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern Einkünfte aus der Schweiz erzielt; vgl. hierzu ausführlich Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Anm. 165 ff. (Stand: Mai 2015).

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Art. 1 Rz. 54

Unter das Abkommen fallende Personen

gesellschaften als „Staatsangehörige“ des jeweiligen Sitzstaates anzusehen sind.1 Eine solche Regelung führt alleine jedoch nicht dazu, dass die Personengesellschaft eine ansässige Person im Sinne des Abkommens wird. Die Personengesellschaft kann sich in diesen Fällen aber auf die Abkommensvorschriften berufen, die an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, insbesondere auf das Diskriminierungsverbot des Art. 24. d) Unterschiedliche Einordnung durch die beteiligten Staaten aa) Überblick 55

Abkommensorientierte oder anwenderstaatorientierte Auslegung. Die Kernproblematik grenzüberschreitender Fälle unter Beteiligung von Personengesellschaften beruht darauf, dass in einigen Rechtsordnungen – wie z.B. in Deutschland – die Personengesellschaft steuerlich als transparent angesehen und für die Besteuerung auf die Gesellschafter (Mitunternehmer) der Personengesellschaft abgestellt wird (sog. Transparenz- oder Mitunternehmerprinzip). Andere Steuerrechtsordnungen sehen die Personengesellschaft dagegen selbst als (körperschaft-)steuerpflichtige Einheit und damit als Steuersubjekt an. Liegt ein solcher Einordnungskonflikt (subjektiver Qualifikationskonflikt) vor (vgl. Art. 3 Rz. 44; Art. 7 (2008) Rz. 72 ff.), stellt sich die Frage, ob der jeweilige Anwenderstaat für die Bestimmung der ansässigen Person an die Sichtweise des jeweils anderen Staates (Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters, Sitzstaat der Personengesellschaft, Quellenstaat) gebunden ist und diese Einordnung auf die abkommensrechtliche Einkünftezurechnung durchschlägt (abkommensorientierte Sichtweise). Nach der Gegenposition entscheidet der jeweilige Staat zunächst autark unter Berücksichtigung der Wertungen des eigenen innerstaatlichen Steuerrechts über die Zurechnung der von der Personengesellschaft erzielten Einkünfte (anwenderstaatorientierte Sichtweise). Sind nach dem Recht des Anwenderstaates die Einkünfte dem Gesellschafter zuzurechnen, ist auch für die abkommensrechtliche Prüfung auf diesen abzustellen. Die Personengesellschaft ist dagegen entweder mangels eigner Einkünfte bereits nicht (materiell) abkommensberechtigt oder die Abkommensberechtigung ist insoweit ohne Bedeutung.

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Folgen einer unterschiedlichen Einordnung. In der praktischen Auswirkung ist zwischen der Sicht des Ansässigkeitsstaates, des Quellenstaats und ggf. auch des Sitzstaates der Personengesellschaft zu unterscheiden. Für den Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter ist entscheidend, ob die Gesellschafter aus ihrer Beteiligung an der Personengesellschaft selbst ausländische Betriebsstätteneinkünfte erzielen (transparente Sichtweise) oder der Ansässigkeitsstaat nur ein Besteuerungsrecht im Rahmen des Art. 10 (Dividendenartikel) hat und daher nur im Ausschüttungsfall die erhaltenen Dividenden besteuern kann (intransparente Sichtweise). Aus Sicht des Quellenstaates ist die Einordnung der Personengesellschaft als transparent oder intransparent gleichfalls von Bedeutung. Hier ist insbesondere zu bestimmen, welches DBA anzuwenden ist. Ist die Personengesellschaft selbst ansässige Person und sind dieser auch die Einkünfte zuzurechnen, so ist das zwischen dem Quellenstaat und dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossene Abkommen anzuwenden – bei Einkünften im Sinne der Art. 10 bis 12 muss die Personengesellschaft zudem „Nutzungsberechtigte“ sein. Können die Einkünfte abkommensrechtlich nicht der Personengesellschaft zugerechnet werden, so ist auf das zwischen dem Quellenstaat und den Sitzstaaten der Gesellschafter geltende DBA abzustellen. bb) Position der OECD

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Regelung zu hybriden Gebilden in Art. 1 Abs. 2. Als Ausfluss der BEPS-Diskussionen ist nunmehr mit Art. 1 Abs. 2 eine Bestimmung zur Behandlung hybrider Gebilde in das OECD-MA aufgenommen worden (vgl. dazu Rz. 94 ff.). Die OECD hat sich allerdings auch schon zuvor mit der Lösung von Einordnungskonflikten unter Beteiligung von Personengesellschaften, und zwar insbesondere in dem OECD-Partnership-Report 1999, auseinandergesetzt, dessen Ergebnisse schon in die OECD-MK bis zum OECD-MK 2014 eingeflossen waren, ohne hier jedoch eine systematisch stringente und widerspruchsfreie Lösung anbieten zu können.2 Diese Erwägungen sind zum einen auch deswegen weiterhin von Bedeutung, weil Deutschland ausdrücklich hierzu einen Vorbehalt erklärt hat. Es ist daher davon auszugehen, dass es für die deutsche Abkommenspraxis bei dem bisherigen Text des Art. 1 verbleibt.3

1 Vgl. nur z.B.: Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-China; Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Dänemark; Art. 3 Abs. 1 Buchst. h ii DBA-Georgien; Art. 3 Abs. 1 Buchst. f Doppelbuchst. bb DBA-Ghana; Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Indien; Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Indonesien; Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Finnland. 2 Vgl. nur die Nachweise von M. Lang, IStR 2010, 114; M. Lang, IStR 2011, 1. 3 Den Vorbehalt hat Deutschland auch hinsichtlich der Regelungen zu hybriden Gebilden im MLI erklärt. Da Art. 1 Abs. 2 aber die Erkenntnisse des Partnership-Reports in das OECD-MA überführen und zudem auf andere steuerlich transparente Gebilde übertagen soll (vgl. Art. 1 Rz. 2 und 3 OECDE-MK 2017), dürften die auf Grund einer

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 60 Art. 1

Bisherige Position der OECD/Partnership-Report 1999. Nach der Grundkonzeption der OECD im Partnership-Report 1999 – die i.E. auch in den OECD-MK eingeflossen ist – ist der Quellenstaat im Grundsatz an die Einordung des Sitzstaats der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter gebunden, so dass es auf die steuerliche Einordung im Quellenstaat für die Abkommensanwendung nicht ankommen soll (Art. 1 Rz. 6.3 Satz 2 OECD-MK 2000/2014, Art. 4 Rz. 8.8 OECD-MK 2000/2014). Sind von dem Sachverhalt drei Steuerrechtsordnungen betroffen, weil die Gesellschafter nicht im Sitzstaat der Personengesellschaft, sondern in einem Drittstaat ansässig sind, kann es möglich sein, dass aus Sicht des Quellenstaates zwei Abkommen einschlägig sein können, nämlich das mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft und das mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossene Abkommen. In diesem Fall „doppelter Vorteile“ soll das Abkommen gelten, dass das Besteuerungsrecht des Quellenstaates am stärkten beschränkt (vgl. Art. 1 Rz. 6.5 OECD-MK 2000/2014). Insoweit gilt also der Grundsatz der Meistbegünstigung des Steuerpflichtigen (bzw. des Ansässigkeitsstaates). Aus Sicht des Ansässigkeitsstaates der Gesellschafter unterscheidet die OECD zwischen Konflikten, die ihre Ursache in einer unterschiedlichen Einordnung der Einkünfte haben (objektive Qualifikationskonflikte) und Konflikten aus einer unterschiedlichen Einkünftezuordnung (subjektive Qualifikationskonflikte). Die Einordnung der Personengesellschaft als ansässige Person i.S. des Art. 1 ist nur für die subjektiven Qualifikationskonflikte von Bedeutung. Hier ist die OECD-Konzeption allerdings nur insoweit eindeutig, als dass der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters nicht gehindert ist, die Gesellschafter mit dem Gewinn aus der Personengesellschaft zu besteuern, auch wenn der Sitzstaat der Personengesellschaft diese als Körperschaftsteuersubjekt und damit als ansässige Person i.S. des Abkommens behandelt (vgl. Art. 1 Rz. 6.1 OECD-MK 2010/2014). Letztlich führt das dazu, dass der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters das Abkommen weitgehend autark und ohne Berücksichtigung der Einordnung der Personengesellschaft durch deren Sitzstaat oder den Quellenstaat anwendet.

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cc) Position der Rechtsprechung Keine Bindung an die Position der OECD. Der BFH betont in inzwischen gefestigter Rspr., dass der OECD-MK und der OECD-Partnership-Report 1999 lediglich eine Hilfe für die Abkommensauslegung darstellen und – soweit überhaupt – nur frühestens ab der entsprechenden Neufassung des OECD-MK im Jahr 2000 beachtenswert sein können.1 Eine Bindung an die Position der OECD bzw. an den Musterkommentar besteht daher nicht.

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Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters. Auf dieser Grundlage hat der BFH entschieden, dass dann, wenn Deutschland das Abkommen als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters anwendet, dies ausschließlich anwenderstaatorientiert zu erfolgen hat, so dass unabhängig von der steuerlichen Einordung der Personengesellschaft im Sitzstaat der Personengesellschaft oder Quellenstaat die deutsche transparente Sichtweise ausschlaggebend ist.2 Insbesondere ergebe sich – so der BFH – weder aus dem Abkommenstext noch aus dem Abkommenszweck ein stringentes Auslegungskonzept, wonach „auf der Ebene des Abkommens die Personengesellschaft einheitlich zu behandeln ist“ oder ein „Schluss von der Abkommensberechtigung (…) auf die (…) Einkunftsart“ gerechtfertigt sein soll.3 Für eine anwenderstaatorientierte Auslegung spräche auch Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, der bei der Klärung von nicht definierten Ausdrücken auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates verweise, wenn der Abkommenszusammenhang nichts anders einfordere.4 Offen lassen konnte der BFH bisher, ob diese Grundsätze auch für Abkommen gelten, die – anders als das der Entscheidung des BFH zu Grunde liegende DBA-Ungarn – nach der Neufassung des OECD-MK in Kraft getreten sind. Dies dürfte unter Berücksichtigung der bisherigen Rspr. allerdings zu bejahen sein. Zwar weist der BFH darauf hin, dass die Änderungen im OECD-MK frühestens für spätere Abkommen beachtenswert sein können und erteilt somit gleichzeitig der dynamischen Abkommensauslegung eine Absage, gleichzeitig wird aber betont, dass die Empfehlungen der OECD lediglich eine Hilfe für die Abkommensauslegung darstel-

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Anwendung von Art. 1 Abs. 2 OECD-MA gefundenen Ergebnisse vielfach der Position der Finanzverwaltung entsprechen. Vgl. BFH v. 11.7.2018 – I R 44/16, BFH/NV 2019, 149, Rz. 16, 21 ff.; BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760, Rz. 19 zum DBA-Ungarn. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Rz. 30. Auch die Rspr. anderer Rechtsordnungen sieht sich an die Positionen der OECD nur eingeschränkt gebunden, vgl. die Nachweise bei M. Lang, IStR 2011, 1. Vgl. BFH v. 11.7.2018 – I R 44/16, BFH/NV 2019, 149, Rz. 16, 21 ff.; BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760, Rz. 16 zum DBA-Ungarn; vgl. auch v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263, Rz. 10 zum DBA-USA 1989; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521, Rz. 13 zum DBA-CSK m.w.N. Gefestigte Rspr.: BFH v. 20.12.2017 – R 98/15, BFH/NV 2018, 497, Rz. 43 u.a. zum DBA-Dänemark; v. 13.11.2013 – I R 67/12, BStBl. II 2014, 172, Rz. 17 zum DBA-Belgien; v. 21.1.2016 – R 49/14, BStBl. II 2017, 107, Rz. 16 zum DBA-Spanien 1966. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760, Rz. 18 zum DBA-Ungarn. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760, Rz. 18 zum DBA-Ungarn.

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Art. 1 Rz. 60

Unter das Abkommen fallende Personen

len.1 Letztlich dürfte die vom BFH gefundene Lösung i.E. auch nicht den Grundsätzen des OECD-MK widersprechen, da auch hiernach der Anwenderstaat nicht gehindert sein soll, die Gesellschafter mit dem Gewinn aus der Personengesellschaft zu besteuern, und zwar unabhängig davon, ob der Sitzstaat der Personengesellschaft diese als Körperschaftsteuersubjekt und damit als ansässige Person i.S. des Abkommens behandelt (vgl. Art. 1 Rz. 6.1 OECD-MK sowie Rz. 58). 61

Deutschland als Quellenstaat. Auch für die Beurteilung aus Sicht des Quellenstaats hat der BFH bislang – für Zeiträume vor Einführung von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG (vgl. dazu Rz. 133) – Einordnungskonflikte im Rahmen einer anwenderstaatorientierten Auslegung des jeweiligen Abkommens gelöst.2 Eine entsprechende Tendenz war hier schon nach der zur abkommensrechtlichen Beurteilung aus der Sicht des Ansässigkeitsstaats des Gesellschafters ergangenen Entscheidung v. 25.5.2011 zum DBA-Ungarn erkennbar.3 Dass auch aus Sicht des Quellenstaats der anwenderorientierten Sichtweise zu folgen ist, hat der BFH bereits auch in einer Entscheidung v. 20.12.2006 zum DBA-Großbritannien – wenn auch eher beiläufig – vertreten.4 Andererseits hat der BFH zur deutschen KGaA angenommen, dass für die Einkünftezurechnung im Ausgangspunkt vom innerstaatlichen Recht auszugehen sei; zumindest für das abkommensrechtliche Schachtelprivileg nach dem DBA-Frankreich a.F. soll sich das Abkommensrecht aber über diese materielle Zurechnung hinwegsetzen.5 Ob die KGaA in diesem Fall auch „Nutzungsberechtigte“ im Sinne der Regelungen im OECD-MA sein kann, hat der BFH wegen der Besonderheiten des DBA-Frankreich a.F. offengelassen.6 dd) Position der Finanzverwaltung/§ 50d Abs. 1 Satz 11 EStG

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Weitgehende Übernahme des OECD-Konzepts. Im Gegensatz zur Rspr. hat sich die deutsche Finanzverwaltung die Konzeption der OECD zumindest weitgehend zu Eigen gemacht. Soweit Deutschland das Abkommen als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters anzuwenden hat, erfolgt nach Auffassung der Finanzverwaltung – insoweit in Übereinstimmung mit der Position des BFH – i.E. die abkommensrechtliche Beurteilung ausschließlich anwenderstaatsorientiert, so dass unabhängig von der steuerlichen Einordnung der Personengesellschaft im Sitzstaat der Personengesellschaft oder Quellenstaat die deutsche Sichtweise ausschlaggebend ist.7 Entsprechend der Auffassung der OECD soll der Quellenstaat als Anwenderstaat für die abkommensrechtliche Beurteilung an die Einordnung des Sitzstaates der Personengesellschaft gebunden sein. Bezieht also eine ausländische Personengesellschaft (d.h. eine Personengesellschaft mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Ausland) Einkünfte aus einer deutschen Quelle, bedeutet das, dass die von einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte von deutschen Quellensteuern zu entlasten sind, wenn der Sitzstaat die Personengesellschaft als juristische Person ansieht oder diese wie eine solche besteuert. Die Entlastung wird in diesem Fall ausschließlich nach Maßgabe des zwischen Deutschland und dem Sitzstaat der Personengesellschaft bestehenden Abkommens gewährt; ob die Gesellschafter steuerlich außerhalb des Sitzstaats der Personengesellschaft ansässig sind, ist für die Quellensteuerentlastung danach ohne Relevanz.8

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Reichweite von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG. Die deutsche Finanzverwaltung stützt ihre Auffassung zur Lösung abkommensrechtlicher Einordungskonflikten aus Sicht des Quellenstaats nunmehr (auch) auf § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG i.d.F. des Art. 2 AmtshilfeRLUmsG.9 Die Vorschrift betrifft sowohl hybride als auch umgekehrt hybride Gesellschaften: Werden die Einkünfte aus einer deutschen Quelle dem Gläubiger entweder nach dem deutschen innerstaatlichen Recht oder nach dem ausländischen Recht steuerlich nicht zugerechnet, so soll der Anspruch auf vollständige oder teilweise Erstattung des Steuerabzugs (nur) der Person zustehen, die nach dem Recht des anderen Vertragsstaats dort ansässig ist und der diese Einkünfte zuge1 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760, Rz. 19 zum DBA-Ungarn. 2 BFH v. 12.10.2016 – R 92/12, BFH/NV 2017, 685, Rz. 37 zum DBA-Niederlande; BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367, Rz. 23 zum DBA-USA. 3 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760, Rz. 18 zum DBA-Ungarn. 4 Vgl. BFH v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl. II 2009, 766, Rz. 28 zum DBA-Großbritannien. 5 Vgl. BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919, Rz. 25 zum DBA-Frankreich. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Rz. 82. 6 Vgl. BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919, Rz. 26 zum DBA-Frankreich. 7 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.1 bzw. 4.1.4.2. 8 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2, ebenso BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Rz. 3. Im Ergebnis ergänzt durch eine Subject-to-Tax-Klausel. Diese Position der Finanzverwaltung wird z.T. als „systemwidrig aber pragmatisch“ angesehen, vgl. Hruschka, DStR 2010, 1357 (1358). 9 Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilferichtlinieUmsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 802. § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG n.F. ist erstmals auf Zahlungen anzuwenden, die nach dem 30.6.2013 erfolgt sind.

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 65 Art. 1

rechnet werden. Im Fall einer ausländischen Personengesellschaft mit Einkünften aus deutschen Quellen steht der Erstattungsanspruch damit der Personengesellschaft selbst und nicht deren Gesellschaftern zu, wenn die Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat wie eine juristische Person besteuert wird. Nach der Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung1 regelt § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG den Fall, dass zwar ein Anspruch auf Erstattung der Kapitalertrag- und Abzugsteuer auf Grund eines DBA besteht, der Erstattungsanspruch jedoch infolge der für Besteuerungszwecke unterschiedlichen Qualifikation des Vergütungsgläubigers durch die beteiligten Staaten ins Leere läuft. Um dem Sinn und Zweck der Abkommen zu entsprechen, solle der nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG bestehende Anspruch eines Gesellschafters einer hybriden Gesellschaft für Zwecke der Geltendmachung auf die hybride Gesellschaft übergehen, und zwar auch dann, wenn der Gesellschafter in einem anderen Staat als dem Quellenstaat oder dem Sitzstaat der Personengesellschaft ansässig sei. Die Wirkungsweise und Reichweite von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG ist dem Gesetzeswortlaut nicht eindeutig zu entnehmen und dementsprechend umstritten. Während die Finanzverwaltung und Teile der Literatur dieser Vorschrift auch eine materiell-rechtliche Wirkung zugestehen,2 versteht die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG in seinen Rechtswirkungen rein verfahrensrechtlich.3 Geht man von einer materiell-rechtlichen Wirkung aus, so kann das bedeuten, dass damit auch die Zurechnung der Einkünfte verändert wird. Die materiell-rechtliche Wirkung kann sich aber auch nur auf die Zurechnung des Erstattungsanspruchs beziehen.4 Nach einem rein verfahrensrechtlichen Verständnis würde sich der Erstattungsanspruch ausschließlich nach der Person richten, der die Einkünfte nach den allgemeinen Grundsätzen des innerstaatlichen Rechts des Quellenstaats zuzurechnen sind. Die Personengesellschaft würde – etwa in Sinne einer gesetzlichen Prozessstandschaft – einen fremden Erstattungsanspruch geltend machen. Die unterschiedlichen Sichtweisen können bereits in Zwei-Staaten-Konstellationen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, wenn die Höhe der zulässigen Quellensteuer von persönlichen Eigenschaften des Gläubigers abhängt. Besonders deutlich werden die Unterschiede, wenn an der ausländischen hybriden Personengesellschaft Personen mit steuerlicher Ansässigkeit in einem Drittstaat beteiligt sind. Wirkt § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG auf die materielle (abkommensrechtliche) Rechtslage ein, so ist für die Bestimmung des Quellensteuersatzes das mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossene DBA einschlägig.5 Eine andere Frage ist dann, ob neben dem mit dem Ansässigkeitsstaat der Personengesellschaft geschlossenen DBA auch das mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossene DBA i.S. einer Meistbegünstigung Anwendung finden kann. Betrifft § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG nur das Verfahrensrecht, so wäre der Quellensteuersatz nach den DBA der Ansässigkeitsstaaten der Gesellschafter zu ermitteln; die Vorschrift bestimmt dann lediglich, dass (nur) die Personengesellschaft die Quellensteuererstattung für ihre Gesellschafter beantragen und erstattet verlangen kann.6 ee) Eigene Auffassung Differenzierende Sichtweise aus Sicht des Quellen bzw. Ansässigkeitsstaats. Letztlich wird sich ein voll- 64 ständig widerspruchsfreies Konzept der Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Kontext nicht entwickeln lassen, es sei denn, dass die betreffenden Staaten der steuerlichen Einordnung der jeweiligen Gesellschaft in einem der Staaten (z.B. im Sitzstaat) auch für das innerstaatliche Steuerrecht folgen. Dies würde aber eine vollständige Abkehr von dem bisherigen Verständnis in Deutschland bedeuten und zudem voraussetzen, dass sich ein solches Verständnis allgemein in der Staatengemeinschaft durchsetzen würde. Dass dies in absehbarer Zeit erfolgen wird, ist – auch nach der BEPS-Diskussion und der Änderung des OECDMA in Art. 1 – mehr als unwahrscheinlich. Auf Grundlage des geltenden Rechts ist es daher richtig, ausländische Gesellschaftsformen zumindest für die Anwendung des innerstaatlichen Rechts auf Grund des sog. Typenvergleichs einzuordnen (vgl. Rz. 41 u. 45). Abkommensrechtlich ist eine Auslegung anzustreben, die der zwischen den Staaten vereinbarten Aufteilung der Besteuerungsrechte und dem Ziel, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, möglichst nahe kommt. Dies gebieten insbesondere die Vertragsauslegung sowie die Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung (vgl. Rz. 21 ff.). Hier ist daher wie folgt zu unterscheiden: Deutschland als Quellenstaat. Zumindest als Quellenstaat hat Deutschland eine ausländische Personengesellschaft, die in ihrem Sitzstaat selbst als Steuersubjekt der Besteuerung mit (Körperschaft-)Steuer unter1 BR-Drucks. 302/12 v. 25.5.2012, 12. 2 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2, Bsp. 1.; Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz. 33q (Stand: April 2017); Jochum, IStR 2014, 1 (4). 3 Loschelder in Schmidt37, § 50d EStG Rz. 38; Gosch in Kirchof17, § 50d EStG, Rz. 10b; Kopec/Rothe, IStR 2015, 372 (378); Kahlenberg, IStR 2016, 834 (836); Kempf/Loose/Oskamp, IStR 2017, 735 jeweils m.w.N. 4 Vgl. Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz. 33q (Stand: April 2017). 5 So die Position der Finanzverwaltung: BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2, Bsp. 1. 6 Loschelder in Schmidt37, § 50d EStG Rz. 38.

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Art. 1 Rz. 65

Unter das Abkommen fallende Personen

liegt, als ansässige Person im Sinne des mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossenen Abkommens anzuerkennen. Dem Grunde nach richtig ist zwar, dass (nur) die Person den Schutz des Abkommens auch benötigt, dem der Anwenderstaat die Einkünfte nach seinem innerstaatlichen Recht auch zurechnet und besteuern will. Dies lässt aber die Funktion der DBA, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Vertragsstaaten vornehmen zu wollen, außer Betracht: Hat Deutschland gegenüber dem anderen Staat in einem DBA einer Regelung zugestimmt, nach der eine Person in einem Vertragsstaat ansässig ist, wenn diese Person in diesem Staat z.B. auf Grund ihres Orts der Geschäftsleitung steuerpflichtig ist (Art. 4 Abs. 1 Satz 1), und wurde dieses Abkommen in das deutsche Recht durch ein entsprechendes Gesetz überführt, so ist Deutschland in Bezug auf die Verteilung der Besteuerungsrechte hieran gebunden. Dies folgt auch aus Art. 3, weil nach Abs. 2 dieses Artikels nur auf das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten abzustellen ist, wenn dieser im Abkommen nicht definiert ist bzw. der Zusammenhang nichts anderes erfordert (vgl. auch Art. 3 Rz. 76 ff.). Weist das Abkommen das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zu, so darf Deutschland insoweit nicht besteuern bzw. ist hier auf ein Quellensteuerrecht beschränkt. Ob Deutschland die Personengesellschaft selbst nach eigenem innerstaatlichem Recht als steuerpflichtige Person ansieht bzw. seinerseits auf deren Gesellschafter abstellt, ist nicht mehr von Bedeutung. Aus der Anerkennung der Personengesellschaft als ansässige Person folgt zudem, dass sämtliche von dieser Person erzielten Einkünfte aus deutschen Quellen dem mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossenen Abkommen unterfallen, und zwar auch dann, wenn deren Gesellschafter in einem anderen Staat ansässig sind. In diesem Zusammenhang ist auch § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG einzuordnen: Allerdings wird man diese Vorschrift nicht so weit verstehen können, dass das deutsche Mitunternehmerkonzept für im Ausland als Körperschaftsteuersubjekt behandelte Personengesellschaften außer Kraft gesetzt wird. Tatsächlich und im Ergebnis geht es hier für die Frage des Abkommensrechts „nur“ um eine abkommensgemäße Aufteilung der Besteuerungsrechte. Konkret stellt sich die Frage, ob sich Deutschland auf Grund des mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossenen Abkommens hinsichtlich des Besteuerungsrechts an den von der Personengesellschaft bezogenen Einkünften beschränkt hat. Das ist – auch in einem materiell-rechtlichen Sinn – zu bejahen, bedeutet aber nicht zwingend, dass die Personengesellschaft aus deutscher Sicht selbst steuerpflichtig würde oder die Einkünfte aus deutscher Sicht nicht mehr den Gesellschaftern zuzurechnen wären. § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG bestätigt diese Sichtweise, regelt aber nur einen Teilbereich, nämlich den Erstattungsanspruch. 66

Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters. Es besteht auch die Möglichkeit, dass Deutschland zusätzlich durch das mit dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter geschlossene DBA in seinem Besteuerungsrecht beschränkt ist. Daher gilt ein Meistbegünstigungsprinzip. Deutschland kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Personengesellschaft nach innerstaatlichem Recht nicht in Deutschland steuerpflichtig und damit nicht selbst durch die Besteuerung belastet ist. Zumindest müssen sich die Gesellschafter der Personengesellschaft insoweit auf die Abkommensberechtigung der Personengesellschaft berufen können (vgl. Rz. 71).

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Deutschland als Ansässigkeitsstaat. Im Grundsatz greift der Vorrang der abkommensrechtlichen Betrachtungsweise auch dann, wenn der Anwenderstaat der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters ist. Hier ist aber zusätzlich zu beachten, dass der Ansässigkeitsstaat mit seinem Durchgriff auf den Gesellschafter der Personengesellschaft letztlich das Besteuerungsrecht des Sitzstaates der Personengesellschaft nicht in Frage stellt. Stellt Deutschland als Ansässigkeitsstaat die von der Personengesellschaft erzielten Einkünfte (in Person des Gesellschafters) frei, liegt das auf der Hand. Aber auch dann, wenn Deutschland die entsprechenden Einkünfte nicht freistellt, wird die Aufteilung der Besteuerungsrechte i.E. nicht negiert. Voraussetzung ist dann aber, dass Deutschland eine auf die Gewinne der Personengesellschaft in deren Sitzstaat erhobene Steuer (einschließlich einer etwaigen Quellensteuer auf ausgeschüttete Gewinne) anrechnet. e) Auflösung von Einordnungskonflikten – Deutschland als Quellenstaat aa) Gesellschaft ist aus Sicht des Quellenstaates transparent und aus Sicht des Sitzstaats Steuersubjekt

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Grundsätze. Ausgehend von einer strikt anwenderstaatsorientierten Sichtweise ist aus Sicht des Quellenstaates zunächst für die (innerstaatliche) Einkünftezurechnung auf das jeweilige innerstaatliche materielle Steuerrecht abzustellen. Diese Zurechnung ist auch für die Bestimmung des anzuwendenden Abkommens maßgebend, so dass aus der Sicht von Deutschland als Quellenstaat – entsprechend dem deutschen innerstaatlichen Rechtsverständnis – auch abkommensrechtlich nicht auf die Personengesellschaft, sondern auf deren Gesellschafter abzustellen ist.1 Formal bedeutet dies, dass z.B. Anforderungen, die das Abkommen an 1 In diesem Sinne: Loschelder in Schmidt37, § 50d EStG Rz. 38; Gosch in Kirchhof18, § 50d EStG Rz. 10b; Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.12, 2.25, 2.29; Wassermeyer in Wassermey-

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 69 Art. 1

eine Entlastung von Quellensteuern oder an eine Freistellung sonstiger Einkünfte stellt, in der Person des jeweiligen Gesellschafters erfüllt sein müssen. Ggf. erforderliche Anträge sind von den Gesellschaftern zu stellen und (Ansässigkeits-)Nachweise von diesen zu erbringen. Sofern Quellensteuern zu erstatten sind, sind (grundsätzlich) die Gesellschafter erstattungsberechtigt. In diese Richtung dürfte derzeit der BFH tendieren.1 Insbesondere in Drei-Staaten-Sachverhalten führt diese Auffassung allerdings zu nicht auflösbaren Konflikten (vgl. Rz. 71). Darüber hinaus wäre nach dieser Sichtweise auch in Zwei-Staaten-Konstellationen ein Schachtelprivileg nach dem mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossenen Abkommen nicht zu gewähren, selbst wenn die Voraussetzungen im Übrigen hierfür vorliegen sollten. Auf Grundlage der hier favorisierten abkommensorientierten Sichtweise ist die Personengesellschaft als in ihrem Sitzstaat ansässige Person selbst abkommensberechtigt; dem steht es gleich, wenn die Abkommensberechtigung der Gesellschaft auf die Gesellschafter durchschlägt, und zwar auch dann, wenn die Gesellschafter nicht im Sitzstaat der Personengesellschaft ansässig sind.2 Im Ergebnis entspricht das auch der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung.3 Eine Einschränkung dahingehend, dass sich nur die Gesellschafter auf das mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossene Abkommen berufen können, die in diesem Staat selbst ansässig sind,4 ist abzulehnen.5 Wenn sich Deutschland im Verhältnis zum Sitzstaat der Personengesellschaft verpflichtet hat, dessen Besteuerungsrecht in der Person der Personengesellschaft zu akzeptieren und auf das eigene Besteuerungsrecht zu verzichten, muss dies für den gesamten im Sitzstaat der Personengesellschaft besteuerten Gewinn gelten und nicht bloß für die Teile hiervon, die auf Gesellschafter in diesem Staat entfallen. Auswirkung des Abkommensrechts auf das innerstaatliche Recht. Zu beachten ist, dass auch nach der abkommensorientierten Sichtweise das Abkommensrecht keinen Einfluss auf das innerstaatliche materielle Steuerrecht hat. Steuerpflichtig nach innerstaatlichem deutschem Steuerrecht bleiben also die Gesellschafter. Die ausländische Personengesellschaft bleibt transparent und unterliegt insbesondere nicht der deutschen beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Folge ist, dass nach der abkommensorientierten Sichtweise das Abkommensrecht und das innerstaatliche materielle Recht auseinanderlaufen. Dies wird bei der Frage der Erstattung einbehaltener Quellensteuer deutlich. Nach innerstaatlichem deutschen Steuerrecht handelt es sich bei dieser Steuer um eine Steuer der Gesellschafter der Personengesellschaft. Grundsätzlich sind daher nur diese und nicht die Personengesellschaft erstattungsberechtigt. Letztere ist zwar ansässige Person, es wurde aber keine Steuer für sie einbehalten. In Bezug auf einen von der Personengesellschaft geltend gemachten Erstattungsanspruch bestand somit innerstaatlich vor der Einführung von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG keine Rechtsgrundlage, weil für die Gesellschaft keine Steuer einbehalten wurde, deren Erstattung sie verlangen könnte. Erfolgt die Erstattung dennoch an die Personengesellschaft, stellt sich die daran anschließende Frage, ob die Gesellschafter aus eigenem Recht nochmals die Erstattung verlangen können.6 Diskutiert wurde vor diesem Hintergrund, diese Fragen über die Grundsätze einer gewillkürten Prozessstandschaft zu lösen7 oder im Erstattungsantrag der Gesellschaft zugleich den Verzicht der Gesellschafter auf Erstattung zu verlangen.8 Hier greift nunmehr der durch das AmtshilfeRLUmsG eingeführte § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG (vgl. Rz. 63). Danach wird erstmals für Zahlungen, die nach dem 30.6.2013 erfolgt sind, der Erstattungsbetrag ausdrücklich der Personengesellschaft zugesprochen, wenn diese im Ansässigkeitsstaat steuerpflichtig ist. Steuerrechtlich wird also der Gesellschafter an der Durchsetzung seines Steuererstat-

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er, Art. 1 OECD-MA Rz. 27a (Stand: Januar 2008); Kahlenberg, IStR 2016, 834 (836); Kempf/Loose/Oskamp, IStR 2017, 735 jeweils m.w.N.; Richter, FR 2010, 544 (545); Diehl, FR 1978, 517 (523); Kluge, DStR 1976, 365 (367). Vgl. aber auch Wassermeyer, IStR 2011, 85 (87). Vgl. BFH v. 12.10.2016 – R 92/12, BFH/NV 2017, 685, Rz. 37 zum DBA-Niederlande; v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367, Rz. 23 zum DBA-USA; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760, Rz. 18 zum DBA-Ungarn; v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl. II 2009, 766, Rz. 28 zum DBA-Großbritannien. Vgl. mit z.T. unterschiedlichen Ansätzen Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 33a; Brähler/Mayer, IStR 2010, 678 (681); Lüdicke, IStR 2011, 91 (97); Schmidt, IStR 2011, 413 (415 u. 422); Schmidt, WPg 2002, 1232 (1239). Vgl. schon: Debatin, BB 1989, Beilage 2, 8 ff.; Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306 (314); Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht9, 552 f.; Mahnke, JbFStR 1978/79, 333 (343 ff.); Piltz, Personengesellschaften, 134. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2 mit Bsp. 1. Die Personengesellschaft selbst ist danach nicht abkommensberechtigt. Für die Entlastung von Quellensteuern hat sie aber selbst einen Anspruch nach dem zwischen Deutschland und ihrem Sitzstaat geschlossenen Abkommen, ohne dass es darauf ankommt, in welchem Staat ihre Gesellschafter ansässig sind. Das entspricht auch den Ergebnissen des OECD-Partnership-Report, Bsp. 5. Vgl. Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.13; Wassermeyer, IStR 2011, 85 (87). Vgl. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 33c. Auf diese Problematik der abkommensorientierten Auslegung hat bereits Wassermeyer, IStR 1999, 481 hingewiesen. Vgl. auch Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.26. I.E. ablehnend: Wassermeyer in FS Herzig 2010, 897 (899 f.). Weggenmann/Rödl in FS Reiss 2008, 697 (708).

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Art. 1 Rz. 69

Unter das Abkommen fallende Personen

tungsanspruchs gehindert; dies ist aber gerechtfertigt, weil die Personengesellschaft zivilrechtlich Gläubigerin der Einkünfte ist und die einbehaltene Quellsteuer rechtlich und wirtschaftlich von dieser getragen wird. 70

Deutschland als Betriebsstättenstaat. Ist Deutschland Betriebsstättenstaat, so werden die unterschiedlichen Sichtweisen häufig zu vergleichbaren Ergebnissen führen, weil nach dem OECD-Konzept in der Regel der Quellenstaat (Betriebsstättenstaat) das Besteuerungsrecht für die in der Betriebsstätte erzielten Einkünfte hat. Auch Aktivitätsklauseln führen insoweit nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung, weil Deutschland als Quellenstaat das Besteuerungsrecht behält und es nur auf der Ebene des Ansässigkeitsstaats des Gesellschafters bzw. des Sitzstaats der Personengesellschaft (auch) zu einer Besteuerung ggf. unter Anrechnung der deutschen Steuern kommt.

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Drei-Staaten-Sachverhalte. Echte Drei-Staaten-Sachverhalte (Dreieckskonstellationen) ergeben sich aus Sicht des Quellenstaats dann, wenn die Gesellschafter der Personengesellschaft nicht im Sitzstaat der Personengesellschaft, sondern in einem Drittstaat ansässig sind. Hier sind drei Steuerrechtsordnungen betroffen, die in Bezug auf die steuerliche Beurteilung der Personengesellschaft zu jeweils unterschiedlichen Ergebnissen kommen können. Die anwenderstaatorientierte Sichtweise ist hier weitgehend unproblematisch anwendbar: Ist die Personengesellschaft aus Sicht des Quellenstaates transparent, so ist aus dessen Sicht für die Abkommensanwendung auf deren Gesellschafter abzustellen. Sind die Gesellschafter in einem Drittstaat ansässig, ist auf das zwischen dem Quellenstaat und dem Drittstaat bestehende Abkommen abzustellen. Das zwischen dem Quellenstaat und dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossene Abkommen ist ohne Bedeutung. Insoweit kommt es weder auf die steuerliche Beurteilung durch den Sitzstaat der Gesellschaft noch durch den Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter an. Vergleichbares gilt, wenn der Gesellschafter der Personengesellschaft im Quellenstaat ansässig ist. Grundsätzlich liegt dann aus Sicht des Quellenstaates ein rein innerstaatlicher Sachverhalt vor. Eine abkommensrechtliche Relevanz besteht nur dann, wenn die Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind. In diesem Fall richtet sich das Besteuerungsrecht nach dem zwischen dem Quellenstaat/Ansässigkeitsstaat und dem Betriebsstättenstaat bestehenden DBA. Problematisch an dieser Sichtweise ist, dass insbesondere in Drei-Staaten-Sachverhalten u.U. eine abkommenswidrige Doppelbesteuerung entstehen kann, wenn in Deutschland auf Grund des mit dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft bestehenden Abkommens eine ggf. höhere Quellensteuer einbehalten werden darf, als es nach dem mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossenen Abkommen der Fall wäre. Der Sitzstaat der Personengesellschaft wird dagegen häufig nur die nach dem für ihn relevanten DBA einzubehaltende Steuer anrechnen. Dies hat auch Auswirkungen, wenn der Gesellschafter der ausländischen Personengesellschaft in Deutschland ansässig ist (unechter Dreiecksfall). Hier liegt nach der anwenderstaatorientierten Sichtweise ein ausschließlicher Inlandssachverhalt vor. Eine Quellensteuerermäßigung scheidet aus. Zu anderen Ergebnissen kommt hier die abkommensorientierte Sichtweise: Hier ist zunächst die steuerliche Einordnung durch den Sitzstaat der Personengesellschaft entscheidend. Sofern die Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat nach dessen innerstaatlichem Recht selbst steuerpflichtig ist, hat der Quellenstaat (hier Deutschland) die Personengesellschaft als abkommensberechtigte Person anzuerkennen und das zwischen dem Quellstaat und dem Sitzstaat bestehende Abkommen anzuwenden; und zwar unabhängig davon, ob die Personengesellschaft nach dem innerstaatlichen Recht des Quellenstaates transparent oder intransparent ist. Die Verteilung der Besteuerungsrechte richtet sich dann nach dem zwischen dem Quellenstaat und dem Sitzstaat der Gesellschaft geschlossenen Abkommen. In Dreieckskonstellationen ist bei der abkommensorientierten Sichtweise zusätzlich noch die Beurteilung durch den Sitzstaat des Gesellschafters in die Überlegungen einzubeziehen. Sieht dieser die Personengesellschaft übereinstimmend mit deren Sitzstaat als Steuersubjekt an und besteuert dementsprechend erst Ausschüttungen an den Gesellschafter, bleibt es aus Sicht des Quellenstaates bei der Anwendung des zwischen dem Quellenstaat und dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossenen Abkommen.1 Ist die Personengesellschaft dagegen aus Sicht des Ansässigkeitsstaates des Gesellschafters transparent und besteuert dieser den auf den Gesellschafter entfallenden Gewinnanteil, so soll aus der Sicht des Quellenstaats neben dem zum Sitzstaat der Personengesellschaft bestehenden Abkommen auch das mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossene Abkommen Anwendung finden. Insoweit gilt der Grundsatz der Meistbegünstigung.2 Auch insoweit hat sich der Quellenstaat letztendlich gegenüber einem anderen Staat, dem (jeweiligen) Sitzstaat

1 OECD-Partnership-Report 1999, Bsp. 8. Diese Grundsätze sind nach Auffassung der OECD auch anzuwenden, wenn – anders als in dem vorgenannten Beispiel – der Quellenstaat die Personengesellschaft als steuerlich transparent ansieht, vgl. OECD-Partnership-Report, Rz. 72. 2 Vgl. OECD-Partnership-Report 1999, Bsp. 9; zweifelnd: Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 33c (vgl. zur anderen Ansicht auch Rz. 68).

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 74 Art. 1

der Gesellschafter, in seinen Besteuerungsrechten beschränkt. Dies dürfte auch der Auffassung der Finanzverwaltung entsprechen.1 bb) Gesellschaft ist aus Sicht des Quellenstaats Steuersubjekt und aus Sicht des Sitzstaats transparent Grundsätze. Da aus deutscher Sicht Personengesellschaften durchgängig transparent besteuert werden, entsteht ein Einordnungskonflikt, in dem Deutschland als Quellenstaat eine Gesellschaft als intransparent besteuert, während der Sitzstaat diese Gesellschaft als transparent ansieht, nur dann, wenn der ausländische Rechtsträger nach dem Typenvergleich in Deutschland als Kapitalgesellschaft einzuordnen ist, nach ausländischem Recht aber für steuerliche Zwecke transparent zu behandeln ist, etwa weil die Gesellschaft nach dem Steuerrecht des Sitzstaats eine steuerlich transparente Personengesellschaft darstellt oder das ausländische Recht für diese Gesellschaftsform ein Wahlrecht über die transparente/intransparente steuerliche Behandlung vorsieht.2 Dem Grunde nach führen in dieser Fallkonstellation sowohl die anwenderstaatorientierte als auch die abkommensorientierte Sichtweise in einem ersten Schritt zu vergleichbaren Ergebnissen, weil nach beiden Sichtweisen die Einkünfte aus deutscher Sicht zwar der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind; diese ist aber in ihrem Sitzstaat nicht auf Grund ihres Ortes der Geschäftsleitung oder eines ähnlichen Merkmals steuerpflichtig und damit keine ansässige Person. Aus dem Blickwinkel einer rein anwenderstaatorientierten Sichtweise führt dies dazu, dass eine Quellensteuererstattung nicht möglich ist, weil die ausländische Gesellschaft nach innerstaatlichem Recht erstattungsberechtigt, aber mangels Steuerpflicht im Sitzstaat nicht abkommensberechtigt ist,3 während die Gesellschafter zwar abkommensberechtigt sind, aber nach deutschem innerstaatlichem Recht keinen materiellen Steuererstattungsanspruch haben. Zu einem identischen Ergebnis käme auch die abkommensorientierte Sichtweise. Die OECD sieht den Quellenstaat hier allerdings verpflichtet, für die Abkommensanwendung die Einkünfte den Gesellschaftern der Personengesellschaft zuzurechnen, so dass für diese ein Quellensteuerermäßigungs- bzw. -erstattungsanspruch anzunehmen ist.4

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Deutschland als Betriebsstättenstaat. Auch in dieser Konstellation sind die Fälle, in denen die ausländische Gesellschaft in Deutschland eine Betriebsstätte unterhält, in der Regel gut handhabbar. Hier dürfte sowohl nach der anwenderstaatorientierten Sichtweise als auch nach der abkommensorientierten Sichtweise auf das zwischen Deutschland und dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter bestehende Abkommen abzustellen sein. Die ausländische Gesellschaft selbst ist mangels Steuerpflicht im Sitzstaat nicht abkommensberechtigt. Dass den Gesellschaftern nach der deutschen Sichtweise wegen der Intransparenz der ausländischen Gesellschaft keine Einkünfte zuzurechnen sind, kann insoweit nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Darauf wird es aber schließlich auch nicht ankommen, weil Deutschland nach dem OECD-Konzept als Quellenstaat (Betriebsstättenstaat) das Besteuerungsrecht hat.

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Drei-Staaten-Sachverhalte. Dreieckskonstellationen führen aus Sicht von Deutschland als Quellenstaat bei einer anwenderstaatorientierten Sichtweise dazu, dass eine Quellensteuerermäßigung bzw. -erstattung in Person der aus Sicht der anderen beteiligten Staaten transparenten ausländischen Gesellschaft ausscheidet. Die nach deutschem innerstaatlichem Recht erstattungsberechtigte Gesellschaft ist – mangels Steuerpflicht im Sitzstaat – nicht abkommensberechtigt, während die abkommensberechtigten Gesellschafter keinen materiellen Steuererstattungsanspruch haben. Bei einer abkommensorientierten Sichtweise dürfte dagegen eine Quellensteuerermäßigung zumindest dann anzunehmen sein, wenn auch der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters die Personengesellschaft als transparent ansieht. Im Einzelnen unterscheiden sich Dreieckssachverhalte in dieser Fallgestaltung also nicht von einem Zwei-Staaten-Fall. Auch hier führt eine abkommensorientierte Sichtweise somit zu ausgewogeneren Ergebnissen. Ordnet der Ansässigkeitsstaat des Gesellschaftes die Personengesellschaft dagegen als intransparent ein, soll der Quellenstaat weder nach dem mit dem Sitzstaat

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1 Zwar nennt die Finanzverwaltung diese Konstellation im BMF v. 26.9.2014 nicht; die Finanzverwaltung führt allerdings ganz allgemein aus, dass – vorbehaltlich von Sonderfällen – den Grundsätzen des OECD-MK gefolgt werden soll (BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2). 2 Ein in der Abkommenspraxis wesentlicher Anwendungsfall ist die US-amerikanische „S-Corporation“. 3 Vgl. BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367, Rz. 16 zum DBA-USA. Im konkreten Fall hat der BFH die klagende „S-Corporation“ allerdings wegen der in Art. 1 Abs. 7 DBA-USA enthaltenen Fiktion als in den USA ansässig i.S. des Abkommens angesehen. Ebenfalls zum DBA-USA: BFH v. 20.8.2008 – I R 39/07, BStBl. II 2009, 234. 4 Vgl. OECD-Partnership-Report 1999, Bsp. 4. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen auch Lang/Reich/Schmidt, IStR 2007, 1 (5).

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Art. 1 Rz. 74

Unter das Abkommen fallende Personen

der Personengesellschaft noch nach dem mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossenen Abkommen zu einer Quellensteuerermäßigung verpflichtet sein.1 f) Auflösung von Einordnungskonflikten – Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters aa) Gesellschaft ist aus Sicht des Ansässigkeitsstaats transparent und aus Sicht des Sitzstaats Steuersubjekt 75

Grundsätze. Ist eine in Deutschland ansässige Person an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt und ist die Personengesellschaft aus deutscher Sicht als Mitunternehmerschaft einzuordnen, so erzielt der Gesellschafter nach innerstaatlichem Recht Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, sofern die Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte erzielt oder gewerblich geprägt oder infiziert ist; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so erzielt der Gesellschafter ggf. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG), aus selbständiger Tätigkeit (§ 18 EStG), aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder sonstige Einkünfte (§§ 22, 23 EStG). Für die abkommensrechtliche Beurteilung ist diese innerstaatliche Einkünftezurechnung – so die Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung2 – ebenfalls maßgebend, so dass in der Person des in Deutschland ansässigen Gesellschafters zu prüfen ist, unter welche Verteilungsnorm des mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft (Quellenstaat) geschlossenen Abkommens die Einkünfte einzuordnen sind. Liegen Unternehmensgewinne vor, hat Deutschland diese – vorbehaltlich bestehender Aktivitätsvorbehalte – i.d.R. freizustellen. Dass der Sitzstaat die Personengesellschaft selbst als intransparent ansieht, ist nach dieser Konzeption für die deutsche Beurteilung irrelevant. Sind die Voraussetzungen für eine Freistellung nicht erfüllt, etwa weil ein Aktivitätserfordernis nicht erfüllt ist oder weil die Personengesellschaft Einkünfte erzielt, für die der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hat (z.B. Zinseinkünfte), so kommt es dem Grunde nach zu einer Doppelbelastung: Deutschland wird die Gewinne der Personengesellschaft in Person der Gesellschafter besteuern, während sie im Sitzstaat der Personengesellschaft (Quellenstaat) ebenfalls der Besteuerung, hier aber bei der Personengesellschaft, unterliegen werden. Allerdings ist die von der Personengesellschaft im Ausland gezahlte Körperschaftsteuer wie eine eigene Steuer auf die Einkommensteuer des Gesellschafters anzurechnen,3 so dass häufig keine abkommenswidrige Doppelbelastung eintreten wird (Anwendung der Anrechnungsmethode). Eine Doppelbesteuerung tritt aber dann ein, wenn dem Quellenstaat aus deutscher Sicht nur ein (beschränktes) Quellensteuerrecht zusteht, etwa weil die ausländische Personengesellschaft ihrerseits Ausschüttungen erhält, die aber nach deutschem Verständnis nicht Teil des ausländischen Betriebsstättengewinns (Art. 7 Abs. 7) sind. Deutschland wird dann nur die abkommensgemäß einbehaltene Steuer anrechnen.4 Auf Ausschüttungen der Personengesellschaft (nach deutscher Terminologie: Entnahmen) wird der ausländische Sitzstaat ggf. Quellensteuer erheben. Zu einer Besteuerung in Deutschland kommt es nicht mehr, weil insoweit kein Besteuerungstatbestand erfüllt ist. Die Finanzverwaltung will hier die erhobene Quellensteuer nicht zur Anrechnung zulassen, weil die Ausschüttungen als steuerlich nicht relevante Entnahmen in Deutschland nicht besteuert werden.5 Das ist allerdings nicht konsequent, weil der Gesellschafter einerseits die von der Personengesellschaft gezahlte Steuer wie eine eigene Steuer anrechnen kann, eine Anrechnung der eigenen Steuer aber ausscheiden soll. Richtig wäre es, die auf Ausschüttungen entfallende (Quellen-)Steuer als zeitlich nachlaufende Steuer auf den Betriebsstättengewinn zu verstehen, mit der Möglichkeit zur Anrechnung durch den Gesellschafter auf die deutsche Steuer.6

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Abkommensorientierte Auslegung. Eine abkommensorientierte Auslegung kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass die Abkommensberechtigung der Personengesellschaft auf Grund der unbeschränkten Steuerpflicht im Sitzstaat auch für die abkommensrechtliche Einkünftezurechnung gilt.7 Danach hat Deutschland 1 Vgl. Schmidt, IStR 2010, 413 (422) unter Hinweis auf OECD Partnership-Report 1999, Bsp. 7. Vgl. auch OECDPartnership-Report 1999, Bsp. 3. 2 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760, Rz. 16 zum DBA-Ungarn; gefestigte Rspr.: BFH v. 20.12.2017 – R 98/15, BFH/NV 2018, 497, Rz. 43 u.a. zum DBA-Dänemark; v. 13.11.2013 – I R 67/12, BStBl. II 2014, 172, Rz. 17 zum DBA-Belgien; v. 21.1.2016 – R 49/14, BStBl. II 2017, 107, Rz. 16 zum DBA-Spanien 1966; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.1. 3 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.1. 4 Vgl. BFH v. 1.7.2009 – I R 113/08, BFH/NV 2009, 1992. 5 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.1. 6 Vgl. Weggenmann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.39. Wohl auch Richter, FR 2010, 544 (Fn. 29). Für eine entsprechende Anwendung von § 34c Abs. 6 EStG, wenn Deutschland das Besteuerungsrecht an den ausländischen Betriebsstättengewinnen für sich in Anspruch nimmt: Suchanek/Herbst, Ubg 2011, 779 (783). 7 Vgl. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 34g; Schmidt, IStR 2010, 413 (426); Schmidt, WPg 2002, 1232 (1235); Schmidt, IStR 1998, 14 (17 ff.). So auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 500.

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 77 Art. 1

als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters in Bezug auf die von der ausländischen Personengesellschaft erzielten Einkünfte kein Besteuerungsrecht, wenn die Gesellschaft zwar aus deutscher Sicht transparent, aus Sicht des Sitzstaates (Quellenstaat) aber intransparent und damit selbst Steuersubjekt ist. Bei genauer Betrachtung liegt dann ein Sachverhalt vor, der ausschließlich den Sitzstaat der Personengesellschaft (Quellenstaat) betrifft. Erzielt die Personengesellschaft Einkünfte, die auch bei anwenderstaatorientierter Betrachtung in Deutschland freizustellen sind, führen beide Sichtweisen zu ähnlichen Ergebnissen, insbesondere wenn auch bei einer abkommensorientierten Sichtweise die Einkünfte der Personengesellschaft nicht in die Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes einbezogen werden (Progressionsvorbehalt).1 Unterschiede in der steuerlichen Beurteilung ergeben sich dann, wenn aus Sicht des Gesellschafterstaates die Voraussetzungen für eine Freistellung nicht vorliegen, z.B. bei Betriebsstätteneinkünften, für die ein im Abkommen vorgesehener Aktivitätsvorbehalt nicht erfüllt ist oder bei anderen Einkünften, hinsichtlich derer nach dem Abkommen der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hat. Nach der abkommensorientierten Sichtweise hat Deutschland hier ausschließlich ein Besteuerungsrecht im Rahmen des Art. 10, wenn Ausschüttungen vorgenommen werden. Zu einer Besteuerung kommt es allerdings nicht, weil Entnahmen aus einer Personengesellschaft in Deutschland nicht der Besteuerung unterliegen und auch das Abkommensrecht nicht dazu führt, dass diese steuerlich als Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusehen sind.2 Nach der anwenderstaatorientierten Sichtweise kann Deutschland diese Einkünfte dagegen – unter Anrechnung der ausländischen Steuer – besteuern (vgl. Rz. 75). bb) Gesellschaft ist aus Sicht des Ansässigkeitsstaats Steuersubjekt Grundsätze. Ist die ausländische Gesellschaft aus deutscher Sicht intransparent, z.B. weil sie nach dem Typenvergleich als Kapitalgesellschaft einzuordnen ist, sind die von der Gesellschaft erzielten Einkünfte nach deutschem Recht nicht in der Person des Gesellschafters zu besteuern. Dies folgt bereits aus innerstaatlichem Recht, weil insoweit in der Person des Gesellschafters kein Besteuerungstatbestand erfüllt ist, so dass es auf die Frage, ob Deutschland abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht hat, insoweit nur dann ankommt, wenn Deutschland auch Quellenstaat ist.3 Besteuert werden erst Ausschüttungen der Gesellschaft, die nach innerstaatlichem Recht als Dividenden nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG einzuordnen sind. Abkommensrechtlich liegen sonstige Einkünfte i.S. des Art. 21 vor; Art. 10 ist nicht erfüllt, weil die ausschüttende Gesellschaft mangels Steuerpflicht im Sitzstaat keine ansässige Person ist (vgl. Art. 10 Rz. 53).4 Dass der ausländische Sitzstaat (Quellenstaat) die Personengesellschaft als transparent einordnet und die Gesellschafter besteuert (soweit der Sitzstaat ein Besteuerungsrecht nach Art. 6 bis 21 hat), ist wiederum für die deutsche Besteuerung nicht relevant. Auch hier wird es häufig zu einer abkommenswidrigen Besteuerung kommen, weil der Sitzstaat der Personengesellschaft die Gewinne mit dem persönlichen Steuersatz der Gesellschafter besteuern wird, der i.d.R. wesentlich über dem Körperschaftsteuersatz liegt. Hinzu kommt dann zeitlich nachgelagert die Besteuerung der aus deutscher innerstaatlicher Sicht als Dividenden einzuordnenden Auskehrungen der Gesellschaft (ohne Quellensteueranrechnung). Nach der Gegenauffassung sind die von der Personengesellschaft erwirtschaften Gewinne abkommensrechtlich Unternehmensgewinne (vorausgesetzt diese entstehen in einer Betriebsstätte der Personengesellschaft). Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters hat diese Gewinne nach Maßgabe des mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft bestehenden Abkommens insgesamt freizustellen und zwar unabhängig davon, ob ein Teil dieser Gewinne nach innerstaatlichem Recht als Ausschüttungen einzuordnen ist.5

1 So auf Grundlage einer abkommensorientierten Sichtweise: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 533; Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 34g; Richter, FR 2010, 544 (548); Schmidt, WPg 2002, 1232 (1235); Schild/Abele in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1735 (1752). Nach der Rspr. des BFH ist der Progressionsvorbehalt nicht nur auf Fälle beschränkt, in denen eine Steuerfreistellung auf dem jeweiligen Methodenartikel der DBA-beruht: Vgl. nur BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521, Rz. 16. 2 Vgl. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 34h; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 533; Piltz, Personengesellschaften, 174. 3 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.2; Richter, FR 2010, 544 (549 f.). 4 Vgl. BFH v. 11.10.2017 – I R 42/15, BFH/NV 2018, 616, Rz. 32 zum DBA-USA; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263, Rz. 16; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.2; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 4.1.4.2; Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 129 Bsp. 2 (Stand: Januar 2009); Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 30 (Stand: August 2012); Schänzle/Engel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 6.140 ff. 5 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 36679 für den umgekehrten Fall der Beteiligung eines im Ausland ansässigen Gesellschafters an einer deutschen Personengesellschaft; Flick/Heinsen, IStR 2008, 781 (785)

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Art. 1 Rz. 78 78

Unter das Abkommen fallende Personen

Drei-Staaten-Sachverhalte. Drei-Staaten-Sachverhalte aus Sicht des Ansässigkeitsstaats des Gesellschafters liegen vor, wenn die Personengesellschaft (auch) Einkünfte aus Quellen in Drittstaaten erzielt. Hier können zwei Abkommen zur Anwendung gelangen. Das Abkommen, dass mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft besteht, kann Anwendung finden, wenn dort eine Betriebsstätte besteht, der die Drittstaateneinkünfte funktional zuzuordnen (Art. 7 (2008) Rz. 87)1 sind. Die Aufteilung der Besteuerungsrechte bestimmt sich hier nach Art. 21 (Andere Einkünfte). Darüber hinaus findet auch das zwischen Deutschland und dem Drittstaat geschlossene Abkommen Anwendung. Nach dem anwenderstaatorientierten Verständnis wäre die ausländische Gesellschaft aus deutscher Sicht abkommensrechtlich als intransparent einzuordnen. Damit hätte Deutschland auch für Drittstaateneinkünfte kein Besteuerungsrecht. Die Folgen unterscheiden sich damit nicht von den Zwei-Staaten-Sachverhalten (vgl. Rz. 75 bis 77). g) Auflösung von Einordnungskonflikten – Deutschland als Sitzstaat der Gesellschaft aa) Gesellschaft ist aus Sicht des Sitzstaats transparent

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Einkünfte aus deutschen Quellen. Sofern Deutschland Sitzstaat der Personengesellschaft ist und die Personengesellschaft – was gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Regel entspricht – für steuerliche Zwecke als transparent einzuordnen ist, kommen die anwenderstaatorientierte und die abkommensorientierte Sichtweise (vgl. hierzu Rz. 55) für Einkünfte, die einer deutschen Betriebsstätte zuzurechnen sind, in der Regel zu identischen Ergebnissen. Nach beiden Auffassungen hat Deutschland das Besteuerungsrecht auch soweit die Gesellschafter im anderen Vertragsstaat ansässig sind und der andere Staat die deutsche Personengesellschaft steuerlich als intransparent ansieht. Nach der anwenderstaatorientierten Sichtweise folgt das aus dem zwischen Deutschland und dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossenen Abkommen (Art. 7 OECDMA). Zu dem gleichen Ergebnis kommt hier die abkommensorientierte Sichtweise, weil auch nach dieser Auffassung die Personengesellschaft mangels Besteuerung in Deutschland selbst nicht abkommensberechtigt ist. Anders ist es, wenn die Gesellschaft Einkünfte aus deutschen Quellen erzielt, die der deutschen Betriebsstätte nicht funktional zuzuordnen sind (z.B. Ausschüttungen aus deutschen Kapitalgesellschaften). Die anwenderstaatorientierte Sichtweise führt dazu, dass das zwischen Deutschland (Quellenstaat) und dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossene DBA anzuwenden ist, also Deutschland kein oder nur ein Quellensteuerrecht hat. Ggf. entsteht hierdurch ein „Besteuerungsaufschub“, wenn Deutschland eine Quellensteuerermäßigung, ggf. bis auf null, vornimmt, während der andere Staat die Einkünfte nach seinem innerstaatlichen Recht der Personengesellschaft zurechnet und daher den Gesellschafter erst besteuert, wenn dieser Ausschüttungen erhält. Die OECD kommt hier dagegen auf Grundlage der abkommensorientierten Sichtweise zu dem Ergebnis, dass Deutschland nicht zu einer Quellensteuerermäßigung verpflichtet ist. Dem ist allerdings zu widersprechen. Auch wenn der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters nach seinem innerstaatlichen Recht die Personengesellschaft als intransparent ansieht, ist diese abkommensrechtlich keine ansässige Person, so dass auch bei einer abkommensorientierten Sichtweise weiterhin der Gesellschafter als Zurechnungssubjekt und Nutzungsberechtigter im Sinne des Abkommens anzusehen ist.

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Einkünfte aus nicht-deutschen Quellen. Denkbar ist schließlich, dass die deutsche Personengesellschaft Einkünfte aus einem Drittstaat oder dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters erzielt. Für einen in Deutschland ansässigen Gesellschafter sind die Einkünfte nach innerstaatlichem Recht im Rahmen der unbeschränkten Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflicht zu erfassen. Abkommensrechtlich bestimmt sich das deutsche Besteuerungsrecht nach dem zwischen Deutschland und dem jeweiligen Quellenstaat geschlossenen DBA. Soweit die Gesellschafter der Personengesellschaft im Ausland ansässig sind, kommt es nach deutschem innerstaatlichem Recht nur zu einer Besteuerung, wenn die Voraussetzungen für eine beschränkte Steuerpflicht dieser Gesellschafter vorliegen, insbesondere, wenn diese Einkünfte in einer deutschen Betriebsstätte angefallen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG).2 Abkommensrechtlich ist insoweit das zwischen Deutschland als Betriebsstättenstaat und dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters bestehende DBA anzuwenden. In diesem Verhältnis handelt es sich um andere Einkünfte im Sinne des Art. 21 (vgl. Art. 21 Rz. 66 ff.). Für diese hat Deutschland (nur) unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 das Besteuerungsrecht. Deutschland darf daher nur die Einkünfte besteuern, die funktional der deutschen Betriebsstätte zuzur US-LLC; Mensching, IStR 2008, 687 (688) zur US-LLC. In diesem Sinne wohl auch Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 35b4e. 1 Zur funktionalen Zuordnung vgl. nur BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; Haum/Klumpp, IStR 2018, 661; Häck, ISR 2015, 113; Haase/Brändel, Ubg 2010, 859; Goebel/Ungemach, IStR 2008, 643; Blumers, DB 2008, 1765; Suchanek/Herbst, IStR 2007, 620; Blumers, DB 2007, 312; Kinzl, IStR 2005, 693. 2 Vgl. BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFH/NV 2018, 684, Rz. 26 ff.

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 83 Art. 1

zurechnen sind. Nicht anwendbar ist dagegen das zwischen Deutschland als Betriebsstättenstaat und dem Quellenstaat geschlossene DBA. Erhebt dieser Quellenstaat (Drittsaat) auf die Einkünfte Quellensteuern im Rahmen des zwischen ihm und dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters bestehenden DBA, ist diese Quellensteuer nach innerstaatlichem deutschem Recht gem. §§ 34c Abs. 1 bis 3, 50 Abs. 3 EStG anzurechnen oder abzuziehen. (vgl. Rz. 53). Voraussetzung ist, dass diese Einkünfte, für die die Quellensteuern erhoben wurden, als Betriebsstätteneinkünfte der deutschen Besteuerung unterliegen. bb) Gesellschaft ist aus Sicht des Sitzstaats Steuersubjekt Maßgeblichkeit der deutschen Einordnung. Wenn eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland aus deutscher Sicht als Körperschaftsteuersubjekt einzuordnen ist, unterfallen sämtliche Einkünfte dieser Gesellschaft nach innerstaatlichem Recht der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 KStG). Soweit die Einkünfte dieser Gesellschaft aus ausländischen Quellen stammen, bestimmt sich das deutsche Besteuerungsrecht aus dem zwischen Deutschland und dem Quellenstaat geschlossenen DBA. Konflikte entstehen hier, soweit Gesellschafter in einem Staat ansässig sind, der die deutsche Gesellschaft als steuerlich transparent ansieht und die entsprechenden Einkünfte der Personengesellschaft ebenfalls besteuern will. Hinsichtlich der Einkünfte aus deutschen Quellen ist Deutschland insoweit nicht zur Freistellung bzw. Quellensteuerermäßigung verpflichtet.1 Hinsichtlich der Einkünfte aus ausländischen Quellen bleibt es bei der Anwendbarkeit (nur) des zwischen Deutschland und dem Quellenstaat geschlossenen DBA. Aus Sicht des Quellenstaats kommt allerdings eine Anwendung sowohl des zwischen ihm und dem Sitzstaat der Personengesellschaft als auch eine Anwendung des zwischen ihm und dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter geschlossenen DBA in Betracht (vgl. dazu bereits unter Rz. 71).

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cc) Besonderheit – Kommanditgesellschaft auf Aktien Deutsche KGaA. Besonderheiten sind bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien – „KGaA“ – mit Sitz in Deutschland zu beachten. Nach innerstaatlichem Recht unterliegt diese dem Grundsatz nach der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht in Deutschland; der Gewinnanteil des Komplementärs ist bei der KGaA allerdings abziehbar und von dem Komplementär bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu versteuern (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Faktisch führt dies zu einer teilweisen Transparenz der KGaA. Dennoch hat der BFH die KGaA insgesamt, also hinsichtlich der gesamten Einkünfte dieser Gesellschaft, als abkommensberechtigte Person angesehen.2 Dementsprechend ist nach Auffassung des BFH auf Dividenden, die die deutsche KGaA im Streitfall von zwei französischen Kapitalgesellschaften erhalten hatte, das Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBAFrankreich a.F. in vollem Umfang anzuwenden, also auch soweit der entsprechende Gewinnanteil auf den Komplementär (im Urteilsfall eine OHG mit natürlichen Personen als Gesellschafter) entfiel. Zwar sei es im Ausgangspunkt Sache des innerstaatlichen Rechts und nicht des Abkommensrechts, wem Einkünfte zuzurechnen sind, doch setze sich das Abkommensrecht für das Schachtelprivileg über diese materielle Zurechnung hinweg.3 Ob die KGaA darüber hinaus auch „Nutzungsberechtigte“ der erhaltenen Dividenden war, konnte der BFH auf Grund der Besonderheiten des DBA-Frankreich dagegen dahinstehen lassen. Die Finanzverwaltung hat inzwischen mit einem „Nichtanwendungsgesetz“ (§ 50d Abs. 11 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes4) reagiert. Danach wird die Freistellung von Dividenden, die beim Zahlungsempfänger nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, nur insoweit gewährt, als die Dividenden nach deutschem Steuerrecht nicht einer anderen Person zuzurechnen sind oder die Freistellung auch in dieser anderen Person als Zahlungsempfänger zu gewähren wäre.

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5. Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen Veräußerungsgewinne von Gesellschaftsanteilen. Die abkommensrechtliche Beurteilung von Gewinnen aus der Veräußerung der Beteiligung an einer Personengesellschaft ist dem Grunde nach unabhängig davon zu beurteilen, ob die Personengesellschaft selbst als abkommensberechtigte Person einzuordnen ist oder nicht. Dass die Gewinne von den Gesellschaftern erzielt werden und diesen auch steuerlich zuzurechnen sind, ist hier – insoweit auch unabhängig von den unterschiedlichen Besteuerungskonzepten der Vertrags1 Dies entsprich auch der Auffassung der OECD im Partnership-Report 1999, Bsp. 17. 2 Vgl. BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919, Rz. 25 zum DBA-Frankreich. Vgl. dazu auch: Hruschka, DStR 2014, 2421; Kollruss, IStR 2018, 224; Gosch, BFH/PR 2010, 457; Wassermeyer, Ubg 2011, 47. 3 Vgl. BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919, Rz. 25 zum DBA-Frankreich. 4 Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und von steuerlichen Vorschriften v. 8.5.2012, BGBl. I 2012, 1030.

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Art. 1 Rz. 83

Unter das Abkommen fallende Personen

staaten – unproblematisch. Entscheidend ist vielmehr, ob es sich abkommensrechtlich um die Veräußerung des (Betriebsstätten-)Vermögens der Personengesellschaft handelt (Art. 13 Abs. 1 bzw. 2) oder um die Veräußerung von Anteilen an einer intransparenten Gesellschaft (Art. 13 Abs. 4 bzw. 5). Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit auf die Ausführungen zu Art. 13 verwiesen (vgl. Art. 13 Rz. 54 ff.). Ein mittelbarer Bezug zur Frage der Abkommensberechtigung von Personengesellschaft besteht aber deswegen, weil die Auffassung vertreten wird, dass dann, wenn die Personengesellschaft als ansässige Person im Sinne des Abkommensrechts einzuordnen ist, die Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft selbst zuzuordnen sind und die Veräußerung der Anteile an der Personengesellschaft daher wie eine Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu werten ist.1 Sowohl die deutsche Finanzverwaltung als auch der BFH (dieser zunächst im Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz) gehen jedoch zu Recht davon aus, dass die Veräußerung des Anteils an einer Personengesellschaft abkommensrechtlich als Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter und nicht etwa die als davon zu unterscheidende Veräußerung der Personengesellschaftsanteile einzuordnen ist.2 Hier kann es zunächst einmal zu einer doppelten Besteuerung kommen, wenn der Ansässigkeitsstaat des veräußernden Gesellschafters die Personengesellschaft als intransparent ansieht und das Besteuerungsrecht aus Art. 13 Abs. 5 herleitet, während der Sitzstaat der Personengesellschaft diese als transparent einordnet und dementsprechend auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 1 bzw. 2 besteuern will. Die Doppelbesteuerung soll in diesen Fällen dadurch vermieden werden, dass der Ansässigkeitsstaat die Veräußerungsgewinne – entgegen seiner innerstaatlichen Wertung – freistellt oder die im Sitzstaat entstehende Steuer anrechnet.3 Um eine doppelte Nichtbesteuerung zu vermeiden, wurde Art. 23A Abs. 4 in das OECD-MA aufgenommen.4 Verschiedene Abkommen sehen insoweit Subject-to-Tax- bzw. Switch-over-Klauseln vor. In Deutschland wird eine solche doppelte Nichtbesteuerung zudem innerstaatlich durch § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG vermieden (vgl. hierzu Rz. 131). 6. Sondervergütungen 84

Unterschiedliche Einordnung von Sondervergütungen nach innerstaatlichem Recht. Auch in Bezug auf die Beurteilung der von einer Personengesellschaft an ihren Gesellschafter gezahlten Vergütungen, z.B. für die Hingabe von Darlehen, für die Überlassung von Wirtschaftsgütern oder für Tätigkeiten im Dienste der Gesellschaft, kann es zu unterschiedlichen Einordnungen durch die beteiligten Staaten kommen (Art. 7 (2008) Rz. 79 ff.). Während Deutschland derartige Vergütungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als Sonderbetriebseinnahmen ansieht und diese den gewerblichen Einkünften des Gesellschafter zuweist, erkennt eine Vielzahl von Staaten Rechtsbeziehungen zwischen der Personengesellschaft und ihrem Gesellschafter auch mit steuerlicher Wirkung an. Folge ist, dass diese Vergütungen den steuerlichen Gewinn der Personengesellschaft mindern und der Gesellschafter die Vergütungen nach den entsprechenden Vorschriften des jeweiligen Steuerrechts „privat“ zu versteuern hat. Ähnliche Effekte treten ein, wenn ein Staat eine dem deutschen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vergleichbare Vorschrift zwar dem Grunde nach kennt, die konkrete Personengesellschaft aber als intransparente Einheit (Kapitalgesellschaft) einordnet.

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Folgen für die abkommensrechtliche Beurteilung (objektiver Qualifikationskonflikt). Diese unterschiedliche Einordnung nach innerstaatlichem Recht findet ihre Parallele in der abkommensrechtlichen Beurteilung. Hier stellt sich die Frage, ob derartige Vergütungen zu den Unternehmensgewinnen (Art. 7) oder zu anderen Einkünften (z.B. Art. 10, 11 oder 12) zu zählen sind. Nehmen die betroffenen Staaten die Einordnung unterschiedlich vor, so kann von (objektiven) Qualifikationskonflikten gesprochen werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Einordnungskonflikte im Vergleich zu den unter Rz. 55 diskutierten subjektiven Qualifikationskonflikten eine vollkommen unterschiedliche Grundlage haben. Während es bei den subjektiven Qualifikationskonflikten im Wesentlichen um die Frage geht, ob eine Personengesellschaft als abkommenberechtigtes (Einkünfte-)Zurechnungssubjekt einzuordnen ist, stellt sich bei der Einordnung von Sondervergütungen die Frage der Zurechnung nicht. Entscheidend ist hier die Einordnung unter eine bestimmte Einkunftsart.

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Zuordnungsfragen. Bei der Lösung von Qualifikationskonflikten aus der unterschiedlichen Einordnung von Sondervergütungen verfolgen die deutsche Finanzverwaltung und der BFH unterschiedliche Konzepte 1 Vgl. FG BW v. 2.11.2009 – 6 V 2234/09, juris, aufgehoben durch BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. 2 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.2.1 i.V.m. Tz. 4.1.3.2 bzw. Tz. 4.1.3.3; BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156, Rz. 17 ff. zum DBA-Spanien; Schänzle/Engel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 6.274 ff.; a.A. z.B. Wassermeyer, IStR 2011, 85 (88); Schick, IWB 2011, 93 (96). 3 Vgl. OECD-Partnership-Report 1999, Rz. 107, Bsp. 14. 4 Vgl. OECD-Partnership-Report 1999, Rz. 113.

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 86 Art. 1

und kommen vor diesem Hintergrund zu abweichenden Ergebnissen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung gehören Sondervergütungen aus Sicht von Deutschland als Anwenderstaat zu den Unternehmenseinkünften, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Inbound-Fall (Beteiligung eines ausländischen Gesellschafter an einer deutschen Personengesellschaft) oder um einen Outbound-Fall (Beteiligung eines inländischen Gesellschafters an einer deutschen Personengesellschaft) handelt.1 Insoweit beansprucht die Finanzverwaltung also grundsätzlich das volle deutsche Besteuerungsrecht im Rahmen des Art. 7. Im Outbound-Fall sind die Sondervergütungen ebenfalls den Unternehmensgewinnen zuzuordnen und auf Grund der in den meisten deutschen DBA vereinbarten Freistellungsmethode in der Regel von der Besteuerung in Deutschland freizustellen (Art. 23A Abs. 1); besteuert der Sitzstaat der Personengesellschaft (Betriebsstättenstaat) diese Vergütungen nicht, kann der Gesellschafter allerdings die im DBA angeordnete Freistellung nach § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG in Deutschland nicht in Anspruch nehmen.2 Der BFH geht dagegen zu Recht davon aus, dass Sondervergütungen – soweit das jeweilige Abkommen keine besondere Regelung hierzu enthält3 – auf Grund des Spezialitätenvorrangs den speziell geregelten Einkunftsarten zugehören und nicht ohne weiteres den Unternehmenseinkünften zuzurechnen sind;4 Voraussetzung ist vielmehr eine funktionale Zuordnung zur Betriebsstätte. Der Versuch des Gesetzgebers, mit dem durch das JStG 20095 eingeführten § 50d Abs. 10 EStG die Zuordnungsfrage im Sinne der Finanzverwaltung zu lösen, scheiterte zunächst. Wie der BFH aufgezeigt hat, griffen die tatbestandlichen Erfordernisse dieser Gesetzesfiktion in vielfacher Hinsicht zu kurz, um eine unilaterale Umqualifizierung der abkommensrechtlich an sich gebotenen Einkünfteeinordnung zu erreichen.6 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung wurde § 50d Abs. 10 EStG mit dem AmtshilfeRLUmsG7 „nachgebessert“. Technisch dürfte der Gesetzgeber damit zumindest weitgehend sein Ziel erreicht haben8 (vgl. zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 80 ff. sowie Rz. 133). Die Verfassungskonformität dieser Regelung ist Gegenstand einer Vorlage des BFH vor dem BVerfG.9 Ob das BVerfG diese Vorschrift – über einen möglichen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot hinaus – als verfassungswidrig ansehen wird, erscheint angesichts der Entscheidung vom 15.12.201510 allerdings fraglich. Mithin hätte das BVerfG hier Gelegenheit, seine Rechtsprechung zum Treaty Override zu differenzieren (vgl. dazu Rz. 23, 24). 7. Sonstige Personenzusammenschlüsse, Vermögensmassen Ausgewählte Literatur: Anzinger, Wesen, Reformbedürfnis und Reformoptionen des Investmentsteuerrechts, FR 2016, 101; Bünning/Lorbert, Neue FG-Rechtsprechung zur steuerlichen Qualifikation von Ausschüttungen durch luxemburgische SICA, RdF 2018, 223; Daragan, Die Zurechnung des Vermögens und der Erträge einer kontrollierten Liechtensteiner Stiftung, DB 2011, 2223; da Silva, Granting Tax Treaty Benefits to Collective Investment Vehicles: A Review of the OECD Report an the 2010 Amendments to the Model Tax Convention, INTERTAX 2011, 195; Fock, Investmentanlage und Doppelbesteuerungsschutz, RIW 2003, 118; Geurts/Jacob, Französische SICAV: Ansässigkeit nur bei Steuerpflicht – und was ist mit dem deutschem REIT?, IStR 2007, 737; Haase, Treaty Entitlement of Investment Funds: The German Perspective, INTERTAX 2011, 337; Habammer, Der ausländische Trust im deutschen Ertragund Erbschaft-/Schenkungsteuerrecht, DStR 2002, 425; Hosp/Langer, Die liechtensteinische Familienstiftung: Nischenprodukt oder ernstzunehmende Alternative für den deutschen Investor?, BB 2011, 1948; Jacob/Link, Zur Abkommensberechtigung einer französischen SICAV, IStR 2012, 949; Kirchmayr, Collective Investment Vehicles, IStR 2011, 673; Meinhardt, Quellensteuerbelastung ausländischer Zinserträge trotz Doppelbesteuerungsabkommen beim Direkt- und Investmentanleger, DStR 2003, 1780; Lipp, Die stille Gesellschaft in der deutschen Abkommenspraxis, IWB 2014, 760; Neumann, Abkommensberechtigung inländischer Investmentfonds ab 2018, FR 2018, 457; Rode/Neumann, Besteuerung von Erträgen aus intransparenten Publikums-Investmentvermögen bei Privatanlegern, FR 2012, 247; Sorgenfrei, Steuerlicher Transparenzgrundsatz und DBA-Berechtigung deutscher offener Investmentfonds, IStR 1994, 465; Staiger/Köth, Abkommensberechtigung einer französischen SICAV sowie des deutschen REIT, BB 2012, 2915; Teske, Zu einigen Steuerfragen im Umfeld der Investmentfonds, in Festschrift Flick 1997, 587; Vermeulen, Suggested Treaty Benefits Approaches for Collective Investment Vehicles (CIVs) and Ist Investors under the OECD MTC 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 5.1.1. Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 5.3.2 a.E. Vgl. etwa Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich. Vgl. BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 556, Rz. 13 zum DBA-USA 1989; v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788, Rz. 12 zum DBA-USA 1989; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356, Rz. 12 ff. zum DBAUSA 1989. Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. Vgl. BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 556, Rz. 15 zum DBA-USA 1989; v. 8.11.2010 – I R 106/09, BStBl. II 2014, 759, Rz. 12 ff. zum DBA-USA 1989; v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788, Rz. 17 ff. zum DBA-USA 1989. Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilferichtlinieUmsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 802. Gosch in Kirchhof18, § 50d EStG Rz. 44c mit erheblicher Kritik an der Gesamtregelung. Vgl. BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791 (Az. BVerfG: 2 BvL 15/14). Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1.

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Art. 1 Rz. 87

Unter das Abkommen fallende Personen

2010 update, INTERTAX 2011, 248; von Löwe, Österreichische Privatstiftung mit Stiftungsbeteiligten in Deutschland, IStR 2005, 577; von Oertzen, Trust – the never-ending story, DStR 2002, 433; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953; Stadler/Mager, Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 697; Wagner, Die Besteuerung des REIT, München 2010; Wienbracke, Die ertragsteuerliche Behandlung von trusts nach nationalem und nach DBA-Recht, RIW 2007, 201; Zinkeisen/Walter, Abkommensberechtigung von Investmentfonds, IStR 2007, 583.

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Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV). Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Personen, Gesellschaften und anderen juristischen Einheiten innerhalb der EU erleichtern. Rechtsgrundlage hierfür ist die VO über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV).1 Von einer Gesellschaft unterscheidet sich die EWIV hauptsächlich durch ihren Zweck, die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Mitglieder zu erleichtern oder zu entwickeln, sowie die Ergebnisse dieser Tätigkeit zu verbessern; sie hat nicht den Zweck, Gewinn für sich selbst zu erzielen (vgl. Art. 3 Abs. 1 EWIV-VO). Aus deutscher Sicht ist sie daher in der Regel keine Mitunternehmerschaft, sondern Hilfsgesellschaft.2 Abkommensrechtliche Einordnungskonflikte bestehen bei der EWIV nicht, weil nach Art. 40 EWIV-VO das Ergebnis der Tätigkeit der EWIV nur bei ihren Mitgliedern besteuert wird. Da alle Vertragsstaaten hieran gebunden sind, ist also – unabhängig von der Gewinnerzielungsabsicht der Vereinigung – steuerlich das Transparenzprinzip festgeschrieben.

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Investmentvermögen. Die Problematik der steuerrechtlichen Beurteilung von Investmentvermögen ist – insbesondere im internationalen Kontext – zum einen in der Vielfalt der rechtlichen Ausgestaltungen der Investmentvermögen selbst und der (steuer-)rechtlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Staaten begründet: Investmentgesellschaften können als Kapital- oder Personengesellschaften, aber auch z.B. als stille Gesellschaft, Trust oder in Form eines gemeinschaftlichen Eigentums oder Sondervermögens organisiert sein. Darüber hinaus unterliegen Investmentvermögen in vielen Staaten einem zivil- und oder steuerrechtlichen Sonderregime. In Deutschland sind hier das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und das InvStG zu beachten. Im Anwendungsbereich des KAGB wird Investmentvermögen als jeder Organismus für gemeinsame Anlage verstanden, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen der Anleger zu investieren, und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB). Das Investmentvermögen kann als Sondervermögen einer Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) oder als Investmentgesellschaft (Investmentaktiengesellschaft, Investmentkommanditgesellschaft) organisiert sein (vgl. § 1 Abs. 10 bzw. 11 KAGB).Wird ein Sondervermögen gebildet, so können die zu diesem Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände nach Maßgabe der Anlagebedingungen im Eigentum der KVG oder im Miteigentum der Anleger stehen (§ 92 Abs. 1 KAGB). Steuerlich ist das InvStG zu beachten. Dieses unterscheidet zunächst zwischen inländischen und ausländischen Investmentfonds. Die Unterscheidung ist nach dem Recht zu treffen, dem der Investmentfonds unterliegt. Nach § 2 Abs. 2 InvStG ist ein inländischer Investmentfonds ein Investmentfonds, der dem inländischen Recht unterliegt. Diese gelten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG als Zweckvermögen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und unterliegen damit grds. der deutschen unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Ausländische Investmentfonds sind nach § 2 Abs. 3 InvStG solche, die ausländischem Recht unterliegen. Diese gelten als Vermögensmassen nach § 2 Nr. 1 KStG und sind damit – entsprechende Einkünfte vorausgesetzt – in Deutschland beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Auf den Sitz des Fonds oder den Ort der Geschäftsleitung kommt es insoweit weder für die Einordnung als inländischer Fonds noch als ausländischer Fonds an. Für den sachlichen Umfang der Körperschaftsteuerpflicht unterscheidet § 6 Abs. 2 InvStG wiederum nicht mehr zwischen inländischen und ausländischen Fonds: Investmentfonds unterliegen danach (nur) mit ihren inländischen Immobilienerträgen und sonstigen inländischen Einkünften der Körperschaftsteuer.3 Unter den Voraussetzungen des § 15 InvStG sind sie von der Gewerbesteuer befreit. Die Anleger haben die Erträge aus dem Investmentfonds zu versteuern. Das sind nach § 16 InvStG Ausschüttungen des Investmentfonds nach § 2 Abs. 11 InvStG, Vorabpauschalen nach § 18 InvStG und Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen nach § 19 InvStG. Auf die Erträge ist weder § 3 Nr. 40 EStG nach § 8b KStG anzuwenden (§ 16 Abs. 3 InvStG). Um eine Doppelbelastung mit Körperschaft- und Einkommensteuer zu vermeiden 1 Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates v. 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung, ABl. EG Nr. L 199, 1. Vgl. auch Gesetz zur Ausführung der EGW-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung v. 14.4.1989, BGBl. I 1988, 514, zuletzt geändert durch Gesetz v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 2 Vgl. zur Hilfsgesellschaft z.B. BFH v. 30.9.2003 – III R 5/00, BStBl. II 2003, 289; v. 28.10.1999 – III R 42/97, BFH/ NV 2000, 747; BMF v. 12.2.2009 – IV C 6 - S 2246//08/10001 – DOK 2009/0080376, BStBl. I 2009, 398; Wacker in Schmidt37, § 15 EStG Rz. 327. 3 Besonderheiten sind für Spezial-Investmentfonds i.S.v. §§ 25 ff. InvStG zu beachten. Auf diese wird hier nicht weiter eingegangen.

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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 90 Art. 1

und zudem die fehlende Anrechenbarkeit ausländischer Quellensteuern auf Ebene des Fonds auszugleichen, sind die Erträge nach § 20 InvStG unterschiedlich nach Anleger und Anlage zum Teil von der Besteuerung freigestellt (30 %, 60 % oder 80 %). Abkommensrecht – ausländische Investmentfonds. Mit den sich abkommensrechtlich stellenden Fragen hat sich die OECD ausführlich im Musterkommentar auseinandergesetzt (vgl. Art. 1 Rz. 22–48 OECDMK). Vor dem Hintergrund, dass international kein einheitliches Verständnis über die Behandlung von Investmentvermögen besteht, wird angeregt, die Abkommensberechtigung bestimmter Publikums-Investmentvermögen in den Einzelabkommen zu verankern (vgl. Art. 1 Rz. 35 ff. OECD-MK).1 Mangels einer solchen Regelung ist für Deutschland als Anwenderstaat die abkommensrechtliche Einordnung von Investmentvermögen insbesondere problematisch, wenn ein ausländisches Investmentvermögen aus deutschen Quellen Einkünfte erzielt und zu entscheiden ist, ob dieses Investmentvermögen als im anderen Staat ansässige Person i.S.d. Art. 1 und – im Anwendungsbereich des Art. 10 – zudem als Nutzungsberechtigter der Erträge anzusehen ist. Entscheidend hierfür ist im Rahmen des durchzuführenden Typenvergleichs2 zunächst die zivilrechtliche Ausgestaltung des ausländischen Investmentvermögens. Liegt eine Investmentgesellschaft (vergleichbar mit der deutschen InvestmentAG) vor, und ist diese in ihrem Sitzstaat selbst unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig,3 so ist die Investmentgesellschaft aus deutscher Sicht eine im anderen Staat ansässige Person.4 Da Art. 1 i.V.m. Art. 4 für die Ansässigkeit nur auf die abstrakte unbeschränkte Steuerpflicht der Person abstellen, ist es insoweit unerheblich, ob die Investmentgesellschaft im Ausland steuerbefreit ist.5 Im Einzelnen gilt dies auch, wenn das ausländische Investmentvermögen mit einem deutschen Sondervermögen vergleichbar ist und das ausländische Steuerrecht dieses Sondervermögen der dortigen unbeschränkten (Körperschaft-)Steuerpflicht unterwirft.6 Zwar ist das von der ausländischen KVG gebildete Sondervermögen zivil- und auch steuerrechtlich kein selbständiger Rechtsträger; die Bildung eines Sondervermögens ist aber ausreichend, um eine Person im Sinne des Abkommens anzunehmen, weil es insoweit nicht auf deren Rechtsfähigkeit ankommt (vgl. Rz. 40). Ob die ausländische Steuerpflicht unmittelbar angeordnet wird oder auf einer Fiktion beruht, ist dem Grunde nach für die abkommensrechtliche Beurteilung unerheblich, weil dies jeweils nur eine unterschiedliche Regelungstechnik darstellt. Da die unbeschränkte Steuerpflicht aber auf dem Ort der Geschäftsleitung oder einen ähnlichen Merkmal beruhen muss (vgl. Art. 4 Abs. 1), ist es erforderlich, dass die ausländische Steuerpflicht des Investmentvermögens zumindest an eine (tatsächliche) Verwaltung dieses Vermögens in dem anderen Staat anknüpft, die mit der Geschäftsführung eines selbständigen Rechtsträgers vergleichbar ist. Zu berücksichtigen ist, dass die Abkommensberechtigung (auch) von Investmentvermögen in einzelnen Abkommen in Abhängigkeit von der Anlegerstruktur beschränkt sein kann (sog. Limitation on Benefits-Klauseln, vgl. hierzu Rz. 113). Zu beachten ist zudem, dass § 16 Abs. 4 InvStG ein treaty override für Anleger mit Ansässigkeit in Deutschland enthält. Danach ist die in einem DBA vorgesehene Freistellung für Ausschüttungen eines ausländischen Investmentfonds nur zu gewähren, wenn die in § 16 Abs. 4 InvStG genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

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Abkommensrecht – Inländische Investmentfonds. Mit der Neuregelung des Investmentsteuerrechts durch das Investmentsteuerreformgesetz vom 19.7.20167 ist ab dem 1.1.2018 fraglich geworden, ob ein inländischer Investmentfonds eine in Deutschland ansässige Person i.S. von Art. 4 Abs. 1 ist und sich damit auf ein zwischen Deutschland und einem Quellenstaat nach dem OECD-MA geschlossenes DBA berufen kann.

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1 Eine solche Regelung ist etwa im DBA-Irland enthalten, vgl. Nr. 1 Buchst. b des Protokolls zum DBA-Irland. Auch die deutsche Verhandlungsgrundlage (deutsches Musterabkommen) enthält in Art. 27 Abs. 5 Regelungen über Investmentvermögen. 2 Vgl. BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BStBl. II 240, Rz. 12 zur französischen SICAV; Jacob/Link, IStR 2012, 949; Staiger/ Köth, BB 2012, 2915; auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 33b (Stand: März 2012). Zur Einordnung der luxemburgischen SICAV vgl. FG Sachsen-Anhalt v. 22.3.2017 – 3 K 383/16, EFG 2017, 1943 (Rev. BFH I R 61/17); FG Düsseldorf v. 17.10.2017 – 6 K 1141/14 K,G,F, EFG 2017, 1939 (rkr.); FG Hessen v. 29.11.2017 – 4 K 1186/16, juris (Rev. BFH I R 1/18) sowie Bünning/Lorberg, RdF 2018, 223. 3 Vgl. BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BStBl. II 2014, 240, Rz. 13 zur französischen SICAV. 4 Vgl. auch die Diskussion zu ausländischen intransparenten Personengesellschaften: Rz. 68. 5 Vgl. BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BStBl. II 2014, 240, Rz. 12; FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828, Rz. 33 ff. zum DBA-Frankreich; Englisch in Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG 2010, § 11 InvStG a.F. Rz. 84; Zinkeisen/Walter, IStR 2007, 583 (583); Geurts/Jacob, IStR 2007, 737 (738); Meinhardt, DStR 2003, 1780 (1781), da Silva, INTERTAX 2011, 195 (200). Für die Abkommensberechtigung eines inländischen Zweckvermögens: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 33a (Stand: März 2012); a.A. FG Nds. v. 29.3.2007 – 6 K 514/03, EFG 2007, 1223 (rkr.) zum DBA-FRA; in diesem Sinne auch unter Hinweis auf den OECD-MK: Haase, INTERTAX 2011, 337 (341); Kirchmayr, IStR 2011, 673 (675). Vgl. i.Ü. auch die allgemeinen Ausführungen unter Rz. 42. 6 Vgl. Kirchmayr, IStR 2011, 673 (674); Sorgenfrei, IStR 1994, 465 (468), Täske in FS Flick 1997, 587 (597). 7 Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung – Investmentsteuerreformgesetz v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730.

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Art. 1 Rz. 90

Unter das Abkommen fallende Personen

Die deutsche Finanzverwaltung scheint hiervon auszugehen.1 Das ist aber nicht zweifelsfrei:2 Zunächst ist nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 nur eine solche Person in dem Vertragsstaat i.S.v. Art. 1 Abs. 1 ansässig, die in diesem Staat auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Orts ihrer Geschäftsleitung oder eines ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Das ist nach dem Wortlaut von §§ 2 Abs. 2, 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG nicht der Fall. Das InvStG stellt vielmehr für die Begründung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausschließlich darauf ab, dass der Investmentfonds deutschem Recht unterliegt. Damit ein inländischer Investmentfonds also eine in Deutschland ansässige Person ist, müsste die in § 6 InvStG fingierte Steuerpflicht trotz ihrer sachlichen Beschränkung auf Einkünfte aus bestimmten inländischen Quellen (vgl. § 6 Abs. 2 InvStG) eine „unbeschränkte“ Steuerpflicht (vgl. dazu Rz. 32) darstellen3 und die Anwendbarkeit des deutschen Rechts als ein „ähnliches Merkmal“ i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 gesehen werden können.4 Die Frage der unbeschränkten Steuerpflicht inländischer Investmentfonds stellt sich ein zweites Mal vor dem Hintergrund von Art. 4 Abs. 1 Satz 2. Danach ist eine Person nicht in einem Staat ansässig, wenn sie in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat belegenem Vermögen steuerpflichtig ist (zur Frage des Verhältnisses zu Art. 4 Abs. 1 Satz 1 vgl. Art. 4 Rz. 59). Angesichts des Wortlauts von § 6 Abs. 1 und 2 InvStG dürfte es eher schwerfallen, von einer unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht inländischer Investmentfonds auszugehen. Das gilt umso mehr, als § 6 Abs. 2 InvStG für den sachlichen Umfang der Steuerpflicht nicht zwischen inländischen und ausländischen Investmentfonds unterscheidet, sondern diese einheitlich regelt. Regelungstechnisch entsprechen sich im Anwendungsbereich des InvStG damit die unbeschränkte und die beschränkte Steuerpflicht in ihrem Inhalt. Das bedeutet auch: Für inländische Investmentfonds wird ein Sonderregime innerhalb der deutschen unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht errichtet, die im Übrigen dem Welteinkommensprinzip folgt.5 Damit verbunden, dass die Steuerpflicht zumindest formal nicht an ein ortsbezogenes Merkmal anknüpft, dürfte auch in einer Gesamtschau letztendlich zweifelhaft sein, ob aus Sicht des jeweiligen Quellenstaats als Anwenderstaat bzw. dessen Finanzverwaltung ein deutscher Investmentfonds tatsächlich als hier ansässige Person anzusehen ist. 91

Real Estate Investment Trusts (REITs). Ähnliche Fragen, wie bei den oben angesprochenen Investmentgesellschaften, stellen sich auch bei den Real Estate Investment Trusts (REITs). Diese sind häufig auch international als Kapitalgesellschaften organisiert. In der Regel sind REITs somit abkommensrechtlich als eine „Person“ im Sinne des Art. 1 anzusehen. Soweit der REIT in seinem Sitzstaat der unbeschränkten (Körperschaft-)Steuerpflicht unterliegt, ist er auch ansässige Person. Allerdings sind REITs in der steuerlichen Konzeption unabhängig von ihrer Rechtsform insoweit (weitgehend) transparent, als die Gewinne auf Ebene des REIT steuerbefreit sind und die Erträge erst auf Ebene der Gesellschafter/Anleger besteuert werden. In Deutschland folgt die Steuerbefreiung der REITs aus § 16 REITG. Da Art. 1 i.V.m. Art. 4 für die Ansässigkeit nur auf die abstrakte unbeschränkte Steuerpflicht der Person abstellen, ist es insoweit – wie auch bei der Investmentgesellschaft ausgeführt – unerheblich, ob der REIT ggf. auf Grund einer § 16 Abs. 1 REITG entsprechenden Norm im Ausland steuerbefreit ist.6

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Stille Gesellschaften. Stille Gesellschaften sind reine Innengesellschaften. Abkommensrechtlich führt dies dazu, dass eine stille Gesellschaft selbst keine ansässige Person im Sinne des Art. 1 ist. Abkommensberech1 So soll dem Vernehmen nach einem inländischen Investmentfonds und einem inländischen Spezial-Investmentfonds eine steuerliche Ansässigkeitsbescheinigung zu erteilen sein. Hier ist aber noch die abschließende Positionierung der Finanzverwaltung im Anwendungsschreiben zum InvStG abzuwarten. 2 Keine Abkommensberechtigung: Mann in Blümich, § 6 InvStG Rz. 90 ff. (Stand: Juni 2018). 3 Auch insoweit ist die abschließende Positionierung der Finanzverwaltung in einem Anwendungsschreiben zum InvStG abzuwarten. Vgl. auch Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1956); Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, Einführung zum InvStG Anm. 8 (Stand: August 2018): partielle Steuerbefreiung aller ausländischen Einkünfte bei grds. bestehender unbeschränkter Steuerpflicht; a.A. Mann in Blümich, § 6 InvStG Rz. 90 ff. (Stand: Juni 2018): Form der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. 4 In diesem Sinne: Neumann, FR 2018, 457 (460). Hat ein als Investmentaktiengesellschaft organisierter Investmentfonds zudem tatsächlich den Ort der Geschäftsleitung im Inland, wäre dieser zudem – ohne die Fiktion des § 6 Abs. 1 InvStG – schon nach allgemeinen Grundsätzen eben auf Grund dieses Orts der Geschäftsleitung in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). 5 Grundsätzlich bezieht sich Satz 2 nicht auf Personen, die in bestimmten Staaten auch bei Wohnsitz im Inland nach dem Territorialitätsprinzip besteuert werden. Hier ist es für die Begründung der Ansässigkeit ausreichend, wenn die Person im potentiellen Ansässigkeitsstaat – unabhängig von einer tatsächlichen Besteuerung – der in diesem Staat weitestgehenden Form der Steuerpflicht unterliegt, Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 120. Das ist aber gerade hier nicht der Fall. 6 Vgl. Blaas/Ruoff in Seibt/Conradi, Handbuch REIT AG, Rz. 723; Helios in Helios/Wewel/Wiesbrock, REIT-Gesetz 2008, § 16 Rz. 26 (die DBA sollen hiernach aber lediglich für die in einem der Vertragsstaaten ansässigen Personen anwendbar sein); Wagner, Die Besteuerung des REIT 2010, S. 114 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECDMA Rz. 33e (Stand: März 2012). Vgl. i.Ü. auch die allgemeinen Ausführungen unter Rz. 42.

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C. Hybride Gesellschaften (Abs. 2)

Rz. 93 Art. 1

tigt sind damit nur der stille Gesellschafter bzw. der Geschäftsherr, sofern diese die Voraussetzungen einer ansässigen Person erfüllen. Im Übrigen ist zumindest aus deutscher Sicht zwischen der typisch stillen Gesellschaft und der atypisch stillen Gesellschaft zu unterscheiden. Einkünfte aus typisch stillen Gesellschaften stellen nach deutschem innerstaatlichem Recht Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) dar; in den meisten deutschen Abkommen werden diese Einkünfte als Dividenden behandelt.1 Nach dem OECD-MA sind die Bezüge des (typisch) stillen Gesellschafters dagegen Zinsen i.S. des Art. 11.2 Einkünfte aus atypisch stillen Gesellschaften gehören nach innerstaatlichem Recht zu den Einkünften aus einer Mitunternehmerschaft (gewerblichen Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Abkommensrechtlich liegen nach deutscher Vorstellung Unternehmensgewinne vor (Art. 7).3 Insbesondere hier kann es international zu unterschiedlichen Zuordnungen innerhalb der Verteilungsnormen kommen – (objektive Qualifikationskonflikte). Stiftungen/Trusts. Stiftungen, die nach ihrem Heimatrecht rechtsfähig sind, unterliegen i.d.R. auch dort der unbeschränkten (Körperschaft-)Steuerpflicht. In Deutschland folgt dies aus § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG. Abkommensrechtlich sind rechtsfähige Stiftungen somit ansässige Personen i.S.d. Art. 1. Nur ausnahmsweise ist das Vermögen einer solchen Stiftung einer anderen Person zuzurechnen. Das kann der Fall sein, wenn die Stiftung als Treuhänderin für diese andere Person agiert, etwa weil sich der Stifter das jederzeitige Weisungsrecht gegenüber den Organen der Stiftung sowie den jederzeitigen Widerruf der Stiftung vorbehalten hat.4 In ganz extremen Ausnahmefällen ist es zudem möglich, dass die Stiftung wegen eines Verstoßes gegen den ordre public nicht anzuerkennen ist.5 Ist die Stiftung auch steuerlich anzuerkennen, so erzielen die Begünstigten allenfalls im Fall der Auskehrung steuerpflichtige Einkünfte. Ob diese Auskehrungen in Deutschland zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen, war umstritten; die Finanzverwaltung geht davon aus, dass insoweit § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfüllt ist.6 Eine entsprechende Regulierung ist ab dem Veranlagungszeitraum 2011 durch das JStG 20107 in § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG aufgenommen worden. Bei ausländischen Familienstiftungen ist zudem § 15 AStG zu beachten. Gleiches gilt im Grundsatz auch für nichtrechtsfähige Stiftungen und Trusts, sofern diese im Ausland der unbeschränkten (Körperschaft-)Steuerpflicht unterliegen. Hier scheitert die Einordnung als abkommensberechtigte Person auch nicht an der fehlenden Rechtsfähigkeit der jeweiligen Stiftung bzw. des Trust (vgl. Rz. 40).8 Insbesondere bei einem Trust ausländischen Rechts stellt sich allerdings – vorbehaltlich etwaiger Sonderregelungen in dem konkret anzuwendenden DBA – die Frage, wem aus deutscher Sicht das Vermögen bzw. die Einkünfte zuzurechnen sind bzw. wer Nutzungsberechtigter i.S. der Art. 10 bis 12 ist. Eine Zurechnung des zivilrechtlich von den Trustees gehaltenen Vermögens kommt hier in Person des Settlors, der Anfallsberechtigten oder des Trusts selbst in Betracht.9 Sind die Erträge bzw. ist das Vermögen dem Settlor oder den Anfallsberechtigten zuzurechnen, so ist auch für die Abkommensanwendung auf diese Personen abzustellen. Auf die Ansässigkeit des Trusts kommt es in diesem Fall nicht weiter an.

C. Hybride Gesellschaften (Abs. 2) Ausgewählte Literatur: Bendlinger, Das OECD-Musterabkommen 2017, SWI 2017, 450; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, Das neue OECD-Musterabkommen 2017, DB 2018, 1171; M. Lang, Einkünftezurechnung und Entwurf zu Art. 1 Abs. 2 OECD-MA, SWI 2015, 153; Häck/Spierts, Fallbeispiele zum DBA Deutschland – Niederlande 2012, IStR 2014, 58; Jochum, Die Behandlung hybrider Gesellschaften nach dem neuen DBA Deutschland – Niederlande, IStR 2014, 1; Schnitger/Oskam, Empfehlungen der OECD zur Neutralisierung von „Hybrid Mismatches“ auf Abkommensebene, IStR 2014, 385.

1 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1.3. 2 Vgl. Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 165; Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 63a; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.333. 3 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1.2. 4 Vgl. BFH v. 22.12.2010 – I R 84/09, BStBl. II 2014, 361, Rz. 12; Schütz, DB 2008, 603 (605); von Löwe, IStR 2005, 577 (579); kritisch: Daragan, DB 2011, 2223. 5 Vgl. zu einem Verstoß gegen den ordre public, wenn die Stiftung hauptsächlich der Steuerhinterziehung dient: OLG Düsseldorf v. 30.4.2010 – I-22 U 126/06, IStR 2011, 475. Kritisch: Lennert/Blum, IStR 2011, 492. 6 Vgl. BMF v. 27.6.2006 – IV B 7-S 2252-4/06, BStBl. I 2006, 417 ohne Differenzierung nach in- und ausländischen Stiftungen. 7 JStG 2010 v. 8.12.2010, BStBl. I 2010, 1768. 8 Vgl. speziell zum Trust: Wienbracke, RIW 2007, 201 (204). 9 Vgl. mit Ausführungen zu den Abgrenzungskriterien: BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388, Rz. 14 zu einem Jersey-Trust; v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727, Rz. 22 ff. zu einem US-Trust.

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Art. 1 Rz. 94

Unter das Abkommen fallende Personen

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Historie/Regelungsziel/Reichweite. Art. 1 Abs. 2 entspricht weitgehend Art. 3 Abs. 1 MLI. Die Regelung hat im bisherigen OECD-MA kein Vorbild. Ziel von Art. 1 Abs. 2 ist es, die Ergebnisse des OECD-Partnership-Reports 19991 zur Besteuerung von hybriden Personengesellschaften, also von Personengesellschaften, die von einem der Vertragsstaaten als steuerlich transparent angesehen werden, im OECD-MA zu verankern.2 Nach dem OECD-MK ist der Partnership-Report daher in Zweifelsfällen als Hilfe für die Auslegung und Anwendung von Art. 1 Abs. 2 heranzuziehen.3 Über die Regelungen im Partnership-Report hinaus umfasst der Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 2 allerdings nicht nur Personengesellschaften, sondern darüber hinaus jedwede Gebilde, die von zumindest einem der Vertragsstaaten für steuerliche Zwecke vollständig oder zum Teil als transparent behandelt werden („entities or arrangements“). Art. 1 Abs. 2 soll dabei einerseits die Anwendbarkeit des Abkommens in geeigneten Fällen sicherstellen, aber auch verhindern, dass Einkünfte unter das Abkommen fallen, die von dem Sitzstaat des Rechtsträgers oder Gebildes nach dessen innerstaatlichem Recht nicht als Einkommen einer dort ansässigen Person behandelt werden.4 Im persönlichen Anwendungsbereich wendet sich Art. 1 Abs. 2 ausschließlich an den Quellenstaat.5

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Deutsche Vorbehalte/Abkommenspraxis. Deutschland hat sich vorbehalten, Art. 1 Abs. 2 nicht in seine Abkommen aufzunehmen.6 Da Deutschland zudem in Bezug auf die Regelungen des MLI zu den hybriden Gesellschaften (u.a. Art. 3 Abs. 1 MLI) von der Möglichkeit der Nichtanwendung Gebrauch gemacht hat und auch der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für DBA („deutsches Muster-DBA“) keine entsprechende Regelung enthält, ist zu erwarten, dass Art. 1 Abs. 2 auch nicht in die deutsche Abkommenspraxis Einzug halten wird. Insoweit wird daher weiterhin auf die bisherigen, unter Art. 1 Abs. 1 ausgeführten allgemeinen Grundsätze abzustellen sein. Allerdings wurden in einzelnen von Deutschland bereits geschlossenen DBA Regelungen aufgenommen, die Art. 1 Abs. 2 weitgehend entsprechen.7

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Einkünfte werden durch oder über Rechtsträger oder Gebilde bezogen. Der Begriff der Rechtsträger oder Gebilde („entities or arrangements“), wie ihn Art. 1 Abs. 2 verwendet, ist denkbar weit zu fassen. Insbesondere werden hiervon auch Einheiten umfasst, die nach dem Recht des Ansässigkeitsstaats keine Rechtspersönlichkeit besitzen und auch nicht die Voraussetzungen an eine Person i.S.v. Art. 3 Abs. 1 erfüllen.8 In diesen Fällen handelt es sich zumindest um „Gebilde“ i.S. von Art. 1 Abs. 2. Der OECD-MK nennt insoweit als Beispielsfälle für den Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 2: Personengesellschaften sowie Trusts. Zudem sind hiervon auch z.B. Investmentfonds umfasst. Der Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 2 ist auch nicht auf Rechtsträger oder Gebilde mit Sitz in einem der Vertragsstaaten begrenzt. Damit regelt Art. 1 Abs. 2 auch Fälle von Drittstaatengesellschaften oder -gebilden.9 Die weite Auslegung des Anwendungsbereichs beruht auf dem Ziel von Art. 1 Abs. 2, eine möglichst umfassende Lösung für Besteuerungskonflikte im Zusammenhang mit steuerlich transparenten Strukturen bereitzustellen. Diese Sichtweise ist aber auch der Gegenüberstellung der „Rechtsträger“ („entities“) einerseits und den „Gebilden“ („arrangements“) andererseits zu entnehmen. Eine weite Auslegung ist auch in Bezug auf die „Einkünfte“ („income“) vorzunehmen. Im Ergebnis sind darunter alle Einkunftsarten zu fassen, die Gegenstand der Verteilungsnormen des Abkommens sein können.10 Durch einen Rechtsträger oder ein Gebilde bezogen bedeutet, dass der Rechtsträger oder das Gebilde nach dem Recht des Anwenderstaats selbst steuerliches Zuordnungssubjekt der Einkünfte ist.11 Über einen Rechtsträger oder ein Gebilde werden die Einkünfte bezogen, wenn die Einkünfte den Gesellschaftern oder anderen hinter dem Rechtsträger oder dem Gebilde stehenden Personen zugerechnet werden.12 Auch hier ist ersichtlich, dass Art. 1 Abs. 2 möglichst sämtliche Konstellationen abzudecken sucht. Die Rechtsträger oder Gebilde müssen aber selbst Nutzungsberechtige (beneficial owner) des jeweiligen Anspruchs sein: 1 OECD, The Application of the OECD-Model Tax Convention to Partnerships v. 20.1.1999. 2 Vgl. Art. 1 Rz. 2 Satz 1 OECD-MK. 3 Vgl. Art. 1 Rz. 2 Satz 2 OECD-MK. Weder der OECD-MK noch der Partnership-Report sind Teil des Abkommens. Sie werden damit auch nicht Teil des innerstaatlichen Rechts (Vgl. Rz. 25). 4 Vgl. Art. 1 Rz. 5 Satz 1 OECD-MK. 5 Vgl. Kestler in Haase (Hrsg.), Multilaterales Instrument, 2017, Art. 3 Rz. 10 zum gleichlautenden Art. 3 Abs. 1 MLI; Loukota, SWI 2015, 102 (105); Schnitger/Oskamp, IStR 2014, 385 (387). 6 Vgl. Art. 1 Rz. 114 OECD-MK. 7 Vgl. etwa: Art. 1 Abs. 7 DBA-USA; Abschn. I Abs. 2 Prot. DBA-Niederlande; Art. 1 Abs. 2 DBA-Australien; Art. 1 Abs. 2 DBA-Japan; auch etwa Art. 1 Abs. 7 DBA-USA. 8 Art. 1 Rz. 7 Satz 1 OECD-MK. 9 Art. 1 Rz. 7 Satz 3 OECD-MK unter Hinweis auf Bsp. 2 des Partnership-Reports. 10 Art. 1 Rz. 8 OECD-MK. 11 In diesem Sinn ist „durch“ einen Rechtsträger bezogen gleichbedeutend mit „von“ einem Rechtsträger bezogen. Vgl. zum DBA-USA: Wolff in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 10 u. 71 (Stand: Mai 2011), der davon ausgeht, dass durch einen Rechtsträger bezogene Einkünfte nicht von Art. 1 Abs. 7 DBA-USA erfasst sind. 12 Vgl. Kestler in Haase (Hrsg.), Multilaterales Instrument, 2017, Art. 3 Rz. 21 zum gleichlautenden Art. 3 Abs. 1 MLI.; Wolff in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 111 (Stand: Mai 2011).

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C. Hybride Gesellschaften (Abs. 2)

Rz. 99 Art. 1

Nicht ausreichend ist es, wenn etwa Zahlungen als Vertreter oder Treuhänder für eine andere Person entgegengenommen werden.1 Da nur Einkünfte von Art. 1 Abs. 2 umfasst sind, die durch oder über den Rechtsträger oder das Gebilde „bezogen“ werden, beschränkt sich der Anwendungsbereich bereits nach dem Wortlaut ausschließlich auf den Quellenstaat. Leistungen des Rechtsträgers oder Gebildes selbst, etwa Ausschüttungen an deren Gesellschafter, sind nicht von der Regelung umfasst.2 Behandlung der Rechtsträger oder Gebilde durch einen der Vertragsstaaten als ganz oder zum Teil 97 steuerlich transparent. Steuerliche Transparenz bedeutet nach Auffassung des OECD-MK, dass nach dem innerstaatlichen Recht eines der Vertragsstaaten das Einkommen des Rechtsträgers oder Gebildes nicht bei diesen selbst, sondern bei deren Gesellschaftern oder – insbesondere bei „Gebilden“ – vergleichbaren Personen besteuert werden.3 Dieses Verständnis entspricht dem deutschen Mitunternehmerkonzept. Zum Teil wird auch diskutiert, ob eine Durchgriffsbesteuerung wie die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung als eine transparente Besteuerung zu verstehen ist.4 Im Ergebnis dürfte das abzulehnen sein. Auch für eine ertragsteuerliche Organschaft führt dies nicht dazu, dass die Organgesellschaft abkommensrechtlich i.S. von Art. 1 Abs. 2 transparent ist. Umfasst von Art. 1 Abs. 2 sind aber Konstellationen, in denen der Rechtsträger nur für einen Teil der Einkünfte als steuerlich transparent behandelt wird. Das sind die Fälle der deutschen KGaA oder der „offenen“ niederländischen CV5. Erforderlich aber auch ausreichend für § 1 Abs. 2 ist, dass die steuerliche Transparenz nach dem Recht eines der Vertragsstaaten besteht. Auf die Behandlung durch den zweiten Vertragsstaat kommt es dann nicht mehr an. Dem Regelungsbereich des § 1 Abs. 2 unterfallen daher sowohl die Fälle, in denen der andere Vertragsstaat den Rechtsträger oder das Gebilde selbst als (steuerlich intransparentes) Steuersubjekt ansieht (hybride Struktur), als auch die Fälle, in denen beide Vertragsstaaten von einer Transparenz für steuerliche Zwecke ausgehen.6 Tatsächlich werden sich Besteuerungskonflikte aber im Wesentlichen in hybriden Strukturen ergeben. Einkünfte werden von einem der Vertragsstaaten für Zwecke der Besteuerung als Einkünfte einer in diesem Staat ansässigen Person behandelt. § 1 Abs. 2 knüpft, anders als Art. 4 Abs. 1 für die Bestimmung der ansässigen Personen, nicht an die Steuerpflicht dieser Person an, sondern an der Einkünftezurechnung. Dabei ist nur entscheidend, dass die fraglichen Einkünfte überhaupt einer in diesem Staat ansässigen Person zugerechnet werden. Nach welchem Maßstab die Zurechnung zu erfolgen hat, gibt § 1 Abs. 2 nicht ausdrücklich vor. Da die die Zurechnung aber für Zwecke der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat dieser Person erfolgen muss, kann insoweit nur auf das innerstaatliche Recht dieses Ansässigkeitsstaats abzustellen sein. Die Frage der Steuerpflicht stellt § 1 Abs. 2 selbst nicht, sondern setzt insoweit eine ansässige Person – also eine Person, die mit ihren Einkünften im Ansässigkeitsstaat i.S.v. Art. 4 Abs. 1 steuerpflichtig ist – voraus. Nicht erforderlich ist darüber hinaus, dass die Einkünfte dem Rechtsträger bzw. Gebilde steuerlich zuzurechnen sind. Nach dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 müssen die Einkünfte nur (irgendeiner) im Vertragsstaat ansässigen Person zugerechnet werden. Das können auch die Gesellschafter oder vergleichbare, hinter dem Rechtsträger oder Gebilde stehende Personen sein.7

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Rechtsfolge: Einkünfte gelten als Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person. Rechtsfolge von Art. 1 Abs. 2 ist die Fiktion, dass die Einkünfte als von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person gelten. Das bedeutet zunächst, dass das zwischen diesen beiden Vertragsstaaten geltende DBA für die steuerliche Beurteilung durch den Quellenstaat Anwendung findet. Damit ist aber noch nicht abschließend gesagt, welcher Person diese Einkünfte für die abkommensrechtliche Beurteilung zuzurechnen sind.8 In einer Drei-Staaten-Konstellation – Quellenstaat ist der Staat A, dem Rechtsträger/Gebilde werden nach dessen Recht die Einkünfte im Staat B steuerlich zugerechnet, die Gesellschafter sind im Staat C ansässig – ist eindeutig, dass für die Anwendung des zwischen den Staaten A und B geschlossenen DBA die Einkünfte dem Rechtsträger/Gebilde zuzurechnen sind. Hieran ist auch der Quellenstaat gebunden. Liegt dagegen eine

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1 Art. 1 Rz. 13 Satz 1 OECD-MK. 2 Vgl. Kestler in Haase (Hrsg.), Multilaterales Instrument, 2017, Art. 3 Rz. 21 zum gleichlautenden Art. 3 Abs. 1 MLI; Wolff in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 111 (Stand: Mai 2011). 3 Art. 1 Rz. 9 Satz 1 OECD-MK. Eine entsprechende Definition ist etwa in Art. 1 Abs. 2 Satz 2 DBA-Japan enthalten. 4 Vgl. Kestler in Haase (Hrsg.), Multilaterales Instrument, 2017, Art. 3 Rz. 17 zum gleichlautenden Art. 3 Abs. 1 MLI; Schnitger/Oskamp, IStR 2014, 385 (388). 5 Art. 1 Rz. 10 OECD-MK. Zur „offenen“ niederländischen und der Beurteilung nach dem DBA-Niederlande vgl. ausführlich Häck/Spierts, IStR 2014, 58. 6 Kestler in Haase (Hrsg.), Multilaterales Instrument, 2017, Art. 3 Rz. 20 zum gleichlautenden Art. 3 Abs. 1 MLI. 7 Kestler in Haase (Hrsg.), Multilaterales Instrument, 2017, Art. 3 Rz. 22 zum gleichlautenden Art. 3 Abs. 1 MLI. 8 Zur vergleichbaren Diskussion zu Art. 1 Abs. 7 DBA-USA vgl. Jochum, IStR 2014, 1 (3). Dazu etwa Schönfeld, IStR 2007, 274, Anger/Sewtz, IStR 2009, 273 einerseits und Wolf in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 113 (Stand: Mai 2011) sowie Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland–USA, 2009, Art. 1 Rz. 73 ff. andererseits.

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Art. 1 Rz. 99

Unter das Abkommen fallende Personen

Zwei-Staaten-Konstellation vor – Quellenstaat ist der Staat A, der Rechtsträger/das Gebilde und die Gesellschafter sind in Staat B ansässig – ist zwar wiederum eindeutig das zwischen den Staaten A und B geschlossene Abkommen anzuwenden. Nicht eindeutig ist aber hier, ob der Quellenstaat A hier an die Einkünftezurechnung des Staats B gebunden ist, wenn dieser den Rechtsträger bzw. das Gebilde steuerlich als intransparent ansieht und diesem die Einkünfte zurechnet.1 Im Ergebnis wird das zu bejahen sein (siehe bereits Rz. 68). Für den insoweit gleichlautenden Art. 1 Abs. 2 DBA-Australien ist hierzu im Protokoll zu diesem DBA2 eine Sonderregelegung aufgenommen worden: Für die Ermittlung des Quellensteuersatzes ist Art. 10 in diesen Fällen so anzuwenden, als habe die ansässige Person diese Einkünfte erzielt. Wie die Denkschrift zu Art. 1 des DBA-Australien zeigt, ist damit die Person gemeint, die die Einkünfte zu versteuern hat. Die Denkschrift bildet dazu das Beispiel einer Gewinnausschüttung einer deutschen GmbH an eine australische Gesellschaft, deren Gewinne nach australischem Recht deren Gesellschaftern (natürliche Personen) zugerechnet werden, und kommt zu dem Ergebnis, dass hier ein Quellensteuersatz von weniger als 15 % (Quellensteuersatz für natürliche Personen) ausgeschlossen ist. Der im OECD-MK bildet zur Wirkungsweise von Abs. 2 folgendes Beispiel:3 Staat A und Staat B haben ein DBA nach dem OECD-Muster geschlossen. Staat A qualifiziert einen in Staat B errichteten Rechtsträger als Kapitalgesellschaft und besteuert diese mit Zinsen, die dieser Rechtsträger von einem Gläubiger mit Ansässigkeit im Staat A erzielt. Nach dem innerstaatlichen Recht des Staats B wird der Rechtsträger allerdings als Personengesellschaft behandelt und die beiden Gesellschafter, die an den Gewinnen jeweils hälftig beteiligt sind, werden dementsprechend jeweils mit der Hälfte der erzielten Gewinne besteuert. Ein Gesellschafter ist im Staat B ansässig. Der andere Gesellschafter ist in einem Staat ansässig, mit dem weder Staat A noch Staat B ein Abkommen geschlossen haben.

Art. 1 Abs. 2 führt in diesem Beispiel nach dem OECD-MK dazu, dass für die abkommensrechtliche Beurteilung aus der Sicht des Quellenstaats A die Hälfte der Zinsen für die Anwendung von Art. 11 als Einkommen einer in Staat B ansässigen Person gelten. 100

Reichweite der Fiktion. Nicht ganz klar ist die Reichweite der in Art. 1 Abs. 2 enthaltenen Fiktion. Nach dem OECD-MK soll mit Art. 1 Abs. 2 die steuerliche Einordnung des Rechtsträgers/Gebildes oder die innerstaatliche Zuordnung der Einkünfte nicht verändert werden. Vorgegeben wird lediglich die Anwendung des Abkommens und damit die Beschränkung des Besteuerungsrechts des Quellenstaats nach diesem Abkommen.4 Das bedeutet darüber hinaus nicht, dass ein anderes Abkommen das Besteuerungsrecht des Quellenstaats nicht noch weiter einschränken kann. Hier sind auch gewisse Parallelen zur Diskussion nach Einführung von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG zu sehen (vgl. Rz. 63).

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Position des BFH. Der BFH hat dagegen zu dem mit Art. 1 Abs. 2 weitgehend wortgleichen Art. 1 Abs. 7 DBA-USA entschieden, dass auf Grund der dort enthaltenen Fiktion die im Urteilsfall zu beurteilende S-Corporation als ansässige Person und Nutzungsberechtigte i.S.d. Art. 10 DBA-USA anzusehen sei. Entscheidend sei hier, dass Deutschland als Quellenstaat der S-Corporation die Einkünfte zurechne. Die fehlende Steuerpflicht werde durch Art. 1 Abs. 7 DBA-USA ersetzt.5 Diese Sichtweise führt allerdings dazu, dass das abkommensrechtliche Schachtelprivileg für Ausschüttungen an eine Kapitalgesellschaft zu gewähren war, obwohl nach US-amerikanischem Recht nicht die Kapitalgesellschaft selbst, sondern deren Gesellschafter (natürliche Personen) der Besteuerung unterlegen haben. Im umgekehrten Fall – die ausländische Gesellschaft ist aus deutscher Sicht transparent, wird aber im Sitzstaat als Körperschaft besteuert – wäre auf Grundlage der Rechtsprechung die Schachtelbefreiung dagegen nicht zu gewähren.6 Beides zeigt, dass sich bei strikt anwenderstaatsorientierter Sichtweise inkonsistente Ergebnisse nicht immer vermeiden lassen.

D. Saving Clause (Abs. 3) Ausgewählte Literatur: Bendlinger, Das OECD-Musterabkommen 2017, SWI 2017, 450; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, Das neue OECD-Musterabkommen 2017, DB 2018, 1171; Grotherr, Einschränkungen von Abkommensvergünstigungen 1 Für eine solche Qualifikationsverkettung auch in diesem Fall: Kestler in Haase (Hrsg.), Multilaterales Instrument, 2017, Art. 3 Rz. 24 zum gleichlautenden Art. 3 Abs. 1 MLI. 2 Protokoll Nr. 3 zu Art. 1 Abs. 2 und Art. 10 des DBA-Australien. 3 Nach dem in Art. 1 Rz. 6 OECD-MK gebildeten Beispiel. 4 Vgl. Art. 1 Rz. 14 OECD-MK. 5 Vgl. BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367 zum DBA-USA. 6 Bei einer Maßgeblichkeit des Rechts des Sitzstaats wäre dagegen das Schachtelprivileg grundsätzlich zu gewähren. Einzelne DBA schließen Nutzungsberechtige, die Personengesellschaften sind, allerdings ausdrücklich von dem Schachtelprivileg aus, vgl. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-Niederlande; vgl. auch Protokoll Nr. 3 zu Art. 1 Abs. 2 und Art. 10 des DBA-Australien.

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D. Saving Clause (Abs. 3)

Rz. 106 Art. 1

durch das Multilaterale Instrument, FR 2017, 767; Kofler, Some Reflections on the „Savings Clause“, INTERTAX 2016, 574.

Historie/Regelungsziel/Reichweite. Art. 1 Abs. 3 entspricht in seinem Regelungsgehalt Art. 11 MLI. Ver- 102 gleichbare Regelungen sind im US-Musterabkommen enthalten.1 Die Bestimmung hat die nach innerstaatlichem Recht in den USA bestehende umfassende Besteuerung amerikanischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz und der in den USA gegründeten Gesellschaften mit Ort der Geschäftsleitung außerhalb der USA vor Augen und soll diese auch auf Abkommensebene sichern.2 In dem bisherigen OECD-MA hat Art. 1 Abs. 3 dagegen – wie der neu eingefügte Art. 1 Abs. 2 auch – kein Vorbild. Die Regelung findet ihren Ursprung in Aktionspunkt 6 („Verhinderung von Abkommensmissbrauch“) des BEPS-Projekts. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass einzelne Artikel des MA ggf. in einer Weise verstanden werden könnten, die das Recht eines der Vertragsstaaten, eine dort ansässige Person zu besteuern, auch in Fällen einschränkt, in denen dies durch das Abkommen nicht beabsichtigt war.3 Vor diesem Hintergrund soll Art. 1 Abs. 3 das Prinzip festschreiben, dass das Abkommen die Rechte eines Vertragsstaats, die dort ansässigen Personen zu besteuern, nicht beschränkt, sofern das Abkommen nicht ausdrücklich etwas anderes anordnet. Verhindert werden soll, dass eine Abkommensvorschrift, die einem Quellenstaat das Recht einräumt, die Einkünfte einer in dem anderen Staat ansässigen Person zu besteuern, in einer Weise interpretiert wird, dass das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats ausgeschlossen ist.4 Darüber hinaus soll Art. 1 Abs. 3 die Anwendbarkeit innerstaatlicher Zurechnungs- und Missbrauchsnormen sicherstellen.5 In Anlehnung an das US-Musterabkommen wird Art. 1 Abs. 3 auch als „Saving-Clause“ bezeichnet. Deutsche Vorbehalte/Abkommenspraxis. In Bezug auf den gesamten Art. 11 MLI und damit auch in Bezug auf Art. 11 Abs. 1 MLI hat Deutschland erklärt, dass dieser Artikel nicht für die von Deutschland geschlossenen Abkommen Geltung erhalten soll (Vorbehalt gem. Art. 11 Abs. 3 Buchst. a MLI). Das heißt, dass die bestehenden Abkommen unverändert bleiben. Da eine Art. 1 Abs. 3 entsprechende Regelung auch nicht in der deutschen Verhandlungsgrundlage (deutsches Musterabkommen) enthalten ist, dürfte Art. 1 Abs. 3 nur eingeschränkt in die deutsche Abkommenspraxis eingehen. Allerdings hat Deutschland in seinen DBA schon derartige oder vergleichbare Bestimmungen akzeptiert: Im Verhältnis zu den USA besteht mit Art. 1 Abs. 4 und 5 DBA-USA eine entsprechende Klausel. Eine vergleichbare Regelung findet sich auch in dem mit Japan geschlossenen Abkommen.6

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Grundsatz. Nach Art. 1 Abs. 3 lässt das Abkommen die Besteuerung der in einem Vertragsstaat ansässigen Personen unberührt, außer es handelt sich um Vorteile, die gemäß den in Art. 1 Abs. 3 genannten Artikeln gewährt werden. Im Grundsatz soll das Abkommen also das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats nur in den ausdrücklich im Abkommen vorgesehenen Fällen ausschließen. In der Ausgestaltung ist Art. 1 Abs. 3 keine eigenständige Verteilungsregelung, sondern definiert die Rechtsfolgen der Verteilungsnormen für bestimmte Teilbereiche bzw. gibt hier eine bestimmte, wie vorstehend beschriebene, Auslegung vor. Mit dieser Regelung soll dabei – so der OECD-MK – das allgemeine Prinzip bestätigt werden, dass die DBA nicht das Recht eines Staats einschränken sollen, in diesem Staat steuerlich ansässige Personen zu besteuern, sofern das jeweilige Abkommen eine solche Einschränkung nicht ausdrücklich anordnet.7 Auch wenn die OECD insoweit von der Festschreibung eines allgemeinen Prinzips ausgeht, dürfte Art. 1 Abs. 3 zumindest hinsichtlich der Wirkung auf einzelne Verteilungsnormen konstitutiv sein. Das ist aber Ergebnis einer Auslegung der jeweiligen Verteilungsnorm.

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Doppelt ansässige Personen. Art. 1 Abs. 3 gilt nicht für eine Person i.S. des Abkommens, die nach deren innerstaatlichem Recht in beiden Vertragsstaaten ansässig ist.8 Der Begriff der „ansässigen Person“, wie er in Art. 1 Abs. 3 und im gesamten Abkommen verwendet wird, ist in Art. 4 definiert. Wird nach Art. 4 Abs. 1 eine Person nach dem Recht dieser Staaten als in beiden Vertragsstaaten ansässig angesehen, so ermöglichen Art. 4 Abs. 2 und 3 grds. die Bestimmung eines einzigen Ansässigkeitsstaats für Zwecke des Abkommens.

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Ausnahmen. Auch nach der Konzeption des OECD-MA finden sich eine Reihe von Regelungen, die in der Rechtsfolge bewusst den Ansässigkeitsstaat hinsichtlich der Besteuerung der von dieser Regelung betroffenen Personen einschränken sollen und in denen der Vertragsstaat den in seinen Staatsgebiet ansässigen Per-

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1 2 3 4 5 6 7 8

So auch in dem zwischen Deutschland und den USA geschlossenen Abkommen, vgl. Art. 1 Abs. 4 f. DBA-USA. Vgl. Wolf in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 88 (Stand: Mai 2011). Vgl. Art. 1 Rz. 17 OECD-MK. Der Musterkommentar nennt an dieser Stelle als Beispiel die CFC-Rules. Vgl. Frenzel in Haase (Hrsg.), Multilaterales Instrument, 2017, Art. 11 Rz. 1 zu Art. 11 MLI. Vgl. Bendlinger, SWI 2017, 450 (452); Kofler, INTERTAX 2016, 574 (575). Vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 2 DBA-Japan. Vgl. Art. 1 Rz. 18 OECD-MK. Vgl. Art. 1 Rz. 21 OECD-MK.

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Art. 1 Rz. 106

Unter das Abkommen fallende Personen

sonen die dort bestimmten Abkommensvergünstigungen gewähren muss. Art. 1 Abs. 3 Halbs. 2 führt diese wie folgt auf: – Art. 7 Abs. 3: Gegenkorrekturen bei Berichtigungen von Betriebsstättengewinnen eines Unternehmens in Übereinstimmung mit Art. 7 Abs. 2. – Art. 9 Abs. 2: Gegenkorrekturen bei Gewinnkorrekturen verbundener Unternehmen gem. Art. 9 Abs. 1. – Art. 19: Besteuerungsrechte an Gehältern, Löhnen und ähnliche Vergütungen für den öffentlichen Dienst (Durchsetzung des Kassenstaatsprinzips). – Art. 20: Besteuerungsrechte in Bezug auf Zahlungen an Studenten, Praktikanten oder Lehrlinge, die sich in dem einen Vertragsstaat ausschließlich zum Studium oder zur Ausbildung aufhalten. – Art. 23A und 23B: Bestimmung der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Wege der Befreiungsmethode (Art. 23A) bzw. der Anrechnungsmethode (Art. 23B). – Art. 24: Schutz der in einem Staat ansässigen Personen vor bestimmten diskriminierenden Besteuerungspraktiken des Ansässigkeitsstaats. – Art. 25: Recht der in einem der Vertragsstaaten ansässigen Personen auf Durchführung von Verständigungsverfahren zur Prüfung abkommenswidriger Besteuerungsfälle. – Art. 28: Sonderregelungen für Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen. Dass Art. 7 Abs. 3, Art. 9 Abs. 2, Art. 24 und Art. 25 das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats einschränken sollen und müssen, ist auf Grund des Regelungsgehalts selbstverständlich. Gleiches gilt für die Methodenartikel Art. 23A und Art. 23B. Hier ist es eindeutig, dass diese Bestimmungen gerade dazu dienen, die Besteuerung der in dem Vertragsstaat ansässigen Person auch zu Lasten des Ansässigkeitsstaats zu regeln. Diese Bestimmungen sind daher aus dem Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 3 herauszunehmen. Art. 19 und Art. 20 sind dagegen Verteilungsnormen, so dass sich deren Aufnahme in den Ausnahmenkatalog nicht ohne Weiteres erschließt. Für diese Artikel besteht aber die Besonderheit, dass hier das Besteuerungsrecht des jeweiligen anderen Staats dem Grunde nach ausgeschlossen ist („können nur in diesem Staat besteuert werden“ bzw. „dürfen im erstgenannten Staat nicht besteuert werden“)1. Auch Art. 28 steht in diesem Kontext, da hier klargestellt wird, dass durch das Abkommen steuerliche Vorteile der Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen nach den Regeln des Völkerrechts oder besonderer Übereinkünfte nicht berührt werden. Die Aufnahme in den Ausnahmenkatalog sichert richtigerweise auch insoweit ab, dass diese Regelungen durch Art. 1 Abs. 3 nicht überschrieben werden. Der Vorschlag der OECD, welche Bestimmungen in den Ausnahmenkatalog des Art. 1 Abs. 3 aufzunehmen sind, ist nicht abschließend. Der OECDMK empfiehlt, ggf. weitere Abkommensbestimmungen aufzunehmen.2 107

Hybride Gesellschaften. Ein relevanter Anwendungsfall von Art. 1 Abs. 3 ist die abkommensrechtliche Beurteilung hybrider Gesellschaften. Wie sich aus dem OECD-MK ergibt, soll Art. 1 Abs. 3 auch für diese Fälle sicherstellen, dass – trotz der Regelung in Art. 1 Abs. 2 (vgl. Rz. 94 ff.) – der Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter nicht gehindert ist, diese zu besteuern.3 Das betrifft gerade auch die Gewinne der mglw. im anderen Vertragsstaat als ansässig behandelten Gesellschaft, soweit der Ansässigkeitsstaat diese Gewinne den Gesellschaftern zurechnet. Art. 1 Abs. 3 ist insoweit auch im Zusammenhang mit den Änderungen in Art. 23A und Art. 23B zu verstehen. Nach dem neuen OECD-MA soll die Entlastung im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters eines hybriden Rechtsträgers oder Gebildes nach dem Abkommen nur erfolgen können, wenn der Sitzstaat der hybriden Gesellschaft die Einkünfte nur deswegen besteuern darf, weil die Einkünfte als Einkünfte einer dort ansässigen Person gelten. Damit hat jeder Staat nur insoweit eine Entlastung von der Doppelbesteuerung zu gewähren, als die Besteuerung durch den anderen Staat im Einklang mit den Abkommensbestimmungen steht, nach denen dieser die betreffenden Einkünfte als Quellenstaat oder Betriebsstättenstaat besteuern darf.4 Eine Besteuerung, die lediglich auf Grundlage von Art. 1 Abs. 3 erfolgt, wird damit ausgeschlossen. Konkret ist eine Entlastung nach dem Abkommen in diesen Zusammenhängen etwa dann zu gewähren, wenn im Sitzstaat der hybriden Gesellschaft eine Betriebsstätte dieser Gesellschaft besteht, der die Einkünfte auch für Abkommenszwecke zuzurechnen sind (vgl. Art. 7 Abs. 7 OECD-MA 2008 bzw. Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2010). Eine Entlastung der Gesellschafter durch ihren Ansässigkeitsstaat scheidet dagegen aus, wenn die Einkünfte bei Anwendung des Abkommens unter Zugrundelegung einer transparenten Betrachtung der hybriden Gesellschaft uneingeschränkt von diesem Ansässigkeitsstaat besteuert werden könnten (etwa erhaltene Lizenzzahlungen, die nicht einer Betriebsstätte im Sitzstaat der Ge1 2 3 4

Zu Art. 8 OECD-MA vgl. Kofler, INTERTAX 2016, 574 (580). Vgl. Art 1 Rz. 20 OECD-MK. Vgl. Art. 1 Rz. 15 OECD-MK. Art. 23A/23B Rz. 11.1 OECD-MK. Kritisch auch vor dem Hintergrund der Diskussionen zum Partnership-Report 1999 (Bsp. 16 u. 17): Kofler, INTERTAX 2016, 574 (584 ff.).

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E. Missbrauch von DBA

Rz. 110 Art. 1

sellschaft zuzurechnen sind). Nach Auffassung der OECD sind die Änderungen des OECD-MA und des OECD-MK insoweit nur klarstellender Natur1 und wären somit auch für die Auslegung von Abkommen nach dem bisherigen OECD-Muster heranzuziehen. Insbesondere weil alle diese Fragen aber bisher auch innerhalb der OECD nicht unumstritten waren, dürfte das eher zweifelhaft sein. Innerstaatliche Vorschriften zur Vermeidung von Missbrauch. Aus Art. 1 Abs. 3 wird man auch entnehmen können, dass der Ansässigkeitsstaat nicht gehindert sein soll, seine innerstaatlichen Vorschriften zur Vermeidung von Missbräuchen des Abkommens anzuwenden.2 Dazu gehört auch die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung. Häufig wird das in den Einzelabkommen aber auch ausdrücklich geregelt sein.

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E. Missbrauch von DBA Ausgewählte Literatur: Bannes/Cloer, BEPS Aktionsplan 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch, BB 2017, 2272; Fischer, Zurechnung, Zugriff, Durchgriff – Aspekte einer Grundfrage des Steuerrechts, FR 2001, 1; Gabel, Spezielle Missbrauchsnormen und der allgemeine Gleichheitssatz, StuW 2011, 3; Haarmann, Die Missbrauchsverwirrung, IStR 2018, 561, Holthaus, Systemwechsel in der Abkommenspolitik – tatsächliche Besteuerung im Vertragsstaat Voraussetzung für Freistellungen nach den neuen DBA, IStR 2012, 537; Kirchhain, Neues von der Zurechnungsbesteuerung, IStR 2012, 602; Linn, Steuerumgehung und Abkommensrecht, IStR 2010, 542; Marlock, Steuerliche Anerkennung einer Auslandsholding (Ort der Leitung, missbräuchliche Gestaltung, Hinzurechnungsbesteuerung), JbFfStR 2006/2007, 652; Mössner, Selbständigkeit juristischer Personen und Kapitalgesellschaften im internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 208; Oellerich, Die Abwehr des Abkommensmissbrauchs, IWB 2013, 33; Piltz, Doppelbesteuerungsabkommen und Steuerumgehung unter besonderer Berücksichtigung des treaty-shopping, BB 1987, Beilage 14, 1; Ritzer/Stangl, Aktuelle Entwicklungen bei den steuerlichen Anforderungen an die Zwischenschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften, FR 2005, 1063; Schänzle/Engel, Substanzanforderungen im Internationalen Steuerrecht, in Besteuerung internationaler Unternehmen (FS für Dieter Endres zum 60. Geburtstag), 2016, 325; Schmidtmann, Anforderungen an die wirtschaftliche Substanz im Außensteuerrecht, GmbHR 2019, 59; Stahl, Themen – Deutsches Steuerrecht zwischen Panama und Paradies: Domizil-, Zwischen und Drittstaat-Gesellschaften, KÖSDI 2018, 20676; Thömmes, Abkommensberechtigung und „Limitation on Benefits“ (LOB)-Klauseln, IStR 2007, 577; Vogel in Haarmann (Hrsg.), Grenzen der Gestaltung im Internationalen Steuerrecht, 79; v. Busekist, Ort der Geschäftsleitung und missbräuchlicher Einsatz von Auslandsgesellschaften, GmbHR 2006, 132; Wassermeyer, Missbräuchliche Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2000, 505.

I. Grundsätze Ausgangspunkt Gestaltungsfreiheit. Ausgangspunkt jeder Überlegung zur Frage des Missbrauchs von DBA ist der Grundsatz, dass jedermann das Recht hat, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, wie es ihm am günstigsten erscheint. Insbesondere kann der Lebenssachverhalt durch den Steuerpflichtigen so ausgestaltet werden, dass sich eine möglichst geringe steuerliche Belastung ergibt.3 Entsprechend der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung folgt das Steuerrecht dem verwirklichten Sachverhalt. Dies gilt auch bei der Anwendung der DBA.

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Grenzen der Gestaltungsfreiheit (Missbrauch). Das Steuerrecht folgt der Gestaltung des Steuerpflichtigen allerdings dann nicht mehr, wenn diese Gestaltung als missbräuchlich anzusehen ist. Nach dem deutschen Rechtsverständnis ist das der Fall, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonstige beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.4 Ähnliches gilt auch im Abkommensrecht. Schon bislang bestand Einigkeit, dass DBA (nur) dazu dienen sollen, durch die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung den Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie den Kapitalund Personenverkehr zu fördern (vgl. Art. 1 Rz. 7 OECD-MK a.F.). Im Rahmen des BEPS-Projekts hat sich die OECD darüber hinausgehend intensiv mit der Frage des Abkommensmissbrauchs beschäftigt (insbesondere Aktionspunkt 6). Dies hat u.a. auch in der Präambel des aktuellen OECD-MA Eingang gefunden. Danach sollen durch die DBA Doppelbesteuerungen vermieden werden, ohne aber Möglichkeiten einer Nichtbesteuerung oder abkommenswidrig zu niedrigen Besteuerung zu eröffnen. Die Grenze zur legitimen und anzuerkennenden Steuergestaltung ist dabei nicht immer leicht zu ziehen. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil im internationalen Kontext Gestaltungsmaßnahmen i.d.R. korrespondierende Aus-

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1 Art. 23A/23B Rz. 11.1 OECD-MK. 2 Vgl. Bendlinger, SWI 2017, 450 (452); Kofler, INTERTAX 2016, 574 (575). 3 Vgl. BFH v. 17.3.2010 – IV R 25/08, BStBl. II 2010, 622, Rz. 47; v. 29.11.1982 – GrS 1/81, BStBl. II 1983, 272 (unter C.III.); Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 2 (Stand: Oktober 2010). 4 Vgl. BFH v. 17.3.2010 – IV R 25/08, BStBl. II 2010, 622, Rz. 47; vgl. auch § 42 Abs. 2 AO.

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Art. 1 Rz. 110

Unter das Abkommen fallende Personen

wirkungen auf verschiedene Rechtsordnungen haben. So zielen verschiedene Gestaltungsansätze darauf ab, das Steuersubstrat bewusst der einen – für den Steuerpflichtigen günstigen – Rechtsordnung zu unterstellen. Eine Gestaltung, die aus Sicht des einen Vertragsstaates missbräuchlich ist, kann daher aus Sicht des anderen Vertragsstaates durchaus als wirtschaftlich gerechtfertigt erscheinen. Auch vor diesem Hintergrund ist das Verständnis, wann eine Gestaltung missbräuchlich ist, in den einzelnen Staaten durchaus unterschiedlich entwickelt. Die Position einzelner Staaten kann dabei auch davon beeinflusst sein, ob die Gestaltungspraxis tendenziell eher versucht, Steuersubstrat in den Staat hinein- oder aus dem Staat hinauszuverlagern. Festzustellen ist allerdings, dass in der öffentlichen und politischen Diskussion – auf Grund der bekannt gewordenen offensichtlichen Missbrauchsfälle z.T. sicher auch zu Recht – die Beurteilungsgrenzen auch im Rahmen des BEBS-Projekts in ganz erheblichem Maße zu Lasten der Gestaltungsfreiheit verschoben wurden. 111

Erscheinungsformen des Missbrauchs im Abkommensrecht. Gestaltungen im Bereich des Abkommensrechts lassen sich im Grundsatz in zwei Kategorien einteilen. Zunächst einmal kann die Gestaltung darauf gerichtet sein, überhaupt erst in den Anwendungsbereich eines bestimmten DBA zu gelangen. In der Regel wird hierzu eine abkommensberechtigte Gesellschaft zwischen die Einkunftsquelle und die nicht abkommensberechtigten Personen installiert. Insoweit wird von Treaty Shopping gesprochen. Einen Unterfall des Treaty Shopping stellen die sog. Stepping-Stone Gesellschaften dar. Hier wird in einem Staat, mit dem Deutschland ein geeignetes DBA geschlossen hat, eine Gesellschaft errichtet, die entsprechende Einkünfte aus Deutschland erzielt. Die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat der zwischengeschalteten Gesellschaft wird vermieden, indem dort entsprechende Betriebsausgaben kreiert werden. Die korrespondierenden Betriebseinnahmen fallen dann regelmäßig bei einer Gesellschaft an, die in einem Staat ansässig ist, in dem die Gewinne keiner oder nur einer geringen Besteuerung unterliegen und in dem idealerweise die quellensteuerfreie Ausschüttung dieser Gewinne gesichert ist. Die europarechtliche Parallele zum Treaty Shopping ist das Directive Shopping, mit dem durch die Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft der Anwendungsbereich einer EU-RL erreicht werden soll. Die zweite Kategorie möglicher Missbrauchskonstellationen stellt das sog. Rule Shopping dar. Hierbei ist der Anwendungsbereich des DBA bereits in der Ausgangslage eröffnet. Durch die Gestaltung des Sachverhaltes soll aber eine (künstliche) Umqualifizierung von Einkünften erreicht werden, um die Voraussetzungen einer in diesem Abkommen vorgesehenen Verteilungsnorm zu erfüllen. Hier geht es entweder darum, das Besteuerungsrecht des Staates zu erlangen, der hieraus die für den Steuerpflichtigen günstigeren Besteuerungsfolgen zieht oder auch durch die bewusste Herstellung von Qualifikationskonflikten eine Besteuerung ganz zu vermeiden (sog. „weiße Einkünfte“).

II. Missbrauchsbekämpfung im Abkommensrecht 112

OECD-MA und OECD-MK. Insbesondere im Rahmen des BEPS-Projekts hat sich die OECD intensiv mit möglichen Ansätzen zur Begegnung des Abkommensmissbrauchs auseinandergesetzt.1 Die gewonnenen Erkenntnisse sind im Abschlussbericht zu Aktionspunkt 6 aus dem Jahr 2015 niedergelegt, betreffen aber das BEPS-Projekt insgesamt. Neben der Neufassung der Präambel und der Aufnahme einer „Saving Clause“ in Art. 1 Abs. 3 (vgl. Rz. 102 ff.) sind diverse weitere Änderungen und Anpassungen im OECD-MA vorgenommen worden. Erstmals ist zudem mit Art. 29 eine Bestimmung über die Berechtigung zu Steuervergünstigungen in das OECD-MA aufgenommen worden (vgl. Art. 29 Rz. 1 ff.). Zudem wurde die Kommentierung des Musterabkommens zu den verschiedenen Missbrauchskonstellationen und möglichen Gegenmaßnahmen grundlegend überarbeitet.2

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Deutsche Abkommenspraxis. In den von Deutschland abgeschlossenen Abkommen finden sich häufig Regelungen, die eine missbräuchliche Inanspruchnahme bzw. als nicht gerechtfertigt erscheinende Ergebnisse vermeiden sollen. Zu nennen sind hier insbesondere:

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Aktivitätsvorbehalte. Aktivitätsvorbehalte in den Methodenartikeln machen eine dem Grunde nach in dem jeweiligen Abkommen vorgesehene Freistellung insbesondere von Betriebsstätteneinkünften davon abhängig, dass die (Freistellungs-)Betriebsstätte bestimmte Aktivitätsanforderungen erfüllt. Sind die Anforderungen des Aktivitätsvorbehaltes nicht erfüllt, wird die Doppelbesteuerung durch die Anrechnung der ausländischen Steuer vermieden (Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode). Derartige Aktivitätsvorbehalte finden sich schon in einigen älteren Abkommen, die deutsche Abkommenspraxis geht aber in den neueren deutschen Abkommen immer häufiger dazu über, derartige Aktivitätsvorbehalte aufzunehmen. Darüber hinaus hat sich auch die Ausgestaltung der Aktivitätsklauseln verändert: Während die 1 Vgl. nur: Bannes/Cloer, BB 2017, 2272; Haase/Nürnberg, Ubg 2018, 29; Haarmann, IStR 2018, 561. 2 Vgl. Art. 1 Rz. 54 ff. OECD-MK.

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E. Missbrauch von DBA

Rz. 118 Art. 1

älteren Abkommen – sofern sie einen Aktivitätsvorbehalt enthalten – die Aktivitätserfordernisse eigenständig definieren, wird in den neueren Abkommen auf den Katalog des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6, Abs. 2 bzw. generell auf § 8 Abs. 11 des deutschen AStG verwiesen. Damit verliert auch § 20 Abs. 2 AStG zunehmend an Bedeutung (vgl. dazu Rz. 134 ff.). Im Ergebnis stellen die Aktivitätsvorbehalte eine spezielle Switch-overKlausel dar.2 Limitation-on-Benefits-Klauseln. Während die USA in den von ihnen abgeschlossenen DBA in der Regel 115 Klauseln vorsehen, nach denen bestimmte (juristische) Personen die Abkommensvorteile nicht gelten machen können (Limitation-on-Benefits-Klauseln), haben derartige Klauseln in der deutschen Abkommenspraxis nur eingeschränkt Eingang gefunden. Eine solche Klausel ist – entsprechend der US-amerikanischen Übung – z.B. in Art. 28 DBA-USA 2008 enthalten. Deutschland verlässt sich insoweit eher auf innerstaatliche Regelungen (insbesondere § 50d Abs. 3 EStG), zunehmend flankiert durch eine Vorbehaltsklausel für innerstaatliche Missbrauchsbekämpfungsvorschriften (vgl. Rz. 118). Allerdings sind in einzelnen deutschen DBA Regelungen enthalten, nach denen Personen unter den Voraussetzungen der jeweiligen Missbrauchsregelung nicht als in einem Staat ansässige Personen anzusehen sind, obwohl die regulären Ansässigkeitsvoraussetzungen (etwa entsprechend Art. 1 OECD-MA) vorliegen. Die „klassische“ Regelung ist hier Art. 4 Abs. 6 DBA-Schweiz, wonach eine natürliche Person dann nicht als in dem einen Vertragsstaat ansässig gilt, wenn sie dort nicht mit allen aus dem anderen Staat stammenden Einkünften den allgemein erhobenen Steuern unterliegt.3 Vergleichbare Wirkungen haben die Regeln über die sog. überdachende Besteuerung (z.B. Art. 4 Abs. 3 DBA-Schweiz). Hier wird die Ansässigkeit einer Person in dem einen Staat zwar anerkannt, der andere Staat kann diese Person dennoch – unter Anrechnung der im anderen Staat gezahlten Steuern – unter bestimmten Voraussetzungen nach den Vorschriften über die unbeschränkte Steuerpflicht besteuern.4 Subjekt-to-Tax-Klauseln. Derartige Klauseln machen die im dem jeweiligen Abkommen im Grundsatz vorgesehene Freistellung/Steuerbefreiung von Einkünften oder auch eine Quellensteuerreduktion durch den einen Staat davon abhängig, dass der andere Staat sein Besteuerungsrecht auch tatsächlich ausübt und die Einkünfte dort der Besteuerung unterliegen. Besteuert der andere Staat diese Einkünfte nicht, so kann der erste Staat diese Einkünfte besteuern, jedoch nur im Rahmen seiner innerstaatlichen Vorschriften. Eine Anrechnung von Steuern des anderen Staates scheidet naturgemäß (mangels Erhebung solcher Steuern) aus.5

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Switch-over-Klauseln. Switch-over-Klauseln sehen vor, dass der Wohnsitzstaat unter den Bedingungen dieser Klausel eine drohende Doppelbesteuerung nicht nach der im Abkommen vorgesehenen Freistellungsmethode verhindern muss, sondern dass dieser Staat die Einkünfte unter Anrechnung der im anderen Staat abgeführten Steuern besteuern darf (Anrechnungsmethode). Ein wesentlicher Anwendungsbereich von Switch-over-Klauseln sind die insbesondere in den neueren deutschen DBA enthaltenen Aktivitätsvorbehalte für die Freistellung von Betriebsstättengewinnen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 255, 262, 266, 275, 278, 281, 290, 294, 298).

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Verhältnis zum innerstaatlichen Recht. Beinhaltet ein DBA eine ausdrückliche Missbrauchsregelung, so werden im Anwendungsbereich dieser Missbrauchsregelungen die Missbrauchsvorschriften der jeweiligen nationalen Rechtsordnungen verdrängt.6 Das gilt zumindest soweit, wie die jeweilige Vorschrift des innerstaatlichen Rechts nicht als Treaty override anzusehen ist. Zudem bleibt eine Anwendung innerstaatlicher Missbrauchsvermeidungsvorschriften außerhalb des Anwendungsbereichs der abkommensrechtlichen Missbrauchsregelung zulässig. Von einer eigenständigen abkommensrechtlichen Missbrauchsvorschrift zu unterscheiden sind Abkommensregelungen, die einen Vorbehalt für innerstaatliche Missbrauchsbekämpfungsvorschriften enthalten. Hier wird lediglich zwischen den Vertragspartnern vereinbart, gegenseitig eine Anwendung der innerstaatlichen Vorschriften des jeweils anderen Staats zu akzeptieren. Dies entspricht auch der neueren deutschen Abkommenspraxis.7

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1 So z.B. in Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA-Niederlande. 2 Vgl. zu Einzelheiten der Aktivitätsvorbehalte Wassermeyer, IStR 2000, 65 ff.; Gebhardt/Quilitzsch, IStR 2011, 169 ff.; Holthaus, IStR 2003, 632 ff. 3 Vgl. hierzu Kubaile in F/W/K, Art. 4 DBA-Schweiz Anm. 163 ff. (Stand: Juli 2018). 4 Vgl. hierzu Kubaile in F/W/K, Art. 4 DBA-Schweiz Anm. 64 ff. (Stand: Juli 2018). 5 Vgl. zur Neuausrichtung der Abkommenspolitik Holthaus, IStR 2012, 537. 6 Vgl. BFH v. 19.12.2008 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619 zum DBA-Schweiz. 7 Vgl. Art. 23 Abs. 1 DBA-Niederlande. Art. 23 Abs. 3 DBA Australien. Auch die deutsche Verhandlungsgrundlage („deutsches Musterabkommen“) enthält mit Art. 28 Abs. 1 eine entsprechende Regelung.

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Art. 1 Rz. 119

Unter das Abkommen fallende Personen

III. Missbrauchsbekämpfung im innerstaatlichen Recht 1. Überblick 119

Innerstaatliche Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung. Für die innerstaatlichen Regelungen zur Bekämpfung des Missbrauchs im Abkommensrecht ist – wie in rein innerstaatlichen Sachverhalten auch – zwischen generellen und speziellen Missbrauchsvorschriften zu unterscheiden. Als generelle Missbrauchsbekämpfungsvorschrift dürfte insbesondere § 42 AO zu nennen sein. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO können Steuergesetze nicht durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten umgangen werden. Liegt ein solcher Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entstanden wäre. Zu beachten sind in der Prüfungsreihenfolge ggf. vorrangig aber auch § 41 AO (Scheingeschäfte) sowie die allgemeinen einkommensteuerlichen Zurechnungsgrundsätze. So kann sich z.B. bei der Zwischenschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften die Frage stellen, ob das zivilrechtlich auf die ausländische Kapitalgesellschaft übertragene Vermögen auch in deren wirtschaftlichem Eigentum steht oder ob hier z.B. ein Scheingeschäft oder ein (verdecktes) Treuhandverhältnis anzunehmen ist. Beides wird aber eher die Ausnahme sein. Ein weiterer Aspekt bei „zwischengeschalteten“ ausländischen Gesellschaften ist die Bestimmung des Orts der Geschäftsleitung (§ 10 AO; Art. 4 Abs. 3 OECD-MA). Entscheidend ist hierfür der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Ist die zwischengeschaltete Gesellschaft nur mit einigen wenigen Funktionen ausgestattet, so gewinnen die mit diesen Funktionen einhergehenden einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen für die Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung naturgemäß relativ höhere Bedeutung. Neben den generellen Missbrauchsvorschriften wurde in das deutsche Recht im Laufe der Zeit eine Vielzahl spezieller Vorschiften aufgenommen, mit denen aus Sicht des deutschen Gesetzgebers missbräuchliche Gestaltungen bzw. eine Nicht- oder Geringbesteuerung verhindert werden sollen. Zu nennen sind hier insbesondere § 50d Abs. 3 EStG, § 50d Abs. 8 und 9 EStG sowie § 20 Abs. 2 AStG. Letztlich gehört in diesen Kontext auch die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7–14 AStG) sowie die Zurechnung der Einkünfte ausländischer Familienstiftungen (§ 15 AStG). Diese zuletzt genannten Vorschriften stellen allerdings vorrangig keine Vorschriften zur Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen im Abkommensrecht dar, sondern ermöglichen den Durchgriff des deutschen Fiskus durch an sich intransparente Einheiten. 2. Anwendung des § 42 AO a) Verhältnis zum Abkommensrecht

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Grundsätze. Bei der Ausdehnung der allgemeinen Missbrauchsvorschriften des innerstaatlichen Rechts auf das Abkommensrecht ist zu berücksichtigen, dass das Abkommen, also der ins deutsche innerstaatliche Recht überführte völkerrechtliche Vertrag, dem Grunde nach einem eigenständigen Regelungskreis angehört und daher zunächst aus sich selbst heraus auszulegen und zu interpretieren ist. Damit stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Missbrauchsvorschriften des innerstaatlichen Rechts auf die Anwendung des Abkommens übertragen werden können, wenn das Abkommen hierzu keine besondere Regelung vorsieht (vgl. dazu nachfolgend unter Rz. 121 ff.). Insbesondere in den neueren deutschen Abkommen ist allerdings üblicherweise eine Regelung enthalten, nach der das Abkommen nicht so auszulegen ist, als hindere es einen Vertragsstaat, seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Verhinderung der Steuerumgehung oder Steuerhinterziehung anzuwenden (vgl. Rz. 59)1. Eine entsprechende Regelung wurde auch in Art. 28 Abs. 1 der deutschen Verhandlungsgrundlage aufgenommen. Soweit das entsprechende Abkommen eine solche Bestimmung enthält, wird der Anwendungsbereich der innerstaatlichen Vorschriften für das DBA explizit eröffnet. Ist in dem anzuwendenden Abkommen eine eigene Missbrauchsregelung enthalten, so werden die innerstaatlichen Vorschriften zur Missbrauchsvermeidung von der spezielleren Abkommensregelung verdrängt.2 Das kann allerdings nur in dem Anwendungsbereich der entsprechenden Missbrauchsvorschrift gelten, es sei denn, aus dem Gesamtzusammenhang der Missbrauchsregelungen in dem konkreten Abkommen wäre erkennbar, dass eine abschließende Regelung vereinbart wurde. Hiervon wird allerdings regelmäßig nicht auszugehen sein.

1 Vgl. aus der jüngeren deutschen Abkommenspraxis z.B.: Art. 29 DBA-Algerien; Art. 28 DBA-Aserbaidschan; Abs. 8 des Protokolls zum DBA-Belarus; Abs. 17 des Protokolls zum DBA-Belgien; Art. 28 DBA-Bulgarien; Art. 28 DBAGeorgien; Art. 29 DBA-Ghana, Art. 29 Abs. 6 DBA-Kanada; Abs. 3 des Protokolls zum DBA-Kirgisistan; Art. 27 Abs. 1 DBA-Korea. Überwiegend wird diese Regelung dahingehend ergänzt, dass dann, wenn die Anwendung der Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung zu einer Doppelbesteuerung führen, ein Verständigungsverfahren einzuleiten ist. 2 Vgl. BFH v. 19.12.2008 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619 zum DBA-Schweiz.

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E. Missbrauch von DBA

Rz. 122 Art. 1

Anwendung von § 42 AO im Abkommensrecht – Rechtsprechung. Die Rspr. wendet § 42 Abs. 1 AO dem Grunde nach auch dann im Abkommensrecht an, wenn das entsprechende Abkommen – im Gegensatz zur neueren deutschen Abkommenspraxis – keine entsprechende Öffnungsklausel enthält.1 Allerdings hat diese Rspr. insoweit eine Modifikation erfahren, weil der BFH nunmehr betont, dass Missbrauchsvorschriften des konkret anzuwendenden Abkommens in ihrem Anwendungsbereich die Missbrauchsvorschriften der jeweiligen nationalen Rechtsordnungen verdrängen.2 Nach inzwischen wohl gesicherter Rspr. ist § 42 AO auch auf beschränkt Steuerpflichtige anzuwenden.3 Ein Missbrauch setzt aus deutscher Sicht aber immer voraus, dass durch die missbräuchliche Gestaltung eine niedrigere Steuer entsteht, als sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung ausgelöst worden wäre. Die „Umgehung“ einer ausländischen Steuer wird von § 42 AO nicht erfasst.4

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Kritik. Gegen die Anwendung von § 42 AO bei der abkommensrechtlichen Beurteilung grenzüberschrei- 122 tender Sachverhalte ist in der Literatur seit Langem Kritik geäußert worden.5 Im Kern beruht diese Kritik darauf, dass ein DBA Ausdruck des Willens der beteiligten Staaten ist, Doppelbesteuerungen zu vermeiden und vor diesem Hintergrund die Besteuerungsrechte zwischen den Staaten aufzuteilen. Greift einer der Staaten einseitig auf Grundlage innerstaatlicher Missbrauchsvermeidungsvorschriften in diese Verteilung ein, so wird dies in der Regel zu einer „Störung der abkommensimmanenten Regelungshomogenität“ führen.6 Zudem besteht international bei weitem keine Einigkeit darüber, wann eine Gestaltung steuerlich anzuerkennen ist und wann nicht. Die sich hier stellenden Wertungsfragen werden z.T. unter dem Begriff Missbrauch, Steuerumgehung oder Substance over Form diskutiert, ohne dass hier bisher international einheitliche Kriterien entwickelt wurden. Insoweit wird es häufig so sein, dass eine Gestaltung, die aus der Sicht des einen Staates missbräuchlich ist (weil das Besteuerungsrecht dieses Staates umgangen wird) aus der Sicht des anderen Staates ohne weiteres anzuerkennen ist (weil ein Besteuerungsrecht erst begründet wird).7 Der Sache nach besteht allerdings Einigkeit, dass nicht jede Gestaltung für Zwecke der Anwendung der DBA anzuerkennen ist und die Rechtsordnung nicht jeder nur steuerlich motivierten Gestaltung des Steuerpflichtigen folgen muss. Soweit ein Rückgriff auf nationale Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung abgelehnt wird, wird dies mit allgemein anerkannten Rechtgrundsätzen begründet. Zwischen den meisten Staaten bestehe Übereinstimmung, dass ein „gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten unbeachtlich“ ist und „offensichtlich nur steuerlich motivierte Gestaltungen ohne sinnvollen Geschäftszweck“ steuerrechtlich nicht anzuerkennen sind.8 Grundsätzlich erscheint aber ein Rückgriff auf § 42 AO vor dem Hintergrund der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung eher gerechtfertigt zu sein, als der Hinweis auf allgemeine Rechtsgrundsätze, zumal sich ein allgemeiner staatenübergreifender Missbrauchsbegriff am Ende wohl nicht bestimmen lassen wird. Allerdings sind innerstaatlichen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften in den Abkommenskontext einzupassen. Insbesondere sind die Vertragspartner nicht befugt, ohne weiteres die nach dem Abkommen vorgesehene Verteilung der Besteuerungsrechte auf Grundlage eines Missbrauchsverdiktes einseitig zu verändern; und zwar auch nicht mit dem Argument einer innerstaatlichen Zuordnungsentscheidung, indem nicht der tatsächlich verwirklichte, sondern ein fiktiver Sachverhalt der Besteuerung unterworfen wird. Letztlich greifen hier zumindest im Ergebnis ähnliche Erwägungen, wie sie für die Beurteilung eines Treaty override anzustellen sind (vgl. dazu Rz. 18 ff.)

1 Vgl. BFH v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 19.1.2000 – I R 117/97, IStR 2000, 182; v. 28.1.1992 – VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84; v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150; v. 29.9.1976 – I R 171/75, BStBl. II 1977, 259; v. 21.1.1976 – I R 234/73, BStBl. II 1976, 513. In diesem Sinne auch Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (4 ff.). 2 Vgl. BFH v. 19.12.2008 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619 zum DBA-Schweiz. 3 Vgl. BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, BStBl. II 2008, 978, Rz. 12; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819, Rz. 14; v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235, Rz. 19. Vgl. auch BFH v. 31.5.2005 – I R 74/04, BStBl. II 2006, 118, Rz. 27. 4 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.147; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (9 ff.). 5 So soll § 42 AO nur Anwendung finden, wenn auch der andere Vertragsstaat eine entsprechende innerstaatliche Missbrauchsvorschrift kenne: Vogel in Haarmann (Hrsg.), Grenzen der Gestaltung im Internationalen Steuerrecht, 79 (93 f.). Nach Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 57 f. (Stand: Januar 2008) kommt § 42 AO nur zur Anwendung, wenn insoweit zumindest stillschweigend auf deutsches Recht verwiesen wird. 6 Vgl. Fischer in H/H/Sp, § 42 AO Rz. 571 (Stand: Juni 2009). So auch Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.148, die allerdings die Auffassung vertreten, dass diese Störung auf Grund der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und der Gesetzesbestimmtheit hinzunehmen ist. 7 Vgl. z.B. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 59 (Stand: Januar 2008). 8 Vgl. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 90 ff.; Fischer in H/H/Sp, § 42 AO Rz. 20 (Stand: März 2008).

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Art. 1 Rz. 123

Unter das Abkommen fallende Personen

b) Basisgesellschaften 123

Rechtsprechungsentwicklung. Die Rspr. zur Anerkennung von ausländischen Kapitalgesellschaften hat in den letzten Jahren eine erhebliche Entwicklung vollzogen. In der älteren Rspr. hat der BFH die „Zwischenschaltung“ einer ausländischen Kapitalgesellschaft nur anerkannt, wenn für die Einschaltung dieser Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe bestanden und die Gesellschaft zudem eine eigene wirtschaftliche Aktivität entfaltet hat.1 Es bestehe eine tatsächliche Vermutung, dass dann, wenn für die Zwischenschaltung einer Gesellschaft in einem Niedrigsteuerland keine plausiblen Gründe angeführt werden können, hiermit eine Steuerumgehung beabsichtigt sei.2 Wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe hat die Rspr. z.B. bejaht, wenn die ausländische Gesellschaft als Spitze oder zum Aufbau eines weltweit operierenden Konzerns3 oder dem Erwerb wirtschaftlich gewichtiger Beteiligungen im Basisstaat oder in Drittstaaten4 dienen sollte. Nicht beachtlich sind: Steuerersparnis, Sicherung von Vermögen in Krisenzeiten oder die Haftungsbegrenzung.5 In diesem Zusammenhang kann auch von Bedeutung sein, ob die Gesellschaft mit ausreichendem Eigenkapital ausgestattet oder von ihrem Gesellschafter fremdfinanziert wird.6 Eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit liegt vor, wenn sich die Gesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt und nicht nur formal in die Einkünfteerzielung einbezogen ist. Voraussetzung hierfür ist eine eigene ausreichende personelle und sachliche Ausstattung. Die zwischengeschaltete Gesellschaft muss selbst das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen.7 Eine Gesellschaft, die lediglich an einer anderen Gesellschaft beteiligt ist und hier ausschließlich die Rechte eines Gesellschafters wahrnimmt (keine geschäftsleitende Holding), sollte danach keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfalten.8 Von dieser Sichtweise hat sich der BFH allerdings – zumindest innerhalb der EU – mit Urteilen v. 19.1.20009 bzw. v. 25.2.200410 (DublinDocks I bis III) sowie v. 31.5.200511 (Hilversum II) zum Teil gelöst. Ausgehend davon, dass die Rspr. des BFH es letztlich noch nie als Rechtsmissbrauch qualifiziert habe, wenn „ein Steuerpflichtiger – aus welchen Gründen auch immer – zwischen sich und einer Einkunftsquelle eine inländische Kapitalgesellschaft schaltet und alle sich hieraus ergebenden Konsequenzen zieht“,12 lasse es sich schwerlich rechtfertigen, die entsprechende Zwischenschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften innerhalb der EU als Missbrauch i.S. des § 42 Abs. 1 AO zu behandeln.13 Missbräuchlich könne die Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft allenfalls dann sein, „wenn sie lediglich vorübergehend erfolgt und nur zu dem Zweck bestimmt ist, anderweitig drohenden steuerlichen Belastungen zu entgehen.“14 Entscheidend war nach Auffassung des BFH, dass die zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften innerhalb eines ansonsten wirtschaftlich aktiv tätigen Konzerns aus wirtschaftlichen Gründen und dauerhaft ausgegliedert worden waren. Seien diese Voraussetzungen gegeben, soll es für die steuerrechtliche Anerkennung unschädlich sein, wenn die Gesell-

1 Vgl. z.B. BFH v. 29.7.1976 – VIII R 41/74, BStBl. II 1977, 261; v. 29.7.1976 – VIII R 142/73, BStBl. II 1977, 263; v. 29.7.1976 – VIII R 55/72, BStBl. II 1977, 266; v. 29.7.1976 – VIII R 116/72, BStBl. II 1977, 268. 2 Vgl. BFH v. 2.6.1992 – VIII R 8/89, BFH/NV 1993, 416; v. 28.1.1992 – VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84; v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496. 3 Vgl. BFH v. 29.7.1976 – VIII R 41/74, BStBl. II 1977, 261. 4 Vgl. BFH v. 2.6.1992 – VIII R 8/98, BFH/NV 1993, 416; v. 9.12.1980 – VIII R 11/77, BStBl. II 1981, 339 m.w.N. 5 Vgl. BFH v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163; v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496; v. 29.7.1976 – VIII R 142/73, BStBl. II 1977, 263. 6 Vgl. BFH v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163. 7 Vgl. BFH v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163. 8 Vgl. BFH v. 29.7.1976 – VIII R 142/73, BStBl. II 1977, 263; v. 29.7.1976 – VIII R 55/72, BStBl. II 1977, 266. 9 Vgl. BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 19.1.2000 – I R 117/97, IStR 2000, 182. 10 Vgl. BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14. 11 Vgl. BFH v. 31.5.2005 – I R 74/04, BStBl. II 2006, 118 mit Nichtanwendungserlass in Bezug auf die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG: BMF v. 30.1.2006 – IV B 1-S 2411-4/06, BStBl. I 2006, 166 (aufgehoben durch BMF-Schr. zur Anwendung von BMF-Schr. v. 23.3.2015 – IV A 2 O 2000/14/10001 – DOK 2015/0188422, BStBl. I 2015, 278 für Steuertatbestände, die nach dem 31.12.2013 verwirklicht werden). 12 So BFH v. 23.10.1996 – I R 55/95, BStBl. II 1998, 90; vgl. auch BFH v. 15.10.1998 – III R 75/97, BStBl. II 1999, 119. Zu der Frage des Gestaltungsmissbrauch in rein deutschen Sachverhalten vgl. z.B. Jehke, DStR 2010, 677. 13 Vgl. BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14, Rz. 24. Anders noch z.B. im Verhältnis zur Schweiz: BFH v. 9.12.1980 – VIII R 11/77, BStBl. II 1981, 339: Die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung sei dadurch gerechtfertigt, dass durch die Einschaltung einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland eine Steuerersparnis erstrebt wird, die i.d.R. endgültig ist. Durch die Einschaltung einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft werde dagegen die Besteuerung i.d.R. nur hinausgeschoben. 14 Vgl. BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14, Rz. 25. Allerdings hat der BFH auch in Einzelfällen Entscheidungen von Finanzgerichten, in denen durch eine ausländische Kapitalgesellschaft nach § 42 AO „durchgegriffen“ wurde, als rechtsfehlerfrei angesehen: vgl. BFH v. 2.3.2016 – I R 73/14, BStBl. II 2016, 887; vgl. etwa auch FG BW v. 6.5.2015– 1 K 1674/13, EFG 2015, 1776.

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E. Missbrauch von DBA

Rz. 126 Art. 1

schaften abgesehen von ihrer Geschäftsführung über kein Personal und auch über keine Geschäftsräume verfügten.1 Folgen der geänderten Rechtsprechung. Auf Grundlage der geänderten Rspr. ist nunmehr klar, dass die Zwischenschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft – wie im Inland letztlich auch – nur dann steuerlich nicht anzuerkennen ist, wenn diese ausschließlich steuerlich motiviert ist. Die „Zwischenschaltung“ einer ausländischen Kapitalgesellschaft ist vor diesem Hintergrund zumindest dann auch steuerrechtlich anzuerkennen, wenn die Gesellschaft auf Dauer angelegt ist und die wirtschaftlichen Folgen im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvermögen trägt. Das kann z.B. auch bei der Implementierung einer Zweckgesellschaft (Single-Purpose-Gesellschaft) gegeben sein. Die (formal verstandene) Ausstattung mit personeller und sachlicher Substanz (angestelltes Personal, gemietete Büroräume, Telekommunikationseinrichtungen) ist dagegen nicht entscheidend. Die Gesellschaft muss allerdings in die Lage versetzt sein, die nach ihrem Gesellschaftszweck auszuübenden Funktionen auch tatsächlich wahrzunehmen. Dazu können die Berufung eines handlungsfähigen Geschäftsführers (personelle Ausstattung) sowie die Mitnutzung von Büroräumen einer anderen Konzerngesellschaft (sachliche Ausstattung) ausreichen. Praktisch dürften von dem Verdikt des § 42 AO nur echte Briefkastenkonstruktionen erfasst werden. Dies betrifft die Implementierung einer substanz- und wirtschaftlich funktionslosen Gesellschaft im Ausland, insbesondere dann, wenn die Beteiligten ansonsten weder persönliche noch wirtschaftliche Anknüpfungspunkte zu dem Staat der Zwischengesellschaft haben. Richtigerweise verlagert sich somit die Diskussion weg von der letztlich konturlosen grundsätzlichen Nichtanerkennung ausländischer Kapitalgesellschaften im Rahmen des § 42 AO (Basisgesellschaften) zur Anwendung spezieller Vorschriften zur Missbrauchsvermeidung (insbesondere § 50d Abs. 3 EStG) bzw. zur Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG). Im Ergebnis dürfte auch die Finanzverwaltung dies akzeptiert haben. Der zur Entscheidung v. 31.5.2005 ergangene Nichtanwendungserlass argumentiert ausschließlich auf Grundlage des § 50d EStG.2

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3. Spezielle Vorschriften zu Missbrauchsvermeidung Diverse innerstaatliche Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung. Der deutsche Gesetzgeber hat inzwischen eine Vielzahl an speziellen Vorschriften zur Vermeidung von missbräuchlichen Gestaltungen im Abkommensrecht in das innerstaatliche Steuerrecht aufgenommen. Nachfolgend soll hier lediglich ein Überblick gegeben werden. Hinsichtlich der Einzelheiten ist auf die steuerrechtliche Spezialliteratur zu verweisen.

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a) § 50d Abs. 3 EStG Ausgewählte Literatur: Dorfmüller, Die aktive Beteiligungsverwaltung – Eine kritische Analyse der Erfordernisse des BMF-Schr. zu § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG, IStR 2012, 423; Fischer/Dorfmüller, Entlastungsberechtigung ausländischer Gesellschaften nach § 50d Abs. 3 EStG, Ubg 2012, 162; Gebhardt/Moser, Zur Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG im Kontext des neuen DBA-Niederlande – Hilversum II reloaded?, IStR 2012, 607; Graf, Die unendliche Geschichte des § 50d Abs. 3 EStG, BB 2018, 2391; Kraft/Gebhardt, Ist die Treaty Shopping-Klausel des § 50d Abs. 3 EStG de lege ferenda unions- und abkommensrechtskompatibel?, DB 2012, 80; Lehner, Treaty override im Anwendungsbereich des § 50d EStG, IStR 2012, 389; Lüdicke, Zum BMF-Schreiben vom 24.1.2012: Entlastungsberechtigung ausländischer Gesellschaften (§ 50d Abs. 3 EStG), IStR, 2012, 148; Lüdicke, Der missratene § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG, IStR 2012, 81; Lüdicke, Zum BMF-Schreiben vom 23.5.2012 […]: Entlastungsberichtigung ausländischer Gesellschaften (§ 50d Abs. 3 EStG); Entscheidung des EuGH zu Streubesitzdividenden vom 20.10.2011 (C-284/09), IStR 2012, 540; Maerz/Guter, Die Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG, IWB 2011, 923; Musil, § 50d Abs. 3 EStG – eine unendliche Geschichte? FR 2012, 149; Richter, Substanzanfordernisse für ausländische Holding- und Zweckgesellschaften, BB 2012, 1643; Schönfeld, BMF entscheidet zur Anwendung von § 50d Abs. 3 nach „Deister Holding“ – Eine erste Kurzanalyse, IStR 2018, 325; Schönfeld, Missbrauchsvermeidung und Sondervergünstigungen im Lichte des Europarechts, IStR 2012, 215; Watrin/Leukefeld, § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG ist unionsrechtswidrig – Überarbeitungsbedarf bei der deutschen Anti-Treaty-Shopping Vorschrift, FR 2018, 813; Weiss/Brühl, Die Zukunft des § 50d Abs. 3 EStG – Zugleich Besprechung des BMF-Schreibens vom 4.4.2018, ISR 2018, 238; Wiese, Entlastung ausländischer Gesellschaften von deutscher Quellensteuer, GmbHR 2012, 376.

Allgemeines. § 50d Abs. 3 EStG soll missbräuchlichen Gestaltungen in Bezug auf die Vermeidung deutscher Quellensteuern entgegensteuern. Insbesondere soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige, denen eine Entlastung von deutschen Quellensteuern nach einem DBA oder §§ 43b, 50g EStG nicht zustehen würde, diese Entlastung durch die Zwischenschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft erreichen können. Dabei 1 Vgl. BFH v. 31.5.2005 – I R 74/04, BStBl. II 2006, 118, Rz. 30; v. 17.11.2004 – I R 55/03, BFH/NV 2005, 1016; v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14. 2 Vgl. BMF v. 30.1.2006 – IV B 1-S 2411-4/06, BStBl. I 2006, 166 (aufgehoben durch BMF-Schr. zur Anwendung von BMF-Schr. v. 23.3.2015 – IV A 2 O 2000/14/10001– DOK 2015/0188422, BStBl. I 2015, 278 für Steuertatbestände, die nach dem 31.12.2013 verwirklicht werden).

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Art. 1 Rz. 126

Unter das Abkommen fallende Personen

werden die Grundsätze der ursprünglichen Rspr. zu den Basisgesellschaften aufgenommen. Anders als bei einer Basisgesellschaft wird die ausländische Gesellschaft allerdings dem Grunde nach anerkannt; ihr wird „nur“ die Quellensteuerentlastung verwehrt. Ausgenommen aus dem Anwendungsbereich von § 50d Abs. 3 EStG sind ausländische börsennotierte Gesellschaften sowie Gesellschaften, die unter das InvStG fallen (§ 50d Abs. 3 Satz 5 EStG). 127

Tatbestandsvoraussetzungen. Die Finanzverwaltung hat zu § 50d Abs. 3 EStG mit Schr. v. 24.1.2012 ausführlich Stellung genommen.1 Die Entlastung von deutschen Quellensteuern wird nach § 50d Abs. 3 EStG einer ausländischen Gesellschaft versagt, wenn weder eine persönliche noch eine sachliche Entlastungsberechtigung vorliegt. Die persönliche Entlastungsberechtigung ist nicht gegeben, soweit an der Gesellschaft Personen beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten. Hier kann es also auch zu einer teilweisen Versagung der Entlastung kommen. Die sachliche Entlastungsberechtigung fehlt, soweit (1) die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen und (2) in Bezug auf die nicht eigenwirtschaftlichen Erträge für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessenen eingerichteten Geschäftsbetrieb im allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt oder (3) § 50d Abs. 3 Satz 5 EStG Anwendung findet (zur Auswirkung der Rspr. des EuGH vgl. nachfolgend Rz. 128).

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Vereinbarkeit mit EU-Recht sowie Abkommens- und EU-Rechtmäßigkeit. § 50d Abs. 3 EStG ist eine spezielle Vorschrift zur Vermeidung des Missbrauchs von Quellensteuerfreistellungen bzw. -ermäßigungen auf Grundlage von DBA bzw. europarechtlicher Vorgaben (insbesondere der Mutter-/Tochter-Richtlinie). Der Steuerpflichtige soll sich nicht auf eine in einem entsprechenden DBA oder einer EU-RL vorgesehene Quellensteuerreduzierung berufen können, wenn er die entsprechenden Voraussetzungen nur durch Zwischenschaltung einer im Übrigen funktionslosen Gesellschaft erfüllt. Die Vorschrift stellt somit dem Grunde nach ein Treaty- bzw. Directive-Overriding dar (vgl. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Treaty override Rz. 18 ff.). Europarechtlich ist eine Vorschrift, die wie § 50d Abs. 3 EStG missbräuchliche Gestaltungen zur Erlangung von Quellensteuerfreistellungen oder -ermäßigungen bekämpfen soll, europarechtlich zulässig. Insbesondere sieht die Mutter-Tochter-Richtlinie ausdrücklich innerstaatliche Missbrauchsregelungen vor. Allerdings können unionsrechtlich dem Grunde nach nur gänzlich funktionslose „Briefkästen“ unbeachtlich bleiben. Zumindest muss dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eines Gegenbeweises im Einzelfall offenstehen. Zu § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 hat der EuGH mit Urteil vom 20.12.20172 in den Rechtssachen Deister Holding und Juhler Holding allerdings entschieden, dass die Vorschrift europarechtswidrig ist. Die deutsche Finanzverwaltung hat auf diese Entscheidung reagiert und wendet – beschränkt auf die Fälle, in denen der Gläubiger der Kapitalerträge einen Anspruch auf Entlastung nach § 43b EStG geltend macht – § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13.12.2006 sowie § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG i.d.F. des Gesetzes v. 7.12.2011 nicht mehr an.3 Eine Entlastung soll aber weiterhin dann ggf. nicht zu gewähren sein, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ergebe, dass mit der Einschaltung der ausländischen Gesellschaft im Wesentlichen nur ein steuerlicher Vorteil bezweckt sei.4 b) § 50d Abs. 8 EStG

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Steuerfreie Lohneinkünfte unbeschränkt Steuerpflichtiger. § 50d Abs. 8 EStG betrifft Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die ein unbeschränkt Steuerpflichtiger erzielt. Für diese wird die DBA-Freistellung nur gewährt, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Es handelt sich somit um eine innerstaatliche Rückfallklausel/subjekt-to-tax-Klausel. Auch zu § 50d Abs. 8 EStG hat die deutsche Finanzverwaltung ausführlich Stellung genommen.5 Nur kurz sei auf Folgendes hingewiesen: Der Nachweis der Zahlung der festgesetzten Steuern ist grundsätzlich durch Vorlage des Steuerbescheids der ausländischen Behörde sowie – nach Auffassung der Finanzverwaltung – eines Zahlungsbelegs (Überweisungs- bzw. Einzahlungsbeleg der Bank oder der Finanzbehörde) zu erbringen. Ausnahmsweise soll eine hinreichend bestimmte Bescheinigung des zivilrechtlichen 1 Vgl. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171. 2 EuGH v. 20.12.2017 – C-504/16 u. C-613/16 – Deister Holding und Juhler Holding, ECLI:EU:C:2017:1009 = BFH/ NV 2018, 319. Vgl. dazu nur Graf, BB 2018, 2391; Watrin/Leukefeld, FR 2018, 813; Weiss/Brühl, ISR 2018, 238. 3 BMF v. 4.4.2018 – IV B 3-S 2411/07/10016-14 – DOK 2018/0148776, BStBl. I 2018, 589. Zur Kritik an der Beschränkung auf die Fälle nach § 43b EStG: Schönfeld, IStR 2018, 325; Graf, BB 2018, 2391. 4 BMF v. 4.4.2018 – IV B 3-S 2411/07/10016-14 – DOK 2018/0148776, BStBl. I 2018, 589. 5 Vgl. BMF v. 3.5.2018 – IV B 2-S 1300/08/10027 – DOK 2018/0353235, BStBl. I 2018, 643.

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E. Missbrauch von DBA

Rz. 132 Art. 1

oder wirtschaftlichen Arbeitgebers ausreichend sein.1 Der Verzicht des ausländischen Staates auf das ihm zugewiesene Besteuerungsrecht ist ebenfalls von dem Steuerpflichtigen nachzuweisen. Dies gilt naturgemäß nur, wenn der Verzicht des ausländischen Staates nicht ohnehin feststeht.2 Bis auf weiteres ist nach Auffassung der Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen die Freistellung unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Einkommensteuer auch ohne das Erbringen von Nachweisen zu gewähren, wenn der maßgebende, nach deutschem Recht ermittelte Arbeitslohn in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt nicht mehr EUR 10 000 beträgt.3 Nach Auffassung des BFH führt der mit § 50d Abs. 8 EStG verbundene Treaty override nicht zur Verfassungswidrigkeit der Vorschrift (vgl zum Treaty override ausführlich Rz. 18 ff.). Verhältnis zu § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG. Hat der ausländische Staat auf das Besteuerungsrecht verzichtet (etwa indem die entsprechenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht in den Katalog der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte aufgenommen worden sind), so stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zu § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG. Der BFH hat hierzu entschieden, dass § 50d Abs. 8 EStG gegenüber § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG die speziellere Vorschrift ist und diese damit verdrängt.4 Die Finanzverwaltung hat dieses Urteil über den Einzelfall hinaus nicht angewendet.5 Zudem gilt: Für die in den o.g. BFH-Verfahren streitigen Einkünfte des in Deutschland ansässigen Flugpersonals irischer Fluggesellschaften hat dieser Streit ab dem Veranlagungszeitraum 2011 auf Grund einer Änderung des irischen innerstaatlichen Steuerrechts sowie der Änderung des mit der Republik Irland geschlossenen DBA an Bedeutung verloren.6 Mit dem AmtsHRLÄndUG vom 20.12.20167 wurde § 50d Abs. 9 EStG schließlich im Sinne der Verwaltungsauffassung geändert. Seither dürften § 50d Abs. 8 und 9 EStG – trotz des insoweit verunglückten Gesetzeswortlauts – insoweit nebeneinander anzuwenden sein.8 Zweifelhaft ist aber die zeitliche Wirkung. Nach § 52 Abs. 59a Satz 6 EStG a.F. soll die Änderung für alle offenen Verfahren gelten. Das wird als Verstoß gegen das Verbot der echten Rückwirkung zu sehen sein.9

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c) § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG Nach § 50 Abs. 9 Nr. 1 EStG wird die in einem Abkommen vorgesehene Freistellung ausländischer Einkünfte nicht gewährt, wenn der andere Staat das DBA so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können. Umfasst von § 50 Abs. 9 Nr. 1 EStG sind nur in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige. Die Nichtbesteuerung bzw. die begrenzte Besteuerung muss auf der Anwendung von „Bestimmungen des Abkommens“ beruhen. Unschädlich ist es somit, wenn die Nichtbesteuerung bzw. die begrenzte Besteuerung auf innerstaatlichen Vorschriften des anderen Staates beruht.10

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d) § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG Nach dieser Vorschrift scheidet eine dem Grunde nach durch ein DBA angeordnete Freistellung aus, wenn die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht auf Grund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist. Im Gegensatz zu § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG behandelt § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG also nicht die unterschiedliche Auslegung des DBA. Geregelt wird der Fall, in dem das Besteuerungsrecht nach übereinstimmender Einschätzung dem an1 2 3 4 5 6 7 8

9 10

Vgl. BMF v. 3.5.2018 – IV B 2-S 1300/08/10027 – DOK 2018/0353235, BStBl. I 2018, 643, Rz. 53. Vgl. BFH v. 11.1.2012 – I R 27/11, BFH/NV 2012, 682, Rz. 12. Vgl. BMF v. 3.5.2018 – IV B 2-S 1300/08/10027 – DOK 2018/0353235, BStBl. I 2018, 643, Rz. 62. Vgl. BFH v. 11.1.2012 – I R 27/11, BFH/NV 2012, 682, Rz. 13. Vgl. FinMin Schleswig-Holstein, Einkommensteuer-Kurzinformation Nr. 2014/17 v. 10.11.2014 – VI 305-S 1300-567, FMNR4f8550014, juris. Vgl. BMF v. 5.12.2012 – IV B 2 - S 2411/10/10003 – DOK 2012/0446006, BStBl. I 2012, 1248 (aufgehoben für Steuertatbestände, die nach dem 31.12.2014 verwirklicht werden). Vgl. auch: FinMin Schleswig-Holstein, Einkommensteuer-Kurzinformation Nr. 2014/17 v. 10.11.2014 – VI 305-S 1300-567, FMNR4f8550014, juris. Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen (AmtsHRLÄndUG) v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000. Vgl. BMF v. 3.5.2018 – IV B 2-S 1300/08/10027 – DOK 2018/0353235, BStBl. I 2018, 643, Rz. 62. Gosch in Kirchhof18, § 50d EStG Rz. 41h; Loschelder in Schmidt37, § 50d EStG Rz. 59; Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz. 175a (Stand: Februar 2018). Hiervon geht auch der BFH aus: BFH v. 20.8.2014 – I R 86/13, BStBl. II 2015, 18, Rz. 37 ff.; a.A. Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Anm. 124 (Stand: September 2016). Der BFH hat dazu das BVerfG angerufen: BFH v. 20.8.2014 – I R 86/13, BStBl. II 2015, 18 (Az. BVerfG 2 BvL 21/14). Vgl. BFH v. 11.7.2018 – I R 52/16, BStBl. II 2019, 105 Rz. 27; BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764 Rz. 29; v. 5.3.2008 – I R 54, 55/07, BFH/NV 2008, 1479 Rz. 22. Das gilt auch, wenn die Nichtbesteuerung auf einem Vollzugsdefizit beruht: FG Münster v. 16.2.2009 – 9 K 463/04 K, F, EFG 2009, 1222 (rkr.).

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Art. 1 Rz. 132

Unter das Abkommen fallende Personen

deren Staat zugewiesen wird, dieser das Besteuerungsrecht jedoch nach innerstaatlichem Recht nicht ausübt. Dabei reicht allerdings nicht jede Nichtbesteuerung aus. Die Nichtbesteuerung muss vielmehr in der (nur) beschränkten Steuerpflicht der einkünfteerzielenden Person begründet sein; es muss also in Bezug auf die konkret zu beurteilenden Einkünfte eine Besserstellung dieser Person im Verhältnis zu den in dem jeweiligen Staat unbeschränkt Steuerpflichtigen gegeben sein. Sind bestimmte Einkünfte bereits nach allgemein geltenden Regelungen in dem jeweiligen Staat nicht steuerbar oder steuerpflichtig, so sind die Voraussetzungen von § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG nicht erfüllt. § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG gilt im Übrigen nicht für Dividenden, die nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, es sei denn, die Dividenden sind bei der Ermittlung des Gewinns der ausschüttenden Gesellschaften abgezogen worden (§ 50d Abs. 9 Satz 2 EStG). e) § 50d Abs. 10, 11 und 12 EStG 133

Überblick. Hintergrund des § 50d Abs. 10 EStG ist, dass Sondervergütungen nach Auffassung des BFH1 abkommensrechtlich auf Grund des Spezialitätenvorrangs zu den speziell geregelten Einkunftsarten zugehören und nicht ohne weiteres den Unternehmenseinkünften des Art. 7 zuzurechnen sind (vgl. Rz. 86). Der ursprünglich durch das JStG 20092 eingefügte § 50d Abs. 10 EStG stellt den Versuch dar, die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung gesetzlich festzuschreiben. Vom Regelungsbereich des § 50d Abs. 10 EStG umfasst werden sowohl Sondervergütungen, die ein unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter von seiner ausländischen Personengesellschaft erhält als auch Sondervergütungen, die ein beschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter von seiner inländischen Personengesellschaft erhält. Voraussetzung ist allerdings, dass das konkret anzuwendende Abkommen keine ausdrückliche Bestimmung hinsichtlich derartiger Vergütungen enthält. Rechtsfolge des § 50d Abs. 10 EStG ist, dass diese Vergütungen für Zwecke des Abkommens ausschließlich als Unternehmensgewinne gelten. Insoweit enthält § 50d Abs. 10 EStG also eine gesetzliche Fiktion. Diese soll rückwirkend in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen gelten (§ 52 Abs. 59a Satz 8 EStG). Der BFH hatte dazu allerdings inzwischen mehrfach entschieden, dass § 50d Abs. 10 EStG ins Leere geht, weil zwar ggf eine (Um)Qualifikation der Sondervergütungen in Unternehmensgewinne erfolge, die Betriebsstättenzurechnung hiervon aber nicht betroffen sei. Diese sei abkommensautonom und unabhängig vom innerstaatlichen Recht vorzunehmen.3 Auf diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber mit dem AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.20134 reagiert. In dieser Fassung dürften die mit § 50d Abs. 10 EStG vom Gesetzgeber verfolgen Ziele „technisch“ umgesetzt worden sein.5 Ausdrücklich erfasst sind nunmehr auch mittelbare Beteiligungen i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG. § 50d Abs. 11 EStG beruht auf der Entscheidung des BFH vom 19.5.2010.6 Hier hatte der BFH entschieden, dass es für die Anwendungen des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs auf Ausschüttungen an eine KGaA allein auf die zivilrechtliche Einordung dieser KGaA ankomme. § 50d EStG soll dagegen sicherstellen, dass das Schachtelprivileg nur Anwendung findet, soweit die Dividenden auch tatsächlich der zahlungsempfangenden Kapitalgesellschaft oder zumindest einer anderen Kapitalgesellschaft zuzurechnen sind.7 § 50d Abs. 12 EStG ordnet schließlich an, dass Abfindungen, die anlässlich der Beendigung einer Tätigkeit gezahlt werden, für die Anwendung der DBA als für die frühere Tätigkeit geleistetes zusätzliches Entgelt gelten und damit von dem früheren Tätigkeitsstaat besteuert werden können. Auch das beruht letztlich auf einer aus Sicht der Finanzverwaltung „missliebigen“ Rechtsprechung.8 f) § 20 Abs. 2 AStG

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Allgemeines. § 20 Abs. 2 AStG ordnet an, dass niedrig besteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb (§ 8 Abs. 1 und 3 AStG) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, die einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, in Deutschland auch dann nicht von der Besteuerung freizustellen sind, wenn das entsprechende 1 Vgl. BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 556, Rz. 13 zum DBA-USA 1989; v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788, Rz. 12 zum DBA-USA 1989; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356, Rz. 12 ff. zum DBA-USA 1989. 2 Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 3 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788, Rz. 18 ff.; v. 8.11.2010 – I R 106/09, BStBl. II 2014, 759, Rz. 13. 4 Gesetz zu Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 5 Vgl. Gosch in Kirchhof18, § 50d EStG Rz. 44c. 6 BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919 zum DBA-Frankreich. 7 Vgl. Loschelder in Schmidt37, § 50d EStG Rz. 68. 8 Zur Rechtslage vor § 50d Abs. 11 EStG vgl BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; v. 10.6.2015 – R 79/13, BStBl. II 2016, 326; Loschelder in Schmidt37, § 50d EStG Rz. 70.

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E. Missbrauch von DBA

Rz. 137 Art. 1

Abkommen eine solche Freistellung vorsieht (z.B. weil in dem entsprechenden Abkommen kein Aktivitätsvorbehalt enthalten ist). In diesem Fall ist die Doppelbesteuerung vielmehr durch die Anrechnung der hierauf gezahlten ausländischen Steuern zu vermeiden (Switch-over-Klausel). § 20 Abs. 2 AStG ist also dann nicht einschlägig, wenn die in einer ausländischen Betriebsstätte erzielten Einkünfte bereits nach dem konkret anzuwendenden Einzelabkommen nicht freizustellen sind, etwa weil die Voraussetzungen eines dort enthaltenen Aktivitätsvorbehalts nicht gegeben sind. Tatbestandsvoraussetzungen. Regelungstechnisch stellt der insoweit verunglückte § 20 Abs. 2 AStG die ausländische Betriebsstätte zunächst einer ausländischen Kapitalgesellschaft gleich. Die Freistellung der aus der Betriebsstätte erzielten Einkünfte ist ausgeschlossen, wenn die betreffenden Einkünfte unter Berücksichtigung dieser Annahme als Zwischeneinkünfte nach §§ 7–14 AStG steuerpflichtig wären. Wegen des Verweises auf die §§ 7–14 AStG ist § 20 Abs. 2 AStG zunächst einmal nur erfüllt, wenn unbeschränkt Steuerpflichtige „zu mehr als der Hälfte“ an der Betriebsstätte beteiligt sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AStG). Das ist immer dann der Fall, wenn ein inländisches Stammhaus eine ausländische Betriebsstätte unterhält (100 %-Beteiligung). Wird die ausländische Betriebsstätte durch eine Personalgesellschaft vermittelt, können Zwischeneinkünfte nur vorliegen, wenn am Ende des Wirtschaftsjahres der Personengesellschaft, in dem die Einkünfte nach § 7 Abs. 1 AStG bezogen wurden (maßgebendes Wirtschaftsjahr), mehr als 50 % der Anteile oder der Stimmrechte an der Personengesellschaft unbeschränkt Steuerpflichtigen zuzurechnen sind (§ 7 Abs. 2 Satz 1 AStG).1 Auf die Beteiligung des einzelnen Steuerpflichtigen kommt es nicht an. § 20 Abs. 2 AStG ist also auch dann einschlägig, wenn ein Steuerpflichtiger z.B. zu 0,5 % am Vermögen einer ausländischen Personengesellschaft beteiligt ist, sofern nur insgesamt mehr als die Hälfte der Beteiligung am Vermögen von Steuerinländern gehalten wird. Werden in der ausländischen Betriebsstätte Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter erzielt, so ist § 7 Abs. 6 AStG zu beachten. Hier reicht also eine Beteiligung von 1 % an der Personengesellschaft aus. Weitere Voraussetzung ist, dass in der ausländischen Betriebstätte niedrig besteuerte Zwischeneinkünfte erzielt werden. Wann eine Niedrigbesteuerung vorliegt, ist in § 8 Abs. 3 AStG geregelt (Steuerbelastung von weniger als 25 %). Das kann dann problematisch sein, wenn die Betriebsstätteneinkünfte natürlichen Personen zuzurechnen sind, weil diese häufig im Ausland nach einem progressiven Tarif besteuert werden. Zwischeneinkünfte sind auf Grund des in § 20 Abs. 2 AStG enthaltenen Verweises sämtliche Einkünfte mit Ausnahme der in § 8 Abs. 1 AStG genannten. Da der dort enthaltene Katalog auf selbständige Kapitalgesellschaften und die ihnen nahestehenden Personen ausgerichtet ist, passt dieser auf Betriebsstätteneinkünfte z.T. nicht oder nur eingeschränkt.2 Eine Sonderregelung haben Dienstleistungen, für die sich die Gesellschaft eines unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters oder einer dem Gesellschafter nahestehenden Person bedient, erfahren (§ 8 Abs. 5 Buchst. a AStG). Diese sind nach § 20 Abs. 2 Satz 3 AStG ausdrücklich aus dem Katalog der schädlichen passiven Einkünfte ausgenommen.

135

Vereinbarkeit mit EU-Recht. Der von § 20 Abs. 2 AStG angeordnete Wechsel von der abkommensrechtlichen Freistellungsmethode hin zur Anrechnungsmethode ist – so der EuGH ausdrücklich zu § 20 Abs. 2 AStG in der Rechtssache Columbus Container Services – mit dem EU-Recht vereinbar.3 Wie der BFH in dem hierzu ergangenen Schlussurteil entschieden hat, ist damit allerdings die unionsrechtliche Problematik des § 20 Abs. 2 AStG noch nicht erschöpft: Zumindest solange § 20 Abs. 2 AStG den Übergang zur Anrechnungsmethode von einer konkreten (fiktiven) Steuerpflicht gem. § 7 ff. AStG – als Rechtsgrundverweisung – abhängig mache, müsse im Lichte der Niederlassungsfreiheit dem Steuerpflichtigen der Gegenbeweis in Bezug auf den Missbrauchsvorwurf („Motivtest“) möglich sein.4 Damit hat sich der BFH einer in weiten Teilen des Schrifttums vertretenen Auffassung angeschlossen.5 Auf dieser Grundlage geht auch der nunmehr in § 20 Abs. 2 AStG enthaltene Einschub „ungeachtet des § 8 Abs. 2“ ins Leere.6

136

g) Hinzurechnungsbesteuerung Grundsätze. Mit der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 bis 14 AStG hat der Gesetzgeber insbesondere auch auf die Einschaltung von Kapitalgesellschaften im niedrigbesteuernden Ausland (sog. Basisgesellschaften) reagiert. Als Basisgesellschaften sind solche ausländischen Körperschaften anzusehen, die keiner aktiv werbenden Geschäftstätigkeit nachgehen und ihr Einkommen im Sitz bzw. Geschäftsleitungsstaat nicht 1 Vgl. BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774, Rz. 20; vgl. zu den verschiedenen Konstellationen: Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Anm. 123 (Stand: Oktober 2017). 2 Vgl. dazu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Anm. 125 ff.(Stand: Oktober 2017). 3 Vgl. EuGH v. 6.12.2007 – C-298/05 – Columbus Container Services, ECLI:EU:C:2007:754 = BFH/NV 2008, Beilage 2, 100; Keuthen, Die Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 2009, S. 24 f. 4 Vgl. BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774, Rz. 25 ff. 5 Vgl. die Nachweise in BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774, Rz. 24. 6 Vgl. dazu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Anm. 152 ff. (Stand: Oktober 2017).

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Art. 1 Rz. 137

Unter das Abkommen fallende Personen

oder nur gering versteuern. Vorbehaltlich der Annahme von Treuhandgestaltungen (§ 39 AO) bzw. Scheingeschäften (§ 41 AO) sowie einer Anwendung von § 42 AO (zu Basisgesellschaften vgl. Rz. 123 f.), sind diese Körperschaften als eigene Steuersubjekte zu behandeln und schirmen im Grundsatz hinsichtlich der im Ausland verwirklichten Tatbestände vor dem deutschen Steuerzugriff ab. Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung erkennt die Existenz der ausländischen Gesellschaft als solche dem Grunde nach an und greift für die Besteuerung auf deren in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter in Form einer fiktiv angenommenen Dividendenerzielung zu. Die Hinzurechnungsbesteuerung kommt also nur dann zur Anwendung, wenn das Vermögen und das Einkommen der Kapitalgesellschaft dieser nach allgemeinen Grundsätzen zuzurechnen ist. Im Verhältnis zu § 42 AO bedeutet dies, dass die Frage eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten vor der Hinzurechnungsbesteuerung zu prüfen ist; der Anwendungsbereich von § 42 AO wird umgekehrt allerdings wieder eingeschränkt, als dass die Vorschrift am Gesetzeszweck der §§ 7 ff. AStG zu messen ist.1 Hieran hat sich auch durch § 42 Abs. 2 AO nichts geändert.2 138

Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung. Die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7–14 AStG setzt voraus, dass an einer ausländischen Körperschaft zu mehr als die Hälfte Gesellschafter beteiligt sind, die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind, und diese Körperschaft Zwischengesellschaft für die von ihr erzielten Einkünfte ist (§ 7 Abs. 1 AStG). Zwischengesellschaft ist eine ausländische Gesellschaft für Einkünfte, die im Ausland einer niedrigen Besteuerung gem. § 8 Abs. 3 AStG (Steuerbelastung unter 25 %) unterliegen und die nicht in dem Katalog des § 8 Abs. 1 AStG ausdrücklich als aktiv genannt sind. Eine Ausnahme von der Hinzurechnungsbesteuerung wird in § 8 Abs. 2 AStG für Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in der EU oder einem EWR-Staat gemacht. Hier scheidet eine Hinzurechnungsbesteuerung aus, wenn die unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter nachweisen, dass die Gesellschaft insoweit einer „tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Staat“ nachgeht. Hintergrund des § 8 Abs. 2 AStG ist die Cadbury Schweppes-Entscheidung,3 in der der EuGH die britischen CFC-Regelungen für europarechtswidrig erachtet hat: Es laufe der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) zuwider, dass in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Gewinne einbezogen werden, wenn diese Gewinne einer Niedrigbesteuerung in dem anderen Mitgliedstaat unterliegen. Eine solche Maßnahme sei nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn dies rein künstliche Gestaltungen betreffe, die dazu bestimmt seien, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Ein steuerlicher Durchgriff scheidet daher aus, wenn die beherrschte Gesellschaft tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht. Die deutsche Finanzverwaltung reagierte auf diese Entscheidung für das deutsche Recht zunächst mit dem BMF-Schr. v. 8.1.2007.4 Mit dem JStG 2008 wurde schließlich § 8 Abs. 2 AStG eingeführt. Darüber hinaus gilt: Sofern die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter ist, kommt eine Hinzurechnungsbesteuerung schon in Betracht, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger an der Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt ist (§ 7 Abs. 6 Satz 1 AStG). Die Hinzurechnungsbesteuerung greift auch für nachgeschaltete Zwischengesellschaften (vgl. § 14 AStG).

139

Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung. Sind die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung erfüllt, so sind die nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünfte bei dem unbeschränkt Steuerpflichtigen anzusetzen (Hinzurechnungsbetrag) und gehören bei diesen zu den Einkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Sie gelten unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG), auf einen tatsächlichen Zufluss oder die Möglichkeit, einen solchen herbeizuführen, kommt es nicht an. Auf den Hinzurechnungsbetrag sind die Vorschriften des sog. Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG), der besondere Steuersatz nach § 32d EStG sowie § 8b Abs. 1 KStG nicht anzuwenden (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG). Der Steuerpflichtige kann sich insoweit auch nicht auf ein DBA berufen. Die Vorschriften der §§ 7 bis 18 AStG werden durch die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht berührt (§ 20 Abs. 1 AStG). Die Hinzurechnung ist auf Gewinne beschränkt. Eine Hinzurechnung von Verlusten erfolgt nicht (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 5 AStG).

1 Vgl. BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222, Rz. 16 ff.; v. 19.1.2000 – I R 117/97, juris. Zum Verhältnis zwischen § 42 AO und §§ 7 ff. AStG vgl. auch Gosch, IWB 2017, 876. 2 Vgl. BFH v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50, Rz. 24. 3 Vgl. EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544 = BFH/NV 2007 Beilage 4, 365. Aktuell: BFH v. 13.6.2018 – I R 94/15, BFH/NV 2018, 1303 = GmbHR 2019, 79; Schmidtmann, GmbHR 2019, 59. 4 BMF v. 8.1.2007 – IV B 4 - S 1351/1/07, BStBl. I 2007, 99.

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 146 Art. 1

F. Deutsches Muster-DBA Deutsches Muster-DBA. Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für DBA („deutsches MusterDBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen Muster-DBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.

140

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 1 DBA-Belgien. Art. 1 DBA-Belgien entspricht Art. 1 Abs. 1 OECD-MA. Eine Art. 1 Abs. 2 und 3 OECD-MA entsprechende Regelung fehlt in Art. 1 DBA-Belgien.

141

2. Konsequenzen Sonderregelungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.

142

II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 1 DBA-China. Art. 1 DBA-China entspricht Art. 1 Abs. 1 OECD-MA. Eine Art. 1 Abs. 2 und 3 OECDMA entsprechende Regelung fehlt in Art. 1 DBA-China.

143

2. Konsequenzen Sonderregelungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.

144

III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Weitergehender Formulierung. Art. 1 DBA-Frankreich unterscheidet sich von Art. 1 OECD-MA insoweit, als dass im Art. 1 DBA-Frankreich der Zweck des Abkommens ausdrücklich definiert ist. Durch das Abkommen soll vermieden werden, dass die in einem Vertragsstaat ansässigen Personen doppelt zu Steuern herangezogen werden, die nach dem Rechte dieser Staaten unmittelbar vom Einkommen oder vom Vermögen oder als Gewerbesteuern oder Grundsteuern für die Vertragsstaaten, die Länder, die Departments, die Gemeinden oder Gemeindeverbände (auch in Form von Zuschlägen) erhoben werden (Art. 1 Abs. 1 DBA-Frankreich). Damit bestimmt Art. 1 Abs. 1 DBA-Frankreich auch zugleich den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens, der im OECD-MA Gegenstand des Art. 2 ist. Der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens wird zudem in Art. 1 Abs. 2 und 3 DBA-Frankreich weiter konkretisiert. Der persönliche Anwendungsbereich des Abkommens wird in Art. 1 Abs. 1 DBA-Frankreich ebenfalls bestimmt. Dieser entspricht Art. 1 Abs. 1 OECD-MA. Eine Art. 1 Abs. 2 und 3 OECD-MA entsprechende Regelung fehlt in Art. 1 DBA-Frankreich.

145

2. Konsequenzen Keine inhaltlichen Abweichungen in der Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs. Inhaltlich ergeben sich aus Art. 1 Abs. 1 DBA-Frankreich im Vergleich zu Art. 1 OECD-MA keine Abweichungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1.

Dremel

151

146

Art. 1 Rz. 147

Unter das Abkommen fallende Personen

IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA 147

Art. 1 DBA-Großbritannien. Art. 1 DBA-Großbritannien entspricht Art. 1 Abs. 1 OECD-MA. Eine Art. 1 Abs. 2 und 3 OECD-MA entsprechende Regelung fehlt in Art. 1 DBA-Großbritannien. 2. Konsequenzen

148

Sonderregelungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.

V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA 149

Art. 1 DBA-Indien. Art. 1 DBA-Indien entspricht Art. 1 Abs. 1 OECD-MA. Eine Art. 1 Abs. 2 und 3 OECD-MA entsprechende Regelung fehlt in Art. 1 DBA-Indien. 2. Konsequenzen

150

Sonderregelungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.

VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA 151

Art. 1 DBA-Italien. Art. 1 DBA-Italien entspricht Art. 1 OECD-MA. Die Protokollbestimmung zu Art. 4–23 überschneidet sich im Regelungsgehalt mit Art. 1 Abs. 2. 2. Konsequenzen

152

Sonderregelungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1. Hinsichtlich der Sonderregelung zu Personengesellschaften im Protokoll des DBA-Italien (Protokoll zu Art. 4–23) wird auf die Kommentierung zu Art. 1 Abs. 2 und Art. 4 verwiesen.

VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 153

Art. 1 DBA-Japan. Art. 1 Abs. 1 DBA-Japan entspricht Art. 1 Abs. 1 OECD-MA. Art. 1 Abs. 2 DBA-Japan entspricht im Regelungsgehalt Art. 1 Abs. 2 OECD-MA. Die Regelung geht zum Teil weiter als Art. 1 Abs. 2 OECD-MA, weil ergänzend auch der Ausdruck „steuerlich transparent“ definiert wird. Eine Art. 1 Abs. 3 entsprechende Regelung fehlt in Art. 1 DBA-Japan. 2. Konsequenzen

154

Sonderregelungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1. Hinsichtlich Art. 1 Abs. 2 DBA-Japan wird auf die Kommentierung zu Art. 1 Abs. 2 OECD-MA verwiesen. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.

VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA 155

Art. 1 DBA-Kanada. Art. 1 DBA-Kanada entspricht Art. 1 Abs. 1 OECD-MA. Eine Art. 1 Abs. 2 und 3 OECD-MA entsprechende Regelung fehlt in Art. 1 DBA-Kanada.

152

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 164 Art. 1

2. Konsequenzen Sonderregelungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.

156

IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 1 DBA-Luxemburg. Art. 1 DBA-Luxemburg entspricht Art. 1 Abs. 1 OECD-MA. Eine Art. 1 Abs. 2 und 3 OECD-MA entsprechende Regelung fehlt in Art. 1 DBA-Luxemburg.

157

2. Konsequenzen Sonderregelungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.

158

X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 1 DBA-Niederlande. Art. 1 DBA-Niederlande entspricht Art. 1 Abs. 1 OECD-MA. Für hybride Gesellschaften ist unter I. Abs. 2 des Protokolls zum DBA-Niederlande eine Sonderregelung enthalten, die im Regelungsgehalt weitgehend Art. 1 Abs. 2 OECD-MA entspricht.

159

2. Konsequenzen Sonderregelungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1. Hinzuweisen ist darauf, dass in Abschn. I Abs. 2 des Protokolls zum DBA-Niederlande eine besondere Regelung zu Personen enthalten ist, die aus Sicht des einen Staates steuerlich transparent sind, deren Einkünfte aber im Sinne der Steuergesetze des Sitzstaates wie Einkünfte oder Gewinne einer ansässigen Person behandelt werden. In diesem Fall folgt das Abkommensrecht der Behandlung durch den Sitzstaat. In anderen Fällen subjektiver Qualifikationskonflikte suchen die Behörden der Vertragsstaaten im Rahmen des Art. 25 DBA-Niederlande nach Lösungen, um eine Doppelbesteuerung bzw. eine nicht dem Abkommen entsprechende Besteuerung zu vermeiden. Gleichzeitig soll verhindert werden, dass Einkünfte (teilweise) nicht der Besteuerung unterliegen. Insoweit wird auf die Kommentierung zu Art. 1 Abs. 2 OECD-MA verwiesen.

160

XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 1 DBA-Österreich. Art. 1 DBA-Österreich entspricht Art. 1 Abs. 1 OECD-MA. Eine Art. 1 Abs. 2 und 3 OECD-MA entsprechende Regelung fehlt in Art. 1 DBA-Österreich.

161

2. Konsequenzen Sonderregelungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.

162

XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 1 DBA-Russland. Art. 1 DBA-Russland entspricht Art. 1 Abs. 1 OECD-MA. Eine Art. 1 Abs. 2 und 3 OECD-MA entsprechende Regelung fehlt in Art. 1 DBA-Russland.

163

2. Konsequenzen Sonderregelungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.

Dremel

153

164

Art. 1 Rz. 165

Unter das Abkommen fallende Personen

XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA 165

Art. 1 DBA-Schweiz. Art. 1 DBA-Schweiz entspricht Art. 1 Abs. 1 OECD-MA. Eine Art. 1 Abs. 2 und 3 OECD-MA entsprechende Regelung fehlt in Art. 1 DBA-Schweiz. 2. Konsequenzen

166

Sonderregelungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen. Es sind insbesondere die besonderen Regelungen zur Ansässigkeit in Art. 4 Abs. 6 DBA-Schweiz zu beachten.

XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA 167

Art. 1 DBA-Spanien. Art. 1 DBA-Spanien entspricht Art. 1 Abs. 1 OECD-MA. Eine Art. 1 Abs. 2 und 3 OECD-MA entsprechende Regelung fehlt in Art. 1 DBA-Spanien. 2. Konsequenzen

168

Sonderregelungen. Es gelten die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 1. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.

XV. USA Ausgewählte Literatur: Bahns/Keuthen, Behandlung im Entlastungsverfahren nach § 50d EStG – Reichweite des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA, IStR 2010, 750; Endres/Wolff, Musterfälle zum revidierten deutsch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2006, 721; F. Jacob, Das revidierte DBA-USA (Teil II), IStR 2011, 98; Schönfeld, Der neue Artikel 1 DBA-USA – Hinzurechnungsbesteuerung und abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften steuerlich transparenter Rechtsträger, IStR 2007, 274; Wolff/Eimermann, Neuerungen im DBA-USA, Änderungsprotokoll vom 1. Juni 2006 zum DBA-USA 1989 und dem Protokoll dazu, IStR 2006, 837.

1. Abweichungen zum OECD-MA 169

Weitergehender Formulierung. Art. 1 Abs. 1 DBA-USA stimmt in der Formulierung weitgehend mit Art. 1 OECD-MA überein. Im Text des DBA-USA ist lediglich der Einschub – „soweit es [das Abkommen] nichts anders vorsieht“ – enthalten. Dies ist aber eine Selbstverständlichkeit. Zusätzlich sind in Art. 1 DBA-USA aber in den Absätzen 2 bis 7 diverse Regelungen enthalten, die über das OECD-MA hinausgehen. Art. 1 Abs. 2 DBA-USA bestimmt, dass das Abkommen Steuerbefreiungen und -ermäßigungen, Freibeträge oder Steuerabzugsbeträge oder andere Vergünstigungen nicht einschränkt. Damit wird lediglich der allgemeine Grundsatz klargestellt, dass ein DBA die nach innerstaatlichem Steuerrecht bestehenden Besteuerungstatbestände nicht erweitert bzw. keine neuen begründet.1 Art. 1 Abs. 3 DBA-USA enthält unter Buchst. a den Vorrang des in Art. 25 DBA-USA geregelten Verständigungsverfahren vor weiteren Instrumentarien zur Streitschlichtung. Buchst. b definiert – sehr weitgehend – die Maßnahmen, die dem Verständigungsverfahren unterliegen. Art. 1 Abs. 4 und 5 DBA-USA enthalten eine Einschränkung des Abkommensschutzes für US-Steuerbürger (Abs. 4) bzw. bestimmte Ausnahmen hiervon (Abs. 5). Aufgrund dieser Saving Clause sind die USA berechtigt, ihre Gebietsansässigen und Staatsangehörigen weitgehend ungeachtet des Abkommens nach allgemeinen Regeln zu besteuern. Vergleichbares gilt für ehemalige Staatsbürger oder langfristige Aufenthaltsberechtigte der Vereinigten Staaten für einen Zeitraum von 10 Jahren nach dem Verlust dieses Status (Art. 1 Abs. 4 Buchst. b DBA-USA). Eine entsprechende Ausnahmeregelung aus deutscher Sicht besteht nicht; diese würde auch weitgehend leerlaufen, weil das deutsche Steuerrecht für die Besteuerung nur in sehr eingeschränkten Ausnahmefällen auf die Staatsangehörigkeit abstellt (z.B. für die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG). Umgekehrt ist in Art. 1 Abs. 6 DBA-USA aber bestimmt, dass das Abkommen eine Anwendung der §§ 7 bis 14, 15 und 20 des deutschen Außensteuergesetzes nicht entgegensteht. Eintretende Doppelbesteuerungen sind ggf. in einem Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA-USA aufzulösen. Art. 1 Abs. 7 DBA-USA enthält schließlich eine Sonderregelung für transparente Rechtsgebilde. Danach gelten die Einkünfte, die ein Rechtsgebilde erzielt, das in einem Vertragsstaat (dem Quellenstaat) 1 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 10 u. 71 (Stand: Mai 2011).

154

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 170 Art. 1

steuerlich transparent ist, als Einkünfte einer in dem anderen Staat ansässigen Person, wenn dieser andere Staat die Einkünfte als Einkünfte einer dort ansässigen Person zuordnet und besteuert. 2. Konsequenzen Beschränkungen bzw. Erweiterungen des persönlichen Anwendungsbereichs. Im Grundsatz stellt Art. 1 Abs. 1 DBA-USA – wie auch das OECD-MA – für den persönlichen Anwendungsbereich auf die „Person“ und deren „Ansässigkeit“ ab. Insoweit bestehen im Ausgangspunkt also keine Besonderheiten. Allerdings schränkt Art. 1 Abs. 4 DBA-USA den Anwendungsbereich des Abkommens für bestimmte Fälle wieder ein. Derartige Regelungen (wenn auch mit anderen Voraussetzungen) finden sich auch in anderen Abkommen, nicht immer aber in Art. 1. Das OECD-MA enthält nunmehr in Art. 1 Abs. 3 ebenfalls eine – allerdings für beide Vertragsstaaten geltende – „saving clause“ (vgl. die Kommentierung zu Abs. 3 in Rz. 102). Eine besondere Regelung der Abkommensberechtigung ist zudem in Art. 1 Abs. 7 DBA-USA enthalten.1 Art. 1 Abs. 7 DBA-USA soll einerseits verhindern, dass Quellensteuerermäßigungen nach dem Abkommen zu gewähren sind, wenn der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft, die die Einkünfte erzielt, die Gesellschaft steuerlich als transparent ansieht und deshalb die von der (hybriden) Gesellschaft erzielten Einkünfte dort tatsächlich keiner Besteuerung unterliegen; andererseits sollen für Einkünfte, die von einer solchen Gesellschaft erzielt werden, die Abkommensvergünstigungen gewährt werden, wenn diese Einkünfte im Sitzstaat der Gesellschaft der Besteuerung unterliegen.2 Die Regelung zielt damit vorrangig auf Rechtsträger ab, die von dem einen Vertragsstaat als steuerlich transparent und von dem anderen Vertragsstaat als steuerlich intransparent eingeordnet werden. Den sich hieraus ergebenden Qualifikationskonflikt löst Art. 1 Abs. 7 DBA-USA auf, indem der Quellenstaat an die Einkünftezurechnung des Ansässigkeitsstaats gebunden ist, wenn dieser nach allgemeinen innerstaatlichen Regelungen die Einkünfte einer dort ansässigen Person zuordnet.3 Nach Auffassung des BFH fingiert Art. 1 Abs. 7 DBA-USA die Ansässigkeit der einkünfteerzielenden (hybriden) Gesellschaft,4 ebenso sei die Gesellschaft selbst Nutzungsberechtigte i.S.v. Art. 10 DBA-USA.5 Art. 1 Abs. 7 DBA-USA findet im OECD-MA nunmehr eine Parallele in Art. 1 Abs. 2 OECD-MA. Auf die entsprechende Kommentierung dort wird verwiesen (Rz. 94).

1 Vgl. ausführlich Wolff in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 105 ff. (Stand: Mai 2011). 2 Vgl. Bahns/Keuthen, IStR 2010, 750. 3 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 112 (Stand: Mai 2011); Bahns/Keuthen, IStR 2010, 750 (751); Endres/Wolff, IStR 2006, 721 (728); F. Jacob, IStR 2011, 98 (99); Schönfeld, IStR 2007, 274 (276); Wolff/Eimermann, IStR 2006, 837 (838). 4 BFH v. 26.06.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367, Rz. 17; vgl. auch Anger/Wagemann, IStR 2012, 648; a.A. Wolff in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 112 (Stand: Mai 2011); Bahns/Keuthen, IStR 2010, 750 (751); Endres/Wolff, IStR 2006, 721 (728); F. Jacob, IStR 2011, 98 (99); Schönfeld, IStR 2007, 274 (276); Wolff/Eimermann, IStR 2006, 837 (838) sowie hier Rz. 99–101 zu Art. 1 Abs. 2. 5 BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367 Rz. 22 ff.

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Artikel 2 Unter das Abkommen fallende Steuern (1) Dieses Abkommen gilt, ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung, für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines Vertragsstaats oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden. (2) Als Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gelten alle Steuern, die vom Gesamteinkommen, vom Gesamtvermögen oder von Teilen des Einkommens oder des Vermögens erhoben werden, einschließlich der Steuern vom Gewinn aus der Veräußerung beweglichen oder unbeweglichen Vermögens, der Lohnsummensteuern sowie der Steuern vom Vermögenszuwachs. (3) Zu den bestehenden Steuern, für die das Abkommen gilt, gehören insbesondere a) (in Staat A): … b) (in Staat B): … (4) 1Das Abkommen gilt auch für alle Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden. 2Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten teilen einander die in ihren Steuergesetzen eingetretenen bedeutsamen Änderungen mit. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht/Völkerrecht . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . B. Sachlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . I. Umfasste Steuerarten . . . . . . . . . . . . II. Art der Steuererhebung . . . . . . . . . . . III. Steuergläubiger . . . . . . . . . . . . . . . C. Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . I. Grundaussage . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bemessungsgrundlagen „Einkommen“ und „Vermögen“ . . . . . . . . . . . . . . IV. Einzelne Steuerarten . . . . . . . . . . . . 1. Steuern vom Einkommen . . . . . . . . . . 2. Steuern vom Vermögen . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Steuern . . . . . . . . . . . . . . . D. Katalog der in den Geltungsbereich des Abkommens fallenden Steuern (Abs. 3) . E. Künftige Steuern gleicher oder ähnlicher Art (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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45 45 45 50 51 51 55 56

1. 2. IV. 1. 2. V. 1. 2. VI. 1. 2. VII. 1. 2. VIII. 1. 2. IX. 1. 2. X. 1. 2. XI. 1. 2. XII. 1. 2. XIII. 1. 2. XIV. 1. 2. XV. 1. 2.

Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Großbritannien . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Indien . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Italien . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Japan . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Kanada . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Luxemburg . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Niederlande . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Russland . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Spanien . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . .

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Art. 2 Rz. 1

Unter das Abkommen fallende Steuern

OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: https://doi.org/10.1787/20745419.

KOMMENTIERUNG ZU ART. 2 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck 1

Bestimmung des sachlichen Geltungsbereichs. Art. 2 bestimmt im Wesentlichen den sachlichen Geltungsbereich des DBA und ergänzt insoweit Art. 1. Abgestellt wird dabei auf die Steuerart und den Steuergläubiger. Dies betrifft aber nur die Teile des Abkommens, die die Verteilung der Besteuerungsrechte und die Methode der Vermeidung der Doppelbesteuerung regeln. Nicht von Art. 2 bestimmt ist der Geltungsbereich der Diskriminierungsverbote (Art. 24), des Informationsaustausches (Art. 26) und der Amtshilfe bei der Erhebung der Steuern (Art. 27). Der Geltungsbereich dieser Artikel ist gesondert geregelt und im Grundsatz auch weiter gefasst. Art. 2 ist wie folgt aufgebaut: Art. 2 Abs. 1 und 2 enthalten eine abstrakte Definition der Steuern, auf die das DBA Anwendung finden soll. In Art. 2 Abs. 3 sind dann die konkreten Steuern benannt. Art. 2 Abs. 4 Satz 1 erweitert den Anwendungsbereich des Abkommens schließlich auf künftige Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden. Art. 2 Abs. 4 Satz 2 sieht eine gegenseitige Information über Änderungen in den Steuergesetzen vor.

2

Unter das Abkommen fallende Steuern. Sachlich sind vom OECD-MA die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen umfasst. Welche Steuern und Steuerarten unter das DBA fallen, hängt im Wesentlichen von dem innerstaatlichen Steuerrecht der Vertragsstaaten ab. Auf die Art der Steuererhebung kommt es nach dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 ausdrücklich nicht an.1 Der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens umfasst nach Art. 2 gleichermaßen sowohl jährlich wiederkehrende als auch einmalig erhobene Veranlagungssteuern und Quellensteuern von beschränkt sowie unbeschränkt steuerpflichtigen Personen. Einerseits zeigt sich aus der Definition der Steuern, dass die Staaten keine allgemeine Vermeidung der Doppelbesteuerung beabsichtigen,2 andererseits soll – so die OECD – der Anwendungsbereich des Abkommens soweit als möglich ausgedehnt sein (vgl. Art. 2 Rz. 1 OECD-MK). Bedingt durch die Unterschiede in den Steuerrechtsordnungen der jeweiligen Vertragsstaaten sind Vorbehalte und Textabweichungen innerhalb von Art. 2 einzelner DBA enthalten.3 Nicht in den sachlichen Anwendungsbereich einbezogen sind Verkehr- und Verbrauchsteuern sowie Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern.

3

Persönlicher Geltungsbereich in Bezug auf den Steuergläubiger. In Ergänzung zu Art. 1, der den persönlichen Anwendungsbereich aus Sicht des Steuerschuldners regelt, bestimmt Art. 2 zusätzlich den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens in Bezug auf den Steuergläubiger. Die Steuern müssen für Rechnung eines der Vertragsstaaten oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden, um den Anwendungsbereich des Abkommens zu eröffnen. Im Ergebnis wird der sachliche Anwendungsbereich damit auch durch ein persönliches Element, nämlich die Person des Steuergläubigers, bestimmt. Als Hauptbeispiel für eine Abgabe, die nicht unter das Abkommen fällt, ist die in Deutschland für Rechnung der Religionsgemeinschaften erhobene Kirchensteuer zu nennen.

4

Systematischer Zusammenhang. Als allgemeiner Teil des OECD-MA stellt Art. 2 zusammen mit Art. 1 die Anwendungsvoraussetzung für die abkommensrechtlichen Verteilungsnormen der Art. 6 ff. und den sog. Methodenartikeln des § 23A/B dar.

1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 1 (Stand: Mai 2006); Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 9. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 1 (Stand: Mai 2006). 3 Vorbehalte hinsichtlich der Geltung auch für Steuern der Gebietskörperschaften aufgrund fehlender Bindungsmöglichkeiten ihrer Gliedstaaten haben z.B. die USA, Kanada und Australien erklärt. Textabweichungen sind z.B. zu finden in DBA mit den ehemaligen Ostblockstaaten, in denen Vertragspartner aufgrund der zentralistischen Führungsstruktur nur der jeweilige Vertragsstaat ist. Japan hingegen beschränkt die Wirkung der DBA in Bezug auf die japanischen Steuern auf die Steuern von Einkommen und nimmt damit die Vermögensbesteuerung aus dem Geltungsbereich der DBA aus. Nach dem DBA-Niederlande sind die Vermögensteuern insgesamt ausgenommen.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 8 Art. 2

II. Aufbau der Vorschrift Art. 2 Abs. 1 umschreibt abstrakt den sachlichen Geltungsbereich des DBA. Danach gilt das DBA ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines Vertragsstaats oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden. In Art. 2 Abs. 2 werden die zentralen Anknüpfungspunkte „Steuern von Einkommen und Vermögen“ bestimmt. Ergänzend hierzu sieht Art. 2 Abs. 3 vor, dass die Vertragsstaaten die Steuern, auf die das Abkommen anzuwenden ist, konkret bezeichnen. Auch wenn Art. 2 Abs. 3 nicht abschließend zu verstehen ist, orientiert sich die praktische Abkommensanwendung zunächst an dieser Aufzählung; und zwar auch deshalb, weil diese Aufzählung Rückschlüsse auf die Auslegung der in Art. 2 Abs. 1 und 2 verwendeten Begriffe zulässt. Art. 2 Abs. 4 trägt schließlich dem Umstand Rechnung, dass das Steuerrecht der Staaten kein statischer Zustand und einem ständigen Wechsel unterworfen ist. Dem müssen sich auch internationale Regelungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen anpassen. Vor diesem Hintergrund akzeptiert Art. 2 Abs. 4 die Möglichkeit der Vertragsstaaten, neben den oder an Stelle der im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens bestehenden Steuern neue Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art zu erheben und erklärt das Abkommen auch auf diese Steuern für anwendbar. In Art. 2 Abs. 4 Satz 2 ist schließlich eine gegenseitige Information der Vertragsstaaten über die in ihren Steuergesetzen eingetretenen bedeutsamen Änderungen vorgesehen.

5

III. Rechtsentwicklung Keine wesentlichen Änderungen seit OECD-MA 1963. Art. 2 hat seit seiner ursprünglichen Fassung in 1963 keine wesentlichen Änderungen hinsichtlich seines Regelungsinhalts erfahren. Die in der Fassung des OECD-MA 1977 eingeführten sprachlichen Änderungen in Abs. 1 von „für Rechnung eines der beiden Vertragsstaaten“ zu „für Rechnung eines Vertragsstaats“, in Abs. 3 von „zu den zur Zeit bestehenden Steuern …“ zu „zu den bestehenden Steuern …“ und in Abs. 4 Satz 1 von „Steuern gleicher oder ähnlicher Art, die künftig neben den zur Zeit bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhobenen werden“ zu „Steuern gleicher oder im wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden“ hatten eine rein klarstellende und präzisierende Funktion. Auch die Streichung des Satzes 2 in Art. 2 Abs. 4 in der Fassung des OECD-MA 2000, wonach Gesetzesänderungen stets zum Ende des Jahres mitzuteilen waren, brachte keine wesentliche inhaltliche Änderung mit sich.

6

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht Grundsatz. Art. 2 legt zusammen mit Art. 1 den Geltungsbereich für wesentliche Teile des Abkommens fest. Beide Vorschriften werden durch Art. 30 hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereichs des Abkommens ergänzt. Art. 1 und 2 bilden damit eine Anwendungsvoraussetzung für die nachfolgenden Verteilungsnormen (Art. 6 bis 22) und die Methodenartikel (Art. 23A/B), ohne sich mit diesen Artikeln zu überschneiden oder mit diesen zu konkurrieren. Zwischen Art. 2 und den Verteilungsnormen besteht jedoch eine Wechselwirkung, weil der sachliche Anwendungsbereich des OECD-MA durchaus durch die Ausgestaltung der Verteilungsnormen konkretisiert werden kann. Dies zeigt sich u.a. an Art. 22. Dort erfolgt zwar keine ausdrückliche Abgrenzung zu den Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern sowie zu den Steuern auf Vermögensübergänge. Diese sind aber als eigenständige Steuerarten aus dem Begriff der Steuern auf Vermögen i.S. dieses Abkommens auszuscheiden (vgl. Art. 22 Rz. 1 OECD-MK sowie Art. 22 Rz. 1).

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Diskriminierungsverbote, Informationsaustausch, Amtshilfe bei der Steuererhebung. Der sachliche und zum Teil auch der persönliche Anwendungsbereich der Diskriminierungsverbote (Art. 24), des Informationsaustausches (Art. 26) und der Amtshilfe bei der Erhebung von Steuern (Art. 27) sind in den jeweiligen Artikeln besonders bestimmt. Diese Sonderregelungen sind damit im Verhältnis zu Art. 2 lex specialis. Für die Diskriminierungsverbote ist in Art. 24 bereits eine Sonderregelung hinsichtlich des subjektiven Anwendungsbereiches im OECD-MA enthalten. Angeknüpft wird insoweit nicht an eine ansässige Person, sondern an die Staatsangehörigkeit (vgl. Art. 1 Rz. 9). Art. 24 Abs. 6 enthält schließlich eine Ausnahme zu Art. 2 für die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereiches. Danach gilt Art. 24 ungeachtet des Art. 2 für Steuern jeder Art und Bezeichnung. Gleiches gilt für den Informationsaustausch (vgl. Art. 26). Dieser soll in Bezug auf Steuern jeder Art und Bezeichnung, die für Rechnung der Vertragsstaaten oder ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden, erfolgen (vgl. Art. 26 Abs. 1 Satz 1). In Art. 26 Abs. 1 Satz 2 ist zudem ausdrücklich klargestellt, dass der Informationsaustausch durch Art. 1 und 2 nicht eingeschränkt ist; auch

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Art. 2 Rz. 8

Unter das Abkommen fallende Steuern

die Amtshilfe bei der Erhebung von Steuern nach Art. 27 ist durch Art. 1 und 2 nicht eingeschränkt (vgl. Art. 27 Abs. 1 sowie Art. 26 Rz. 2 OECD-MK und Art. 27 Rz. 4 OECD-MK). 9

Verständigungsverfahren. Den Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 kann nur eine „Person“ stellen. Zwar ist im OECD-MA nicht ausdrücklich vorgesehen, dass die antragstellende Person in einem der Vertragsstaaten ansässig sein muss, dies ergibt sich aber schon daraus, dass sie den Fall der zuständigen Behörde des Staates, in dem sie ansässig ist, unterbreiten muss (vgl. Art. 25 Abs. 1). Zudem ist Voraussetzung für ein Verständigungsverfahren, dass eine abkommenswidrige Besteuerung in der Person des Antragsstellers geltend gemacht wird. Insoweit kann ein Verständigungsverfahren nur hinsichtlich der Steuern eingeleitet werden, die in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens fallen. Dieser ist wiederum nach Art. 2 zu bestimmen (vgl. zu Einzelheiten Art. 25 Rz. 39 ff.). 2. EU-Recht/Völkerrecht

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Steuersouveränität der Mitgliedstaaten bei direkten Steuern. Da der sachliche Anwendungsbereich des OECD-MA auf die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen beschränkt ist, ergeben sich nur mittelbare Überschneidungen zum Europarecht. Dies folgt daraus, dass der abkommensrechtliche Begriff der Steuern vom Einkommen und Vermögen weitgehend deckungsgleich mit dem Begriff der direkten Steuern sein dürfte. Im Bereich dieser Steuern ist der Einfluss des Europarechts auf die Steuergesetzgebung und Steuererhebung wegen des in Art. 5 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzips eher gering. Die direkten Steuern unterfallen im Grundsatz der uneingeschränkten Steuersouveränität der Mitgliedsstaaten; die Mitgliedsstaaten müssen ihre Befugnisse jedoch unter Wahrung des Unionsrechts ausüben.1 Insbesondere bleiben die Mitgliedsstaaten befugt, zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen.2 Einen mittelbaren Bezug zu den direkten Steuern hat das Unionsrecht aber soweit das sekundäre Unionsrecht – insbesondere also die zu den direkten Steuern ergangenen Richtlinien – zu einer Änderung des innerstaatlichen Rechts geführt hat. Beispiele hierfür sind die Mutter-Tochter-Richtlinie,3 die Zins- und Lizenz-Richtlinie4 und die Zinsrichtlinie.5 Im Verhältnis zu diesen Regelungen sind Überschneidungen und Konkurrenzen zu den DBA möglich. Der Steuerpflichtige kann sich hier jeweils auf die für ihn günstigere Regelung berufen (vgl. zu Einzelheiten Art. 1 Rz. 10 ff.). 3. Innerstaatliches Recht

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Abkommen als Teil des innerstaatlichen Rechts. Zu den Fragen, ob und ab wann ein völkerrechtlicher Vertrag – hier ein DBA – Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung wird, in welchem Rangverhältnis ein völkerrechtlicher Vertrag zu den innerstaatlichen Normen steht, welche Grundsätze bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge heranzuziehen sind und wie Kollisionskonflikte zu lösen sind, wird auf die Kommentierung zu Art. 1 verwiesen (vgl. Art. 1 Rz. 12 ff.).

B. Sachlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1) I. Umfasste Steuerarten 12

Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Nach Art. 2 Abs. 1 gilt das Abkommen für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden. Was unter Steuern vom Einkommen und vom Vermögen zu fassen ist, ist in Art. 2 Abs. 2 näher ausgeführt, jedoch nicht im Sinne einer abschließenden Definition, sondern letztlich nur als generalklauselartige Umschreibung (vgl. Rz. 24 ff.).6 Für die Auslegung des Begriffs der Steuern vom Einkommen

1 Vgl. EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785 Rz. 45 = FR 2012, 25; v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670 Rz. 44; v. 12.2.2009 – C-128/08 – Damseaux, ECLI:EU:C:2009:471 Rz. 24; v. 13.12.2005 – C-446/03 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2005:763, Rz. 29 jeweils m.w.N. 2 Vgl. EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670 Rz. 46 u. 48; v. 5.7.2005 – C-376/03 – D, ECLI:EU:C:2005:424 Rz. 52; v. 12.12.2006 – C-374/04 – Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation, ECLI:EU:C:2006:773 Rz. 52. 3 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. 4 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/49 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363, 19 v. 20.12.2006. 5 RL 2003/48/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363/19 v. 20.12.2006. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 10 (Stand: Mai 2006).

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B. Sachlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 15 Art. 2

und vom Vermögen kann zudem auf die Verteilungsnormen der Art. 6–21, 22 zurückgegriffen werden,1 da zwischen der Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs des Abkommens und der Reichweite der Verteilungsnomen naturgemäß eine Wechselwirkung besteht. Art. 2 Abs. 3 sieht schließlich eine Aufzählung der unter das DBA fallenden Steuern vor. Nach der Vorstellung der OECD sollen in Art. 2 Abs. 3 des jeweiligen Einzelabkommens die im Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens geltenden Steuern benannt werden (vgl. Art. 2 Rz. 6 Satz 1 OECD-MK). Auch wenn diese Aufzählung nicht erschöpfend sein soll und insbesondere als Veranschaulichung der vorstehenden Absätze gedacht ist (vgl. Art. 2 Rz. 6 Sätze 2 und 3 OECD-MK), spricht der erste Anschein dafür, dass sie bei Abschluss des Abkommens vollständig war.2 In Zweifelsfällen kann diese Aufzählung somit als Auslegungshilfe für die Bestimmung der unter das Abkommen fallenden Steuern dienen. In der praktischen Rechtsanwendung ist daher zunächst zu prüfen, ob die in Frage kommende Steuer in der Aufzählung des Art. 2 Abs. 3 des jeweiligen Einzelabkommens enthalten ist. Diese Steuern sind auf jeden Fall vom Schutzbereich des Abkommens umfasst. Auch wenn der Begriff der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen im OECD-MA nicht umfassend definiert ist, ist dieser vorrangig abkommensorientiert, also „aus sich heraus“, auszulegen.3 Dabei ist aber auch nicht zu verkennen, dass zum einen durch die Aufzählung in Art. 2 Abs. 3 wiederum auf die Steuern des jeweiligen innerstaatlichen Rechts verwiesen wird und zum anderen, dass die in Art. 2 Abs. 1 und 2 verwendeten Begriffe selbst wiederum nicht im OECD-MA definiert sind (zur fehlenden Definition des Steuerbegriffs vgl. Rz. 20 ff.). Keine Gegenseitigkeitsklausel. Eine Gegenseitigkeitsklausel ist im OECD-MA nicht vorgesehen. Für die Frage, ob eine für Rechnung des einen Vertragsstaats erhobene Steuer vom sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens umfasst ist, ist es somit unerheblich, ob der jeweils andere Vertragsstaat ebenfalls eine solche oder eine vergleichbare Steuer erhebt.

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II. Art der Steuererhebung Keine Begrenzung auf die Art der Steuererhebung. Die Art der Steuererhebung ist für die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs des Abkommens ohne Bedeutung. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 („ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung“). Damit ist es unerheblich, ob die betreffenden Steuern als Veranlagungssteuern (z.B. die deutsche Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer) oder als Quellensteuern (z.B. die deutsche Lohn- und Kapitalertragsteuer) erhoben werden. Ebenfalls ist nicht entscheidend, wie das Verfahren der Steuererhebung ausgestaltet ist und durch wen die Steuern erhoben werden. Damit unterfallen auch Steuern, die durch Privatpersonen erhoben werden (etwa beim Steuerabzug an der Quelle), dem sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens sofern die weiteren Voraussetzungen gegeben sind.4

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Erforderlichkeit eines Bezugspunktes der Steuerbemessungsgrundlage zum Einkommen oder zum Vermögen. Aus der Formulierung „ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung“ folgt zudem, dass eine Steuer bereits dann eine Steuer vom Einkommen oder vom Vermögen ist, wenn deren Bemessungsgrundlage nur einen – weit gefassten – Bezug zum Einkommen oder zum Vermögen hat.5 Ein mittelbarer Bezug reicht aus, so dass etwa der deutsche Solidaritätszuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer ebenfalls als Steuer von Einkommen anzusehen ist. Ausreichend für die Einordnung als Steuer vom Einkommen ist zudem, wenn die Steuerbemessungsgrundlage nur eine Teilgröße der Einkommensermittlung darstellt, weil sie z.B. als Bruttogröße bereits vor steuerwirksamen Abzügen (wie Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Pauschbeträgen) die Grundlage der Steuerbemessung bildet.6 Schließlich ist auch ohne Belang, ob bei der Ermittlung der Steuerschuld ein fester oder progressiver Steuersatz nach der Grund- oder Splittingtabelle angewendet wird.7

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1 2 3 4 5 6

Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 12 (Stand: Mai 2006). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 11 (Stand: Mai 2006). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 12 (Stand: Mai 2006); Lang in FS Loukota, 265 ff. Vgl. Büge in G/K/G/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 10 (Stand: 2000). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 17 (Stand: Mai 2006). So ist z.B. die Bemessungsgrundlage der Kapitalertragsteuer (§ 43a Abs. 2 Satz 1 EStG), der Lohnsteuer (§ 38a EStG) und mit Einschränkungen der Quellensteuer nach § 50a EStG eine Bruttogröße. 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 17 (Stand: Mai 2006).

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Art. 2 Rz. 16

Unter das Abkommen fallende Steuern

III. Steuergläubiger 16

Vertragsstaat. Indem Art. 2 Abs. 1 auf die Steuern abstellt, die für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden, wird der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens (auch) an die Person des Steuergläubigers geknüpft. Was unter den Begriffen „Vertragsstaat“ oder „Gebietskörperschaften“ zu verstehen ist, ist im OECD-MA nicht definiert. Hinsichtlich der Vertragsstaaten ist dieses auch nicht erforderlich. Vertragsstaaten des DBA sind die völkerrechtlichen Vertragspartner des Einzelabkommens, also die Völkerrechtssubjekte, die das DBA geschlossen haben. Wer das ist, ergibt sich u.a. aus der Überschrift des jeweiligen DBA, ggf. auch aus dessen Präambel. In den deutschen DBA ist regelmäßig zudem in den jeweiligen Einzelabkommen (dort in Art. 3) eine ausdrückliche Definition der Vertragsstaaten enthalten (vgl. Art. 1 Rz. 2). Im Unterschied zu Art. 1, der auf die Ansässigkeit einer Person in einem der Vertragsstaaten abstellt, ist in Art. 2 Abs. 1 der Vertragsstaat ausschließlich in seiner Funktion als Hoheitsträger und Steuergläubiger angesprochen, so dass es hier – anders als bei der Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs in Art. 1 – auf die geographische Ausdehnung des Vertragsstaates nicht ankommt.

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Gebietskörperschaften. Auch der Begriff der Gebietskörperschaft ist im Abkommen nicht weiter definiert, so dass insoweit auf das jeweilige innerstaatliche Recht des Anwenderstaats abzustellen ist (vgl. Art. 3 Abs. 2 sowie Art. 3 Rz. 66 ff.). Insbesondere aus den englischen und französischen Texten des OECD-MA wird aber deutlich, dass taugliche Steuergläubiger sämtliche Untergliederungen des Vertragsstaats mit eigener Steuerhoheit1 sein können. Die jeweilige Untergliederung (im deutschen Text: Gebietskörperschaft) muss also Teil des Vertragsstaates sein.2 In Deutschland gehören die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände zu den Gebietskörperschaften (vgl. Art. 28, 105 GG). Die deutschen Länder besitzen allerdings auf Grund ihrer originären Staatsqualität einen verfassungsrechtlichen Sonderstatus. Vor diesem Hintergrund sind die Länder in einer Vielzahl der deutschen DBA – deklaratorisch – gesondert als taugliche Steuergläubiger genannt. Die Religionsgemeinschaften sind dagegen – auch soweit diese als öffentlich-rechtliche Körperschaften organsiert sind – in Deutschland unabhängig und nicht in den Staat eingegliedert. Daher fallen die Kirchensteuern nicht unter das Abkommen, auch wenn sie auf der abgeleiteten staatlichen Finanzhoheit beruhen (vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV).3 Mittelbar wirkt sich die in den Abkommen vorgenommene Aufteilung der Besteuerungsrechte aber letztendlich auch auf die Kirchensteuer aus, weil diese nach einem Prozentsatz der Einkommensteuer ermittelt wird (vgl. § 51a EStG).4

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Ertragshoheit. Wenn Art. 2 Abs. 1 auf Steuern abstellt, die „für Rechnung eines Vertragsstaats oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden“, bedeutet dies, dass der Vertragsstaat oder dessen Gebietskörperschaften die Ertragshoheit über diese Steuer haben müssen. Auf eine ggf. abweichende Gesetzgebungs- und/ oder Verwaltungshoheit5 kommt es nicht an.6 Die Ertragshoheit muss auch nicht ausschließlich entweder dem Vertragsstaat oder dessen Gebietskörperschaften zustehen, damit die entsprechende Steuer von dem sachlichen Anwendungsbereich des OECD-MA umfasst ist. In den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens fallen auch die Steuern, die dem Vertragsstaat und seinen Gebietskörperschaften gemeinsam oder in einem bestimmten Aufteilungsverhältnis zueinander zustehen.

1 Vgl. Art. 2 Rz. 2 OECD-MK, mit einer beispielhaften Aufzählung der in Frage kommenden Gebietskörperschaften; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 20 (Stand: Mai 2006); Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 12. Besonderheiten gelten insoweit z.B. im Verhältnis zu den USA und Kanada, weil diese Bundesstaaten die Teilstaaten völkerrechtlich nicht zu verpflichten vermögen, vgl. Rz. 83, 127. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 20 (Stand: Mai 2006). 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 20 (Stand: Mai 2006); Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 13; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.189. 4 Vgl. auch Büge in G/K/G/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 18 (Stand: Grundwerk); Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 9; Mössner in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 2.446. 5 So liegt z.B. in Deutschland die Gesetzgebungshoheit für Steuern vom Einkommen und Vermögen nach Art. 105 Abs. 2, 72 Abs. 2 GG grundsätzlich beim Bund, die Verwaltungshoheit gem. Art. 108 Abs. 2 GG bei den Ländern und die Ertragshoheit gem. Art. 106 Abs. 2, 3 und 5 GG teilweise beim Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden. 6 Vgl. Mai in Haase3, Art. 2 OECD-MA Rz. 7; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 21 (Stand: Mai 2006); a.A. wohl Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 16 f. (Stand: Oktober 2013) ohne weitere Begründung.

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C. Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Abs. 2)

Rz. 21 Art. 2

C. Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Abs. 2) I. Grundaussage Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern. Art. 2 Abs. 2 umschreibt die in Abs. 1 angesprochenen Steuern vom Einkommen und vom Vermögen als solche Steuern, die vom Gesamteinkommen, vom Gesamtvermögen oder von Teilen des Einkommens oder des Vermögens erhoben werden, einschließlich der Steuern vom Gewinn aus der Veräußerung beweglichen und unbeweglichen Vermögens, der Lohnsummensteuern sowie der Steuern vom Vermögenszuwachs. Eigenständige Definitionen der Begriffe „Steuern“, „Einkünfte“ und „Vermögen“ gibt Art. 2 Abs. 2 jedoch nicht vor. Art. 2 Abs. 2 stellt lediglich klar, dass eine Steuer vom Einkommen und vom Vermögen auch dann vorliegt, wenn die Steuer auf Teile vom Einkommen bzw. vom Vermögen erhoben wird. Zudem bedient sich die Vorschrift der beispielhaften Aufzählung der den Steuern der Vertragsstaaten zugrunde liegenden Bemessungsgrundlagen, um eine lückenlose Einbeziehung der in den Verteilungsnormen des Abkommens verankerten Einkünftetatbestände sicherzustellen.

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II. Steuerbegriff Keine abkommensrechtliche Legaldefinition des Steuerbegriffs. Der Begriff der „Steuern“ ist – wie die weiteren in Art. 2 Abs. 2 genannten Begriffe – nicht weiter im Abkommen definiert. Die hier enthaltene beispielhafte Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern bzw. deren Bemessungsgrundlagen stellt nur eine Auslegungshilfe dar, ohne den Steuerbegriff abschließend festzulegen.1 Auch aus der Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs des Abkommens in Abs. 1 auf solche Steuern, welche auf der staatlichen Finanzhoheit beruhen und dem Vertragsstaat oder seinen Gebietskörperschaften zufließen, lässt sich eine abkommensrechtliche Definition des Steuerbegriffs nicht unmittelbar herleiten. Dem Grunde nach stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob der in Art. 2 verwendete Steuerbegriff nach dem jeweiligen nationalen Recht des Anwenderstaates auszulegen ist (vgl. Art. 3 Rz. 94 f.).2 In diesem Fall wäre aus deutscher Sicht auf § 3 Abs. 1 AO abzustellen. Danach sind Steuern solche Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Nach der Gegenposition ist der Begriff der Steuern in Art. 2 Abs. 2 bereits legaldefiniert3 bzw. abkommensautonom auszulegen, weil er nicht mit dem entsprechenden deutschen verfassungsrechtlichen und finanzwissenschaftlichen Begriff gleichgesetzt werden könne.4 Vielmehr diene der Begriff der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen allein der internen Verständigung und der Kompetenzverteilung beider Vertragsstaaten in Bezug auf die Vermeidung einer gleichzeitigen Besteuerung desselben Gegenstandes mit einer gleichartigen Steuer bei demselben Steuerpflichtigen. Daher sei der Steuerbegriff gem. Art. 31 Abs. 1 WVK nach seiner gewöhnlichen Bedeutung und unter Einbeziehung der Verteilungsnormen (Art. 6 bis 22) abkommensrechtlich „aus sich heraus“ auszulegen. Ein Rückgriff auf das innerstaatliche Rechts über Art. 3 Abs. 2 sei weder zulässig noch notwendig.5

20

Eigener Standpunkt. Der dargestellte Meinungsstreit ist ein eher theoretischer.6 Dies gilt insbesondere deshalb, weil sich ein allgemeiner, staatenübergreifender Steuerbegriff letztlich nicht ermitteln lassen wird. Ob in diesem Zusammenhang § 3 Abs. 1 AO zur Ausfüllung des Begriffs „gewöhnliche Bedeutung“ i.S. des Art. 31 Abs. 1 WVK und damit mittelbar zur Grenzziehung des abkommensrechtlichen Steuerbegriffs verwendet wird,7 oder ob § 3 Abs. 1 AO über Art. 3 Abs. 2 mit der Maßgabe einer weiten, dem Abkommenszweck genügenden Auslegung, Anwendung findet,8 dürfte zu weitgehend identischen Ergebnissen führen. § 3 Abs. 1 AO stellt damit für Deutschland als Anwenderstaat neben der Aufzählung der dem Steuerzugriff zugrundliegenden Steuerbemessungsgrundlagen (vgl. Art. 2 Abs. 2) und der in Art. 2 Abs. 3 enthaltenen

21

1 Vgl. Mai in Haase3, Art. 2 OECD-MA Rz. 13; Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 19 (Stand: September 2009); Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 24. 2 So: Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 26; Büge in G/K/G/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 11 (Stand: 2000). 3 So aus österreichischer Sicht Lang in FS Loukota, S. 269. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 12 (Stand: Mai 2006); Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 24 (Stand: Oktober 2013). 5 Vgl. Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 23 a.E. (Stand: Oktober 2013). 6 Vgl. auch Mai in Haase3, Art. 2 OECD-MA Rz. 14. 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 26 (Stand: Mai 2006); Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 23 (Stand: Oktober 2013). 8 Vgl. Büge in G/K/G/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 11 f. (Stand: 2000).

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Art. 2 Rz. 21

Unter das Abkommen fallende Steuern

Aufzählung der unter das Abkommen fallenden Steuerarten eine Richtschnur für die Ermittlung des Inhalts, der Grenzen und des Verständnisses des abkommensrechtlichen Steuerbegriffs dar.1 22

Merkmale des Steuerbegriffs. Wesentliches Merkmal einer Steuer ist – unabhängig von dem oben dargestellten Meinungsstreit – zunächst die „Geldleistungspflicht“ als Abgrenzungsmerkmal zu Naturalabgaben und Dienstleistungen. Um eine Steuer zu sein, muss die Abgabe zudem vorrangig der öffentlichen Einnahmeerzielung dienen und darf keine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates an den Steuerbürger darstellen. Das Merkmal der „Einnahmenerzielungsabsicht“ grenzt die Steuern von z.B. Geldstrafen und Geldbußen ab.2 Das Merkmal des „fehlenden Zusammenhangs zwischen der Geldleistung und einer darauf beruhenden Gegenleistung“ dient als Abgrenzungsmerkmal z.B. zu Sozialversicherungsabgaben (vgl. Art. 2 Rz. 3 OECD-MK)3 sowie zu Gebühren und Beiträgen.4 Die außerordentlichen Steuern sind in Art. 2 nicht ausdrücklich genannt.5 Soweit jedoch die in Art. 2 genannten Merkmale vorliegen und Bemessungsgrundlage das Einkommen oder das Vermögen ist, fallen unter den Steuerbegriff i.S. des Art. 2 sowohl ordentliche, d.h. vom Staat zur Finanzierung hoheitlicher Aufgabe ohne eine zeitliche Begrenzung erhobenen Steuern, als auch außerordentliche Steuern, die insbesondere für einen besonderen Zweck des Allgemeininteresses, für einen bestimmten Zeitraum oder mit einem besonderen Steuersatz zusätzlich zu den ordentlichen Steuern erhoben werden.6 Unter das Abkommen fallen gleichermaßen direkte Steuern, als auch die Steuern, die der Konzeption nach auf Dritte überwälzt werden sollen (indirekte Steuern). Unerheblich ist zudem, ob es sich um Sach- oder Personensteuern handelt.7 Ebenso zu den Steuern gehören Abgaben, denen ein latenter Erstattungs- bzw. Verrechnungsanspruch des Steuerpflichtigen, z.B. aufgrund bestimmter Körperschaftsteueranrechnungsverfahren verschiedener Staaten, anhaftet.8

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Steuerliche Nebenabgaben (Nebenleistungen). Steuerliche Nebenabgaben sind nach dem Verständnis des OECD-MK beispielhaft Zuschläge, Kosten Zinsen usw. (vgl. Art. 2 Rz. 4 OECD-MK). Übertragen auf das deutsche Recht sind damit die steuerlichen Nebenleistungen nach § 3 Abs. 4 AO umfasst. Hierzu gehören u.a. Verzögerungsgelder (§ 146 Abs. 2b AO), Verspätungszuschläge (§ 152 AO), Zuschläge gem. § 162 Abs. 4 AO, Zinsen (§§ 233–237 AO), Säumniszuschläge (§ 240 AO), Zwangsgelder (§ 329 AO) sowie Kosten (§§ 89, 178, 337–345 AO). Dem Grunde nach stellen diese steuerlichen Nebenleistungen keine Steuern in dem oben dargestellten Sinne dar.9 Insbesondere werden diese Abgaben nicht im Wesentlichen zur Einnahmeerzielung erhoben; sie haben vielmehr einen Sanktions- oder Gebührencharakter bzw. sollen Zinsvorteile abschöpfen. Der OECD-MK führt hierzu aus, dass Nebenabgaben von dem zur Besteuerung berechtigten Staat erhoben werden können. Es sei selbstverständlich, dass für die Erhebung von Nebenabgaben dieselben Bestimmungen gelten, wie für die eigentliche Steuer (vgl. Art. 2 Rz. 4 OECD-MK). Daraus folgt richtigerweise, dass ein Vertragsstaat (nur) für die Einkünfte, für die er nach dem Abkommen ein Besteuerungsrecht hat, auch die entsprechenden Nebenabgaben erheben darf. Dies führt aber nicht dazu, dass es sich bei den Nebenabgaben um „Steuern“ handelt. Daher ist ein Vertragsstaat z.B. berechtigt, in Bezug auf die Einkünfte, hinsichtlich derer dieser Staat auf ein Quellensteuerrecht beschränkt ist (vgl. Art. 10 Abs. 2, Art. 11, Art. 12 Abs. 1), die Nebenabgaben auch über die im Abkommen vorgesehenen Höchststeuersätze hinaus zu erheben.10 1 A.A. Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 23 (Stand: Oktober 2013): „Bedeutung für das Zusammenwirken der Normen des Abkommensrechts“. Nach Weitemeyer/Wiese/Schumacher, IStR 2016, 692 (693) unterscheidet sich der Steuerbegriff, der sich aus der autonomen Auslegung ergibt, nicht vom deutschen nationalen Steuerbegriff. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 26 (Stand: Mai 2006); Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 28; Drüen in T/K, § 3 AO Rz. 7a (Stand: Januar 2017). Eine – auch vorrangige – Lenkungsfunktion ist für den Steuerbegriff dagegen unschädlich, vgl. Seer in T/L23, § 2 Rz. 10. 3 Vgl. Mai in Haase3, Art. 2 OECD-MA Rz. 16; Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 30; Büge in G/K/G/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 19 (Stand: Grundwerk). 4 Vgl. Mai in Haase3, Art. 2 OECD-MA Rz. 16; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 26 (Stand: Mai 2006). 5 Nach Auffassung der OECD-MK wäre es grundsätzlich gerechtfertigt, die außerordentlichen Steuern in das OECD-MA einzubeziehen. Allerdings sei es schwierig, diese Steuern zu definieren. Es sei daher den Vertragsstaaten überlassen, entweder den Anwendungsbereich des Abkommens auf ordentliche Steuern zu beschränken oder auf außerordentliche Steuern auszudehnen oder schließlich besondere Bestimmungen vorzusehen (vgl. Art. 2 Rz. 5 OECD-MK). 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 48 (Stand: Mai 2006); Mai in Haase3, Art. 2 OECD-MA Rz. 18; Büge in G/K/G/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 14 ff. (Stand: Grundwerk). 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 25 (Stand: Mai 2006). 8 Vgl. Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 26; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 26 (Stand: Mai 2006); Büge in G/K/G/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 13 (Stand: Grundwerk). 9 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 51 (Stand: Mai 2006); Weitemeyer/Wiese/Schumacher, IStR 2016, 692 (693); Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 17.3 (Stand: Oktober 2013); a.A. wohl Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 28; Mai in Haase3, Art. 2 OECD-MA Rz. 19. 10 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 51 (Stand: Mai 2006).

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C. Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Abs. 2)

Rz. 27 Art. 2

Umgekehrt sind die Vertragsstaaten nicht verpflichtet, von dem anderen Vertragsstaat erhobene Nebenabgaben auf die eigene Steuer zur Anrechnung zu bringen, wenn das DBA dem Grunde nach eine Anrechnung der ausländischen Steuer vorsieht.

III. Bemessungsgrundlagen „Einkommen“ und „Vermögen“ „Einkommen“ und „Vermögen“. Art. 2 Abs. 2 definiert weder den Begriff des „Einkommens“ noch den des „Vermögens“,1 sondern begnügt sich mit der Umschreibung der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen als die Steuerarten, die vom „Gesamteinkommen“ oder „Teilen des Einkommens“ bzw. vom „Gesamtvermögen“ oder „Teilen des Vermögens“ erhoben werden. Darüber hinaus werden einzelne Steuern, die unter das Abkommen fallen sollen, exemplarisch aufgeführt. Die Hauptaussage des Art. 2 beschränkt sich somit darin, dass Steuern vom Einkommen und vom Vermögen auch dann vorliegen, wenn diese nicht auf das gesamte Einkommen bzw. Vermögen erhoben werden, sondern von Teilen hiervon. Es stellt sich damit auch in diesem Zusammenhang die Frage, welche Grundsätze für die Auslegung und die Konkretisierung des Einkommens- und des Vermögensbegriffs heranzuziehen sind.

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Keine Gleichstellung mit den nationalen Begriffen „Einkommen“ und „Vermögen“. Die Begriffe „Einkommen“ und „Vermögen“ sind abkommensrechtlich zu verstehen und nicht mit dem Einkommen i.S. des § 2 Abs. 4 EStG bzw. des § 8 Abs. 1 KStG, dem zu versteuernden Einkommen i.S. des § 2 Abs. 5 EStG bzw. des § 23 Abs. 1 KStG und dem Gesamtvermögen i.S. der außer Kraft gesetzten §§ 114 bis 120 BewG identisch. Aus einem Vergleich ergibt sich insbesondere, dass der Numerus clausus der deutschen Einkunftstatbestände in § 2 Abs. 1 EStG keine uneingeschränkte Entsprechung in den Verteilungsnormen der Art. 6 bis 21 gefunden hat. Zudem wird deutlich, dass durch die in Art. 2 Abs. 2 nur exemplarisch angelegte Auflistung der Steuerbemessungsgrundlagen und der Möglichkeit einer Einbeziehung weiterer, nicht in den Verteilungsnormen explizit erwähnten Einkunftstatbestände (Art. 21) und Vermögenswerte (Art. 22 Abs. 4) die abkommensrechtlichen Begriffe „Einkommen“ und „Vermögen“ einen weiteren Anwendungsbereich haben, als diejenigen des nationalen deutschen Rechts. Zu diesem weiten Verständnis trägt auch die Einbeziehung der Steuern von Veräußerungsgewinnen aus beweglichem oder unbeweglichem Vermögen, der Lohnsummensteuer und der Steuern vom Vermögenszuwachs in Art. 2 Abs. 2 bei.

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Abkommensrechtliche Auslegung der Begriffe „Einkommen“ und „Vermögen“. Ob international ein einheitliches Verständnis darüber besteht, was „Einkommen“ bzw. „Vermögen“ ist und ob das OECD-MA ein solches einheitliches Verständnis voraussetzt,2 ist wohl eher zu bezweifeln. Richtigerweise besteht für ein solches international einheitliches Begriffsverständnis jedoch auch kein praktisches Bedürfnis, weil sich die Vertragsstaaten bei der Anwendung der jeweiligen Abkommen regelmäßig weniger an der Auslegung der Bemessungsgrundlagen „Einkommen“ und „Vermögen“, sondern vielmehr an den tatsächlich von ihnen erhobenen Steuern orientieren.3 Zudem haben die Vertragsstaaten die nach Art. 2 Abs. 3 vorgesehene und regelmäßig auch in Anspruch genommene Möglichkeit, die unter das Abkommen fallenden Steuern zumindest beispielhaft aufzuführen. Es spricht damit nichts dagegen, die von Wassermeyer vorgeschlagen Faustformel anzuwenden, wonach all das, was Bemessungsgrundlage für eine ausländische Steuer i.S. des § 34c EStG sein kann, unter den abkommensrechtlichen Begriff „Einkommen“ bzw. „Teile des Einkommens“, subsumiert werden kann.4 Korrespondierend fällt alles, was Bemessungsgrundlage für eine ausländische Steuer i.S. des § 11 VStG5 sein kann, unter die Begriffe „Vermögen“, „Gesamtvermögen“ bzw. „Teile des Vermögens“ i.S. des Art. 2 Abs. 2.

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Keine Erbschaft-, Nachlass- und Schenkungsteuern. Nicht zu den Steuern auf das Einkommen und auf das Vermögen gehören Erbschaft-, Nachlass- und Schenkungsteuern. Dies ist insoweit nicht ganz selbstverständlich, weil auch diese Steuern im Sinne eines Reinvermögenszugangs als Ertragsteuern verstanden werden könnten. In der deutschen Besteuerungssystematik werden diese Steuern dennoch nicht als Ertragsteu-

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1 Vgl. Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 32; Büge in G/K/G/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 26 (Stand: Grundwerk); Mai in Haase3, Art. 2 OECD-MA Rz. 21; Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 24 (Stand: Oktober 2013); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 11 (Stand: Mai 2006): „Generalklausel, jedoch keine abkommensrechtliche Definition i.e.S.“; Erhard in F/W/K, Art. 2 DBA-Schweiz Anm. 61 (Stand: August 2016). 2 Vgl. Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 33. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 29 (Stand: Mai 2006); Kluge, Das internationale Steuerrecht4, R 161. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 29 (Stand: Mai 2006). 5 Die Vermögensteuer wird derzeit in Deutschland für Zeiträume seit dem 1.1.1997 nicht erhoben, da § 10 Nr. 1 VStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, vgl. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 1191 und Rz. 35.

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Art. 2 Rz. 27

Unter das Abkommen fallende Steuern

ern gesehen. Besteuert werden soll mit der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer der Vermögenstransfer. Sie sind damit zwischen den Steuern auf das Einkommen und den Steuern auf das Vermögen einzuordnen.1 Im Anwendungsbereich des OECD-MA besteht ebenfalls Einigkeit, dass die Erbschaft-, Nachlass- und Schenkungsteuern nicht unter das OECD-MA auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen fallen.2 Letztlich ergibt sich dies auch aus dem Inhalt der Verteilungsvorschriften der Art. 6 bis 22. In den Einzelabkommen sind die Erbschaft- und Schenkungsteuern zudem bereits in der Regel nicht in dem Katalog des Art. 2 Abs. 2 enthalten. Soweit (unentgeltliche) Zuwendungen nach dem Recht eines Staats sowohl einer Ertragsteuer als auch einer Schenkungsteuer unterliegen sollten,3 ist für die Ertragsteuern ohne Weiteres das entsprechende DBA anzuwenden.4 Hinsichtlich einer Schenkungsteuer ist der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens dagegen nicht eröffnet. Das kann anders sein, wenn eine Schenkungsteuer – unabhängig von der formalen Einordnung des innerstaatlichen Rechts – der Sache nach als eine Ertragsteuer im Sinne des Abkommens einzuordnen ist. Insbesondere können weder das Besteuerungsrecht des anderen Vertragsstaats noch die im Abkommen vorgenommene Verteilung des Besteuerungssubstrats einseitig eingeschränkt bzw. verschoben werden, indem „Einkommen“ nach innerstaatlichem Recht „künstlich“ unter eine Schenkungsteuer gefasst wird.

IV. Einzelne Steuerarten 1. Steuern vom Einkommen 28

Einkommen- und Körperschaftsteuern. Als Steuern vom Einkommen sind in erster Linie die Einkommensteuer als Steuer auf das Einkommen der natürlichen Personen und die Körperschaftsteuer als Steuer auf das Einkommen der juristischen Personen zu nennen. Beide Steuerarten gehören zu der Gruppe der Ertragsteuern, deren Bemessungsgrundlage grundsätzlich das Welteinkommen der unbeschränkt einkommenund körperschaftsteuerpflichtigen Personen ist. Bei beschränkt Steuerpflichtigen können Einkommen- und Körperschaftsteuern auch von einem Teil des Welteinkommens erhoben werden. Erforderlich ist jedoch ein hinreichender Anknüpfungspunkt – genuine link – zum besteuernden Staat (vgl. Art. 1 Rz. 10). Der Steuerbegriff in Art. 2 Abs. 2 ist ebenfalls weit zu verstehen. Das OECD-MA will dem Grunde nach alle Steuern – unabhängig von ihrer Erhebungsform und der Bezeichnung – erfassen, die auf Einkünfte i.S. der Art. 6 bis 21 erhoben werden (können).

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Solidaritätszuschlag. Zu einer Sonderform der Einkommensteuer zählt in Deutschland auch der Solidaritätszuschlag als eine ebenfalls unter den Begriff der „Steuern vom Einkommen und vom Vermögen“ fallende Annexsteuer zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. I.E. handelt es sich um eine Steuer auf das Einkommen, auch wenn dessen Bemessungsgrundlage nicht das Einkommen selbst, sondern die darauf erhobene Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerschuld ist (vgl. § 3 SolZG). Als Annexsteuern fallen unter den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens auch alle weiteren Zuschläge zur Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer, auch wenn diese nicht in dem entsprechenden Katalog nach Art. 2 Abs. 3 explizit aufgenommen worden sind.5

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Gewerbe(ertrag)steuer. Die deutsche Gewerbesteuer hat als Objektsteuer ihren traditionellen Anknüpfungspunkt nicht wie die Einkommen- oder Körperschaftsteuer in der durch das Leistungsfähigkeitsprinzip eingegrenzten Finanzkraft einer natürlichen Person oder einer Körperschaft, sondern im Äquivalenzprinzip.6 Mit der Gewerbesteuer sollen die stehenden Gewerbebetriebe an den Lasten beteiligt werden, die den Gemeinden durch die Bereitstellung und Erhaltung der von dem Gewerbebetrieb in Anspruch genommenen Infrastruktur entstehen. Allerdings hat sich die Gewerbesteuer durch den Wegfall der Lohnsumme als Bemessungsgrundlage, durch die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und der nunmehr fehlenden Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe bei der Ermittlung des Gewinns trotz der (noch) bestehenden objektivierenden Hinzurechnungs- und Kürzungselemente (§§ 8 und 9 GewStG) weitgehend zu einer Ertragsteuer entwickelt.7 Weil die nunmehr alleinige Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer der Gewerbeertrag ist (§ 7 GewStG), ist die Gewerbesteuer als Gewerbeertragsteuer in der derzeit geltenden Form eine 1 Vgl. Hey in T/L23, § 7 Rz. 41. 2 Vgl. Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 36; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 12 (Stand: Mai 2006); Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 6 (Stand: Oktober 2013). 3 In der Regel werden sich diese Steuerarten konzeptionell ausschließen; vgl. aber z.B. BFH v. 6.12.2016 – I R 50/16, BStBl II 2017, 324. 4 Weitemeyer/Wiese/Schumacher, IStR 2016, 692 (694). 5 Vgl. Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 40. 6 Vgl. Sarrazin in Lenski/Steinberg. § 1 GewStG Rz. 8 (Stand: Oktober 2015). 7 Vgl. Montag in Tipke/Lang23, § 12 Rz. 1.

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C. Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Abs. 2)

Rz. 33 Art. 2

Steuer vom Einkommen und fällt damit bereits nach allgemeinen Grundsätzen in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens, ohne dass es einer besonderen Regelung bedürfte.1 Trotz ihres Objektsteuercharakters kennt die deutsche Gewerbesteuer zudem einen Steuerschuldner, welcher den abkommensrechtlich erforderlichen Bezug der Gewerbesteuer zu einer Person, die persönlich einer Steuer vom Einkommen unterworfen ist, begründet.2 Das ist nach § 5 GewStG der Unternehmer, für dessen Rechnung und Gefahr das Gewerbe betrieben wird. Das kann ein Einzelunternehmer, eine Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft oder eine Kapitalgesellschaft sein (zur Abkommensberechtigung von Personengesellschaften für die Gewerbesteuer vgl. Art. 1 Rz. 47). Alle zurzeit bestehenden deutschen DBA erstrecken sich damit auch auf die Gewerbesteuer.3 Weil die gängigen Abkommen für die Einbeziehung der Gewerbesteuer keine besonderen Befreiungen oder Beschränkungen in Form besonderer Verteilungsnormen vorsehen, besteht ein Gleichauf der Gewerbesteuer mit den übrigen Steuern vom Einkommen. Wird im jeweiligen Einzelabkommen die Doppelbesteuerung mittels der Freistellungsmethode beseitigt, greift die Freistellung auch für Zwecke der Gewerbesteuer.4 Anders ist es dann, wenn die Anrechnungsmethode Anwendung findet. Hier soll eine Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Gewerbesteuer ausscheiden.5 Dies steht jedoch im Widerspruch sowohl zum Wortlaut, als auch zum Sinn und Zweck des Abkommens. Veräußerungsgewinnsteuer. Die in Art. 2 Abs. 2 als eine eigenständige Steuerart angeführte Veräußerungsgewinnsteuer hat in den deutschen Steuergesetzen keine Entsprechung i.S. einer eigenständigen Steuerart. In Deutschland gehen vielmehr alle steuerbaren Veräußerungsgewinne in das Einkommen ein und bilden die Bemessungsgrundlage der Einkommen- und der Körperschaftsteuer (vgl. z.B. §§ 16, 17, 23 EStG und §§ 11, 12 KStG). Aus deutscher Sicht hat die Veräußerungsgewinnsteuer daher nur eine theoretische Bedeutung und zwar in der Weise, dass der sachliche Geltungsbereich des Abkommen (klarstellend) auch dann eröffnet wäre, wenn eine gesonderte gesetzliche Grundlage für die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen als eigenständiger Steuergegenstand eingeführt würde. Demgegenüber kann es in anderen Vertragsstaaten durchaus eine gesonderte Steuer auf Veräußerungsgewinne geben, die dann unter den Begriff der Steuern vom Einkommen fallen würden. (zur Auslegung der Begriffe „Veräußerung“, „Veräußerungsgewinn“, „bewegliches Vermögen“ und „unbewegliches Vermögen“ vgl. Art. 13 Rz. 28 ff., 32 ff., 47 f.). Art. 2 umfasst alle diese Steuerarten (vgl. Art. 13 Rz. 3.1 Satz 2 OECD-MK).

31

Lohnsummensteuer. Art. 2 Abs. 2 nennt als ein Beispiel für eine Steuer auf das Einkommen und das Vermögen auch die Lohnsummensteuer. Unter der Lohnsummensteuer ist eine Steuer zu verstehen, deren Bemessungsgrundlage die Summe der von einem Unternehmen gezahlten Löhne und Gehälter ist (vgl. Art. 2 Rz. 3 OECD-MK). Weil die Lohnsummensteuer nach allgemeinem Verständnis an einen fiktiven Ertrag durch den Einsatz von Arbeitskräften anknüpft, stellt sie für das Abkommensrecht eine besondere Ausprägung einer Einkommensteuer dar.6 Nach der Abschaffung der Lohnsumme als Teilbemessungsgrundlage der deutschen Gewerbesteuer wird in Deutschland keine Lohnsummensteuer mehr erhoben. Auch die Sozialversicherungsbeiträge, die zwar nach der Höhe des Lohns oder Gehalts bemessen werden, stellen keine Lohnsummensteuer i.S. des Art. 2 Abs. 2 dar. Hier fehlt es bereits an einer Steuer, weil diesen Abgaben regelmäßig Leistungsansprüche gegenüberstehen (vgl. bereits die Ausführungen unter Rz. 22).

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Vermögenszuwachssteuer. Unter einer Vermögenszuwachssteuer ist eine Abgabe zu verstehen, deren Bemessungsgrundlage die Wertsteigerung des Vermögens eines Steuerpflichtigen zwischen zwei Stichtagen außerhalb eines Veräußerungsvorgangs ist.7 Auch die Vermögenszuwachssteuer ist eine Steuer vom Einkommen. Von der Einkommensteuer i.e.S., deren Bemessungsgrundlage grundsätzlich das Gesamt-/Welteinkommen darstellt, unterscheidet sich die Vermögenszuwachssteuer dadurch, dass nicht realisierte Vermögenszuwächse besteuert werden. Der OECD-MK benennt in einer nicht abschließenden Aufzählung als Beispiele für eine Zuwachssteuer: Zuschreibungen auf Wirtschaftsgüter, die in der Bilanz des Steuerpflichti-

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1 Allg. Verständnis, vgl. Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 74; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 31 (Stand: Mai 2006); Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.190; Kluge, Das internationale Steuerrecht4, T 19. 2 Vgl. Kluge, Das internationale Steuerrecht4, T 19; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 31 (Stand: Mai 2006); Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 73; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.191. 3 Vgl. Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 75. 4 Vgl. Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 77. 5 Vgl. Kluge, Das internationale Steuerrecht4, T 19; i.E. auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 104 (Stand: Januar 2015): „allgemein geübte Praxis“. Halten lasse sich diese Praxis aber nur mit dem Argument, dass Art. 23A Abs. 2 Satz 1 nur die einmalige und nicht die zweimalige Anrechnung vorsehe. 6 Vgl. Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 27 (Stand: Oktober 2013); Mai in Haase3, Art. 2 OECD-MA Rz. 13; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 41 (Stand: Mai 2006). 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 44 (Stand: Mai 2006).

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Art. 2 Rz. 33

Unter das Abkommen fallende Steuern

gen ausgewiesen sind, Währungsgewinne, Rücklagen, Kapitalerhöhungen und andere Aufwertungen, die mit der Anpassung des Buchwertes an den tatsächlichen Wert des Betriebsvermögens zusammenhängen (vgl. Art. 13 Rz. 8 OECD-MK). In Deutschland wird zurzeit keine Einzelsteuer auf den Vermögenszuwachs erhoben. 34

Wegzugsteuer nach § 6 AStG als Vermögenszuwachsteuer. Die deutsche Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG gehört wegen des Verweises auf § 1 EStG und § 17 EStG zu den Steuern auf das Einkommen im engeren Sinne und unterfällt damit ohne weiteres dem sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens.1 I.E. wird durch § 6 AStG ein fiktiver Veräußerungsgewinn besteuert. Nach a.A. ist die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG dagegen als eine Besteuerung des Vermögenszuwachses i.S. des Art. 2 Abs. 2 zu verstehen und fällt somit (nur) als eigenständige Steuerart in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens.2 Letztlich ist die Einordnung der deutschen Wegzugsbesteuerung als eigenständige Vermögenszuwachssteuer oder als Steuer vom Einkommen allerdings ohne praktische Bedeutung, weil nach allen vertretenen Ansichten die deutsche Wegzugsbesteuerung vom sachlichen Anwendungsbereich der deutschen DBA umfasst ist.3 Das gilt auch dann, wenn in einem Einzelabkommen die Vermögenszuwachssteuer nicht in den Art. 2 Abs. 2 entsprechenden Artikel aufgenommen ist (z.B. im DBA-Indien, Rz. 66 ff.), weil Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters unabhängig von der Anwendung des Abkommens das Besteuerungsrecht haben wird. 2. Steuern vom Vermögen

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Vermögensteuer. Als Steuer vom Vermögen i.S. des Art. 2 Abs. 2 ist grundsätzlich jede Steuer zu verstehen, die auf das Vermögen i.S. des Art. 22 erhoben wird.4 Gegenstand dieser Steuern ist die Besteuerung der Vermögenssubstanz selbst. Als Steuern auf das Vermögen kommen bzw. kamen in Deutschland im Wesentlichen die Vermögensteuer, die Gewerbekapitalsteuer (als Teil der Gewerbesteuer) und die Grundsteuer in Betracht. Die Vermögensteuer wird allerdings für Zeiträume seit dem 1.1.1997 nicht erhoben, da das BVerfG mit Beschl. v. 22.6.1995 entschieden hat, dass § 10 Nr. 1 VStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist5 und der Gesetzgeber bisher keine Neuregelung vorgenommen hat. Eine Gewerbekapitalsteuer wird in Deutschland ebenfalls nicht mehr erhoben.

36

Grundsteuer. Nachdem die Vermögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer in Deutschland nicht mehr erhoben werden, stellt aus deutscher Sicht einzig die Grundsteuer noch eine Steuer vom Vermögen i.S. des Art. 2 Abs. 2 dar,6 weil Bemessungsgrundlage der Grundsteuer der Grundbesitz selbst als reine Vermögenssubstanz ist. Eine abkommensrechtliche Relevanz könnte die Grundsteuer dann erfahren, wenn der Wohnsitzstaat eine der deutschen Grundsteuer vergleichbare Besteuerung des Grundvermögens vorsieht, die ausländische Steuer jedoch nicht an das Objekt anknüpft, sondern an den Rechtsträger, der den wirtschaftlichen Nutzen aus dem Grundbesitz ziehen kann.7 3. Sonstige Steuern

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Keine Anwendung auf Verbrauch- und Verkehrsteuern. Das OECD-MA findet keine Anwendung auf Verbrauch- und Verkehrsteuern. Verbrauchsteuern sind dadurch gekennzeichnet, dass sie unabhängig von der Leistungsfähigkeit allein den Gebrauch bzw. Verbrauch bestimmter Waren erfassen. Hierzu zählen z.B. die deutsche Energie-, Tabak-, Kaffee- und Mineralölsteuer. Verkehrsteuern sind Steuern, die auf die Teilnahme am Rechts- und Wirtschaftsverkehr erhoben werden. Sie knüpfen an die Übertragung von Gütern im Rechtsverkehr an, also an den Leistungsaustausch auf Grundlage von zivilrechtlichen Rechtsgeschäften. Zu ihnen gehören u.a. die deutsche Umsatz- und Grunderwerbsteuer. Da Bemessungsgrundlagen dieser Steuerarten weder das Einkommen, noch das Vermögen ist, sind sie vom sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens nicht umfasst. Auch hier kommt es auf den Charakter der Besteuerung im konkreten Fall an. Allein die formale Einbeziehung eines Lebenssachverhalts, der der Sache nach einen Einkommenszugang darstellt, in eine Verbrauch- oder Verkehrsteuer vermag diesen nicht aus dem Schutzbereich des Abkommens zu lösen. 1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 45 (Stand: Mai 2006). 2 Vgl. Vogel in V/L6, Art. 2 Rz. 42. 3 Vgl. Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 13 (Stand: Oktober 2013); Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.192. 4 Vgl. Vogel in V/L6, Art. 2 Rz. 37. 5 Vgl. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 1191. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 12, 32 (Stand: Mai 2006); Mai in Haase3, Art. 2 OECDMA Rz. 23; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.192. 7 Vgl. auch Mai in Haase3, Art. 2 OECD-MA Rz. 23.

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E. Künftige Steuern gleicher oder ähnlicher Art (Abs. 4)

Rz. 41 Art. 2

Keine Anwendung auf Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern. Auch die Erbschaft- und Schenkungsteuer unterfällt – wie auch eine Nachlasssteuer – nicht dem sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens (vgl. bereits Rz. 27). Für diese Steuerarten sind ggf. eigenständige Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung abzuschließen. Derzeit bestehen derartige Abkommen mit Griechenland, Schweden, der Schweiz, den USA, Dänemark und Frankreich, wobei sich ein Teil dieser Abkommen nur auf die Erbschaft- und Nachlasssteuern beschränkt, also Steuern auf Schenkungen nicht umfasst. Im Verhältnis zu Dänemark und Schweden sind die Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern in die jeweiligen Abkommen für die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen integriert.

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D. Katalog der in den Geltungsbereich des Abkommens fallenden Steuern (Abs. 3) Verzeichnis der Steuern. In Art. 2 Abs. 3 ist vorgesehen, dass die Vertragsstaaten die bei Abschluss des Abkommens geltenden Steuern, für die das Abkommen gelten soll, ausdrücklich benennen. In den deutschen DBA sind das in der Regel: Die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer und die Gewerbesteuer. In einzelnen Abkommen sind zudem die Ergänzungsabgaben zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ausdrücklich aufgenommen.

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Keine abschließende Aufzählung. Wie die im OECD-MA enthaltene Einschränkung „insbesondere“ deutlich macht, kommt der in Art. 2 Abs. 3 vorgesehenen Aufzählung kein abschließender Charakter zu. Dementsprechend führt auch der OECD-MK hierzu aus, dass die Aufzählung nicht erschöpfend sei und nur der Veranschaulichung der Abs. 1 und 2 dienen solle (vgl. Art. 2 Rz. 6 Sätze 2 und 3 OECD-MK). Grundsätzlich solle jedoch ein vollständiges Verzeichnis der Steuern gegeben werden, die in jedem der Staaten im Zeitpunkt der Unterzeichnung erhoben werden und unter das Abkommen fallen (vgl. Art. 2 Rz. 6 Satz 4 OECD-MK). Dies bedeutet zunächst, dass eine Steuer, die in der Aufzählung des Art. 2 Abs. 3 des jeweiligen Einzelabkommens aufgeführt ist, in den sachlichen Anwendungsbereich dieses DBA fällt – und zwar auch dann, wenn diese Steuer unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht als Steuer vom Einkommen oder vom Vermögen i.S. des Art. 2 Abs. 1 und 2 einzuordnen sein sollte. Für die praktische Anwendung des Abkommens bedeutet die Aufnahme eines solchen Verzeichnisses weiter, dass der Rechtsanwender auf einen Blick erkennen kann, welche Steuern sicher dem in Frage kommenden Einzelabkommen unterfallen. Ist eine Steuer nicht in diesem Verzeichnis enthalten, so folgt daraus jedoch nicht zwingend, dass diese Steuer auch tatsächlich aus dem sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens herausfällt. Handelt es sich bei dieser Steuer um eine Steuer vom Einkommen oder vom Vermögen i.S. des Art. 2 Abs. 1 und 2, so ist der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens für diese Steuer eröffnet, auch wenn sie nicht in dem entsprechenden Verzeichnis aufgenommen ist.1 Bedeutung hat das Verzeichnis des Art. 2 Abs. 3 insoweit für die Steuerarten, bei denen nicht eindeutig ist, ob sie die Kriterien des Art. 2 Abs. 1 und 2 erfüllen. Bestand eine solche nicht eindeutig zuzuordnende Steuer im Zeitpunkt des Abschlusses des jeweiligen Einzelabkommens und wurde diese Steuer nicht in das Verzeichnis des Art. 2 Abs. 3 aufgenommen, so spricht der erste Anschein dafür, dass diese Steuer nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des jeweiligen Abkommens fällt.

40

E. Künftige Steuern gleicher oder ähnlicher Art (Abs. 4) Künftige Steuern. Art. 2 Abs. 4 Satz 1 sieht vor, dass das Abkommen nicht nur für die im Zeitpunkt der Unterzeichnung bestehenden Steuern, sondern auch für künftige Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art gelten soll, die neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden. Das OECDMA trägt insoweit dem Umstand Rechnung, dass das Steuerrecht der Vertragsstaaten kein statischer Zustand ist. Würde das jeweilige Einzelabkommen nur auf die im Zeitpunkt der Unterzeichnung geltenden Steuern anzuwenden sein, so müsste dieses Abkommen bei jeder neu eingeführten Steuer – ggf. auch bei wesentlichen Änderungen bestehender Steuern – neu abgeschlossen, zumindest aber geändert werden. Dies wäre international kaum handhabbar. Umgekehrt zeigt Art. 2 Abs. 4 Satz 1, dass sich die vorstehenden Absätze des Art. 2

1 Vgl. Mai in Haase3, Art. 2 OECD-MA Rz. 25; Vogel in V/L6, Art. 2 Rz. 50, 51. Einschränkend: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 56 (Stand: Mai 2006): Ist eine bei Abschluss des DBA bereits geltende Steuer nicht ist der Liste aufgeführt, so spricht eine Vermutung dafür, dass das DBA auf sie nach der Auffassung der Vertragsstaaten nicht anwendbar sein soll.

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Art. 2 Rz. 41

Unter das Abkommen fallende Steuern

nur auf die bei der Unterzeichnung des Abkommens bereits erhobenen Steuern beziehen. Andernfalls wäre Art. 2 Abs. 4 Satz 1 letztlich überflüssig.1 42

Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art. Die Kriterien, nach denen zu entscheiden ist, ob eine neu eingeführte oder geänderte Steuer „im Wesentlichen gleicher oder ähnlicher Art“ ist, gibt Art. 2 Abs. 4 nicht ausdrücklich vor. Klar ist insoweit, dass Steuern i.S. des Art. 2 Abs. 1 und 2 immer auch Steuern „gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art“ i.S. des Art. 2 Abs. 4 sind. Diese Steuern sind damit auch dann vom sachlichen Anwendungsbereich des DBA umfasst, wenn sie erst nach dessen Unterzeichnung erstmals erhoben werden.2 Vor diesem Hintergrund wäre eine in Deutschland wieder eingeführte Vermögensteuer von den deutschen DBA umfasst, sofern die Einzelabkommen entsprechend Art. 2 Abs. 1 den sachlichen Anwendungsbereich auch auf die Steuern vom Vermögen erstrecken.3 Ergänzend kommt hinzu, dass in diesen Abkommen die Vermögensteuer weiterhin in den Verzeichnissen der bestehenden Steuern geführt wird. Die Ähnlichkeits- bzw. Gleichartigkeitsprüfung ist daher hauptsächlich für die Steuern von Bedeutung, die nicht (eindeutig) den Steuern vom Einkommen oder vom Vermögen zugeordnet werden können. Hier ist entscheidend, ob diese Steuern im Verhältnis zu einer Steuer, die in der Art. 2 Abs. 3 entsprechenden Aufzählung des jeweiligen Einzelabkommens enthalten ist, gleicher oder ähnlicher Art sind. Insoweit kann auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung zu Art. 72 Abs. 1 GG entwickelt wurden.4 Vorzunehmen ist ein Gesamtvergleich aller Tatbestandsmerkmale, insbesondere nach den Kriterien: Steuersubjekt, Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage, Steuergläubiger und Erhebungsform.5 Dies kann jedoch nicht isoliert erfolgen. Die zu vergleichende Steuer ist vielmehr in das steuerliche Gesamtsystem des betreffenden Staats einzupassen.6 Die hier vorzunehmende Abgrenzung wird zukünftig vor dem Hintergrund vermehrter Versuche der Staaten, neue Steuern außerhalb des Anwendungsbereichs der DBA zu etablieren, an Bedeutung gewinnen.7

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Änderungsmitteilung. Nach Art. 2 Abs. 4 Satz 2 haben die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten einander die in ihren Steuergesetzen eingetretenen bedeutsamen Änderungen mitzuteilen. Eine Frist, innerhalb der die Mitteilung zu erfolgen hat, ist im OECD-MA nicht vorgesehen. Die Mitteilung nach Art. 2 Abs. 4 Satz 2 hat weder eine positive noch eine negative konstitutive Wirkung.8 Insbesondere ist die Frage, ob eine Steuer vom sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens umfasst ist, weiterhin in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar. Unterbleibt die Mitteilung oder ist diese unvollständig, so können die entsprechenden Rechtsänderungen innerstaatlich selbstverständlich angewendet werden. Die neuen oder geänderten Steuern treten trotz der fehlenden oder unvollständigen Mitteilung in den sachlichen Anwendungsbereich des DBA ein, sofern diese im Übrigen (weiterhin) die Anforderungen des Art. 2 erfüllen. Durch den OECD-MK werden die Vertragsstaaten zudem ermutigt, über die in Art. 2 Abs. 4 Satz 2 genannten bedeutsamen Änderungen der Steuergesetze auch andere bedeutsame Entwicklungen, wie z.B. neue Richtlinien oder Gerichtsentscheidungen mitzuteilen (vgl. Art. 2 Rz. 8 Satz 2 OECD-MK). Den Mitgliedsstaaten steht es zudem (selbstverständlich) frei, die Mitteilungspflicht auf bedeutsame Änderungen anderer Gesetze auszudehnen, die Auswirkungen auf die vertraglichen Verpflichtungen nach dem Abkommen haben (vgl. Art. 2 Rz. 8 Satz 3 OECD-MK).

F. Deutsches Muster-DBA 44

Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches MusterDBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Be-

1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 Rz. 69 (Stand: Mai 2006). 2 Vgl. Mai in Haase3, Art. 2 OECD-MA Rz. 29; Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 64. 3 Von den neueren deutschen DBA ist z.B. das DBA-Niederlande nur auf die Steuern vom Einkommen beschränkt, umfasst also die Steuern auf das Vermögen nicht. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA, Rz. 68 ff. (Stand: Mai 2006); Vogel in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 61; Ismer/Jescheck, IStR 2017, 501 (505). Auf die Abgrenzung zwischen Steuern gleicher Art und Steuern ähnlicher Art kommt es dagegen nicht an. 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA, Rz. 70 (Stand: Mai 2006). 6 Vgl. Vogel in V/L6, Art. 2 Rz. 61. 7 Vgl. Cloer/Niemeyer, DStZ 2018, 609 (614 ff.) sowie Valta, IStR 2018, 765 (771) zur geplanten EU-Digitalsteuer; Ismer/Jescheck, IStR 2017, 501 u.a. zur britischen Diverted Profit Tax, zur belgischen Fairness Tax und der indischen Equalization Levy; Oppel, IStR 2015, 333 (337) sowie Kofler/Mayr/Schlager, BB 2017, 1751 (1754 ff.) jeweils zur britischen Diverted Profit Tax. 8 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA, Rz. 73 (Stand: Mai 2006).

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 52 Art. 2

sonderheiten des deutschen Muster-DBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-Belgien. Art. 2 Abs. 1 DBA-Belgien entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 1 OECDMA. Rein sprachlich stellt Art. 2 Abs. 1 DBA-Belgien auf die Steuern ab, die für Rechnung eines der beiden Vertragsstaaten erhoben werden. Weiter zählt die Vorschrift neben den Gebietskörperschaften auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger auf.

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Art. 2 Abs. 2 DBA-Belgien. Art. 2 Abs. 2 DBA-Belgien entspricht Art. 2 Abs. 2 OECD-MA.

46

Art. 2 Abs. 3 DBA-Belgien. Art. 2 Abs. 3 DBA-Belgien sieht entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern vor, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für Belgien sind dies: l’impôt des personnes physiques (Einkommensteuer der natürlichen Personen), l’impôt des societes (Körperschaftsteuer), l’impôt des personnes morales (Einkommensteuer der – nicht gewerblich tätigen – juristischen Personen), l’impôt des non-residents (Einkommensteuer der beschränkt Steuerpflichtigen), einschließlich der Vorsteuern (précomptes) und der Ergänzungsvorsteuern (compléments de précomptes), der Zuschläge (centimes additionnels) zu diesen Steuern und Vorsteuern sowie der Gemeindezusatzsteuer (taxe communale additionelle) zur Einkommensteuer der natürlichen Personen. Für die Bundesrepublik Deutschland sind dies: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer, die Grundsteuer, die Gewerbesteuer. Für alle aufgezählten Steuer ist klargestellt, dass es für die Einbeziehung in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens auf die Art ihrer Erhebung nicht ankommt.

47

Art. 2 Abs. 4 DBA-Belgien. Art. 2 Abs. 4 DBA-Belgien findet im OECD-MA keine Entsprechung. Die Vorschrift weitet den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens auf die nicht nach dem Gewinn oder dem Vermögen erhobene Gewerbesteuer aus.

48

Art. 2 Abs. 5 DBA-Belgien. Art. 2 Abs. 5 DBA-Belgien entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECDMA. Die Regelung im DBA-Belgien sieht allerdings anders als das OECD-MA vor, dass die Unterrichtung für die in den Steuergesetzen eingetretenen Änderungen am Ende eines jeden Jahres erfolgt.

49

2. Konsequenzen Keine wesentlichen Abweichungen. Soweit Art. 2 DBA-Belgien vom OECD-MA abweicht, sind diese Abweichungen im Wesentlichen sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Soweit Art. 2 Abs. 1 DBA-Belgien über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17). Art. 2 Abs. 4 DBA-Belgien erstreckt den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens auch auf die nicht nach dem Gewinn oder dem Vermögen erhobene Gewerbesteuer und hat insoweit im OECD-MA keine Entsprechung. Dies betraf ursprünglich die nach der Lohnsumme ermittelte Gewerbesteuer (vgl. Rz. 30 und 32). Nachdem die Gewerbesteuer nunmehr ausschließlich nach dem Gewerbeertrag zu bemessen ist, geht Art. 2 Abs. 4 DBA-Belgien derzeit ins Leere. Nach Art. 2 Abs. 5 DBA-Belgien teilen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten einander am Ende eines jeden Jahres die in ihren Steuergesetzen eingetretenen Änderungen mit. Im Gegensatz zu Art. 2 Abs. 4 OECD-MA enthält Art. 2 Abs. 5 DBA-Belgien damit eine Zeitbestimmung, innerhalb derer die gegenseitige Unterrichtung erfolgen soll. Anders als im OECD-MA ist die Unterrichtungsverpflichtung im DBA-Belgien zudem nicht auf bedeutsame Änderungen beschränkt. Praktische Auswirkungen ergeben sich hieraus aber nicht.

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II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-China. Art. 2 Abs. 1 DBA-China entspricht Art. 2 Abs. 1 OECD-MA.

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Art. 2 Abs. 2 DBA-China. Art. 2 Abs. 2 DBA-China entspricht Art. 2 Abs. 2 OECD-MA.

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Art. 2 Rz. 53

Unter das Abkommen fallende Steuern

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Art. 2 Abs. 3 DBA-China. Art. 2 Abs. 3 DBA-China enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen gelten soll. Für die Volksrepublik China sind dies: die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer. Für die Bundesrepublik Deutschland sind dies: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer und die Gewerbesteuer, einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge.

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Art. 2 Abs. 4 DBA-China. Art. 2 Abs. 4 DBA-China entspricht Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. 2. Konsequenzen

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Keine wesentlichen Abweichungen. Das aktuelle DBA-China entspricht auch in seinem Wortlaut dem OECD-MA. Besonderheiten sind insoweit nicht ersichtlich.

III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA 56

Überblick; Art. 1 Abs. 2 DBA-Frankreich. Anders als im OECD-MA ist der sachliche Anwendungsbereich im DBA-Frankreich nicht in einem eigenen Artikel geregelt, sondern in Art. 1 integriert. Im Gegensatz zum OECD-MA wurde im DBA-Frankreich zudem darauf verzichtet, die unter das Abkommen fallenden Steuern abstrakt zu definieren bzw. zu umschreiben. Dementsprechend fehlt eine Art. 2 Abs. 2 OECD-MA entsprechende Regelung im DBA-Frankreich. Allerdings nennt Art. 1 Abs. 2 DBA-Frankreich als Abkommenszweck, dass eine Doppelbesteuerung in Bezug auf die Steuern vermieden werden soll, „die nach dem Rechte dieser Staaten unmittelbar vom Einkommen oder vom Vermögen oder als Gewerbesteuern oder Grundsteuern für die Vertragsstaaten, die Länder, die Departments, die Gemeinden oder Gemeindeverbände (auch in Form von Zuschlägen) erhoben werden“. Das Abkommen zählt zudem in Art. 1 Abs. 3 DBA-Frankreich die unter das Abkommen fallenden Steuern auf. Art. 1 Abs. 4 DBA-Frankreich weitet den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommen auf die nach Unterzeichnung des Abkommens neu eingeführten Steuern aus, soweit diese den in der Aufzählung des Abs. 2 enthaltenen Steuern ähnlich sind. Art. 1 Abs. 5 bestimmt, dass die Vertragsstaaten im beiderseitigen Einvernehmen Zweifel darüber klären werden, für welche Steuern das Abkommen zu gelten hat.

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Art. 1 Abs. 3 DBA-Frankreich. Art. 1 Abs. 3 DBA-Frankreich sieht eine Aufzählung der Steuern vor, für die das Abkommen gelten soll. Diese Regelung entspricht Art. 2 Abs. 3 OECD-MA. Die Aufzählung ist jedoch abschließend formuliert. Für die Französische Republik sind genannt: l’impôt sur le revenu des personnes physiques – taxe proportionnelle et surtaxe progressive (Steuer vom Einkommen natürlicher Personen – Proportionalsteuer und Progressivsteuer), le versement forfaitaire applicable à certains bénéfices des professions non commerciales (Pauschsteuer von bestimmten Gewinnen der freien Berufe), l’impôt sur les bénéfices des sociétés et autres personnes morales (Steuer von den Gewinnen der Gesellschaften und anderer juristischer Personen), la contribution des patentes (Gewerbesteuer), la taxe d’apprentissage (Lehrlingsabgabe), la contribution foncière sur les propriétés bâties et non bâties (Grundsteuer für bebaute und unbebaute Grundstücke), l’impôt de solidarité sur la fortune (Solidaritätsteuer vom Vermögen). Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Abgabe Notopfer Berlin, die Vermögensteuer, die Gewerbesteuer, die Grundsteuer.

58

Art. 1 Abs. 4 DBA-Frankreich. Art. 1 Abs. 4 DBA-Frankreich entspricht inhaltlich Art. 2 Abs. 4 Satz 1 OECD-MA, verwendet aber eine andere Formulierung. Danach ist das DBA-Frankreich auch auf alle anderen ihrem Wesen nach gleichen oder ähnlichen Steuern anzuwenden, die nach seiner Unterzeichnung in einem der Vertragsstaaten oder in einem Gebiet eingeführt werden, auf das das Abkommen nach Art. 27 ausgedehnt worden ist.

59

Art. 1 Abs. 5 DBA-Frankreich. Art. 1 Abs. 5 DBA-Frankreich enthält eine Verständigungsklausel, wonach die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten im beiderseitigen Einvernehmen alle etwaigen Zweifel darüber klären werden, für welche Steuern das Abkommen zu gelten hat. Diese Regelung hat im OECD-MA keine Entsprechung. 2. Konsequenzen

60

Keine Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern. Inhaltlich unterscheidet sich das DBA-Frankreich von dem OECD-MA im Wesentlichen dadurch, dass auf die in Art. 2 Abs. 2 OECD-MA enthaltene abstrakte Darstellung der unter das Abkommen fallenden Steuern verzichtet worden ist. Auch dies hat im Ergebnis aber nur eine eingeschränkte praktische Bedeutung. So findet sich etwa eine Art. 2 172

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 68 Art. 2

Abs. 1 OECD-MA vergleichbare Regelung in Art. 1 Abs. 2 DBA-Frankreich. Danach fallen die Steuern in den sachlichen Anwendungsbereich, die nach dem Rechte dieser Staaten unmittelbar vom Einkommen oder vom Vermögen oder als Gewerbesteuern oder Grundsteuern für die Vertragsstaaten, die Länder, die Departments, die Gemeinden oder Gemeindeverbände (auch in Form von Zuschlägen) erhoben werden. Soweit das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17). Die in Art. 1 Abs. 3 DBA-Frankreich enthaltene Aufzählung der unter das Abkommen fallenden Steuern ist anders als im OECD-MA abschließend. Die insoweit engere Formulierung führt letztlich aber nicht dazu, dass der sachliche Anwendungsbereich des DBA-Frankreich eine im Vergleich zum OECD-MA geringere Reichweite hat, weil Art. 1 Abs. 3 DBA-Frankreich entsprechend Art. 2 Abs. 4 OECD-MA den sachlichen Anwendungsbereich auch auf die wesensgleichen oder ähnlichen Steuern ausweitet, die nach Unterzeichnung des Abkommen in einen der Staaten eingeführt wurden.

IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-Großbritannien. Art. 2 Abs. 1 DBA-Großbritannien entspricht inhaltlich Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Im DBA-Großbritannien sind lediglich neben den Vertragsstaaten und deren Gebietskörperschaften auch die Länder der Vertragsstaaten aufgenommen worden.

61

Art. 2 Abs. 2 DBA-Großbritannien. Art. 2 Abs. 2 DBA-Großbritannien entspricht Art. 2 Abs. 2 OECDMA.

62

Art. 2 Abs. 3 DBA-Großbritannien. Art. 2 Abs. 3 DBA-Großbritannien enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für das Vereinigte Königreich sind dies: die Einkommensteuer („income tax“), die Körperschaftsteuer („corporation tax“) und die Steuer vom Veräußerungsgewinn („capital gains tax“). Für die Bundesrepublik Deutschland sind dies: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Vermögensteuer einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge.

63

Art. 2 Abs. 4 DBA-Großbritannien. Art. 2 Abs. 4 DBA-Großbritannien entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Rein sprachlich unterscheidet sich das DBA-Großbritannien von dem OECD-MA darin, dass die wesentlichen und nicht die bedeutsamen Änderungen mitzuteilen sind.

64

2. Konsequenzen Keine wesentlichen Abweichungen. Die Abweichungen in Art. 2 DBA-Großbritannien, sind sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Soweit das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17).

65

V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-Indien. Art. 2 Abs. 1 DBA-Indien entspricht inhaltlich Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Im DBA-Indien sind neben den Vertragsstaaten und deren Gebietskörperschaften lediglich auch die Länder der Vertragsstaaten aufgenommen worden.

66

Art. 2 Abs. 2 DBA-Indien. Art. 2 Abs. 2 DBA-Indien entspricht inhaltlich Art. 2 Abs. 2 OECD-MA. Im DBA-Indien sind allerdings die Steuern vom Vermögenszuwachs nicht ausdrücklich den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen zugeordnet.

67

Art. 2 Abs. 3 DBA-Indien. Art. 2 Abs. 3 DBA-Indien enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für die Republik Indien sind genannt: die Einkommensteuer, einschließlich darauf entfallender Zusatzsteuern und die Vermögensteuer. Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer und die Gewerbesteuer.

68

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173

Art. 2 Rz. 69 69

Unter das Abkommen fallende Steuern

Art. 2 Abs. 4 DBA-Indien. Art. 2 Abs. 4 DBA-Indien entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Rein sprachlich unterscheidet sich das DBA-Indien von dem OECD-MA darin, dass die wichtigen und nicht die bedeutsamen Änderungen mitzuteilen sind. 2. Konsequenzen

70

Keine wesentlichen inhaltlichen Abweichungen. Die Abweichungen des Art. 2 DBA-Indien vom OECDMA sind sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Soweit das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17). Dass die Vermögenszuwachssteuer in Art. 2 Abs. 2 DBA-Indien nicht in die Aufzählung der Steuern vom Einkommen aufgenommen wurde, hat keine praktische Auswirkung. Insbesondere ist nach der hier vertretenen Auffassung die deutsche Wegzugsbesteuerung auch abkommensrechtlich als Steuer vom Einkommen im engeren Sinne in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens einzubeziehen (Vgl. Rz. 34).

VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA 71

Art. 2 Abs. 1 DBA-Italien. Art. 2 Abs. 1 DBA-Italien entspricht inhaltlich Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Im DBA-Italien sind neben den Vertragsstaaten und deren Gebietskörperschaften lediglich auch die Länder der Vertragsstaaten aufgenommen worden.

72

Art. 2 Abs. 2 DBA-Italien. Art. 2 Abs. 2 DBA-Italien entspricht Art. 2 Abs. 2 OECD-MA.

73

Art. 2 Abs. 3 DBA-Italien. Art. 2 Abs. 3 DBA-Italien enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen gelten soll. Für die Italienische Republik sind genannt: die Steuer vom Einkommen natürlicher Personen (imposta sul reddito delle persone fisiche), die Steuer vom Einkommen juristischer Personen (imposta sul reddito delle persone giuridiche) und die lokale Steuer vom Einkommen (imposta locale sui redditi), auch wenn sie im Abzugsweg erhoben werden. Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer, die Gewerbesteuer und die Grundsteuer. Im Gegensatz zum OECD-MA fehlt in Art. 2 Abs. 3 DBA-Italien die Einschränkung „insbesondere“.

74

Art. 2 Abs. 4 DBA-Italien. Art. 2 Abs. 4 DBA-Italien entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Auf Grund der dem Wortlaut nach abschließenden Aufzählung des Art. 2 Abs. 3 DBA-Italien wird in Art. 2 Abs. 4 DBA-Italien auf diese Aufzählung und nicht auf die bestehenden Steuern abgestellt. Rein sprachlich unterscheidet sich das DBA-Italien von dem OECD-MA darin, dass die wesentlichen und nicht die bedeutsamen Änderungen mitzuteilen sind.

75

Protokoll. Das Protokoll zum DBA-Italien enthält zu Art. 2 die Ergänzung, dass bei Einführung einer Vermögensteuer in der Italienischen Republik das Abkommen auch auf diese Steuer Anwendung findet. 2. Konsequenzen

76

Keine wesentlichen inhaltlichen Abweichungen. Art. 2 DBA-Italien entspricht inhaltlich im Wesentlichen Art. 2 OECD-MA. Soweit das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17). Anders als im OECD-MA fehlt in der Aufzählung der unter das Abkommen fallenden Steuern in Art. 2 Abs. 3 DBA-Italien die Einschränkung „insbesondere“. Dies ist aber nur von eingeschränkter Bedeutung, zumal nach Art. 2 Abs. 4 DBA-Italien das Abkommen auch auf die gleichartigen und ähnlichen Steuern anzuwenden ist, die nach Unterzeichnung eingeführt wurden.

VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 77

Fehlende abstrakte Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern. Im Gegensatz zum OECD-MA wurde im DBA-Japan darauf verzichtet, die unter das Abkommen fallenden Steuern abstrakt zu definieren bzw. zu umschreiben. Dementsprechend fehlt eine Art. 2 Abs. 1 und 2 OECD-MA entspre174

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 82 Art. 2

chende Regelung im DBA-Japan. Das Abkommen zählt lediglich in Art. 2 Abs. 1 DBA-Japan die unter das Abkommen fallenden Steuern auf. Art. 2 Abs. 2 DBA-Japan weitet den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens auf die nach Unterzeichnung des Abkommens neu eingeführten Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art aus. Das Protokoll zu Art. 2 DBA-Japan ordnet die Anwendung des Abkommens schließlich ausdrücklich für die deutsche Gewerbesteuer, die japanische Unternehmensteuer und alle Steuern gleicher oder im wesentlichen ähnlicher Art an, auch soweit diese Steuern auf anderer Grundlage oder unter Berücksichtigung anderer Faktoren als des Einkommens berechnet werden. Art. 2 Abs. 1 DBA-Japan. Art. 2 Abs. 1 DBA-Japan sieht entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Auf- 78 zählung der Steuern vor, für die das Abkommen gelten soll, während auf eine in Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 OECD-MA enthaltende abstrakte Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern verzichtet wurde. Für Japan sind in dem DBA folgende Steuern aufgezählt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Sondereinkommensteuer für den Wiederaufbau, die kommunale Körperschaftsteuer, die kommunalen Einwohnersteuern und die Unternehmensteuer. Für Deutschland sind in dem DBA folgende Steuern aufgeführt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und der Solidaritätszuschlag. Die in Deutschland nicht mehr erhobene Vermögensteuer ist nicht aufgeführt. Art. 2 Abs. 2 DBA-Japan. Art. 2 Abs. 2 DBA-Japan weitet den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommen auf die nach Unterzeichnung des Abkommens neu eingeführten Steuern aus, soweit diese gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art sind. Die Regelung entspricht wörtlich Art. 2 Abs. 4 Satz 1 OECD-MA. Art. 2 Abs. 2 DBA-Japan enthält entsprechend Art. 2 Abs. 4 Satz 2 OECD-MA die Verpflichtung der Vertragsstaaten, sich über Änderungen in ihren jeweiligen Steuergesetzen zu informieren. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 DBA-Japan ist annähernd wortgleich mit Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Im DBA-Japan ist allerdings die Regelung enthalten, dass die Änderungen „innerhalb einer angemessenen Frist nach deren Eintritt“ mitzuteilen sind.

79

Protokoll zu Art. 2 DBA-Japan. Protokoll Nr. 1 zu Art. 2 des Abkommens weitet den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens auf die deutsche Gewerbesteuer und die japanische Unternehmensteuer aus, soweit diese Steuern nicht nach dem Einkommen oder dem Gewinn bemessen werden. Diese Regelung wäre allerdings nicht erforderlich gewesen, weil die vorgenannten Steuern in Art. 2 Abs. 1 DBA-Japan bereits aufgezählt sind, ohne dass dort insoweit eine Einschränkung auf die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag enthalten ist. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs kann aber darin gesehen werden, dass diese Sonderregelung auf Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art ausgedehnt wird.

80

2. Konsequenzen Keine Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern. Inhaltlich unterscheidet sich das DBA-Japan von dem OECD-MA im Wesentlichen dadurch, dass in diesem Abkommen auf die in Art. 2 Abs. 1 und 2 OECD-MA enthaltene abstrakte Darstellung der unter das Abkommen fallenden Steuern verzichtet worden ist. Die in Art. 2 Abs. 1 DBA-Japan enthaltene Aufzählung hat somit innerhalb des Abkommens eine größere Bedeutung, als die in Art. 2 Abs. 3 OECD-MA vorgesehene Aufzählung. Sie ist – anders als die im OECD-MA vorgesehene Aufzählung – auch abschließend formuliert. Die insoweit engere Formulierung führt letztlich aber nicht dazu, dass der sachliche Anwendungsbereich des DBA-Japan eine im Vergleich zum OECD-MA geringere Reichweite hat, zumal Art. 2 Abs. 2 DBA-Japan den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommen auf die nach Unterzeichnung des Abkommens neu eingeführten Steuern ausweitet, soweit diese den in der Aufzählung des Abs. 1 enthaltenen Steuern ihrem Wesen nach ähnlich sind. Dass im DBA-Japan die gegenseitige Unterrichtung über Änderungen in den Steuergesetzen „innerhalb einer angemessenen Frist nach deren Eintritt zu erfolgen hat“, hat keine praktische Bedeutung. Eine solche Verpflichtung ergibt sich bereits als allgemeine Nebenpflicht aus dem völkerrechtlichen Vertrag.

81

VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-Kanada. Art. 2 Abs. 1 DBA-Kanada entspricht im Wesentlichen dem OECD-MA. Lediglich sprachliche Bedeutung hat die Ergänzung im DBA-Kanada, nach der das Abkommen für die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gilt, die für Rechnung eines der beiden Vertragsstaaten erhoben werden. Für Kanada fehlt der Verweis auf die Gebietskörperschaften. Für die Bundesrepublik Deutschland werden die Steuern erfasst, die für Rechnung der Bundesrepublik Deutschland, eines ihrer Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden. Die deutschen Länder sind damit – anders als im OECDMA – im DBA-Kanada ausdrücklich erwähnt.

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175

82

Art. 2 Rz. 83

Unter das Abkommen fallende Steuern

83

Art. 2 Abs. 2 DBA-Kanada. Art. 2 Abs. 2 DBA-Kanada entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 2 OECDMA. In der Aufzählung der unter die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen fallenden Steuerarten sind im DBA-Kanada allerdings die Lohnsummensteuern nicht enthalten.

84

Art. 2 Abs. 3 DBA-Kanada. Art. 2 Abs. 3 DBA-Kanada enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen gelten soll. Für Kanada sind genannt: die von der kanadischen Regierung nach dem Einkommensteuergesetz (Income Tax Act) erhobenen Steuern. Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer, die Gewerbesteuer und der Solidaritätszuschlag. Im Gegensatz zum OECD-MA fehlt in Art. 2 Abs. 3 DBA-Kanada die Einschränkung „insbesondere“.

85

Art. 2 Abs. 4 DBA-Kanada. Art. 2 Abs. 4 DBA-Kanada entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECDMA. Das DBA-Kanada stellt lediglich auf die Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art vom Einkommen und für Steuern vom Vermögen, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden, ab. Es sind nach dem DBA-Kanada die maßgebenden und nicht – wie im OECD-MA – die bedeutsamen Änderungen mitzuteilen. 2. Konsequenzen

86

Bestimmung der Vertragsstaaten. Anders als im OECD-MA sind im DBA-Kanada nicht sämtliche Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten als Steuergläubiger genannt. Aufgeführt sind lediglich die deutschen Länder und Gebietskörperschaften. Hintergrund ist, dass der kanadische Bundesstaat die kanadischen Provinzen völkerrechtlich nicht verpflichten kann. Praktische Auswirkungen sind aus dieser Einschränkung allerdings nicht abzuleiten, weil die von den meisten Provinzen erhobene Einkommensteuer Bestandteil der Bundessteuern sind. Zudem sieht Art. 23 Abs. 2 Buchst. b DBA-Kanada vor, dass auch die an kanadische Gebietskörperschaften gezahlte Einkommensteuer in Deutschland anrechenbar ist.1 Soweit das Abkommen über das OECD-MA die deutschen Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17)

87

Keine wesentlichen Abweichungen. Im Übrigen entspricht das DBA-Kanada im Wesentlichen dem OECDMA. Das in der Aufzählung der unter die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen fallenden Steuerarten im DBA-Kanada die Lohnsummensteuer nicht enthalten sind, hat keine praktische Auswirkung. Gleiches gilt in Bezug auf Art. 2 Abs. 3 DBA-Kanada, in dem die Aufzählung der unter das Abkommen fallenden Steuern abschließend formuliert ist.

IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA 88

Art. 2 Abs. 1 DBA-Luxemburg. Art. 2 Abs. 1 DBA-Luxemburg entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Anders als im OECD-MA sind in Art. 2 Abs. 1 DBA-Luxemburg die Länder der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich als taugliche Steuergläubiger aufgeführt.

89

Art. 2 Abs. 2 DBA-Luxemburg. Art. 2 Abs. 2 DBA-Luxemburg entspricht Art. 2 Abs. 2 OECD-MA.

90

Art. 2 Abs. 3 DBA-Luxemburg. Art. 2 Abs. 3 DBA-Luxemburg enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECDMA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Das DBA-Luxemburg enthält hier lediglich eine sprachliche Ergänzung indem auf die „zurzeit bestehenden Steuern“ abgestellt wird. Für das Großherzogtum Luxemburg sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Vermögensteuer jeweils einschließlich darauf entfallender Zusatzsteuern. Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Vermögensteuer jeweils einschließlich der darauf entfallenden Zuschläge.

91

Art. 2 Abs. 4 DBA-Luxemburg. Art. 2 Abs. 4 DBA-Luxemburg entspricht Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. 2. Konsequenzen

92

Keine wesentlichen Abweichungen. Die Abweichungen in Art. 2 DBA-Luxemburg, sind sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Soweit das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwen1 Vgl. W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Kanada Rz. 6 (Stand: August 2014).

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 102 Art. 2

dungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17).

X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-Niederlande. Art. 2 Abs. 1 DBA-Niederlande entspricht Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Anders als im OECD-MA sind in Art. 2 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012 die Länder der Bundesrepublik Deutschland – im Text doppelt – ausdrücklich als taugliche Steuergläubiger aufgeführt.

93

Art. 2 Abs. 2 DBA-Niederlande. Anders als das OECD-MA sind in Art. 2 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 die Steuern vom Vermögen nicht in der Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern enthalten. Hinsichtlich der Steuern vom Einkommen entspricht Art. 2 Abs. 2 DBA-Niederlande Art. 2 Abs. 2 OECDMA.

94

Art. 2 Abs. 3 DBA-Niederlande. Art. 2 Abs. 3 DBA-Niederlande enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECDMA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für das Königreich der Niederlande sind genannt: die Einkommensteuer („inkomstenbelasting“), die Lohnsteuer („loonbelasting“), die Körperschaftsteuer („vennootschapsbelasting“), einschließlich eines nach dem Bergbaugesetz („Mijnbouwwet“) erhobenen staatlichen Anteils am Nettogewinn aus der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und die Dividendensteuer („dividendbelasting“). Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer jeweils einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge. Vermögensteuern sind nicht in der Aufzählung aufgeführt.

95

Art. 2 Abs. 4 DBA-Niederlande. Art. 2 Abs. 4 DBA-Niederlande entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Rein sprachlich unterscheidet sich das DBA-Niederlande von dem OECD-MA darin, dass die wesentlichen und nicht die bedeutsamen Änderungen mitzuteilen sind.

96

2. Konsequenzen Keine wesentlichen Abweichungen im Bereich der Steuern vom Einkommen. Die Abweichungen vom OECD-MA in Art. 2 DBA-Niederlande sind für die Steuern vom Einkommen sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Soweit das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17).

97

Keine Ausweitung auf Steuern vom Vermögen. Im Gegensatz zum OECD-MA umfasst der sachliche Anwendungsbereich des DBA-Niederlande nicht die Steuern vom Vermögen. Auch bei einer Wiedereinführung der Vermögensteuer in Deutschland wäre diese somit vom DBA-Niederlande nicht umfasst.

98

XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-Österreich. Art. 2 Abs. 1 DBA-Österreich entspricht Art. 2 Abs. 1 OECD-MA.

99

Art. 2 Abs. 2 DBA-Österreich. Art. 2 Abs. 2 DBA-Österreich entspricht Art. 2 Abs. 2 OECD-MA.

100

Art. 2 Abs. 3 DBA-Österreich. Art. 2 Abs. 3 DBA-Österreich enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECDMA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für die Republik Österreich sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Grundsteuer, die Abgabe von landund forstwirtschaftlichen Betrieben und die Abgabe vom Bodenwert bei unbebauten Grundstücken, jeweils einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge. Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Grundsteuer, jeweils einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge. Die Vermögensteuern sind in der Aufzählung nicht aufgeführt.

101

Art. 2 Abs. 4 DBA-Österreich. Art. 2 Abs. 4 DBA-Österreich entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Rein sprachlich unterscheidet sich das DBA-Österreich von dem OECD-MA darin, dass die Änderungen in den Steuergesetzen, soweit für die Abkommensanwendung erforderlich, mitzuteilen sind, während das OECD-MA von den bedeutsamen Änderungen spricht. Anders als das OECD-MA sieht das DBA-Österreich vor, dass die Änderungen am Ende eines jeden Jahres mitzuteilen sind. Das OECD-MA enthält insoweit keine zeitliche Vorgabe.

102

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Art. 2 Rz. 103 103

Unter das Abkommen fallende Steuern

Protokoll. Das Protokoll zum DBA-Österreich enthält zu Art. 2 DBA-Österreich eine Ergänzung, nach der der Ausdruck „Gebietskörperschaften“ für beide Vertragsstaaten auch die jeweiligen (Bundes-)Länder und Gemeinden umfasst. 2. Konsequenzen

104

Keine wesentlichen Abweichungen. Soweit Art. 2 DBA-Österreich vom OECD-MA abweicht, sind diese Abweichungen sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Das in der Aufzählung der unter das Abkommen fallenden Steuern in Art. 2 Abs. 3 DBA-Österreich die Vermögensteuern nicht aufgeführt sind, hat keine praktische Auswirkung. Sollte Deutschland zukünftig eine Vermögensteuer erheben, würde diese nach den allgemeinen Grundsätzen des Art. 2 Abs. 2 DBA-Österreich in Verbindung mit Art. 2 Abs. 4 DBA-Österreich unter das Abkommen fallen. Soweit über das OECD-MA hinaus im Protokoll zum DBA-Österreich auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt sind, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17). Eine Sonderregelung ist allerdings noch im Protokoll zu Art. 24 für die Kommunalsteuer enthalten.

XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA 105

Art. 2 Abs. 1 DBA-Russland. Entsprechend dem OECD-MA umfasst der sachliche Anwendungsbereich des DBA-Russland nach Art. 2 Abs. 1 die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Der erste Satzteil des Art. 2 Abs. 1 DBA-Russland stimmt wörtlich mit dem OECD-MA überein. Während das OECD-MA weiter von den Steuern, die für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden, spricht, stellt das DBA-Russland auf die Steuern ab, die nach dem Steuerrecht jedes der Vertragsstaaten zu entrichten sind.

106

Art. 2 Abs. 2 DBA-Russland. Rein sprachlicher Natur ist es, dass das DBA-Russland in Art. 2 Abs. 2 auf die Steuern und nicht – wie das OECD-MA – auf alle Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, einschließlich der Steuern auf Einkünfte (nicht wie das OECD-MA: Gewinn) aus der Veräußerung beweglichen oder unbeweglichen Vermögens abstellt. Anders als das OECD-MA sind in Art. 2 Abs. 2 DBA-Russland die Lohnsummensteuern sowie die Steuern vom Vermögenszuwachs nicht aufgeführt.

107

Art. 2 Abs. 3 DBA-Russland. Art. 2 Abs. 3 DBA-Russland enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für die Russische Föderation sind genannt: die Gewinnsteuer der Unternehmen und Organisationen, die Einkommensteuer von natürlichen Personen, die Vermögensteuer der Unternehmen und die Vermögensteuer der natürlichen Personen. Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer, die Gewerbesteuer und der Solidaritätszuschlag.

108

Art. 2 Abs. 4 DBA-Russland. Art. 2 Abs. 4 Satz 1 DBA-Russland entspricht wörtliche Art. 2 Abs. 4 Satz 1 OECD-MA. In Art. 2 Abs. 4 Satz 2 DBA-Russland ist vorgesehen, dass die Änderungen in den Steuergesetzen, soweit erforderlich, mitzuteilen sind, während das OECD-MA von den bedeutsamen Änderungen spricht.

109

Protokoll. Das Protokoll enthält zu Art. 2 DBA-Russland folgende Ergänzung: Es besteht Einvernehmen darüber, dass dieses Abkommen auf die in Art. 2 aufgezählten Steuern angewendet wird, die auf Bundesebene, regionaler und örtlicher Ebene erhoben werden. 2. Konsequenzen

110

Keine wesentlichen Abweichungen. Soweit Art. 2 DBA-Russland vom OECD-MA abweicht, sind diese Abweichungen sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Das gilt insbesondere soweit Art. 2 Abs. 1 DBA-Russland nicht auf die Steuern abstellt, die für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden, sondern, „die nach dem Steuerrecht jedes der Vertragsstaaten zu entrichten sind“. Das Protokoll zu Art. 2 DBA-Russland stellt klar, dass hierzu auch die Steuern gehöre, die auf Bundesebene, regionaler und örtlicher Ebene erhoben werden. Trotz des insoweit vom OECD-MA abweichende Wortlaut sind auch vom DBA-Russland nur die Steuern umfasst, für die die Vertragsstaaten (einschließlich der Untergliederungen) die Ertragshoheit haben.

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 118 Art. 2

XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-Schweiz. Art. 2 Abs. 1 DBA-Schweiz entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 1 OECDMA. Anders als im OECD-MA sind in Art. 2 Abs. 1 DBA-Schweiz die Länder, Kantone, Bezirke, Kreise, Gemeinden und Gemeindeverbände ausdrücklich als taugliche Steuergläubiger aufgeführt. In Art. 2 Abs. 1 DBA-Schweiz ist zudem ausdrücklich durch einen Klammerzusatz klargestellt, dass auch die Steuern unter das Abkommen fallen, die in Form von Zuschlägen erhoben werden.

111

Art. 2 Abs. 2 DBA-Schweiz. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 2 OECD-MA. Im DBA-Schweiz ist lediglich ausgeführt, dass vom dem Abkommen die ordentlichen und außerordentlichen Steuern umfasst sind. Eine Besonderheit ist im DBA-Schweiz in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 enthalten, der im OECD-MA keine Entsprechung hat. Danach gilt das Abkommen nicht für an der Quelle erhobene Steuern von Lotteriegewinnen.

112

Art. 2 Abs. 3 DBA-Schweiz. Art. 2 Abs. 3 DBA-Schweiz enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für die Schweizerische Eidgenossenschaft sind dies: die von Bund, Kantonen, Bezirken, Kreisen, Gemeinden und Gemeindeverbänden erhobenen Steuern vom Einkommen (Gesamteinkommen, Erwerbseinkommen, Vermögensertrag, Geschäftsertrag, Kapitalgewinn usw.) vom Vermögen (Gesamtvermögen, bewegliches und unbewegliches Vermögen, Geschäftsvermögen, Kapital und Reserven usw.). Für die Bundesrepublik Deutschland sind dies: die Einkommensteuer einschließlich der Ergänzungsabgabe dazu, die Körperschaftsteuer einschließlich der Ergänzungsabgabe dazu, die Vermögensteuer, die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.

113

Art. 2 Abs. 4 DBA-Schweiz. Art. 2 Abs. 4 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich Art. 2 Abs. 4 Satz 1 OECDMA. Das DBA-Schweiz enthält nicht die Einschränkung im Wesentlichen ähnlicher Art. Zudem verwendet das DBA-Schweiz den Begriff künftig erhobener Steuern, während das OECD-MA die nach der Unterzeichnung des Abkommens erhobenen Steuern benennt. Eine Mitteilungspflicht über Änderungen in den Steuergesetzen sieht das DBA-Schweiz nicht vor. Eine Art. 2 Abs. 4 Satz 2 OECD-MA entsprechende Regelung ist im DBA-Schweiz nicht enthalten.

114

Art. 2 Abs. 5 DBA-Schweiz. Art. 2 Abs. 5 DBA-Schweiz hat im OECD-MA keine Entsprechung. Danach gelten die Bestimmungen des Abkommens über die Besteuerung der Unternehmensgewinne entsprechend für die nicht nach dem Gewinn oder dem Vermögen erhobene Gewerbesteuer. Die Regelung läuft allerdings derzeit leer (vgl. nachfolgend Rz. 116).

115

2. Konsequenzen Keine wesentlichen inhaltlichen Abweichungen. Art. 2 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich im Wesentlichen Art. 2 OECD-MA. Dass das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, führt nicht zu einer Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs des Abkommens, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17). Soweit im DBA-Schweiz ausgeführt ist, dass von dem Abkommen die ordentlichen und außerordentlichen Steuern umfasst sind, hat dies keine sachliche Konsequenz im Vergleich zum OECD-MA.1 Dass in Art. 2 Abs. 5 DBA-Schweiz die Bestimmungen des Abkommens über die Besteuerung der Unternehmensgewinne entsprechend für die nicht nach dem Gewinn oder dem Vermögen der erhobenen Gewerbesteuer gelten, hat insoweit keine praktische Auswirkung mehr, da die deutsche Gewerbesteuer derzeit ausschließlich nach dem Gewerbeertrag bemessen wird (vgl. Rz. 30).

116

XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-Spanien. Art. 2 Abs. 1 DBA-Spanien entspricht Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Anders als im OECD-MA sind in Art. 2 Abs. 1 DBA-Spanien 2011 die Länder der Vertragsstaaten ausdrücklich als taugliche Steuergläubiger aufgeführt.

117

Art. 2 Abs. 2 DBA-Spanien. Art. 2 Abs. 2 DBA-Spanien entspricht wörtlich Art. 2 Abs. 2 OECD-MA.

118

1 Brandis in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Schweiz Rz. 27 (Stand: Januar 2004).

Dremel

179

Art. 2 Rz. 119

Unter das Abkommen fallende Steuern

119

Art. 2 Abs. 3 DBA-Spanien. Art. 2 Abs. 3 DBA-Spanien enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für das Königreich Spanien sind dies: die Einkommensteuer der natürlichen Personen, die Körperschaftsteuer, die Einkommensteuer der Auslandsansässigen, die Vermögensteuer und örtliche Einkommen- und Vermögensteuern. Für die Bundesrepublik Deutschland sind dies: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Vermögensteuer, jeweils einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge.

120

Art. 2 Abs. 4 DBA-Spanien. Art. 2 Abs. 4 DBA-Spanien 2011 entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. In Satz 2 ist lediglich eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten einander gegenseitig die bedeutsamen Änderungen in den Steuergesetzen mitteilen, soweit dies für die Anwendung des Abkommens erforderlich ist. 2. Konsequenzen

121

Keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen. Die Abweichungen sind im Wesentlichen sprachlicher Natur. Soweit das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17).

XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA 122

Fehlende abstrakte Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern. Im Gegensatz zum OECD-MA wurde im DBA-USA darauf verzichtet, die unter das Abkommen fallenden Steuern abstrakt zu definieren bzw. zu umschreiben. Dementsprechend fehlt eine Art. 2 Abs. 1 und 2 OECD-MA entsprechende Regelung im DBA-USA. Das Abkommen zählt lediglich in Art. 2 Abs. 1 DBA-USA konkret die unter das Abkommen fallenden Steuern auf. Art. 2 Abs. 2 DBA-USA weitet den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommen auf die nach Unterzeichnung des Abkommens neu eingeführten Steuern aus, soweit diese den in der Aufzählung des Abs. 1 enthaltenen Steuern ähnlich sind.

123

Art. 2 Abs. 1 DBA-USA. Art. 2 Abs. 1 DBA-USA sieht eine Aufzählung der Steuern vor, für die das Abkommen gelten soll. Diese Regelung entspricht Art. 2 Abs. 3 OECD-MA. Die Aufzählung innerhalb des Art. 2 Abs. 1 DBA-USA hat allerdings innerhalb des DBA eine größere Bedeutung als die in Art. 2 Abs. 3 OECDMA vorgesehene Aufzählung, weil in dem DBA-USA auf die in Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 OECD-MA enthaltende abstrakte Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern verzichtet wurde. Dementsprechend ist die Aufzählung auch abschließend formuliert. Für die Vereinigten Staaten von Amerika sind folgende Steuern aufgezählt: die auf Grund des Internal Revenue Code erhobenen Bundeseinkommensteuern mit Ausnahme der Steuer auf thesaurierte Gewinne (accumulated earnings tax), der Steuer auf personenbezogene Holdinggesellschaften (personal holding company tax) und der Sozialabgaben und die Abgabe auf Versicherungsprämien (federal excise tax), die an ausländische Versicherer gezahlt werden. Das Abkommen gilt jedoch für die Abgabe auf Versicherungsprämien, die an ausländische Versicherer gezahlt werden, nur insoweit, als die durch die Prämien gedeckten Risiken nicht bei einer Person rückversichert sind, die nicht berechtigt ist, die Vergünstigungen dieses oder eines anderen Abkommens, das eine Freistellung von dieser Abgabe vorsieht, in Anspruch zu nehmen. Für die Bundesrepublik Deutschland sind folgende Steuern aufgezählt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Vermögensteuer.

124

Art. 2 Abs. 2 DBA-USA. Art. 2 Abs. 2 DBA-USA entspricht wörtlich Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. 2. Konsequenzen

125

Keine Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern. Inhaltlich unterscheidet sich das DBA-USA von dem OECD-MA im Wesentlichen dadurch, dass in diesem Abkommen auf die in Art. 2 Abs. 1 und 2 OECD-MA enthaltene abstrakte Darstellung der unter das Abkommen fallenden Steuern verzichtet worden ist. Die in Art. 2 Abs. 1 DBA-USA enthaltene Aufzählung hat somit innerhalb des Abkommens eine größere Bedeutung, als die in Art. 2 Abs. 3 OECD-MA vorgesehene Aufzählung. Sie ist – anders als die im OECD-MA vorgesehene Aufzählung – auch abschließend formuliert. Die insoweit engere Formulierung führt letztlich aber nicht dazu, dass der sachliche Anwendungsbereich des DBA-USA eine im Vergleich zum OECD-MA geringere Reichweite hat. So ist etwa der deutsche Solidaritätszuschlag – auch wenn er in der abschließenden Aufzählung des Art. 2 Abs. 1 DBA-USA nicht enthalten ist – vom sachlichen An-

180

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 126 Art. 2

wendungsbereich des Abkommens umfasst,1 zumal Art. 2 Abs. 2 DBA-USA den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommen auf die nach Unterzeichnung des Abkommens neu eingeführten, im Wesentlichen ähnlichen Steuern ausweitet. Keine Ausweitung auf die Steuern der US-Einzelstaaten und Gemeinden. Anders als im OECD-MA sind im DBA-USA nicht sämtliche Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten als Steuergläubiger genannt. Aufgeführt sind lediglich die deutschen Länder und Gebietskörperschaften. Eine entsprechende Regelung für die US-Einzelstaaten fehlt. Hintergrund ist, dass in den USA der Bund die Einzelstaaten völkerrechtlich nicht verpflichten kann.2

1 Vgl. Eimermann in Wassermeyer, Art. 2 DBA-USA Rz. 14 (Stand: Mai 2009). 2 Zu den Folgen vgl. Eimermann in Wassermeyer, Art. 2 DBA-USA Rz. 4 (Stand: Mai 2009).

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181

126

Abschnitt II. Begriffsbestimmungen

Artikel 3 Allgemeine Begriffsbestimmungen (1)1 Im Sinne dieses Abkommens, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, a) umfasst der Ausdruck „Person“ natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen; b) bedeutet der Ausdruck „Gesellschaft“ juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden; c) bezieht sich der Ausdruck „Unternehmen“ auf die Ausübung einer Geschäftstätigkeit; d) bedeuten die Ausdrücke „Unternehmen eines Vertragsstaats“ und „Unternehmen des anderen Vertragsstaats“, je nachdem, ein Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird, oder ein Unternehmen, das von einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird; e) bedeutet der Ausdruck „internationaler Verkehr“ jede Beförderung mit einem Schiff oder Luftfahrzeug, es sei denn, das Schiff oder Luftfahrzeug wird ausschließlich zwischen zwei Orten eines Vertragsstaats betrieben und das Unternehmen, welches das Schiff oder Luftfahrzeug betreibt, ist nicht ein Unternehmen dieses Staats; f) bedeutet der Ausdruck „zuständige Behörde“ i) (in Staat A): … ii) (in Staat B): … g) bedeutet der Ausdruck „Staatsangehöriger“ in Bezug auf einen Vertragsstaat i) jede natürliche Person, die die Staatsangehörigkeit oder Staatsbürgerschaft dieses Vertragsstaats besitzt; und ii) jede juristische Person, Personengesellschaft und andere Personenvereinigung, die nach dem in diesem Vertragsstaat geltenden Recht errichtet worden ist; h) schließt der Ausdruck „Geschäftstätigkeit“ auch die Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit ein; i) bedeutet der Ausdruck „anerkannter Pensionsfonds“ eines Vertragsstaats ein in diesem Vertragsstaat errichteter Rechtsträger oder ein in diesem Vertragsstaat errichtetes Gebilde, das nach dem Steuerrecht dieses Vertragsstaats als eigenständige Person gilt und (i) ausschließlich oder fast ausschließlich errichtet und betrieben wird, um für natürliche Personen Altersversorgungsleistungen und Zusatz- oder Nebenleistungen zu verwalten oder zu erbringen, und als solcher beziehungsweise solches durch diesen Vertragsstaat oder eine seiner Gebietskörperschaften gesetzlich geregelt wird oder (ii) ausschließlich oder fast ausschließlich errichtet und betrieben wird, um für den unter Absatz (i) genannten Rechtsträger oder Gebilde Mittel anzulegen. (2)2 Bei der Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat hat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert oder sich die zuständigen Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen, jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm im Anwendungszeitraum nach dem Recht dieses Staats über die Steuern zukommt, für die das Abkommen gilt, wobei die Bedeutung nach dem in diesem Staat anzuwendenden 1 Art. 3 Abs. 1 Buchst. e und i ist eine inoffizielle Übersetzung der ursprünglichen OECD-Version, die in englischer Sprache unter dem Titel Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017, OECD Publishing, Paris unter https://doi.org/10.1787/20745419 abrufbar ist. In Zweifelsfällen ist die ursprüngliche, englische Fassung maßgeblich. 2 Art. 3 Abs. 2 Halbs. 2 ist eine inoffizielle Übersetzung der ursprünglichen OECD-Version, die in englischer Sprache unter dem Titel Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017, OECD Publishing, Paris unter https://doi.org/10.1787/20745419 abrufbar ist. In Zweifelsfällen ist die ursprüngliche, englische Fassung maßgeblich.

Pohl

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Art. 3

Allgemeine Begriffsbestimmungen

Steuerrecht den Vorrang vor einer Bedeutung hat, die der Ausdruck nach anderem Recht dieses Staats hat. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Abs. 2) . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Zusammenhang erfordert nichts anderes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Person (Buchst. a und b) . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Definition . . . . . . . . . . . 2. Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesellschaften (Buchst. b) . . . . . . . . . . a) Bedeutung der Definition . . . . . . . . . b) Juristische Personen . . . . . . . . . . . . c) Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Andere Personenvereinigungen . . . . . . . . 5. Sonstige Rechtsgebilde . . . . . . . . . . . . IV. Unternehmen (Buchst. c) . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Definition . . . . . . . . . . . 2. Begriff der Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . 3. Begriff des Unternehmens . . . . . . . . . . V. Unternehmen des einen bzw. des anderen Vertragsstaates (Buchst. d) . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Definition . . . . . . . . . . . 2. Begriffsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei Personengesellschaften (insbesondere bei Qualifikationskonflikten) . VI. Internationaler Verkehr (Buchst. e) . . . . . 1. Bedeutung der Definition . . . . . . . . . . . 2. Begriffsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zuständige Behörde (Buchst. f) . . . . . . . VIII. Staatsangehöriger (Buchst. g) . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Definition . . . . . . . . . . . 2. Staatsangehörigkeit von natürlichen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatsangehörigkeit von juristischen Personen, Personengesellschaften und anderen Personenvereinigungen . . . . . . . IX. Geschäftstätigkeit (Buchst. h) . . . . . . . . 1. Bedeutung der Definition . . . . . . . . . . . 2. Begriffsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . X. Anerkannter Pensionsfonds (Buchst. i) . . . 1. Bedeutung der Definition . . . . . . . . . . . 2. Begriffsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . .

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1 1 2 3 3 5 7 7 8 9 10 10 11 12 12 14 15 15 16 22 25 26 28 28 31 32 39 39 40 43 45 45 47 51 53 53 54 57 59 59 60 62 62 63

C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Abs. 2) . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtscharakter der Norm . . . . . . . . . III. Bedeutung und rechtspolitische Bewertung IV. Systematische Einordnung . . . . . . . . . V. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendung des Abkommens . . . . . . . . 2. Im Abkommen nicht definierter Begriff . . a) Autonome DBA-Definitionen . . . . . b) Inkorporierte DBA-Definitionen . . . . c) Sonstige „Definitionen“ . . . . . . . . . 3. Der Zusammenhang darf nichts anderes erfordern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine Verständigung auf eine abweichende Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Steuerrechtliche Bedeutung des Ausdrucks VI. Rechtsfolge: Rückgriff auf die steuerrechtliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . D. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . E. Konsequenzen des MLI . . . . . . . . . . F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . V. Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . X. Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . .

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66 66 68 70 72 75 75 76 76 79 81

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82

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85 89

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94 96 97

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98 98 98 105 108 108 117 119 119 129 133 133 143 146 146 157 162 162 170 173 173 184 186 186 194 198 198 209 212 212 224 227 227

Rz. 4 Art. 3

A. Grundaussagen der Vorschrift 2. XII. 1. 2. XIII. 1. 2.

Konsequenzen . . . . . . . . . . Russland . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . .

. . . . . . .

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. . . . . . .

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. . . . . . .

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235 238 238 245 248 248 257

XIV. 1. 2. XV. 1. 2.

Spanien . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . .

. . . . . .

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. . . . . .

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. . . . . .

. . . . . .

261 261 272 275 275 283

OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: https://doi.org/10.1787/20745419.

KOMMENTIERUNG ZU ART. 3 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Definition von Abkommensbegriffen. Art. 3 dient der Definition von im OECD-MA verwendeter (unbestimmter) Rechtsbegriffe. Die Norm soll gewährleisten, dass bestimmte Ausdrücke einheitlich ausgelegt und an unterschiedlichen Stellen im OECD-MA nicht (mehrfach) erläutert werden müssen.

1

II. Aufbau der Vorschrift Definitionen und Verweis auf innerstaatliches Recht. Art. 3 enthält zwei Absätze. Während Abs. 1 in insgesamt acht Buchstaben im Abkommen häufig verwendete Begriffe (z.B. den der Person) definiert, enthält Abs. 2 eine sog. „lex-fori“-Klausel, die bei im Abkommen nicht definierten Begriffen unter bestimmten Voraussetzungen eine innerstaatliche Begriffsbestimmung als maßgeblich anordnet.

2

III. Rechtsentwicklung 1. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Abs. 1) OECD-MA 1963, 1977, 1992, 2000, 2002. Art. 3 Abs. 1 war erstmals im OECD-MA 1963 enthalten.1 Die Abkommensmuster des Völkerbundes2 enthielten noch keinen derartigen „Definitionsartikel“. Das erste Abkommen, das, wie jetzt das OECD-MA, einen Definitionskatalog an den Anfang stellte, war das DBA Großbritannien-USA v. 16.4.1945.3 Art. 3 Abs. 1 stimmt in vielen Punkten mit der ursprünglichen Fassung im OECD-MA 1963 überein. Eine Definition des Vertragsstaates (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA 1963) war jedoch bereits im OECD-MA 1977 nicht mehr enthalten. Dafür integrierte das OECD-MA 1977 eine Definition des „internationalen Verkehrs“ in den Katalog des Art. 3. Verkürzt wurde Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA 1963 zudem dahingehend, dass der Halbs. „oder ein Unternehmen, das von einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird“ als überflüssig gestrichen wurde. Mit dem OECD-MA 1992 wurde die Definition des Staatsangehörigen, die vorher in Art. 24 Abs. 2 enthalten war, in Art. 3 übernommen. Das OECD-MA 2000 führte eine (Teil-)Definition des Begriffs Unternehmens in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und eine Konkretisierung des Begriffs „Geschäftstätigkeit“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. h ein. Ohne inhaltliche Änderung wurde durch das OECD-MA 2002 in Art. 3 Abs. 1 Buchst. g der Begriff der „Staatsbürgerschaft“ aufgenommen. Art. 3 Abs. 1 ist seitdem unverändert geblieben.

3

OECD-MA 2017. Durch das OECD-MA 2017 wurde Art. 3 Abs. 1 Buchst. e („internationaler Verkehr“) inhaltlich verändert. Gleichzeitig wurde eine Definition des Ausdrucks „anerkannter Pensionsfonds“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. i eingefügt.

4

1 Der Steuerausschuss der OECD formulierte Art. 3 Abs. 1 aber erst in der letzten Phase seiner Arbeiten am OECDMA, nach seinem vierten Bericht an den Rat von 1961 (vgl. Vogel, StuW 1982, 286 (287) Fn. 124). 2 Siehe die sog. Genfer Abkommensentwürfe von 1928, den sog. Mexiko-Abkommensentwurf von 1943 und den sog. Londoner Abkommensentwurf von 1946. 3 Vgl. Vogel, StuW 1982, 286 (287).

Pohl

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Art. 3 Rz. 5

Allgemeine Begriffsbestimmungen

2. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Abs. 2) 5

OECD-MA 1963, 1977, 1995. Bereits im OECD-MA 1963 existierte eine dem heutigen Art. 3 Abs. 2 ähnliche Vorschrift:1 Eine dem Art. 3 Abs. 2 OECD-MA 1963 vergleichbare Vorschrift war wiederum erstmals im DBA Großbritannien-USA v. 16.4.1945 enthalten.2 Die Musterabkommen des Völkerbundes3 sahen eine dem Art. 3 Abs. 2 vergleichbare Vorschrift noch nicht vor. Im OECD-MA 1977 wurde die Norm geringfügig geändert.4 Statt nicht „jeder nicht anders definierte Ausdruck“ und „welche Gegenstand des Abkommens sind“ enthielt Art. 3 Abs. 2 fortan die Formulierung „jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck“ bzw. „für die das Abkommen gilt“. Eine inhaltliche Änderung war hiermit nicht verbunden.5 Ergänzt wurde die damalige Fassung zudem um den Halbs. „wobei die Bedeutung nach dem in diesem Staat anzuwendenden Steuerrecht den Vorrang vor einer Bedeutung hat, die der Ausdruck nach anderem Recht dieses Staates hat“. Hierdurch wurde klargestellt, dass auf eine Bedeutung des Ausdrucks nach einem anderen Rechtsgebiet erst dann zurückgegriffen werden kann, wenn dem maßgeblichen Steuerrecht ebenfalls dieses Verständnis zugrunde liegt. In 1995 wurde Art. 3 Abs. 2 erneut ergänzt. Jeder im OECD-MA nicht definierte Ausdruck hat nach dem Wortlaut der Norm nunmehr die Bedeutung, die ihm „im Anwendungszeitraum“ nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt. Da schon zu früheren Fassungen die Auffassung vertreten wurde, dass nach Art. 3 Abs. 2 die jeweils aktuelle Begriffsbestimmung nach innerstaatlichem Recht entscheidend ist (sog. dynamischer Verweis), hat diese Ergänzung ebenfalls nur klarstellenden Charakter.6

6

OECD-MA 2017. Durch das OECD-MA 2017 wurde in Art. 3 Abs. 2 nach dem Wort „erfordert“ der Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ eingefügt. Eine entsprechende Einschränkung war bereits in Art. 3 Rz. 13.1 OECD-MK 1995 enthalten.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht 7

Definition von Abkommensbestimmungen. Art. 3 befindet sich im Abschn. II. (Begriffsbestimmungen) und hat daher Bedeutung für sämtliche Art. des OECD-MA, die einen in Art. 3 Abs. 1 definierten Ausdruck verwenden7 bzw. Begriffe enthalten, die sich abkommensautonom nicht erschließen lassen (vgl. Art. 3 Abs. 2)8. Auch wenn eine Abkommensdefinition, wie etwa in Art. 3 Abs. 1 vorliegt, ist auf die in der Definition enthaltenen Ausdrücke ihrerseits Art. 3 Abs. 2 anwendbar.9 Auf die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 selber findet die Norm jedoch keine Anwendung.10 2. Völkerrecht

8

Spezialregelung. Art. 3 Abs. 2 stellt eine Spezialregelung zur Auslegung bestimmter Abkommensausdrücke dar.11 Als solche hat sie Vorrang gegenüber den allgemeinen Auslegungstechniken und den Regelungen der WÜRV.12 Ausgehend von den tatbestandsimmanenten Einschränkungen des Art. 3 Abs. 2 („wenn der Zusammenhang nichts anderes fordert“), sind dennoch im Regelfall die Art. 31 f. WÜRV zur Auslegung von Ausdrücken der DBA heranzuziehen (im Einzelnen streitig, vgl. Rz. 82).

1 Der Steuerausschuss der OECD formulierte Art. 3 Abs. 2 aber erst in der letzten Phase seiner Arbeiten am OECDMA, nach seinem vierten Bericht an den Rat von 1961 (vgl. hierzu Vogel, StuW 1982, 286 (287) Fn. 124). Vgl. Vogel, StuW 1982, 286 (287). 2 Vgl. hierzu Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 2. 3 Siehe die sog. Genfer Abkommensentwürfe von 1928, den sog. Mexiko-Abkommensentwurf von 1943 und den sog. Londoner Abkommensentwurf von 1946. 4 Vgl. zur Rechtsentwicklung im Einzelnen Lang in FS Debatin, 283 (285 ff.). 5 Vgl. Lang in FS Debatin, 283 (285). 6 Vgl. Lang in FS Debatin, 283 (290 ff.). 7 Vgl. insoweit die Rz. 12 („Person“), Rz. 15 („Gesellschaft“), Rz. 28 („Unternehmen“); Rz. 39 („Unternehmen eines Vertragsstaats“), Rz. 45 („internationaler Verkehr“), Rz. 51 („zuständige Behörde“), Rz. 53 („Staatsangehöriger“), Rz. 59 („Geschäftstätigkeit“). 8 Vgl. insoweit Rz. 70. 9 Avery Jones et al., BTR 1984, 14 (21); Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 53. 10 Gloria, RIW 1986, 970 (975); Klebau, RIW 1985, 125 (127); Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 49. 11 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 49. 12 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 49.

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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 10 Art. 3

3. Innerstaatliches Recht Keine Relevanz der Definitionen im innerstaatlichen Recht. Grundsätzlich keine Bedeutung haben die Definitionen des Art. 3 Abs. 1 für das innerstaatliche Recht.1 Dies folgt schon aus den einleitenden Worten des Art. 3 Abs. 1 („Im Sinne dieses Abkommens […]“); es ergibt sich aber auch aus der Tatsache, dass das innerstaatliche Recht auch im Verhältnis zu Nicht-DBA-Staaten gilt. Geht es beispielsweise um eine Auslegung des Begriffs „Person“ in § 1 AStG, kann insoweit nicht auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. a zurückgegriffen werden.2 Art. 3 Abs. 2 nimmt zur Interpretation abkommensrechtlicher Begriffe zwar auf das innerstaatliche Recht Bezug. Bedeutung hat die Norm für das innerstaatliche Recht aber ebenfalls nicht.

9

B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Abs. 1) Ausgewählte Literatur: Blumenwitz, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, in Mössner/Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, München 1995, 5; Debatin, Auslegungsmaximen zum Internationalen Steuerrecht, RIW 1969, 477; Debatin, Außensteuerrechtliche und internationalrechtliche Behandlung von Rechtsträgern und daran bestehenden Beteiligungen, DB Beilage 13/1977; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, Das neue OECD-Musterabkommen 2017, DB 2018, 1171; Djanani/Brähler, Internationale Steuerplanung durch Ausnutzung von Qualifikationskonflikten, StuW 2007, 53; Haase, Die Revision des OECD-MA 2014 – ein Überblick, IStR 2014, 540; Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, Diss., Frankfurt 2007; Kemp/Stevens, Direktinvestitionen in der Tschechischen Republik über eine tschechische KG, IStR 1995, 584; Knobbe-Keuk, „Qualifikationskonflikte“ im internationalen Steuerrecht der Personengesellschaften, RIW 1991, 306; Krabbe, Steuerliche Behandlung der Personengesellschaften nach den DBA, IWB Fach 3 Deutschland Gruppe 2, 753; Lang, DBA und Personengesellschaften – Grundfragen der Abkommensauslegung, IStR 2007, 606; Lang, Die abkommensrechtliche Behandlung von ausländischen Personengesellschaften mit Steuersubjektivität im Ausland, in Kleineidam (Hrsg.), Unternehmenspolitik und internationale Besteuerung, FS für Fischer, Berlin 1999, 713; Lang, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 11; Lang, DBA-Interpretation durch den EuGH, SWI 2017, 507; Lang, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, Wien 1992; Leidel, Zur Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA für die Auslegung des abkommensrechtlichen Unternehmensbegriffs, IStR 2017, 348; Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, Diss., München 2009; Lüdicke, Beteiligungen an ausländischen intransparent besteuerten Personengesellschaften, IStR 2011, 91; Marchgraber, Der Begriff „Gesellschaft“ im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2011, 336; Pohl, Die Auslegung von DBA in der jüngeren Rechtsprechung des BFH, RIW 2012, 677; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im internationalen Steuerrecht, Köln 1983; van Raad, Anerkennung der steuerlichen Rechtsfähigkeit ausländischer Unternehmen, CDFI, LXXlIla, 113; Riemenschneider, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Beteiligungen inländischer Gesellschafter an ausländischen Personengesellschaften, Frankfurt 1995; Salzmann, Innerstaatlicher Gewerbebetrieb als abkommensrechtliche Definition von Unternehmensgewinnen?, IWB 2013, 846; C. Schmidt, Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, IStR 2010, 413; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., Köln u.a. 1997; Schnitger, Die Einbeziehung des OECD-Kommentars in der Rechtsprechung des BFH, IStR 2002, 407; Schuch, Organschaft und Gruppenbesteuerung im Abkommensrecht in Gassner/Lang/Wiesner (Hrsg.), Besteuerung von Unternehmensgruppen, Wien 1998, 173; Tumpel/Aigner, Die Personengesellschaft nach Art. 3 Abs. 1 lit. a OECDMA als Voraussetzung der Ansässigkeit, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 33; Vogel, Zur Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften, IStR 1999, 5; Wassermeyer, Über Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 OECD-MA, IStR 2010, 37; Wassermeyer, Die Beurteilung der Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften durch Deutschland als dem Nichtansässigkeitsstaat der Personengesellschaft, IStR 1998, 489; Wassermeyer, Merkwürdigkeiten bei der Auslegung von DBA durch die Finanzverwaltung, IStR 1995, 49; Wassermeyer, Die ausländische Kapitalgesellschaft, DStJG 20, 83; Weggenmann, Personengesellschaften im Abkommensrecht und abkommensrechtliche Fiktionswirkung (BFH I R 67/12), Festgabe zum Geburtstag von Franz Wassermeyer, München 2015, 77; Wolff, Auslegungsfragen zu DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 647.

I. Regelungszweck Definition wichtiger abkommensrechtlicher Begriffe. Art. 3 Abs. 1 enthält allgemeine Begriffsbestimmungen für die Anwendung einzelner Abkommensbestimmungen. Die Norm gewährleistet dadurch, dass bestimmte Ausdrücke einheitlich ausgelegt und an unterschiedlichen Stellen im OECD-MA nicht (mehr1 Vgl. FG München v. 4.10.1984 – I 190/81 E, EFG 1985, 246 (rkr.), bei einer Ausnahme von diesem Grundsatz vgl. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171 im Hinblick auf den Begriff „Gesellschaft“ i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG. 2 Zum Begriff der Person i.S.d. § 1 AStG vgl. Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 58.

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Art. 3 Rz. 10

Allgemeine Begriffsbestimmungen

fach) erläutert werden müssen. Im Hinblick auf den Begriff der „Person“, der im OECD-MA mehrfach auftaucht (vgl. Rz. 14), genügt somit die einleitende Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a. Dies trägt auch zur Übersichtlichkeit des Abkommens bei.

II. Der Zusammenhang erfordert nichts anderes 11

Anwendung speziellerer Normen. Die Anwendung der einzelnen Definitionen des Art. 3 Abs. 1 steht unter dem Vorbehalt, dass der Zusammenhang nichts anderes erfordert.1 Dieser Vorbehalt hat einen angloamerikanischen Ursprung.2 Er soll dem Richter einen Spielraum (ein „Ventil“) offen halten, damit er insbesondere bei Redaktionsversehen eine sachgerechte Auslegung des Gesetzes vornehmen kann. Da dem kontinentalen Richter dies ohnehin erlaubt ist, hat die Klausel für ihn nur eine geringe Aussagekraft.3 Ergibt sich an einer Stelle des Abkommens, dass ein Begriff abweichend von Art. 3 Abs. 1 auszulegen ist, so gebietet bereits der Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“, dass insoweit Art. 3 Abs. 1 keine Beachtung findet. Aus deutscher Sicht ist die Vorbehaltsklausel im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 (vgl. Rz. 82 ff.) daher nur deklaratorisch. Der Begriff „Zusammenhang“ ist vor diesem Hintergrund weit auszulegen. Nicht nur der Wortlaut und die Systematik, sondern auch die übrigen Auslegungskriterien (z.B. Sinn und Zweck und Entstehungsgeschichte) sind zu berücksichtigen (vgl. auch Art. 3 Rz. 12 OECD-MK). Beispiel: Im Hinblick auf Art. 10 Abs. 3 ist streitig, ob der Begriff „Gesellschaft“ nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b zu definieren ist. Zum Teil wird vertreten, dass der Gesellschaftsbegriff des Art. 10 Abs. 3 ein eigenständiger (engerer) sein muss, weil dieser einen Rechtsträger voraussetzt, von dem Dividenden erzielbar sind.4 Art. 3 Abs. 1 Buchst. b steht einer solchen Deutung bedingt durch den Vorbehalt „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ nicht entgegen (vgl. aber Art. 10 Rz. 39).5

III. Person (Buchst. a und b) 1. Bedeutung der Definition 12

Erscheinungsform der Person im OECD-MA. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a umfasst der Ausdruck „Person“ natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen. Bedeutung hat diese Definition vor allem für die Umschreibung des jeweiligen Steuerpflichtigen bzw. Abkommensberechtigten, für die Definition des ständigen Vertreters nach Art. 5 Abs. 6 sowie für die Umschreibung des Schuldners bestimmter Vergütungen. Im Einzelnen verwenden folgende Vorschriften den Begriff der „Person“: – Art. 1 (Unter das Abkommen fallende Personen); – Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und g (Definition des „Unternehmens eines Vertragsstaats“ sowie des „Staatsangehörigen“); – Art. 4 (Bestimmung der Ansässigkeit); – Art. 5 Abs. 5 und 6 (Bestimmung des abhängigen bzw. unabhängigen Vertreters); – Art. 6 Abs. 1 (Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen); – Art. 9 Abs. 1 Buchst. b (Verbundene Unternehmen); – Art. 10 Abs. 1 (Dividenden); – Art. 11 Abs. 1, 2 und 5 (Zinsen); – Art. 12 Abs. 1 (Lizenzgebühren); – Art. 13 Abs. 1 und 4 (Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen); – Art. 15 Abs. 1 und 2 (Einkünfte aus unselbständiger Arbeit); – Art. 16 (Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen); – Art. 17 (Künstler und Sportler); – Art. 18 (Ruhegehälter); – Art. 19 Abs. 1 und 2 (Öffentlicher Dienst); – Art. 21 Abs. 1 (Andere Einkünfte); 1 2 3 4

Vgl. auch BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, BStBl. II 1982, 374. So Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 3. So auch Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 3. Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (51); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 17. 5 So auch FG Hamburg v. 25.10.1977 – III 27/74, EFG 1978, 10 (rkr.) im Hinblick auf das DBA-Schweiz 1971.

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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Abs. 1)

– – – – – –

Rz. 15 Art. 3

Art. 22 Abs. 1 und 4 (Vermögen); Art. 23A (Befreiungsmethode); Art. 23B (Anrechnungsmethode); Art. 24 Abs. 1, 3, 4 und 5 (Gleichbehandlung); Art. 25 Abs. 1 und 5 (Verständigungsverfahren); Art. 26 Abs. 2 (Informationsaustausch).

Keine abschließende Definition der Person. Nach dem Wortlaut („umfasst“ anstelle von „bedeutet“) und Art. 3 Rz. 2 OECD-MK handelt es sich bei Art. 3 Abs. 1 Buchst. a um keine abschließende Definition.1 Auch andere Rechtsgebilde können daher ausgehend vom innerstaatlichen Recht des jeweiligen Vertragsstaates als Personen in Betracht kommen.2

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2. Natürliche Personen Rückgriff auf das nationale Steuerrecht. Erstes Untermerkmal der Person ist die natürliche Person. Inso- 14 weit enthält Art. 3 Abs. 1 Buchst. a eine Tautologie, da der Begriff der (natürlichen) „Person“ zur Definition der „Person“ eingesetzt wird. Da eine Begriffsbestimmung abkommensautonom nicht möglich ist, ist gem. Art. 3 Abs. 2 (vgl. Rz. 66 ff.) auf das innerstaatliche Steuerrecht zurückzugreifen.3 Im EStG wird der Begriff der natürlichen Person verwendet (vgl. § 1 EStG), aber ebenfalls nicht weiter definiert. Entscheidend ist daher die zivilrechtliche Bedeutung, die für das Ertragsteuerrecht insoweit maßgeblich ist.4 Nach (deutschem) zivilrechtlichem Verständnis handelt es sich bei natürlichen Personen um Menschen von der Vollendung der Geburt bis zu deren Tod (vgl. auch § 1 BGB).5 Persönliche Merkmale wie die Rasse, das Geschlecht, die Staats- und Religionsangehörigkeit, die Handlungsfähigkeit, die Geschäftsfähigkeit und die Volljährigkeit spielen insoweit keine Rolle.6 Verschollene werden bis zur Rechtskraft der Todeserklärung als lebend und damit als natürliche Personen behandelt (vgl. auch § 49 AO). Geht es um einen Staatsangehörigen eines ausländischen Staates, ist gem. Art. 7 Abs. 1 EGBGB für die Frage der Rechtsfähigkeit und die Existenz einer natürlichen Person das ausländische Zivilrecht entscheidend.7 Dieses kann vom deutschen Recht abweichen.8 Beispiel: Ein Kind, das die französische Staatsangehörigkeit erwerben würde, jedoch nicht lebensfähig ist, erlangt gem. französischem Recht die Rechtsfähigkeit nicht.9 Da gem. Art. 7 Abs. 1 EGBGB diese Rechtslage auch für Deutschland maßgeblich ist, ist das Kind keine (natürliche) Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a.

3. Gesellschaften (Buchst. b) a) Bedeutung der Definition Definition der Gesellschaft. Gesellschaften sind nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b juristische Personen und Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. Diese Definition hat eine doppelte Bedeutung.10 Zum einen konkretisiert sie den Begriff der Person in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und hat daher mittelbar für alle Normen Bedeutung, die auf den Begriff der „Person“ abstellen (vgl. Rz. 12). Zum anderen ist die Definition bei allen Vorschriften des OECD-MA heranzuziehen, die den Begriff „Gesellschaft“ unmittelbar verwenden: – Art. 5 Abs. 7 (Beherrschung einer Gesellschaft); – Art. 10 Abs. 1 und 2 (Schuldner der Dividenden); – Art. 16 (Aufsichtsratsvergütungen).

1 So auch Gaffron in Haase3, Art. 3 OECD-MA Rz. 5; Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 5. 2 Vgl. auch Machens, Ausländische Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, 154; Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (37). 3 Vogel, StuW 1982, 286 (287). 4 Vgl. Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 52; a.A. (ohne nähere Begründung) Gaffron in Haase3, Art. 3 OECD-MA Rz. 9. 5 Vgl. Ellenberger in Palandt77, § 1 BGB Rz. 1 ff. 6 Vgl. auch Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (47 f.). 7 Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 6. 8 Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 12. 9 Vgl. auch Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 12. 10 Vgl. auch Marchgraber, SWI 2011, 336 (336 f.).

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Art. 3 Rz. 15

Allgemeine Begriffsbestimmungen

Im Hinblick auf den Begriff der Gesellschaft i.S.d. Art. 10 ist dies jedoch streitig.1 Zum Teil wird vertreten, dass der Gesellschaftsbegriff des Art. 10 ein eigenständiger (engerer) sein muss, weil dieser einen Rechtsträger voraussetzt, von dem Dividenden erzielbar sind.2 Hiergegen spricht jedoch, dass die Definition gerade im Hinblick auf den Dividendenartikel formuliert worden ist (vgl. auch Art. 3 Rz. 3 OECD-MK).3 b) Juristische Personen 16

Definition der juristischen Person. Umstritten ist, ob für eine juristische Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b die Rechtsfähigkeit auf privatrechtlichem (und öffentlich rechtlichem) Gebiet oder die Einordnung als Steuersubjekt entscheidend ist. Für die erste Sichtweise4 spricht Art. 3 Abs. 2. Im deutschen Steuerrecht wird die juristische Person u.a. in § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 6 KStG erwähnt aber nicht weiter definiert. Abgestellt wird insoweit auf das Zivilrecht bzw. das Öffentliche Recht.5 Die Steuersubjektivität hat insoweit keine Bedeutung. Sie ist keine Voraussetzung, sondern vielmehr die Folge der Einordnung als juristische Person. Für eine steuerrechtliche Interpretation des Begriffs „juristische Person“6 spricht hingegen die Systematik.7 Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Var. 2 behandelt Rechtsträger als Personen, die steuerlich wie juristische Personen behandelt werden. Diese Vorschrift impliziert, dass die Verfasser des OECD-MA eine bestimmte einheitliche steuerliche Behandlung der juristischen Person bei der Abfassung des OECD-MA vor Augen hatten.8 Dann erscheint es aber gerechtfertigt, den Begriff der juristischen Person von vornherein aus steuerlichem Blickwinkel zu interpretieren.9 In die gleiche Richtung geht auch Art. 3 Rz. 3 OECD-MK. Die Rede ist dort von „[…] any other taxable unit […]“, was nahelegt, auch die juristischen Personen als „taxable units“ bzw. Steuersubjekte einzuordnen. Eine rein steuerliche Interpretation der juristischen Person ist jedoch ebenfalls nicht überzeugend, da andernfalls beide Tatbestände des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b inhaltsgleich wären, was kaum dem Willen der Verfasser des OECD-MA entsprochen haben dürfte. Folgerichtig ist daher, als juristische Personen nur Rechtsträger anzusehen, die auf privatrechtlichem (und öffentlich rechtlichem) Gebiet Rechtfähigkeit besitzen (vgl. hierzu Rz. 18) und gleichzeitig steuerrechtlich als Steuersubjekt (vgl. Rz. 19) behandelt werden.10 Eine solche kumulative Betrachtung macht die Var. 1 neben der Var. 2 des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b zwar ebenfalls überflüssig, doch stellt sie klar, dass es gerade die juristischen Personen sind, die typischerweise als Steuersubjekte behandelt werden.11 Beispiele: a) Die X-GmbH (Sitz und Geschäftsleitung Düsseldorf) ist eine juristische Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, da sie sowohl zivilrechtlich eine juristische Person ist als auch steuerrechtlich als Steuersubjekt behandelt wird (siehe § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). b) Obwohl der nichtrechtsfähige Verein gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG als Steuersubjekt der Körperschaftsteuer unterliegt, handelt es sich bei ihm nach der hier vertretenen Ansicht ausgehend von seiner zivilrechtlichen Stellung nicht um eine juristische Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b. Der nichtrechtsfähige Verein ist aber als Gesellschaft i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Var. 2 einzuordnen. c) Die XY-OHG (Sitz und Geschäftsleitung Köln) ist keine juristische Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, da sie zivilrechtlich weder eine juristische Person ist, noch als Steuersubjekt nach dem Transparenzprinzip besteuert wird.

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Rechtsordnung des Anwenderstaats. Unklar und umstritten ist, auf welche Rechtsordnung im Hinblick auf die Rechtsfähigkeit des Rechtsgebildes bzw. ihre Steuersubjektivität abzustellen ist. Nach Ansicht von

1 Vgl. Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (51). 2 Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (51); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 17; a.A. jedoch Lang, Hybride Finanzierung, 112 f. 3 Nach Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 77 ist aus diesem Grund erwägenswert, ob nicht Art. 10 die Auslegung des Begriffs der Gesellschaft nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b beeinflusst. Hiergegen spricht jedoch, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. b nicht nur Bedeutung für Art. 10 hat; a.A. Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (51), die dem OECD-MK entnehmen wollen, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. b für Art. 10 keine Bedeutung hat. 4 Vertreten von Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 13; Schlüter, JbFfSt 1979/1980, 169 f.; Weggenmann, Personengesellschaften im Lichte der Doppelbesteuerungsabkommen, 56. 5 Dürrschmidt, in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 13. 6 Vgl. Machens, Ausländische Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, 156 ff.; Piltz, Personengesellschaften, 183 f. 7 Vgl. Debatin, BB 1989, Beilage 2 zu Heft Nr. 3, 1, 3. 8 Vgl. Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 73. 9 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 73 ff. 10 So auch Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 72 ff. 11 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 75.

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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 18 Art. 3

Vogel1 kommt es auf die Rechtsordnung eines beliebigen Staates an. Entscheidend ist, ob irgendein Staat der Gesellschaft den Status einer juristischen Person verliehen hat. Jacobs2 verlangt hingegen einschränkend, dass zumindest nach der Rechtsordnung eines Vertragsstaates der Rechtsträger juristische Person sein muss. Djanani/Brähler3 stellen wiederum auf die Rechtsordnung des Ansässigkeitsstaates ab. Wassermeyer4 orientiert sich an der Rechtsordnung des Anwenderstaates, selbst wenn die „Gesellschaft“ ihre Geschäftsleitung bzw. ihren Sitz im anderen Vertragsstaat hat. Der BFH hat sich bisher zu dieser Streitfrage nicht abschließend geäußert.5 Mit Beschluss vom 19.5.20106 hat er es als offen angesehen, ob die Frage der Besteuerung wie eine juristische Person“ i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f. DBA-Spanien ausschließlich nach deutschem Steuerrecht zu beantworten ist. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 2 DBA-Ungarn hat der BFH jüngst eine Gesellschaft jedoch bereits angenommen, wenn sie im Sitzstaat (bzw. Staat ihrer Geschäftsleitung) wie eine juristische Person besteuert wird.7 Daraus dürfte sich zugleich ergeben, dass auch im Hinblick auf die Eigenschaft einer juristischen Person auf diesen Staat abzustellen ist. Die Finanzverwaltung hat ebenfalls keine klaren Vorgaben für die Praxis gemacht. Nach Tz. 2.1.1 des BMF-Schr. vom 26.9.20148 können Personengesellschaften zwar Personen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA sein, ob sie jedoch zugleich als Gesellschaften bzw. juristische Personen einzuordnen sind, bleibt unbeantwortet. Art. 3 Rz. 3 OECD-MK äußert sich nur im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Var. 2: „Außerdem bezieht sich der Ausdruck auch auf andere Rechtsträger, die von den Steuergesetzen des Vertragsstaats, in dem sie errichtet worden sind, wie juristische Personen behandelt werden.“ Trotz ihres systematischen Bezugs dürfte diese Aussage auch für die Frage gelten, ob eine juristische Person vorliegt.9 Nach Ansicht der OECD ist daher stets die Rechtsordnung des Sitzstaats in Abgrenzung zum Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung entscheidend. Zu folgen ist dennoch der von Wassermeyer10 vertretenen Ansicht. Da der Ausdruck juristische Person im Abkommen nicht definiert ist und auch der Abkommenszusammenhang nichts anderes fordert, ist die Rechtsordnung des Anwenderstaates maßgeblich (vgl. Art. 3 Abs. 2). Anders als andere Normen (vgl. z.B. Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2) verweist Art. 3 Abs. 1 Buchst. b auch nicht auf das Recht des Ansässigkeitsstaates. Beispiel: Die spanische X-S.C. (Sociedades en Comandita) ist in Deutschland unternehmerisch tätig. Nach spanischem Recht ist sie eine juristische Person und wird dort auch als solche besteuert. Ausgehend von einem Typenvergleich handelt es sich bei der X-S.C. hingegen um eine Personengesellschaft. Aus deutscher Sicht ist die X-S.C. deshalb keine juristische Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, da nach deutscher Rechtsordnung weder eine juristische Person vorliegt noch Personengesellschaften nach dem Trennungsprinzip besteuert werden.

Rechtsfähigkeit. Nach der deutschen Rechtsordnung11 sind juristische Personen alle sozialen Gebilde, denen die Rechtsordnung, d.h. das Privatrecht oder das Öffentliche Recht12 die Rechtsfähigkeit in grundsätzlich gleichem Umfang wie natürlichen Personen zugesteht.13 Zu unterscheiden sind juristische Personen des Zivilrechts und des öffentlichen Rechts. Zu den juristischen Personen des Privatrechts gehören Kapitalgesellschaften (Europäische Gesellschaften – (SE), AG, KGaA, GmbH) einschließlich der Vorgesellschaften,14 Genossenschaften einschließlich der Europäischen Genossenschaften, Versicherungs- und Pensionsfondvereine auf Gegenseitigkeit und die sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts (z.B. eingetragene Vereine). Daneben ist die Stiftung bürgerlichen Rechts als Vermögensmasse als juristische Person des Zivilrechts einzuordnen. Nicht zu den juristischen Personen des Zivilrechts zählen die Personengesellschaften (z.B. GbR, OHG, KG).15 Zu ausländischen Gesellschaften vgl. Rz. 20. Juristische Personen des öffentlichen Rechts bestehen aufgrund öffentlich-rechtlicher Hoheitsakte oder öffentlich-rechtlicher Anerkennung. Man unterscheidet insoweit Körperschaften (z.B. Gebietskörperschaften), Anstalten (z.B. Rundfunkanstalten) und Stiftungen des öffentlichen Rechts. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Vgl. Vogel, IStR 1999, 5; Dürrschmidt in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 13. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 524 f. Vgl. Djanani/Brähler, StuW 2007, 53 (56). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer, IStR 1998, 489. Vgl. BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258. Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 84. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer, IStR 1998, 489. Zur relevanten Rechtsordnung vgl. Rz. 17. Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 3 OECD-MA Rz. 26; Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 19. Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 13. Vgl. BFH v. 14.10.1992 – I R 17/92, BStBl. II 1993, 352. Dies kommt deutlich durch § 11 InsO zum Ausdruck, wo die Personengesellschaften neben den juristischen Personen als insolvenzfähig bezeichnet werden; vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht3, § 8 III m.w.N.

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Art. 3 Rz. 19

Allgemeine Begriffsbestimmungen

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Steuersubjektivität. Fordert man für eine juristische Person neben der Rechtsfähigkeit auf zivilrechtlichem Gebiet die Einordnung als Steuersubjekt, so fragt sich, was unter Letzterem zu verstehen ist. In der Literatur finden sich insoweit unterschiedliche Antworten. Zum Teil wird die Besteuerung nach dem Mitunternehmerkonzept (Transparenzprinzip) mit fehlender Steuersubjektivität gleichgesetzt.1 Daneben findet sich die Ansicht, nach der es ausreichen soll, wenn ein Gebilde im nationalen Steuerrecht als Subjekt von Einkommensermittlung und Verfahren behandelt wird.2 Richtigerweise ist darauf abzustellen, ob der Rechtsträger nach dem Trennungsprinzip besteuert wird. Dies steht am ehesten mit den Vorgaben des OECD-MK (Art. 3 Rz. 3 OECD-MK: „taxable unit“) im Einklang und erlaubt eine klare Abgrenzung zu den sonstigen Rechtsgebilden.

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Ausländische Gesellschaften und Typenvergleich. Bei nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaften kann unklar sein, ob sie als juristische Person einzuordnen sind.3 Zur Abgrenzung dieser Gesellschaftsformen ist ein „Typenvergleich“ durchzuführen4, d.h. es ist danach zu fragen, ob die ausländische Gesellschaft die Charakteristika einer deutschen juristischen Person aufweist.5 Maßgebend für den Typenvergleich ist das gesellschaftsrechtliche „Leitbild“ im ausländischen Gesellschaftsrecht, nicht etwa die konkrete Ausgestaltung im Gesellschaftsvertrag.6 Eine Ausnahme dürfte allerdings dann gelten, wenn das ausländische Gesellschaftsrecht einen extrem weiten Spielraum für die Ausformung des Gesellschaftsvertrags zulässt, so dass über die steuerrechtliche Einordnung der Gesellschaft nur im Einzelfall entschieden werden kann.7 Die steuerliche Behandlung im ausländischen Staat ist hingegen unerheblich.8 Das BMF hat mit Schr. v. 19.3.20049 zur rechtlichen Einordnung einer ausländischen Gesellschaft als Personen- bzw. Kapitalgesellschaft ausführlich Stellung genommen. Für den Vergleich sind danach folgende Kriterien maßgeblich: – Zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung; – Beschränkte Haftung; – Freie Übertragbarkeit der Anteile; – Gewinnzuteilung; – Kapitalaufbringung; – Unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft; – Formale Gründungsvoraussetzungen. Die dort genannten Kriterien sind zwischenzeitlich von der Rechtsprechung10 gebilligt worden und erlauben ihre Einordnung als juristische Person oder anderes Rechtsgebilde. Kommt man danach beispielsweise zu dem Ergebnis, dass die ausländische Gesellschaft einer deutschen GmbH entspricht, folgt daraus zwangsläufig auch ihre Einordnung als juristische Person. S. zum Typenvergleich auch Art. 1 Rz. 41 und Art. 7 (2008) Rz. 75.

1 So ohne weitere Begründung Piltz, Personengesellschaften, 130; Riemenschneider, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften, 67; Ballestrem, Intransparent besteuerte ausländische Personengesellschaften, 72 ff. 2 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 75 unter Hinweis auf die Einstufung in den einzelnen Mitgliedstaaten. 3 Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (56). 4 Grundlegend: RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444 – sog. Venezuela Entscheidung; siehe ferner z. B. BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521 und v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 5 Vgl. hierzu RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 16.12.1992 – I R 32/92, BStBl. II 1993, 399; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076; v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301 USA-22/04, BStBl. I 2004, 411. 6 Vgl. Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften2, 144 f.; a.A. aber möglicherweise BMF v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301 USA-22/04, BStBl. I 2004, 411: „Ein ausländisches Gebilde ist hiernach als Körperschaft einzuordnen, wenn sich bei einer Gesamtbetrachtung der einschlägigen ausländischen Bestimmungen und der getroffenen Vereinbarung über die Organisation und die Struktur des Gebildes ergibt, dass dieses rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen Körperschaft oder sonstigen juristischen Peron gleicht.“ 7 Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften2, 144 f. m.w.N. 8 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 1.2. Wassermeyer, IStR 1995, 49; a.A. (ohne Begründung) Hess. FinMin v. 4.10.1994 – S 1301 A – 144 – II 331, IStR 1994, 549 und Marchgraber, SWI 2011, 336. 9 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301 USA-22/04, BStBl. I 2004, 411. 10 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263.

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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 23 Art. 3

Beispiele: a) Für Deutschland als Anwenderstaat ist die argentinische SRL eine juristische Person und damit eine Gesellschaft, weil sie einer deutschen GmbH entspricht.1 Unerheblich ist hingegen, wie sie in Argentinien besteuert wird2 und ob sie von Argentinien ebenfalls als juristische Person behandelt wird. b) Die tschechische K.S. ist für Deutschland als Anwenderstaat keine juristische Person und damit keine Gesellschaft i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c DBA-Tschechoslowakei, da sie einer deutschen KG entspricht. Unerheblich ist dafür, dass sie nach tschechisch/slowakischem Recht eine juristische Person ist.3 c) Die Sociedades Regulares Colectivas (S.R.C.) und die Sociedades en Comandita (S.C.) sind nach spanischem Recht juristische Personen und werden als solche in Spanien besteuert.4 Aus deutscher Sicht liegen hingegen Personengesellschaften vor, die nach dem DBA-Spanien 1966 keine Personen sind. d) Die tikroji ûkine bendrija (TÛB) unterliegt in Litauen der Körperschaftsteuer.5 Ausgehend von einem Typenvergleich entspricht die Gesellschaft einer deutschen OHG.6 Ihre Einordnung als juristische Person kommt somit nicht in Betracht.

Organschaft, Gruppenbesteuerung. Besteht zwischen mehreren Unternehmen eine Organschaft oder werden sie als Gruppe besteuert, so ist aus Sicht des Anwenderstaates zu prüfen, ob die Organschaft bzw. die Gruppe als solche unter den Begriff der „Gesellschaft“ fällt.7 Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist dies zu verneinen.8 Die Organschaft (vgl. §§ 14 ff. KStG) kann weder juristische Person sein noch wird sie wie eine juristische Person behandelt. Die §§ 14 ff. KStG führen lediglich dazu, dass dem Organträger das Einkommen der Organgesellschaft zugerechnet wird.9 Nur der Organträger oder die Organgesellschaft kommen daher als juristische Person in Betracht.

21

c) Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden Besteuerung wie eine juristische Person. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Var. 2 kommen als Gesellschaften auch Rechtsträger in Betracht, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. Der Begriff Rechtsträger ist weit auszulegen. Erfasst werden sämtliche Rechtsgebilde, die, ohne juristische Person zu sein, rechts- bzw. teilrechtsfähig sind. Der Besteuerungsvergleich macht nur dann Sinn, wenn juristische Personen innerhalb der relevanten Steuerordnung stets gleich behandelt werden.10 Dies ist jedoch häufig nicht der Fall. Auch in Deutschland gibt es Abweichungen bei der steuerlichen Behandlung juristischer Personen. Entscheidend dürfte daher sein, dass der Rechtsträger einer steuerlichen Behandlung unterliegt, die typisch für juristische Personen ist.11 Typisch für juristische Personen ist insbesondere die Besteuerung nach dem Trennungsprinzip (vgl. z.B. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KStG). Die zweite Alternative des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b erfasst daher alle Rechtsträger, die als Steuersubjekt der Körperschaftsteuer unterliegen.

22

Rechtsordnung des Anwenderstaats. Auch im Hinblick auf Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, stellt sich die Frage, welche Rechtsordnung hierfür entscheidend ist. Nach Art. 3 Rz. 3 OECD-MK soll es auf den Staat ankommen, in dem die Gesellschaft errichtet wurde.12 Der BFH hat bisher zu dieser Streitfrage nicht einheitlich entschieden.13 Jüngst hat er eine Gesellschaft jedoch bereits angenommen, wenn sie im Sitzstaat (bzw. Staat ihrer Geschäftsleitung) wie eine juristische Person besteuert wird.14 Außer Betracht wird dabei jedoch gelassen, dass bei abkommensrechtlich nicht näher bestimmbaren Ausdrücken die Rechtsordnung des Anwenderstaates maßgeblich ist (vgl. Rz. 17 und 66 ff.). Überzeugender ist es daher, auch insoweit auf die Sichtweise des Anwenderstaates abzustellen.15

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1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 (Tabelle 1). 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 18a. 3 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258 (Anlage „Tschechische Republik“). 4 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258 (Anlage „Spanien“). 5 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258 (Anlage „Litauen“). 6 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258 (Anlage „Litauen“). 7 Ausführlich hierzu Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 1 ff. und Tumpel/Aigner, in Lang/ Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (58). 8 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 18c. 9 Vgl. Neumann in Gosch3, § 14 KStG Rz. 1 ff. 10 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 74. 11 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 74 f. 12 Verlegt eine Gesellschaft jedoch ihren Verwaltungssitz in einen anderen Staat, steht dem ggf. die im deutschen IPR vertretene Sitztheorie entgegen (vgl. Hey in Tipke/Lang23, § 11 Rz. 31, 104). 13 Vgl. BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; Gaffron in Haase3, Art. 3 OECD-MA Rz. 30. 14 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 15 So auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 19.

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Art. 3 Rz. 23

Allgemeine Begriffsbestimmungen

Beispiel: Ist Deutschland der Anwenderstaat handelt es sich aus seiner Sicht bei einer ungarischen BT nicht um eine Gesellschaft i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c DBA-Ungarn, weil die Gesellschaft einer deutschen KG entspricht und daher nach deutschem Steuerrecht als Mitunternehmerschaft transparent besteuert wird.1

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Deutsches Recht. Ist Deutschland der Anwenderstaat, fallen aus seiner Sicht die in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG genannten Rechtsträger (z.B. nichtrechtsfähige Vereine, Stiftungen, Anstalten) sowie die bei Anwendung des Typenvergleichs vergleichbaren Rechtsträger unter Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 2.2 Als Zweckvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG kommt hiernach beispielsweise auch ein im Ausland errichteter nicht rechtsfähiger Trust in Betracht.3 Daneben sind die Betriebe gewerblicher Art (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) Personen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 2, da sie für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden.4 4. Andere Personenvereinigungen

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Begriffsinhalt. Letztlich zählen die anderen Personenvereinigungen zu den Personen i.S.d. OECD-MA. In den deutschen DBA ist diese Personengruppe jedoch nur selten enthalten. Ausgehend von den Vorgaben des Art. 3 Rz. 2 OECD-MK ist der Ausdruck „andere Personenvereinigung“ weit auszulegen. Als Personenvereinigung ist der Zusammenschluss natürlicher oder juristischer Personen zu einem gemeinsamen Zweck zu verstehen.5 Nicht deutlich wird allerdings, welche Anforderungen an den Zusammenschluss zu stellen sind. Der Ausdruck „body of person“ in der offiziellen englischen Sprachfassung könnte darauf schließen lassen, dass zumindest eine gewisse (rechtliche) Verselbständigung der Zusammenfassung nötig ist.6 Auch aus der Anknüpfung in den Verteilungsnormen und aus der Berechtigung zur Einleitung eines Verständigungsverfahrens kann hergeleitet werden, dass die andere Personenvereinigung zumindest insoweit gegenüber den sie bildenden Personen ein verselbständigtes Gebilde darstellen muss, als sie als solche in rechtlich relevanter Weise an wirtschaftlichen Sachverhalten, die sich auf die Besteuerung auswirken, beteiligt sein können.7 Durch das Pronomen „anderen“ kommt zum Ausdruck, dass die (sonstigen) in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a genannten Rechtsträger (natürliche Personen und Gesellschaften) nicht zu den Personenvereinigungen zählen. Andere Personenvereinigungen werden daher regelmäßig nicht in einem Vertragsstaat gem. Art. 4 ansässig sein, da sie anders als die Gesellschaften keine Steuersubjekte sind. Bedeutung haben die anderen Personenvereinigungen daher regelmäßig nur für Abkommensnormen, die eine ansässige Person nicht voraussetzen (vgl. insoweit Art. 5 Abs. 5, Art. 9 Abs. 1 Buchst. b, Art. 17 Abs. 2, Art. 24, Art. 25, Art. 26, Art. 27). Aus deutscher Perspektive8 sind als andere Personenvereinigungen daher vor allem die transparent besteuerten Personengesellschaften (z.B. GbR, OHG, KG, Partnerschaft, stille Gesellschaft, EWIV) einzuordnen.9 Ihre Erwähnung in Art. 3 Abs. 1 Buchst. g („Personengesellschaften“) neben den anderen Personenvereinigungen steht dieser Einordnung nicht entgegen (vgl. Art. 3 Rz. 10.1 OECD-MK). Daneben zählen aus deutscher Sicht die Erbengemeinschaft sowie die sonstigen Gemeinschaften zu den anderen Personenvereinigungen.10 5. Sonstige Rechtsgebilde

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Unternehmen. Ein Unternehmen ist keine Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a.11 Dies folgt u.a. aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. d, nachdem ein Unternehmen von einer Person betrieben wird und daher nicht selber Person sein kann.

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Betriebsstätte. Ebenfalls keine Person ist eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5.12 Eine Betriebsstätte ist Teil eines Unternehmens und daher wie das Unternehmen selber keine Person im abkommensrechtlichen Sinne (vgl. Art. 5 (2014) Rz. 3).

1 A.A. (ohne weitere Begründung) BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 2 Vgl. Avery Jones u.a., BTR 1989, 41, 65. 3 Vgl. Lambrecht in Gosch3, § 1 KStG Rz. 109; Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (61). 4 Hierzu ausführlich Prillinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 121 ff. 5 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht3, § 3 I. 6 So auch Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 98. 7 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 99. 8 Auch insoweit ist gem. Art. 3 Abs. 2 auf die innerstaatliche Sichtweise abzustellen. 9 Art. 3 Rz. 3 OECD-MK; Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 8. 10 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 20. 11 Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 10. 12 Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 10.

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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 31 Art. 3

IV. Unternehmen (Buchst. c) 1. Bedeutung der Definition Erscheinungsformen des Begriffs Unternehmen. Der Begriff des Unternehmens ist von zentraler Bedeutung für eine Reihe von Abkommensregelungen: – Art. 3 Abs. 1 Buchst. e (Definition des „internationalen Verkehrs“); – Art. 5 Abs. 1, 4, 5 und 6 (Definition der Betriebsstätte); – Art. 7 Abs. 1 (Unternehmensgewinne); – Art. 8 Abs. 1–3 (Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen); – Art. 9 Abs. 1u. 2 (Rechtsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen); – Art. 13 Abs. 2 (Veräußerung von Betriebsvermögen); – Art. 22 Abs. 2 (Vermögensbesteuerung von Betriebsvermögen); – Art. 24 Abs. 3, 4 u. 5 (Gleichbehandlung).

28

Relevanz der Definition. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c bezieht sich der Ausdruck „Unternehmen“ auf die Ausübung einer Geschäftstätigkeit (vgl. Rz. 59 ff.). Für die Konkretisierung des Begriffs „Unternehmen“ ist diese Umschreibung jedoch wenig hilfreich (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 51 ff.).1 Schon fraglich ist, ob es sich hierbei ausgehend vom einleitenden Wort „bezieht“ überhaupt um eine Definition im eigentlichen Sinne handelt.2 Zumindest aber beinhaltet Art. 3 Abs. 1 Buchst. c einen Pleonasmus, da der Begriff der „Geschäftstätigkeit“ bereits von Art. 7 Abs. 1 („[…] das Unternehmen übt seine Geschäftstätigkeit […]“) und Art. 5 Abs. 1 („[…] Geschäftstätigkeit eines Unternehmens […]“) vorausgesetzt wird.3 Von Bedeutung ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. c daher nur als „Vorschaltnorm“ für den Begriff der Geschäftstätigkeit in Art. 3 Abs. 1 Buchst. h (vgl. Art. 3 Rz. 4 und 10.2 OECD-MK).4 Nach Art. 3 Rz. 4 OECD-MK soll durch Art. 3 Abs. 1 Buchst. h klargestellt werden, dass unter den Begriff des Unternehmens auch freiberufliche Dienstleistungen und andere selbständige Tätigkeiten ähnlicher Art fallen, unabhängig von ihrer Einordnung nach innerstaatlichem Recht.5 Diese Klarstellung wurde als erforderlich angesehen, weil das OECD-MA 2000 den bisherigen Art. 14 („Selbständige Arbeit“), der diese Einkünfte noch umfasste, nicht mehr enthielt (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 51).

29

Bedeutung in der Abkommenspraxis. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c war erstmals im OECD-MA 2000 enthalten (vgl. Rz. 3). In Abkommen, die nach diesem Zeitpunkt von Deutschland geschlossen wurden, findet sich nur selten eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA vergleichbare Norm (vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBAGroßbritannien).6 Geht man davon aus, dass die Norm nur klarstellenden Charakter hat und keine Definition des Unternehmens erlaubt (vgl. Rz. 29), ergeben sich daraus jedoch keine weiteren Konsequenzen.

30

2. Begriff der Geschäftstätigkeit Rückgriff auf innerstaatliches Recht. Der Begriff „Geschäftstätigkeit“ wird abkommensrechtlich nur punktuell durch Art. 3 Abs. 1 Buchst. h definiert. Auch eine abkommensautonome Auslegung lässt seine Bedeutung im Dunkeln.7 Ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht ist daher erforderlich (vgl. Art. 3 Abs. 2 sowie Art. 3 Rz. 10.2 OECD-MK; Rz. 66 ff.).8 Im deutschen Ertragssteuerrecht wird der Ausdruck „Geschäftstätigkeit“ jedoch selber nicht verwendet. Allein die Begriffe „Geschäft“ und „Tätigkeit“ tauchen hier isoliert voneinander auf. In § 12 AO findet sich beispielsweise der Ausdruck der „Geschäftseinrichtung“. Hierunter ist jeder körperliche Gegenstand zu verstehen, der geeignet ist, einer Unternehmenstätigkeit zu dienen.9 Innerstaatlich besteht daher Identität zwischen den Ausdrücken „Geschäft“ und „Unternehmen“. Eine Geschäftstätigkeit ist daher innerstaatlich nichts anderes als eine unternehmerische Tätigkeit. Unter Berücksichtigung 1 2 3 4 5 6 7

Vgl. auch Lang, IStR 2007, 606 (609). Nach Art. 3 Rz. 4 OECD-MK ist die Vorschrift jedenfalls nicht als erschöpfende Definition zu verstehen. So auch Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 40. Vgl. auch Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 36. Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 40. Zu abweichenden Formulierungen in DBA vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 50. A.A. Vogel, in FS Raupach, 627 (635), der nach dem „gewöhnlichen Sprachgebrauch“ unter einer Geschäftstätigkeit eine auf die Erzielung von Einkünften in Geld oder Geldeswert gerichtete Tätigkeit versteht und Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23 der im Umkehrschluss aus der Norm ableiten will, dass eine Vermögensverwaltung kein Unternehmen begründet. 8 A.A. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 41 unter Hinweis auf die Möglichkeit einer abkommensautonomen Auslegung. 9 Vgl. Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 8.

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Art. 3 Rz. 31

Allgemeine Begriffsbestimmungen

des Art. 3 Abs. 2 handelt es sich bei Art. 3 Abs. 1 Buchst. c daher um eine Tautologie, die keine weitere Konkretisierung des Unternehmensbegriffs erlaubt. 3. Begriff des Unternehmens 32

Umstrittener Rückgriff auf innerstaatliches Recht. Ob der Begriff „Unternehmen“ – ergänzend zu Art. 3 Abs. 1 Buchst. c – durch Rückgriff auf das nationale Steuerrecht oder abkommensautonom zu definieren ist, ist umstritten. Einigkeit besteht allein darüber, dass der Begriff weit auszulegen ist (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 53).

33

Abkommensautonome Auslegung. In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass sich der Begriff „Unternehmen“ abkommensautonom erschließen lasse.1 Ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 in Verbindung mit dem innerstaatlichen Recht wird abgelehnt, da der „Zusammenhang etwas anderes erfordere“. Was unter einem Unternehmen zu verstehen ist, wird aber nicht einheitlich beantwortet. Niehaves2 und Hemmelrath3 verstehen unter einem Unternehmen eine selbständige Erwerbstätigkeit, die nicht Nutzung unbeweglichen Vermögens i.S.v. Art. 6 Abs. 3 ist. Für Wassermeyer4 ist charakteristisch für ein Unternehmen, eine selbständige und auf Gewinn gerichtete Tätigkeit, die weder Vermögensverwaltung noch Land- und Forstwirtschaft ist. Ditz verlangt neben den genannten Voraussetzungen für ein Unternehmen eine nachhaltige Tätigkeit (s. Art. 7 (2008) Rz. 51 ff.). Aufgrund der offensichtlichen Parallelen räumt die Literatur zum Teil ein, dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale hilfsweise durch die Rechtsprechung zum inländischen Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 2 EStG) konkretisiert werden können (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 54).5

34

Rückgriff auf § 15 Abs. 2 EStG. Nach anderer Ansicht6 ist zur Begriffsbestimmung von vornherein auf das innerstaatliche Recht zurückzugreifen. Anzuwenden ist allerdings nur § 15 Abs. 2 EStG, nach dem eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb ist, wenn die Betätigung weder als private Vermögensverwaltung7, als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Zu den (gewerblichen) Unternehmen zählen danach neben Einzelunternehmen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) und Beteiligungen an Personengesellschaften (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) auch gewerblich tätige Kapitalgesellschaften. Auch Anteile an atypisch stillen Gesellschaften, bei der die Rechtsstellung des stillen Gesellschafters derjenigen eines Kommanditisten entspricht,8 gehören zu den Unternehmensgewinnen.9 Anders als nach § 15 Abs. 2 EStG dürfte auch nach dieser Ansicht eine freiberufliche und eine sonstige selbständige Tätigkeit ein Unternehmen begründen, da Art. 3 Abs. 1 Buchst. h diese ausdrücklich zu den Unternehmensgewinnen rechnet.10 Auch die Rechtsprechung scheint dieser Ansicht zuzuneigen. Im Grundsatz geht sie ebenfalls davon aus, dass ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 möglich ist. Die Relevanz der Gewerblichkeitsdefinition nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG hat sie jedoch in nunmehr ständiger Rechtsprechung unter Hinweis auf den Abkommenszusammenhang verneint.11 Jüngst hat sich der BFH auch gegen die abkommensrechtliche Bedeutung der Betriebsaufspaltungsgrundsätze ausgesprochen.12

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Anwendung von Gewerbebetriebsfiktionen. Schließlich findet sich die Ansicht, die insbesondere von der Finanzverwaltung vertreten wird, nach der neben § 15 Abs. 2 EStG grds. auch Gewerbebetriebsfiktionen für die Auslegung des Unternehmensbegriffs entscheidend sind.13 Hierzu rechnet die Finanzverwaltung ausdrücklich § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG (Sondervergütungen). Darüber hinaus dürften 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 41a; Lang, IStR 2007, 606 (608 f.). Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 33. Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 33. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.234; Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2012, 105 (109); Richter, FR 2010, 544 (551); Suchanek/Herbst, Ubg 2011, 779, 781; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23. Hierbei handelt es sich um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs. 2 EStG. Vgl. zur Abgrenzung der typischen von der atypischen Gesellschaft Wacker in Schmidt37, § 15 EStG Rz. 340 ff. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.234. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.234; daher ist ergänzend auch auf § 18 EStG zurückzugreifen. Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BFH/NV 2011, 1637; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 Tz. 2.2.1; Wolff in FS Wassermeyer, 647 ff.

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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 39 Art. 3

nach dieser Ansicht auch § 16 Abs. 3b EStG („Betriebsunterbrechung“ und „Betriebsverpachtung“) und § 8 Abs. 2 KStG für das Vorliegen eines Unternehmens entscheidend sein. Konsequenzen. Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen die Ansichten (vgl. Rz. 32 ff.) insbesondere dann, wenn eine private Vermögensverwaltung vorliegt, die nach nationalem Recht (z.B. nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gerechnet wird.

36

Beispiel: Die gewerblich geprägte A-GmbH & Co. KG mit Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland hält Anteile an der B-GmbH. Die Tätigkeit der KG besteht ausschließlich in der Verwaltung der Anteile an der B-GmbH. Kommanditisten der KG und zugleich Geschäftsführer der A-GmbH (Komplementärin der KG), sind die natürlichen Personen A und B mit Wohnsitz im Staat C. Mit Staat C besteht ein DBA, das dem OECD-MA entspricht. Folgt man der Ansicht der Finanzverwaltung und zieht auch § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG zur Bestimmung des Unternehmensbegriffs heran, dann hat Deutschland das alleinige Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. Art. 10 Abs. 4. Folgt man dem nicht, ist Art. 10 Abs. 1 und 2 anzuwenden, da die A-GmbH & Co. KG keine originär gewerbliche Tätigkeit ausübt, sondern nur private Vermögensverwaltung betreibt. Deutschland hätte in diesem Fall nur ein Quellensteuerrecht.

Eigene Auffassung. Zumindest in Randbereichen liefert das Abkommen selber keine klaren Vorgaben für die Bestimmung eines Unternehmens. Dies gilt insbesondere für die Einordnung der Vermögensverwaltung. Allein die Existenz von Verteilungsnormen, die die Vermögensverwaltung behandeln, ändert daran nichts. Denn die Art. 7 Abs. 7 bzw. Art. 6 Abs. 4 implizieren, dass eine Schnittmenge zwischen Unternehmensgewinnen und sonstigen Einkünften nach Art. 6, 10, 11 und 12 bestehen kann. Auch der Begriff „Geschäftstätigkeit“ führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie oben (vgl. Rz. 31) gezeigt, erlaubt er keine Konkretisierung des Begriffs des „Unternehmens“. Leitet man dennoch aus ihm ab, dass ein aktives, d.h. positives Handeln vorliegen muss, wird die Vermögensverwaltung dadurch ebenfalls nicht ausgeklammert. Denn selbst bei einer Vermietung wird die (passive) Gebrauchsüberlassung stets von aktiven Haupt- und Nebenleistungspflichten (z.B. Erhaltungsmaßnahmen nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) begleitet. Gem. Art. 3 Abs. 2 ist daher auf die innerstaatlichen Grundsätze (insbesondere § 15 EStG) zurückzugreifen (vgl. Rz. 66 ff. und Art. 7 (2008) Rz. 51 ff.). Dies schließt konsequent auch den Rückgriff auf innerstaatliche Fiktionen mit ein. Unerheblich ist, dass der Begriff „Unternehmen“ im Ertragsteuerrecht – anders als im Umsatzsteuerrecht (§ 2 UStG) – nicht ausdrücklich definiert ist.1 Ausreichend ist, dass er dort eine Bedeutung hat (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und § 31 Abs. 5 GewStG).2 Die Anwendung des Art. 3 Abs. 2 wird auch nicht durch Art. 3 Abs. 1 Buchst. c gesperrt.3 Art. 3 Abs. 2 verlangt zwar einen im Abkommen nicht definierten Ausdruck. Gemeint sind damit aber nur Begriffe (wie z.B. die Betriebsstätte) die im Abkommen vollständig und abschließend erläutert werden (vgl. Rz. 77).

37

Rückgriff auf den OECD-MK. Für Abkommen, die seit dem Jahr 2000 geschlossen wurden, wird dieses Auslegungsergebnis auch zusätzlich durch den OECD-MK verifiziert.4 So wird in Art. 3 Rz. 4 OECD-MK darauf hingewiesen, dass der Begriff des Unternehmens stets nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten beurteilt worden ist. Darüber hinaus findet sich in Art. 3 Rz. 10.2 OECD-MK die Anweisung, dass das Unternehmen nach Art. 3 Abs. 2 generell die Bedeutung haben soll, die ihm nach dem innerstaatlichen Recht des Staates zukommt, der das Abkommen verwendet.

38

V. Unternehmen des einen bzw. des anderen Vertragsstaates (Buchst. d) 1. Bedeutung der Definition Klarstellung. Bedeutung hat die Definition nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. d für die folgenden Abkommensartikel: – Art. 3 Abs. 1 Buchst. e (internationaler Verkehr); – Art. 7 Abs. 1 (Verteilung des Besteuerungsrechts bei Unternehmensgewinnen); – Art. 13 Abs. 2 (Verteilung des Besteuerungsrechts bei der Veräußerung von Betriebsvermögen); 1 A.A. Lang, IStR 2007, 606 (609), weil der Begriff nicht im innerstaatlichen Recht ausdrücklich definiert ist. 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23; a.A. Gaffron in Haase3, Art. 3 OECD-MA Rz. 35, nach dem der Begriff „Unternehmen“ eine unmittelbare Begriffsparallele nur im Umsatzsteuerrecht hat. 3 A.A. Lang, IStR 2007, 606 (609), da der Begriff teildefiniert ist; Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 41; Wassermeyer, IStR 2010, 37, 38. 4 So auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23; vgl. zur Relevanz des OECD-MK bei der Auslegung BFH v. 9.2.2011 – I R 54/10u. 55/10, BFHE 232, 476 (vgl. hierzu auch den Nichtanwendungserlass des BMF v. 27.12.2011 – IV C 2-S 2770/11/10002 – DOK 2011/0965132, BStBl. I 2012, 119); v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; sowie Pohl, RIW 2012, 677 (678 f.); Schnitger, IStR 2002, 407.

Pohl

197

39

Art. 3 Rz. 39

Allgemeine Begriffsbestimmungen

– Art. 9 (Verteilung des Besteuerungsrechts bei Rechtsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen); – Art. 24 Abs. 3, 4 und 5 (Gleichbehandlung). Die Vorschrift stellt insoweit klar, dass für die Bestimmung des „Unternehmens des einen bzw. des anderen Vertragsstaates“ nicht der Ort an dem das Unternehmen betrieben wird,1 sondern der Ort an dem der Unternehmer ansässig ist, entscheidend ist (vgl. Art. 1 Rz. 46). 2. Begriffsmerkmale 40

Unternehmen. Was unter einem Unternehmen zu verstehen ist, wird durch Art. 3 Abs. 1 Buchst. d selber nicht definiert. Zur Konkretisierung des Begriffs ist vielmehr auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und h und subsidiär auf das innerstaatliche Recht zurückzugreifen (vgl. Rz. 28 ff.).

41

Betreiber des Unternehmens. Von entscheidender Bedeutung für die Anwendung der Definitionsnorm ist, wer das Unternehmen betreibt, d.h. wer der Unternehmer ist (Art. 7 (2008) Rz. 64). Nach dem OECD-MA können Unternehmer nur „Personen“ sein. Damit sind die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a genannten natürlichen Personen, Gesellschaften und anderen Personenvereinigungen gemeint (vgl. Rz. 13 ff.). Unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen „betrieben“ wird, wird jedoch nicht weiter konkretisiert. In der Literatur finden sich hierzu unterschiedliche Definitionen. Nach Wassermeyer2 wird das Unternehmen von einer Person betrieben, für dessen Rechnung die Geschäftstätigkeit ausgeübt wird. Nach Vogel3 ist entscheidend, wer die Geschäftsleitung des Unternehmens bestellt und ihr für ihre Tätigkeit RL gibt. Nach Wilke4 soll es auf die tatsächliche Sachherrschaft einer Person ankommen. Gaffron5 schließlich stellt darauf ab, wer Unternehmerinitiative entfalten kann und Unternehmerrisiko trägt.6 Der zuletzt genannten Ansicht ist zu folgen. Da sich der Begriff des „Betreibens“ nicht abkommensautonom erschließen lässt, ist insoweit gem. Art. 3 Abs. 2 (vgl. Rz. 66 ff.) auf das innerstaatliche (Steuer-)Recht abzustellen. Im Ertragsteuerrecht wird der Begriff u.a. im GewStG (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG) verwendet. Betreiber bzw. (Mit-)Unternehmer ist danach, wer sowohl Unternehmerinitiative entfalten kann als auch Unternehmerrisiko trägt.7 Unternehmerinitiative bedeutet Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen. Anders als bei Einzelunternehmern kann diese bei Mitunternehmern abgestuft sein.8 Sie reicht von der (Allein-)Geschäftsführungsbefugnis und umfassender Vertretungsbefugnis bis hin zu bloßen Kontroll- und Widerspruchsbefugnissen, wie sie einem Kommanditisten nach dem Regelstatut des HGB (vgl. §§ 161 ff. HGB) zukommt.9 Unternehmerrisiko bedeutet hingegen gesellschaftsrechtliche (oder dieser wirtschaftlich vergleichbare) Teilhabe am Erfolg oder Misserfolg eines Gewerbebetriebs, i.d.R. durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven einschließlich eines Geschäftswerts.10

42

Ansässigkeit. Ob und wo eine Person ansässig ist, richtet sich nach Art. 4 Abs. 1. Ist die Person danach in beiden Vertragsstaaten ansässig, ist Art. 4 Abs. 2 bzw. 3 heranzuziehen (vgl. Art. 4 Rz. 61 ff.). 3. Besonderheiten bei Personengesellschaften (insbesondere bei Qualifikationskonflikten)

43

Mitunternehmer betreiben das Unternehmen. Bei einer Personengesellschaft ist Betreiber des Unternehmens aus deutscher Sicht grundsätzlich nicht die Personengesellschaft, sondern die dahinterstehenden Mitunternehmer.11 Dies folgt aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG12, lässt sich aber auch aus § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG ableiten. Es bestehen demnach so viele Unternehmen und Betriebsstätten, wie Gesellschafter bzw. Mitunternehmer vorhanden sind (Art. 7 (2008) Rz. 69).13

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

So aber Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306 (308) ohne nähere Begründung. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 24. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 43. Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 26. Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 3 OECD-MA Rz. 39. So wohl auch Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2012, 105 (109). Vgl. Gosch in Blümich, § 5 GewStG Rz. 22; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 5 GewStG Rz. 46. Reiß in Kirchhof17, § 15 EStG Rz. 212. Reiß in Kirchhof17, § 15 EStG Rz. 212 m.w.N. Vgl. Wacker in Schmidt37, § 15 EStG Rz. 264 m.w.N. Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.2; Gaffron in Haase3, Art. 3 OECD-MA Rz. 40; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 93; Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2012, 105 (109). 12 Vgl. hierzu Wacker in Schmidt37, § 15 EStG Rz. 160. 13 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.2.

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Pohl

B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 45 Art. 3

Subjektive Qualifikationskonflikte. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den subjektiven Qualifikationskonflikten bzw. Zurechnungskonflikten zu.1 Von ihnen spricht man, wenn zwei Vertragsstaaten Einkünfte abkommensrechtlich unterschiedlichen Personen zuordnen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 72 ff. und Art. 1 Rz. 55 ff.). Dies kann verschiedene Gründe haben.2 Geht es um die Beteiligung an einer Personengesellschaft, sind hierfür meist unterschiedliche Besteuerungskonzepte in den Vertragsstaaten verantwortlich. Während Deutschland nach dem Transparenzprinzip nicht die Personengesellschaft sondern die dahinterstehenden Mitunternehmer besteuert, ist im anderen Vertragsstaaten nicht selten die Personengesellschaft selber Steuersubjekt.3

44

Beispiel: Der in Deutschland ansässige G ist an einer spanischen S.R.C. (Sociedades Regluares Colectivas) beteiligt. Bei der S.R.C. handelt es sich um eine Personengesellschaft, die in Spanien wie eine juristische Person nach dem Trennungsprinzip besteuert wird.4

In diesen Konstellationen stellt sich die Frage, ob Deutschland an die Qualifikation des Quellenstaats gebunden ist, und folglich abkommensrechtlich davon auszugehen ist, dass die Personengesellschaft das Unternehmen betreibt.5 Dies ist zu verneinen (vgl. Art. 1 Rz. 64 ff.).6 Mit der Frage der Ansässigkeit hat das allerdings nichts zu tun. Selbst wenn man aus der Formulierung des Art. 4 Abs. 1 ableitet, dass eine als Steuersubjekt behandelte Personengesellschaft im anderen Vertragsstaat eine ansässige Person ist (vgl. Art. 4 Rz. 29), ist es nicht die Personengesellschaft, die das Unternehmen betreibt (vgl. Rz. 41). Ausschlaggebend ist allein die innerstaatliche Sichtweise. Eine Bindungswirkung an die ausländische Qualifikation lässt sich insoweit weder aus Art. 3 Abs. 2 (vgl. Rz. 66 ff.) noch aus Art. 23 Abs. 1 ableiten (vgl. Art. 23 A/B Rz. 37). Etwas anderes soll nach der Finanzverwaltung7 jedoch dann gelten, wenn im jeweiligen Abkommen Personengesellschaften ausdrücklich als Gesellschaften definiert werden8 oder nach dem Zivilrecht ihres Sitzstaates juristische Personen sind.9 Mit der Abkommenssystematik lassen sich diese Ausnahmen nicht vereinbaren.

VI. Internationaler Verkehr (Buchst. e) 1. Bedeutung der Definition Bedeutung der Definition. Bedeutung hat die Definition des internationalen Verkehrs nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e für eine Reihe von Verteilungsnormen: – Art. 8 Abs. 1 (Betrieb von Schiffen oder Luftfahrzeugen); – Art. 13 Abs. 3 (Veräußerung von Schiffen oder Luftfahrzeugen); – Art. 15 Abs. 3 (Unselbständige Arbeit, die an Bord eines Schiffes oder Luftfahrzeugs ausgeübt wird); – Art. 22 Abs. 3 (Vermögensbesteuerung von Schiffen und Luftfahrzeugen). Der Sinn und Zweck des Art. 3 Abs. 1 Buchst. e erklärt sich aus dem Zusammenwirken mit den zuvor genannten Verteilungsnormen.10 Durch das Schifffahrtsprinzip des Art. 8 Abs. 1 sollen beispielsweise die Schifffahrtsgewinne sachgerecht auf die Vertragsstaaten verteilt werden (vgl. Art. 8 (2014) Rz. 1).11 Eine Anwendung des Art. 7 Abs. 1 kann eine sachgerechte Verteilung hingegen nicht gewährleisten. Das Betriebsstättenprinzip würde die Gewinnverteilung erschweren und die Gefahr einer Steuerzersplitterung begründen.12 Aus diesem Grund erhält allein der Staat das Besteuerungsrecht, wo die Person ansässig ist, die das Unternehmen betreibt. Die Schwierigkeit der Gewinnverteilung und die Gefahr einer Steuerzersplitte1 Vgl. hierzu im Einzelnen Seitz in W/R/S, Personengesellschaften2, Rz. 5.1 ff. 2 Vgl. Richter, FR 2010, 544 (546). 3 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258 (Anlage zu Besonderheiten einzelner DBA). 4 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258 (Anlage „Spanien“). 5 Vgl. hierzu im Einzelnen Lüdicke, IStR 2011, 91. 6 Gleiche Auffassung BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; Lüdicke, IStR 2011, 91; a.A. z.B. C. Schmidt, IStR 2010, 413 (416) mit dem Argument, dass andernfalls die Abkommensberechtigung der Personengesellschaft bedeutungslos bliebe. 7 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258 (Anlage). 8 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 DBA-Belgien. 9 Vgl. auch C. Schmidt, IStR 2010, 413 (416). 10 Vgl. BFH v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218. 11 Vgl. BFH v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218; Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 72. 12 Vgl. BFH v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218; Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 72.

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45

Art. 3 Rz. 45

Allgemeine Begriffsbestimmungen

rung bestehen jedoch nur dann, wenn auf der Schiffsreise die Häfen verschiedener Länder angelaufen werden.1 Aus diesem Grund ordnet Art. 3 Abs. 1 Buchst. e an, dass ein internationaler Verkehr jede Beförderung mit einem Schiff oder Luftfahrzeug ist, es sei denn, das Schiff oder Luftfahrzeug wird ausschließlich zwischen zwei Orten eines Vertragsstaates betrieben und das Unternehmen, welches das Schiff oder Luftfahrzeug betriebt, ist ein Unternehmen dieses Staates. Insoweit unterscheidet sich die Definition von derjenigen nach innerstaatlichem Recht (vgl. § 5a Abs. 2 EStG).2 Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Kontakt zu einem ausländischen Hafen ausreichend, ohne dass der Verkehr grenzüberschreitend sein muss. Fehlt im DBA eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. e vergleichbare Definition, ist der Ausdruck „internationaler Verkehr“ nach dem allgemeinen Wortsinn auszulegen.3 Ergänzend ist auf die innerstaatliche Bedeutung des Begriffs abzustellen (Art. 3 Abs. 2).4 Aus deutscher Perspektive ist insoweit § 5a Abs. 2 EStG maßgeblich. 46

Änderung durch das OECD-MA 2017. Bis zur Änderung durch das OECD-MA 2017 hatte Art. 3 Abs. 1 Buchst. e folgenden Wortlaut: „e) bedeutet der Ausdruck ‚internationaler Verkehr‘ jede Beförderung mit einem Seeschiff oder Luftfahrzeug, das von einem Unternehmen mit tatsächlicher Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat betrieben wird, es sei denn, das Seeschiff oder Luftfahrzeug wird ausschließlich zwischen Orten im anderen Vertragsstaat betrieben;“. Nach dem OECD-MA 2017 ist nicht mehr unmittelbar entscheidend, wo sich die tatsächliche Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Von Bedeutung ist vielmehr, ob ein Unternehmen des Vertragsstaates vorliegt, in dem das Schiff oder das Luftfahrzeug ausschließlich betrieben wird. Bei dieser Feststellung kommt dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung allerdings weiterhin Bedeutung zu. Abweichend von früheren OECD-MA liegt ein internationaler Verkehr nach dem OECD-MA 2017 auch dann vor, wenn das Schiff oder Luftfahrzeug ausschließlich in einem Vertragsstaat betrieben wird, in dem das Unternehmen nicht die tatsächliche Geschäftsleitung unterhält bzw. ansässig ist. 2. Begriffsmerkmale

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Beförderung. Grundvoraussetzung der Definitionsnorm ist eine Beförderung. Objekt der Beförderung können sowohl Personen als auch Sachen sein. Die Vorschrift setzt nicht voraus, dass die Beförderung grenzüberschreitend ist; allein der Betrieb des Schiffs bzw. Luftfahrzeugs muss international erfolgen.5

48

Ausnahmen. Die durch das OECD-MA 2017 eingefügte Formulierung „es sei denn“ macht deutlich, dass grds. jede Beförderung einen internationalen Verkehr im Wege einer gesetzlichen Vermutung begründet. Diese Vermutung ist widerlegt, wenn das Schiff oder Luftfahrzeug ausschließlich zwischen zwei Orten eines Vertragsstaates betrieben wird und das Unternehmen, welches das Schiff oder Luftfahrzeug betreibt, ein Unternehmen dieses Staates ist.

49

Kein Betrieb ausschließlich zwischen Orten eines Vertragsstaats. Ob ein Schiff oder Luftfahrzeug ausschließlich zwischen zwei Orten eines Vertragsstaates betrieben wird, hängt davon ab, ob sowohl der Abfahrtsort als auch der Ankunftsort des Schiffes oder Luftfahrzeugs in diesem Vertragsstaat liegen. Etwas anders gilt allerdings dann, wenn zwar Abfahrts- und Ankunftsort in dem anderen Vertragsstaat liegen, während der Schiffsreise jedoch die Häfen des anderen Vertragsstaats oder eines Drittstaats angelaufen werden (vgl. Art. 3 Rz. 6.1 OECD-MK: „Internationaler Verkehr liegt jedoch vor, wenn die Reise des Schiffs oder Luftfahrzeugs zwischen Orten in dem anderen Vertragsstaat Teil einer längeren Reise dieses Schiffes oder Luftfahrzeugs ist, die einen Abfahrts- oder Ankunftsort außerhalb dieses anderen Staates umfasst“).6 Entscheidend ist dabei das Anlaufen eines Hafens in dem anderen Vertragsstaat oder Drittstaat, sodass das Befahren von Hoheitsgewässern dieser Staaten nicht ausreicht (vgl. Art. 3 Rz. 6.3 OECD-MK).7 Entsprechendes gilt für den internationalen Flugverkehr.

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Unternehmen dieses Staats. Das Unternehmen, welches das Schiff oder Luftfahrzeug betreibt, darf weiterhin kein Unternehmen des Staates sein, in dem das Schiff oder Luftfahrzeug ausschließlich betrieben wird. Ob ein Unternehmen dieses Staates vorliegt, beurteilt sich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c bzw. d (vgl. insoweit Rz. 28 ff. bzw. Rz. 39 ff.).

1 Vgl. Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 72. 2 Zu den Gründen einer Abweichung vgl. ausführlich vgl. Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 72. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 35. 4 Vgl. Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 31; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 35. 5 Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 20. 6 Vgl. Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 71. 7 Vgl. Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 71.

200

Pohl

B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 54 Art. 3

Beispiele: a) Das Unternehmen eines Vertragsstaates unterhält ein Schiff, das Güter zwischen zwei Häfen im anderen Vertragsstaat hin und her transportiert. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e liegt ein internationaler Verkehr vor. b) Ein Luftfahrzeug fliegt im Rahmen derselben Reise zuerst von einem Ort in dem anderen Vertragsstaat zu einem Ort in einem Drittstaat und dann an einen anderen Bestimmungsort, der ebenfalls in dem anderen Vertragsstaat liegt. Hier ist ein internationaler Verkehr zu bejahen, obwohl Abflugs- und Ankunftsort in demselben (anderen) Vertragsstaat liegen.

VII. Zuständige Behörde (Buchst. f) Bedeutung der Vorschrift. Wer zuständige Behörde im abkommensrechtlichen Sinne ist, wird durch Art. 3 Abs. 1 Buchst. f ausdrücklich offengelassen. Die Norm beinhaltet daher keine Definition, sondern lediglich ein Muster für eine mögliche Definition. Die Notwendigkeit für eine Bestimmung der zuständigen Behörde wird seitens der OECD in Art. 3 Rz. 7 OECD-MK darin gesehen, dass die Ausführung von DBA nicht in jedem Staat in die Zuständigkeit der obersten Steuerbehörde fällt. Der Ausdruck „zuständige Behörde“ wird in den folgenden Abkommensartikeln verwendet: – Art. 2 Abs. 4 (Mitteilung bedeutender Änderungen in den Steuergesetzen); – Art. 4 Abs. 2 Buchst. d (Bestimmung des Ansässigkeitsstaats im gegenseitigen Einvernehmen); – Art. 4 Abs. 3 (Bestimmung der Ansässigkeit durch Verständigung); – Art. 25 (Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens); – Art. 26 (Informationsaustausch).

51

Abkommenspraxis. Die Entscheidung darüber, wer zuständige Behörde ist, bleibt den Vertragsstaaten im Rahmen ihrer Verhandlungen ausdrücklich vorbehalten. Möglich ist es gem. Art. 3 Rz. 7 OECD-MK auch, dass mehrere Behörden als zuständige Behörden eines Staates genannt werden. Auf deutscher Seite wird in Abkommen regelmäßig das BMF als zuständige Behörde festgelegt.1 Dies schließt jedoch nicht aus, dass durch innerstaatliche Gesetze die Zuständigkeit wiederum auf andere Behörden (z.B. das BZSt2) weiter delegiert wird.3 In einigen Abkommen wird diese Möglichkeit sogar ausdrücklich genannt.4

52

VIII. Staatsangehöriger (Buchst. g) 1. Bedeutung der Definition Definition Staatsangehöriger. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g definiert, wann eine natürliche Person, eine juristische Person (zum Begriff vgl. Rz. 16 ff.), eine Personengesellschaft und eine andere Personenvereinigung (zum Begriff vgl. Rz. 25) Staatsangehörige in Bezug auf einen Vertragsstaat sind. Dies ist abkommensrechtlich für die Anwendung der folgenden Abkommensartikel entscheidend: – Art. 4 Abs. 2 Buchst. c (Bestimmung des Ansässigkeitsstaats); – Art. 19 (Verteilung des Besteuerungsrechts bei Einkünften aus dem öffentlichen Dienst); – Art. 24 Abs. 1 (Anspruch auf Gleichbehandlung). Bis zur Revision des OECD-MA 1992 wurde der Ausdruck „Staatsangehöriger“ noch in Art. 24 Abs. 2 definiert (vgl. Rz. 3). In einigen DBA ist die Definition dort immer noch zu finden.5

53

2. Staatsangehörigkeit von natürlichen Personen Innerstaatliches Staatsangehörigenrecht. Eine natürliche Person ist nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g Doppelbuchst. i Staatsangehöriger eines Vertragsstaates, wenn sie die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzt. Maßgeblich für den abkommensrechtlichen Begriff des Staatsangehörigen ist somit das Staatsangehörigkeitsrecht des Vertragsstaates, um dessen Staatsangehörigkeit es geht. Ob dieses Staatsangehörigenrecht 1 Vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b DBA-Belgien. 2 Vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 5 FVG i.V.m. BMF v. 20.6.2011 – IV B 5-O 1000/09/10507-04 – DOK 2011/0048553, BStBl. I 2011, 674. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 39. 4 Vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1 Buchst. k Doppelbuchst. aa DBA-Großbritannien. 5 Vgl. z.B. Art. 4 Abs. 2 DBA-Frankreich.

Pohl

201

54

Art. 3 Rz. 54

Allgemeine Begriffsbestimmungen

zum Privatrecht oder Öffentlichen Recht gehört, ist unerheblich.1 Im Hinblick auf die deutsche Staatsangehörigkeit sind die §§ 1 ff. StAG zu beachten. Art. 116 GG kommt hingegen keine Bedeutung zu, da die Norm nur zu einer Erweiterung des Begriffs des „Deutschen“ nicht aber der „deutschen Staatsangehörigkeit“ führt.2 In seiner Abkommenspraxis verwendet Deutschland hingegen fast ausschließlich den Begriff des „Deutschen“ i.S.d. Art. 116 GG.3 Der Nachweis der Staatsangehörigkeit kann durch Vorlage eines Passes bzw. durch eine gleichwertige Bestätigung des betreffenden Staates erfolgen.4 55

Staatsbürgerschaft. Der mit dem OECD-MA 2002 eingeführte Begriff des „Staatsbürgers“ hat keine eigenständige Bedeutung, da er – zumindest aus deutscher Perspektive – vom Begriff des „Staatsangehörigen“ mit umfasst wird (vgl. Art. 3 Rz. 8 OECD-MK). Nach der Intention der OECD wurde der Begriff nur deshalb in das OECD-MA aufgenommen, weil er in einigen Staaten häufiger verwendet wird als der Begriff des „Staatsangehörigen“ (vgl. Art. 3 Rz. 8 OECD-MK).

56

Mehrfache Staatsangehörigkeit. Aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. g Doppelbuchst. i und Art. 4 Abs. 2 Buchst. d („ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten“) folgt, dass eine natürliche Person auch die Staatsangehörigkeit beider Vertragsstaaten besitzen kann.5 Eine dem Art. 5 Abs. 1 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 2 entsprechende „tie-breaker“-Regelung im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit sieht das OECD-MA nicht vor. Im Hinblick auf die Art. 4 Abs. 2 Buchst. c, Art. 19 und Art. 24 Abs. 1 ist in diesen Fällen daher eine doppelte Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen. Beispiel: A besitzt die Staatsangehörigkeit Deutschlands und die des Vertragsstaates X (das DBA zwischen beiden Staaten entspricht dem OECD-MA). Aufgrund der doppelten Staatsangehörigkeit darf A weder in Deutschland noch im Staat X einer Besteuerung oder zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden können (Art. 24 Abs. 1).

3. Staatsangehörigkeit von juristischen Personen, Personengesellschaften und anderen Personenvereinigungen 57

Recht des Vertragsstaats der Errichtung. Juristische Personen, Personengesellschaften und andere Personenvereinigungen besitzen nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g Doppelbuchst. ii die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates, wenn sie nach dem dort geltenden Recht errichtet worden sind bzw. sich dem dort geltenden System von Normativbestimmungen unterworfen haben.6 Ziel dieser Anknüpfung ist es, Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, da in einigen Staaten bei der Bestimmung der Staatsangehörigkeit häufig auf andere Kriterien (z.B. den Sitz, den Schwerpunkt der Tätigkeit, die Staatsangehörigkeit des beherrschenden Gesellschafters) abgestellt wird.7 Bedeutung hat die Staatsangehörigkeit der Gesellschaften allein für Art. 24 Abs. 1 (vgl. Art. 24 Rz. 41 ff.).

58

Keine umfassende Regelung. Zieht man den Begriff der Person in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b heran (vgl. Rz. 12 ff.), fällt auf, dass die Staatsangehörigkeit von Rechtsträgern, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, nicht (umfassend) geregelt ist.8 Hinweise auf eine planwidrige Unvollständigkeit des OECD-MA ergeben sich jedoch nicht. Im Gegenteil dürfte es das Ziel gewesen sein, nur Rechtsgebilde mit einer „mitgliedschaftlichen Strukturierung“ zu erfassen. Gesellschaften, die nicht zu den juristischen Personen und zu den Personengesellschaften zählen, können sich daher nicht auf das Diskriminierungsverbot nach Art. 24 Abs. 1 berufen.9

1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 47. 2 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 48; Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 38 mit dem Argument, dass Deutschland in seiner Abkommenspraxis allgemein ausdrücklich von dem Begriff des Art. 116 GG ausgeht. 3 Vgl. z.B. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Luxemburg a.F. 4 Vgl. Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 37. 5 Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 63. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 51. 7 Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 40 ff. 8 Gaffron in Haase3, Art. 3 OECD-MA Rz. 48. 9 Gaffron in Haase3, Art. 3 OECD-MA Rz. 48.

202

Pohl

B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Abs. 1)

Rz. 62 Art. 3

IX. Geschäftstätigkeit (Buchst. h) 1. Bedeutung der Definition Bedeutung der Definition. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. h schließt der Ausdruck „Geschäftstätigkeit“ auch 59 die Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit ein. Die Norm wurde im Rahmen des „Update 2000“ dem OECD-MA hinzugefügt. Sie stellt eine Reaktion auf die Streichung des Art. 14 a.F. dar und soll gewährleisten, dass die früher von dieser Norm umfassten Einkünfte nunmehr als Unternehmensgewinne und nicht als andere Einkünfte i.S.d. Art. 21 eingeordnet werden (Art. 7 (2008) Rz. 27).1 Systematisch ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. h im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c zu sehen (vgl. Rz. 30), der den Ausdruck „Unternehmen“ mit Hilfe des Begriffs „Geschäftstätigkeit“ umschreibt. Was unter einer Geschäftstätigkeit zu verstehen ist, definiert die Norm jedoch nicht vollständig (vgl. Rz. 31 und Art. 3 Rz. 10.2 OECD-MK). Bedeutung hat Art. 3 Abs. 1 Buchst. h für sämtliche Normen, die den Begriff des Unternehmens (vgl. Rz. 28 ff.) bzw. den der Geschäftstätigkeit (vgl. z.B. Art. 5 Abs. 1) verwenden. 2. Begriffsmerkmale Freiberufliche Tätigkeit. Zum einen soll der Ausdruck „Geschäftstätigkeit“ die Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit einschließen. Was unter einer freiberuflichen Tätigkeit zu verstehen ist, definiert das OECDMA seit dem Jahre 2000 jedoch nicht mehr. Ausgehend von der Zielsetzung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. h ist es geboten, den Begriff inhaltsgleich mit Art. 14 Abs. 1 OECD-MA 1992 auszulegen. Zur weiteren Begriffsbestimmung ist daher zunächst auf die nicht abschließende Definition des Art. 14 Abs. 2 OECD-MA a.F. sowie die dazugehörige Kommentierung der OECD zurückzugreifen. Unter einer freiberuflichen Tätigkeit ist danach insbesondere die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, literarische, künstlerische, erzieherische oder unterrichtende Tätigkeit sowie die selbständige Tätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten, Zahnärzte und Buchsachverständigen zu verstehen (vgl. Art. 14 Rz. 71 ff.). Im Übrigen ist gem. Art. 3 Abs. 2 auf das innerstaatliche Recht des jeweiligen Anwenderstaates zurückzugreifen. Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist neben Art. 14 Abs. 2 OECD-MA 1992 somit § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergänzend heranzuziehen.2

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Sonstige selbständige Tätigkeit. Auch den Ausdruck „sonstige selbständige Tätigkeit“ definiert das OECDMA und Art. 14 OECD-MA 1992 nicht. Ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 und das jeweilige innerstaatliche Recht ist daher geboten.3 Ist Deutschland der Anwenderstaat, sind die Grundsätze des § 18 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 EStG heranzuziehen. Dem steht nicht entgegen, dass § 18 EStG den Ausdruck sonstige selbständige Tätigkeit nicht enthält, da für eine Anwendung des Art. 3 Abs. 2 eine wörtliche Verwendung des jeweiligen Ausdrucks nicht erforderlich ist (Rz. 91).

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X. Anerkannter Pensionsfonds (Buchst. i) 1. Bedeutung der Definition Anerkannter Pensionsfonds. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i definiert den Ausdruck „anerkannter Pensionsfonds“ eines Vertragsstaats. Die Definition ist durch das OECD-MA 2017 eingefügt worden, um sicherzustellen, dass eine Pensionskasse, die die Definition der Vorschrift erfüllt, als ein in dem Vertragsstaat ansässiger Rechtsträger anzusehen ist, in dem sie niedergelassen ist.4 Eine Ergänzung zur Ansässigkeit derartiger Pensionsfonds wurde zudem in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 hinzugefügt. Ansonsten taucht der Begriff im OECD-MA selber nicht auf. Bedeutung hat die Definition daher nur für DBA, die im Rahmen der Verteilungsartikel den „anerkannten Pensionsfonds“ erwähnen (vgl. z.B. Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA: „ansässiger Pensionsfonds“). Ein Rückgriff auf die nationale Definition in § 236 VAG ist insoweit gesperrt.

1 Vgl. Art. 3 Rz. 10.2 OECD-MK und Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 79. 2 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 14 Rz. 12; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.410; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 14. 3 Vgl. auch Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.410; a.A. Hemmelrath in V/L6, Art. 14 Rz. 12 mit dem Hinweis, dass sich die in den Originalsprachen des OECD-MA verwendeten Ausdrücke („activities of an independent charakter“, „activités de caractère indépendent“) im nationalen Recht der entsprechenden OECD-Staaten gerade nicht finden. 4 Art. 3 Rz. 10.3 OECD-MK.

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Art. 3 Rz. 63

Allgemeine Begriffsbestimmungen

2. Begriffsmerkmale 63

Voraussetzung. Ein „anerkannter Pensionsfonds“ eines Vertragsstaats setzt nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. i als Erstes einen in diesem Vertragsstaat errichteten Rechtsträger oder ein in diesem Vertragsstaat errichtetes Gebilde voraus, das nach dem Steuerrecht dieses Vertragsstaats als eigenständige Person gilt. Ob ein Pensionsfonds in einem Vertragsstaat errichtet wurde, beurteilt sich danach, ob er nach den dort geltenden Rechtsvorschriften gegründet wurde. Aus deutscher Sicht sind Pensionsfonds mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Versorgungseinrichtungen.1 Sie sind aus deutscher Perspektive als Rechtsträger und damit als Person in diesem Sinne anzuerkennen. Geht es um einen ausländischen Pensionsfonds, ist diese Einordnung nicht entscheidend. Vielmehr ist nach der ausländischen Rechtsordnung zu entscheiden, ob der Pensionsfonds als eigenständige Person gilt.

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Ausschließlichkeit. Der Rechtsträger muss weiterhin gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i Unterabs. (i) ausschließlich oder fast ausschließlich errichtet und betrieben werden, um für natürliche Personen Altersversorgungsleistungen und Zusatz- oder Nebenleistungen zu verwalten oder zu erbringen, und als solcher bzw. solches durch diesen Vertragsstaat oder eine seiner Gebietskörperschaften gesetzlich geregelt werden. „Fast ausschließlich“ dürfte – im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht gem. Art. 3 Abs. 2 – anzunehmen sein, wenn zu mindestens 90 % die genannten Ziele verfolgt werden.

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Alternativvoraussetzung. Liegen die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 Buchst. i Unterabs. (i) nicht vor, genügt es nach Art. 3 Buchst. i Unterabs. (ii) alternativ, dass der Rechtsträger ausschließlich oder fast ausschließlich errichtet und betrieben wird, um für den unter Art. 3 Buchst. i Unterabs. (ii) genannten Rechtsträger oder Gebilde Mittel anzulegen.

C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Abs. 2) Ausgewählte Literatur: Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Czakert, Seminar D: Artikel 3 Abs. 2 OECD-MA und die Anwendung des innerstaatlichen Rechts, IStR 2012, 703; Debatin, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR Beihefter 23/1992; Debatin, Zur Behandlung von Beteiligungen an Personengesellschaften unter den Doppelbesteuerungsabkommen im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, BB 1992, 1181; Debatin, Entwicklungstendenzen im Internationalen Steuerrecht und nationalen Außensteuerrecht im Lichte der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, DStZ/A 1987, 211; Debatin, System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB Beilage 23/1985; Debatin, Qualifikationsprobleme im Doppelbesteuerungsrecht, FR 1979, 493; Debatin, Auslegungsmaximen zum internationalen Steuerrecht, RIW 1969, 477; Drüen, Bindungswirkung von Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Koalitionsvereinbarungen, IWB 2011, 360; Flick, Zur Auslegung von Normen des internationalen Steuerrechts, in Felix, Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, 1958, 151; Geiger, Veränderung von Doppelbesteuerungsabkommen ohne Änderung des Vertragsgesetzes, in Mössner/Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, München 1995, 37; Gloria, Die Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland und die Bedeutung der Lex-Fori-Klausel für ihre Auslegung, RIW 1986, 970; Gosch, Entwicklungstendenzen in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Internationalen Steuerrecht, SWI 2011, 324; Gröhs/Herbst, Die Interpretation von Doppelbesteuerungsabkommen als Problem der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen im nationalen Recht, Zeitschrift für Verwaltung 1986, 16; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. Bremen 2008; Ismer, DBA-Konkretisierung durch die Exekutive?, IStR 2009, 366; Kerath, Maßstäbe zur Auslegung und Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Berücksichtigung des Verständigungsverfahrens, Hamburg 1995; Kluge, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, AWD 1975, 90; Klebau, Einzelprobleme bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1985, 125; Knobbe-Keuk, „Qualifikationskonflikte“ im internationalen Steuerrecht der Personengesellschaften, RIW 1991, 306; Krabbe, Qualifikationskonflikte bei atypischen stillen Gesellschaften, IStR 1999, 591; Lang, die Auslegung des multilateralen Instruments, SWI 2017, 11; Lang, Art. 3 Abs. 2 OECD-MA und die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, IWB 2011, 281; Lang, DBA und Personengesellschaften – Grundfragen der Abkommensauslegung, IStR 2007, 606; Lang, Qualifikationskonflikte bei Personengesellschaften, IStR 2000, 129; Lang, Qualifikationskonflikte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, in Lehner/Vogel (Hrsg.), Staaten und Steuern, FS für Vogel, Heidelberg 2000; Lang/Mössner/Waldburger, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 1998; Lang, Die Bedeutung des originär innerstaatlichen Rechts für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), in Burmester/Endres (Hrsg.), Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS für Debatin, München 1997, 283; Lang, Grundsatzerkenntnisse des VwGH zur DBA-Auslegung, SWI 1996, 427; Lang, Die Bedeutung des Musterabkommens und des Kommentars des OECD-Steuerausschusses für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 11; Lang, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, Wien 1992, 104; Lang, Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1991; Lang, Keine Be1 Frotscher in Haase3 Art. 4 OECD-MA Rz. 46.

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C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Abs. 2)

Rz. 66 Art. 3

deutung der jüngeren Fassung des Kommentars des OECD-Steuerausschusses für die Interpretation älterer Doppelbesteuerungsabkommen, IWB, International, Gruppe 2, 120; Langbein, Doppelbesteuerungsabkommen zwischen nationalem Recht und Völkerrecht, RIW 1984, 531; Lehner, Abkommensauslegung zwischen Autonomie und Bindung an das innerstaatliche Recht, Festgabe zum 75. Geburtstag von Franz Wassermeyer 2015, 15; Lehner, Die Umsetzung von abkommensrechtlichen Konsultationsvereinbarungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und Doppelnichtbesteuerung durch Rechtsverordnungen, IStR 2011, 733; Leisner-Egensperger, DBA-Auslegung unter Rückgriff auf nationales Recht, IStR 2014, 10; Lenz, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, CDFI XLII (1960), 107; Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, Diss., München 2009; Lüdicke, Neue Entwicklungen der Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, StbJb 1997/98, 449; Menck, OECD-Bericht zur Personengesellschaft und zum Qualifikationskonflikt – ein Überblick, IStR 1999, 147; Mensching, Die Limited Liability Company (LLC) im Minenfeld zwischen deutschem innerstaatlichen Steuerrecht und Abkommensrecht, IStR 2008, 687; Mössner, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Böckstiegel (Hrsg.), Völkerrecht – Recht der Internationalen Organisationen – Wirtschaftsrecht, FS für Seidl-Hohenveldern, Köln u.a. 1988, 403; Philipp Besonderheiten bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, ÖStZ 1986, 216; Pohl, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der jüngeren Rechtsprechung des BFH, RIW 2012, 677; Pöllath, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge aus der Sicht der Steuerpraxis, in Mössner/Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchner Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, 29; Pöllath, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (deutsche DBA), CDFI LXXVIIla (1993), 327; Pöllath, Änderung von Doppelbesteuerungsabkommen ohne Änderung des Zustimmungsgesetzes, in Mössner/Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, München 1995, 55; von Poser/Groß-Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. München 1972; Preuninger, Rechtsprobleme des Funktionswandels deutscher Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. Mannheim 1980; Prokisch, Fragen der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 1994, 52; C. Schmidt, Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, IStR 2010, 413; Spitaler, Die Auslegung der DBA, CDFI XLII (1960), 165; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967); Vogel, Probleme der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2000, 103; Vogel/Prokisch Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, CDFI LXXVlII a (1993), 19; Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen und ihre Auslegung, StuW 1982, 111, 286; Vogel, Aktuelle Fragen bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1978, 1021; Wassermeyer, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen durch den Bundesfinanzhof, StuW 1990, 404; Wassermeyer, Die Beurteilung der Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften durch Deutschland als dem Nichtansässigkeitsstaat der Personengesellschaft, IStR 1998, 489; Wassermeyer, Der Künstlerbegriff im Abkommensrecht, IStR 1995, 555; Wassermeyer, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge – Haltung des BFH, in Mössner/Blumenwitz u.a. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchner Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, 1995, 19; Wassermeyer, Merkwürdigkeiten bei der Auslegung von DBA durch die Finanzverwaltung, IStR 1995, 49; Wassermeyer, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der Rechtsprechung des BFH, SWI 1992, 171; Weber-Fas, Prinzipien der Abkommensinterpretation im zwischenstaatlichen Steuerrecht, RIW 1982, 803; Weggenmann, Personengesellschaften im Abkommensrecht und abkommensrechtliche Fiktionswirkung (BFH I R 67/12), Festgabe zum Geburtstag von Franz Wassermeyer, München 2015, 77; Weggenmann, Einordnungskonflikte bei Personengesellschaften im Recht der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Berücksichtigung des OECD-Partnership-Reports 1999, Diss. Nürnberg 2002; Widmann, Veränderung von Doppelbesteuerungsabkommen ohne Änderung des Vertragsgesetzes, in Mössner/Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, München 1995, 47; Wolff, Auslegungsfragen zu DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 647.

I. Regelungszweck Ermittlung des Sinngehalts von Rechtsnormen. Was Sinn und Zweck des Art. 3 Abs. 2 ist, ist umstritten. Teilweise wird die Norm als Versuch der Mitgliedsstaaten bezeichnet, ihre Souveränität bei der Abkommensanwendung zu wahren: „Je mehr Auslegung nach nationalem Recht offengehalten wird, desto mehr behalten die Staaten die Abkommensfolgen in der Hand“.1 Diese Deutung lässt allerdings die Frage offen, warum die Vertragsstaaten in bestimmten Bereichen ihre Souveränität durch spezielle Definitionen wieder beschränken. Nicht zu folgen ist auch der Ansicht2, nach der Art. 3 Abs. 2 der Ermittlung des Sinngehalts von Rechtsnormen dient, wenn eine abkommensautonome Auslegung nicht möglich ist. Denn streng genommen ist eine Auslegung immer – wenn auch nur anhand des Abkommenswortlauts – möglich.3 Auch ein Vereinfachungsgedanke4 liegt Art. 3 Abs. 2 nicht zu Grunde. Art. 3 Abs. 2 birgt die Gefahr einer unter1 So insbesondere Debatin, AWD, 1969, 477 (480); dem folgend Mössner in FS Seidel/Hohenveldern, 403 (426); Vogel, StuW 1982, 286, (295); Gloria, Verständigungsverfahren, 92. 2 Vgl. Blumenwitz in Mössner/Blumenwitz, Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, 10: „[…] können Vertragstermini – mangels genuiner völkerrechtlicher Begriffsbildung – nur unter Rückgriff auf das nationale Begriffsverständnis der Vertragsparteien ausgelegt werden.“ 3 So auch Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 48. 4 Vgl. insoweit Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 32.

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Art. 3 Rz. 66

Allgemeine Begriffsbestimmungen

schiedlichen Interpretation von Abkommensbestimmungen und damit einer Doppelbesteuerung, die dem Ziel der DBA zu widerlaufen. Dass die Vertragsstaaten dies allein aus Vereinfachungsgesichtspunkten hinnehmen wollten, erscheint abwegig. Im Ergebnis ist der Ansicht von Wassermeyer1 zu folgen, nach der „Art. 3 Abs. 2 den sachlich zutreffenden und im natürlichen Interesse der Vertragsstaaten liegenden Grundsatz zum Ausdruck bringt, dass jeder von ihnen das Abkommen aus der Sicht seines Steuerrechts auslegen und anwenden darf“. Art. 3 Abs. 2 ordnet – bei richtiger Interpretation – nur das an, was rechtsmethodisch ohnehin gilt. Bei mehrfacher Verwendung eines Begriffs gilt der Grundsatz, dass diesem immer die gleiche Bedeutung zukommt.2 Nichts anderes kann im Verhältnis zwischen dem innerstaatlichem Recht und den DBA gelten. Hierfür sprechen zwei Gesichtspunkte: Zum einen hat sich die Abkommenssprache aus den Sprachkategorien des innerstaatlichen Rechts herausentwickelt. Werden bei den Abkommensverhandlungen bestimmte Begriffe verwendet, sind diese bei den Verhandlungspartnern meist durch ein innerstaatliches Verständnis vorgeprägt. In diesem Sinne hat auch der BFH3 entschieden, dass in Fällen, in denen eine abkommensautonome Auslegung zu keinen anderen Ergebnissen führt, die Vertragsstaaten zumindest stillschweigend von dem innerstaatlichen Recht ausgehen wollten. Zum anderen sollen DBA gerade zu einer systemgerechten Eingrenzung nationaler Besteuerungsansprüche führen4, so dass eine inhaltliche Übereinstimmung bestimmter Begriffe auch aus diesem Grund naheliegt. Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar. Bereits national ist anerkannt, dass ein Begriff innerhalb eines bestimmten Gesetzes eine unterschiedliche Bedeutung haben kann (sog. Relativität der Begriffsbildung).5 Nichts anderes gilt auch bei der Auslegung von DBA, was ebenfalls durch Art. 3 Abs. 2 („soweit der Zusammenhang nichts anderes erfordert“) zum Ausdruck gebracht wird. Kommt man im Wege der Auslegung eines DBA nach den Auslegungsgrundsätzen der WÜRV zu einem vom innerstaatlichen Recht abweichenden Begriffsverständnis, so ist dieses letztlich ausschlaggebend. 67

Heranziehung allgemeiner Rechtsgedanken/Schließung von Vertragslücken. Art. 3 Abs. 2 gilt nur für Ausdrücke, die das Abkommen verwendet; er gibt also keine Rechtfertigung dafür, allgemeine Rechtsgedanken des innerstaatlichen Rechts (z.B. die „isolierte Betrachtungsweise“; vgl. hierzu Systematik Rz. 48) für die Auslegung des Abkommensrechts heranzuziehen.6 Ebenso wenig ist es das Ziel des Art. 3 Abs. 2, Vertragslücken eines DBA durch einen Rückgriff auf das innerstaatliche Recht zu schließen.7 Andernfalls käme es zu einer systemwidrigen Vermischung der unterschiedlichen Wertungsebenen des Abkommens und des innerstaatlichen Rechts.8

II. Rechtscharakter der Norm 68

Auslegungsregelung. Eng verbunden mit der Frage des Sinn und Zwecks der Norm ist die Frage nach dem Rechtscharakter des Art. 3 Abs. 2. Auch hierüber gehen die Meinungen auseinander. So wird die Norm als Zurückverweisungsnorm (renvoi)9, als Verweisungsnorm10, als lex-fori-Klausel11 oder als Auslegungsregelung12 gedeutet. Gegen den Charakter als renvoi spricht der Umstand, dass das nationale Recht nicht auf die DBA verweist, Art. 3 Abs. 2 somit auch nicht auf das innerstaatliche Recht zurückverweisen kann.13 Auch gegen die Einordnung als Verweisungsnorm bestehen Bedenken. Würde es sich um eine Verweisungsnorm handeln, so hätte der jeweilige Ausdruck – bei unterschiedlichem innerstaatlichen Recht – von Natur aus zwei Bedeutungen (sog. Homonym).14 Die vermeintliche Willenseinigung wäre einem versteckten Dissens gewichen.15 Richtigerweise handelt es sich bei Art. 3 Abs. 2 daher um eine Auslegungsregelung, was 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 71; Wassermeyer, StuW 1990, 404 ff. Beaucamp/Treder, Methoden und Technik der Rechtsanwendung, Rz. 150 m.w.N. BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14. Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 32. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaften4, 141 ff. So Vogel, StuW 1982, 286 (295). Vgl. Schaumburg/Häckin Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.64; Vogel, StuW 1982, 286 (295); a.A. Kluge, RIW/AWD 1975, 90 (96). So zutreffend Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.64. Langbein, RIW 1984, 531. Debatin, AWD/BB 1969, 478; so wohl auch BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14: „Es ist dann davon auszugehen, dass die Vertragsstaaten zumindest stillschweigend auf das innerstaatliche Recht verweisen und von diesem ausgehen wollten.“ So insbesondere BFH v. 8.12.2010 – I R 92/09, BStBl. II 2011, 488; Gloria, RIW1986, 970; Vogel, StuW 1982, 286, 295. Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 402 (421 ff.). Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 402 (421). Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 402 (421). Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 402 (421).

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C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Abs. 2)

Rz. 70 Art. 3

insbesondere durch den Sinn und Zweck der Norm (vgl. Rz. 66) bestätigt wird. Die häufig gebrauchte Umschreibung als Lex-fori-Klausel steht hierzu nicht in Widerspruch. Deklaratorischer Charakter. Von der Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale hängt es ab, ob Art. 3 Abs. 2 als deklaratorische1 oder konstitutive2 Vorschrift einzuordnen ist. Vom Standpunkt der hier vertretenen Ansicht, nach der Art. 3 Abs. 2 als Auslegungsregel mit allgemeinen methodischen Grundsätzen im Einklang steht (siehe Rz. 66), ist die erste Deutung zutreffend.

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III. Bedeutung und rechtspolitische Bewertung Bedeutung der Norm. Art. 3 Abs. 2 hat eine große praktische Bedeutung. Eine vergleichbare Norm ist nicht nur in allen deutschen DBA anzutreffen.3 Auch die Rspr.4 und die Finanzverwaltung5 greifen regelmäßig auf die Vorschrift zurück, um den Bedeutungsinhalt eines Ausdrucks zu ermitteln.6 Insbesondere im Hinblick auf die folgenden Artikel bzw. Ausdrücke wird Art. 3 Abs. 2 eine Bedeutung beigemessen: – Art. 2 („Steuern“)7; – Art. 3 Abs. 1 Buchst. a („natürliche Person“)8; – Art. 3 Abs. 1 Buchst. b („juristische Person“)9; – Art. 3 Abs. 1 Buchst. c, d und e, Art. 5, Art. 6 Abs. 4, Art. 7, Art. 8, Art. 9, Art. 13 Abs. 2, Art. 15 Abs. 3, Art. 22 Abs. 2 und 3, Art. 24 Abs. 3 bis 5 („Unternehmen“)10; – Art. 3 Abs. 1 Buchst. c („Geschäftstätigkeit“) (vgl. Rz. 31)11; – Art. 3 Abs. 1 Buchst. d („betrieben“) (vgl. Rz. 41); – Art. 3 Abs. 1 Buchst. h („freiberufliche Tätigkeit“)12; – Art. 3 Abs. 1 Buchst. h („sonstigen selbständigen Tätigkeit“)13; – Art. 3 Abs. 1 Buchst. i („fast ausschließlich“); – Art. 4 Abs. 1 („Wohnsitz“)14; – Art. 4 Abs. 1 („ständigen Aufenthalts“)15; – Art. 4 Abs. 1 („Ortes ihrer Geschäftsleitung“)16; – Art. 5 Abs. 2 Buchst. b („Zweigniederlassung“)17 – Art. 5 Abs. 2 Buchst. c („Geschäftsstelle“)18; 1 So Wassermeyer, StuW 1990, 404 (409 f.). 2 So Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 55 mit dem zusätzlichen Argument, dass die dezidierte Formulierung des Art. 3 Abs. 2 gegen seine Bedeutungslosigkeit spricht. 3 Vogel und Prokisch (CDFI LXXVIIIa, S. 44) weisen allerdings darauf hin, dass diese Verbreitung nicht eindeutig ist (vgl. auch Lang, in FS Debatin, 283 (289)). 4 Vgl. Z.B. BFH v. 24.9.2013 – VI R 6/11, BStBl. II 2016, 650; v. 11.7.2012 – I R 76/11, BFH/NV 2012, 1966; v. 6.6.2012 – I R 52/11, BStBl. II 2014, 240; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 17.12.1998 – I B 101/98, BFH/NV 1999, 753; v. 8.7.1998 – I R 57/97, BStBl. II 1998, 672; v. 24.7.1996 – I R 74/95, BStBl. II 1997, 132; v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218; v. 30.5.1990 – I R 179/86, BStBl. II 1990, 906; v. 11.4.1990 – I R 75/88, BStBl. II 1990, 513; v. 18.12.1986 – I R 52/83, BStBl. II 1988, 521; v. 21.5.1971 – III R 125/70, III R 126/70, III R 125-127/70, BStBl. II 1971, 721. 5 Vgl. z.B. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 Tz. 2.2.1. 6 Vgl. Pohl, RIW 2012, 677 (681). 7 Dürrschmidt in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 19. 8 Vogel, StuW 1982, 286 (287). 9 Vgl. Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (51). 10 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1; FG Köln v. 23.2.2011 – 9 K 286/06, EFG 2011, 1322; a.A. BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BStBl. II 2012, 457. 11 A.A. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA. 12 Hemmelrath in V/L6, Art. 14 Rz. 12; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.410; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 14. 13 Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.410; a.A. Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 12. 14 BFH v. 24.7.1996 – I R 74/95, BStBl. II 1997, 132; siehe auch Art. 4 Rz. 30. 15 Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 20 ff.; vgl. auch Art. 4 Rz. 35. 16 Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 20 ff.; vgl. auch Art. 4 Rz. 38. 17 Haase in Haase3, Art. 5 OECD-MA Rz. 82. 18 BFH v. 17.12.1998 – I B 101/98, BFH/NV 1999, 753.

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207

70

Art. 3 Rz. 70 – – – – – – – – – 71

Allgemeine Begriffsbestimmungen

Art. 5 Abs. 3 („Bauausführung“; „Montage“)1 Art. 7 („Gewinne“)2; Art. 10 Abs. 3 („Einkünfte aus Aktien“)3; Art. 10 Abs. 3 („Genussaktie“; „Genussscheine“; „Kuxe“)4 Art. 11 Abs. 3 („Einkünfte aus Forderungen jeder Art“)5; Art. 13 („Veräußerung“)6 Art. 15 Abs. 1, 2 und 3 („unselbständige Arbeit“)7; Art. 17 („Künstler“)8; Art. 17 („Sportler“)9.

Rechtspolitische Bewertung. Trotz der großen Bedeutung des Art. 3 Abs. 2 ist die Norm rechtspolitisch stark umstritten.10 Bereits auf dem IFA-Kongress 1960 wurde vor der Aufnahme einer derartigen Regelung in das OECD-MA gewarnt.11 Auch im Schrifttum wird noch heute die ersatzlose Aufhebung der Norm gefordert.12 Im Wesentlichen sind hierfür zwei Gründe verantwortlich: Zum einen führt ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht nicht selten zu Qualifikationskonflikten, was wiederum seine Ursache in den zum Teil unterschiedlichen Begriffsverständnissen der Mitgliedstaaten hat.13 Die Folge sind Doppelbesteuerungen bzw. doppelte Nichtbesteuerungen, die dem Zweck eines DBA widersprechen14 und erst in (langwierigen) Verständigungsverfahren beseitigt werden können. Zum anderen verleitet Art. 3 Abs. 2 zu einem vorschnellen Rückgriff auf das innerstaatliche Recht, ohne zuvor sämtliche Möglichkeiten einer abkommensautonomen Auslegung ausgeschöpft zu haben.15 An der derzeit vorhandenen „lex-fori“-Klausel sollte m.E. dennoch festgehalten werden. Bei richtiger Interpretation bringt Art. 3 Abs. 2 nur das zum Ausdruck, was methodisch ohnehin gilt (vgl. Rz. 66). Der häufige Rückgriff der (deutschen) Gerichte auf Art. 3 Abs. 2 bestätigt zudem, dass eine abkommensautonome Auslegung nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen führt. Die Gefahr eines Qualifikationskonflikts ist in diesen Fällen daher ohnehin latent vorhanden. Ist eine abweichende Auslegung allein Folge der unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen, lässt sich diese (zumindest de lege ferenda) durch eine Bindung an die Auslegung im Quellenstaat (sog. „Qualifikationsverkettung“) vermeiden.16 Einer Aufhebung des Art. 3 Abs. 2 bedarf es hierzu nicht.

IV. Systematische Einordnung 72

Auslegung von DBA. Bei der Auslegung von DBA geht es wie bei der Auslegung von anderen Rechtsnormen um die Ermittlung des Sinns von Rechtssätzen. Die Auslegung von DBA zeichnet sich jedoch durch gewisse Besonderheiten aus, die insbesondere der Natur dieser Abkommen als völkerrechtliche Verträge geschuldet sind.17 Zu unterscheiden sind im Grundsatz zwei Formen der Auslegung: Die sog. „authentische“ und die „einseitige“ Auslegung.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

A.A. Haase in Haase3, Art. 5 OECD-MA Rz. 95, da es sich nicht um Rechtsbegriffe handele. Dürrschmidt in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 21. BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; vgl. auch Art. 10 Rz. 130 ff. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 119 ff. FG Hamburg v. 11.4.2011 – 6 K 245/09, EFG 2011, 1957 (rkr.); vgl. auch Art. 11 Rz. 56 ff. Dürrschmidt in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 20. BFH v. 24.9.2013 – VI R 6/11, BStBl. II 2016, 650; 11.11.2009 – I R 50/08, BFH/NV 2010, 647; v. 18.7.1973 – I R 52/69, BStBl. II 1973, 757; v. 10.7.1996 – I R 83/95, BStBl. II 1997, 341; vgl. auch Art. 15 Rz. 90 ff. BFH v. 11.4.1990 – I R 75/88, BFHE 160, 513. Wassermeyer, StuW 1990, 404 (409 f.). Vgl. Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306 (309); Lang, IStR 2007, 606 (609); Lang in FS Debatin, 283. Vgl. den Generalbericht von Lenz auf dem IFA-Kongress 1960, in Cahiers 42, 281 ff. m.w.N. Vgl. Lang in FS Debatin, 283; Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 402 (426). Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 33; Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 92. Zur Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung als Zielsetzung eines DBA vgl. BT-Drucks. 16/2712, 61 und Lüdicke, FR 2011, 1077 f. Vgl. Lang in FS Debatin, 283 (302). Zur Qualifikationsverkettung de lege lata vgl. Art. 23 Rz. 32.3, 32.4 OECD-MK und Meretzki, IStR 2011, 213; kritisch z.B. Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306; Lang, IStR 2007, 606. Vgl. im Einzelnen Debatin, DStR Beihefter 23/1992; Debatin, BB 1992, 1181; Debatin, DStZ/A 1987, 211; Debatin, DB Beilage 23/1985; Debatin, FR 1979, 493; Debatin, RIW 1969, 477; Klebau, RIW 1985, 125; Kluge, AWD 1975, 90; Lang, SWI 1996, 427; Mössner in FS für Seidl-Hohenveldern, 403; Pohl, RIW 2012, 677 ff.; Vogel, SWI 2000, 103 ff.; Wassermeyer, SWI 1992, 171; Wassermeyer, StuW 1990, 404; Weber-Fas, RIW 1982, 803.

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C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Abs. 2)

Rz. 75 Art. 3

Authentische Auslegung. Die authentische Auslegung ist eine Auslegung durch die Vertragsparteien selber.1 Sie kann sich in einer ständigen gleichartigen Praxis der Vertragsparteien oder in entsprechenden gemeinsamen oder übereinstimmenden Erklärungen der Vertragsparteien manifestieren.2 Grundlage der authentischen Interpretation sind nicht bestimmte Auslegungsregeln, sondern der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien. Dieser kommt z.B.in einer Konsultationsvereinbarung i.S.d. Art. 25 Abs. 3 zum Ausdruck (vgl. hierzu Art. 25 Rz. 214 ff.).3 Völkerrechtlich ist sie gem. Art. 31 Abs. 3 WÜRV4 anerkannt. Ob sie auch im Hinblick auf DBA verbindlich ist, d.h. beispielsweise Gerichte bindet, ist umstritten.5 Der Gesetzgeber hat jüngst den Versuch unternommen, durch eine Ergänzung des § 2 AO (Konsultations-)Vereinbarungen durch Erlass einer Rechtsverordnung Bindungswirkung zu verleihen.6

73

Einseitige Auslegung. Von der authentischen Auslegung zu unterscheiden ist die einseitige Auslegung von 74 DBA, die beispielsweise durch die Gerichte oder die Verwaltung vorgenommen wird.7 Die einseitige Auslegung eines DBA z.B. durch ein nationales Gericht ist für den anderen Vertragsstaat nicht bindend.8 Werden Begriffe eines DBA nicht verbindlich durch abkommensautonome (vgl. Art. 3 Abs. 1, Art. 4 und Art. 5) bzw. inkorporierte (vgl. Art. 6 Abs. 2) Definitionen festgelegt, besteht daher stets die Gefahr, dass sie in den Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt werden. Grundlage der einseitigen Interpretation sind die Art. 31 bis 33 WÜRV, die gewohnheitsrechtlich anerkannt und aus diesem Grund auch im Verhältnis zu Staaten gelten, die die WÜRV nicht ratifiziert haben.9 Art. 31 Abs. 1 WÜRV hält dabei als allgemeine Auslegungsregel fest, dass ein völkerrechtlicher Vertrag „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes“ auszulegen ist. Ergänzend ist zudem die historische Auslegung nach Art. 32 WÜRV heranzuziehen.10 Teil der einseitigen Interpretation ist auch Art. 3 Abs. 2, der durch den Verweis auf das innerstaatliche Recht eines Vertragsstaates ein Unikat im Rahmen der Auslegung völkerrechtlicher Verträge darstellt. Sein Verhältnis zu den Art. 31 ff. WÜRV ist umstritten (vgl. Rz. 82 ff.). Nach der hier vertretenen Auffassung kommt Art. 3 Abs. 2 nur dann zur Anwendung, wenn eine abkommensautonome Auslegung nicht möglich oder zu nicht eindeutigen Ergebnissen führt (vgl. Rz. 82). Insgesamt ergibt sich danach folgende Auslegungsreihenfolge: Anwendung abkommensautonomer bzw. inkorporierter DBA-Definitionen Q Abkommensautonome Auslegung (Art. 31 ff. WÜRV) Q Rückgriff auf das innerstaatliche Recht (Art. 3 Abs. 2)

V. Tatbestand 1. Anwendung des Abkommens Entscheidung über eine Steuerfrage. Grundvoraussetzung der Norm ist eine Anwendung des entsprechenden DBA. Wann sie vorliegt, wird unterschiedlich beurteilt.11 Zum Teil wird vertreten, dass nur der Staat, der infolge eines DBA auf sein Besteuerungsrecht verzichtet, das Abkommen anwendet.12 Bestätigt das Abkommen lediglich die Besteuerung, wird dieses nur „gelesen“, aber nicht „angewendet“. Zum Teil wird diese Ansicht mit einer weiteren Annahme verknüpft:13 Soweit ein DBA in einem Vertragsstaat ange1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Pohl, RIW 2012, 677 f. Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht4, § 6 Rz. 209. Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht4, § 6 Rz. 209. V. 23.5.1969, BGBl. II 1985, 927. Vgl. BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BFHE 226, 276; Ismer, IStR 2009, 366. Vgl. hierzu BFH v. 12.10.2011 – I R 15/11, BStBl. II 2012, 548; Drüen, IWB 2011, 360; Lehner, IStR 2011, 733; Pohl, RIW 2012, 677 (680 f.). Vgl. hierzu Pohl, RIW 2012, 677 f. Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht4, § 6 Rz. 210. Vgl. Heintschel/von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht7, § 11 Rz. 11. Henkel in G/K/G/K, Grundlagen, Rz. 37 ff. Vgl. Pohl, RIW 2012, 677 (682 f.). Vgl. Avery Jones et al, BTR 1984, 14; Avery Jones in FS Beusch, 43. Vgl. Avery Jones et al, BTR 1984, 50 (54).

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75

Art. 3 Rz. 75

Allgemeine Begriffsbestimmungen

wendet wird, ist der andere Vertragsstaat an die Qualifikation im Anwenderstaat gebunden. Qualifikationskonflikte sollen auf diese Weise vermieden werden. Eine derartige restriktive Interpretation des Begriffs „Anwendung“ lässt sich jedoch nicht überzeugend begründen.1 Darüber führt sie zu sinnwidrigen Ergebnissen. Von Verteilungsnormen geht isoliert betrachtet grundsätzlich keine Begrenzung des Besteuerungsrechts eines Staates aus. Im Regelfall wird lediglich das Besteuerungsrecht des Quellenstaates bestätigt. Folge wäre, dass die Verteilungsnormen weder durch den einen noch durch den anderen Staat angewendet würden. Auch die Ansicht, nur der Quellenstaat sei der Anwenderstaat,2 ist nicht überzeugend. Art. 3 Abs. 2 spricht von einer Anwendung durch einen Vertragsstaat, womit definitionsgemäß nicht nur der Quellenstaat sondern auch der Ansässigkeitsstaat gemeint sind. Rechtlich zutreffend dürfte es daher sein, eine Anwendung bereits bei jeder Entscheidung einer Finanzbehörde oder eines Gerichts über eine Steuerfrage zu bejahen, für die das Abkommen herangezogen wird oder herangezogen werden müsste.3 Auch der BFH4 scheint dieser Ansicht zu sein: „Art. 3 Abs. 2 OECD-MK unterscheidet dafür aber nicht zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat; Maßstab ist allein der jeweils abkommensanwendende Vertragsstaat.“5 2. Im Abkommen nicht definierter Begriff a) Autonome DBA-Definitionen 76

Vorrangige Anwendung. Sind Begriffe im DBA ausdrücklich definiert (vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1, Art. 4 und Art. 5 OECD-MA), so ist ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht nach dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 („[…] jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck […]“) nicht möglich.6 Dies ist eine Selbstverständlichkeit. Findet sich im Abkommen eine spezielle Definition so ist diese bereits nach dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ zu beachten. Beispiel: Ob im anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 unterhalten wird, ist ausschließlich nach Art. 5 OECD-MA und nicht nach § 12 AO (i.V.m. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) zu beurteilen.

Nicht selten sind einzelne DBA-Definitionen jedoch selber wieder auslegungsbedürftig. Ist ihre Auslegung nach den Art. 31 ff. WÜRV nicht möglich, ist Art. 3 Abs. 2 daher prinzipiell auch in diesen Fällen anwendbar.7 Beispiel: Der Ausdruck „Gesellschaft“ wird in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b als juristische Person oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, definiert. Eine Anwendung des Art. 3 Abs. 2 ist aus diesem Grund insoweit zunächst gesperrt. Bei der Frage, was unter einer juristischen Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b zu verstehen ist, ist jedoch wieder auf das innerstaatliche Recht zurückzugreifen (vgl. Rz. 16 ff.).

77

Teildefinitionen. In DBA ebenfalls anzutreffen sind Teildefinitionen (vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c „Unternehmen“, Art. 14 a.F. „freier Beruf“ und Art. 17 Abs. 1 „Künstler“). Die Frage, ob diese Teildefinitionen einen Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 sperren, ist zu verneinen.8 Ausgehend vom Zweck der Norm (Ermittlung des Sinngehalts einer Norm) kann auch in diesen Fällen auf das innerstaatliche Recht zurückgegriffen werden; allerdings nur insoweit, als der Begriff nicht bereits definiert ist und sich keine Widersprüche zur bereits vorhandenen Teildefinition ergeben.

78

Rahmendefinitionen. In einzelnen DBA sind auch Rahmendefinitionen anzutreffen, die bestimmte Eckpfeiler zur Bedeutung eines Ausdrucks vorgeben, im Übrigen den Ausdruck jedoch undefiniert lassen.9 Ausgehend von den Ausführungen unter Rz. 77 stehen Rahmendefinitionen einem Rückgriff auf innerstaatliches Recht nicht entgegen. Ein Widerspruch zum Inhalt der Rahmendefinition darf dabei jedoch nicht entstehen. b) Inkorporierte DBA-Definitionen

79

Vorrangige Anwendung. Verbreitet sind in DBA auch sog. inkorporierte DBA-Definitionen. Dabei handelt es sich um für beide Staaten verbindliche abkommensrechtliche Verweisungen auf das Rechtsverständnis 1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 38. Vgl. die Nachweise bei Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306 (309). Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 111. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760. Hierzu Pohl, RIW 2012, 677 (683). So auch BFH v. 15.6.1973 – III R 118/70, BStBl. II 1973, 810. Vgl. auch Avery Jones et al., BTR 1984, 14 (21).; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 54 f. Fn. 214. 8 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 74 und Wassermeyer, IStR 2010, 37, 38, der ausgehend vom Wortlaut eine Teildefinition als Definition i.S.d. Art. 3 Abs. 2 ansieht; i.E. auch Lang, IStR 2007, 606 (609). 9 Vgl. Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 56.

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C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Abs. 2)

Rz. 82 Art. 3

eines dieser Staaten (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 2 und Art. 10 Abs. 3).1 Auch in diesen Fällen liegt ein (im Abkommen) definierter Ausdruck vor, der einen Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 sperrt.2 Beispiel: Der in Deutschland ansässige S hat in Belgien Vermögen vermietet. Ob es sich bei diesem Vermögen um „unbewegliches“ Vermögen i.S.d. Art. 6 Abs. 1 DBA-Belgien handelt, ist (auch) aus deutscher Sicht gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DBA-Belgien nach belgischem Recht und nicht gem. Art. 3 Abs. 2 DBA-Belgien nach deutschem Steuerrecht zu beurteilen.

Teil- bzw. Rahmendefinitionen. Im Hinblick auf Teil- bzw. Rahmendefinition gilt das oben Gesagte (vgl. Rz. 77) entsprechend.

80

c) Sonstige „Definitionen“ Formelle Definition erforderlich. Umstritten ist, ob eine Abkommensdefinition neben den in den Rz. 76 ff. 81 genannten Fällen auch dann vorliegt, wenn ein Ausdruck zwar nicht formell als solcher definiert ist, das Abkommen aber Anhaltspunkte für die Bestimmung eines Ausdrucks enthält.3 Dies wird teilweise bejaht.4 Anhaltspunkte sollen durch alle Formen der Abkommensauslegung gewonnen werden können. Auch Auslegungen aus einem Umkehrschluss5 und international etablierte Ansichten6 seien heranzuziehen. Hiergegen spricht jedoch der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2, der von einem nicht definierten und nicht von einem nicht ermittelbaren Ausdruck spricht. Daneben würde auch der weitere Zusatz des Art. 3 Abs. 2 „wenn der Zusammenhang nichts anderes fordert“ bei einer weiten Auslegung des Begriffs „definiert“ bedeutungslos. 3. Der Zusammenhang darf nichts anderes erfordern Keine andere Auslegung erforderlich. Ob bzw. wann der Zusammenhang eine andere Auslegung „erfordert“, zählt zu den klassischen Streitfragen im Kontext des Art. 3 Abs. 2. Nach einer völkerrechtlichen Theorie ist der Begriff „erfordert“ weit auszulegen.7 Ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 soll erst dann zulässig sein, wenn aus dem Abkommen selbst – unter Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden – kein Ergebnis gewonnen werden kann8 bzw. der Abkommensinhalt danach immer noch unklar bleibt.9 Nach einer sog. landesrechtlichen Theorie ist Art. 3 Abs. 2 hingegen vorrangig anzuwenden. Eine abkommensautonome Auslegung kommt nur dann zur Anwendung, wenn besondere bzw. gewichtige Gründe dies fordern bzw. hierfür sprechen.10 Diese besonderen Gründe sollen nur dann vorliegen, wenn die völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätze eine besondere Überzeugungskraft besitzen.11 Eine besondere Überzeugungskraft ist wiederum dann anzunehmen, wenn sich aus der Entstehungsgeschichte einer Norm ergibt, dass die Vertragsparteien ein Interesse an einer einheitlichen Interpretation haben.12 Der BFH hat zu dieser Streiftrage nur selten eine eindeutige Position bezogen und häufig eher pragmatisch entweder den Abkommenszusammenhang oder das innerstaatliche Recht in den Mittelpunkt der Auslegung gestellt.13 Dies dürfte belegen, dass die Streitfrage überbewertet wird und beide Ansichten häufig zu gleichen Ergebnissen kommen dürften. Aus einigen Entscheidungen lässt sich jedoch ein deutliches Bekenntnis des BFH zur völkerrechtlichen Theorie ableiten.14 Zur Auslegung des Begriffs „Kapitalgesellschaft“ i.S.d. DBA-Irland heißt es in einem Urteil vom 25.2.200415 beispielsweise: „Der im DBA-Irland verwendete Begriff ‚Kapitalgesellschaft‘ muss zunächst aus dem Abkommen selbst heraus und nicht nach Maßgabe innerstaatlicher rechtlicher Vorgaben verstanden werden. Nur wenn es an einer spezifischen abkommensrechtlichen Begriffsdefinition fehlt und sich auch keine anderweitigen Anhaltspunkte im Sinn- und Vorschriftenzusammenhang für ein eigenes abkommensrechtliches Be1 Vgl. hierzu auch Debatin, BB 1969, 477 (481). 2 So im Ergebnis auch Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, S. 54 f., Fn. 214. 3 Vgl. Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 53 ff. 4 Wassermeyer, StuW 1990, 404 (410); Prokisch, International Tax Language, 106; Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 53 ff. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 74. 6 Prokisch, International Tax Language, 106. 7 Vgl. FG Nds v. 14.5.1991 – VI 676/89, RIW 1991, 963; Gosch, SWI 2011, 324; Lang in FS Debatin, 283 (287 f.); Lang, IWB 2011, 281 (287 ff.). 8 So Lang, IStR 2007, 606 (609). 9 Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 120. 10 Vgl. Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 81 f. 11 Vgl. Vogel, StuW 1982, 111 (119 f.); Lang, IWB 2011, 281 (288). 12 Vgl. Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 82. 13 Vgl. Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 94 m.w.N. 14 Vgl. auch Pohl, RIW 2012, 677 (681 f.). 15 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14.

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Art. 3 Rz. 82

Allgemeine Begriffsbestimmungen

griffsverständnis ermitteln lassen, ist auf das innerstaatliche Recht zurückzugreifen. Es ist dann davon auszugehen, dass die Vertragsstaaten zumindest stillschweigend auf das innerstaatliche Recht verweisen und von diesem ausgehen wollten.“ Mit Urteil vom 26.8.20101 hat der BFH dieses völkerrechtliche Verständnis jüngst nochmals bekräftigt: „Zur Methodik der Auslegung abkommensrechtlicher Begriffe hat das FG zu Recht darauf hingewiesen, dass nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats zunächst nach dem Wortlaut und den Definitionen des Abkommens, sodann nach dem Sinn und dem Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens und schließlich nach den Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts auszulegen ist.“ Dem ist zu folgen. Die Art. 31 ff. WÜRV stehen als Völkergewohnheitsrecht im Rang über den einfachen Gesetzen (vgl. Art. 25 GG) und sind daher weder durch innerstaatliche Definitionen noch durch Art. 3 Abs. 2 abdingbar. Darüber hinaus führt allein die völkerrechtliche Auslegung dazu, dass Qualifikationskonflikte und damit Doppelbesteuerungen und doppelte Nichtbesteuerungen weitestgehend vermieden werden.2 Letztlich ist auch ausgehend vom Sinn und Zweck des Art. 3 Abs. 2 (vgl. Rz. 66) eine Heranziehung innerstaatlichen Rechts bereits dann methodisch nicht mehr vertretbar, wenn sich aus dem Abkommen eine vom innerstaatlichen Recht abweichende Auslegung ergibt. 83

Zusammenhang. Auch der Ausdruck „Zusammenhang“ ist auslegungsbedürftig. Art. 31 Abs. 2 WÜRV versteht unter ihm allein den Wortlaut und die Systematik des Abkommens. Ein solches Verständnis ist im Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 2 jedoch zu eng.3 Ergibt sich eine abweichende Auslegung eines Abkommensbegriffs aus einem anderen Auslegungskriterium, entspricht es ebenfalls dem Sinn und Zweck eines DBA, den Begriff abkommensautonom auszulegen. Neben dem Wortlaut und der Systematik sind daher auch die Entstehungsgeschichte und der Sinn und Zweck der Norm zum Zusammenhang zu rechnen.4 Im Ergebnis erfasst werden damit auch Erkenntnisse die sich aus dem OECD-MA bzw. dem OECD-MK ergeben. Noch weitergehend will Vogel5 auch Vorschriften nationaler Rechtsordnungen zum Zusammenhang zählen. Hiergegen spricht, dass ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht nur in den Fällen möglich ist, in denen das DBA hierauf ausdrücklich verweist. Ein derartiger Verweis lässt sich Art. 3 Abs. 2 jedoch nicht entnehmen.

84

„Wenn“. Durch die Subjunktion „wenn“ anstelle von „soweit“ entsteht der Eindruck, dass eine Anwendung der „lex-fori“-Klausel bereits dann gesperrt ist, wenn sich aus dem Abkommen irgendwelche Anhaltspunkte für eine Auslegung ergeben. Dies würde über den Sinn dieses Vorbehalts jedoch hinausgehen. Ausreichend muss sein, dass keine Widersprüche zwischen dem Abkommen und dem transferierten innerstaatlichen Recht bestehen. Ist dies gewährleistet, kann auf die innerstaatliche Bedeutung nach wie vor abgestellt werden. 4. Keine Verständigung auf eine abweichende Bedeutung

85

Vorrang von Verständigungsvereinbarungen. Durch das OECD-MA 2017 wurde in Art. 3 Abs. 2 nach dem Wort „erfordert“ der Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ eingefügt. Eine entsprechende Einschränkung war bereits in Art. 3 Rz. 13.1 OECD-MK 1995 enthalten. Vor diesem Hintergrund misst die OECD der Einfügung nur deklaratorische Bedeutung bei.6 Zutreffend ist dieses Verständnis im Hinblick auf Verständigungsvereinbarungen, die im Einklang mit dem DBA stehen, da die abkommensautonome Auslegung vor Anwendung des Art. 3 Abs. 2 zu erfolgen hat (Rz. 82).

86

Abweichende Bedeutung. Die Verständigungsvereinbarung ist nur dann vorrangig, wenn dieser eine abweichende Bedeutung zugrunde liegt. Die Abweichung muss zur Bedeutung nach innerstaatlichem Recht bestehen. Steht die Verständigungsvereinbarung im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht, ist Art. 3 Abs. 2 weiterhin anzuwenden.

87

Betroffene Verständigungsvereinbarungen. Sofern keine Einschränkung im Abkommen selber zu finden ist, bezieht sich der Satzteil sowohl auf eine Verständigung i.S.d. Art. 25 Abs. 1 als auch auf eine Konsultationsvereinbarung i.S.d. Art. 25 Abs. 3.7

88

Abkommensautonome Auslegung. Nicht betroffen von der Neureglung in Art. 3 Abs. 2 ist die abkommensautonome Auslegung. Insoweit gilt weiterhin, dass Verständigungsvereinbarungen (insbesondere 1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 26.8.2010 – I R 53/09, BFHE 231, 63. Vgl. Lang, IWB 2011, 281 (287 ff.). Vgl. Lang in FS Debatin, 283 (287 f.). So auch Lang in FS Debatin, 283 (287 f.). Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 121. Art. 3 Rz. 13.2 OECD-MK: „[…] um etwaige Zweifel daran auszuräumen […]“. Art. 3 Rz. 13.2 OECD-MK.

212

Pohl

C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Abs. 2)

Rz. 92 Art. 3

Konsultationsvereinbarungen) im Einklang mit dem jeweiligen DBA stehen müssen und die abkommensautonome Auslegung vorrangig ist.1 Ob sich hieran durch § 2 Abs. 2 AO etwas geändert hat, ist weiterhin zweifelhaft.2 5. Steuerrechtliche Bedeutung des Ausdrucks Steuerrechtliche Bedeutung. Art. 3 Abs. 2 setzt voraus, dass der Ausdruck eine Bedeutung nach dem Recht über die Steuern hat, für die das Abkommen gilt. Ist er beispielsweise nur im Zivilrecht eines Vertragsstaates gebräuchlich, scheidet ein Rückgriff auf das dort geltende Verständnis aus. Hieran hat sich auch durch die Neufassung der Norm im Jahre 1995 nichts geändert.3 Denn Art. 3 Abs. 2 verweist weiterhin auf das Recht des Staates über die Steuern. Nicht ausgeschlossen ist jedoch der Rückgriff auf das sonstige Recht, wenn die steuerrechtliche Bedeutung hierauf aufbaut.4 Ob das Abkommen für das jeweilige Steuerrecht gilt, beurteilt sich nach Art. 2.

89

Keine spezifische steuerliche Bedeutung erforderlich. In der Literatur wird vertreten, dass Art. 3 Abs. 2 dann nicht anzuwenden ist, wenn der jeweilige Ausdruck keine spezifische (steuer-)rechtliche Bedeutung hat.5 Dem ist nicht zu folgen. Entscheidend ist nach Art. 3 Abs. 2 lediglich, dass ein Ausdruck für das Steuerrecht eine Bedeutung hat. Dass es sich um einen Rechtsbegriff bzw. einen rechtlichen Fachausdruck handeln muss, wird hingegen nicht verlangt.

90

Beispiel: Bei der Auslegung der Begriffe „Bauausführung“ und „Montage“ i.S.d. Art. 5 Abs. 3 kann auf die innerstaatliche Bedeutung nach § 12 Satz 2 Nr. 8 AO zurückgegriffen werden, obwohl beide Begriffe keine Rechtsbegriffe sind.

Allerdings wird bei Ausdrücken der Alltagssprache regelmäßig eine Auslegung nach den Art. 31 ff. WÜRV möglich sein, so dass Art. 3 Abs. 2 in diesen Fällen keine eigenständige Bedeutung hat. Keine wörtliche Verwendung erforderlich. Der Ausdruck muss allerdings nicht wörtlich vom maßgeblichen Steuerrecht verwendet werden.6 Eine solche Forderung stellt Art. 3 Abs. 2 nicht auf. Sie lässt sich auch nicht aus dem Zweck der Norm ableiten. Andernfalls würde die Auslegung rein zufällig davon abhängen, ob ein Ausdruck eine wörtliche Entsprechung im jeweiligen nationalen Steuerrecht hat. Ausreichend aber auch notwendig ist vielmehr, dass der Begriff aus dem Blickwinkel des innerstaatlichen Steuerrechts eine Bedeutung hat, die sich notfalls auch erst durch Auslegung ermitteln lässt.

91

Beispiel: Zur Auslegung des Ausdrucks „ständiger Aufenthalt“ kann auf § 9 AO zurückgegriffen werden, obwohl § 9 AO von einem „gewöhnlichen“ Aufenthalt spricht. Denn aus dem Blickwinkel des deutschen Steuerrechts erscheint es ausgeschlossen, dass zwischen dem ständigen und einem gewöhnlichen Aufenthalt ein inhaltlicher Unterschied besteht.

Keine Definition erforderlich. Zum Teil wird für eine Anwendung des Art. 3 Abs. 2 gefordert, dass der Ausdruck im abkommensgegenständlichen innerstaatlichen Recht explizit definiert ist.7 Prokisch8 verlangt darüber hinaus, dass der Ausdruck im nationalen Recht im selben Kontext und zum selben Zweck verwendet wird, wie im Abkommen. Dem Art. 3 Abs. 2 lassen sich diese Restriktionen nicht entnehmen.9 Ausreichend ist vielmehr, dass der Ausdruck eine (innerstaatliche) Bedeutung hat, die sich aus der Rechtsprechung ergibt10 bzw. erst im Wege der Auslegung ermitteln lässt (vgl. auch Rz. 84). Beispiel: Zur Auslegung des Ausdrucks „natürliche Personen“ i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a kann auf die innerstaatliche Bedeutung abgestellt werden, obwohl der Ausdruck im innerstaatlichen Steuer- bzw. Zivilrecht nicht ausdrücklich definiert ist. 1 St. Rspr.; vgl. BFH v. 15.9.2004 – I R 67/03, BStBl. II 2010, 155. 2 Ausführlich Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43a. 3 A.A. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 31; Wilke in G/K/G/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 88 ohne weitere Begründung. 4 Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 103; ohne diese Einschränkung jedoch Art. 3 Rz. 13.1 OECDMK. 5 Vogel, StuW 1982, 286 (296) mit Blick auf den Ausdruck „Öl- und Gasvorkommen“; Haase in Haase2, Art. 5 OECD-MA Rz. 89, 95 und 120. 6 Vgl. Sasseville, BIFD 1994, 374 (375 f.); a.A. BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 69; Lang, IStR 2007, 606 (608); Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 103 jeweils ohne weitere Begründung. 7 Vogel/Prokisch, Generalbericht, 47. 8 Prokisch, International Tax Language, 107. 9 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 31; a.A. möglicherweise BFH v. 6.10.1993 – I R 69/93, BStBl. II 1994, 318, nach dem ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht nicht möglich ist, weil die deutschen Steuergesetzte die Fälligkeit von Dividenden nicht regeln. 10 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 57 ff.

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213

92

Art. 3 Rz. 93 93

Allgemeine Begriffsbestimmungen

Gesetzliche Fiktionen und Vermutungen. Umstritten ist, ob im nationalen Recht vorhandene Fiktionen zur Auslegung abkommensrechtlicher Begriffe herangezogen werden können.1 Zweifel daran bestehen deshalb, weil bei der Heranziehung von Fiktionen die Gefahr einer unterschiedlichen Interpretation durch die Vertragsstaaten besonders groß ist. Art. 3 Abs. 2 steht dem jedoch nicht entgegen.2 Die Norm verlangt nur, dass ein bestimmter Begriff eine Bedeutung hat. Diese Bedeutung kann auch das Resultat einer Fiktion sein.3 Der Übergang von einer Definition zu einer Fiktion ist zudem fließend und eine genaue Abgrenzung kaum möglich. Selbst die Umschreibung der sieben Einkunftsarten ist letztlich eine Fiktion, die den abstrakten Begriff „Einkommen“ näher bestimmen und konkretisieren soll.4 Auch der BFH scheint dieser Ansicht zu sein.5 So hat er beispielsweise eine Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG nie am Charakter der Norm (Fiktion der Gewerblichkeit), sondern am abweichenden Abkommenszusammenhang scheitern lassen.6 Im Hinblick auf gesetzliche Vermutungen gilt nichts anderes. Beispiel: Geht es um die Bestimmung des „ständigen Aufenthalts“ nach Art. 4 Abs. 1 kann nicht nur auf § 9 Satz 1 AO sondern auch auf die gesetzliche Vermutung des § 9 Satz 2 AO zurückgegriffen werden.

VI. Rechtsfolge: Rückgriff auf die steuerrechtliche Bedeutung 94

Steuerrechtliche Bedeutung nach innerstaatlichem Recht. Kommt Art. 3 Abs. 2 zur Anwendung, hat der nicht definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm im Anwendungszeitraum nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt. Unter „Recht“ i.S.d. Norm soll nur das Gesetzesrecht zu verstehen sein.7 Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Ausdruck gesetzlich definiert sein oder wörtlich in den Steuergesetzen vorkommen muss (vgl. Rz. 91 f.). Bei Mitgliedstaaten der EU gehören zu ihrem „Recht“ auch das in ihrem Gebiet geltende europäische Recht (z.B. Verordnungen), was ausgehend vom Grundsatz der Entscheidungsharmonie Vorrang vor einer abweichenden innerstaatlichen Umschreibung hat.8

95

Zeitpunkt. In zeitlicher Hinsicht ist für die innerstaatliche Bedeutung eines Ausdrucks der Anwendungszeitraum und nicht der Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidend („im Anwendungszeitraum“). Stellvertretend spricht Art. 3 Rz. 11 OECD-MK auch vom Erhebungszeitpunkt. Art. 3 Abs. 2 liegt damit eine dynamische Anknüpfung zugrunde.9 Trotz des eindeutigen Wortlauts steht Art. 3 Abs. 2 der Annahme eines statischen Verweises in Ausnahmefällen jedoch nicht entgegen.10 Denn seit 1992 enthält Art. 3 Rz. 13 OECD-MK die Formulierung „kein Staat soll ein Abkommen dadurch aushöhlen können, dass er den Inhalt von im Abkommen nicht selbst verwendeten Ausdrücken in seinem nationalen Recht später ändert“. Auf eine Begriffsbestimmung im Zeitpunkt des Abschlusses des Abkommens kommt es daher dann an, wenn zwischenzeitlich eine wesentliche Begriffsänderung vorlag oder die Vertragsparteien ein besonderes Begriffsverständnis nachweislich vor Augen hatten.11 Eine wesentliche Begriffsänderung ist wiederum dann anzunehmen, wenn sie zu einer Erweiterung des Steueranspruchs führt, welchen der jeweilige Vertragsstaat durch den Abschluss des Abkommens zurückgenommen hatte.12

D. Deutsches Muster-DBA 96

Deutsches Muster-DBA. Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen Muster-DBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Vgl. C. Schmidt, IStR 2010, 413 (418). Im Ergebnis auch C. Schmidt, IStR 2010, 413 (418); Wolf in FS Wassermeyer, 649 ff. Vgl. Pohl, RIW 2012, 677 (682). So ausdrücklich C. Schmidt, IStR 2010, 413 (418) m.w.N. Vgl. Pohl, RIW 2012, 677 (682). Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BFH/NV 2011, 1637; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 106. So Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 106. Vgl. Lang in FS Debatin, 283 (290 f.). Vgl. Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 58; Lang in FS Debatin, 283 (293); a.A. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 35; Gaffron in Haase3, Art. 3 OECD-MA Rz. 75 mit Blick auf den Wortlaut des Art. 3 Abs. 2. Vgl. Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 58. So Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 58.

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F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 105 Art. 3

E. Konsequenzen des MLI MLI. Art. 2 Abs. 2 MLI enthält eine dem Art. 3 Abs. 2 OECD-MA entsprechende Auslegungsvorschrift: 97 „Bei jeder Anwendung dieses Übereinkommens durch eine Vertragspartei des Übereinkommens hat jeder nicht darin bestimmte Ausdruck, sofern der Zusammenhang nichts anderes erfordert, die Bedeutung, die ihm zum jeweiligen Zeitpunkt nach dem einschlägigen unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen zukommt.“. Deutschland hat sich für die Umsetzung dieses Artikels entschieden.1 Da Art. 2 Abs. 2 MLI offenkundig Art. 3 Abs. 2 OECD-MA nachempfunden ist, ist es gerechtfertigt, zur Auslegung dieser Norm auf die Grundsätze des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA zurückzugreifen.2 Lässt sich ein bestimmter Begriff nicht abkommensautonom erschließen, verweist Art. 2 Abs. 2 MLI auf die anzuwenden DBA und damit auf Art. 3 Abs. 2. Art. 3 Abs. 2 verweist wiederum auf das Verständnis nach nationalem Recht. Über diese Verweisungskette ist für die Auslegung des MLI letztlich das innerstaatliche Recht entscheidend.3

F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DBA-Belgien. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Belgien in Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 eine Definition der Ausdrücke „Bundesrepublik Deutschland“, „Belgien“, „ein Vertragsstaat“ und „der andere Vertragsstaat“.

98

Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 DBA-Belgien. „Alle anderen Personenvereinigungen“ werden abweichend vom OECD-MA (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a) nicht als Personen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 DBA-Belgien behandelt. Bei der Frage, ob ein Rechtsträger mit seinen Einkünften oder seinem Vermögen besteuert wird und daher Gesellschaft i.S.d. DBA-Belgien ist, ist die Rechtslage im Ansässigkeitsstaat entscheidend. Die OHG, die KG und die Partenreedereien des in Deutschland geltenden Rechts werden ausdrücklich als Personen aufgeführt.4

99

Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 DBA-Belgien. Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 DBA-Belgien entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.

100

Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 DBA-Belgien. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 DBA-Belgien die innerstaatlich zuständige Behörde (Belgien) bzw. der BMF (Deutschland) bestimmt.

101

Art. 3 Abs. 2 DBA-Belgien. Art. 3 Abs. 2 DBA-Belgien (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.5 Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBA-Belgien jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85).

102

Internationaler Verkehr. Eine Definition des internationalen Verkehrs i.S.d. Art. 8 Abs. 1 DBA-Belgien beinhaltet Art. 3 DBA-Belgien nicht.

103

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-Belgien nicht. Da der Ausdruck im DBA-Belgien nicht verwendet wird, kommt dieser Abweichung zum OECD-MA keine Bedeutung zu.

104

2. Konsequenzen Deutschland, Belgien, Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Deutschland“, „Belgien“ oder „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Belgien), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Belgien maßgeblich.

1 2 3 4 5

OECD, BEPS MLI Position Germany, 2 ff. Lang, SWI 2017, 11, 12. Lang, SWI 2017, 11, 14 f. Vgl. auch Wilke in G/K/G/K, Art. 3 DBA-Belgien Rz. 3. So auch Malinski in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Belgien Rz. 28.

Pohl

215

105

Art. 3 Rz. 106

Allgemeine Begriffsbestimmungen

106

Person. Aus der Erwähnung der OHG, der KG und der Partenreederei in Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 DBA-Belgien soll nach Ansicht der Finanzverwaltung1 folgen, dass diese Gesellschaften in Deutschland auch abkommensberechtigt sind (kritisch hierzu Rz. 44).2

107

Internationaler Verkehr. Da der Begriff des internationalen Verkehrs in Art. 3 DBA-Belgien nicht definiert ist, ist ein Rückgriff auf das jeweilige innerstaatliche Recht zwingend. Aus deutscher Sicht ist insoweit § 5a Abs. 2 EStG maßgeblich (vgl. Rz. 45).

II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA 108

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-China. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-China in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „China“, „Deutschland“, „ein Vertragsstaat“ und „der andere Vertragsstaat“.

109

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d. DBA-China. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-China entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA.

110

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d, e und f DBA-China. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-China entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und d OECD-MA.

111

Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-China. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-China entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017.

112

Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-China. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-China entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. g OECD-MA.

113

Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-China. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-China die staatliche Steuerverwaltung oder ihr Bevollmächtigter (China) bzw. der BMF oder die Behörde, an die es seine Befugnisse delegiert hat (Deutschland), bestimmt.

114

Unternehmen. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA entsprechende Regelung fehlt im DBA-China. Materiellrechtliche Konsequenzen ergeben sich daraus nicht (zur Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA vgl. Rz. 28 ff.).

115

Art. 3 Abs. 2 DBA-China. Art. 3 Abs. 2 DBA-China (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.3 Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBA-China jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85).

116

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-China nicht. Da der Ausdruck im DBA-China nicht verwendet wird, kommt dieser Abweichung zum OECD-MA keine Bedeutung zu. 2. Konsequenzen

117

Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen den Begriff „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-China), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-China maßgeblich.

118

Internationaler Verkehr. Zu den Unterschieden zwischen der Definition des internationalen Verkehrs nach dem OECD-MA 2017 und früheren OECD-MA vgl. Rz. 46 ff.

III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA 119

Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DBA-Frankreich. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Frankreich in Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 eine Definition der Ausdrücke „Frankreich“ und „Bundesrepublik“.

1 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258 (Anlage „Belgien“). 2 Vgl. auch C. Schmidt, IStR 2010, 413 (416). 3 Vgl. Hackemann/Pfaar in Wassermeyer, Art. 3 DBA-China Rz. 10.

216

Pohl

F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 135 Art. 3

Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 DBA-Frankreich. Abweichend vom OECD-MA fallen Personenvereinigungen (und Vermögensmassen) nur dann unter den Begriff der Person, wenn sie als solche wie eine juristische Person der Besteuerung unterliegen (vgl. Art. 2 Nr. 3 Buchst. b DBA-Frankreich). Eine Definition des Ausdrucks „Gesellschaft“ findet sich anders als im OECD-MA (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) im DBA-Frankreich nicht.

120

Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 DBA-Frankreich. Im OECD-MA wird die Ansässigkeit einer Person (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 DBA-Frankreich) in Art. 4 definiert (vgl. Art. 4 Rz. 138 ff.).

121

Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 DBA-Frankreich. Abweichend vom OECD-MA beinhaltet Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 DBAFrankreich eine Definition des Ausdrucks „tatsächliche Geschäftsleitung“. Die Definition entspricht dem innerstaatlichen Begriff der Geschäftsleitung in § 10 AO.

122

Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 DBA-Frankreich. Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 DBA-Frankreich ist abweichend von Art. 3 Abs. 1 Buchst. h OECD-MA „Unternehmen“ im Sinne des Abkommens nur ein gewerbliches Unternehmen.

123

Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBA-Frankreich. Im OECD-MA wird die Betriebsstätte (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBAFrankreich) in Art. 5 definiert.

124

Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 DBA-Frankreich. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f werden als zuständige Behörden nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 DBA-Frankreich das Ministère de Finances (Frankreich) bzw. der BMF (Deutschland) bestimmt.

125

Art. 2 Abs. 2 DBA-Frankreich. Art. 2 Abs. 2 DBA-Frankreich (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.1 Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBA-Frankreich jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85).

126

Internationaler Verkehr. Eine Definition des internationalen Verkehrs i.S.d. Art. 6 Abs. 1 DBA-Frankreich beinhaltet Art. 3 DBA-Frankreich nicht.

127

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-Frankreich nicht. Hinsichtlich der Art. 9, 10 und 15 DBAFrankreich wird der Ausdruck jedoch in einem Zusatzprotokoll v. 31.3.2015 zum DBA Frankreich definiert.

128

2. Konsequenzen Frankreich, Bundesrepublik. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Frankreich“ oder „Bundesrepublik“ verwenden (vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1 DBA-Frankreich), ist Art. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 DBA-Frankreich maßgeblich.

129

Person. Personenvereinigungen, die wie die Personengesellschaften nur transparent besteuert werden, fallen nicht unter den Begriff der Person i.S.d. DBA-Frankreich.2

130

Gewerblichkeit. Wann ein Unternehmen gewerblich tätig ist, sagt das DBA-Frankreich nicht. Zurückzugreifen ist daher auf das innerstaatliche Recht (Art. 2 Abs. 2 DBA-Frankreich).

131

Internationaler Verkehr. Da der Begriff des internationalen Verkehrs in Art. 3 DBA-Frankreich nicht definiert ist, ist ein Rückgriff auf das jeweilige innerstaatliche Recht zwingend. Aus deutscher Sicht ist insoweit § 5a Abs. 2 EStG maßgeblich (vgl. Rz. 45).

132

IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Großbritannien. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBAGroßbritannien in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Großbritannien Definitionen der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Deutschland“ und „Vereinigtes Königreich“.

133

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Großbritannien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Großbritannien entspricht wörtlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b OECD-MA.

134

Art. 3 Abs. 1 Buchst. f und g DBA-Großbritannien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f und g DBA-Großbritannien entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. c bzw. h OECD-MA.

135

1 Vgl. hierzu Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 22 ff. 2 Vgl. Wilke in G/K/G/K, Art. 3 DBA-Frankreich Rz. 3.

Pohl

217

Art. 3 Rz. 136

Allgemeine Begriffsbestimmungen

136

Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Großbritannien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Großbritannien entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.

137

Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Großbritannien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Großbritannien entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017 (vgl. Rz. 46). Anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA a.F. setzt Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Großbritannien ein Unternehmen eines Vertragsstaates voraus. Hierbei handelt es sich um ein Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Großbritannien).

138

Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Großbritannien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. j Doppelbuchst. aa DBA-Großbritannien stellt anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. g OECD-MA nicht auf die deutsche Staatsangehörigkeit sondern auf alle Deutschen im Sinne des Grundgesetzes ab. Art. 3 Abs. 1 Buchst. j Doppelbuchst. bb DBA-Großbritannien erfasst neben dem (Staats-)Bürger auch die britischen Untertanen, sofern sie das Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich besitzen; diese dürfen jedoch nicht die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes oder Gebiets des Commonwealth besitzen.

139

Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Großbritannien. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Großbritannien der BMF oder die Behörde, an die es seine Befugnisse delegiert hat (Deutschland), bzw. die „Commissioners für Her Majesty’s Revenue ans Customs“ oder ihre bevollmächtigten Vertreter (Großbritannien) bestimmt.

140

Art. 3 Abs. 2 DBA-Großbritannien. Art. 3 Abs. 2 DBA-Großbritannien (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBAGroßbritannien jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85.

141

Internationaler Verkehr. Zu den Unterschieden zwischen der Definition des internationalen Verkehrs nach dem OECD-MA 2017 und früheren OECD-MA vgl. Rz. 46 ff.

142

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-Großbritannien nicht. Da der Ausdruck im DBA-Großbritannien nicht verwendet wird, kommt dieser Abweichung zum OECD-MA keine Bedeutung zu. 2. Konsequenzen

143

Vertragsstaat, Deutschland, Vereinigtes Königreich. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Vertragsstaat“, „Deutschland“ oder „Vereinigtes Königreich“ verwenden, ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Großbritannien maßgeblich.

144

Internationaler Verkehr. Ist der Unternehmer in einem Vertragsstaat ansässig, hat er den Ort der Geschäftsleitung aber in einem Drittstaat, steht dies der Annahme eines „internationalen Verkehrs“ i.S.d. DBA-Großbritannien nicht entgegen.

145

Staatsangehöriger. Zu den Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Großbritannien gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die in Art. 116 GG genannten „Deutschen“ bzw. – unter den genannten Voraussetzungen – die britischen Untertanen.

V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA 146

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Indien. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Indien in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „Bundesrepublik Deutschland“, „Republik Indien“ und „ein Vertragsstaat“ bzw. „der andere Vertragsstaat“.

147

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Indien. Abweichend vom OECD-MA werden andere Rechtsträger nur dann zu den Personen gerechnet, wenn sie nach den in dem betreffenden Vertragsstaat geltenden Steuergesetzen als Steuersubjekte angesehen werden (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Indien). Gesellschaften wiederum sind (auch) Rechtsträger, die nach den in dem betreffenden Vertragsstaat geltenden Steuergesetzen als Steuersubjekte behandelt werden (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Indien).

148

Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Indien. Im Unterschied zum OECD-MA, in dem der Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ in Art. 6 Abs. 2 definiert wird, enthält das DBA-Indien diese Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f.

218

Pohl

F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 164 Art. 3

Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Indien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Indien entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.

149

Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Indien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h Doppelbuchst. i DBA-Indien spricht anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. j OECD-MA von Deutschen i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG.

150

Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Indien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Indien entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017 (vgl. Rz. 46).

151

Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Indien. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Indien der BMF (Deutschland) bzw. das Central Government in the Ministry of Finance oder sein bevollmächtigter Vertreter (Indien) bestimmt.

152

Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Indien. In Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Indien wird der Begriff „Steuerjahr“ definiert. Eine vergleichbare Regelung enthält das OECD-MA nicht. Notwendig ist die Definition, da das indische Steuerjahr vom 1.4. bis 31.3. des Folgejahres läuft.1

153

Art. 3 Abs. 1 Buchst. l DBA-Indien. Im Unterschied zum OECD-MA, in dem der Ausdruck „Steuer“ in Art. 2 definiert wird, enthält das DBA-Indien diese Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. l.

154

Art. 3 Abs. 2 DBA-Indien. Art. 3 Abs. 2 DBA-Indien (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.2 Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBA-Indien jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85).

155

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-Indien nicht. Da der Ausdruck im DBA-Indien jedoch nicht verwendet wird, kommt dieser Abweichung zum OECD-MA keine Bedeutung zu.

156

2. Konsequenzen Deutschland, Indien, Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Deutschland“, „Indien“ oder „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Indien), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Indien anzuwenden.

157

Personen. Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist beispielsweise eine ausländische Personengesellschaft, die in Indien wie eine Körperschaft besteuert wird, Gesellschaft. Behandelt auch Indien den Rechtsträger nicht wie ein Steuersubjekt, kann er nicht als Person i.S.d. Abkommens verstanden werden.3

158

Steuerjahr. Sofern das DBA-Indien den Begriff des Steuerjahres verwendet (vgl. Art. 15 Abs. 2 Buchst. a DBA-Indien), ist die Definition des Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Indien maßgeblich.

159

Deutsche im Sinne des GG. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Indien gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“.

160

Internationaler Verkehr. Zu den Unterschieden zwischen der Definition des internationalen Verkehrs nach dem OECD-MA 2017 und früheren OECD-MA vgl. Rz. 46 ff.

161

VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Italien. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Italien in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Italienische Republik“ und „Bundesrepublik Deutschland“.

162

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Italien. Die Definitionen der Person (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Italien) und der Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Italien) entsprechen inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b OECD-MA.

163

Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Italien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Italien entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.

164

1 Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Indien Rz. 30. 2 Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Indien Rz. 35. 3 Vgl. hierzu Strauß in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Indien Rz. 7 ff.

Pohl

219

Art. 3 Rz. 165

Allgemeine Begriffsbestimmungen

165

Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Italien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Italien entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017 (vgl. Rz. 46).

166

Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Italien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h Doppelbuchst. ii DBA-Italien spricht anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. j OECD-MA von Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG.

167

Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Italien. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Italien das FinMin. (Italien) bzw. der BMF (Deutschland) bestimmt.

168

Art. 3 Abs. 2 DBA-Italien. Art. 3 Abs. 2 DBA-Italien (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.1 Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBA-Italien jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85).

169

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-Italien nicht. Da der Ausdruck im DBA-Italien nicht verwendet wird, kommt dieser Abweichung zum OECD-MA keine Bedeutung zu. 2. Konsequenzen

170

Vertragsstaat, Italien, Deutschland. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Vertragsstaat“, „Italien“ oder „Deutschland“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Italien), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Italien anzuwenden.

171

Internationaler Verkehr. Zu den Unterschieden zwischen der Definition des internationalen Verkehrs nach dem OECD-MA 2017 und früheren OECD-MA vgl. Rz. 46 ff.

172

Deutsche. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Italien gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“.

VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 173

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Japan. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Japan in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „Bundesrepublik“, „Japan“, „ein Vertragsstaat“ und „der andere Vertragsstaat“.

174

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Japan. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Japan entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA.

175

Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Japan. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Japan entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA.

176

Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Japan. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Japan entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA.

177

Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Japan. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Japan entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. h OECD-MA.

178

Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Japan. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Japan entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.

179

Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Japan. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Japan entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA.

180

Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Japan. Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Japan entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. g OECD-MA.

181

Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Japan. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Japan der BMF (Deutschland) bzw. der FinMin. oder sein bevollmächtigter Vertreter (Japan) bestimmt.

182

Art. 3 Abs. 2 DBA-Japan. Art. 3 Abs. 2 DBA-Japan (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vor1 Vgl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Italien Rz. 12.

220

Pohl

F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 194 Art. 3

gaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBA-Japan jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85). Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-Japan nicht. Da der Ausdruck im DBA-Japan nicht verwendet wird, kommt dieser Abweichung zum OECD-MA keine Bedeutung zu.

183

2. Konsequenzen Deutschland, Japan, Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Deutschland“, „Japan“ oder „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. Art. 6 Abs. 1 DBA-Japan), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBAJapan maßgeblich.

184

Deutsche, Vereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Japan gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“. Zu den japanischen Staatsangehörigen zählen anders als nach dem OECD-MA sämtliche Gesellschaften im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Japan, die nach japanischem Recht gegründet oder errichtet worden sind.1 Personengesellschaften und andere Personenvereinigungen, die diesen Anforderungen nicht genügen, fallen nicht unter Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Japan.

185

VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Kanada. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Kanada in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „Kanada“, „Bundesrepublik Deutschland“, „Vertragsstaat“ und „der andere Vertragsstaat“.

186

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Kanada. Abweichend vom OECD-MA werden „alle anderen Personenvereinigungen“ nicht als Personen i.S.d. DBA-Kanada behandelt.

187

Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Kanada. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Kanada entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.

188

Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Kanada. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g Doppelbuchst. bb DBA-Kanada spricht anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. j OECD-MA von Deutschen im Sinne des GG.

189

Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Kanada. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA 190 werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Kanada der Minister of National Revenue oder sein bevollmächtigter Vertreter (Kanada) bzw. der BMF oder sein Vertreter (Deutschland) bestimmt. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Kanada. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Kanada entspricht im Wesentlichen Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017 (vgl. Rz. 46). Anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA setzt Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Kanada jedoch ein Unternehmen eines Vertragsstaats voraus. Hierbei handelt es sich um ein Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Kanada).

191

Art. 3 Abs. 2 DBA-Kanada. Art. 3 Abs. 2 DBA-Kanada (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBA-Kanada jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85).

192

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-Kanada nicht. Da der Ausdruck im DBA-Kanada nicht verwendet wird, kommt dieser Abweichung zum OECD-MA keine Bedeutung zu.

193

2. Konsequenzen Kanada, Deutschland, Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Kanada“, „Deutschland“ oder „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Kanada), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Kanada maßgeblich.

1 Vgl. Wilke in G/K/G/K, Art. 3 DBA-Japan Rz. 5.

Pohl

221

194

Art. 3 Rz. 195

Allgemeine Begriffsbestimmungen

195

Person. Rechtsträger, die wie die Personengesellschaften aus deutscher Sicht keine Gesellschaften sind, sind keine Personen i.S.d. DBA-Kanada.1

196

Deutsche. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Kanada gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 GG genannten Personen.

197

Internationaler Verkehr. Ist der Unternehmer in einem Vertragsstaat ansässig, hat er den Ort der Geschäftsleitung aber in einem Drittstaat, steht dies der Annahme eines „internationalen Verkehrs“ i.S.d. DBA-Kanada nicht entgegen. Vgl. im Übrigen zu den Unterschieden zwischen der Definition des internationalen Verkehrs nach dem OECD-MA 2017 und früheren OECD-MA Rz. 46 ff.

IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA 198

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Luxemburg. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Luxemburg 2012 in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Bundesrepublik Deutschland“ und „Luxemburg“.

199

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Luxemburg. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Luxemburg 2012. entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA.

200

Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Luxemburg. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Luxemburg entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA.

201

Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Luxemburg. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA- Luxemburg entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA.

202

Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Luxemburg. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Luxemburg entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. h OECD-MA.

203

Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Luxemburg. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Luxemburg entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.

204

Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Luxemburg. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Luxemburg entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017 (vgl. Rz. 46).

205

Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Luxemburg. Die Definition des Ausdrucks „Staatsangehöriger“ im DBA-Luxemburg (Art. 3 Abs. 1 Buchst. j) entspricht grundsätzlich der Definition im OECD-MA (Art. 3 Abs. 1 Buchst. g). In Bezug auf Deutschland werden jedoch alle Deutschen im Sinne des GG zu den Staatsangehörigen gerechnet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. j, Doppelbuchst. aa DBA-Luxemburg). In Bezug auf Luxemburg wird auf den Begriff der „Staatsbürgerschaft“ verzichtet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. j Doppelbuchst. bb DBALuxemburg).

206

Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Luxemburg. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECDMA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Luxemburg in Deutschland das BMF oder die Behörde, an die es seine Befugnisse delegiert hat (Doppelbuchst. aa) und in Luxemburg der Minister der Finanzen oder sein bevollmächtigter Vertreter bestimmt (Doppelbuchst. bb).

207

Art. 3 Abs. 2 DBA-Luxemburg. Art. 3 Abs. 2 DBA-Luxemburg (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBA-Luxemburg jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85).

208

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-Luxemburg nicht. Da der Ausdruck im DBA-Luxemburg nicht verwendet wird, kommt dieser Abweichung zum OECD-MA keine Bedeutung zu. 2. Konsequenzen

209

Ein Vertragsstaat, der andere Vertragsstaat, Bundesrepublik Deutschland, Luxemburg. Sofern Abkommensnormen einen der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Bundesrepublik Deutschland“ oder „Luxemburg“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Luxemburg), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Luxemburg anzuwenden. 1 W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Kanada Rz. 7.

222

Pohl

F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 224 Art. 3

Staatsangehöriger. Zu den Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Luxemburg gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“.

210

Internationaler Verkehr. Zu den Unterschieden zwischen der Definition des internationalen Verkehrs nach dem OECD-MA 2017 und früheren OECD-MA vgl. Rz. 46 ff.

211

X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Niederlande. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Niederlande in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Deutschland“ und „die Niederlande“.

212

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Niederlande. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Niederlande entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA.

213

Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Niederlande. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Niederlande entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA.

214

Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Niederlande. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Niederlande entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA.

215

Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Niederlande. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Niederlande entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. h OECD-MA.

216

Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Niederlande. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Niederlande entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.

217

Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Niederlande. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Niederlande entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA.

218

Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Niederlande. Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Niederlande definiert das grenzüberschreitende Gewerbegebiet als räumlich abgeschlossenes Gebiet, das sich sowohl auf niederländisches als auch auf deutsches Hoheitsgebiet erstreckt und durch das die gemeinsamen Grenzen der beiden Vertragsstaaten verläuft, sofern die Vertragsstaaten das Gebiet einvernehmlich als grenzüberschreitendes Gewerbegebiet bestimmt haben.1 Eine vergleichbare Norm findet sich im OECD-MA nicht, da der Begriff dort keine Bedeutung hat.

219

Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Niederlande. Die Definition des Ausdrucks „Staatsangehöriger“ im DBANiederlande (Art. 3 Abs. 1 Buchst. k) entspricht grundsätzlich der Definition im OECD-MA (Art. 3 Abs. 1 Buchst. g). In Bezug auf Deutschland werden jedoch alle Deutschen im Sinne des GG zu den Staatsangehörigen gerechnet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. k Doppelbuchst. aa DBA-Niederlande). In Bezug auf die Niederlande wird auf den Begriff der „Staatsbürgerschaft“ verzichtet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. k Doppelbuchst. bb DBA-Niederlande).

220

Art. 3 Abs. 1 Buchst. l DBA-Niederlande. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECDMA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. l DBA-Niederlande in Deutschland das BMF oder die Behörde, an die es seine Befugnisse delegiert hat (Doppelbuchst. aa) und in den Niederlanden der Finanzminister oder sein bevollmächtigter Vertreter bestimmt (Doppelbuchst. bb).

221

Art. 3 Abs. 2 DBA-Niederlande. Art. 3 Abs. 2 DBA-Niederlande (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBA-Niederlande jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85).

222

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich in Art. 3 DBA-Niederlande nicht. Eine Definition findet sich jedoch in Nr. VIII Abs. 1 des Schlussprotokolls (vgl. hierzu ausführlich Art. 10 Rz. 371).

223

2. Konsequenzen Ein Vertragsstaat, der andere Vertragsstaat, Deutschland, die Niederlande. Sofern Abkommensnormen einen der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Deutschland“ oder „die Niederlande“ 1 Vgl. im Einzelnen Mick in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Niederlande Rz. 33a ff.

Pohl

223

224

Art. 3 Rz. 224

Allgemeine Begriffsbestimmungen

verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b DBA-Niederlande anzuwenden. 225

Grenzüberschreitendes Gewerbegebiet. Sofern das DBA-Niederlande den Begriff des grenzüberschreitenden Gewerbegebiets verwendet (vgl. z.B. Art. 14 Abs. 3 DBA-Niederlande), ist die Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Niederlande maßgeblich.

226

Staatsangehöriger. Zu den Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Niederlande gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“.

XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA 227

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Österreich. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Österreich in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Bundesrepublik Deutschland“ und „Republik Österreich“.

228

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Österreich. Die Definitionen der Person (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBAÖsterreich) und der Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Österreich) entsprechen wörtlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b OECD-MA.

229

Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Österreich. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Österreich entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.

230

Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Österreich. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Österreich entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017 (vgl. Rz. 46).

231

Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Österreich. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Österreich spricht anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. j von Deutschen im Sinne des Art. 116 GG.

232

Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Österreich. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECDMA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Österreich das BMF oder die Behörde, auf die es seine Befugnisse delegiert hat (Deutschland), bzw. den Bundesminister der Finanzen oder dessen bevollmächtigter Vertreter (Österreich) bestimmt.

233

Art. 3 Abs. 2 DBA-Österreich. Art. 3 Abs. 2 DBA-Österreich (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBA-Österreich jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85).

234

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-Österreich nicht. Da der Ausdruck im DBA-Österreich nicht verwendet wird, kommt dieser Abweichung zum OECD-MA keine Bedeutung zu. 2. Konsequenzen

235

Vertragsstaat, Deutschland, Österreich. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Vertragsstaat“, „Deutschland“ oder „Österreich“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Österreich), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Österreich anzuwenden.

236

Staatsangehöriger. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Österreich gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 GG genannten „Deutschen“.

237

Internationaler Verkehr. Zu den Unterschieden zwischen der Definition des internationalen Verkehrs nach dem OECD-MA 2017 und früheren OECD-MA vgl. Rz. 46 ff.

XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA 238

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Russland in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a eine Definition der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“ und „der andere Vertragsstaat“.

224

Pohl

F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 252 Art. 3

Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c DBA-Russland. Die Definitionen der Person (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b DBARussland) und der Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c DBA-Russland) entsprechen trotz sprachlicher Unterschiede inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b OECD-MA.1

239

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Russland. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Russland ist abweichend von Art. 3 Abs. 1 Buchst. h „Unternehmen“ im Sinne des Abkommens nur ein gewerbliches Unternehmen. Aus der unterschiedlichen Wortwahl „ausgeübt“ anstelle von „betrieben“ ergeben sich keine inhaltlichen Abweichungen.

240

Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Russland. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Russland entspricht im Wesentlichen Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017 (vgl. Rz. 46). Anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA a.F. setzt Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Russland ein Unternehmen eines Vertragsstaates voraus. Hierbei handelt es sich um ein Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person ausgeübt wird (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Russland).

241

Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Russland. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Russland das Ministerium der Finanzen oder eine von ihm ermächtigte Behörde (Russland) bzw. das BMF oder eine von ihm ermächtigte Behörde (Deutschland) bestimmt.

242

Art. 3 Abs. 2 DBA-Russland. Art. 3 Abs. 2 DBA-Russland (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBA-Russland jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85).

243

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-Russland nicht. Da der Ausdruck im DBA-Russland nicht verwendet wird, kommt dieser Abweichung zum OECD-MA keine Bedeutung zu.

244

2. Konsequenzen Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen den Begriff „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Russland), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland maßgeblich.

245

Unternehmen eines Vertragsstaats. Wann ein Unternehmen gewerblich tätig ist, sagt das DBA-Russland nicht. Zurückzugreifen ist daher auf das innerstaatliche Recht (Art. 2 Abs. 2 DBA-Russland).

246

Internationaler Verkehr. Ist der Unternehmer in einem Vertragsstaat ansässig, hat er den Ort der Geschäftsleitung aber in einem Drittstaat, steht dies der Annahme eines „internationalen Verkehrs“ i.S.d. DBA-Russland nicht entgegen.2 Zu den Unterschieden zwischen der Definition des internationalen Verkehrs nach dem OECD-MA 2017 und früheren OECD-MA vgl. Rz. 46 ff.

247

XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Schweiz. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Schweiz in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bis c Definitionen der Ausdrücke „Bundesrepublik Deutschland“, „Schweiz“, „ein Vertragsstaat“ und „der andere Vertragsstaat“.

248

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Schweiz. „Alle anderen Personenvereinigungen“ werden abweichend vom OECD-MA nicht als Personen i.S.d. DBA-Schweiz behandelt. Im Übrigen entsprechen die Definitionen der Person (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Schweiz) und der Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBASchweiz) inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b OECD-MA.

249

Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Schweiz. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Schweiz entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.

250

Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Schweiz. Im Unterschied zum OECD-MA, in dem der Ausdruck „Steuer“ in Art. 2 definiert wird, enthält das DBA-Schweiz diese Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. g.

251

Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Schweiz. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Schweiz spricht anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. j OECD-MA von Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG.

252

1 Vgl. Wagner in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Russland Rz. 4. 2 Vgl. Wilke in G/K/G/K, Art. 3 DBA-Russland Rz. 8.

Pohl

225

Art. 3 Rz. 253

Allgemeine Begriffsbestimmungen

253

Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Schweiz. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Schweiz der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen bzw. der Direktor der Eidgenössischen Steuerverwaltung oder sein bevollmächtigter Vertreter genannt. Die Bezeichnung des deutschen Ministeriums ist überholt und nunmehr zu verstehen als BMF.1

254

Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBA-Schweiz jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85).

255

Internationaler Verkehr. Abweichend von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA ist der Ausdruck „internationaler Verkehr“ i.S.d. Art. 8 Abs. 1 DBA-Schweiz nicht definiert.

256

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-Schweiz nicht. Da der Ausdruck im DBA-Schweiz nicht verwendet wird, kommt dieser Abweichung zum OECD-MA keine Bedeutung zu. 2. Konsequenzen

257

Deutschland, Schweiz, Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Deutschland“, „Schweiz“ oder „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Schweiz anzuwenden.

258

Person. Rechtsträger, die wie die Personengesellschaften aus deutscher Sicht keine Gesellschaften sind, sind keine Personen i.S.d. DBA-Schweiz.2

259

Staatsangehöriger. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Schweiz gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“.

260

Internationaler Verkehr. Da der Begriff des internationalen Verkehrs in Art. 3 DBA-Schweiz nicht definiert ist, ist ein Rückgriff auf das jeweilige innerstaatliche Recht zwingend. Aus deutscher Sicht ist insoweit § 5a Abs. 2 EStG maßgeblich (vgl. Rz. 45).

XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA 261

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Spanien in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a eine Definition der Ausdrücke „Bundesrepublik“, „Spanien“, „ein Vertragsstaat“ und „der andere Vertragsstaat“.

262

Art. 3 Abs. 1 Buchst. b DBA-Spanien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b DBA-Spanien entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA.

263

Art. 3 Abs. 1 Buchst. c DBA-Spanien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c DBA-Spanien entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA.

264

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Spanien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Spanien entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA.

265

Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Spanien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Spanien entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. d.

266

Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien. Die Definition des „internationalen Verkehrs“ nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien entspricht grundsätzlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017. Anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA ist jedoch die Rede von einem „Beförderungsmittel jeder Art“.

267

Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Spanien. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Spanien in Spanien der Minister für

1 Vgl. Hardt in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Schweiz Rz. 59. 2 Vgl. Wilke in G/K/G/K, Art. 3 DBA-Schweiz Rz. 3.

226

Pohl

F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 279 Art. 3

Wirtschaft und Finanzen oder sein Bevollmächtigter (Buchst. i) und in Deutschland das BMF oder die Behörde, an die es seine Befugnisse delegiert hat (Buchst. ii), bestimmt. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Spanien. Die Definition des Ausdrucks „Staatsangehöriger“ im DBA-Spanien (Art. 3 Abs. 1 Buchst. h) entspricht grundsätzlich der Definition im OECD-MA (Art. 3 Abs. 1 Buchst. g). In Bezug auf Deutschland werden jedoch alle Deutschen im Sinne des GG zu den Staatsangehörigen gerechnet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h Buchst. i DBA-Spanien). In Bezug auf Spanien wird auf den Begriff der „Staatsbürgerschaft“ verzichtet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h Doppelbuchst. ii DBA-Spanien).

268

Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Spanien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Spanien entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. h OECD-MA.

269

Art. 3 Abs. 2 DBA-Spanien. Art. 3 Abs. 2 DBA-Spanien (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. Der durch das OECD-MA 2017 eingefügte Satzteil „oder sich die Behörden nach den Vorgaben gemäß Artikel 25 auf eine abweichende Bedeutung verständigen“ findet sich im DBA-Spanien jedoch nicht. Die Anwendung der Norm wird dadurch grds. nicht beeinflusst (vgl. Rz. 85).

270

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-Spanien nicht. Im Protokoll zum DBA zu Art. 17 Abs. 3 DBA-Spanien wird jedoch der Ausdruck „Pensionsfonds“ erwähnt. Gleichzeitig wird jedoch auf das Begriffsverständnis nach § 1b Abs. 3 BetrAVG verwiesen. Die fehlende Definition des anerkannten Pensionsfonds wirkt sich deshalb nicht aus.

271

2. Konsequenzen Deutschland, Spanien, Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Deutschland“, „Spanien“ oder „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Spanien 2011), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien anzuwenden.

272

Internationaler Verkehr. Anders als nach dem OECD-MA können neben den Schiffen und Luftfahrzeugen auch andere Beförderungsmittel einen „internationalen Verkehr“ begründen. Zu den Unterschieden zwischen der Definition des internationalen Verkehrs nach dem OECD-MA 2017 und früheren OECD-MA vgl. Rz. 46 ff.

273

Staatsangehöriger. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Spanien gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“.

274

XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-USA. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-USA in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Vereinigte Staaten“ und „Bundesrepublik Deutschland“.

275

Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-USA. „Alle anderen Personenvereinigungen“ werden abweichend vom OECD-MA nicht als Personen i.S. des DBA-USA behandelt. Im Übrigen entsprechen die Definitionen der Person (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-USA) und der Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-USA) inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b OECD-MA.

276

Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-USA. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-USA entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.

277

Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-USA. Anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA (vor der Änderung durch das OECD-MA 2017; hierzu Rz. 46) setzt Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-USA nicht voraus, dass ein Unternehmen mit einer tatsächlichen Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat vorhanden ist. Der Grund hierfür liegt darin, dass das US-Recht den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung nicht als Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht kennt.1

278

Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-USA. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h Doppelbuchst. bb DBA-USA spricht anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. j OECD-MA von Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG.

279

1 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 3 DBA-USA Rz. 29.

Pohl

227

Art. 3 Rz. 280

Allgemeine Begriffsbestimmungen

280

Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-USA. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-USA der Secretary of the Treasury oder sein Vertreter (USA) bzw. der BMF oder sein Vertreter (Deutschland) bestimmt.

281

Art. 3 Abs. 2 DBA-USA. Nach Art. 3 Abs. 2 DBA-USA (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.

282

Anerkannter Pensionsfonds. Eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. i OECD-MA entsprechende Definition des „anerkannten Pensionsfonds“ findet sich im DBA-USA nicht. Das DBA-USA definiert den Ausdruck jedoch in Art. 10 Abs. 11 DBA-USA eigenständig.1 Vgl. insoweit Art. 10 Rz. 489. 2. Konsequenzen

283

Vertragsstaat, USA, Deutschland. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Vertragsstaat“, „USA“ oder „Deutschland“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-USA) ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBAUSA anzuwenden.

284

Person. Rechtsträger, die üblicherweise unter den Begriff der „anderen Personenvereinigung“ subsumiert werden, müssen die Voraussetzungen der Gesellschaft i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e und f DBA-USA erfüllen, um abkommensberechtigt zu sein.

285

Internationaler Verkehr. Gewinne und Vermögen eines von einer amerikanischen Körperschaft betriebenen internationalen Verkehrsunternehmens können nach dem Abkommen auch dann nur in den USA besteuert werden, wenn die Gesellschaft ihre tatsächliche Geschäftsleitung in einem Drittstaat hat.2 Im Übrigen vgl. zu den Unterschieden zwischen der Definition des internationalen Verkehrs nach dem OECD-MA 2017 und früheren OECD-MA Rz. 46 ff.

286

Staatsangehöriger. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-USA gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“.

1 BMF v. 12.4.2012 – IV B 5-S 1301-USA/09/10001 – DOK 2012/0136086, BStBl. I 2012, 517. 2 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 3 DBA-USA Rz. 29.

228

Pohl

Artikel 4 Ansässige Person (1)1 1Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ eine Person, die nach dem Recht dieses Staats dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Orts ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, und umfasst auch diesen Staat und seine Gebietskörperschaften sowie einen anerkannten Pensionsfonds dieses Vertragsstaats. 2Der Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist. (2) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt Folgendes: a) Die Person gilt als nur in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen); b) kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; c) hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der Staaten, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist; d) ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, so regeln die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Frage in gegenseitigem Einvernehmen. (3)2 1Ist nach Absatz 1 eine andere als eine natürliche Person in mehr als einem Vertragsstaat ansässig, so werden sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bemühen, durch Verständigung den Vertragsstaat zu bestimmen, in dem diese Person unter Berücksichtigung des Orts ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung, ihres Gründungsorts sowie sonstiger maßgeblicher Faktoren im Sinne dieses Abkommens als ansässig gilt. 2Ohne eine solche Verständigung hat diese Person keinen Anspruch auf die im Abkommen vorgesehenen Steuerentlastungen oder -befreiungen, außer in dem Ausmaß und in der Art, die von den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten vereinbart worden sind. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . 1. Überschrift der Vorschrift . . . . . . . . . . . 2. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Abs. 2) . . . . . . . . . 4. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf andere als natürliche Personen (Abs. 3) . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 10 13 13 14 15 16 17 17 18 20 22 22

II. (Unbeschränkte) Steuerpflicht (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anknüpfungspunkte der Steuerpflicht . . . a) Wohnsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ständiger Aufenthalt . . . . . . . . . . c) Ort der Geschäftsleitung . . . . . . . . d) Anderes ähnliches Merkmal . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . bb) Einzelne Merkmale . . . . . . . . . 4. Verknüpfung der Steuerpflicht mit den Ansässigkeitsmerkmalen . . . . . . . . . . 5. Der Staat und seine Gebietskörperschaften als ansässige Personen . . . . . . . . . . . . 6. Pensionsfonds als ansässige Personen . . . III. Quellensteuerrecht (Abs. 1 Satz 2) . . . . . C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Abs. 2) . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . .

23 23 24 30 30 35 38 42 42 43

.

51

. . .

52 55 57

. .

61 61

1 Art. 4 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. ist eine inoffizielle Übersetzung der ursprünglichen OECD-Version, die in englischer Sprache unter dem Titel Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017, OECD Publishing, Paris unter https://doi.org/10.1787/20745419 abrufbar ist. In Zweifelsfällen ist die ursprüngliche, englische Fassung maßgeblich. 2 Art. 4 Abs. 3 ist eine inoffizielle Übersetzung der ursprünglichen OECD-Version, die in englischer Sprache unter dem Titel Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017, OECD Publishing, Paris unter https://doi.org/10.1787/20745419 abrufbar ist. In Zweifelsfällen ist die ursprüngliche, englische Fassung maßgeblich.

Pohl

229

Art. 4 Rz. 1

Ansässige Person

II. Verfügen über eine ständige Wohnstätte (Buchst. a Halbs. 1) . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wohnstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Ständige“ Wohnstätte . . . . . . . . . . . . 4. „Verfügen“ über eine ständige Wohnstätte . III. Mittelpunkt der Lebensinteressen (Buchst. a Halbs. 2) . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persönliche und wirtschaftliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gewöhnlicher Aufenthalt (Buchst. b) . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Gewöhnlicher“ Aufenthalt . . . . . . . . . . V. Staatsangehörigkeit (Buchst. c) . . . . . . . . VI. Regelung im gegenseitigen Einvernehmen (Buchst. d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf andere als natürliche Personen (Abs. 3) . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eine andere als eine natürliche Person . . . . IV. Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Relevante Kriterien für eine Verständigung . 1. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung . . . . 2. Gründungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige maßgebliche Faktoren . . . . . . . . VI. Rechtsfolgen einer fehlenden Verständigung E. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . . F. Konsequenzen des MLI . . . . . . . . . . . G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . .

63 63 68 69 75 76 76 79 82 84 84 90 91 95 96 101 101 102 106 107 113 113 117 119 121 125 126 127 127 127 131 133 133

2. III. 1. 2. IV. 1. 2. V. 1. 2. VI. 1. 2. VII. 1. 2. VIII. 1. 2. IX. 1. 2. X. 1. 2. XI. 1. 2. XII. 1. 2. XIII. 1. 2. XIV. 1. 2. XV. 1. 2.

Konsequenzen . . . . . . . . . . Frankreich . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Großbritannien . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Indien . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Italien . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Japan . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Kanada . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Luxemburg . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Niederlande . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Russland . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . Spanien . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . .

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136 138 138 141 143 143 147 149 149 152 154 154 158 160 160 163 164 164 168 169 169 172 173 173 178 182 182 185 187 187 190 192 192 197 199 199 203 204 204 208

OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: https://doi.org/10.1787/20745419.

KOMMENTIERUNG ZU ART. 4 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck 1

Definition der Ansässigkeit. Art. 4 legt fest, ob und in welchem Vertragsstaat eine Person ansässig ist. Bedeutung hat dies für zahlreiche Abkommensartikel (vgl. Rz. 2 ff. und 17 ff.) sowie für Regelungen des innerstaatlichen Rechts (vgl. Rz. 8 und 20) und des EU-Rechts (vgl. Rz. 9 und 19).

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Pohl

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 10 Art. 4

Abkommensberechtigung. Nach Art. 1 gilt das Abkommen für Personen, die in einem oder beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Für die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs eines Abkommens muss daher die abkommensrechtliche Ansässigkeit der jeweils betrachteten Person hinzukommen (vgl. auch Art. 1 Rz. 1 OECD-MK). Liegt die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat vor, kommt eine Einschränkung der Abkommensberechtigung nur noch durch besondere DBA-Klauseln1 in Betracht.

2

Bestimmung des „Unternehmens eines Vertragsstaates“. Für eine Reihe von DBA-Regeln2 kommt es darauf an, ob ein Unternehmen des einen oder des anderen Vertragsstaates vorliegt. Ausgehend von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d ist hierfür entscheidend, wo die Person, die das Unternehmen betreibt (sog. Unternehmer), ansässig ist. Dies ergibt sich aus Art. 4.

3

Verteilung des Besteuerungsrechts. Die Verteilungsartikel (Art. 6–22) des OECD-MA sind maßgeblich durch das Ansässigkeitsprinzip geprägt.3 Nur Ausnahmsweise erhält der Quellenstaat das Besteuerungsrecht, wenn die Einkünfteerzielung mit einer besonders intensiven Inanspruchnahme der Infrastruktur des anderen Staates einhergeht. Die Festlegung der Ansässigkeit ist daher maßgeblich für die Zuweisung des Besteuerungsrechts. Erzielt eine Person beispielsweise Einkünfte, die in den Art. 6 bis 20 nicht behandelt werden, darf nach Art. 21 Abs. 1 nur der Ansässigkeitsstaat diese Einkünfte besteuern (s. Art. 21 Rz. 17 ff.).

4

Anwendung des Methodenartikels. Die Ansässigkeit hat ebenfalls Relevanz für die Anwendung der Methodenartikel. Es ist Sache des Ansässigkeitsstaates, die Doppelbesteuerung durch die Anwendung der Freistellungs- bzw. Anrechnungsmethode zu vermeiden, wenn Einkünfte in beiden Staaten besteuert werden dürfen (vgl. Art. 23A/B Rz. 1 ff.).4

5

Gleichbehandlung. Die Frage der Ansässigkeit ist auch im Rahmen des abkommensrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes von entscheidender Bedeutung. Nach Art. 24 Abs. 5 dürfen Unternehmen eines Vertragsstaates, deren Kapital ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person oder mehreren solchen Personen gehört oder ihrer Kontrolle unterliegt, im erstgenannten Staat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist, als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen andere ähnliche Unternehmen des erstgenannten Staates unterworfen sind oder unterworfen werden können (vgl. Art. 24 Rz. 148 ff.).

6

Verständigungsverfahren. Die Bestimmung der Ansässigkeit hat letztlich auch für die Einleitung eines Verständigungsverfahrens Bedeutung. Nach Art. 25 Abs. 1 ist der Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens grundsätzlich bei der zuständigen Behörde des Ansässigkeitsstaates einzureichen (vgl. Art. 25 Rz. 73 ff.). Wird in dem falschen Vertragsstaat ein Antrag gestellt, dürfte dieser zwar im Regelfall an den Ansässigkeitsstaat von Amts wegen weitergeleitet werden. Für die Fristwahrung (vgl. Art. 25 Abs. 1 Satz 2) ist dennoch entscheidend, ob der Antrag rechtzeitig vor Anlauf der Frist bei der zuständigen Behörde des Ansässigkeitsstaates eingeht.

7

Innerstaatliches Recht. Auch außerhalb von DBA spielt die Ansässigkeit einer Person im abkommensrechtlichen Sinne eine bedeutende Rolle (vgl. z.B. § 1 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AStG, § 12 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG).

8

EU-Recht. Schließlich wird im EU-Recht auf die Ansässigkeit einer Person im abkommensrechtlichen Sinne verwiesen (vgl. z.B. Art. 2 EU-Mutter-Tochter-Richtlinie5; Art. 3 EU-Fusionsrichtlinie6).7

9

II. Aufbau der Vorschrift Definition der Ansässigkeit. Art. 4 Abs. 1 definiert, wann eine Person in einem Vertragsstaat ansässig ist. Entscheidend ist, ob sie dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist.

1 2 3 4 5 6 7

Vgl. z.B. die sog. „Limitation-on-Benefits-Klausel“ des Art. 28 DBA-USA; hierzu auch Art. 1 Rz. 115. Vgl. z.B. Art. 7 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 2. Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 12. Vgl. Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 3. RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. RL 2009/133/EG v. 19.10.2009, ABl. L 310 v. 25.11.2009, 34. Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 15.

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10

Art. 4 Rz. 11

Ansässige Person

11

Doppelte Ansässigkeit einer natürlichen Person. Art. 4 Abs. 2 enthält eine „Tie-breaker“-Regel (Rangfolgeregel)1 für Fälle der doppelten Ansässigkeit einer natürlichen Person. Ist eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so bestimmt die Norm anhand von fünf Kriterien (ständige Wohnstätte, Mittelpunkt der Lebensinteressen, gewöhnlicher Aufenthalt, Staatangehörigkeit, gegenseitiges Einvernehmen) in welchem der beiden Staaten die Person für Abkommenszwecke als (allein) ansässig gilt. Der andere Staat ist dann „automatisch“ der Quellenstaat.2

12

Doppelte Ansässigkeit bei einer anderen als einer natürlichen Person. Art. 4 Abs. 3 enthält für andere als natürliche Personen (Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen; vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a; vgl. hierzu Art. 3 Rz. 15 ff.) eine Komplementärregelung zu Art. 4 Abs. 2. Entscheidend für die (alleinige) Ansässigkeit in einem Vertragsstaat ist das Ergebnis einer Verständigung zwischen den Vertragsstaaten.

III. Rechtsentwicklung 1. Überschrift der Vorschrift 13

Ansässige Person. Art. 4 war bereits im OECD-MA 1963 enthalten. Seit dem OECD-MA 1977 spricht die amtl. Überschrift jedoch nicht mehr vom „steuerlichen Wohnsitz“ sondern allgemeiner von der „ansässigen Person“. Damit trägt das OECD-MA dem Umstand Rechnung, dass die Ansässigkeit nicht nur Folge eines Wohnsitzes sein kann. 2. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Abs. 1)

14

Unbeschränkte Steuerpflicht sowie Staat und Gebietskörperschaften. Im Unterschied zur ursprünglichen Fassung des OECD-MA 1963 ist die Norm in zwei Punkten ergänzt worden. Mit dem OECD-MA 1977 wurde in Art. 4 Abs. 1 OECD-MA 1963 ein Satz angefügt, nach dem Personen, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenen Vermögen steuerpflichtig sind, dort nicht ansässig sind. Eine ganz ähnliche Wendung enthielt vorher bereits Art. 4 Rz. 10 OECD-MK 1963: „Eine natürliche Person gilt jedoch nicht als eine in einem Vertragsstaat ansässige Person im Sinne des Abkommens, wenn sie, auch ohne in diesem Staat einen Wohnsitz zu haben, nach dem innerstaatlichen Recht eine ansässige Person ist, aber nur einer beschränkten Steuerpflicht unterliegt, die lediglich die aus diesem Staat stammenden Einkünfte trifft“. Ob die Änderung deklaratorischer oder konstitutiver Natur ist, ist dennoch umstritten (vgl. hierzu Rz. 57 ff.). Mit dem OECD-MA 1995 wurde Art. 4 Abs. 1 erneut erweitert. In Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 heißt es nunmehr, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Person auch diesen Staat und seine Gebietskörperschaften umfasst. Nach Art. 4 Rz. 8.1 OECD-MK ist diese Änderung nur klarstellender Natur: „Die meisten Mitgliedstaaten waren der Auffassung, dass die Regierung eines Staates und dessen Gebietskörperschaften im Sinne des Abkommens in diesem Staat ansässige Personen sind. Vor 1995 sah das Musterabkommen dies nicht ausdrücklich vor; 1995 wurde Art. 4 geändert, um den Text des Musterabkommens dieser Auslegung anzupassen.“ (zu Einzelheiten dieser Ergänzung vgl. Rz. 52 ff.). Durch das OECD-MA 2017 wurde in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 neu geregelt, dass „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ auch ein Pensionsfonds sein kann. 3. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Abs. 2)

15

Redaktionelle Änderungen. Art. 4 Abs. 2 ist seit 1963 nahezu unverändert geblieben. Ersetzt wurde durch das OECD-MA 1977 der ursprüngliche Begriff „Vertragsstaat“ durch den Begriff „Staat“ und in den Buchstaben a bis c der abschließende Punkt durch ein Semikolon. Geändert wurde zudem die Formulierung des Art. 4 Abs. 2 Buchst. d. Ursprünglich (OECD-MA 1963) hieß es dort: „Besitzt die Person die Staatsangehörigkeit beider Vertragsstaaten oder keines Vertragsstaates, […]“. Seit dem OECD-MA 1977 heißt es stattdessen: „ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, […]“. Insgesamt handelt es sich hierbei nur um redaktionelle Änderungen.3

1 Zum Begriff vgl. Mamut in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 139 (142). 2 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.196. 3 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 12.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 17 Art. 4

4. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf andere als natürliche Personen (Abs. 3) Redaktionelle Änderungen. Seit dem OECD-MA 1963 wurde Art. 4 Abs. 3 durch das OECD-MA 1977 redaktionell angepasst.1 Die Rede war seitdem vom „Staat“ anstelle von „Vertragsstaat“. Durch das OECDMA 2017 ist die OECD wieder zur ursprünglichen Terminologie („Vertragsstaat“) zurückgekehrt. Eine wesentliche (inhaltliche) Änderung fand ebenfalls durch das OECD-MA 2017 statt. Nicht mehr der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung soll für die Lösung (allein) entscheidend sein, sondern das Ergebnis einer Verständigung zwischen den Vertragsstaaten. Die hierfür relevanten Kriterien listet Art. 4 Abs. 3 Satz 1 auf. Die Folgen einer fehlenden Verständigung sind Art. 4 Abs. 3 Satz 2 zu entnehmen.

16

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht Allgemeine Begriffsbestimmung. Art. 4 befindet sich im Abschn. II. (Begriffsbestimmungen) des OECDMA. Die Vorschrift gilt somit für alle Abkommensbestimmungen die auf die Ansässigkeit einer Person abstellen, den Begriff aber nicht selber (abweichend) definieren: – Nach Art. 1 gilt das Abkommen für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind; – Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. d bedeuten die Ausdrücke „Unternehmen eines Vertragsstaats“ und „Unternehmen des anderen Vertragsstaats“, je nachdem, ein Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird, oder ein Unternehmen, das von einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird; – Art. 6 Abs. 1 (Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen) setzt eine in einem Vertragsstaat ansässige Person voraus; – Art. 7 Abs. 1 (Unternehmensgewinne) stellt auf ein Unternehmen eines Vertragsstaats ab. Hierfür ist gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d entscheidend, wo der Unternehmer ansässig ist; – Art. 10 Abs. 1, 4 und 5 (Dividenden) setzt eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft bzw. eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person voraus, – Art. 11 Abs. 1, 4 und 5 (Zinsen) stellt auf eine Person, einen Nutzungsberechtigten bzw. einen Schuldner ab, der im „anderen Vertragsstaat“, in „einem Vertragsstaat“ oder in „diesem Staat“ ansässig ist; – Art. 12 Abs. 1 (Lizenzgebühren) setzt voraus, dass der Nutzungsberechtigte in dem „anderen Vertragsstaat“ ansässig ist; – Art. 13 Abs. 1, 2, 4 und 5 (Veräußerungsgewinne) stellen unmittelbar oder mittelbar auf eine in einem Vertragsstaat ansässige Person ab; – Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 und Abs. 2 (Einkünfte aus unselbständiger Arbeit) weisen – unter den dort beschriebenen Voraussetzungen – dem Vertragsstaat das Besteuerungsrecht zu, wo die Person ansässig ist; – Art. 16 (Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen) verlangt, dass die Person in dem einen und die Gesellschaft in dem anderen Vertragsstaat ansässig sind; – Art. 17 Abs. 1 (Künstler und Sportler) setzt voraus, dass die Person „in dem einen Vertragsstaat“ ansässig ist; – Art. 18 (Ruhegehälter) weist dem Vertragsstaat das Besteuerungsrecht zu, in dem die Person ansässig ist; – Art. 19 Abs. 1 und 2 (Öffentlicher Dienst) setzt voraus, dass die Person in „diesem Staat“ ansässig ist; – Art. 20 (Studenten) setzt voraus, dass der Student, Praktikant oder Lehrling im „anderen Vertragsstaat“ ansässig ist; – Art. 21 Abs. 1 (Andere Einkünfte) weist dem Vertragsstaat das Besteuerungsrecht zu, in dem die Person ansässig ist; – Nach Art. 22 Abs. 4 (Vermögen) können „alle anderen Vermögensteile“ nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, wo die Person ansässig ist; – Art. 23A/B (Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung) setzten eine Person voraus, die in einem Vertragsstaat ansässig ist; – Art. 24 Abs. 1, 2, 4 und 5 (Gleichbehandlung) stellt mehrfach auf die Ansässigkeit einer Person ab;

1 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 13.

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17

Art. 4 Rz. 17

Ansässige Person

– Nach Art. 25 Abs. 1 (Verständigungsverfahren) ist der Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens bei der zuständigen Behörde des Vertragsstaates zu stellen, in dem die Person ansässig ist. 2. EU-Recht 18

EU-Konformität. Art. 4 ist regelungstechnisch eine bloße Hilfsnorm.1 Von ihr geht keine Belastungsentscheidung aus.2 Trotz der auf ersten den Blick nicht unproblematischen Anknüpfung an Merkmale, wie z.B. die Staatsangehörigkeit, sind die abkommensrechtlichen Ansässigkeitsregeln aus diesem Grund europarechtlich unangreifbar.3

19

Einfluss des Art. 4 auf das EU-Recht. Art. 4 hat grundsätzlich keine Bedeutung für das EU-Recht. Dies folgt schon aus den einleitenden Worten des Art. 4 („Im Sinne dieses Abkommens bedeutet […]“). In europäischen Rechtsquellen finden sich daher häufig eigenständige und zum Teil auch abweichende Definitionen der Ansässigkeit (vgl. z.B. Art. 6 GKKB-Richtlinienentwurf). Verweist das EU-Recht auf die Ansässigkeit i.S. eines DBA, sind die Grundsätze des Art. 4 auch insoweit verbindlich (vgl. Rz. 9). Folgende Normen sind insoweit betroffen: – Art. 2 Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. ii EU-Mutter-Tochter-Richtlinie4 (Definition Gesellschaft eines Mitgliedstaats) verlangt für eine „Gesellschaft eines Mitgliedstaates“, dass diese nicht aufgrund eines DBA als außerhalb der Gemeinschaft ansässig betrachtet wird; – Art. 3 Buchst. b EU-Fusionsrichtlinie5 (Definition der Gesellschaft) verlangt für eine „Gesellschaft eines Mitgliedstaates“, dass diese nicht aufgrund eines DBA als außerhalb der Gemeinschaft ansässig betrachtet wird; – Art. 10b Abs. 1 Buchst. b und Art. 10c Abs. 1 Buchst. b EU-Fusionsrichtlinie (Sitzverlegung einer SE oder SCE) stellen darauf ab, dass eine SE oder SCE in einem anderen Mitgliedstaat ansässig wird; – Nach Art. 1 EU-Zinsrichtlinie6 (Zielsetzung) besteht das Ziel der Richtlinie darin, dass Erträge, die in einem Mitgliedstaat im Wege von Zinszahlungen an wirtschaftliche Eigentümer, die natürliche Personen sind und die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, erzielt werden, nach den Rechtsvorschriften dieses letzteren Mitgliedstaats effektiv besteuert werden; – Art. 3 EU-Zinsen und Lizenzgebührenrichtlinie7 (Definition der Gesellschaft) verlangt für ein „Unternehmen eines Mitgliedstaates“ u.a., dass dieses nicht aufgrund eines DBA als außerhalb der Gemeinschaft niedergelassen gilt. Da die DBA keine Definition der Niederlassung beinhalten, dürfte auch insoweit die Ansässigkeit entscheidend sein. 3. Innerstaatliches Recht

20

Grundsätzlich keine Bedeutung im innerstaatlichen Recht. Art. 4 hat auch für das innerstaatliche Recht grundsätzlich keine Bedeutung.8 Ob eine Person in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, bestimmt sich losgelöst vom Abkommensrecht nach rein innerstaatlichen Maßstäben (z.B. nach § 1 EStG i.V.m. §§ 8 f. AO).9 Die deutsche unbeschränkte Steuerpflicht besteht daher beispielsweise auch dann, wenn der Steuerpflichtige je eine Wohnung im Inland und im Ausland innehat und nach dem anzuwendenden DBA im ausländischen Vertragsstaat als allein ansässig gilt.10

21

Bezugnahme auf abkommensrechtliche Ansässigkeit. Verweist das innerstaatliche Recht auf die Ansässigkeit i.S. eines DBA, sind die Grundsätze des Art. 4 verbindlich (vgl. Rz. 8). Folgende Normen sind insoweit betroffen: – Nach § 2a Abs. 4 Satz 2 EStG i.V.m. § 52 Abs. 2 Satz 2 EStG (Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättengewinne) kommt es u.a. dann zu einer Nachversteuerung, wenn die Ansässigkeit im Inland auf Grund der Bestimmungen eines DBA beendet wird; 1 Reimer in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 15 ff. 2 Reimer in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 15 ff. 3 Vgl. im Einzelnen Reimer in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 15 ff. 4 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. 5 RL 2009/133/EG v. 19.10.2009, ABl. L 310 v. 25.11.2009, 34. 6 Richtlinie 2003/48/EG des Rates v. 3.6.2003, Abl. EG L 157/38. 7 Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten, Abl. EG L 157, 49 ff. 8 AEAO vor §§ 8, 9 AO Rz. 1; Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 5. 9 Vgl. Wilke in G/K/G/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 1. 10 BFH v. 4.6.1975 – I R 250/73, BStBl. II 1975, 708; AEAO vor §§ 8, 9 AO Rz. 1.

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B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Abs. 1)

Art. 4

– § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG (Steuerabzug von Zinsen und Lizenzgebühren) verlangt für ein „Unternehmen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union“ u.a., dass dieses nicht außerhalb der Gemeinschaft nach einem DBA als ansässig gilt; – Nach § 12 Abs. 3 Satz 2 KStG (Verlust oder Einschränkung des Besteuerungsrechts) gilt eine Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung als aufgelöst, wenn sie aufgrund eines DBA infolge der Verlegung ihres Sitzes oder ihrer Geschäftsleitung als in einem Drittstaat ansässig gilt; – § 1 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG (Persönlicher Anwendungsbereich) setzt im Hinblick auf natürliche Personen – die am Umwandlungsvorgang beteiligt sind – voraus, dass diese nicht aufgrund eines DBA in einem Drittstaat als ansässig gelten; – Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AStG (Vermögenszuwachsbesteuerung) kommt es auch dann zu einer Versteuerung der stillen Reserven, wenn die natürliche Person durch die Begründung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts oder die Erfüllung eines anderen ähnlichen Merkmals in einem ausländischen Staat, als in diesem Staat nach einem DBA ansässig anzusehen ist.

B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Abs. 1) Ausgewählte Literatur: Baranowski, Besteuerung bei Sitzverlegung einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland, IWB Fach 3 Gruppe 4, 331; Bellstedt, Besteuerung international verflochtener Gesellschaften, 3. Aufl., Köln 1973; Bendlinger, Das OECD-Musterabkommen 2017, SWI 2017, 450; Bertram, Die steuerliche Behandlung des Wohnsitzes bei Entsendung deutscher Arbeitnehmer in die USA, IWB Fach 8 Gruppe 2, 625; Birkholz, Der Wohnsitz, seine Begründung, seine Aufgabe und deren Bedeutung im Rahmen des Steuerrechts, DStZ/A 1979, 247; Brenner, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, in Haarmann (Hrsg.), Unternehmensstrukturen und Rechtsformen im internationalen Steuerrecht, Band 7 Forum der Internationalen Besteuerung, Köln 1996; Deppe, Zur Vorhersehbarkeit von Entscheidungen zum gewöhnlichen Aufenthalt, StuW 1982, 332; Dötsch, Körperschaftsteuerliche Behandlung der Verlegung des Sitzes bzw. der Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft über die Grenze, DB 1989, 2296; Dreissig, Verlegung der Geschäftsleitung einer deutschen Kapitalgesellschaft ins Ausland, DB 2000. 893; Ebenroth/Auer, Grenzüberschreitende Verlagerung von unternehmerischen Leitungsfunktionen im Zivil- und Steuerrecht, RIW Beilage 1/1992, 1; Ebenroth/Auer, Die Vereinbarkeit der Sitztheorie mit europäischem Recht, GmbHR 1994, 16; Eilers/ Wienands, Neue steuerliche und gesellschaftsrechtliche Aspekte der Doppelansässigkeit von Kapitalgesellschaften nach der EuGH-Entscheidung vom 9.3.1999, IStR 1999, 289; Felix, Der Ort der Geschäftsleitung im Steuerrecht, DStR 1963, 421; Firlinger, Die abkommensrechtliche Ansässigkeit und die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, S. 307; Halm, Subjektive Abkommensberechtigung nach dem deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1983, 623; Hausmann/Raupach u.a. Steuergestaltung durch doppelt ansässige Gesellschaften, München 1988; Kaminski/Strunk, Ansässigkeit und Vermeidung der Doppelbesteuerung nach Abkommensrecht, IStR 2007, 189; Lang, Art. 24 OECD-Musterabkommen, Ansässigkeit und Umsatzsteuer, SWI 2011, 469; Lang, Die Ansässigkeit als das Kriterium für die Besteuerung im Quellenstaat nach den Verteilungsnormen des OECD-Musterabkommens, in Lang/ Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 225; Lechner, Wohnsitz, ständige Wohnstätte und Mittelpunkt der Lebensinteressen, in Gassner/Lang, Hrsg., Besteuerung und Bilanzierung internationale tätiger Unternehmen, Wien 1998, 251; Lehner, Die steuerliche Ansässigkeit von Kapitalgesellschaften, RIW 1988, 201; Mensching, Die Limited Liability Company (LLC) im Minenfeld zwischen deutschem, innerstaatlichen Steuerrecht und Abkommensrecht, IStR 2008, 687; Messner, Selbständigkeit juristischer Personen und Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 208; Milatz/Weist, Der „doppelte“ Wohnsitz am Beispiel des DBA-Schweiz, IWB 2011, 408; Perwein, Die ständige Wohnstätte – ein ständiger Unsicherheitsfaktor, PIStB 2014, 184; Piltz, Unbeschränkte Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften aufgrund inländischer Geschäftsleitung, FR 1985, 347, 466 und FR 1990, 608; Prillinger, Die Ansässigkeit von Körperschaften des öffentlichen Rechts, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 121; Raupach, Steuerliche Folgen der Doppelansässigkeit, in Haarmann (Hrsg.), Unternehmensstrukturen und Rechtsformen im Internationalen Steuerrecht, Band 7 Forum der internationalen Besteuerung, Köln 1996; Reimer, Die abkommensrechtliche Ansässigkeit aus gemeinschaftsrechtlichem Blickwinkel, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 15; Riemenschneider, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Beteiligungen inländischer Gesellschafter an ausländischen Personengesellschaften, Frankfurt 1995; Runge, Die steuerliche Ansässigkeit von Kapitalgesellschaften, CDFI, LXXlla (1987), 161; Runge, Die steuerliche Ansässigkeit von Gesellschaften, Hamburger Hefte zur Internationalen Besteuerung, Nr. 37 (1987); Schlager, Die Einschränkung der Ansässigkeit bei bloß inländischen Einkunftsquellen nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 33; Schlütter, Personengesellschaft oder Körperschaft – Aktuelle Qualifikationsfragen, DStJG Bd. 8, 215; Schmidt, Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, IStR 2010, 413; Schröder, Gesellschafter und Ort der Geschäftsleitung, StBp 1980, 97; Schuch, Die Ansässigkeit von Pensionsfonds und gemeinnützigen und anderen Körperschaften, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 109; Staringer, Die Ansässigkeit aufgrund des Wohnsitzes, des ständigen Aufenthalts, des Ortes der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals

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Art. 4 Rz. 22

Ansässige Person

nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 67; Steierberg, Abkommensrechtliche Ansässigkeit – eine Standortbestimmung, IWB 2012, 841; Wagner, Steuerliche Vorteile einer Finanzierungsgesellschaft in den Niederlanden, StBp 1988, 55; Wessel, Der Sitz der GmbH, BB 1984, 1057; Zobel, Allgemeine Grenzgängerregelungen – grundsätzliches Änderungserfordernis insbesondere der Qualifikationsmerkmale, DStR 1989, 476.

I. Regelungszweck 22

Definition der Ansässigkeit. Die Frage, wo eine Person ansässig ist, ist für eine Reihe von Regelungen innerhalb und außerhalb eines DBA von zentraler Bedeutung (vgl. Rz. 1 ff.). Was unter der Ansässigkeit zu verstehen ist bzw. wann sie vorliegt, beantwortet Art. 4 Abs. 1. Als Begriffsbestimmung im II. Abschn. des OECD-MA liefert die Norm allgemeine Vorgaben, die für sämtliche Normen, die den Begriff der Ansässigkeit verwenden, Gültigkeit beanspruchen.1 Inhaltlich orientiert sich Art. 4 Abs. 1 an innerstaatlich und international anerkannten Vorgaben. Auch für den Bereich der Steuern vom Einkommen ist es üblich, eine persönliche (Nähe-)Beziehung zu einem Staat bei einem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt einer natürlichen Person bzw. einer Geschäftsleitung oder einem Sitz einer Körperschaft (sog. Wohnsitzprinzip) anzunehmen.2

II. (Unbeschränkte) Steuerpflicht (Abs. 1 Satz 1) 1. Person 23

Rückgriff auf Art. 3. Art. 4 Abs. 1 gilt (nur) für Personen. Was unter einer Person i.S.d. Norm zu verstehen ist, beantwortet Art. 3 Abs. 1 Buchst. a. Danach umfasst der Ausdruck „Person“ natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen. Der Begriff „Gesellschaft“ wird wiederum in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b definiert als juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden (Vgl. Art. 3 Rz. 15 ff.). 2. Steuerpflicht

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Persönliche Steuerpflicht. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 ist für die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat erforderlich, dass der Steuerpflichtige dort steuerpflichtig ist. Gemeint ist die persönliche nicht aber die sachliche Steuerpflicht.3 Ob der Steuerpflichtige tatsächlich Einkünfte erzielt hat, und ob diese im potentiellen Vertragsstaat steuerbar bzw. steuerpflichtig sind, ist daher unerheblich.4 Ebenso wenig kommt es darauf an, ob tatsächlich in dem jeweiligen Vertragsstaat eine Steuer festgesetzt wird.5

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Persönliche Steuerbefreiungen. Persönliche bzw. subjektive Steuerbefreiungen befreien den Steuerpflichtigen von der Steuerpflicht (z.B. nach § 1 KStG). Derartige Steuerbefreiungen finden sich im KStG (vgl. § 5 KStG), im InvStG (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG) und im REITG (vgl. § 16 Abs. 1 REITG). Ob sie einer Ansässigkeit nach Art. 4 entgegenstehen, ist umstritten.6 Da infolge einer persönlichen Steuerbefreiung national keine Steuerpflicht besteht, wird eine Ansässigkeit in diesen Fällen teilweise verneint.7 Richtigerweise stehen persönliche Steuerbefreiungen einer Ansässigkeit jedoch nicht entgegen.8 Persönlichen Steuerbefreiungen liegen unterschiedliche Zielsetzungen zugrunde.9 Die durch die unbeschränkte Steuerpflicht indi1 Zur Anwendung des Art. 4 Abs. 2 und 3 im Rahmen des Art. 15 vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 22. 2 Vgl. auch Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.194. 3 Vgl. Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 31. 4 Vgl. auch FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 und nachfolgend BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BStBl. II 2014, 240 = ISR 2012, 56 m. Anm. Eilers/Schulz; Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (95). 5 Vgl. auch FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 und nachfolgend BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BStBl. II 2014, 240 = ISR 2012, 56 m. Anm. Eilers/Schulz. 6 Vgl. auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (95). 7 Vgl. FG Nds. v. 29.3.2007 – 6 K 514/03, EFG 2007, 1223 (rkr.); Toifl, Personengesellschaften, S. 142 ff.; wohl auch Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 40. 8 So auch FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 und nachfolgend BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BStBl. II 2014, 240 = ISR 2012, 56 m. Anm. Eilers/Schulz; Lang, SWI 2000, 530 (532); Lehner in V/L6, Art. 4 OECDMA Rz. 77, 82; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 Rz. 23; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 25, 29. 9 Vgl. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht23, § 11 Rz. 33 ff.

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B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Abs. 1)

Rz. 29 Art. 4

zierte Nähebeziehung zwischen einer Person und einem Staat wird durch sie jedoch nicht in Frage gestellt. Häufig entsprechen persönliche Steuerbefreiungen in ihrer Wirkung auch eher einer sachlichen Steuerbefreiung.1 Problematisch wäre auch, wie in Fällen partieller Steuerbefreiungen zu verfahren wäre. Denn eine teilweise Ansässigkeit lässt sich abkommensrechtlich nicht praktizieren. Da es sich bei der Entscheidung, ob eine Person zunächst der Steuerpflicht zu unterwerfen oder von vornherein steuerfrei ist, nur um eine Frage der Gesetzestechnik handelt, können nach Lang2 auch Personen, die von vornherein gar nicht von der Steuer erfasst sind, abkommensberechtigt sein.3 Dem ist nicht zu folgen. Art. 4 Abs. 1 verlangt eine steuerpflichtige Person. Ist eine Person schon grundsätzlich nicht steuerpflichtig, wird sie von der Norm nicht erfasst. Darüber hinaus führt die Ansicht von Lang4 auch zu Abgrenzungsproblemen. So müssten Personengesellschaften unabhängig vom jeweiligen Besteuerungssystem (Trennungs- bzw. Transparenzprinzip) stets als ansässige und damit abkommensberechtigte Personen behandelt werden. Sachliche Steuerbefreiungen. Da für die Ansässigkeit nur die persönliche Steuerpflicht entscheidend ist, kommt einer sachlichen Steuerbefreiung insoweit keine Bedeutung zu. Dies gilt gleichermaßen, wenn die Steuerbefreiung auf einem DBA mit einem Drittstaat beruht.5 Wird eine Steuer im Nachhinein erlassen, lässt dies ebenfalls die Steuerpflicht i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 unberührt.6

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Maßgeblichkeit der Rechtsordnung des Ansässigkeitsstaats. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 setzt voraus, dass die 27 Person nach dem Recht des möglichen Ansässigkeitsstaates steuerpflichtig ist. Geht es um eine Ansässigkeit in einem ausländischen Staat, so hängt es von der dort geltenden Steuerrechtslage ab, ob die Person steuerpflichtig und damit ansässig ist.7 Ob die Rechtsordnung des anderen Vertragsstaates dem entspricht, ist unerheblich. Beispiel: Geht es um die Ansässigkeit im ausländischen DBA-Staat X, ist allein entscheidend, ob der Steuerpflichtige nach dem Recht des DBA-Staates X dort steuerpflichtig ist. Geht es hingegen um die Ansässigkeit in Deutschland, ist allein die dort geltende Rechtslage entscheidend.

Umfang der Steuerpflicht. An den Umfang der Steuerpflicht stellt das Gesetz (an dieser Stelle) keine besonderen Anforderungen. Anders als Art. 4 Rz. 8 OECD-MK fordert Art. 4 Abs. 1 Satz 1 bspw. keine unbeschränkte Steuerpflicht. Erfasst werden daher sämtliche Formen der persönlichen Steuerpflicht.8 Relativiert wird dieses Ergebnis allerdings durch die weiteren Anforderungen des OECD-MA. Die Steuerpflicht muss auf einem Merkmal basieren, dass die Grundlage für eine umfassende Besteuerung i.S. einer unbeschränkten Steuerpflicht bildet (vgl. Rz. 30 ff.). Auch Art. 4 Abs. 1 Satz 2 bringt dies zum Ausdruck (vgl. Rz. 57).

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Besonderheiten bei Personengesellschaften. Besteuert ein Vertragsstaat Personengesellschaften transparent, d.h. besteuert er nur die hinter ihr stehenden Gesellschafter bzw. Mitunternehmer, so kann die Personengesellschaft in diesem Vertragsstaat nicht ansässig sein (vgl. auch Art. 1 Rz. 55 ff.).9 Dies gilt auch aus Sicht des anderen Vertragsstaats, selbst wenn dieser Staat Personengesellschaften nach dem „Trennungsprinzip“ steuerrechtlich wie Körperschaften behandelt. Umgekehrt ist eine Personengesellschaft in einem Vertragsstaat ansässig, wenn sie dort selber als Steuersubjekt besteuert wird und nach dem jeweiligen DBA eine Person ist. Ist eine Personengesellschaft danach in einem Vertragsstaat ansässig, ist dies auch für den anderen Vertragsstaat – unabhängig von der dort geltenden Rechtslage – verbindlich.10 Dies folgt aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 Satz 1, ist aber dennoch nicht unumstritten.11

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Beispiel: Der in Deutschland wohnhafte K ist an einer ausländischen Personengesellschaft beteiligt. Der ausländische Staat, mit dem Deutschland ein dem OECD-MA vergleichbares DBA geschlossen hat, besteuert die Personengesellschaft wie eine Körperschaft. Auch aus deutscher Sicht ist die Personengesellschaft als andere Personenvereinigung im ausländischen Staat ansässig und damit auch grundsätzlich abkommensberechtigt. Wem die Einkünfte zuzurechnen sind, ist damit allerdings noch nicht entschieden. Aus deutscher Sicht ist es K, der als Mitunternehmer das Unternehmen betreibt und daher auch für Abkommenszwecke die Einkünfte erzielt. 1 Vgl. Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 31. 2 Lang, SWI 2000, 530. 3 So wohl auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (95). 4 Lang, SWI 2000, 530. 5 Vgl. hierzu auch Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 35. 6 Vgl. Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 33. 7 BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BStBl. II 2014, 240 = ISR 2012, 56 m. Anm. Eilers/Schulz. 8 Vgl. Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 27. 9 Vgl. BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258 Tz. 4.1.4.2. 10 Vgl. Schmidt, IStR 2010, 413, 416; a.A. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/05999097, BStBl. I 2014, 1258 Tz. 2.1.1. 11 Zur Problematik vgl. ausführlich Seitz in W/R/S, Personengesellschaften2, Rz. 5.1 ff.

Pohl

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Art. 4 Rz. 30

Ansässige Person

3. Anknüpfungspunkte der Steuerpflicht a) Wohnsitz 30

Rückgriff auf das innerstaatliche Recht. Nach Art. 4 Abs. 1 kann die (unbeschränkte) Steuerpflicht bzw. die Ansässigkeit auf einem Wohnsitz basieren. Der Begriff Wohnsitz wird im OECD-MA selber nicht definiert. Auch lässt sich seine Bedeutung nicht im Wege einer abkommensautonomen Auslegung nach den Art. 31 ff. WÜRV erschließen. Ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 ist daher geboten (vgl. hierzu Art. 3 Rz. 66 ff.).1 Entscheidend ist daher das innerstaatliche Recht des Anwenderstaats. Nicht zu folgen ist der Ansicht,2 nach der sich der Begriff des Wohnsitzes stets nach dem innerstaatlichen Recht des (möglichen) Ansässigkeitsstaates richtet. Art. 4 Abs. 1 verweist auf dieses Recht nur insoweit, als es um die Steuerpflicht in diesem Staat geht. Dies führt zwar zu dem Ergebnis, dass sich die unbeschränkte Steuerpflicht nach dem Recht des einen, die Voraussetzungen hierfür jedoch ggf. nach dem Recht des anderen Vertragsstaates richtet. Entscheidende Unterschiede ergeben sich dadurch aber nicht. Ist die Person im ausländischen Vertragsstaat aufgrund des dort geltenden Wohnsitzbegriffs unbeschränkt steuerpflichtig, wird aus deutschem Blickwinkel zumindest ein ähnliches Merkmal i.S.d. Art. 4 Abs. 1 anzunehmen sein.

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Wohnsitz nach innerstaatlichem Recht. Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist der Wohnsitzbegriff nach § 8 AO maßgeblich. Die zivilrechtliche Definition nach § 7 BGB ist hingegen nicht entscheidend.3 Nach Art. 3 Abs. 2 ist auf ein zivilrechtliches Rechtsverständnis erst dann zurückzugreifen, wenn das Steuerrecht hierauf aufbaut (vgl. Art. 3 Rz. 89). Dies ist jedoch gerade nicht der Fall.4 Einen Wohnsitz hat jemand nach § 8 AO dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Aus der Wortwahl „einen“ anstelle von „den“ Wohnsitz folgt, dass der Steuerpflichtige gleichzeitig mehrere Wohnsitze haben kann (vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 2 AO).

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Wohnung i.S.d. § 8 AO. Unter einer Wohnung sind alle objektiv zum wohnen geeigneten Räume zu verstehen.5 Die Räumlichkeiten müssen nicht standesgemäß sein. Es genügt eine bescheidende Bleibe.6 Ein möbliertes Zimmer kann die Voraussetzungen der Wohnung daher erfüllen. Die Wohnung muss nicht abgeschlossen und mit einer Küche sowie separater Waschgelegenheit i.S.d. Bewertungsrechts7 ausgestattet sein.8 Unerheblich ist auch, ob die Räumlichkeiten mit eigenen oder mit fremden Möbeln und Gerätschaften ausgestattet sind.9 Daher kann auch ein Hotelzimmer eine Wohnung i.S.d. § 8 AO sein.10 Keine Wohnungen sind hingegen mobile Einrichtungen aller Art (z.B. Wohnwagen);11 etwas anderes kann aber bei ortsfesten Campingwagen gelten.

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Innehaben i.S.d. § 8 AO. Der Steuerpflichtige muss die Wohnung innehaben, d.h. er muss tatsächlich über sie verfügen und sie als Bleibe nicht nur vorübergehend benutzen.12 Unerheblich ist, ob er sie auch rechtlich benutzen durfte.13 Aus diesem Grund kommt grundsätzlich auch ein Hausbesetzer als Wohnungsinhaber in Betracht.14 Die Verfügungsmacht kann auch durch andere Personen vermittelt werden, weshalb selbst im Ausland studierende Kinder den elterlichen Wohnsitz noch innehaben können.15 Auch reicht eine gemeinschaftliche Nutzungsmöglichkeit aus.16

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Begleitumstände des Innehabens i.S.d. § 8 AO. Es müssen Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten und benutzen wird. § 8 AO fordert insoweit eine Prognoseentscheidung, bei der aus äußeren Tatsachen Schlüsse auf das künftige Verhalten des Steuerpflich-

1 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 14. 2 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 31. 3 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 31; a.A. möglicherweise Art. 4 Rz. 3 OECDMK. 4 Zum Unterschied zwischen steuer- und zivilrechtlichem Wohnsitzbegriff vgl. Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 11. 5 Vgl. BFH v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182 sowie ausführlich Drüen in T/K, § 8 AO Rz. 1 ff. 6 AEAO zu § 8 AO Rz. 3. 7 Vgl. FinMin BW v. 15.5.1985 – 1985-05-15 S 3198-36/85, BStBl. I 1985, 201. 8 Vgl. AEAO zu § 8 AO Rz. 3. 9 BFH v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153. 10 FG Münster v. 22.2.1984 – V 2216/83 U, EFG 1984, 636 (rkr.); FG Rheinland-Pfalz v. 24.4.1998 – 4 K 2608/95, EFG 1998, 1182 (rkr.). 11 FG Hamburg v. 13.4.1981 – II 101/80, EFG 1982, 18 (rkr.). 12 Vgl. BFH v. 6.3.1968 – I 38/65, BStBl. II 1968, 439. 13 Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 28. 14 Vgl. Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 44 m.w.N. 15 Vgl. RFH v. 10.3.1937 – VI A 631/36, RStBl. 1937, 498; BFH v. 24.1.1964 – III 252/61, HFR 1965, 80. 16 Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 29.

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B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Abs. 1)

Rz. 37 Art. 4

tigen zu ziehen sind.1 Der Wille des Steuerpflichtigen ist also insoweit unerheblich, als er nicht nach außen zum Ausdruck gebracht wurde. Umstände, die für ein Beibehalten und Benutzen sprechen, sind insbesondere die Ausstattung der Wohnung, das Bewohnen von engen Familienangehörigen sowie die Nutzung der Wohnung.2 Im Hinblick auf das Zeitmoment, das durch das Beibehalten und Benutzen zum Ausdruck kommt, greift die Rspr. auf § 9 Satz 2 AO zurück. Ergeben die Umstände, dass der Steuerpflichtige die Wohnung von vornherein in der Absicht nimmt, sie nur vorübergehend (weniger als sechs Monate) beizubehalten und zu benutzen, begründet er dort keinen Wohnsitz.3 Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung regelmäßig nutzt. Eine Nutzung von Fall zu Fall ist ausreichend.4 b) Ständiger Aufenthalt Anwendung des innerstaatlichen Rechts. Auch der Begriff des ständigen Aufenthalts ist unter Rückgriff auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates zu bestimmen.5 Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist § 9 AO heranzuziehen.6 Unerheblich ist, dass die Norm nicht vom „ständigen“ sondern vom „gewöhnlichen“ Aufenthalt spricht. Eine wörtliche Entsprechung der Begriffe setzt Art. 3 Abs. 2 nicht voraus (vgl. Art. 3 Rz. 91). Ausreichend ist vielmehr, dass ein inhaltlicher Unterschied zwischen den Adjektiven „gewöhnlich“ und „ständig“ nicht feststellbar ist.

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Definition nach § 9 Satz 1 AO. Nach § 9 Satz 1 AO hat jemand einen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die darauf schließen lassen, dass er an dem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.7 Wie aus dem Wortlaut („Den gewöhnlichen Aufenthalt […]“) zu folgern ist, kann der gewöhnliche Aufenthalt nicht gleichzeitig an verschiedenen Orten sein.8 Ein Aufenthalt i.S.d. § 9 Satz 1 AO setzt die körperliche Anwesenheit einer natürlichen Person an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Gebiet voraus. Eine Wohnung i.S.d. § 8 AO oder eine Zuordnung zu einer bestimmten Stelle ist hierfür nicht erforderlich.9 Ausreichend ist sogar ein Aufenthalt im Inland insgesamt.10 Denn unter Gebiet kann auch das gesamte Bundesgebiet verstanden werden. „Nicht nur vorübergehend“ ist dieser Aufenthalt, wenn er mehr als sechs Monate beträgt.11 Im Unterschied zu § 9 Satz 2 AO hat eine Ex-antePrognose zu erfolgen, ob diese sechs Monate überschritten werden.12 Umstände die hierfür herangezogen werden können, sind beispielsweise die persönlichen bzw. familiären Verhältnisse des Steuerpflichtigen.13 Absichten des Steuerpflichtigen, die im Widerspruch zur äußeren Gestaltung stehen, sind ohne Bedeutung.14 Anders als bei § 9 Satz 2 AO ist bei § 9 Satz 1 AO die Frist von sechs Monaten allerdings keine starre Grenze, deren Überschreitung immer zum gewöhnlichen Aufenthalt führt. Vielmehr ist auf die Gesamtumstände des Einzelfalles abzustellen.15 Ist der Aufenthalt auf eine Dauer zwischen sechs und zwölf Monaten ausgerichtet, kann beispielsweise wegen besonders enger Bindungen zum Ort des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts, dessen Fortbestand auch bei längerfristiger Abwesenheit angenommen werden.16 Sprechen die Umstände dafür, dass der Aufenthalt länger als ein Jahr dauern wird, führt dies allerdings stets zur Beendigung des alten und zur Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts.17

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Vermutung nach § 9 Satz 2 AO. § 9 Satz 2 Halbs. 1 AO enthält die unwiderlegbare Vermutung, dass ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten einen gewöhnlichen Aufenthalt be-

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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Vgl. Drüen in T/K, § 8 AO Rn. 9; Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 44. Vgl. im Einzelnen Kruse in T/K, § 8 AO Rz. 9 ff. Vgl. BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956; v. 28.1.2004 – I R 56/02, BFH/NV 2004, 917. Vgl. BFH v. 24.1.2001 – I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402; v. 5.5.2007 – I R 22/06, BStBl. II 2007, 812; Milatz/Weist, IWB 2011, 408 (411 ff.). Vgl. zur Begr. Rz. 30; a.A. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 35 mit Blick auf die Zielsetzung der Norm. Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 14. Ausführlich zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts Drüen in T/K, § 9 AO Rz. 1 ff. BFH v. 9.2.1966 – I 244/63, BStBl. III 1966, 522; v. 10.8.1983 – I R 241/82 – BStBl. II 1984, 11; AEAO zu § 9 Rz. 3. Gersch in Klein13, § 9 AO Rz. 2. Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 19; zweifelnd hingegen Gersch in Klein13, § 9 AO Rz. 2. Vgl. BFH v. 19.8.1981 – I R 51/78, BStBl. II 1982, 452; v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956; Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 21. Vgl. Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 21. Zur Behandlung von Grenzgängern vgl. BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331 (332); v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701, (702). Vgl. BT-Drucks. VI/1982. Vgl. bereits RFH v. 17.10.1935 – III A 206/35, RStBl. 1935, 1415. Vgl. Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 21. So auch Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 21.

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Art. 4 Rz. 37

Ansässige Person

gründet. Im Unterschied zu § 9 Satz 1 AO kommt es somit nicht auf die „Umstände“, sondern allein auf die tatsächliche Dauer an. Dauert ein zunächst auf kürzere Zeit angelegter Aufenthalt im Inland (aus welchen Gründen auch immer) länger als sechs Monate, gilt dieser als von Anfang an als gewöhnlicher (Rückwirkung).1 Die Berechnung der in § 9 Satz 2 AO statuierten Frist erfolgt nach § 108 AO i.V.m. den dort in Bezug genommenen Fristen des BGB. Nicht erforderlich ist, dass die Frist von sechs Monaten innerhalb eines Kalenderjahres oder Veranlagungszeitraums überschritten wird.2 Kurzfristige Unterbrechungen des Aufenthalts (z.B. zwecks Familienheimfahrten) bleiben nach § 9 Satz 2 Halbs. 2 AO unberücksichtigt. Dies bedeutet, dass die Frist nach § 9 Satz 2 Halbs. 1 AO durch sie weder unterbrochen noch gehemmt wird.3 Kurzfristig ist jede Unterbrechung, die nach der Verkehrsanschauung die Einheitlichkeit des Aufenthalts unberührt lässt.4 Eine feste zeitliche Grenze existiert insoweit nicht.5 Diese Vermutung des § 9 Satz 2 AO gilt nach § 9 Satz 3 AO dann nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert. Ziel dieser Norm, die auf einen Erlass des Reichsministers der Finanzen v. 10.7.19396 zurückzuführen ist7, ist es, den Fremdenverkehr und den Devisenverkehr zu fördern.8 c) Ort der Geschäftsleitung 38

Anwendung innerstaatlichen Rechts. Auch der Begriff des Ortes der Geschäftsleitung ist unter Rückgriff auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates zu bestimmen.9 Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist zur Bestimmung des Begriffs „Geschäftsleitung“ auf § 10 AO (i.V.m. Art. 3 Abs. 2) zurückzugreifen.10 Geschäftsleitung i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 ist danach der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung.

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Geschäftliche Oberleitung. „Geschäftliche Oberleitung“ i.S.d. § 10 AO ist die Tätigkeit, die ein Unternehmer bzw. ein Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer einer Gesellschaft i.d.R. selbst auszuüben pflegt.11 Hierzu zählen die Führung der laufenden Geschäfte12 sowie die Führung der Geschäfte, die für das Unternehmen von einiger Wichtigkeit sind.13 Der Begriff „Geschäftsführung“ ist nicht auf Entschlüsse zu reduzieren, die das Schicksal bzw. die Existenz des Unternehmens bestimmen.14 Andererseits sind nebensächliche Geschäftsangelegenheiten nicht in die Betrachtung einzubeziehen.15

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„Mittelpunkt“ der geschäftlichen Oberleitung. Der Ort der geschäftlichen Oberleitung befindet sich dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird.16 Wo die abgegebenen Willenserklärungen wirksam werden, ist hingegen unbedeutend.17 Ist die Unternehmensleitung auf mehrere Orte verteilt, liegt der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung dort, wo sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvollste Stelle befindet.18 Die verschiedenen Geschäftsleitungstätigkeiten müssen dann im Einzelfall untereinander gewichtet werden.19

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Mehrere Orte der Geschäftsleitung? Umstritten ist, ob ein Steuerpflichtiger mehrere Geschäftsleitungen haben kann. Ausgehend vom Wortlaut des § 10 AO („[…] Mittelpunkt […]“) und der Systematik,20 ist 1 Vgl. Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 31. 2 BFH v. 19.8.1981 – I R 51/78, BStBl. II 1982, 452; FG BaWü v. 7.9.1990 – IX K 96/88, EFG 1991, 102 (rkr.); Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 44; Gersch in Klein13, § 9 AO Rz. 4. 3 Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 47. 4 FG BaWü v. 23.9.1975 – IV 253/73, EFG 1976, 13 (rkr.). 5 Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 49; a.A. Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 77: drei Wochen und Wert in Kühn/von Wedelstädt, § 9 AO Rz. 11: zwei bis drei Wochen. 6 RStBl. 1939, 826. 7 Vgl. BT-Drucks. VI/1982. 8 Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 39. 9 Vgl. zur Begr. Rz. 30; a.A. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 37. 10 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 14. 11 Vgl. Buciek Beermann/Gosch, § 10 AO Rz. 15. 12 BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 30.1.2002 – I R 12/01, BFH/NV 2002, 1128. 13 BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 3.4.2008 – I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445. 14 Vgl. Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 15 m.w.N. 15 Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. 16 Vgl. BFH v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175 (178); v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. 17 Vgl. RFH v. 23.6.1938 – III 40/38, RStBl. 1938, 949. 18 BFH v. 21.9.1989 – V R 55/84, BFH/NV 1990, 353. 19 BFH v. 7.12.1994 – 1 K 1/93, BStBl. II 1995, 175; v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; vgl. im Einzelnen auch Buciek Beermann/Gosch, § 10 AO Rz. 27. 20 § 12 Satz 2 AO verwendet nur im Hinblick auf die Stätte der Geschäftsleitung den Singular.

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B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Abs. 1)

Rz. 45 Art. 4

dies zu verneinen.1 Ob dieses Verständnis noch zeitgemäß ist, ist eine eher rechtspolitische Frage. Im Einzelfall kann es allerdings vorkommen, dass sich keine Anhaltspunkte für den Vorrang eines Geschäftsführungsortes finden lassen.2 Zu folgen ist dann der Ansicht3, nach der kein Mittelpunkt der Oberleitung und damit keine Geschäftsleitung i.S.d. § 10 AO existiert. d) Anderes ähnliches Merkmal aa) Allgemeines Vergleich mit den genannten Merkmalen. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 reicht es aus, dass eine Person aufgrund eines ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Durch diesen Auffangtatbestand trägt das Gesetz den Unterschieden in den nationalen Steuerrechtsordnungen Rechnung.4 Wann ein Merkmal „ähnlich“ ist, ergibt sich durch einen Vergleich mit den in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 genannten Anknüpfungspunkten. Gemeinsam ist dem Wohnsitz, dem ständigen Aufenthalt und der Geschäftsleitung zweierlei: Zum einen handelt es sich bei ihnen um ortsbezogene Merkmale, zum anderen bilden sie die Grundlage für eine Besteuerung des Welteinkommens (vgl. § 1 Abs. 1 EStG bzw. § 1 Abs. 1 KStG).5 Ein Merkmal ist daher ähnlich, wenn es sowohl einen örtlichen Bezug hat als auch die Grundlage für eine Besteuerung des Welteinkommens bildet.6 Abweichend hiervon, soll nach Ansicht von Lehner7 eine Besteuerung nach dem Welteinkommensprinzip nicht zwingend erforderlich sein. Ausreichend sei vielmehr eine Inländerbesteuerung – im Sinne der umfassendsten Art der Besteuerung nach dem Recht des jeweiligen Staates. Der Ausdruck „ähnliches Merkmal“ hat danach – abhängig vom Recht des potentiellen Ansässigkeitsstaates – jeweils eine unterschiedliche Bedeutung. Noch weitergehender soll nach Ansicht von Couzin8 jedes ortsbezogene (persönliche) Merkmal als „ähnliches Merkmal“ zu werten sein.9 Gegen beide Ansichten spricht jedoch Art. 4 Rz. 8 OECD-MK, nach dem nur Merkmale, die die Grundlage für eine umfassende Besteuerung bilden, zu den ähnlichen Merkmalen zählen.10

42

bb) Einzelne Merkmale Sitz. Unterliegt eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse aufgrund ihres Sitzes in einem der Vertragsstaaten der unbeschränkten Steuerpflicht, ist fraglich, ob sie dort auch ansässig ist. Sofern der Sitzstaat ortsbezogene Anforderungen an den statuarischen Sitz stellt (vgl. z.B. § 4a Abs. 2 GmbHG), ist dies zu bejahen.11 Ist Deutschland der Anwenderstaat ist die Begriffsbestimmung des § 11 AO entscheidend.12 Der Sitz befindet sich danach an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist.

43

Erweitert unbeschränkte Steuerpflicht. Ist ein Steuerpflichtiger nach § 1 Abs. 2 EStG erweitert unbeschränkt steuerpflichtig, ist er gleichzeitig auch in Deutschland ansässig.13 Bei den in § 1 Abs. 2 EStG genannten Voraussetzungen handelt es sich (zumindest teilweise) um ortsbezogene Merkmale, die anders als § 1 Abs. 3 EStG zu einer Besteuerung des Welteinkommens führen (vgl. Rz. 45).

44

Unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag. Nach § 1 Abs. 3 EStG wird eine Person, die nicht unter § 1 Abs. 1 EStG fällt, unter den genannten Voraussetzungen auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt. Die

45

1 Vgl. BFH v. 16.3.1994 – 1 B 171/93, BFH/NV 1994, 770; v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; Drüen in T/K, § 10 Rz. 9; a.A. BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 30.1.2002 – I R 12/01, BFH/NV 2002, 1128. 2 Vgl. Buciek in Beermann/Gosch, § 10 AO Rz. 29. 3 Buciek in Beermann/Gosch, § 10 AO Rz. 29. 4 Vgl. Mensching, IStR 2008, 687. 5 Statt vieler Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 29. 6 Vgl. auch FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 und nachfolgend BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BStBl. II 2014, 240 = ISR 2012, 56 m. Anm. Eilers/Schulz. 7 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 77. 8 Couzin, Corporate Residence and international Taxation, 150 ff. 9 So im Ergebnis auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (95). 10 Im Hinblick auf Staaten, die ein Welteinkommensprinzip nicht kennen, sind hingegen Ausnahmen angezeigt (vgl. insoweit Rz. 59). 11 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 41a; ohne weitere Differenzierung hingegen Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 76; a.A. z.B. Brood, Dual residence of companies, Intertax 1990, 22 (27) mit der Begründung, dass es sich beim Sitz um kein ortsbezogenes Merkmal handele. 12 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 31. 13 Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 78.

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Art. 4 Rz. 45

Ansässige Person

Ansässigkeit im abkommensrechtlichen Sinne geht damit jedoch nicht einher.1 Anders als bei der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG unterliegt nach § 1 Abs. 3 EStG nicht das Welteinkommen, sondern nur das inländische Einkommen der unbeschränkten Steuerpflicht. Ausreichend ist auch nicht, dass eine unbeschränkte Steuerpflicht durch § 1 Abs. 3 EStG fingiert wird.2 Ein „ähnliches“ Merkmal liegt daher nicht vor. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn mangels ausländischer Einkünfte das inländische Einkommen des Steuerpflichtigen dem Welteinkommen entspricht. 46

Staatsangehörigkeit. Die Staatsangehörigkeit ist kein ähnliches Merkmal i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1.3 Selbst wenn die Staatsangehörigkeit nach der jeweiligen Steuerrechtsordnung die Grundlage für die unbeschränkte Steuerpflicht bildet, handelt es sich bei ihr um kein ortsbezogenes Merkmal.4

47

Beschränkte Steuerpflicht. Ist eine Person in einem Vertragsstaat nur beschränkt steuerpflichtig, d.h. unterliegt sie dort nur mit inländischen Quellen der dortigen Steuerpflicht (vgl. beispielsweise § 1 Abs. 4 EStG), führt dies nicht zur Ansässigkeit in diesem Staat.5 Denn ein ähnliches Merkmal muss stets die Grundlage für eine Besteuerung des Welteinkommens bilden. Entsprechendes folgt aus Art. 4 Abs. 1 Satz 2 (vgl. Rz. 57).

48

Erweitert beschränkte Steuerpflicht. Verzieht eine Person in ein „Niedrigsteuerland“ so ist sie unter den Voraussetzungen des § 2 AStG in Deutschland erweitert beschränkt steuerpflichtig. Ihre Einkünfte, die bei unbeschränkter Steuerpflicht keine ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34d EStG sind, unterliegen weiterhin der deutschen Steuerpflicht. Die Ansässigkeit der Person wird dadurch jedoch nicht begründet, da anders als bei der unbeschränkten Steuerpflicht nicht ihr Welteinkommen in Deutschland steuerpflichtig ist.6

49

Betriebsstätte und Gewerbesteuer. Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Im Inland betrieben wird ein gewerbliches Unternehmen u.a. dann, wenn für es im Inland eine Betriebstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Die Betriebsstätte im Inland bildet somit die Grundlage für die Gewerbesteuer. Dennoch handelt es sich bei ihr um kein ähnliches Merkmal i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1, da die Betriebsstätte auch gewerbesteuerlich nicht die Grundlage für eine Besteuerung des Welteinkommens bildet.7

50

Gründung nach der Rechtsordnung eines Staats. Die Gründung bzw. Errichtung nach der Rechtordnung eines Staates begründet in Deutschland keine Steuerpflicht. Sofern dies in einem ausländischen Staat anders sein sollte, handelt es sich bei ihr dennoch – mangels eines örtlichen Bezugs – um kein ähnliches Merkmal i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1.8 4. Verknüpfung der Steuerpflicht mit den Ansässigkeitsmerkmalen

51

„Auf Grund“. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 muss die Steuerpflicht auf Grund eines Wohnsitzes, eines ständigen Aufenthaltes, eines Ortes der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals erfolgen.9 Die Merkmale müssen folglich kausal für die Steuerpflicht im jeweiligen potentiellen Ansässigkeitsstaat sein. Es reicht daher nicht aus, dass die (unbeschränkte) Steuerpflicht rein zufällig mit den Merkmalen zusammentrifft. Besonders sorgfältig ist diese Voraussetzung bei Staaten zu prüfen, die nicht dem Welteinkommensprinzip folgen, sondern sowohl Inländer als auch Ausländer allein nach dem Territorialitätsprinzip besteuern. Hat eine Person in einem ausländischen Staat einen Wohnsitz, wird sie dort jedoch allein aufgrund der dort erzielten inländischen Einkünfte besteuert (Territorialitätsprinzip), so liegt keine Steuerpflicht „auf Grund ihres Wohnsitzes“ i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 vor.10

1 Allgemeine Meinung, vgl. Wilke in G/K/G/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 20. 2 Vgl. Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (93 ff.). 3 A.A. (ohne nähere Begründung) Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 215. 4 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.172. 5 Vgl. FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 und nachfolgend BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BStBl. II 2014, 240 = ISR 2012, 56 m. Anm. Eilers/Schulz. 6 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 32. 7 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 46. 8 Vgl. Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 75. 9 Vgl. auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (93). 10 So auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (107).

242

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B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Abs. 1)

Rz. 59 Art. 4

5. Der Staat und seine Gebietskörperschaften als ansässige Personen Einführung. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 umfasst der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ auch diesen Staat und seine Gebietskörperschaften. Diese Regelung wurde im Rahmen der Teilrevision in das OECD-MA 1995 aufgenommen und hat nach Art. 4 Rz. 8.1 OECD-MK lediglich klarstellenden Charakter.1

52

Anwendungsbereich. Ist der Staat bzw. eine Gebietskörperschaft bereits aufgrund seiner Geschäftsleitung bzw. eines Sitzes im Inland unbeschränkt steuerpflichtig (vgl. z.B. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG), so liegt die Ansässigkeit bereits nach allgemeinen Grundsätzen vor. Handelt es sich hingegen um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die (z.B. nach § 2 KStG) nur beschränkt steuerpflichtig ist, so liegen die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 häufig weder in dem einen noch in dem anderen Vertragsstaat vor.2 Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 schließt diese Lücke. Deklaratorisch ist die Vorschrift daher – in Abweichung zu Art. 4 Rz. 8.1. OECD-MK – insoweit nicht.

53

Beispiel: Die Kommune des Staat X erzielt in Deutschland Zinseinkünfte. Insoweit ist sie nur in Deutschland (beschränkt) steuerpflichtig nach § 2 Nr. 2 KStG. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 gilt die Kommune dennoch als im Staat X ansässig.

Staat und Gebietskörperschaften. Zum Staat und seinen Gebietskörperschaften zählen alle öffentlichrechtlichen Gebietskörperschaften (z.B. Bund, Länder, Kantone, Landkreise, Städte, Gemeinden, Regionen, Gemeindeverbände).

54

6. Pensionsfonds als ansässige Personen Hintergrund. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 umfasst der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ auch einen anerkannten Pensionsfonds dieses Vertragsstaates. Diese Regelung wurde erstmals im OECD-MA 2017 aufgenommen. Die meisten Mitgliedsländer haben bereits vor dieser Aufnahme einen in einem Vertragsstaat niedergelassenen Pensionsfonds in diesem Staat als ansässig behandelt, ungeachtet der Tatsache, dass er dort einer begrenzten oder vollständigen Steuerbefreiung in diesem Staat unterlag. Bis 2017 spiegelte sich diese Ansicht in der früheren Fassung von Art. 4 Rz. 8.6 OECD-MK wider, der sich auf „Pensionsfonds, Wohltätigkeitsorganisationen und andere Organisationen“ bezog. Die Ergänzung des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 hat vor diesem Hintergrund nur eine deklaratorische Bedeutung.3

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Anerkannter Pensionsfonds. Eine Eigenständige Definition des anerkannten Pensionsfonds beinhaltet Art. 4 nicht. Insoweit ist die Begriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 1 Buchst. i maßgeblich (vgl. Art. 3 Rz. 62 ff.).

56

III. Quellensteuerrecht (Abs. 1 Satz 2) Allgemeines. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 sind Personen in einem Vertragsstaat nicht ansässig, wenn sie dort nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig sind. Die Regelung wurde erst 1977 in das OECD-MA übernommen. Ob sie einen einschränkenden Regelungscharakter hat, oder lediglich deklaratorisch wirkt, wird unterschiedlich beurteilt (vgl. Rz. 58 ff.).

57

Abstrakte Steuerpflicht. Trotz des insoweit mehrdeutigen Wortlauts ist für Art. 4 Abs. 1 Satz 2 nicht entscheidend, ob der Steuerpflichtige im konkreten Einzelfall nur mit Quellen aus dem Ansässigkeitsstaat steuerpflichtig ist. Entscheidend ist die abstrakte Steuerpflicht. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Norm. Ist ein Steuerpflichtiger in Deutschland gem. § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig, so ist er dort auch dann ansässig, wenn er im Veranlagungszeitraum nur Einkünfte aus Quellen in Deutschland erzielt hat.

58

Territorialitätsprinzip. Ist der Steuerpflichtige in einem Staat nur mit dort belegenen Quellen (beschränkt) steuerpflichtig, so ist er in diesem Staat gem. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 nicht ansässig. Die Vorschrift wirkt insoweit allerdings nur deklaratorisch, da sich dieses Ergebnis bereits aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 ableiten lässt (vgl. Rz. 42). Nach Art. 4 Rz. 8 OECD-MK bezieht sich Art. 4 Abs. 1 Satz 2 hingegen nicht auf Personen, die in bestimmten Staaten auch bei Ansässigkeit im Inland nur nach dem Territorialitätsprinzip besteuert werden. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 ist insoweit teleologisch zu reduzieren, da andernfalls eine Ansässigkeit in diesen Staaten

59

1 So auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (93). 2 Vgl. Wilke in G/K/G/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 7. 3 Vgl. auch Art. 4 Rz. 8.6 OECD-MK.

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Art. 4 Rz. 59

Ansässige Person

nicht mehr möglich wäre und Abkommensnormen wie Art. 10 ohne Anwendungsbereich blieben.1 Einen eigenständigen Anwendungsbereich hat Art. 4 Abs. 1 Satz 2 allerdings im Hinblick auf Diplomaten und Konsularbeamte.2 Dürfen diese Personen trotz ihres Wohnsitzes oder ständigen Aufenthalts nur mit inländischen Quellen im Tätigkeitsstaat besteuert werden (vgl. Art. 34 WÜD; Art. 49 WÜK),3 ist ausgehend von Art. 4 Abs. 1 Satz 2 ihre Ansässigkeit dort zu verneinen. 60

Einschränkung nach einem DBA. Umstritten ist, ob Art. 4 Abs. 1 Satz 2 auch dann anzuwenden ist, wenn sich die Beschränkung des Besteuerungsrechts erst aus einem DBA (mit einem Drittstaat) ergibt.4 Nach Art. 4 Rz. 8.2 OECD-MK schließt Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Gesellschaften und Personen von der Ansässigkeit aus, die in einem Vertragsstaat keiner umfassenden Besteuerung unterliegen, weil sie, obwohl sie dort nach dem Recht dieses Staates ansässig sind, nach einem Abkommen zwischen diesem und einem anderen Staat als in dem anderen Staat ansässig gelten. Beispiel: Der Steuerpflichtige S unterhält sowohl im Staat X als auch im Staat Y eine Wohnung. Einkünfte erzielt er zudem im Staat Z. Gilt S nach dem DBA X-Y als im Staat Y (allein) ansässig, so kann er nach Ansicht der OECD auch nach dem DBA X-Z nicht als im Staat X ansässig gelten.

Diese Ansicht ist abzulehnen.5 Sie vernachlässigt, dass es für die Ansässigkeit in einem Staat abstrakt darauf ankommt, ob das Welteinkommen der Person der Steuerpflicht unterliegt.6 Ob im konkreten Einzelfall aufgrund eines DBA nur ein Quellensteuerrecht verbleibt, ist hingegen unerheblich. Andernfalls wäre man stets gezwungen, sämtliche von einem Vertragsstaat abgeschlossene DBA in die Prüfung der Ansässigkeit einzubeziehen.

C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Abs. 2) Ausgewählte Literatur: Beiser, Doppelwohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen im zwischenstaatlichen Steuerrecht, ÖStZ 1989, 241; Debatin, Der doppelte Wohnsitz im internationalen Steuerrecht, AWD 1966, 313; Decker, Überdachende Besteuerung und „Abwanderregelung“ im DBA-Schweiz, PIStB 2003, 273; Fölhs, Der gewöhnliche Aufenthalt als Tie-Breaker nach Art. 4 Abs. 2 OECD-MA, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 177; Kaminski/Strunk, Ansässigkeit und Vermeidung der Doppelbesteuerung nach Abkommensrecht, IStR 2007, 189; Lechner, Wohnsitz, ständige Wohnstätte und Mittelpunkt der Lebensinteressen, in Gassner/Lang, Hrsg., Besteuerung und Bilanzierung internationale tätiger Unternehmen, Wien 1998, 251; Lederer, Doppelter Wohnsitz natürlicher Personen im internationalen Steuerrecht – zur Auslegung und Anwendung von Art. 4 Abs. 2 OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 1966 und 1977, RIW 1981, 463; Mamut, Die ständige Wohnstätte als Tie-Breaker nach Art. 4 Abs. 2 OECD-MA, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 139; Milatz/Weist, Der „doppelte“ Wohnsitz am Beispiel des DBA-Schweiz, IWB 2011, 408; Perwein, Die ständige Wohnstätte – ein ständiger Unsicherheitsfaktor, PIStB 2014, 184; Raupach, Steuerliche Folgen der Doppelansässigkeit, in Haarmann (Hrsg.), Unternehmensstrukturen und Rechtsformen im Internationalen Steuerrecht, Band 7 Forum der internationalen Besteuerung, Köln 1996; Stürzlinger, Der Mittelpunkt der Lebensinteressen als Tie-Breaker nach Art. 4 Abs. 2 OECDMA, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 33.

I. Regelungszweck 61

Beseitigung doppelter Ansässigkeit. Da bei der Anwendung eines DBA regelmäßig zwischen dem Ansässigkeits- und dem Quellenstaat zu unterscheiden ist, ist eine Regelung für den Fall erforderlich, dass eine (natürliche) Person in beiden Vertragsstaaten nach Art. 4 Abs. 1 ansässig ist.7 Eine solche „Tie-breaker“-Re1 Zu Letzterem vgl. Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (106). 2 Vgl. Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 82; wohl auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (100 ff.). 3 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 103. 4 Vgl. Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (103 f.) m.w.N. 5 Van Raad, Intertax 1988, 243 ff.; Van Raad, ET 1990, 29; Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 103 ff. 6 Ein Widerspruch zur Rechtslage der Diplomaten und Konsularbeamten (vgl. Rz. 42) ergibt sich dadurch nicht (vgl. auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (95)). 7 Vgl. Haase, IStR und Europäisches Steuerrecht3, Rz. 603; zum Problem der mehrfachen Ansässigkeit vgl. auch Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 20 ff.

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C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Abs. 2)

Rz. 64 Art. 4

gelung findet sich in Bezug auf natürliche Personen in Art. 4 Abs. 2. Danach gilt eine Person nur in dem Vertragsstaat als ansässig, zu dem sie, ausgehend von den in Abs. 2 beschriebenen Kriterien, den stärkeren Bezug aufweist (vgl. auch Art. 4 Rz. 10 OECD-MK). Aus diesem Regelungsziel folgt zugleich, dass die einzelnen Kriterien tendenziell eng auszulegen sind, da andernfalls eine eindeutige Ansässigkeitsbestimmung häufig nicht möglich ist.1 Prüfungsreihenfolge. Art. 4 Abs. 2 gibt nicht nur die Kriterien für eine Festlegung der Ansässigkeit vor, sondern legt in den Buchst. a bis d auch die Reihenfolge ihrer Berücksichtigung fest. Insgesamt ergibt sich danach folgendes Prüfungsschema: Steuerpflicht nach Art. 4 Abs. 1

62

in nur einem Staat

nicht nur in einem Staat Vfg. über ständige Wohnstätte (Art. 4 Abs. 2 Buchst. a) in keinem Staat

in nur einem Staat

in beiden Staaten

Mittelpunkt der Lebensinteressen (Art. 4 Abs. 2 Buchst. a)

in einem Staat

nicht bestimmbar Gewöhnlicher Aufenthalt (Art. 4 Abs. 2 Buchst. b)

in nur einem Staat

nicht (nur) in einem Staat Staatsangehörigkeit (Art. 4 Abs. 2 Buchst. c)

in nur einem Staat

nicht (nur) in einem Staat Gegenseitiges Einvernehmen (Art. 4 Abs. 2 Buchst. d) Staat der Ansässigkeit

II. Verfügen über eine ständige Wohnstätte (Buchst. a Halbs. 1) 1. Allgemeines Bedeutung. Die ständige Wohnstätte ist das erste und damit auch das bedeutendste „Tie-breaker“-Kriterium.2 Ist eine Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, gilt sie nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a nur in dem Staat als ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Erst wenn eine ständige Wohnstätte nicht oder in beiden Vertragsstaaten gleichzeitig vorhanden ist, kann auf die anderen in Art. 4 Abs. 2 genannten Kriterien zurückgegriffen werden.

63

Abkommensautonome Auslegung. Der Ausdruck „verfügen über eine ständige Wohnstätte“ wird im OECD-MA nicht ausdrücklich definiert. Er ist daher abkommensautonom auszulegen.3 Ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 ist nicht möglich, da das innerstaatliche Steuerrecht die Ausdrücke „ständige Wohnstätte“ und „verfügt“ weder definiert noch ihnen eine eigenständige Bedeutung beimisst.4

64

1 So zutreffend Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 37. 2 Vgl. Perwein, PIStB 2014, 184 und Art. 4 Rz. 11 OECD-MK: „Dieses Merkmal wird häufig genügen, um den Konflikt zu lösen […]“. 3 Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 8; Huemer, Unbeschränkte Steuerpflicht, 120; Mamut in Lang/Schuch/ Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 139 (143); Milatz/Weist, IWB 2011, 408 (411); Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 55. 4 Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; FG Hamburg v. 22.8.2016 – 3 K 36/16, juris.

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Art. 4 Rz. 65

Ansässige Person

65

Abgrenzung zum Begriff des Wohnsitzes i.S.d. Art. 4 Abs. 1. Bei einer ständigen Wohnstätte handelt es sich um einen qualifizierten Wohnsitz.1 Für einen Wohnsitz i.S.d. Art. 4 Abs. 1 ist bereits ausreichend, dass die zum Wohnen geeigneten Räumlichkeiten nur von Fall zu Fall genutzt werden.2 Um eine ständige Wohnstätte in einem Staat zu begründen, müssen die Umstände hingegen für eine regelmäßige Nutzung der Wohnung sprechen (vgl. im Einzelnen Rz. 72).

66

Abgrenzung zum Begriff des Wohnsitzes i.S.d. § 8 AO. Aus deutscher Sicht ist der Begriff „Wohnsitz“ i.S.d. § 8 AO mit dem des Art. 4 Abs. 1 identisch (vgl. Rz. 68). Die Ausführungen unter Rz. 65 gelten daher entsprechend.

67

Abgrenzung zum Begriff „Wohnsitz“ i.S.d. §§ 7 ff. BGB. Nach § 7 Abs. 1 BGB begründet derjenige, der sich an einem Ort ständig niederlässt, an diesem Ort einen Wohnsitz. Im Unterschied zur Begründung einer ständigen Wohnstätte ist hierfür ein Domizilwille erforderlich.3 Der Betroffene muss den rechtsgeschäftlichen Willen haben, den Ort ständig zum Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse zu machen (vgl. auch § 8 BGB).4 Umgekehrt wird ein Wohnsitz i.S.d. §§ 7 ff. BGB beendet, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben (§ 7 Abs. 3 BGB). Eine ständige Wohnstätte setzt hingegen keinen entsprechenden Willen voraus.5 Erforderlich ist vielmehr, dass die Umstände ergeben, dass der Steuerpflichtige die Wohnung regelmäßig benutzen und beibehalten will (vgl. Rz. 72). 2. Wohnstätte

68

Alle zum Wohnen geeigneten Räumlichkeiten. Was unter einer Wohnstätte zu verstehen ist, ist umstritten. Zum Teil wird unter einer Wohnstätte i.S.d. Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Ort verstanden, an dem jemand mit seiner Familie lebt oder wo er sonst enge persönliche Bindungen hat.6 Hierfür lässt sich die Verwendung des Begriffs in den Originalsprachen des Abkommens anführen. Die Begriffe home im Englischen und foyer im Französischen Text unterstreichen auf plakative Weise die persönliche Bindung an die Wohngelegenheit.7 Gegen dieses Verständnis spricht allerdings die historische Entwicklung der Norm. Zu Beginn der Verhandlungen der OEEC für das erste Musterabkommen wurde die ständige Wohnstätte noch als der Mittelpunkt der Lebensinteressen definiert.8 Im darauf folgenden Bericht der Working Party 2 des Fiscal Committee, die sich mit dem Konzept der Ansässigkeit für Zwecke des Musterabkommens beschäftigte, war man von der Gleichsetzung der ständigen Wohnstätte mit dem Mittelpunkt bereits wieder abgegangen und verwendete für die Identifikation des Ansässigkeitsstaates die noch heute bestehende Formulierung.9 Hieraus ist abzuleiten, dass die ständige Wohnstätte nicht mit engen persönlichen Beziehungen einhergehen muss. Das separat zu prüfende „Tie-breaker“-Kriterium „Mittelpunkt der Lebensinteressen“ bliebe andernfalls auch weitestgehend bedeutungslos.10 Im Grundsatz ist daher der Rechtsprechung zu folgen, die unter einer Wohnstätte bereits alle Räumlichkeiten versteht, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind.11 Dies können nach Art. 4 Rz. 13 OECD-MK nicht nur Häuser und Wohnungen, sondern beispielsweise auch möblierte Zimmer sein.12 Die vom BFH früher vertretene Ansicht, nach der eine Wohnstätte grundsätzlich nur anzunehmen ist, wenn die Wohnung nach Größe und Ausstattung ein den Lebensverhältnissen des Steuerpflichtigen entsprechendes Heim biete,13 ist durch diese gegenteilige Klar-

1 Vgl. BFH v. 5.6.2007 – I R 22/06. BStBl. II 2007, 812. 2 Vgl. BFH v. 24.1.2001 – I R 100/09, BFH/NV 2001, 1402; v. 5.6.2007 – I R 22/06. BStBl. II 2007, 812. Vgl. im Übrigen Rz. 31 ff. 3 Vgl. auch Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (466). 4 Heinrichs in Palandt77, § 7 BGB Rz. 7. 5 Vgl. Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (466). 6 Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (466); Mamut in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 139 (147); Huemer, Unbeschränkte Steuerpflicht, 124 f.; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 55 f. 7 Vgl. Mamut in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 139 (147). 8 „[…] the right to tax shall belong: in the case of a physical person, to he country in which he has his permanent home, that ist to say, the centre of his vital interests, or, in other words, the place with which his personal ties are closest.“ (FC/WP2 (57)1, 2, Art. II (1)). 9 Vgl. im Einzelnen Mamut in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 139 (146). 10 So wohl auch BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207. 11 Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; v. 5.6.2007 – I R 22/06. BStBl. II 2007, 812. 12 Zustimmend BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; offen im Hinblick auf ein Hotelzimmer BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 13 Vgl. BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133.

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C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Abs. 2)

Rz. 71 Art. 4

stellung überholt.1 Ob die Räumlichkeiten im Eigentum der Person stehen oder von ihr nur angemietet oder mitbenutzt wurden, ist unerheblich.2 Geht man – wie der BFH3 – davon aus, dass es sich bei der ständigen Wohnstätte um einen qualifizierten Wohnsitz handelt,4 wird man zusätzlich auch die weiteren Voraussetzungen des Wohnsitzbegriffs nach § 8 AO für Art. 4 Abs. 2 Buchst. a verlangen müssen.5 Dafür spricht auch, dass ein inhaltlicher Unterschied zwischen einem Wohnsitz und einer Wohnstätte ausgeschlossen erscheint.6 Für eine Wohnstätte ist daher ergänzend zu verlangen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung innehat und Umstände dafür sprechen, dass er sie beibehalten und benutzen wird (hierzu im Einzelnen Rz. 34). 3. „Ständige“ Wohnstätte Bezugspunkt der Ständigkeit. Voraussetzung ist weiterhin, dass die Wohnstätte „ständig“ ist. Umstritten ist, welchen Bezugspunkt dieser Begriff hat. Zum Teil wird vertreten, das Wort „ständig“ beziehe sich (nur) auf das „Verfügen“.7 Voraussetzung wäre dann, dass der Steuerpflichtige ständig bzw. immer über die Wohnstätte verfügen kann. Gegen diese Ansicht lässt sich der Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a anführen, der von einer „ständigen Wohnstätte“ und nicht von einem „ständigen Verfügen“ spricht. Zutreffend ist aus diesem Grund die Ansicht der Rspr.,8 nach der der Bezugspunkt der „Ständigkeit“ die Wohnstätte bzw. die Nutzung der Wohnstätte ist.9 Allerdings wird man eine ständige Nutzung regelmäßig nur dann annehmen können, wenn der Steuerpflichtige zur gleichen Zeit auch über die Wohnstätte verfügt. Damit muss letztlich auch das Verfügen ständig sein.10

69

Befristung der Nutzung. Zum Teil wird vertreten, dass eine „ständige“ Wohnstätte dann nicht vorliegt, wenn die Nutzung der Wohnung zeitlich befristet ist.11 Der Begriff der „Ständigkeit“ soll den Gegenbegriff zum Begriff der „Befristung“ bilden.12 Dem ist nicht zu folgen, da letztlich jede Nutzung von Natur aus befristet ist. Ist der Steuerpflichtige beispielsweise für sieben Jahre im Ausland tätig, ist die Nutzung der Wohnung ebenfalls befristet. Dies dürfte aber dem Charakter der im Ausland bezogenen Wohnung als ständige Wohnstätte grundsätzlich nicht entgegenstehen. Eine andere Frage ist allerdings, ob ein bestimmter Mindestzeitraum der Nutzung zu fordern ist (hierzu Rz. 71).

70

Vorliegen eines Mindestzeitraums. Für den Begriff des Wohnsitzes (i.S.d. § 8 AO) kommt es darauf an, dass die Umstände ergeben, dass der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Diese Voraussetzung beinhaltet ein Zeitmoment. Die Wohnungsnahme darf nicht kurzfristig und vorübergehend angelegt sein.13 Zur Bestimmung des Zeitmoments greift die Rechtsprechung auf die Sechsmonatsfrist des § 9 Satz 2 AO zurück. Ergeben die Umstände, dass der Steuerpflichtige die Wohnung nur vorübergehend (weniger als sechs Monate) beibehalten und benutzen wird, liegt aus diesem Grund kein Wohnsitz vor.14 Da nach zutreffender Ansicht des BFH die ständige Wohnstätte ein qualifizierter Wohnsitz ist (vgl. Rz. 65), sind diese Grundsätze auch im Rahmen des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a zu beachten. In diesem Sinne hat auch der BFH entschieden, dass bei Überschreitung eines Zeitraums von sechs Monaten ein bisher vorübergehender Zustand zu einem gewöhnlichen und damit ständigen wird.15 Aus dem Begriff „Ständigkeit“ er-

71

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 55. BFH v. 5.6.2007 – I R 22/06, BStBl. II 2007, 812. Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 90. So bereits BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133: „Unter ‚ständiger‘ Wohnstätte ist demnach ein Wohnsitz zu verstehen, […]“; Drüen in T/K, § 8 AO Rz. 20a; anders aber wohl Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (466) der von einer Identität der Begriffe „Wohnung“ und „Wohnstätte“ ausgeht. A.A. allerdings noch BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207 wegen des unterschiedlichen Wortlauts. Vgl. Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 90; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 55; in diesem Sinne wohl auch Art. 4 Rz. 13 OECD-MK: „dies erfordert Vorkehrungen der natürlichen Person dafür, dass ihr die Wohnung jederzeit ständig zur Verfügung steht […]“. Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; v. 5.6.2007 – I R 22/06. BStBl. II 2007, 812. So auch Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 181. So wohl auch Art. 4 Rz. 13 OECD-MK. Eine solche Befristung soll i.d.R. dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige sich in einem Staat nur zu einem bestimmten, in einer begrenzten Zeit erreichbaren Zweck aufhält (vgl. Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 90). Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (466); eine solche Befristung soll i.d.R. dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige sich in einem Staat nur zu einem bestimmten, in einer begrenzten Zeit erreichbaren Zweck aufhält. Grotherr/Herfort/Strunk, Internationales Steuerrecht3, 33. Vgl. BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956; v. 28.1.2004 – I R 56/02, BFH/NV 2004, 917. Vgl. BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133; a.A. (ohne Begründung) BFH v. 5.6.2007 – I R 22/06. BStBl. II 2007, 812: „Das Erfordernis eines zeitlichen Mindestaufenthalts lässt sich jedoch dem Abkommen nicht entnehmen […]“.

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Art. 4 Rz. 71

Ansässige Person

geben sich aber keine höheren Anforderungen. Abweichend hiervon hat das FG Köln1 mit Blick auf den Rechtsgedanken des Art. 5 Abs. 3 einen Mindestzeitraum von 12 Monaten gefordert. Hiergegen spricht jedoch, dass die Wohnstätte – anders als die Bau- und Montagebetriebsstätte – eine feste Einrichtung ist, die von Natur aus eine stärkere Bindung an den Vertragsstaat begründet.2 72

Anforderung an die Nutzung. Welche Anforderungen der Begriff „ständig“ an die Nutzung der Wohnung stellt, ist umstritten. Nach Mamut3 und Wassermeyer4 ist eine Nutzung der „ständigen Wohnstätte“ nicht zwingend erforderlich. Die Anforderungen an eine ständige Wohnstätte wären danach geringer als an einen Wohnsitz, was insbesondere dem Sinn und Zweck des „Tie-breaker“-Kriteriums widersprechen dürfte.5 Das FG Hamburg6 verlangt demgegenüber eine tatsächliche Nutzung. Auch dadurch wird jedoch der Charakter der ständigen Wohnstätte als qualifizierter Wohnsitz nicht ausreichend berücksichtigt. Nach Wilke7 setzt eine ständige Wohnstätte eine ständige Nutzung der Wohnung voraus.8 Hiergegen spricht jedoch, dass nach Art. 4 Abs. 2 die Person mehrere ständige Wohnstätten haben,9 nicht aber ständig beide nutzen kann. Der BFH10 hält schließlich eine regelmäßige Nutzung für erforderlich bzw. ausreichend. Dem ist zuzustimmen, da dadurch einerseits die Qualifizierung des Wohnsitzes zum Ausdruck kommt, andererseits aber keine übermäßigen Anforderungen an den Ausdruck „ständige Wohnstätte“ gestellt werden.

73

Regelmäßige Nutzung. Was nach der Rechtsprechung unter einer regelmäßigen Nutzung zu verstehen ist, ist bisher allerdings nicht ausreichend konkretisiert worden.11 In einer Entscheidung aus dem Jahre 2007 hat der BFH darauf abgestellt, ob die Intensität der Nutzung bei objektiver Betrachtung auf eine Einbindung der Wohnung in das übliche Leben des Steuerpflichtigen hindeutet bzw. die Wohnung als eine in den allgemeinen Lebensrhythmus einbezogene Anlaufstelle des Steuerpflichtigen erscheinen lässt.12 Dies lässt sich regelmäßig nur im Wege einer wertenden Betrachtung feststellen.13 Dient die Wohnung beruflichen oder wirtschaftlichen Zwecken spricht dies nach Ansicht des BFH wesentlich für eine „ständige Wohnstätte“.14 Hilfreich ist auch die weitere Konkretisierung des BFH, nach der eine Wohnung, die an mindestens 50 Tagen gleichmäßig verteilt über das Jahr genutzt wird, als ständige Wohnstätte anzusehen ist.15 Offen ist nach der Rechtsprechung allerdings, wann die Nutzung gleichmäßig verteilt ist. Muss der Steuerpflichtige zwingend jeden Monat oder jede Woche die Wohnung nutzen? Ist es schädlich, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung ein oder zwei Monate im Jahr überhaupt nicht aufsucht?

74

Perspektive des Zeitbezugs. Unklar ist weiterhin, aus welcher Perspektive die regelmäßige Nutzung der Wohnstätte zu beurteilen ist. Entscheidend könnte die Absicht des Steuerpflichtigen sein, die Wohnstätte regelmäßig nutzen zu wollen. Andererseits kann auch aus einer Ex-post-Perspektive danach gefragt werden, ob der Steuerpflichtige tatsächlich die Wohnung regelmäßig genutzt hat.16 Schließlich kann darauf abgestellt werden, ob objektive Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass der Steuerpflichtige die Wohnstätte regelmäßig nutzen wird (Ex-ante-Betrachtung). Der letzten Auslegungsvariante ist zu folgen. Für sie sprechen vor allem die Ausführungen im OECD-MK.17

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

FG Köln v. 11.8.1982 – VIII 391/79 E, RIW 1983, 383. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 58. Mamut in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 139 (148 ff.). Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 55. Insbesondere in Fällen, in denen der Steuerpflichtige in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz unterhält, würde das erste „Tie-breaker“-Kriterium regelmäßig keine Ansässigkeitsbestimmung mehr liefern. FG Hamburg v. 12.6.2008 – 5 K 81/06, EFG 2008, 1558 (rkr.). Wilke in G/K/G/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 44. Ähnlich wohl auch Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 42 nach dem die „ständige Wohnstätte“ den Hauptwohnsitz bildet und vom Steuerpflichtigen laufend benutzt werden muss. Vgl. Art. 4 Abs. 2 Buchst. a Halbs. 2: „verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte […]“. BFH v. 5.6.2007 – I R 22/06, BStBl. II 2007, 812. Vgl. auch Milatz/Weist, IWB 2011, 408. Vgl. BFH v. 5.6.2007 – I R 22/06. BStBl. II 2007, 812. Milatz/Weist, IWB 2011, 408 (414). Vgl. Heger, in jurisPR-SteuerR 46/2007 Anm. 6. Vgl. BFH v. 5.6.2007 – I R 22/06, BStBl. II 2007, 812. So wohl Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 42. Vgl. Art. 4 Rz. 12 OECD-MK: „[…] es muss sich um eine ständige Wohnstätte handeln, d.h. die natürliche Person muss sie zur dauernden Nutzung bestimmt und beibehalten haben, im Gegensatz zu einem Aufenthalt an einem bestimmten Ort unter Umständen, die eindeutig erkennen lassen, dass der Aufenthalt von kurzer Dauer sein soll.“

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C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Abs. 2)

Rz. 78 Art. 4

4. „Verfügen“ über eine ständige Wohnstätte Nutzungsmöglichkeit. Jemand verfügt über eine ständige Wohnstätte, wenn er die Möglichkeit hat, jederzeit die Räumlichkeiten als Wohnstätte zu nutzen.1 Die Nutzungsmöglichkeit kann sich aus einem dinglichen Recht (insbes. dem Eigentum) oder einem schuldrechtlichen Vertrag (z.B. einem Mietvertrag) ergeben. Eine rechtliche Verfügungsmacht ist letztlich aber nicht erforderlich.2 Die Verfügungsmacht kann auch von einer anderen Person abgeleitet sein.3 So verfügen beispielsweise auch Kinder über die Wohnstätte in der sie zusammen mit den Eltern leben.4 Ausreichend ist auch die gemeinschaftliche Nutzungsmöglichkeit. So kann beispielsweise auch ein Mitglied einer Wohngemeinschaft über die von ihm mitbenutzte Wohnung verfügen.5

75

III. Mittelpunkt der Lebensinteressen (Buchst. a Halbs. 2) 1. Allgemeines Anwendungsbereich. Auf den Staat, zu dem die Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen) kommt es nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a nur dann an, wenn die Person in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte verfügt.6 Hat die Person hingegen in keinem der Vertragsstaaten eine ständige Wohnstätte, ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen unerheblich. Insoweit ist man davon ausgegangen, dass es unwahrscheinlich ist, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen in einem Staat gelegen ist, in dem der Steuerpflichtige nicht über eine ständige Wohnstätte verfügt.7 Allenfalls im Rahmen eines Verständigungsverfahrens nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. d kann diesem Kriterium dann noch Bedeutung zukommen (vgl. Rz. 98 ff.).

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Abkommensautonome Auslegung. Der Begriff „Mittelpunkt der Lebensinteressen“ ist abkommensautonom auszulegen, da er im innerstaatlichen Recht keine Entsprechung hat.8

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Mittelpunkt liegt stets in einem der Vertragsstaaten. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen kann immer nur in einem Vertragsstaat liegen.9 Die folgt bereits aus dem Begriff „Mittelpunkt“. Auf der anderen Seite geht das OECD-MA davon aus, dass die Person einen Mittelpunkt der Lebensinteressen immer in einem der Vertragsstaaten haben muss.10 Dies wiederum lässt sich aus der Formulierung „kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat“ anstelle von „liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen in keinem Staat“ ableiten. Problematisch sind vor diesem Hintergrund die Fälle, in denen der Mittelpunkt der Lebensinteressen in einem Drittstaat liegt.

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Beispiel: A lebt mit seiner Familie in London. Daneben gehören ihm Wohnungen in Berlin und Amsterdam, die er regelmäßig nutzt (jeweils ca. 5 Tage im Monat), wenn er dort geschäftlich zu tun hat. A hat den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in London. Geht man davon aus, dass A sowohl in Berlin als auch in Amsterdam über ständige Wohnstätten verfügt, so stellt sich im Hinblick auf das DBA Deutschland-Niederlande die Frage, ob und in welchem der zuletzt genannten Staaten A den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat.

Angewendet werden könnte in diesen Konstellationen von vornherein Art. 4 Abs. 2 Buchst. b. Die Voraussetzungen der Norm liegen allerdings nicht vor. Der Staat, in dem die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, kann grundsätzlich bestimmt werden (im Beispiel: London). Überzeugender ist es daher, für die Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ein relatives Übergewicht der Beziehungen zu ei1 So RFH v. 1.3.1934 – VI A 964,965/33, RStBl. 1934, 341; BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 91; ein inhaltlicher Unterschied zum Begriff des „Innehabens“ i.S.d. § 8 AO ergibt sich nicht (so auch Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (466)). 2 RFH v. 1.3.1934 – VI A 964,965/33, RStBl. 1934, 341; BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 60; a.A. (ohne Begründung) BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207. 3 Vgl. im Einzelnen Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 61. 4 Vgl. RFH v. 18.3.1931 – VI A 186, 187/31, StuW 1931 Nr. 395. 5 Vgl. Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 29 zum Begriff des Innehabens i.S.d. § 8 AO. 6 Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 190; missverständlich hingegen der OECD-MK (Art. 4 Rz. 15 OECDMK), der aus der Beibehaltung einer Wohnstätte Rückschlüsse auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen ziehen will. 7 Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (467). 8 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 45. 9 Exel, ecolex 2006, 188 (190); Huemer, Die unbeschränkte Steuerpflicht, 134. 10 A.A. (ohne nähere Begründung) Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (172), die davon ausgeht, dass eine Person keinen Mittelpunkt der Lebensinteressen haben kann.

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Art. 4 Rz. 78

Ansässige Person

nem Vertragsstaat vorauszusetzen.1 Der Mittelpunkt der Lebensinteressen zu einem Vertragsstaat kann auch dann bestimmt werden, wenn noch engere persönliche und wirtschaftliche Beziehungen zu einem dritten Staat bestehen. Für diese Lösung spricht zunächst der Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a, der von den „engeren“ und nicht von den „engsten“ Beziehungen spricht.2 Daneben erläutert Art. 4 Rz. 15 OECDMK, dass festgestellt werden muss, zu welchem der beiden Staaten die Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Letztlich spricht auch der Sinn und Zweck der Norm für eine „relative“ Prüfung. Art. 4 Abs. 2 dient dazu, einen der beiden Vertragsstaaten als Ansässigkeitsstaat zu identifizieren. Vor diesem Hintergrund erscheint es abwegig, die Anwendung des „Tie-breaker“-Kriteriums daran scheitern zu lassen, dass in einem Drittstaat die engsten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen. 2. Persönliche und wirtschaftliche Beziehungen 79

Persönliche Beziehungen. Das Innehaben von persönlichen Beziehungen ist nur an objektiven Kriterien zu messen.3 Die subjektiven Absichten und Erklärungen einer Person sind grundsätzlich unbeachtlich. Persönliche Beziehungen umfassen die gesamte private Lebensführung.4 Dazu gehören u.a. die folgenden Beziehungen:5 – familiäre Beziehungen; – gesellschaftliche Beziehungen; – politische Beziehungen; – religiöse Beziehungen; – soziale Beziehungen. – kulturelle Beziehungen. Zu den familiären Beziehungen rechnen in erster Linie die Beziehungen zum Ehepartner, zu einem nicht ehelichen Lebenspartner6 und den Kindern. Der Wohnort der Kinder kann auch dann berücksichtigt werden, wenn diese bereits volljährig sind.7 Daneben ist auf den Aufenthaltsort der Eltern zur Bestimmung der engeren familiären Beziehungen abzustellen.8 Zu den gesellschaftlichen Beziehungen zählen beispielsweise die Mitgliedschaft in einem Verein, die Ausübung sportlicher Aktivitäten und anderer Hobbys.9 Für die anderen oben genannten Beziehungen können beispielsweise die Mitgliedschaft sowie die aktive Mitarbeit in einer Partei (politische Beziehungen) bzw. Religionsgemeinschaft (religiöse Beziehungen), die ehrenamtliche Tätigkeit in einem Verband (soziale Beziehungen) bzw. das Mitwirken in einer Theatergruppe (kulturelle Beziehungen) entscheidend sein. Daneben kann die Ausübung eines Berufes, wenn diese für die Person nicht nur von wirtschaftlicher Bedeutung ist, zu den persönlichen Beziehungen zählen.10 Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige seinen Beruf mit Leidenschaft ausübt und „für seine Arbeit lebt.“11 Als Indiz ist hierfür beispielsweise die Höhe der geleisteten (unbezahlten) Überstunden zu werten.12 Innerhalb der genannten Kriterien mag der familiären Bindung eine herausragende Bedeutung zukommen.13 Eine feste Rangfolge existiert jedoch nicht, so dass auch insoweit zu gewichten ist, zu welchem Staat 1 So auch Beiser, ÖStZ 1989, 245; Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (172 ff.). 2 Zur Analyse der englischen und französischen Fassung des OECD-MA insoweit vgl. Stürzlinger, in Lang/Schuch/ Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (173 f.). 3 Vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 4 Vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 5 Vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 6 So auch Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (165 f.). 7 FG BaWü v. 11.3.2009 – 4 K 251/09, EFG 2009, 904; a.A. (ohne nähere Begründung) Stürzlinger, in Lang/Schuch/ Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (165), nach der der Wohnort volljähriger Kinder für die engsten persönlichen Beziehungen der Eltern meist keine große Rolle mehr spielen wird. Eine Ausnahme wird bei studierenden Kindern bis zum Abschluss des Studiums zugelassen. 8 FG BaWü v. 11.3.2009 – 4 K 251/09, EFG 2009, 904. 9 Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (166). 10 Vgl. (österreichischer) VwGH v. 25.2.1970, 1001/69 (zu einem dem Art. 4 Abs. 2 vergleichbaren Abkommensartikel); aber auch in diesem Fall kann man die Ausübung des Berufs gleichzeitig zu den wirtschaftlichen Beziehungen rechnen (so auch Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (167)). 11 Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (167). 12 Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (167). 13 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 68 und Art. 4 Rz. 15 OECD-MK.

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C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Abs. 2)

Rz. 81 Art. 4

die intensiveren persönlichen Beziehungen bestehen. Entscheidend sind hierfür wiederum die Verhältnisse des Einzelfalls. So konnte bspw. der Court Administrative d’Appel des Paris1 in einem Klageverfahren, in dem die Familie in Frankreich, der Steuerpflichtige jedoch den Großteil des Jahres in einem afrikanischen Staat lebte, nicht klären, zu welchem der beiden Staaten die engeren persönlichen Beziehungen bestanden. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1997 hat der Tax Court of Canada2 den Mittelpunkt der Lebensinteressen sogar in Malaysia angenommen, obwohl die Familie des Steuerpflichtigen in Kanada lebte. Wirtschaftliche Beziehungen. Auch das Innehaben von wirtschaftlichen Beziehungen ist nur an objektiven Kriterien zu messen. Wirtschaftliche Beziehungen bestehen vor allem zu örtlich gebundenen Tätigkeiten, Einnahmequellen und Vermögensgegenständen.3 Arbeitet eine Person in einem Vertragsstaat wird hierdurch beispielsweise eine wirtschaftliche Beziehung begründet. In den sonstigen Fällen dürfte auch entscheidend sein, inwieweit die Einkunftsquelle oder die Vermögensverwaltung eine Anwesenheit der Person im Inland erforderlich macht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Belegenheit des Vermögens isoliert betrachtet für die Frage der engeren wirtschaftlichen Beziehungen unbeachtlich ist.4 Daneben dürfte auch der Höhe der in einem Staat erzielten Einkünfte Bedeutung bei der Bestimmung der engeren wirtschaftlichen Beziehungen zukommen.5 Innerhalb der genannten Kriterien besteht keine feste Rangfolge, so dass auch insoweit zu gewichten ist, zu welchem Staat die intensiveren wirtschaftlichen Beziehungen bestehen. Entscheidend sind hierfür wiederum die Verhältnisse des Einzelfalls.

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Gewichtung persönlicher und wirtschaftlicher Beziehungen. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt in dem Staat, zu dem die Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Entscheidend ist, welcher der beiden Orte der bedeutungsvollere ist.6 Es muss eine Abwägung erfolgen.7 Hat die Person die engeren persönlichen Lebensinteressen zu dem einen und die engeren wirtschaftlichen Lebensinteressen zu dem anderen Staat, steht dies der Anwendung des „Tie-breaker“-Kriterium – trotz des Ausdrucks „und“ – nicht entgegen.8 In diesen Fällen ist zu gewichten, ob man den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die entscheidende Bedeutung bei der Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensinteressen einräumt.9 Nach Ansicht des österreichischen VwGH10 hat der Steuerpflichtige hingegen stets dort den Mittelpunkt der Lebensinteressen, wo die engeren persönlichen Interessen liegen.11 Diese Interpretation erscheint vor dem historischen Hintergrund des „Tie-breaker“-Kriteriums nachvollziehbar.12 Auch in Art. 4 Rz. 15 OECD-MK ist zu lesen, dass „Erwägungen, die sich aus dem persönlichen Verhalten der natürlichen Person ergeben, selbstverständlich erhöhte Bedeutung haben“. Gegen die Ansicht des VwGH spricht jedoch entscheidend, dass das OECD-MA beide Beziehungen gleichberechtigt nebeneinander erwähnt.13 Bestehen zu einem Vertragsstaat die deutlich engeren persönlichen Beziehungen und außerdem noch ins Gewicht fallende wirtschaftliche Beziehungen und zu dem anderen Vertragsstaat praktisch nur gegenwartsbezogene wirtschaftliche Beziehungen, die sich voraussichtlich in der Zukunft abbauen werden, so liegt auch nach (zutreffender) Ansicht des BFH14 der Mittelpunkt der Lebensinteressen eindeutig in dem erstgenannten Staat.

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1 V. 28.12.1995 – 94PA01491, D.F. 1996, no 11, com 332 (zu einer dem Art. 4 Abs. 2 entsprechenden Norm im DBA Frankreich-Elfenbeinküste). 2 V. 24.5.1997 – T.C.J. No 1025. 3 Vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 4 A.A. (ohne nähere Begründung) Kaminski/Strunk, IStR 2007, 189 (191); Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (167). 5 (Österreichischer) VwGH v. 26.7.2000 – 95/14/0145 (zu einer dem Art. 4 Abs. 2 entsprechenden Abkommensbestimmung); zustimmend auch Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 169. 6 Vgl. BFH v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758; v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133. 7 Vgl. BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133. 8 Vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562; v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.205; Stürzlinger in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (169). 9 Vgl. BFH v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758; offen hingegen BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 10 Vgl. öVwGH v. 22.32.1991 – 90/13/0073, SWI 2000, 149. 11 Auch nach Art. 4 Rz. 15 OECD-MK haben Erwägungen, die sich aus dem persönlichen Verhalten der natürlichen Person ergeben, selbstverständlich erhöhte Bedeutung. 12 Vgl. hierzu Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (162 ff.). 13 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 49. 14 Vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562.

Pohl

251

Art. 4 Rz. 82

Ansässige Person

3. Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen 82

Möglichkeit der Verlagerung der Lebensinteressen. Möglich ist es, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen von einem Vertragsstaat in den anderen Vertragsstaat verlagert wird. Einen Wechsel des Mittelpunktes der Lebensinteressen lehnt der BFH jedoch bei nur vorübergehenden Auslandsaufenthalten zutreffend ab. In einem Urteil aus dem Jahre 19851 hat er entschieden, dass ein Steuerpflichtiger, der von seinem Arbeitgeber an ein spanisches Schwesterunternehmen abgeordnet worden ist und mit seiner Familie für ein Jahr in eine Wohnung in Spanien zieht, dabei aber seine inländische Wohnung beibehält, den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Deutschland behält.2 Auch Art. 4 Rz. 15 OECD-MK bestätigt diese Sichtweise: „Begründet eine Person, die in einem Staat über eine Wohnstätte verfügt, ohne diese aufzugeben, im anderen Staat eine zweite Wohnstätte, so kann die Tatsache, dass sie die erste Wohnstätte dort beibehält, wo sie bisher stets gelebt und gearbeitet hat und wo sie ihre Familie und ihren Besitz hat, zusammen mit anderen Gesichtspunkten als Zeichen dafür sprechen, dass diese Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ersten Staat beibehalten hat“. Durch die Rechtsprechung nicht abschließend konkretisiert ist allerdings, wann genau ein nur „vorübergehender“ Auslandsaufenthalt vorliegt.3

83

Unterjähriger Wechsel. Diskutiert wird auch, ob der Mittelpunkt der Lebensinteressen immer nur für den gesamten Veranlagungszeitraum bestimmt werden kann oder ob ein unterjähriger Wechsel möglich ist.4 Art. 4 Abs. 2 verlangt nicht, dass die Person im gesamten Veranlagungszeitraum nur in einem Vertragsstaat ansässig war. Von daher steht die Norm auch einem unterjährigen Wechsel des Mittelpunktes der Lebensinteressen nicht entgegen.5 Art. 4 Rz. 10 OECD-MK bestätigt dies. Beispiel: Steuerpflichtiger S gibt am 2.6.2011 seinen Wohnsitz in Deutschland auf und verzieht mit seiner Familie endgültig nach Belgien, wo er fortan auch ausschließlich beruflich tätig ist. Zuvor war er nur in Deutschland beschäftigt. Infolge des Umzugs wird der Mittelpunkt der Lebensinteressen in einen anderen Vertragsstaat verlagert. S ist somit bis zum 2.6.2011 als in Deutschland und ab dem 3.6.2011 als in Belgien ansässig zu behandeln.

IV. Gewöhnlicher Aufenthalt (Buchst. b) 1. Allgemeines 84

Anwendungsbereich. Art. 4 Abs. 2 Buchst. b sieht als subsidiäres Kriterium den gewöhnlichen Aufenthalt für zwei ganz unterschiedliche Fälle vor (s. Art. 4 Rz. 16 OECD-MK): – die natürliche Person verfügt in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte und es kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat; – die Person verfügt in keinem Vertragsstaat über eine ständige Wohnstätte6.

85

Abkommensautonome Auslegung. Der Ausdruck „gewöhnlicher Aufenthalt“ ist weder im OECD-MA noch im OECD-MK abschließend definiert. Dennoch ist ein (vollständiger) Rückgriff auf den im nationalen Recht ebenfalls verwendeten Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts (vgl. § 9 AO) aufgrund einer Reihe von Unterschieden (vgl. Rz. 89) nicht möglich.7 Der Ausdruck „gewöhnlicher Aufenthalt“ ist aus diesem Grund abkommensautonom auszulegen,8 was allerdings einen Rückgriff auf die Grundsätze des § 9 AO im Einzelfall nicht ausschließt (vgl. z.B. Rz. 92). 1 BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 134. 2 Auch nach Ansicht der österreichischen Finanzverwaltung kommt es zu keinem Wechsel des Mittelpunktes der Lebensinteressen bei kurzfristigen Auslandsaufenthalten von weniger als zwei Jahren (vgl. Excel, ecolex 2006, 188 (190)). 3 M.E. ist hier ein Auslandsaufenthalt von einem Jahr als ein noch vorübergehender Auslandsaufenthalt zu werten. 4 Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (172). 5 So auch Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (172). 6 Als Beispiel nennt der OECD-MK (Art. 4 Rz. 18) hierfür den Fall, dass eine natürliche Person von Hotel zu Hotel zieht. 7 Vgl. BFH v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15 (im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 DBA-Niederlande a.F.); Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 99; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 74; a.A. (noch) BFH v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755 (im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 DBA-Niederlande a.F.); differenzierend Wassermeyer in F/W/K, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 50 (§ 9 Satz 1 und 2 AO ist anzuwenden) und Wilke in G/K/G/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 53 (§ 9 Satz 1 AO ist anzuwenden). 8 Fölhs in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 177 (183); Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 99; Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 203; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 74.

252

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C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Abs. 2)

Rz. 90 Art. 4

Abgrenzung zum Ausdruck des „ständigen Aufenthalts“ i.S.d. Art. 4 Abs. 1. Art. 4 Abs. 1 spricht vom ständigen Aufenthalt. Ausgehend von Art. 3 Abs. 2 ist insoweit die innerstaatliche Bedeutung des Ausdrucks maßgeblich (vgl. Rz. 35). Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist auf § 9 AO zurückzugreifen (vgl. Rz. 35). Dass diese Grundsätze nicht für Art. 4 Abs. 2 Geltung beanspruchen, kommt bereits durch die Verwendung des Begriffs „gewöhnlich“ anstelle von „ständigen“ zum Ausdruck.1 Zum Unterschied zwischen dem gewöhnlichen Aufenthalt nach § 9 AO und Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und c vgl. Rz. 89.

86

Abgrenzung zum Begriff des „Aufenthalts“ i.S.d. Art. 15 Abs. 2 Buchst. a. Art. 15 Abs. 2 Buchst. a stellt auf den Aufenthalt in einem Vertragsstaat ab. Gemeint ist die körperliche Anwesenheit im Tätigkeitsstaat (vgl. Art. 15 Rz. 98 ff.).2 Anders als nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b zählt ein rein privat veranlasster Aufenthalt im Tätigkeitsstaat, der keinen zeitlichen Bezug zur nichtselbständigen Arbeit im Tätigkeitsstaat hat, jedoch nicht als Aufenthaltstag i.S.d. Art. 15 Abs. 2 Buchst. a.3 Ein Unterschied zwischen Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und Art. 15 Abs. 2 Buchst. a ist auch im Hinblick auf die zeitlichen Anforderungen feststellbar. Die zuletzt genannte Norm enthält insoweit konkrete Vorgaben. Hält sich ein unselbständig Tätiger mehr als 183 Tage in einem Zeitraum von zwölf Monaten tatsächlich körperlich im anderen Vertragsstaat auf, so begründet er einen Aufenthalt i.S.d. Art. 15. Ein gewöhnlicher Aufenthalt muss in diesen Fällen jedoch nicht zwingend vorliegen. Ist der Aufenthalt (von 183 Tagen) nicht zeitlich zusammenhängend, liegt insoweit kein gewöhnlicher Aufenthalt vor.4 Umgekehrt kann ein gewöhnlicher Aufenthalt auch dann vorliegen, wenn der Aufenthalt infolge von (kurzfristigen) Unterbrechungen insgesamt kürzer als 183 Tage war.

87

Abgrenzung zum Begriff des „Aufenthalts“ i.S.d. Art. 20. Abzugrenzen ist der „gewöhnliche Aufenthalt“ auch vom Aufenthalt i.S.d. Art. 20. Letzterer ist ausgehend vom Sinn und Zweck der Norm weit auszulegen (vgl. Art. 20 Rz. 24).5 Jeder körperliche Aufenthalt des Studenten, Praktikanten oder Lehrlings, welcher der ordentlichen Durchführung des Studiums oder der Ausbildung ausreichend Rechnung trägt, wird erfasst.6 Der Aufenthalt im Gastland kann auch nur von vorübergehender Natur sein. Durch das Adjektiv „gewöhnlicher“ kommt hingegen zum Ausdruck, dass an den Ausdruck i.S.d. Art. 4 Abs. 2 höhere Anforderungen zu stellen sind.7

88

Abgrenzung zum Ausdruck des „gewöhnlichen Aufenthalts“ i.S.d. § 9 AO. Wie auch Art. 4 Abs. 2 verwendet § 9 AO den Ausdruck „gewöhnlicher Aufenthalt“. Zwischen den Ausdrücken ergeben sich dennoch einige bedeutende Unterschiede: Art. 4 Abs. 2 Buchst. c bringt zum Ausdruck, dass der gewöhnliche Aufenthalt – abweichend vom Verständnis der AO – auch gleichzeitig in beiden Vertragsstaaten liegen kann.8 Anders als bei § 9 AO9 haben persönliche und wirtschaftliche Gesichtspunkte keine Relevanz für die „Tie-breaker“-Regelung. Für einen gewöhnlichen Aufenthalt nach Art. 4 Abs. 2 ist – abweichend vom innerstaatlichen Verständnis – auch nicht erforderlich, dass die Person in dem Vertragsstaat übernachtet.10 Letztlich kann auch weder § 9 Satz 1 AO (vgl. Rz. 93) noch § 9 Satz 3 AO für eine abkommensrechtliche Begriffsbestimmung entscheidend sein.11

89

2. Aufenthalt Voraussetzungen. Grundvoraussetzung für einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat ist, dass der Steuerpflichtige sich dort aufhält. Erforderlich ist hierfür seine körperliche Anwesenheit. Dieser Aufenthalt muss weder in einer Wohnung noch in einer ständigen Wohnstätte erfolgen (vgl. Art. 4 Rz. 17 OECD-

1 I. Erg. auch Fölhs in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 177 (179). 2 BMF v. 12.11.2014 – IV B 2-S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467 Tz. 4.2.2; Schmidt in Haase3, Art. 15 OECD-MA Rz. 121. 3 BMF v. 12.11.2014 – IV B 2-S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467 Tz. 4.2.2. 4 Für den Aufenthalt i.S.d. Art. 15 Abs. 2 muss ein zeitlicher Zusammenhang hingegen nicht vorliegen (vgl. BMF v. 12.11.2014 – IV B 2-S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467 Tz. 4.2.2. 5 Ruge in Haase3, Art. 20 OECD-MA Rz. 18. 6 Ruge in Haase3, Art. 20 OECD-MA Rz. 18. 7 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 74. 8 So auch Fölhs in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 177 (182). In diesem Zusammenhang erscheint die deutsche Übersetzung des Art. 4 Abs. 2 Buchst. b verunglückt, da sie die englische Bestimmung „in which he has an habitual abode“ mit „in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“ übersetzt. Zutreffend wäre die Übersetzung „in dem sie einen gewöhnlichen Aufenthalt hat“ gewesen. 9 Vgl. insoweit Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 22. 10 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 77. 11 Im Hinblick auf § 9 Satz 3 AO auch Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 205; Wilke in G/K/G/K, Art. 4 OECDMA Rz. 55.

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253

90

Art. 4 Rz. 90

Ansässige Person

MK).1 Denn der gewöhnliche Aufenthalt ist nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b auch dann maßgeblich, wenn der Steuerpflichtige keine ständige Wohnstätte im Inland unterhält. Nicht erforderlich ist es auch, dass sich die Person stets am gleichen Ort innerhalb des Staatsgebietes befindet (vgl. auch Art. 4 Rz. 18 OECD-MK). In Abweichung zu § 9 AO wird man für einen gewöhnlichen Aufenthalt auch nicht die Übernachtung in dem betreffenden Staat verlangen können.2 Kehrt eine Person regelmäßig nach der Arbeit in ihre Wohnung in einem anderen Staat zurück, kann sie dennoch in dem Staat, wo sich ihre Arbeitsstätte befindet, einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen.3 Letztlich ist für einen Aufenthalt i.S.d. Art. 4 Abs. 2 auch nicht erforderlich, dass dieser freiwillig erfolgt.4 3. „Gewöhnlicher“ Aufenthalt 91

„Nicht nur vorübergehend“. Der Aufenthalt muss „gewöhnlich“ sein. Erforderlich ist daher ein zeitliches Moment.5 Unklar ist jedoch, welche Anforderungen hieran zu stellen sind. Nach einer Ansicht soll der gewöhnliche Aufenthalt dort liegen, wo sich die Person häufiger aufhält.6 Auch Art. 4 Rz. 17 OECD-MK liegt diese Ansicht zugrunde. Der Vergleich soll einen ausreichend langen Zeitraum erfassen.7 Nach dieser Definition kann der gewöhnliche Aufenthalt jedoch stets nur in einem Vertragsstaat liegen.8 Dies steht jedoch in offenkundigem Widerspruch zu Art. 4 Abs. 2 Buchst. c. Nach anderer Ansicht soll es darauf ankommen, ob der Ort der Verwirklichung der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen dient.9 Dagegen spricht jedoch, dass in Fällen, in denen eine ständige Wohnstätte nicht vorliegt, auf die Feststellung des Mittelpunktes der Lebensinteressen und damit auf die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a und b gerade verzichtet werden soll. Letztlich findet sich die Ansicht, die einen gewöhnlichen Aufenthalt dann annimmt, wenn eine Person in einem Vertragsstaat nicht nur vorübergehend verweilt.10 Diese Definition steht am ehesten mit dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem systematischen Zusammenhang im Einklang. Zudem deckt sie sich im Grundsatz mit den Vorgaben des innerstaatlichen Rechts (vgl. § 9 AO; zu Abweichungen vgl. aber Rz. 89).

92

Vorübergehend. Was unter „vorübergehend“ zu verstehen ist, ist ebenfalls umstritten. Teilweise wird gefordert, dass die Mindestdauer des Aufenthalts in Analogie zu Art. 5 Abs. 3 12 Monate betragen muss.11 Hiergegen spricht jedoch, dass Art. 4 Abs. 2 Buchst. c diesen Zeitraum gerade nicht vorsieht. Nach anderer Auffassung liegt ein „gewöhnlicher“ Aufenthalt bereits dann vor, wenn der Aufenthalt nicht nur sehr kurz ist.12 Mit dem Begriff „gewöhnlich“ lassen sich diese geringen Anforderungen jedoch ebenfalls nicht vereinbaren. Da eine abkommensautonome Auslegung zu nicht eindeutigen Ergebnissen führt, ist ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht gem. Art. 3 Abs. 2 aus diesem Grund möglich. Ausgehend von § 9 AO ist daher eine Mindestdauer des Aufenthalts von sechs Monaten nötig, aber auch ausreichend.

93

Perspektive des Zeitbezugs. Unklar ist weiterhin aus welcher Perspektive das Überschreiten des Sechs-Monats-Zeitraums zu beurteilen ist. Entscheidend könnte die Absicht des Steuerpflichtigen sein, sich mindestens sechs Monate im Vertragsstaat aufzuhalten. Andererseits kann auch objektiv darauf abgestellt werden, ob zu Beginn des Aufenthalts Umstände vorliegen, die ergeben, dass der Steuerpflichtige sich mindestens sechs Monate im Vertragsstaat aufhalten wird.13 Schließlich kann aus einer Ex-post-Perspektive danach gefragt werden, ob sich der Steuerpflichtige tatsächlich sechs Monate in einem Vertragsstaat aufgehalten hat.14 1 2 3 4 5 6

7 8 9 10 11 12 13 14

Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 99. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 75. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 75. Fölhs in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 177 (187); Lederer, RIW 1981, 470; Huemer, Unbeschränkte Steuerpflicht, 152. Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 206. FG BaWü v. 11.3.2009 – 4 K 251/09, EFG 2009, 904; FG Düsseldorf v. 22.1.1999 – 3 K 21/95 V, n.v.; zum Teil findet sich auch die Formulierung „wo die Person normalerweise lebt“ (FG BaWü v. 11.3.2009 – 4 K 251/09, EFG 2009, 904) und „wo die Person überwiegend lebt“ (FG Berlin v. 18.6.2002 – 5 K 5386/00, IStR 2002, 845). Inhaltliche Unterschiede dürften mit diesen Umschreibungen nicht verbunden sein. Vgl. Art. 4 Rz. 19 OECD-MK; offen bleibt jedoch, was unter diesem ausreichend langen Zeitraum zu verstehen ist. Hält sich eine Person in beiden Staaten gleich häufig auf, dürfte nach der Definition kein gewöhnlicher Aufenthalt feststellbar sein, da sich die Person in keinem der Staaten häufiger aufhält. Vgl. FG Berlin v. 18.6.2002 – 5 K 5386/00, IStR 2002, 845. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 76. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 76. Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 206. Was unter „sehr kurz“ zu verstehen ist, wird jedoch nicht weiter konkretisiert. Dies entspricht § 9 Satz 1 AO. Dies entspricht § 9 Satz 2 Halbs. 1 AO.

254

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C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Abs. 2)

Rz. 97 Art. 4

Die letzte Auslegungsvariante scheint am ehesten dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und Art. 4 Rz. 19 OECD-MK zu entsprechen.1 Wird der Zeitraum von sechs Monaten (ggf. auch kalenderübergreifend) überschritten, ist daher rückwirkend auf den Beginn des Zeitraums von einem gewöhnlichen Aufenthalt auszugehen.2 Unterbrechungen. Wird der Aufenthalt in einem Vertragsstaat unterbrochen, wird dadurch die Frist von 94 sechs Monaten nicht zwingend unterbrochen bzw. gehemmt.3 Hierfür spricht die historische Entwicklung des Ausdrucks „gewöhnlicher Aufenthalt“. Die ursprünglich vorgesehene Formulierung „continuing“4 (anhaltend, dauernd) wurde im Endbericht in „habitual“5 (gewöhnlich) abgeändert. Daraus kann abgeleitet werden, dass der Aufenthalt nicht ununterbrochen bestehen muss und Unterbrechungen möglich sind. Andernfalls könnte eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt auch nicht gleichzeitig in mehreren Vertragsstaaten haben. Trotz der Unterbrechung muss allerdings noch ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt vorliegen.6 Daher wird man in der Regel nur kurzfristige Unterbrechungen akzeptieren können.7 Kurzfristig ist jede Unterbrechung, die nach der Verkehrsanschauung die Einheitlichkeit des Aufenthalts unberührt lässt.8 Eine feste zeitliche Grenze existiert insoweit nicht.

V. Staatsangehörigkeit (Buchst. c) Staatsangehörigkeit oder Staatsbürgerschaft des Vertragsstaats. Hat eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der Staaten, so gilt sie nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. c als nur in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist. Die Frage der Staatsangehörigkeit bestimmt sich im Hinblick auf natürliche Personen nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g Unterbuchst. i. Staatsangehöriger ist danach jede Person, die die Staatsangehörigkeit oder Staatsbürgerschaft des betreffenden Vertragsstaates besitzt (zu Einzelheiten vgl. Art. 3 Rz. 53 ff.: Begriff des Staatsangehörigen). Besitzt eine Person neben der Staatsangehörigkeit eines der Vertragsstaaten noch die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates, so steht dies der Anwendung der Norm nicht entgegen.9 Besitzt sie hingegen die Staatsangehörigkeit beider Vertragsstaaten oder keines der Vertragsstaaten, so versagt die Staatsangehörigkeit als „Tie-breaker“-Kriterium. Ein Rückgriff auf Art. 4 Abs. 2 Buchst. d ist dann zwingend.10

95

VI. Regelung im gegenseitigen Einvernehmen (Buchst. d) Gegenseitiges Einvernehmen. Ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, so regeln die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Frage in gegenseitigem Einvernehmen. Eine vergleichbare Regelung existierte bereits in den sog. Genfer Abkommensentwürfen von 1928. Dort war in Art. 11 geregelt, dass „in den Fällen, in denen die Steuerzahler ihren steuerlichen Sitz in beiden Vertragsstaaten haben, die Personalsteuer in beiden Staaten im Verhältnis zur jeweiligen Aufenthaltsdauer im Veranlagungszeitraum oder gemäß einem von den zuständigen Behörden einvernehmlich festzulegenden Aufteilungsmodus erhoben wird.“11

96

Ansässigkeit als Bezugspunkt des Einvernehmens. Bezugspunkt des Einvernehmens ist nicht die Frage der Staatsangehörigkeit, sondern die Ansässigkeit insgesamt.12 Dadurch kommt zum Ausdruck, dass das Verfahren nur subsidiär dann zur Anwendung kommt, wenn die vorausgehenden Kriterien ausgeschöpft

97

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Danach ist ein ausreichend langer Zeitraum zu betrachten. Vgl. auch Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 76. Dies entspricht § 9 Satz 2 Halbs. 2 AO. Vgl. FC/WP2 (57)3, Working Party No 2 of the Fiscal Committee, Denmark-Luxemburg, Paris 5th November 1957, Fourth Report on the Concept of Fiscal Domicile, 2. Vgl. FC/WP2 (58)1, Working Party No 2 of the Fiscal Committee, Denmark-Luxemburg, Paris 10th January 1957, Fourth Report on the Concept of Fiscal Domicile, 2. So auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 76, der jedoch eine Rückkehrabsicht der Person in diesem Zusammenhang genügen lässt. Vgl. Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 35 m.w.N. (im Hinblick auf § 9 AO). FG BaWü v. 23.9.1975 – IV 253/73, EFG 1976, 13 (rkr.). Gleiche Auffassung Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 101. Vgl. Lehner in V/L6, DBA, Art. 4 OECD-MA Rz. 94. Eine vergleichbare Regelung ist sowohl in Art. XIV des bilateralen Musterabkommens des Völkerbundes, das im Juli 1943 in Mexiko-Stadt vorgestellt wurde, als auch in Art. XV des bilateralen Musterabkommens des Völkerbundes, das im März 1946 in London vorgestellt wurde, vorgesehen. Vgl. Lehner in V/L6, DBA, Art. 4 OECD-MA Rz. 210.

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Art. 4 Rz. 97

Ansässige Person

worden sind.1 Bestehen hingegen nur unterschiedliche Ansichten zum Vorliegen eines Kriteriums nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a bis c (z.B. zum Vorhandenseins einer ständigen Wohnstätte), so ist nicht Art. 4 Abs. 2 Buchst. d, sondern Art. 25 anzuwenden.2 98

Verfahrensgrundsätze. Wer zuständige Behörde i.S.d. Art. 4 Abs. 2 Buchst. d ist, bestimmt sich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. f. Im Übrigen enthält das OECD-MA keine ausdrücklichen Vorgaben für die Durchführung des Verfahrens. Ein Rückgriff auf die Grundsätze des Art. 25 ist daher geboten (vgl. Art. 4 Rz. 20 OECDMK). Abweichungen ergeben sich jedoch in dreierlei Hinsicht: Erstens kann sich der Steuerpflichtige, mangels einer eindeutigen Ansässigkeit in einem der Staaten, einen der Vertragsstaaten aussuchen, in dem er einen Antrag auf einvernehmliche Regelung stellt.3 Zweitens sind die Vertragsstaaten (ggf. auch von Amts wegen) zur Einleitung des Verfahrens verpflichtet.4 Anders als Art. 25 gibt der Wortlaut des Art. 4 den Staaten insoweit kein Ermessen. Drittens besteht eine Pflicht zur Einigung.5 Auch dies kommt durch den Wortlaut („regeln“ statt „bemühen“) zum Ausdruck.

99

Kriterien des Einvernehmens. Gegenstand des Einvernehmens ist die Ansässigkeit einer Person in dem einen oder anderen Vertragsstaat. Die Ansässigkeit wiederum hängt von den Beziehungen der Person zu den Vertragsstaaten ab. Welche Kriterien im Rahmen der Verständigung für diese Entscheidung heranzuziehen sind, sagt das OECD-MA nicht.6 Da Gegenstand der Verständigung nicht nur die Staatsangehörigkeit, sondern generell die Ansässigkeit ist, sind zunächst sämtliche Kriterien nach Buchst. a bis c zu berücksichtigen. Da Art. 4 Abs. 2 Buchst. d jedoch nur dann zur Anwendung kommt, wenn diese Kriterien zu keinem (eindeutigen) Ergebnis geführt haben, wird man regelmäßig auf weitere (ungeschriebene) Kriterien zurückgreifen müssen. Dies eröffnet den Behörden letztlich einen weiten Ermessensspielraum bei der Frage, wie der Ansässigkeitskonflikt zu lösen bzw. die Nähebeziehung zu einem bestimmten Staat zu bestimmen ist. Zu Art. 11 des Genfer Abkommensentwurfs von 1928 wurde die Ansicht vertreten, dass das Eivernehmen z.B. auf der Grundlage des Verhältnisses des in den jeweiligen Vertragsstaaten erzielten Einkommens hergestellt werden könne.7 Auch wenn Art. 4 deutlich von der Konzeption des Art. 11 des Genfer Abkommensentwurfs von 1928 abweicht, erscheint es möglich, auch dieses Kriterium zur Feststellung der Nähebeziehung zu einem Staat heranzuziehen.8

100

Aussetzung des Gerichtsverfahrens. Kommt es im Rahmen eines Gerichtsverfahrens auf eine einvernehmliche Regelung der Ansässigkeit i.S.d. Art. 4 Abs. 2 Buchst. d an, so ist das Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen.9

D. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf andere als natürliche Personen (Abs. 3) Ausgewählte Literatur: Bendlinger, Das OECD-Musterabkommen 2017, SWI 2017, 450; Debatin, Die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, Institut für Ausländisches und Internationales Finanz- und Steuerwesen, Hamburg 1990; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, Das neue OECD-Musterabkommen 2017, DB 2018, 1171; Dommes/ Herdin, The Consequences of the Tie-Breaker Rule for Resident Companies, SWI 2004, 450; Ebert, Der Ort der Geschäftsleitung in internationalen Holding-Konzernstrukturen, IStR 2005, 534; Eilers/Wienands, Neue steuerliche und gesellschaftsrechtliche Aspekte der Doppelansässigkeit von Kapitalgesellschaften nach der EuGH-Entscheidung vorn 9.3.1999, IStR 1999, 289; Frick/Corino, Anmerkung zu BFH, Urteil v. 24.1.2011 – I R 100/99, IStR 2001, 351; Großmann, Doppelt ansässige Kapitalgesellschaften im internationalen Steuerrecht, Münchner Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 20; Haslinger, Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung als Tie-Breaker nach Art. 4 Abs. 3 OECD-MA und seine in Diskussion befindlichen Reformen, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 33; Herne/Berling/Jones, Domicile and Residence in the United Kingdom, European Taxation 1981, 172; Herne/Berling/Jones, Place of Effective Management as a Residence Tie-Breaker, Bulletin for International Taxation 2005, 20; Kaminski/Strunk, Ansässigkeit und Vermeidung der Doppelbesteuerung nach Abkommensrecht, IStR 2007, 189; Lehner, Die steuerliche Ansässigkeit von Kapitalgesellschaften, RIW 1988, 201; Mensching, Die Limited Liability Company (LLC) im Minenfeld zwischen deutschem, innerstaatlichen Steuerrecht und Abkommensrecht, IStR 2008, 687; Mensching, Selbständigkeit juristischer Personen Vgl. Lehner in V/L6, DBA, Art. 4 OECD-MA Rz. 94. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 85. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 84. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 84. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 84. Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 54. Vgl. R. Rohatgi, Basic International Taxation, Vol. I: Principles of international Taxation, Richmond 2005, 403. Vgl. auch Moschetti, FS Lang, 1167 (1189) der Art. 11 des Genfer Abkommensentwurfs von 1928 als sinnvolle Lösung bezeichnet. 9 Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 104; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 86. 1 2 3 4 5 6 7 8

256

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D. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf andere als natürliche Personen (Abs. 3)

Rz. 104 Art. 4

und Kapitalgesellschaften im internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 208; Piltz, Unbeschränkte Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften aufgrund inländischer Geschäftsleitung, FR 1985, 347; Raupach, Steuerliche Folgen der Doppelansässigkeit, in Haarmann (Hrsg.), Unternehmensstrukturen und Rechtsformen im Internationalen Steuerrecht, Band 7 Forum der internationalen Besteuerung, Köln 1996; Schnitger, Fragestellungen zur steuerlichen Behandlung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, IStR 2013, 82; Seibold, Problematik der Doppelansässigkeit von Kapitalgesellschaften, IStR 2003, 45; Staringer, Doppelt ansässige Kapitalgesellschaften und internationale Schachtelbefreiung, SWI 1998, 575; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999.

I. Regelungszweck Festlegung der Ansässigkeit. Art. 4 Abs. 3 zielt darauf ab, die für die Abkommensanwendung notwendige 101 (Vor-)Frage der Ansässigkeit einer anderen als einer natürlichen Person verbindlich zu entscheiden, wenn eine doppelte Ansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 besteht. Diese Situation, die sich bei der Aufnahme der „Tiebreaker“-Regelung in die Vertragsschablone des Musterabkommens im Jahre 1963 im Wesentlichen als Randproblem dargestellt hat,1 ist in einer Welt der Globalisierung keine Ausnahmeerscheinung mehr.2 Eine doppelte Ansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 kann bspw. vorliegen, wenn der eine Staat eine Gesellschaft aufgrund ihres Sitzes und der andere Staat aufgrund des Ortes ihrer Geschäftsleitung als unbeschränkt steuerpflichtige Person behandelt (vgl. auch Art. 4 Rz. 21 OECD-MK). Daneben kommt der „Tie-breaker“-Regelung auch außerhalb der DBA z.B. im Rahmen des § 12 Abs. 3 Satz 2 KStG Bedeutung zu (vgl. Rz. 8).

II. Allgemeines Regelung bis zum OECD-MA 2017. Anders als Art. 4 Abs. 2 enthielt Art. 4 Abs. 3 bis zur Änderung durch das OECD-MA 2017 nur ein einziges Kriterium zur Lösung des Ansässigkeitskonflikts. Die nicht natürliche Person galt danach als nur in dem Staat als ansässig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet.3

102

Reformbestrebungen. Die OECD hat im Februar 2001 einen Diskussionsentwurf vorgelegt, der die Auswirkungen der „Kommunikationsrevolution“ auf die Anwendung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung untersucht.4 Unter Berücksichtigung zwischenzeitlich ergangener Stellungnahmen5 hat die OECD im Mai 2003 einen neuen Entwurf vorgelegt, der zwei Konzepte für die Bestimmung des Ansässigkeitsstaats von anderen als natürlichen Personen beinhaltet.6 Der erste Vorschlag geht dahin, die Erläuterungen zum Orte der tatsächlichen Geschäftsleitung im OECD-MK zu erweitern.7 Nach dem zweiten Vorschlag soll der bisher einstufige durch einen vierstufigen Ansässigkeitstest erweitert werden.8 Neben der tatsächlichen Geschäftsleitung kann danach u.a. berücksichtigt werden, zu welchem Staat die Gesellschaft die stärksten wirtschaftlichen Beziehungen unterhält.

103

Ergänzende Regelung im OECD-MK. Neben Art. 4 Abs. 3 a.F. erwähnte Art. 4 Rz. 24.1 OECD-MK9 a.F. die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, die Frage der Ansässigkeit auch (allein) im gegenseitigen Einvernehmen klären zu lassen. Entscheidend sollen dann neben dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung und dem Ort der Eintragung auch andere erhebliche Gesichtspunkte (z.B. Ort der Sitzungen des Aufsichtsoder Verwaltungsrats) sein.10 In einigen DBA ist eine derartige Alternativklausel anzutreffen.11

104

1 Vgl. Art. 4 Rz. 17 OECD-MK 1963: „In der Praxis wird es selten vorkommen, daß eine Gesellschaft usw. in mehr als einem Staat als eine dort ansässige Person besteuert wird […]“. 2 Haslinger in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (193). 3 Zu dieser Regelung ausführlich Pohl in Vorauflage Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 99 ff. 4 OECD Technical Advisory Group, The Impact of the Communications Revolution on the Application of „Place of Effective Management“ as an Tie Breaker Rule, February 2001. Vgl. Insoweit auch Haslinger in Lang/Schuch/ Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (200 ff.) und Jirousek, ÖStZ 2001, 296 ff. 5 Vgl. Hinnekens, Intertax 2003, 315; Lambooij/Sinyor/Chew, TNI 2001, 2091 ff. 6 OECD Technical Advisory Group, Place of Effective Management Concept: Suggestions for Changes to the OECD Model Tax Convention, May 2003. 7 Vgl. Diskussionsentwurf der OECD Technical Advisory Group Rz. 6 f. 8 Vgl. Diskussionsentwurf der OECD Technical Advisory Group Rz. 6 f. 9 Eingefügt am 18.7.2008. 10 Vgl. auch Großmann, Doppelt ansässige Kapitalgesellschaften im internationalen Steuerrecht, 77 ff. 11 Vgl. z.B. Art. 4 Abs. 2 DBA-Japan.

Pohl

257

Art. 4 Rz. 105 105

Ansässige Person

Änderungen durch das OECD-MA 2017. Seit dem OECD-MA 2017 wird der Ansässigkeitskonflikt anders als nach früheren MA gelöst.1 Im Fall einer doppelten Ansässigkeit sollen sich die zuständigen Behörden bemühen, durch Verständigung den Vertragsstaat zu bestimmen, in dem die Person als ansässig gilt (Art. 4 Abs. 3). Relevant sollen hierfür der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung, der Gründungsort und sonstige maßgebliche Faktoren sein. Die Regelung ähnelt Art. 4 Abs. 2 Buchst. d, wo als ultima ratio ein gegenseitiges Einvernehmen der zuständigen Behörden ausschlaggebend sein soll (vgl. Rz. 96 ff.). Das Regelungsanliegen der OECD ist verständlich. In Fällen, in denen der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung nicht feststellbar ist, eröffnet die Neufassung zum einen die Möglichkeit, den Ansässigkeitskonflikt durch Heranziehung anderer Faktoren zu lösen. Zum anderen schafft die Norm die Möglichkeit, auf missbräuchliche Gestaltungen zu reagieren und Abkommensvorteile den nicht natürlichen Personen ganz zu versagen. Kritikwürdig ist jedoch die unbestimmte Fassung der Norm.2 So bleibt weitestgehend unklar, welche Faktoren letztlich für die Ansässigkeitsbestimmung maßgeblich sein sollen und wie diese zu gewichten sind. Diese Unbestimmtheit eröffnet einen erheblichen und gerichtlich nicht vollständig überprüfbaren Freiraum der Behörden, was rechtsstaatlich nur schwer hinnehmbar ist.3

III. Eine andere als eine natürliche Person 106

Andere als natürliche Person. Art. 4 Abs. 3 gilt in Abgrenzung zu Art. 4 Abs. 2 nur für andere als natürliche Personen. Damit sind – unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a – Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen gemeint, ohne Rücksicht darauf, ob sie juristische Personen sind oder nicht (vgl. auch Art. 4 Rz. 21 OECD-MK). Was wiederum unter einer Gesellschaft zu verstehen ist, ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. b zu entnehmen (vgl. insoweit Art. 3 Rz. 15 ff.).

IV. Verständigung 107

Allgemeines. Ist eine andere als eine natürliche Person in mehr als einem Vertragsstaat ansässig, so werden sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bemühen, durch Verständigung den Vertragsstaat zu bestimmen, in dem diese Person als ansässig gilt.

108

Zuständige Behörde. Wer zuständige Behörde i.S.d. Art. 4 Abs. 3 ist, bestimmt sich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. f. Auf deutscher Seite wird in Ankommen regelmäßig das BMF als zuständige Behörde benannt, das seinerseits die Zuständigkeit auf eine andere Behörde (BZSt) weiterdelegiert.

109

Verfahrensgrundsätze. Wie das Verständigungsverfahren durchzuführen ist, regelt Art. 4 Abs. 3 nicht. Ein Rückgriff auf die Grundsätze des Art. 25 ist daher geboten.4 Abweichungen ergeben sich jedoch in mehrfacher Hinsicht. Mangels einer eindeutigen Ansässigkeit in einem der Vertragsstaaten, kann sich die Person einen der Vertragsstaaten aussuchen, in dem sie einen Antrag auf Verständigung stellt. Nach Art. 4 Rz. 24.2 OECD-MK sollte der Antrag innerhalb von drei Jahren nach der ersten Mitteilung der Maßnahme an die betroffene Person, die eine abkommenswidrige Besteuerung zur Folge hat, gestellt werden. Der Ausdruck „sollte“ macht jedoch deutlich, dass es sich hierbei um keine zwingend zu beachtende Ausschlussfrist handelt. Das Verständigungsverfahren kann daneben auch durch einen der Vertragsstaaten von Amts wegen eingeleitet werden.5 Abweichend von Art. 4 Abs. 2 Buchst. d lässt sich dem Wortlaut („bemühen“) entnehmen, dass weder ein Einleitungs- noch ein Einigungszwang der Behörden besteht.6 Kommt es zu keiner Einigung, ist Art. 4 Abs. 3 Satz 2 einschlägig.7

110

Relevante Kriterien. Anders als z.B. Art. 4 Abs. 2 Buchst. d und Art. 4 Abs. 3 DBA-USA enthält Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Kriterien (Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung, Gründungsort sowie sonstige maßgebliche Faktoren), die für die Verständigung ausschlaggebend sein sollen. Diese Kriterien sind im Rahmen einer Verständigung nicht alternativ, sondern kumulativ zu berücksichtigen. Auch aus der Reihenfolge der genannten Kriterien lässt sich kein zwingendes Rangverhältnis ableiten. Andernfalls wäre eine dem Art. 4 Abs. 2 vergleichbare Regelung zu erwarten gewesen. Aus der Entwicklungsgeschichte des Art. 4 Abs. 3 lässt sich jedoch 1 Vgl. hierzu ausführlich Pohl, IWB 2018, 922. 2 Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1172). 3 Zu verfassungsrechtlichen Bedenken bereits Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer Art. 4 OECD-MA Rz. 117 zu Art. 4 Rz. 24.1 OECD-MK a.F. 4 So auch Art. 4 Rz. 24.2 OECD-MK. 5 So auch Art. 4 Rz. 24.2 OECD-MK: „[…] normalerweise von der Person verlangt […]“. 6 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer Art. 4 OECD-MA Rz. 107 zu Art. 4 Rz. 24.1 OECD-MK a.F. 7 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer Art. 4 OECD-MA Rz. 107 zu Art. 4 Rz. 24.1. OECD-MK a.F.

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Pohl

D. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf andere als natürliche Personen (Abs. 3)

Rz. 114 Art. 4

ableiten, dass dem Ort der Geschäftsleitung (sofern dieser feststellbar ist) auch weiterhin eine besondere Bedeutung bei der Festlegung der Ansässigkeit zukommen soll. Die Änderung des Art. 4 Abs. 3 ist letztlich nur darauf zurückzuführen, dass im Zuge der „Kommunikationsrevolution“ die Fixierung eines Orts der tatsächlichen Geschäftsleitung häufig nicht gelang (hierzu Rz. 107 f.). Aussetzung des Gerichtsverfahrens. Kommt es im Rahmen eines Gerichtsverfahrens auf eine einvernehmliche Regelung der Ansässigkeit i.S.d. Art. 4 Abs. 3 an, so ist das Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen.1

111

Inhalt der Verständigung. Reguläres Ziel der Verständigung ist die Festlegung eines einzigen Vertragsstaats als Ansässigkeitsstaat. Wie Art. 4 Abs. 3 Satz 2 zu entnehmen ist, kann jedoch auch alternativ eine Verständigung hinsichtlich Art und Ausmaß einer auf die Person anzuwendenden Steuerentlastungen und -befreiungen Gegenstand der Verständigung sein. Die Norm eröffnet den beteiligten Behörden dadurch einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Zulässig dürfte danach selbst eine Verständigung sein, nach der die Person nur bzgl. einzelner Einkunftsarten in einem Vertragsstaat als ansässig gilt.2 Da sich die Verhältnisse, die für die Ansässigkeitsbestimmung ausschlaggebend sind, ändern können, sollte in der Verständigung zugleich geregelt sein, welchen Zeitraum diese abdeckt.3

112

V. Relevante Kriterien für eine Verständigung 1. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung Abkommensautonome Auslegung. Das OECD-MA definiert den Ausdruck „Ort der tatsächlichen Ge- 113 schäftsleitung“ anders als einige DBA4 nicht. Für Abkommen, die nach dem 29.4.2000 geschlossen wurden, lässt sich der Begriff dennoch abkommensautonom unter Rückgriff auf die Definition in Art. 4 Rz. 24 OECD-MK erschließen. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung ist danach der Ort, an dem die grundlegenden Leitungs- und kaufmännischen Entscheidungen, die für die Führung der Geschäfte des Rechtsträgers im Ganzen notwendig sind, im Wesentlichen getroffen werden. Für Abkommen, die vor der Änderung des OECD-MK abgeschlossen wurden, ist eine Orientierung an Art. 4 Rz. 24 OECD-MK ebenfalls möglich, da die dort niedergelegten Grundsätze nur deklaratorischer Natur sind.5 Ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 i.V.m. § 10 AO ist aus diesem Grund versperrt.6 Unterschiede zum nationalen Begriff der „Geschäftsleitung“ ergeben sich dennoch nicht.7 Dem steht nicht entgegen, dass Art. 4 Abs. 3 im Gegensatz zu § 10 AO von einer tatsächlichen Geschäftsleitung spricht. Nach Art. 4 Rz. 22 OECD-MK soll durch das Adjektiv „tatsächlich“ nur sichergestellt werden, dass bloß formale Kriterien (wie z.B. die Eintragung oder die Festschreibung eines Ortes der Geschäftsleitung in einer Satzung) keine Bedeutung für die Ansässigkeit haben.8 Dies wird jedoch bereits durch die Auslegung des § 10 AO gewährleistet. Denn nach Ansicht des BFH kommt es im Rahmen des § 10 AO nur auf die tatsächlichen Verhältnisse an.9 Beide Begriffe unterscheiden sich auch nicht dadurch, dass ein Rechtsträger gleichzeitig mehrere Orte der Geschäftsleitung aber nur einen Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung haben kann (Art. 4 Rz. 24 OECD-MK). Denn auch im Hinblick auf § 10 AO wird zu Recht die Ansicht vertreten, dass sich die Geschäftsleitung stets nur an einem Ort befinden kann.10 Grundlegende Leitungs- und kaufmännische Entscheidungen. Nach Art. 4 Rz. 24 OECD-MK ist Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der Ort, an dem die grundlegenden Leitungs- und kaufmännischen Entscheidungen, die für die Führung der Geschäfte des Rechtsträgers im Ganzen notwendig sind, im Wesentlichen getroffen werden. Neben kaufmännischen Entscheidungen sind daher auch sonstige Entscheidungen (insbes. technische Entscheidungen) zu berücksichtigen.11 Kommt es zu einem Konflikt zwischen technischen und

1 Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 104; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 86 jeweils zu Art. 4 Abs. 2 Buchst. d. 2 A.A. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer Art 4 OECD-MA Rz. 110 zu Art. 4 Rz. 24.1 OECD-MK a.F. 3 Art. 4 Rz. 24.3 OECD-MK. 4 Vgl. z.B. Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 DBA-Frankreich. 5 So auch Haslinger in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (196). Zur statischen Auslegung vgl. im Übrigen BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 6 Großmann, Doppelt ansässige Gesellschaften im internationalen Steuerrecht, 75 f.; Haslinger in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (195). 7 A.A. Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 47; Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 103. 8 Siehe auch Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 95. 9 Vgl. z.B. BFH v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 7.12.1994 – I R 1/93, BStBl. II 1995, 175. 10 Vgl. BFH v. 16.3.1994 – 1 B 171/93, BFH/NV 1994, 770; v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; a.A. BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 30.1.2002 – I R 12/01, BFH/NV 2002, 1128. 11 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 95.

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259

114

Art. 4 Rz. 114

Ansässige Person

kaufmännischen Entscheidungen, ist den letzteren der Vorzug zu geben.1 Die Entscheidungen müssen für den laufenden Geschäftsablauf wichtig sein. Nebensächliche Geschäftsangelegenheiten bleiben daher außer Betracht. Außergewöhnliche Geschäfte von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung haben ebenfalls keine Bedeutung.2 Alle Umstände und Tatsachen sind hierfür zu würdigen. Es ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Geschäftsleitung üblicherweise der Vorstand bzw. der oder die Geschäftsführer selbst ausübt.3 Der frühere Verweis auf die höchstrangige Person ist im OECD-MK allerdings nicht mehr enthalten.4 Eine Änderung dürfte damit allerdings nicht verbunden sein, da die Leitungs- und kaufmännischen Entscheidungen, die für die Führung der Geschäfte des Rechtsträgers im Ganzen notwendig sind, im Regelfall von dieser Personengruppe getroffen werden.5 Zwingend ist dies aber nicht. Insgesamt ergeben sich keine Unterschiede zum innerstaatlichen Recht.6 Vor diesem Hintergrund ist es legitim, sich bei der weiteren Konkretisierung der Definition im OECD-MK an den Kriterien des § 10 AO (hierzu Rz. 38) zu orientieren.7 115

Nur ein Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung möglich. Nach Art. 4 Abs. 3 kann eine andere als eine natürliche Person immer nur einen Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung haben.8 Dies ergibt sich aus der Funktion der Norm als „Tie-breaker“-Regelung, die sich auf ein einziges Kriterium beschränkt. Man muss daher davon ausgehen, dass man ursprünglich von der Eindeutigkeit des Tests ausgegangen ist.9 Gleiches lässt sich ausdrücklich auch Art. 4 Rz. 24 OECD-MK entnehmen.10 Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung kann sich innerhalb eines Jahres allerdings nacheinander an verschiedenen Orten befinden.

116

Problemfälle. Allerdings sind Situationen denkbar, in denen es nicht nur schwierig, sondern sogar unmöglich ist, den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung zu bestimmen.11 Dies sind zunächst Fälle, in denen es nicht einen, sondern mehrere Orte gibt, an denen die grundlegenden Leitungsentscheidungen getroffen werden. Dies ist häufig die Folge der fortschreitenden Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie.12 So besteht heute die Möglichkeit, Konferenzen über Telefon, Internet oder Video abzuhalten, so dass keine Notwendigkeit mehr besteht, dass sich die Entscheidungsträger einer Gesellschaft regelmäßig an einem Ort treffen müssen, um dort ihre Beschlüsse zu fassen.13 Daneben sind wechselnde Orte der tatsächlichen Geschäftsleitung denkbar, wenn z.B. die Vorstandssitzungen an unterschiedlichen Orten in verschiedenen Ländern abgehalten werden.14 Liegt der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in einem Drittstaat, lässt sich Art. 4 Abs. 3 ebenfalls keine Aussage zum Ansässigkeitsstaat entnehmen.15 2. Gründungsort

117

Begriff des Gründungsorts. Mit dem zweiten Kriterium des Gründungsorts wird im Vergleich zur tatsächlichen Geschäftsleitung (Rz. 113 ff.) ein rechtlicher Anknüpfungspunkt gewählt.16 Eine Definition des Gründungsorts findet sich im OECD-MA nicht. Nach nationalem Verständnis (Art. 3 Abs. 2) dürfte insoweit entscheidend sein, nach welchen Rechtsvorschriften die Person gegründet worden ist. Dies dokumentiert sich regelmäßig an der Eintragung der nicht natürlichen Person in einem bestimmten Register (z.B. dem Handelsregister). 1 2 3 4

5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Vgl. bereits RFH v. 1.7.1936 – VI A 491/36, RStBl. 1936, 779. Vgl. auch Burgstaller/Haslinger, Intertax 2004, 380; Metzler/Stieglitz, SWI 2004, 456 (461). Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 265 ff. In Art. 4 Rz. 24 OECD-MK hieß es vor den Änderungen durch den OECD-MK 2008: „Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung wird gewöhnlich dort sein, wo die höchstrangige Person oder Personengruppe (z.B. ein Vorstand) ihre Entscheidungen trifft, wo über Maßnahmen, die von dem Rechtsträger als Ganzes getroffen werden müssen, entschieden wird.“ So auch Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 110. Vgl. auch Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 47. Vgl. insoweit Rz. 38 ff. sowie die ausführliche Kommentierung des § 10 AO von Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 1 ff. Haslinger in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (197); Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 265; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 92. Haslinger in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (197). Vgl. Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 47. Vgl. hierzu ausführlich Haslinger in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (198 ff.). Hierzu Haslinger in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (198). Vgl. Strunk, FS Fischer, 259 (264). Vgl. Hinnekens, Intertax 2003, 315. Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, 149; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 92. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer Art. 4 OECD-MA Rz. 109 zu Art. 4 Rz. 24.1 OECD-MK a.F.

260

Pohl

D. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf andere als natürliche Personen (Abs. 3)

Rz. 124 Art. 4

Rangverhältnis. Zum Verhältnis des Gründungsorts zu anderen Kriterien des Art. 4 Abs. 3 vgl. Rz. 110.

118

3. Sonstige maßgebliche Faktoren Begriff der sonstigen maßgeblichen Faktoren. Neben dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung und dem Gründungsort nennt Art. 4 Abs. 3 sonstige maßgebliche Faktoren im Sinne dieses Abkommen als Einflussfaktoren für eine Einigung im Verständigungsverfahren. An einer Definition mangelt es auch insoweit. Allein die Zielsetzung der Norm erlaubt gewisse Rückschlüsse. Als maßgebliche Faktoren kommen nur solche Umstände in Betracht, die einen räumlichen Bezug der nicht natürlichen Person zu einem Vertragsstaat zum Ausdruck bringen. Sachwidrig wäre danach bspw., wenn die Höhe des Einkommens einer Körperschaft für die Festlegung der Ansässigkeit als ausschlaggebend angesehen würde. Nach dem OECD-MK1 zählen zu den maßgeblichen Faktoren bspw. der Ort der Sitzungen des Aufsichts- oder Verwaltungsrats oder eines entsprechenden Gremiums, der Ort, wo der Vorstandsvorsitzende oder andere höhere Führungskräfte gewöhnlich ihre Tätigkeiten ausüben, der Ort, wo die täglichen Führungsentscheidungen für die Person getroffen werden, der Ort, wo sich die Hauptverwaltung der Person befindet, das Recht welchen Landes den rechtlichen Status bestimmt und der Ort, wo die Bücher geführt werden.

119

Rangverhältnis. Zum Verhältnis der sonstigen maßgeblichen Faktoren zu anderen Kriterien des Art. 4 Abs. 3 vgl. Rz. 110.

120

VI. Rechtsfolgen einer fehlenden Verständigung Rechtsfolgen. Wird ein Verständigungsverfahren nicht durchgeführt oder bleibt dieses erfolglos (vgl. 121 Rz. 109), ist Art. 4 Abs. 3 Satz 2 anzuwenden. Daneben kommt die Vorschrift während eines Verständigungsverfahrens zur Anwendung.2 In diesen Fällen hat die nicht natürliche Person keinen Anspruch auf die im Abkommen vorgesehenen Steuerentlastungen oder -befreiungen, außer in dem Ausmaß und in der Art, die von den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten vereinbart worden sind. Beispiel: Eine in Deutschland und einem anderen Vertragsstaat ansässige Kapitalgesellschaft hat Dividenden von einer deutschen Kapitalgesellschaft bezogen. Eine (erfolgreiche) Verständigung der Vertragsstaaten nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 hat nicht stattgefunden. Obwohl Art. 10 Abs. 2 tatbestandlich vorliegt, ist die Quellensteuerermäßigung gem. Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 nicht anzuwenden.

§ 12 Abs. 3 Satz 2 KStG. Abweichend vom DBA-USA führt Art. 4 Abs. 3 Satz 2 allerdings nicht dazu, dass die Person in einem keinem der Vertragsstaaten mehr als ansässig gilt.3 Die Ansässigkeit der Person nach Art. 4 Abs. 1 bleibt vielmehr erhalten. Dies wirft Folgefragen u.a. für § 12 Abs. 3 Satz 2 KStG auf. Art. 12 Abs. 3 Satz 2 KStG greift bereits dann ein, wenn eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse in Folge der Verlegung ihres Sitzes oder ihrer Geschäftsleitung in einem Drittstaat als ansässig gilt. Findet keine Verständigung statt und bleibt die Körperschaft deshalb auch in Deutschland ansässig, ist § 12 Abs. 3 Satz 2 KStG nach seinem Wortlaut dennoch einschlägig. Nach dem Sinn und Zweck der Norm ist eine Enstrickungsbesteuerung in derartigen Fällen allerdings nicht sachgerecht, da deutsches Besteuerungsrecht nicht verloren gegangen ist. Im Wege einer teleologischen Reduktion ist § 12 Abs. 3 Satz 2 KStG daher nicht anzuwenden.

122

Unabhängigkeit von Ansässigkeit. Zu zweifelhaften Ergebnissen führt die Norm, wenn sich das Besteuerungsrecht unabhängig von der Ansässigkeit bestimmen lässt. Unterhält eine nicht natürliche Person in einem Vertragsstaat eine Betriebsstätte, so dürfen diese Betriebsstätteneinkünfte nur in diesem Vertragsstaat besteuert werden. Die Ansässigkeit bestimmt allein, ob dieses Ergebnis aus Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 oder 2 folgt. Ausgehend von Art. 4 Abs. 3 Satz 2 ist eine Betriebsstättenfreistellung hingegen nicht mehr möglich.

123

Doppelt ansässige nicht natürliche Person. Betroffen von Art. 4 Abs. 3 Satz 2 ist nur die doppelt ansässige nicht natürliche Person.4 Nur dieser bleiben die Abkommensvorteile verwehrt. Dritte Personen, bei denen die Ansässigkeit der nicht natürlichen Person von Bedeutung ist, können sich weiterhin auf Steuerentlastungen oder -befreiungen berufen.5 Dies gilt insbesondere für Art. 10 und Art. 15.6

124

1 2 3 4 5 6

Art. 4 Rz. 24.2 OECD-MK. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer Art. 4 OECD-MA Rz. 112 zu Art. 4 Rz. 24.1 OECD-MK a.F. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer Art. 4 OECD-MA Rz. 111 zu Art. 4 Rz. 24.1 OECD-MK a.F. Art. 4 Rz. 24.4 OECD-MK. So auch Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer Art. 4 OECD-MA Rz. 111 zu Art. 4 Rz. 24.1 OECD-MK a.F. Art. 4 Rz. 24.4 OECD-MK.

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261

Art. 4 Rz. 124

Ansässige Person

Beispiel: Die in einem Vertragsstaat ansässige natürliche Person N hat Dividenden von einer in Deutschland und dem anderen Vertragsstaat nach Art. 4 Abs. 1 ansässigen Kapitalgesellschaft bezogen. Eine Verständigung nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 hat nicht stattgefunden.

Auf N ist – unabhängig von Art. 4 Abs. 3 Satz 2 – die Regelung des Art. 10 Abs. 2 anzuwenden.

E. Deutsches Muster-DBA 125

Deutsches Muster-DBA. Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen Muster-DBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.

F. Konsequenzen des MLI 126

MLI. Art. 4 Abs. 1 MLI stimmt fast wörtlich mit Art. 4 Abs. 3 überein. Deutschland hat sich jedoch gegen die Umsetzung des Art. 4 Abs. 1 MLI gem. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a MLI entschieden.1

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA 127

Art. 4 Abs. 1 DBA-Belgien. Art. 4 Abs. 1 Halbs. 1 DBA-Belgien entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA. Eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA und Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECDMA entsprechende Regelung findet sich im DBA-Belgien nicht. Stattdessen enthält Art. 4 Abs. 1 Halbs. 2 DBA-Belgien eine Sonderregelung, die die Ansässigkeit bestimmter Gesellschaften fingiert.

128

Art. 4 Abs. 2 DBA-Belgien. Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 DBA-Belgien entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA. Zusätzlich enthalten ist eine Sonderregelung in Art. 4 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a und b DBA-Belgien für Bordpersonal eines Schiffs, die mit Art. 15 Abs. 3 OECD-MA vergleichbar ist (vgl. Art. 15 Rz. 113 ff.).

129

Art. 4 Abs. 3 DBA-Belgien. Art. 4 Abs. 3 DBA-Belgien entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017.

130

Art. 4 Abs. 4 DBA-Belgien. Art. 4 Abs. 4 DBA-Belgien enthält eine Sonderregelung für Schifffahrtsunternehmen, die Art. 8 Abs. 3 OECD-MA ähnelt (vgl. Art. 8 (2014) Rz. 64 ff.). 2. Konsequenzen

131

Ansässigkeit. In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA sowie Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA konstitutive Bedeutung haben (vgl. Rz. 53 ff.), ergeben sich Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-Belgien. Personengesellschaften, die in Deutschland ihre tatsächliche Geschäftsleitung haben, sind in Deutschland nicht steuerpflichtig und folglich dort auch nicht ansässig (vgl. Rz. 27). Um wegen des in diesem Punkt abweichenden belgischen Rechts Ungleichbehandlungen zu vermeiden,2 sind in Ergänzung zum OECD-MA ferner die offenen Handelsgesellschaften, die KG und Partenreedereien des in Deutschland geltenden Rechts, deren tatsächliche Geschäftsleitung sich in diesem Staat befindet, sowie Gesellschaften des belgischen Rechts – ausgenommen Aktiengesellschaften und KG auf Aktien, die sich dafür entschieden haben, dass ihre Gewinne der Einkommensteuer der natürlichen Personen unterworfen werden – als ansässige Personen zu behandeln.3

132

Ansässigkeitsfiktion. Anders als nach dem OECD-MA 2017 wird die Ansässigkeit einer nicht natürlichen Person an dem Ort fingiert, an dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Mög-

1 Zur Bewertung Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1172). 2 Vgl. Malinski in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Belgien Rz. 13. 3 Vgl. Wilke in G/K/G/K, Art. 4 DBA-Belgien Rz. 2.

262

Pohl

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 141 Art. 4

lichkeit, andere Kriterien (z.B. den Gründungsort) im Rahmen einer Verständigung zur Ansässigkeitsbestimmung heranzuziehen, besteht danach nicht.1

II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 4 Abs. 1 DBA-China. Art. 4 Abs. 1 DBA-China entspricht inhaltlich im Wesentlichen Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA entsprechende Regelung zu den Pensionsfonds findet sich im DBA-China jedoch nicht.

133

Art. 4 Abs. 2 DBA-China. Art. 4 Abs. 2 DBA-China entspricht wörtlich dem Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.

134

Art. 4 Abs. 3 DBA-China. Art. 4 Abs. 3 DBA-China entspricht inhaltlich dem Art. 4 Abs. 3 OECD-MA bis zu den Änderungen durch das OECD-MA 2017.

135

2. Konsequenzen Ansässigkeit. Da der Regelung zu den Pensionsfonds nur deklaratorische Bedeutung beigemessen wird (vgl. Rz. 55), ergeben sich keine Unterschiede zu Art. 4 Abs. 1.

136

Ansässigkeitsfiktion. Anders als nach dem OECD-MA 2017 wird die Ansässigkeit einer nicht natürlichen Person an dem Ort fingiert, an dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Möglichkeit, andere Kriterien (z.B. den Gründungsort) im Rahmen einer Verständigung zur Ansässigkeitsbestimmung heranzuziehen, besteht danach nicht.2

137

III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA.3 Im Unterschied zum OECD-MA ist in Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich lediglich die Rede vom „Aufenthalt“, was allerdings zu keinen Abweichungen führt.4 Eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA entsprechende Regelung zu den Pensionsfonds findet sich im DBA-Frankreich nicht. Auch Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA hat keine Berücksichtigung gefunden.

138

Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b DBA-Frankreich. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b DBA-Frankreich entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.

139

Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c DBA-Frankreich. Trotz der zum Teil unterschiedlichen Formulierung entspricht Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c DBA-Frankreich inhaltlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA bis zu den Änderungen durch das OECD-MA 2017. Abweichend von früheren Fassungen des OECD-MA enthält das DBAFrankreich jedoch eine Definition der tatsächlichen Geschäftsleitung in Art. 2 Abs. 1 Nr. 5, die inhaltlich § 10 AO entspricht sowie eine Sonderregelung zu den Personengesellschaften (Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c Satz 2 DBA-Frankreich).5 Inhaltliche Abweichungen zum OECD-MA ergeben sich dadurch nicht.6

140

2. Konsequenzen Ansässigkeit. In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA sowie Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA konstitutive Bedeutung haben (Vgl. Rz. 53 und Rz. 54), ergeben sich Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-Frankreich.

1 Vgl. zu solchen Abkommensbestimmungen ausführlich Pohl in Vorauflage Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 99 ff. 2 Vgl. zu solchen Abkommensbestimmungen ausführlich Pohl in Vorauflage Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 99 ff. 3 Vgl. FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 und nachfolgend BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BStBl. II 2014, 240 = ISR 2012, 56 m. Anm. Eilers/Schulz. 4 Vgl. Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 32. 5 Vgl. Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 40. 6 Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 297.

Pohl

263

141

Art. 4 Rz. 142 142

Ansässige Person

Ansässigkeitsfiktion. Anders als nach dem OECD-MA 2017 wird die Ansässigkeit einer nicht natürlichen Person an dem Ort fingiert, an dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Möglichkeit, andere Kriterien (z.B. den Gründungsort) im Rahmen einer Verständigung zur Ansässigkeitsbestimmung heranzuziehen, besteht danach nicht.1

IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA 143

Art. 4 Abs. 1 DBA-Großbritannien. Eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA entsprechende Regelung zu den Pensionsfonds enthält das DBA-Großbritannien nicht. Als zusätzliches ansässigkeitsbegründendes Merkmal nennt Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-Großbritannien abweichend vom OECD-MA „den Ort ihrer Gründung“.

144

Art. 4 Abs. 2 DBA-Großbritannien. Art. 4 Abs. 2 DBA-Großbritannien entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.

145

Art. 4 Abs. 3 DBA-Großbritannien. Art. 4 Abs. 3 DBA-Großbritannien entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017.

146

Art. 4 Abs. 4 DBA-Großbritannien. Art. 4 Abs. 4 DBA-Großbritannien stellt eine Sonderregelung hinsichtlich der Ansässigkeit von Schifffahrtsunternehmen dar, die in ähnlicher Form in Art. 8 Abs. 3 OECDMA enthalten ist (vgl. Art. 8 (2014) Rz. 64 ff.). 2. Konsequenzen

147

Ansässigkeit. Da der Regelung zu den Pensionsfonds (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA) nur deklaratorische Bedeutung beigemessen wird (vgl. Rz. 55), ergeben sich insoweit keine Unterschiede zu Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Ist eine Person allein aufgrund ihrer Gründung in Großbritannien (unbeschränkt) steuerpflichtig, so ist sie abweichend vom OECD-MA (vgl. Rz. 50) dort auch ansässig.

148

Ansässigkeitsfiktion. Anders als nach dem OECD-MA 2017 wird die Ansässigkeit einer nicht natürlichen Person an dem Ort fingiert, an dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Möglichkeit, andere Kriterien (z.B. den Gründungsort) im Rahmen einer Verständigung zur Ansässigkeitsbestimmung heranzuziehen, besteht danach nicht.2

V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA 149

Art. 4 Abs. 1 DBA-Indien. Art. 4 DBA-Indien stimmt fast wörtlich mit dem OECD-MA überein. Lediglich eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA entsprechende Regelung ist im DBA-Indien nicht enthalten.

150

Art. 4 Abs. 2 DBA-Indien. Anders als das OECD-MA enthält Art. 4 Abs. 2 DBA-Indien in den einzelnen Buchstaben nicht das Wort „nur“. Inhaltliche Abweichungen zum OECD-MA sind damit nicht verbunden.3

151

Art. 4 Abs. 3 DBA-Indien. Art. 4 Abs. 3 DBA-Indien entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017. 2. Konsequenzen

152

Ansässigkeit. In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA konstitutive Bedeutung hat (vgl. Rz. 53 ff.), ergeben sich Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-Indien.

153

Ansässigkeitsfiktion. Anders als nach dem OECD-MA 2017 wird die Ansässigkeit einer nicht natürlichen Person an dem Ort fingiert, an dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Mög1 Vgl. zu solchen Abkommensbestimmungen ausführlich Pohl in Vorauflage Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 99 ff. 2 Vgl. zu solchen Abkommensbestimmungen ausführlich Pohl in Vorauflage Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 99 ff. 3 Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 2; Wilke in G/K/G/K, Art. 4 DBA-Indien Rz. 3.

264

Pohl

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 163 Art. 4

lichkeit, andere Kriterien (z.B. den Gründungsort) im Rahmen einer Verständigung zur Ansässigkeitsbestimmung heranzuziehen, besteht danach nicht.1

VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 4 Abs. 1 DBA-Italien. Art. 4 Abs. 1 DBA-Italien entspricht grundsätzlich Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Art. 4 Abs. 1 DBA-Italien enthält jedoch keine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA vergleichbare Regelung.

154

Art. 4 Abs. 2 DBA-Italien. Art. 4 Abs. 2 DBA-Italien entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.

155

Art. 4 Abs. 3 DBA-Italien. Art. 4 Abs. 3 DBA-Italien entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA vor der Änderung durch das OECD-MA 2017.

156

Protokoll. Ergänzt wird Art 4 DBA-Italien durch zwei Protokollbestimmungen, die im OECD-MA keine 157 Entsprechung haben. Nach Abs. 2 des Protokolls zum DBA-Italien gelten auch Personengesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen als in einem Vertragsstaat ansässig. Abs. 3 des Protokolls zum DBA-Italien enthält eine Sonderregelung für den Fall, dass die Ansässigkeit nicht das ganze Jahr über bestand.2 2. Konsequenzen Ansässigkeit. In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA konstitutive Bedeutung hat (vgl. Rz. 53 ff.), ergeben sich Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-Italien. Ist eine Personengesellschaft in einem der Vertragsstaaten gegründet worden oder befindet sich der Hauptgegenstand der Tätigkeit in einem der Staaten, so gilt sie dort als ansässig. Sofern sich aufgrund des Abs. 2 des Protokolls zum DBA-Italien eine Doppelansässigkeit einer Personengesellschaft ergibt, findet insoweit Art. 4 Abs. 3 DBA-Italien Anwendung.3 Liegt ein Wohnsitzwechsel (Umzug von Deutschland nach Italien oder umgekehrt) einer natürlichen Person i.S.d. Abs. 3 des Protokolls zum DBA-Italien vor, kann jeder Vertragsstaat die Einkünfte nur zeitanteilig besteuern.4

158

Ansässigkeitsfiktion. Anders als nach dem OECD-MA 2017 wird die Ansässigkeit einer nicht natürlichen Person an dem Ort fingiert, an dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Möglichkeit, andere Kriterien (z.B. den Gründungsort) im Rahmen einer Verständigung zur Ansässigkeitsbestimmung heranzuziehen, besteht danach nicht.5

159

VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 4 Abs. 1 DBA-Japan. Art. 4 Abs. 1 DBA-Japan entspricht fast wörtlich Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA entsprechende Regelung zu den Pensionsfonds enthält das DBA-Japan jedoch nicht.

160

Art. 4 Abs. 2 DBA-Japan. Art. 4 Abs. 2 DBA-Japan entspricht fast wörtlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA. Abweichend vom Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Buchst. d („in gegenseitigem Einvernehmen“) spricht Art. 4 Abs. 2 Buchst. d DBA-Japan von „gegenseitigem Einvernehmen“. Inhaltliche Unterschiede ergeben sich dadurch nicht.

161

Art. 4 Abs. 3 DBA-Japan. Die Vorschrift entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 3.

162

2. Konsequenzen Ansässigkeit. Da der Regelung zu den Pensionsfonds (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA) nur deklaratorische Bedeutung beigemessen wird (vgl. Rz. 55), ergeben sich insoweit keine Unterschiede zu Art. 4 Abs. 1 DBA-Japan. 1 Vgl. zu solchen Abkommensbestimmungen ausführlich Pohl in Vorauflage Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 99 ff. 2 Vgl. Wilke in G/K/G/K, Art. 4 DBA-Italien Rz. 3. 3 Vgl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Italien Rz. 13. 4 Vgl. hierzu im Einzelnen Krabbe in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Deutschland-Italien Rz. 38 ff. 5 Vgl. zu solchen Abkommensbestimmungen ausführlich Pohl in Vorauflage Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 99 ff.

Pohl

265

163

Art. 4 Rz. 164

Ansässige Person

VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA 164

Art. 4 Abs. 1 DBA-Kanada. Trotz der zum Teil abweichenden Formulierung stimmt Art. 4 Abs. 1 DBA-Kanada inhaltlich mit Art. 4 Abs. 1 OECD-MA überein.1

165

Art. 4 Abs. 2 DBA-Kanada. Art. 4 Abs. 2 DBA-Kanada entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.

166

Art. 4 Abs. 3 DBA-Kanada. In inhaltlicher Übereinstimmung mit Art. 4 Abs. 3 OECD-MA bestimmt sich die Ansässigkeit anderer als natürlicher Personen stets nach dem gegenseitigen Einvernehmen der Vertragsstaaten (Art. 4 Abs. 3 Satz 1 DBA-Kanada). Kriterien, die zur Lösung des Ansässigkeitskonflikts heranzuziehen sind, nennt Art. 4 Abs. 3 DBA-Kanada – anders als Art. 4 Abs. 3 OECD-MA – nicht. Kann ein derartiges Einvernehmen nicht erzielt werden, gilt die Person als in keinem Vertragsstaat ansässig (Art. 4 Abs. 3 Satz 2 DBA-Kanada).

167

Protokoll. Abs. 1 des Protokolls zum DBA-Kanada stellt klar, dass nur Personen ansässig sein können, die mit ihren weltweiten Einkünften steuerpflichtig sind.2 2. Konsequenzen

168

Doppelt ansässige sonstige Personen. Ist eine andere als eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Kanada ansässig, ist der Ansässigkeitskonflikt im Wege gegenseitigen Einvernehmens zu lösen. Verwiesen wird damit auf das Verfahren nach Art. 25 DBA-Kanada.3 Eine Pflicht zur Einigung besteht nicht. Dies ergibt sich mittelbar aus Art. 4 Abs. 3 Satz 2 DBA-Kanada. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt die Person nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 DBA-Kanada als in keinem Staat ansässig. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung gilt dies auch dann, wenn das Verständigungsverfahren noch nicht eingeleitet oder noch nicht abgeschlossen ist.4 Die Nichtansässigkeit gilt jedoch nur im Hinblick auf die Abkommensvorteile, nicht aber bzgl. der damit verbundenen Abkommensnachteile.5

IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA 169

Art. 4 Abs. 1 DBA-Luxemburg. Art. 4 Abs. 1 DBA-Luxemburg entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 1 OECDMA. Anders als nach dem OECD-MA werden durch Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 DBA- Luxemburg jedoch neben dem Staat auch die deutschen Bundesländer als mögliche ansässige Personen erwähnt. Hierin liegt jedoch nur eine Klarstellung, da Länder als Gebietskörperschaften auch von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA erfasst werden.

170

Art. 4 Abs. 2 DBA-Luxemburg. Art. 4 Abs. 2 DBA-Luxemburg entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 3 OECDMA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017.

171

Art. 4 Abs. 3 DBA-Luxemburg. Art. 4 Abs. 3 DBA-Luxemburg entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 2 OECDMA. 2. Konsequenzen

172

Ansässigkeitsfiktion. Anders als nach dem OECD-MA 2017 wird die Ansässigkeit einer nicht natürlichen Person an dem Ort fingiert, an dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Möglichkeit, andere Kriterien (z.B. den Gründungsort) im Rahmen einer Verständigung zur Ansässigkeitsbestimmung heranzuziehen, besteht danach nicht.6

1 2 3 4 5 6

So auch W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Kanada Rz. 2. Vgl. Wilke in G/K/G/K, Art. 4 DBA-Kanada Rz. 2. Vgl. W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Kanada Rz. 49. So auch Wilke in G/K/G/K, Art. 4 DBA-Kanada Rz. 7. Vgl. im Einzelnen W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Kanada Rz. 49. Vgl. zu solchen Abkommensbestimmungen ausführlich Pohl in Vorauflage Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 99 ff.

266

Pohl

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 182 Art. 4

X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 4 Abs. 1 DBA-Niederlande. Art. 4 Abs. 1 DBA-Niederlande entspricht im Wesentlichen Art. 4 Abs. 1 173 OECD-MA. Anders als nach dem OECD-MA wird in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-Niederlande jedoch der Ort der Gründung als ansässigkeitsbegründendes Merkmal aufgeführt. Der Ort der Gründung ist auch kein ähnliches Merkmal i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA. In Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 DBA-Niederlande werden zudem neben dem Staat auch seine Länder als mögliche ansässige Personen erwähnt. Hierin liegt jedoch nur eine Klarstellung, da Länder als Gebietskörperschaften auch von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA erfasst werden. Eine Sonderregelung zu den Pensionsfonds (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA) findet sich im DBA-Niederlande nicht. Letztlich enthält Art. 4 Abs. 1 Satz 2 DBA-Niederlande nicht den Zusatz „oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen“. Art. 4 Abs. 2 DBA-Niederlande. Art. 4 Abs. 2 DBA-Niederlande entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.

174

Art. 4 Abs. 3 DBA-Niederlande. Art. 4 Abs. 3 DBA-Niederlande entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 3 OECDMA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017.

175

Art. 4 Abs. 4 DBA-Niederlande. Art. 4 Abs. 4 DBA-Niederlande enthält eine Sonderregelung für grenzüberschreitende Gewerbegebiete.

176

Protokoll. Nach II. des Protokolls zum DBA-Niederlande gilt eine nicht natürliche Person als in den Niederlanden steuerpflichtig, wenn sie für Zwecke der Körperschaftsteuer („Wet op de vennootschapsbelasting 1969“) in den Niederlanden ansässig ist, vorausgesetzt, die von dieser Person erzielten Einkünfte werden nach dem Steuerrecht der Niederlande wie Einkünfte dieser Person und nicht wie Einkünfte der Begünstigten, Gesellschafter oder Teilhaber der Person behandelt. Ungeachtet des vorstehenden Satzes ist eine Person nicht in den Niederlanden ansässig, wenn diese Person nur aufgrund von aus niederländischen Quellen bezogenen Einkommen in den Niederlanden steuerpflichtig ist.

177

2. Konsequenzen Ort ihrer Gründung. Ist eine andere als eine natürliche Person aufgrund des Ortes ihrer Gründung in den Niederlanden (unbeschränkt) steuerpflichtig, ist sie dort auch ansässig. Liegt der Ort der Gründung hingegen in Deutschland, bleibt die Erweiterung wirkungslos, da der Ort der Gründung – anders als der Sitz – dort kein Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung ist.

178

Pensionsfonds. Da der Regelung zu den Pensionsfonds (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA) nur deklaratorische Bedeutung beigemessen wird (vgl. Rz. 55), ergeben sich insoweit keine Unterschiede zu Art. 4 Abs. 1 DBA-Niederlande.

179

Ansässigkeitsfiktion. Anders als nach dem OECD-MA 2017 wird die Ansässigkeit einer nicht natürlichen Person an dem Ort fingiert, an dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Möglichkeit, andere Kriterien (z.B. den Gründungsort) im Rahmen einer Verständigung zur Ansässigkeitsbestimmung heranzuziehen, besteht danach nicht.1

180

Grenzüberschreitende Gewerbegebiete. Hat eine juristische Person den Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung in einem grenzüberschreitenden Gewerbegebiet und verläuft die gemeinsame Grenze zwischen den Vertragsstaaten durch die feste Geschäftseinrichtung, in der sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, und kann nicht eindeutig bestimmt werden, in welchem der Vertragsstaaten die juristische Person den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung hat, so hat sie ihren Wohnsitz in dem Vertragsstaat, in dem sich der größere Teil der vom Unternehmen genutzten Fläche des Gebäudes befindet, in dem die Leitung des Unternehmens ausgeübt wird. Nähere Regelungen zur Bestimmung, in welchem der Vertragsstaaten die juristische Person ihren Wohnsitz hat, sind in der Anlage zum Abkommen aufgeführt.

181

XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 4 Abs. 1 DBA-Österreich. Eine Abweichung des Art. 4 Abs. 1 DBA-Österreich zu Art. 4 Abs. 1 OECDMA ergibt sich insoweit, als neben dem Staat und seinen Gebietskörperschaften auch „andere juristische 1 Vgl. zu solchen Abkommensbestimmungen ausführlich Pohl in Vorauflage Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 99 ff.

Pohl

267

182

Art. 4 Rz. 182

Ansässige Person

Personen des öffentlichen Rechts“ in der zuerst genannten Norm angesprochen werden. Darin ist allerdings nur eine Klarstellung zu sehen, da diese Personen auch von Art. 4 Abs. 1 OECD-MA umfasst werden.1 183

Art. 4 Abs. 2 DBA-Österreich. Art. 4 Abs. 2 Buchst. d DBA-Österreich spricht anders als das OECD-MA davon, dass sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten „bemühen“ werden, die Frage in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln.

184

Art. 4 Abs. 3 DBA-Österreich. Art. 4 Abs. 3 DBA-Österreich entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017. 2. Konsequenzen

185

Doppelt ansässige natürliche Personen. Anders als nach dem OECD-MA besteht nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. d DBA-Österreich keine Pflicht zur Einigung.2 Dies kommt durch die (abweichende) Wortwahl („bemühen“) zum Ausdruck und entspricht der Rechtslage im Hinblick auf Art. 25 OECD-MA.3

186

Ansässigkeitsfiktion. Anders als nach dem OECD-MA 2017 wird die Ansässigkeit einer nicht natürlichen Person an dem Ort fingiert, an dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Möglichkeit, andere Kriterien (z.B. den Gründungsort) im Rahmen einer Verständigung zur Ansässigkeitsbestimmung heranzuziehen, besteht danach nicht.4

XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA 187

Art. 4 Abs. 1 DBA-Russland. Abweichend vom OECD-MA wird die „Gründung“ als juristische Person durch Registrierung in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 DBA-Russland als weiteres Ansässigkeitskriterium genannt. Eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA vergleichbare Vorschrift ist im DBA-Russland nicht enthalten.

188

Art. 4 Abs. 2 DBA-Russland. Art. 4 Abs. 2 DBA-Russland entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.

189

Art. 4 Abs. 3 DBA-Russland. Art. 4 Abs. 3 DBA-Russland entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017. 2. Konsequenzen

190

Ansässigkeit. Die Gründung als juristische Person durch Registrierung fällt nicht unter Art. 4 Abs. 1 OECDMA, da sie nicht ortsbezogen ist.5 Art. 4 Abs. 1 DBA-Russland führt daher zu einer Erweiterung des Ansässigkeitsbegriffs.6 In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA konstitutive Bedeutung hat (Vgl. Rz. 53 ff.), ergeben sich weitere Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-Russland.

191

Ansässigkeitsfiktion. Anders als nach dem OECD-MA 2017 wird die Ansässigkeit einer nicht natürlichen Person an dem Ort fingiert, an dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Möglichkeit, andere Kriterien (z.B. den Gründungsort) im Rahmen einer Verständigung zur Ansässigkeitsbestimmung heranzuziehen, besteht danach nicht.7

XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA 192

Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz. Abweichend vom Art. 4 Abs. 1 OECD-MA ist für die Ansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz allein entscheidend, ob die Person in einem der Vertragsstaaten nach dem dort gelten1 2 3 4

Vgl. Lang in Lang/Loukota/Lüthi, Weiterentwicklung des OECD-MA, S. 37 ff. A.A. Lang/Stefaner in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Österreich Rz. 3; Wilke in G/K/G/K, Art. 4 DBA-Österreich Rz. 4. Vgl. Art. 25 Rz. 26 OECD-MK; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 89. Vgl. zu solchen Abkommensbestimmungen ausführlich Pohl in Vorauflage Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 99 ff. 5 Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 122. 6 Vgl. im Einzelnen Wagner in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Russland Rz. 2. 7 Vgl. zu solchen Abkommensbestimmungen ausführlich Pohl in Vorauflage Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 99 ff.

268

Pohl

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 202 Art. 4

den Recht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA und dem Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA entsprechende Regelung enthält das DBA-Schweiz nicht. Art. 4 Abs. 2 DBA-Schweiz. Art. 4 Abs. 2 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.

193

Art. 4 Abs. 7 DBA-Schweiz. Nach Art. 4 Abs. 7 DBA-Schweiz gelten die Bestimmungen des Art. 4 DBASchweiz auch für bevormundete Personen.1 Da auch bevormundete Personen „Personen“ i.S.d. OECD-MA bzw. des DBA-Schweiz sind, hat die Regelung nur klarstellenden Charakter.

194

Art. 4 Abs. 8 DBA-Schweiz. Art. 4 Abs. 8 Satz 1 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 3 OECDMA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017. Nach Art. 4 Abs. 8 Satz 2 DBA-Schweiz begründet die Tatsache allein, dass eine Person an einer Gesellschaft beteiligt ist oder dass sie bei einer Gesellschaft, die einem Konzern angehört, die konzernleitenden Entscheidungen trifft, für diese Gesellschaft keinen Mittelpunkt der tatsächlichen Geschäftsleitung an dem Ort, an dem diese Entscheidungen getroffen werden oder diese Person ansässig ist. Obwohl diese Regelung im OECD-MA nicht enthalten ist, hat sie nur klarstellenden Charakter.2

195

Weitere Regelungen. Die weiteren Regelungen des DBA-Schweiz (vgl. Art. 4 Abs. 3, 4, 5, 9 und 10), die sich zum Teil gegen eine Ausnutzung des Steuergefälles richten, existieren im OECD-MA nicht.3

196

2. Konsequenzen Ansässigkeit. Ob die in Art. 4 Abs. 1 genannten Anknüpfungspunkte (z.B. andere ähnliche Merkmale) für die Ansässigkeit in einem Staat vorliegen, ist nach dem DBA-Schweiz unerheblich. Damit können auch nicht ortsbezogene Merkmale die Grundlage für die Ansässigkeit bilden.4 Allein entscheidend ist nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz, ob die Person in dem betreffenden Staat unbeschränkt steuerpflichtig ist. Eine unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG reicht hierfür ebenfalls aus.5 In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Art. 4 Abs. 1 Satz 2 konstitutive Bedeutung haben (vgl. Rz. 53 ff.), ergeben sich weitere Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-Schweiz.

197

Ansässigkeitsfiktion. Anders als nach dem OECD-MA 2017 wird die Ansässigkeit einer nicht natürlichen Person an dem Ort fingiert, an dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Möglichkeit, andere Kriterien (z.B. den Gründungsort) im Rahmen einer Verständigung zur Ansässigkeitsbestimmung heranzuziehen, besteht danach nicht.6

198

XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 4 Abs. 1 DBA-Spanien 2011. Art. 4 Abs. 1 DBA-Spanien 2011 entspricht im Wesentlichen Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Anders als das OECD-MA stellt Art. 4 Abs. 1 DBA-Spanien 2011 jedoch ergänzend auf das Recht der Länder eines Staates sowie seiner Gebietskörperschaften ab. Eine inhaltliche Änderung ist damit jedoch nicht verbunden. In Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 DBA-Spanien 2011 wird nochmals explizit auf die Länder eines Staates abgestellt. Hierin liegt jedoch nur eine Klarstellung, da Länder als Gebietskörperschaften auch von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA erfasst werden.

199

Art. 4 Abs. 2 DBA-Spanien 2011. Art. 4 Abs. 2 DBA-Spanien 2011 entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.

200

Art. 4 Abs. 3 DBA-Spanien 2011. Art. 4 Abs. 3 DBA-Spanien 2011 entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA vor den Änderungen durch das OECD-MA 2017.

201

Protokoll. Nach II. des Protokolls zum DBA-Spanien 2011 gelten die Art. 4 und 6–21 dieses Abkommens nicht für spanische Steuerpflichtige, die sich für die Besteuerung nach dem Steuerrecht für Nichtansässige gemäß Art. 93 des spanischen Einkommensteuergesetzes für natürliche Personen („Ley 35/2006, del 28 de noviembre, del Impuesto sobre la Renta de las Personas Físicas y de modificación parcial de las Leyes de los

202

1 Zum Begriff der bevormundeten Person vgl. Hardt in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 221 ff. 2 Vgl. Hardt in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 249. 3 Vgl. insoweit die ausführliche Kommentierung dieser Normen in F/W/K, DBA-Schweiz sowie bei Hardt in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Schweiz; Wilke in G/K/G/K, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 1 ff. 4 Gl.A. Hardt in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 4. 5 Vgl. Lüdicke, IStR 2000, 188. 6 Vgl. zu solchen Abkommensbestimmungen ausführlich Pohl in Vorauflage Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 99 ff.

Pohl

269

Art. 4 Rz. 202

Ansässige Person

Impuestos sobre Sociedades, sobre la Renta de no Residentes y sobre el Patrimonio“) entschieden haben. Gleiches soll für den Fall gelten, dass Deutschland eine ähnliche Regelung einführt. 2. Konsequenzen 203

Ansässigkeitsfiktion. Anders als nach dem OECD-MA 2017 wird die Ansässigkeit einer nicht natürlichen Person an dem Ort fingiert, an dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Die Möglichkeit, andere Kriterien (z.B. den Gründungsort) im Rahmen einer Verständigung zur Ansässigkeitsbestimmung heranzuziehen, besteht danach nicht.1

XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA 204

Art. 4 Abs. 1 DBA-USA. Abweichend von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA erwähnt Art. 4 Abs. 1 DBA-USA als ansässigkeitsbegründendes Merkmal den Ort der Gründung. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 DBA-USA ergänzt Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA um die Klarstellung, dass auch Steuerpflichtige mit den einer Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinnen oder Vermögen im anderen Staat dort keine Ansässigkeit begründen.2

205

Art. 4 Abs. 2 DBA-USA. Art. 4 Abs. 2 DBA-USA stimmt wörtlich mit Art. 4 Abs. 2 OECD-MA überein.

206

Art. 4 Abs. 3 DBA-USA. Nach Art. 4 Abs. 3 Halbs. 1 DBA-USA soll der Ansässigkeitskonflikt – vergleichbar mit Art. 4 Abs. 3 OECD-MA – bei doppelter Ansässigkeit von Gesellschaften im Wege gegenseitigen Einvernehmens gelöst werden. Kommt ein Einvernehmen nicht zustande, so gilt die Gesellschaft als in keinem der beiden Vertragsstaaten als ansässig (Art. 4 Abs. 3 Halbs. 2 DBA-USA).

207

Protokoll. Nr. 2 des Protokolls zum DBA-USA enthält ferner Regelungen für Inhaber einer „grünen Karte“ und für Investmentfonds, die im OECD-MA nicht enthalten sind. 2. Konsequenzen

208

Ansässigkeit. In dem Vertragsstaat, wo der Ort der Gründung liegt, ist die Gesellschaft ansässig. Inhaber einer „grünen Karte“ sind abweichend von Art. 4 Abs. 1 DBA-USA nur dann in den Vereinigten Staaten ansässig, wenn sie dort einen längeren Aufenthalt nehmen („substantial presence“) oder dort eine ständige Wohnstätte oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Nr. 2 des Protokolls zum DBA-USA). Ziel dieser Protokollbestimmung ist es, eine Ausweitung der Abkommensberechtigung insbesondere für in Drittstaaten lebende „Green-Card“ Inhaber zu vermeiden.3 Nach der Nr. 2 des Protokoll zum DBA-USA wird die Ansässigkeit eines Investmentvermögens (Investmentfond und deutsche Investmentaktiengesellschaft), auf die die Vorschriften des InvG anzuwenden sind, in Deutschland bzw. die Ansässigkeit eines Regulated Investment Company (RIC) und eines Real Estate Investment Trusts (REIT) der Vereinigten Staaten in den Vereinigten Staaten fingiert.4

209

Doppelt ansässige sonstige Personen. Ist eine Gesellschaft nach Art. 4 Abs. 1 DBA-USA sowohl in Deutschland als auch in den USA ansässig, so regeln die Vertragsstaaten die Ansässigkeit in gegenseitigem Einvernehmen. Abweichend vom OECD-MA erwähnt das DBA-USA keine Kriterien, die zur Lösung des Ansässigkeitskonflikts heranzuziehen sind. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, so gilt die Person für Zwecke der Inanspruchnahme der Vergünstigungen nach diesem Abkommen in keinem der beiden Vertragsstaaten als ansässig (vgl. Art. 4 Abs. 3 Halbs. 2 DBA-USA).5 Nach dem Sinn und Zweck der Regelung gilt dies auch, wenn das Verständigungsverfahren noch nicht eingeleitet oder noch nicht abgeschlossen ist. In diesen Fällen kann sie die Abkommensvorteile nicht in Anspruch nehmen.6

1 Vgl. zu solchen Abkommensbestimmungen ausführlich Pohl in Vorauflage Schönfeld/Ditz, Art. 4 OECD-MA Rz. 99 ff. 2 Vgl. auch Wolff in Wassermeyer, Art. 4 DBA-USA Rz. 36. 3 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 4 DBA-USA Rz. 19. 4 Vgl. hierzu im Einzelnen Wolff in Wassermeyer, Art. 4 DBA-USA Rz. 31 ff. 5 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 4 DBA-USA Rz. 52. 6 Hierzu im Einzelnen Wolff in Wassermeyer, Art. 4 DBA-USA Rz. 51.

270

Pohl

Artikel 5 (2014) Betriebstätte (1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck „Betriebstätte“ eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. (2) Der Ausdruck „Betriebstätte“ umfasst insbesondere: a) einen Ort der Leitung, b) eine Zweigniederlassung, c) eine Geschäftsstelle, d) eine Fabrikationsstätte, e) eine Werkstätte und ein Bergwerk, ein Öl- oder Gasvorkommen, einen Steinbruch oder eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen. (3) Eine Bauausführung oder Montage ist nur dann eine Betriebstätte, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet. (4) Ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht als Betriebstätten: a) Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren des Unternehmens benutzt werden; b) Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten werden; c) Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, durch ein anderes Unternehmen bearbeitet oder verarbeitet zu werden; d) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen; e) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen andere Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen; eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, mehrere der unter den Buchstaben a bis e genannten Tätigkeiten auszuüben, vorausgesetzt, dass die sich daraus ergebende Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt. (5) Ist eine Person – mit Ausnahme eines unabhängigen Vertreters im Sinne des Absatzes 6 – für ein Unternehmen tätig und besitzt sie in einem Vertragsstaat die Vollmacht, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen, und übt sie die Vollmacht dort gewöhnlich aus, so wird das Unternehmen ungeachtet der Absätze 1 und 2 so behandelt, als habe es in diesem Staat für alle von der Person für das Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten eine Betriebstätte, es sei denn, diese Tätigkeiten beschränken sich auf die in Absatz 4 genannten Tätigkeiten, die, würden sie durch eine feste Geschäftseinrichtung ausgeübt, diese Einrichtung nach dem genannten Absatz nicht zu einer Betriebstätte machten. (6) Ein Unternehmen wird nicht schon deshalb so behandelt, als habe es eine Betriebstätte in einem Vertragsstaat, weil es dort seine Geschäftstätigkeit durch einen Makler, Kommissionär oder einen anderen unabhängigen Vertreter ausübt, sofern diese Personen im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln. (7) Allein dadurch, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft eine Gesellschaft beherrscht oder von einer Gesellschaft beherrscht wird, die im anderen Vertragsstaat ansässig ist oder dort (entweder durch eine Betriebstätte oder auf andere Weise) ihre Geschäftstätigkeit ausübt, wird keine der beiden Gesellschaften zur Betriebstätte der anderen. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

1 1 13 21 29 29

2. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . II. Unternehmen . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

31 34

. . . . . . . . . . . .

41 41 45

Hruschka

271

Art. 5 (2014) III. IV. 1. 2. 3. 4. V. VI. VII. C. I. II. III. IV. V. VI. VII. D. I. II. III. IV. V. E. I. II. III. IV. V. VI.

Betriebstätte

Geschäftseinrichtung . . . . . . . . . . . . Festigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . Örtliche Festigkeit . . . . . . . . . . . . . . Zeitliche Festigkeit . . . . . . . . . . . . . Persönliche Festigkeit (Sachherrschaft) . . Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beginn und Ende Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . Personengesellschaften und Betriebsstätten Positivkatalog (Abs. 2) . . . . . . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . Ort der Leitung (Buchst. a) . . . . . . . . . Zweigniederlassung (Buchst. b) . . . . . . Geschäftsstelle (Buchst. c) . . . . . . . . . Fabrikationsstätte (Buchst. d) . . . . . . . Werkstätte (Buchst. e) . . . . . . . . . . . . Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen (Buchst. f) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bau- und Montageausführungen (Abs. 3) Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . Tätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 3 . . . . . . . Zusammenfassung von Tätigkeiten . . . . Persönliche Zurechnung der Tätigkeiten . Fristberechnung . . . . . . . . . . . . . . . Negativkatalog (Abs. 4) . . . . . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . Einrichtungen zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren (Buchst. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestände von Gütern oder Waren zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung (Buchst. b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestände von Gütern oder Waren zum Zweck der Verarbeitung durch ein anderes Unternehmen (Buchst. c) . . . . . . . . . . Feste Geschäftseinrichtung zum Zweck, Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen (Buchst. d) . . . . Feste Geschäftseinrichtung zum Zweck, vorbereitende oder Hilfstätigkeiten auszuüben (Buchst. e) . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

48 50 50 51 56 60

.

70

. 75 . 76 . 86 . 86 . 90 . 96 . 98 . 100 . 102 . . . . . . . . .

104 106 106 110 115 121 124 127 127

. 133 . 135 . 136 . 137

VII. Feste Geschäftseinrichtung zum Zweck, mehrere der unter den Buchstaben a bis e genannten Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitende oder Hilfstätigkeiten darstellen (Buchst. f) . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Abhängiger Vertreter (Abs. 5) . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Person des Vertreters . . . . . . . . . . . . III. Vertretungsmacht/Abschlussvollmacht . . IV. Handlungen des Vertreters . . . . . . . . . V. Dauerhaftigkeit der Ausübung . . . . . . . VI. Negativkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Reichweite der Vertreterbetriebsstätte . . . G. Unabhängiger Vertreter (Abs. 6) . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Unabhängiger Vertreter . . . . . . . . . . . III. Handeln innerhalb der ordentlichen Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . H. Beherrschte Gesellschaften (Abs. 7) . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Beherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . I. ABC der Einzelfälle zu Betriebsstätten . . J. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . . . . . . I. DBA-Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . II. DBA-China . . . . . . . . . . . . . . . . . III. DBA-Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . IV. DBA-Großbritannien . . . . . . . . . . . . V. DBA-Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. DBA-Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. DBA-Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. DBA-Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. DBA-Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . X. DBA-Niederlande . . . . . . . . . . . . . . XI. DBA-Österreich . . . . . . . . . . . . . . . XII. DBA-Russland . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. DBA-Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. DBA-Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . XV. DBA-USA . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

145 146 146 153 157 158 162 163 164 166 166 168

. . . . . .

171 174 174 179 180 230

. . . . . . . . . . . . . . . .

231 232 238 245 253 261 268 274 280 288 289 299 301 302 308 316

. 140

OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: http://dx.doi.org/10.1787/mtc_cond-2014-en. Fundstellen des OECDMK, die in der folgenden Kommentierung ohne ausdrückliche Nennung des Jahres genannt werden, beziehen sich auf den OECD-MK 2017 (siehe auch Rz. 28).

272

Hruschka

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 2 Art. 5 (2014)

KOMMENTIERUNG ZU ART. 5 (2014) A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Allgemeines. Die Betriebsstätte dient allgemein der Feststellung, ob unternehmerische Einkünfte in dem Staat, in dem sie entstanden sind, besteuert werden dürfen oder nicht (Art. 7 (2008) Rz. 1; vgl. Art. 7 Rz. 1 OECD-MK). Hierzu definiert Art. 5 den abkommensrechtlichen Begriff „Betriebsstätte“, der in Art. 7 Abs. 1 bis 4, Art. 10 Abs. 4 und 5, Art. 11 Abs. 4 und 5, Art. 12 Abs. 3, Art. 13 Abs. 2, Art. 15 Abs. 2, Art. 21 Abs. 2, Art. 22 Abs. 2 (sog. Betriebsstättenvorbehalte) und Art. 24 Abs. 4 verwendet wird. Nur wenn eine Person sämtliche in Art. 5 genannten Tatbestandselemente kumulativ erfüllt, können ggf. die weiteren Betriebsstättenfolgen, wie sie sich aus den Art. 7, 15 Abs. 2 sowie den Betriebsstättenvorbehalten der Art. 10–13, 21 und 22 ergeben, gezogen werden. Ob die Voraussetzungen erfüllt sind, ist zeitpunktbezogen zu ermitteln, d.h. nur für den Zeitraum, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind, dürfen Betriebsstättenfolgen gezogen werden (Art. 5 Rz. 8 OECD-MK 2017). Die Norm enthält eine eigenständige, abkommensrechtliche Betriebsstättendefinition. Damit bedarf es zu ihrer Auslegung grds. keines Rückgriffs auf die nationale Betriebsstättendefinition i.S.d. § 12 AO oder des ständigen Vertreters i.S.d. § 13 AO. Denn ein solcher Rückgriff ist nur notwendig und zulässig, soweit eine eigenständige abkommensrechtliche Definition fehlt (Art. 3 Abs. 2). Gleichwohl kann das Recht des Anwenderstaates zur Interpretation unbestimmter Rechtsbegriffe, wie z.B. die Frage, was unter einer „Geschäftseinrichtung“ oder dem Begriff „fest“ zu verstehen ist, mangels abkommensrechtlicher Vorgaben heran gezogen werden.1 Im Übrigen sind bei der Anwendung des Art. 5 die allgemeinen Grundsätze zur Auslegung von DBA bzw. den hierzu ergangenen innerstaatlichen Transformationsgesetzen zu beachten.

1

Rechtliche Unselbständigkeit der Betriebsstätte. Gemäß Art. 7 Abs. 1 hängt das Recht des Quellenstaats, 2 einen Teil des ansonsten dem Ansässigkeitsstaat zustehenden Unternehmensgewinns besteuern zu dürfen, vom Vorhandensein einer Betriebsstätte auf seinem Hoheitsgebiet ab (Art. 7 (2008) Rz. 66). Ihr Bestehen schafft damit die Grundlage für die in Art. 7 vorgesehene Gewinnabgrenzung. Vom Unternehmen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c unterscheidet sich die Betriebsstätte, indem sie nur ein Teil desselben ist. Als solches setzt die Betriebsstätte zwingend das Bestehen eines Unternehmens voraus (Art. 5 Abs. 1). Dieses wird durch die Person des Unternehmers verkörpert (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d), die – im Unterschied zur Betriebsstätte – berechtigt ist, das Abkommen für sich in Anspruch zu nehmen (Art. 1).2 Damit fehlt es der Betriebsstätte an einer eigenen Rechtspersönlichkeit3 mit der Folge, dass ihre abkommensrechtliche Existenz von der abkommensrechtlichen Existenz ihres Unternehmers abhängt. Sie ist lediglich unselbständiger Bestandteil des Gesamtunternehmens. Dies gilt unbeschadet der Rspr. des EuGH4, wonach die Vertragsstaaten der Betriebsstätte eines Unternehmens aus den EG-Mitgliedstaaten alle Rechte einräumen müssen, die selbständige Unternehmen nach dem DBA haben. Denn insoweit handelt es sich bei diesem Gebot nur um eine Rechtsfolgenanordnung, die den tatsächlichen Unterschied unangetastet lässt.5 Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die OECD mit der Änderung des Art. 7 den sog. „Authorised OECD Approach“ (AOA) umgesetzt hat und die Betriebsstätte uneingeschränkt zur selbständigen Person fingiert wird. Diese Fiktion gilt nur für Zwecke der Betriebsstättengewinnermittlung.6 Dies folgt im Umkehrschluss aus der Definition in Art. 7 Abs. 2 (2014) und eben nicht in Art. 5. Auch innerstaatlich modifiziert die Umsetzung des AOA in § 1 Abs. 5 und Abs. 4 Nr. 2 AStG mit Wirkung ab 1.1.2013 die rechtliche Unselbständigkeit der Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO nicht. Denn zwar ist die Betriebsstätte gem. § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln. Jedoch gilt dies nur zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes, d.h. zur Gewinnabgrenzung. Und selbst dort verbleibt ein Vorbehalt für den Fall, dass die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen eine Behandlung als unselbständiger Bestandteil erfordert. Im Ergebnis ent-

1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076; vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 9; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 31. 2 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 10. 3 Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 9; ähnl. Schröder, DB 1964, 1567. 4 EuGH v. 21.9.1999 – C-307/97 – Saint-Gobain, ECLI:EU:C:1999:438 = FR 1999, 1138. 5 I.Erg. ebenso Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 1. 6 I.Erg. ebenso Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 1.

Hruschka

273

Art. 5 (2014) Rz. 2

Betriebstätte

spricht damit die abkommensrechtliche Behandlung der Sichtweise der Betriebsstätte als unselbständigem Bestandteil des Gesamtunternehmens im innerstaatlichen Steuerrecht1 und Zivilrecht.2 3

Betriebsstättenbegriff: Abgrenzung im OECD-MA. Mangels Rechtspersönlichkeit ist die Betriebsstätte ausschließlich Objekt der Besteuerung.3 Hierdurch unterscheidet sich die Betriebsstätte vom Unternehmensstaat (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 4), Dieser beschreibt den Ansässigkeitsstaat des Unternehmens i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d als den Staat, in dem die Person, die das Unternehmen betreibt, ansässig ist. Ansässig i.S.v. Art. 4 Abs. 1 können nur steuerpflichtige Rechtsträger sein. Die Definition enthält keinen Verweis auf Art. 5. Vielmehr stellt sie ausschließlich auf die Ansässigkeit der Person und nicht etwa auf den Ort ab, an dem das Unternehmen betrieben wird.4 Während also der Begriff „Betriebsstätte“ nur den Gegenstand der Besteuerung beschreibt, charakterisiert der Begriff „Unternehmensstaat“ den steuerpflichtigen Rechtsträger (i.W. „Stammhaus“). Aus dem Wortlautunterschied folgt, dass das Stammhaus keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 OECD-MA ist. Daher kann das Stammhaus auch dann einem Staat zuzuordnen sein, wenn dort die Voraussetzungen für die Annahme einer Betriebsstätte nicht erreicht werden. Besondere Bedeutung hat dies für den Ort der Geschäftsleitung (vgl. Rz. 91).

4

Betriebsstättenbegriff: Abgrenzung im nationalen Recht. Vorbehaltlich der ausdrücklichen Bezugnahme auf den abkommensrechtlichen Begriff5 ist in den nationalen Steuergesetzen, insbesondere in § 1 Abs. 5 AStG, ausschließlich von der Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO einerseits und Steuerpflichtigen andererseits die Rede. Damit einhergehend nimmt die BsGaV6 ebenfalls Bezug auf die Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Die VWG BsGa verwenden ferner den Begriff der „einfachen Betriebsstätte“7, „Mitunternehmerbetriebsstätte“8 und der „Geschäftsleitungsbetriebsstätte“.9 Die einfache Betriebsstätte ist Bestandteil des Unternehmens, m.a.W. zivilrechtlich dem Unternehmer unmittelbar zuzuordnen.10 Hierdurch unterscheidet sie sich von der Mitunternehmerbetriebsstätte (siehe Rz. 82, die zivilrechtlich der Gesamthand, jedoch steuerrechtlich wegen der insoweit bestehenden Transparenz (s. Rz. 76) dem dahinter stehenden steuerpflichtigen Gesellschafter anteilig vermittelt wird.11 Von diesem Verständnis abweichend verwenden die Rspr.12 und die Literatur13 den Ausdruck „Mitunternehmerbetriebsstätte“ im Sinne einer Betriebsstätte, die zivilrechtlich dem Mitunternehmer, d.h. dem steuerpflichtigen Gesellschafter, zuzurechnen ist. Zur terminologisch eindeutigen Unterscheidung wird diese im Folgenden als „Sonderbetriebsstätte“ bezeichnet, denn es handelt sich um eine dem Gesellschafter unmittelbar zivilrechtlich zuzurechnende Betriebsstätte, welche sich in der Unternehmenssphäre der Mitunternehmerschaft befindet. Als solches ist sie Bestandteil der Sonderbetriebssphäre des Mitunternehmers. Der Begriff des Unternehmensstaats entspricht weitgehend jenem des in- bzw. ausländischen Unternehmens i.S.v. § 2 Abs. 1 bzw. 2 BsGaV(zu den Unterschieden siehe Rz. 93. Der Begriff des „Stammhauses“14 wurde in den VWG BsGa15 aufgegeben. Dort ist nur noch von dem „übrigen Unternehmen“16 (s. Rz. 94) und der sog. „Geschäftsleitungsbetriebsstätte“ die Rede.17 Vom Wortlaut 1 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571 – VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182, Rz. 6. 2 Vgl. BGH v. 8.5.1972 – II ZR 155/69, NJW 1972, 1589; Federmann, Bilanzierung nach Handelsrecht und Steuerrecht11, 75. 3 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 1. 4 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 1. 5 Z.B. in § 43b Abs. 2a EStG, § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. c EStG. 6 BGBl I 2014, 1603. 7 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571 – VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182. Rz. 13. 8 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571 – VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182. Rz. 13. 9 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571 – VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182. Rz. 16, 77. 10 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571 – VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182. Rz. 16, 77. 11 vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571 – VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182. Rz. 13. 12 BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791, IStR 2014, 227 m. Anm. Benecke/Staats; v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770. 13 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 45; Häck, IStR 2011, 71 (73). 14 So noch z.B. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.1, 2.4. 15 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571 – VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182. 16 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571 – VWG-BsGa, BStBl. I. 2017, 182, Rz. 1. 17 Siehe z.B. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571 – VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182, Rz. 16, 21, 77.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 7 Art. 5 (2014)

her unterscheidet sich die Geschäftsleitungsbetriebsstätte vom Stammhaus durch das Vorhandensein einer „Betriebsstätte“. Damit ist die Formulierung, wie sie in den VWG BsGa verwendet wird, enger als der Unternehmensstaat i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA. Die von der Verwaltung verwendete Formulierung indiziert auch, dass dem Ansässigkeitsstaat des Unternehmers im Rahmen der Gewinnaufteilung dann kein Gewinn zugeordnet werden kann, wenn dort keine Betriebsstätte unterhalten wird. Dahingehend hat sich auch die Rechtsprechung1 geäußert. Mit dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA steht dies nicht im Einklang. Ortsbezug der Betriebsstätte. Um die Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 dem anderen Staat zuordnen 5 zu können benötigt sie einen in Art. 5 definierten Ortsbezug. Diesen definiert der Betriebsstättenartikel in Abhängigkeit von den 3 Erscheinungsformen der Betriebsstätte unterschiedlich. Als solche sind zu nennen: 1. die Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1, 2, 4); 2. die Vertreterbetriebsstätte (Abs. 5, 6) sowie 3. die Baubetriebsstätte (Abs. 3). Neben ihrer Dauerhaftigkeit der Tätigkeit (s. Rz. 56) im Quellenstaat verlangen die Geschäftseinrichtungs- und die Vertreterbetriebsstätte ein weiteres Zuordnungskriterium, um das materielle Anknüpfungsobjekt der Geschäftseinrichtung oder des Vertreters dem Quellenstaat zuordnen zu können. Bei der Geschäftseinrichtung ist dies die Notwendigkeit einer gewissen, tatsächlichen Sachherrschaft des Unternehmers (s. Rz. 60). Beim Vertreter ist dies die Abhängigkeit vom Unternehmer (= Prinzipal) (s. Rz. 156). Eine Ausnahme hiervon regelt Abs. 3, der bei Bauausführungen und Montagen ausschließlich auf die Dauer der Tätigkeit im Quellenstaat abstellt (s. Rz. 106). Im Übrigen soll allein die physische Substanz des Auftraggebers, an der der Unternehmer tätig wird, nicht zu dessen Geschäftseinrichtung werden.2 Dementsprechend genügt typischerweise die ausschließliche Anwesenheit im anderen Staat zur Verrichtung von Dienstleistungen nicht, um für das tätige Unternehmen den erforderlichen Ortsbezug herzustellen (s. aber Dienstleistungsbetriebsstätte Rz. 12). Quellenbesteuerungsrecht. Als reines Besteuerungsobjekt schafft die Betriebsstätte einen rechtsbegründenden Ortsbezug, denn nur wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, darf der Quellenstaat besteuern. Dies ergibt sich sowohl aus Art. 7 Abs. 1 Satz 2 als auch aus den Betriebsstättenvorbehalten (s. Rz. 1), die dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht dann zuordnen, wenn die fraglichen Einkünfte zu einer dort belegenen Betriebsstätte gehören. Diese Anspruch begründende Funktion findet sich im innerstaatlichen Recht in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wieder, der die beschränkte Steuerpflicht gewerblicher Einkünfte i.S.d. § 15 EStG an die Belegenheit einer Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO oder eines ständigen Vertreters i.S.d. § 13 AO im Inland knüpft.

6

Definition des Hoheitsgebiets des Quellenstaats.3 Welches Territorium zum Quellenstaat gehört, regelt 7 das OECD-MA nicht. Typischerweise finden sich allerdings in Art. 3 der jeweiligen DBA entsprechende Definitionen. Maßgeblich sind insoweit die völkerrechtlichen Grenzen.4 Neben dem jeweiligen – völkerrechtlich anerkannten – Festland umfasst dieses auch das Küstenmeer, welches die sog. 12-Meilenzone (ca. 22 km) gem. Art. 3 des Seerechtsübereinkommens der UN v. 10.12.1982 (i.W.: SRÜ5) umfasst. Indes gehört der Festlandsockel selbst zwar nicht zum völkerrechtlichen Inland.6 Jedoch wurde den Küstenstaaten in Art. 56 SRÜ das Recht eingeräumt, die Gewässer über dem Meeresboden, den Meeresboden und seinen Untergrund zum Zweck der Erforschung und Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und nichtlebenden natürlichen Ressourcen sowie hinsichtlich anderer Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung und Ausbeutung der Zone wie der Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind zu nutzen (ausschließliche Wirtschaftszone; „AWZ“). Dieses Recht erstreckt sich auch auf den Festlandsockel, der über die AWZ hinausgeht. Es umfasst aber nicht die darüber liegenden Gewässer (Art. 77 SRÜ). Von diesen Rechten hat Deutschland seit 2015 Gebrauch gemacht7 und den Inlandsbegriff gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 1 Abs. 3 KStG sowie § 2 Abs. 7 GewStG für derartige Nutzungen sowie für die Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien auf dieses Territorium ausgedehnt. Nach dieser Definition befand sich zwar eine Ölbohrinsel oder ein Windpark in der AWZ außerhalb der 12-Meilenzone in internationalen Gewässern, jedoch wegen ihres tätigkeitsspezifischen Bezugs zum Festlandsockel auf dem Hoheitsgebiet des Quellenstaats (s. Rz. 197). Hingegen fand die Errichtung solcher Anlagen bzw. die Nutzung unterseeischer Kabel- und Rohrleitungen auf

1 2 3 4 5 6 7

BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. Vgl. Rosenberger/Vitali/Ziehr, IStR Beihefter 18/2010, 3. Zum Ganzen siehe auch Behrendt/Wischott/Krüger, BB 2012, 1827 (1827). Vgl. BFH v. 13.4.1989 – IV R 196/85, BStBl. II 1989, 614. BGBl. II 1994, 1798. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.6.1. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.6.1.

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Art. 5 (2014) Rz. 7

Betriebstätte

dem Festlandsockel auf exterritorialem Gebiet statt. Mit Wirkung ab VZ 2016 (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG) wurde der Inlandsbegriff daher nochmals an das SRÜ angepasst.1 Seitdem fallen auch Tätigkeiten wie die gewerbliche Fischzucht oder aber die Errichtung und Nutzung von Anlagen und Bauwerken in der AWZ sowie auf dem Festlandsockel unter den Inlandsbegriff. Damit hat der Gesetzgeber den Inlandsbegriff vollumfänglich an das SRÜ angepasst. In Fällen, in denen der Bezug zum Quellenstaat fehlt, wie z.B. bei Satelliten im Weltall (s. Rz. 215), kann das Vorhandensein einer Betriebsstätte kein Besteuerungsrecht des Quellenstaates begründen. 8

Mindestaktivität. Die Betriebsstättendefinition des Art. 5 markiert quantitativ und qualitativ die Unterschwelle,2 ab deren Erreichen der Quellenstaat berechtigt wird, unternehmerische Aktivitäten auf seinem Hoheitsgebiet durch eine im anderen Staat ansässigen Person zu besteuern (Art. 7 Abs. 1 Satz 2). So ist das Betriebsstättenerfordernis verantwortlich dafür, dass eine unternehmerische Tätigkeit dem Grunde nach erst dann vom Quellenstaat besteuert werden darf, wenn sie zu einer intensiven geschäftlichen Bindung an ihn geführt hat; nur lockere wirtschaftliche Beziehungen zum Quellenstaat bleiben dagegen dem Ansässigkeitsstaat des Unternehmens zur Besteuerung überlassen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 46).3 Aus dem Zusammenhang der Absätze 1, 2 und 4 des Art. 5 ergibt sich, dass reine Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten hierfür nicht ausreichen (vgl. Rz. 128). Vielmehr muss wenigstens ein Teil der Haupttätigkeit des Unternehmens in der Geschäftseinrichtung verrichtet werden. Da die Betriebsstättenbegriffe in den einzelnen von Deutschland abgeschlossenen DBA unterschiedlich formuliert sind, kann die Schwelle, ab der der Quellenstaat ein Besteuerungsrecht erhält, nicht einheitlich definiert werden. Vielmehr gilt: Je weiter der Betriebsstättenbegriff definiert ist, desto früher steht dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht zu.4 Umgekehrt: Je enger der Betriebsstättenbegriff formuliert ist, desto länger verbleibt das Besteuerungsrecht im Ansässigkeitsstaat. Damit ist die Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 die entscheidende „Stellschraube“ im DBA für die grundsätzliche Verteilung von Unternehmensgewinnen i.S.v. Art. 7 zwischen Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat. Im Umsetzung des sog. BEPS-Aktionsplans der OECD5 beabsichtigt Deutschland den abkommensrechtlichen Begriff der Betriebsstätte auszuweiten (vgl. Rz. 26).

9

Bedeutung des Betriebsstättenbegriffs für den Quellenstaat. Hängt der Besteuerungsanspruch des Quellenstaats für Unternehmensgewinne, die auf seinem Hoheitsgebiet erwirtschaftet werden, von einer dort belegenen Betriebsstätte ab, formuliert Art. 5 den sachlichen Anknüpfungspunkt, m.a.W. den notwendigen Ortsbezug, der den Quellenstaat dem Grunde nach zur (anteiligen) Besteuerung des auf seinem Hoheitsgebiet erwirtschafteten Unternehmensgewinns einer im Ausland ansässigen Person berechtigt. Diese Entscheidung ist unabhängig von der Frage, in welchem Umfang und in welcher Höhe das Besteuerungsrecht des Quellenstaats besteht (Art. 5 Rz. 9 OECD-MK). Daher bedeutet das Vorhandensein einer Betriebsstätte für den Quellenstaat nicht, dass er sämtliche Einkünfte, die das Unternehmen auf seinem Hoheitsgebiet erwirtschaftet, besteuern darf (kein Attraktionsprinzip der Betriebsstätte, vgl. Art. 7 (2008) Rz. 86 ff.). Nur die Einkünfte, die durch sie veranlasst worden sind, stehen dem Quellenstaat zu (Art. 7 Abs. 1 Satz 2). Mit der Annahme einer Betriebsstätte ist nicht notwendig das Vorhandensein von Betriebsstättenvermögen verbunden. So ist es möglich, durch eine feste Geschäftseinrichtung tätig zu werden, die kein Betriebsvermögen des Unternehmers ist, da er sie lediglich angemietet hat.6

10

Bedeutung des Betriebsstättenbegriffs für den Ansässigkeitsstaat. Gemäß Art. 7 Abs. 1 können Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d) besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Geschäftstätigkeit im Quellenstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte i.S. des Art. 5 aus. Damit ordnet Art. 7 – unter Ausnahme der Betriebsstättengewinne des Quellenstaates – das umfassende Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zu (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 66). Diesem Wortlaut folgend bedarf es für das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates keiner dort belegenen Betriebsstätte i.S.d. Art. 5.7 Ebenso wenig spielt der Betriebsstättenbegriff als Tatbestandsmerkmal eine Rolle im Methodenartikel (Art. 23A bzw. Art. 23B). Vielmehr macht Art. 23A Abs. 1 die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat nur davon abhängig, ob die Einkünfte nach dem Abkommen im Quellenstaat besteuert werden können.8 1 2 3 4 5 6 7

BGBl. I 2015, 1834. Vgl. Fresch/Strunk in S/K/K, Art. 5 OECD-MA Rz. 6. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 1. Vgl. auch Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (494 ff.), zur Ausweitung des Betriebsstättenbegriffs durch die OECD. Siehe http://www.oecd.org/ctp/beps-actions.htm. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 1. So auch Kramer, IStR 2004, 672 ff.; a.A.: Wassermeyer, IStR 2004, 676 f.; BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414 (siehe auch unten Rz. 91). 8 Vgl. Wassermeyer, IStR 2011, 85 (90).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 12 Art. 5 (2014)

E-Commerce. Im Rahmen der BEPS-Initiative haben sich die OECD-Mitgliedstaaten auch mit der Frage 11 der Besteuerung der digitalen Wirtschaft befasst. Ziel der Arbeiten war es, die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Wirtschaft zu ermitteln und zu überprüfen, ob die derzeitigen Besteuerungsprinzipien angesichts des schnellen technologischen Wandels weiterhin sachgerecht sind. Unter anderem wurde untersucht, ob die Unternehmensbesteuerung künftig an digitale Merkmale anknüpfen sollte (Konzept einer „digitalen Betriebsstätte“). Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Digitalisierung mittlerweile die gesamte Wirtschaft erfasst und es keine isolierbare „digitale Wirtschaft“ gibt, die vom Rest der Wirtschaft getrennt werden könnte. Dementsprechend wurde die internationale Einführung gänzlich neuer steuerlicher Anknüpfungsmerkmale nicht empfohlen. Stattdessen sollen bestimmte Aspekte der bestehenden Besteuerungsprinzipien (z. B. beim Betriebsstättenbegriff) angepasst werden, um den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Zudem soll die weitere technologische Entwicklung der Digitalisierung beobachtet werden, um zukünftigen Handlungsbedarf rasch ermitteln zu können.1 In Art. 5 OECD-MA (2017) hat eine dahingehende Anpassung nicht stattgefunden. Art. 5 enthält keine Regelung zur „digitalen Betriebsstätte“. In Art. 5 Rz. 122–131 OECD-MK (2017) wird das aktuelle Verständnis der OECD-Mitgliedstaaten zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft beschrieben. Hiernach kann ein Computerserver eine Betriebsstätte begründen, sofern die Datenverarbeitung fest zugeordnet werden kann (siehe unten Rz. 187, 196, 213). Dienstleistungsbetriebsstätte. In Art. 5 Rz. 132–145 OECD-MK (2017) hat die OECD umfangreich zur Besteuerung von Dienstleistungen Stellung genommen (zum Verhältnis zur Vertreterbetriebsstätte vgl. Rz. 148).2 Trotz diverser Bedenken, insbesondere in Hinblick auf den gesteigerten Verwaltungsaufwand für Unternehmen und Steuerverwaltungen (vgl. Art. 5 Rz. 133 OECD-MK 2017), schlägt sie nunmehr erstmals unter Art. 5 Rz. 144 OECD-MK (2017) eine Formulierung für eine Dienstleistungsbetriebsstätte vor. Unabhängig von den Regelungen des Art. 5 Abs. 1 bis 3 soll hiernach der Quellenstaat ein Besteuerungsrecht erhalten, wenn dort entweder eine Person des Unternehmens an mehr als 183 Tagen in einem beliebigen 12-Monatszeitraum anwesend ist und aus dieser Tätigkeit mehr als 50 % des Gesamtumsatzes des Unternehmens während dieser Zeit generiert werden oder Dienstleistungen einer oder mehrerer Personen eines Unternehmens an mehr als 183 Tagen in einem beliebigen 12-Monatszeitraum für ein einzelnes Projekt oder mehrere verbundene Projekte erbracht werden (vgl. Art. 5 Rz. 144 OECD-MK). Regelmäßig wiederholte Einzelleistungen, wie etwa der nachhaltige Verkauf und die Lieferung von Waren, sollen jedoch ebenso wenig eine Betriebsstätte begründen können (vgl. Art. 5 Rz. 139 OECD-MK) wie reine Hilfstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 (vgl. Art. 5 Rz. 144 OECD-MK). Ebenso soll die Mauer des Anstreichers, die bloßes Objekt seiner Tätigkeit ist – ohne dass dieses ihm gehört – zur Betriebsstätte werden (vgl. Art. 5 Rz. 17 OECDMK). Im Kern reduziert die Dienstleistungsbetriebsstätte die bisher bestehenden Anforderungen an eine Betriebsstätte, indem sie bei den Geschäftseinrichtungsbetriebsstätten das Tatbestandsmerkmal der Sachherrschaft und bei den Vertreterbetriebsstätten die tatsächliche Ausübung der Vertretungsmacht aufgibt. Damit genügt allein die Präsenz des Unternehmens oder ihm zuzurechnender Personen, um ein grundsätzliches Besteuerungsrecht des Quellenstaats anzunehmen. Nicht erforderlich ist, dass das Unternehmen am Markt werbend auftritt. Dies entspricht den Anforderungen an den ständigen Vertreter i.S.v. § 13 AO. Eingeschränkt wird dieses nur noch durch die Mindestanforderungen an die Aktivität, die vor Ort ausgeübt werden. Während für den Vertreter gem. § 13 AO jede Hilfstätigkeit ausreicht, ist für die Dienstleistungsbetriebsstätte i.S.d. Abkommensrechts erforderlich, dass vor Ort ein Teil der Haupttätigkeit des Unternehmens verrichtet wird (vgl. Art. 5 Rz. 144 OECD-MK 2017). Unter Ausnahme des Anstreicherbeispiels3 hat Deutschland zu dieser allgemeinen Entwicklung im OECD-MK (2017) weder offiziell Stellung genommen (vgl. Art. 5 Rz. 164 ff. OECD-MK) noch einen Vorbehalt (vgl. Art. 5 Rz. 187 ff. OECD-MK) geäußert. Bisher haben sich Vertreter der deutschen Finanzverwaltung ablehnend gegenüber dem Konzept geäußert.4 Indessen dokumentieren einzelne jüngere DBA, dass Deutschland dieses Institut in Einzelfällen durchaus in DBA-Verhandlungen bereits akzeptiert hat.5 Jenseits dieser Ausnahmen hat diese extensive Sicht der OECD bisher für die deutsche Abkommensanwendung keine Bedeutung. Die Mehrzahl der deutschen DBA erken-

1 Siehe https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/2017-06-07-beps-15aktionspunkte.html;jsessionid=94547898B3B898162C28AC17635AF5E5. 2 Vgl. dazu im Einzelnen auch Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (494 f.); Rosenberger/Vitali/Ziehr, IStR Beihefter Heft 18/2010; Kahle/Ziegler, DStZ 2009, 843 ff. 3 Dem Deutschland ausdrücklich widersprochen hat (vgl. Art. 5 Rz. 178 OECD-MK). 4 Vgl. Wichmann, FR 2011, 1983; Wichmann in Lüdicke, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 35, 2009, S. 103 (104 f.). 5 DBA-Türkei 2011, BGBl. II 2012, 526; DBA-China 2014, BGBl. II 2015, 1647; DBA-Australien 2015, BGBl. II 2016, 1114.

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12

Art. 5 (2014) Rz. 12

Betriebstätte

nen daher das Institut der Dienstleistungsbetriebsstätte nur für die Sonderfälle der Bauausführungen an. Nur einige wenige DBA,1 die dem Art. 5 Abs. 3 Buchst. b UN-MA nachgebildet sind, erklären das Erbringen von Dienstleistungen generell zu Betriebsstätten. Eingeschlossen werden dabei insbesondere bloße Beratungsleistungen. Voraussetzung für diese Entmaterialisierung des Betriebsstättenbegriffs ist jeweils, dass eine – quantitative – zeitliche Grenze überschritten wird. Sie ist im UN-MA mit sechs Monaten innerhalb eines beliebigen Zwölfmonatsrahmens.2

II. Aufbau der Vorschrift 13

Verhältnis der Absätze zueinander. Art. 5 normiert in seinen Absätzen 1 bis 7 verschiedene Tatbestände, denen gemeinsam ist, dass sie jeweils für sich die Annahme einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 auslösen können. Denkbar ist auch eine kumulative Erfüllung verschiedener Tatbestände, etwa wenn eine Bauausführung länger als 12 Monate dauert und durch eine feste Geschäftseinrichtung abgewickelt wird. Da beide Tatbestände dieselbe Rechtsfolge anordnen, besteht keine Normenkonkurrenz.3 Insoweit gibt es zwischen den Abs. 1 bis 7 keine logisch zwingende Prüfungsreihenfolge. Dessen ungeachtet bietet es sich aus Zweckmäßigkeitserwägungen an, zunächst den Grundtatbestand der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1, 2 und 4) und erst dann zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für eine Bau- oder Montagebetriebsstätte (Abs. 3) oder einer Vertreterbetriebsstätte (Abs. 5, 6) erfüllt sind.4

14

Abs. 1: Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte. In Abs. 1 wird der Grundtatbestand, nämlich die Betriebsstätte in Form einer festen Geschäftseinrichtung, durch die das Unternehmen wenigstens teilweise betrieben wird, definiert. Dort werden die sachlichen Anknüpfungskriterien für die Annahme einer Betriebsstätte beschrieben. Abs. 2 und Abs. 4 konkretisieren diesen Grundtatbestand.

15

Abs. 2: Positivkatalog. Abs. 2 enthält einen Beispielskatalog von Geschäftseinrichtungsbetriebsstätten, die typischerweise eine Betriebsstätte im abkommensrechtlichen Sinne darstellen. Voraussetzung für die Annahme einer Katalogbetriebsstätte i.S.d. Abs. 2 ist daher stets das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale des Abs. 1.5

16

Abs. 3: Bauausführungen und Montagen. Abs. 3 definiert, wann der Quellenstaat bei Bau- oder Montagetätigkeiten ein Besteuerungsrecht erhält. Im Unterschied zur Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.d. Abs. 1 kommt es hierbei nur auf die Dauer der Tätigkeit im Quellenstaat an (vgl. Rz. 106 ff.).

17

Abs. 4: Negativkatalog. Abs. 4 ist das Spiegelbild zu Abs. 2. Er enthält einen Katalog von Negativbeispielen, in denen trotz Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 typischerweise keine Betriebsstätte im Quellenstaat anzunehmen ist (vgl. Rz. 127 ff.).

18

Abs. 5: abhängiger Vertreter. Abs. 5 bestimmt, dass eine Betriebsstätte auch anzunehmen ist, wenn an Stelle des sachlichen Anknüpfungspunkts „feste Geschäftseinrichtung“ ein abhängiger Vertreter im Quellenstaat persönlich anwesend ist, dort gewöhnlich mit Wirkung für seinen Prinzipal Geschäfte abschließt und im Übrigen die Voraussetzungen des Abs. 1 gegeben sind (vgl. Rz. 146 ff.).

19

Abs. 6: unabhängiger Vertreter. Abs. 6 definiert in Abgrenzung zu Abs. 5, dass typischerweise ein Vertreterhandeln bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Abs. 5 keine Betriebsstättenfolge auslöst, wenn der Vertreter unabhängig ist und innerhalb seines ordentlichen Geschäftsbetriebs handelt. Beispielhaft werden Makler und Kommissionäre genannt, die für andere Unternehmen keine Betriebsstätte begründen, sofern sie im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln (vgl. Rz. 166 ff.).

20

Abs. 7: Antiorganklausel. Abs. 7 stellt klar, dass eine mehrheitliche gesellschaftsrechtliche Verbundenheit mit einer Gesellschaft im anderen Staat für sich gesehen in keinem der beiden Vertragsstaaten eine Betriebsstättenfolge auslöst (vgl. Rz. 174 ff.).

1 2 3 4 5

Art. 5 Abs. 3 Buchst. b DBA-China; Art. 5Abs. 3 Buchst. b DBA-Türkei; Art. 5 Abs. 4 DBA-Australien. Vgl. Lehner/Reimer, IStR 2005, 547. A.A. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 5. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 6. So auch Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 37; Eckl, IStR 2009, 512; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 4.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 24 Art. 5 (2014)

III. Rechtsentwicklung Entwicklung des Art. 51 bis zum Update 2010. Die von Deutschland vor 1963 abgeschlossenen DBA enthielten voneinander abweichende Betriebsstättendefinitionen und waren teilweise nur aufzählender Natur. Erst 1963 wurde ein einheitlicher Begriff in das OECD-MA 1963 aufgenommen. Von 1963 bis 2010 hat Art. 5 nur noch relativ wenige Änderungen erfahren. Die Revision des OECD-MA in 1992 brachte nur Ergänzungen im OECD-MK. In 2003 wurde der OECD-MK wesentlich geändert. Zu den Änderungen gehört die Einführung der sog. Server- (s. „Internet“ Rz. 196) und Dienstleistungsbetriebsstätte (s. Rz. 12). Auf die tiefgreifende Änderung des Art. 7 in 2010 wurde auch im OECD-MK zu Art. 5 in Hinblick auf die Besteuerung von Dienstleistungen (vgl. Art. 5 Rz. 42.11 ff. OECD-MK 2010) Rücksicht genommen. Der Abkommenstext des Art. 5 selbst wurde jedoch nicht reformiert. Hierdurch kommt es zu einzelnen Widersprüchen mit den Aussagen des AOA, insbesondere in Bezug auf reine Einkaufsgeschäftseinrichtungen. So erreichen diese gem. Art. 5 Abs. 4 Buchst. b OECD-MA auch nach dem Update 2010 keine Betriebsstättenqualität i.S.d. Art. 5. Vor dem Update stand dies im Einklang mit dem Verbot des Art. 7 Abs. 5 OECD-MA 2008, nach dem einer Betriebsstätte für reine Einkaufstätigkeiten kein Gewinn zugewiesen werden durfte. Dieser Einklang wurde mit Neufassung des Art. 7 OECD-MA 2010 aufgehoben, da nunmehr sämtliche Innentransaktionen, und damit auch reine Einkaufstätigkeiten, zwischen Stammhaus und Betriebsstätte fremdüblich abzurechnen sind (s. hierzu Art. 7 (2017) Rz. 31 ff.).

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Änderung des OECD-MK 2010. In Art. 5 Rz. 26.1 OECD-MK 2010 wurde in klargestellt, dass der Nutzer 22 über Kabel, Rohrleitungen u.Ä., die ihm von einem fremden Betreiber zur Nutzung überlassen werden, keine Sachherrschaft (s.u. Rz. 60 ff.) besitzt und folglich diese keine Betriebsstätte des Nutzers begründen können. Unter Art. 5 Rz. 43 OECD-MK 2010 behält sich Deutschland den Standpunkt vor, dass der Erwerb von Durchleitungsrechten für Pipelinekapazitäten, technische Einrichtungen, Rohrleitungen und Kabel zur Übertragung von Elektrizität oder Kommunikation (inklusive der Übertragung von Radio- und Fernsehrechten) von fremden Dritten Sachherrschaft begründen kann. Deutsche DBA-Verhandlungsgrundlage. Am 18.4.2013 hat der BMF seine neue Verhandlungsgrundlage für DBA-Verhandlungen veröffentlicht. Ziel dieses Verfahrens ist es, im Rahmen der Abkommenspolitik zu einer einheitlichen sprachlichen Fassung der einzelnen DBA zu kommen, um so die Auslegungsschwierigkeiten, die sich aus der Heterogenität der Formulierungen ergeben, zu verringern. Ferner lässt sich aus der Verhandlungsgrundlage die Zielrichtung der Bundesrepublik Deutschland bei Neuverhandlungen entnehmen. Die deutsche DBA-Verhandlungsgrundlage (DE-VG) lehnt sich weitgehend an das OECD-MA 2010 an. Art. 5 DE-VG entspricht Art. 5 OECD-MA 2014. Eine Anpassung an Art. 5 OECD-MA 2017 (s.u. Rz. 27) ist bisher nicht erfolgt.

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Diskussionspapier zur Neuinterpretation von Art. 5. Mit Schr. vom 19.10.2012 hat die OECD ihren Diskussionsentwurf vom 12.10.20112 des Musterkommentars zur Interpretation von Art. 5 OECD-MA überarbeitet und zur weiteren Diskussion eingeladen.3 Deutlich wird in beiden Schreiben der Trend zur „Entmaterialisierung“ des Betriebsstättenbegriffs mit der Folge, dass die Schwelle zur Begründung eines Besteuerungsrechts des Quellenstaats für Unternehmensgewinne sinkt. Im Ergebnis soll damit wohl dem Wunsch zur größeren Teilhabe der Schwellenländer und potentiellen Beitrittsstaaten an der Wertschöpfung auf ihrem Hoheitsgebiet Rechnung getragen. Am deutlichsten wird dieser Trend in dem bereits umgesetzten Vorschlag zur Dienstleistungsbetriebsstätte in Tz. 42.43 OECD-MK 2008. In dem Arbeitspapier von 2011 werden indes v.a. die Tatbestandsmerkmale „fest“ und dort die Teilelemente „tatsächliche Sachherrschaft“4 (s.a. Rz. 60 ff.) sowie deren zeitliche Komponente (s.a. Rz. 56 f.)5 konkretisiert. Entscheidend ist nach den Vorstellungen der OECD nicht nur die rechtliche, sondern auch die faktische Einflussnahmemöglichkeit des Unternehmers auf die Geschäftseinrichtung. Zwar begründet der Heimarbeitsplatz (s.a. Rz. 195) eines Arbeitnehmers grundsätzlich keine Betriebsstätte des Arbeitgebers.6 Zur Vermeidung von Umgehungen hält die OECD diese jedoch nicht für gänzlich ausgeschlossen.7 Weiterhin sollen zukünftig bei Bauausführungen Handlungen von Subunternehmern vollumfänglich wie das Handeln eigener Leute zugerechnet8 und Testzei-

24

1 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 13. 2 Interpretation an Application of Art. 5 (Permanent Establishment) of the OECD Model Tax Convention, abrufbar unter www.oecd.org. 3 Abrufbar unter http://www.oecd.org/ctp/taxtreaties/PermanentEstablishment.pdf. 4 Art. 5 Rz. 4.2 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011. 5 Art. 5 Rz. 6.1, 6.2 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011. 6 Art. 5 Rz. 4.8 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011. 7 Art. 5 Rz. 4.9 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011. 8 Art. 5 Rz. 19 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011.

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Art. 5 (2014) Rz. 24

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ten in die Fristberechnung einbezogen werden.1 Im Kern entfernt sich die OECD mit dieser Sichtweise von der eher zivilrechtlich geprägten Betrachtungsweise im Abkommensrecht und stellt vornehmlich auf das wirtschaftliche Ergebnis ab. Insbesondere das Tatbestandsmerkmal „Sachherrschaft“ ist jedoch nach deutschem Verständnis zur klaren Abgrenzung der Betriebsstätte von einem schlichten Handeln des Unternehmers auf dem jeweiligen Hoheitsgebiet notwendig. Dieses Tatbestandsmerkmal dient damit vor allem der Rechtsklarheit. Werden dem Quellenstaat nunmehr früher Besteuerungsrechte zugesprochen, hat der Interessenausgleich der beteiligten Staaten auf Ebene der Gewinnabgrenzung gem. Art. 7 zu erfolgen. Dieser ist jedoch in der Praxis viel schwieriger, d.h. nur mit deutlich mehr Aufwand, insbes. in Hinblick auf die Dokumentation, zu finden als die grundsätzliche Entscheidung, ob im Quellenstaat eine Betriebsstätte vorliegt oder nicht. Im Ergebnis führt daher die Aufweichung des Betriebsstättenbegriffs zu einer erheblichen Mehrbelastung des Steuerpflichtigen und der beteiligten Steuerverwaltungen. Dieser Trend setzt sich in den Vorschlägen zur Kommentierung der Vertreterbetriebsstätte fort (s.a. Rz. 151 ff.), nach der es für die Annahme eines abhängigen Vertreters nicht auf die Offenkundigkeit des Vertreterhandelns ankommt, sondern maßgeblich ist, ob der Prinzipal wirtschaftlich, d.h. auch im Wege des Durchgangserwerbs, durch den Vertreter gebunden wird.2 25

Änderungen des OECD-MK 2014.3 Mit dem OECD-MK 2014 hat Deutschland zu Art. 5 Rz. 17 Satz 3 OECD-MK 2014 bemerkt, dass die ausschließliche Planungs- und Überwachungstätigkeit nur unter den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 eine Betriebsstätte begründen kann (Art. 5 Rz. 45.1 OECD-MK 2014).

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BEPS-Aktionsplan; Multilaterales Instrument (MLI); Auswirkungen auf den Betriebsstättenbegriff. Im Oktober 2015 wurden die Abschlussberichte der OECD in Sachen Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) der Öffentlichkeit vorgestellt.4 Zur Vermeidung von Abkommensmissbräuchen werden neben einer allgemeinen Missbrauchsnorm Regeln zur Verteilung von Besteuerungsrechten bei hybriden Gestaltungen, zur künstlichen Vermeidung von Betriebsstätten und zur effektiven Streitbeilegung vorgeschlagen. Völkerrechtlich wirksam umgesetzt werden diese Änderungen durch das „Mehrseitige Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung“, kurz: „multilaterales Instrument“ (i.W.: MLI).5 Dessen Unterzeichnung muss nicht in vollem Umfang erfolgen. Vielmehr können die beteiligten Staaten den dortigen Regelungen in unterschiedlichem Umfang zustimmen. Von diesem Wahlrecht hat Deutschland mit Unterschrift am 7.6.2017 für 35 seiner knapp 100 DBA Gebrauch gemacht.6 Die Ratifikation des MLI steht Anfang 2019 noch aus. Zur Umsetzung in innerstaatliches Recht bedarf es neben eines einzelstaatsbezogenen Vertragsgesetzes zum MLI einer bilateralen Konsultationsvereinbarung bzw. eines Revisionsprotokolls, welches sodann jeweils in ein innerstaatliches Gesetz zu transformieren ist.7 Mit Inkrafttreten des MLI werden die bestehenden DBA durch die neuen einzelstaatsbezogenen Transformationsgesetze ersetzt. Technisch geschieht dies durch die Verdrängung der bestehenden Regelung im DBA durch das spätere bzw. speziellere Umsetzungsgesetz des MLI. Zur Vermeidung der „Umgehung des Betriebsstättenstatus“ enthält das MLI in Abschnitt IV folgende Regelungen: – Art. 12 MLI: Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch Kommissionärsmodelle und ähnliche Strategien (s. Art. 5 (2017) Rz. 79 ff. bzw. 96 ff.), – Art. 13 MLI: Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch die Ausnahme bestimmter Tätigkeiten (s. Art. 5 (2017) Rz. 58 ff.), – Art. 14 MLI: Aufteilung von Verträgen (s. Art. 5 (2017) Rz. 66 ff.), – Art. 15 MLI: Bestimmung des Begriffs der mit einem Unternehmen eng verbundenen Person (siehe Art. 5 (2017) Rz. 110 ff.). Die Änderungen werden im Zusammenhang mit den jeweils einschlägigen Absätzen kommentiert. Im Ergebnis wird der Betriebsstättenbegriff deutlich ausgedehnt und damit den Quellenstaaten früher als nach geltendem Recht ein Besteuerungsrecht dem Grunde nach eingeräumt (vgl. Rz. 8). Deutschland hat ledig1 2 3 4 5

Art. 5 Rz. 19.1 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011. Ablehnend Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (498). S. zum Ganzen: Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 ff. Siehe http://www.oecd.org/ctp/beps-actions.htm. Siehe http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/2017-06-07-Mehrsei tiges-Uebereinkommen-z-Umsetzung-steuerabkommensbezogener-Massnahmen-z-Verhinderung-d-Gewinnver kuerzung-u-Gewinnverlagerung.pdf;jsessionid=E2C0DCD882ACCA21BF5202E2B8A4F5FF?__blob=publication File&v=2. 6 Kroniger/Linn, DB 2017, 2509 (2509). Zum Stand der DBA und DBA-Verhandlungen am 1.1.2019 siehe Anhang 5. 7 Ebenso Kroniger/Linn, DB 2017, 2509 (2509).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 31 Art. 5 (2014)

lich Art. 13 Abs. 2 MLI (sog. Option A) zugestimmt. Im Übrigen wurde den Änderungsvorschlägen des Abschnitts IV keine Folge geleistet. Damit hält Deutschland an dem bisherigen, engeren Verständnis des Betriebsstättenbegriffs fest. Änderungen des Betriebsstättenartikels im OECD-MA 2017. Im November 2017 hat die OECD ein neues OECD-MA veröffentlicht. Ausgehend von den Änderungen in den BEPS-Aktionspunkten 7 und 15 (MLI) wurde Art. 5 weitgehend neu gefasst. Die Vorschrift enthält folgende Änderungen: Abs. 4: Absenkung der Schwelle von der Hilfs- und Vorbereitungstätigkeit zur Haupttätigkeit, Abs. 4.1: Rechtsträgerübergreifende Gesamtbetrachtung sämtlicher Aktivitäten nahestehender Personen im Quellenstaat, Abs. 5: Absenkung der Anforderungen an den „abhängigen Vertreter“ durch Aufgabe der Notwendigkeit, den Prinzipal rechtlich zu binden, Abs. 6: Streichung der Regelfallbeispiele des „unabhängigen Vertreters“; Abhängigkeitsfiktion bei überwiegender Tätigkeit für nahestehende Personen, Abs. 8: Definition der „nahestehenden Person“. Wegen des Umfangs wird Art. 5 (2017) gesondert kommentiert (s. Art. 5 (2017) Rz. 1 ff.).

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Änderungen im OECD-MK 2017: Als Ausfluss der umfassenden Überarbeitung von Art. 5 wurde auch der OECD-MK 2017 tiefgreifend geändert. Im Anschluss an die deutsche Finanzverwaltung, die der dynamischen Auslegung der DBA folgt1 und sich daher zur Auslegung der DBA stets auf die aktuelle Version des OECD-MK bezieht, nimmt die Kommentierung des Art. 5 OECD-MK 2014 Bezug auf den OECD-MK 2017, sofern dies mit dem Wortlaut des OECD-MA 2014 vereinbar ist.

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IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht Freie Berufe; feste Geschäftseinrichtung. Bis zum Jahr 2000 enthielt das OECD-MA einen Art. 14 für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Diese Norm wurde von der OECD aus dem Musterabkommen entfernt, da es keinen praktischen Unterschied zwischen Art. 14 und Art. 7 gebe (vgl. Art. 14 Rz. 10).2 Gleichwohl ist diese Regelung in fast allen von Deutschland abgeschlossenen DBA noch enthalten. Dortiger Anknüpfungspunkt für ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates ist an Stelle der Betriebsstätte eine dort belegene „feste Einrichtung“. Dieser Begriff ist im Abkommen nicht definiert. Wegen des Gleichlaufs der Art. 7 und 14 sind insoweit die Grundsätze über die Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 heranzuziehen (vgl. Art. 14 Rz. 44 ff.; Art. 5 Rz. 2 OECD-MK (2017).3

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Betriebsstättenvorbehalte. Neben Art. 7 wird der Begriff der Betriebsstätte in den sog. Betriebsstättenvorbehalten der Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3, Art. 13 Abs. 2, Art. 15 Abs. 2 Buchst. b sowie in Art. 21 Abs. 2, verwendet. In allen Fällen dient die Definition zur Herstellung des örtlichen Bezugs, der den Quellenstaat berechtigt, die der Betriebsstätte zuzuordnenden Wirtschaftsgüter und Einkünfte zu besteuern. Über das Vorliegen einer Betriebsstätte hinaus verlangen die genannten Vorschriften daher ein zusätzliches Zuordnungskriterium für die nämlichen Wirtschaftsgüter in Form eines Kausalzusammenhangs (Art. 7, 15) oder aber einer tatsächlichen Zugehörigkeit (Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3, 13 Abs. 2, 21 Abs. 2; vgl. zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 127 ff.).

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2. EU-Recht Feste Niederlassung4 i.S.d. MwStSystRL.5 Im Bereich der Umsatzsteuer stellt die MwStSystRL zur Ermittlung des Leistungsorts vor allem bei Dienstleistungen u.a. auf den Ort einer festen Niederlassung ab. Nach Art. 11 MwSt-DVO6 ist als feste Niederlassung i.S.v. Art. 44f MwStSystRL jede Niederlassung anzusehen, die eine Mindestgröße und einen ausreichenden Mindestbestand an ständig anwesenden Personal- und 1 2 3 4 5

S.o. Systematik Rz. 115. OECD, Issues in International Taxation No. 7. Vgl. Görl in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 21. Zum Ganzen siehe Monfort, UR 2012, 341. Vgl. RL 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. Nr. L 347, 1, ber. ABl. Nr. L 335, 60), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndRL 2010/88/EU v. 7.12.2010 (ABl. Nr. L 326, 1). 6 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates v. 15.3.2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. EU Nr. L 77 v. 23.3.2011 (MwStSystRL).

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Art. 5 (2014) Rz. 31

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Sachmitteln aufweist, die es ihr ermöglichen, Dienstleistungen zu erbringen oder an sie erbrachte Dienstleistungen zu verwenden.1 Im Hinblick auf das Transportwesen hat der EuGH zumindest ein Büro verlangt, in dem Verträge abgefasst und die Entscheidungen der täglichen Geschäftsführung getroffen werden können.2 Eine solche beständige Struktur liegt z.B. vor, wenn die Einrichtung über eine Anzahl von Beschäftigten verfügt, von hier aus Verträge abgeschlossen werden können, Rechnungslegung und Aufzeichnungen dort erfolgen und Entscheidungen getroffen werden, z.B. über den Wareneinkauf. Im Ergebnis ähnelt damit der Begriff der festen Niederlassung dem der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1. Unterschiede zum Abkommensrecht (s. Rz. 72) bestehen indes, als der Begriff der festen Niederlassung Personal erfordert, das die jeweiligen Dienstleistungen erbringen kann. Wegen der unterschiedlichen Regelungsbereiche des ertragsteuerlich orientierten Abkommens- und des Umsatzsteuerrechts kommt es trotz dieses inhaltlichen Unterschieds zu keiner Normenkonkurrenz. Bis einschließlich 2009 war für den Ort von Dienstleistungen u.a. die feste Niederlassung des Leistungserbringers maßgeblich (Art. 43 MwStSystRL i.d.F. bis 31.12.2009). Mit Wirkung ab dem 1.1.2010 ist dieser Ort nur noch entscheidend, wenn die Dienstleistung an einen nicht Steuerpflichtigen i.S.d. Richtlinie erbracht wird (Art. 45 MwStSystRL). Im Übrigen kommt es seitdem auf den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Leistungsempfängers an (Art. 44 MwStSystRL). Da das bisherige Prinzip damit in Teilbereichen aufrecht erhalten bleibt und für diesen Teilbereich die bisherigen Grundsätze fortgelten, kann von dem Systemwechsel innerhalb der MwStSystRl nicht auf einen Wegfall des Personalerfordernisses zurück geschlossen werden.3 32

MTRL sowie Zins- und Lizenzrichtlinie (ZiLiRL). Gemäß Art. 2 Abs. 2 MTRL4 bzw. Art. 3 Buchst. c ZiLiRL5 fallen auch Betriebsstätten in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinien. Diese sind in den Richtlinien eigenständig definiert und werden neben anderen Konzerngesellschaften als begünstigte Empfänger angesehen. Ziel der Richtlinien ist die Abschaffung sämtlicher Quellensteuern auf im EU-Konzernverbund gezahlte Ausschüttungen, Zinsen und Lizenzgebühren. Im Ergebnis sollen solche Zahlung beim Empfänger steuerpflichtig sein. Nach der Definition in Art. 3 Buchst. c ZiLiRL ist Betriebsstätte eine „feste Geschäftseinrichtung in einem Mitgliedstaat, in der die Tätigkeit eines Unternehmens eines anderen Mitgliedstaats ganz oder teilweise ausgeführt wird“. Diese Definition entspricht Art. 5 Abs. 1. Damit können richtlinienbasierte Privilegien von Geschäftseinrichtungen nur in Anspruch genommen werden, wenn diese Geschäftseinrichtungen die Anforderungen einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 OECD-MA erfüllen.

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EU-Schiedskonvention. Die EU-Schiedskonvention (EUSchK)6 ist auch in Bezug auf die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten anwendbar, wobei sie hinsichtlich des Gewinnabgrenzungsmaßstabes gem. Art. 4 Abs. 2 EUSchK – analog Art. 7 Abs. 2 – auf die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und den Fremdvergleichsgrundsatz verweist. Soweit es hierfür auf das Vorhandensein einer Betriebsstätte ankommt, gilt nicht der nationale, sondern gem. Art. 3 Abs. 2 EUSchK der Begriff des jeweiligen DBA zwischen den beteiligten Staaten. Insofern gelten die hier getroffenen Aussagen für die Annahme einer Betriebsstätte i.S.d. EUSchK entsprechend. Ferner wird die Betriebsstätte wie ein Unternehmen eines Vertragsstaats behandelt (Art. 1 Abs. 2 EUSchK). Im Unterschied zu Art. 25 Abs. 1 erlaubt allerdings Art. 6 Abs. 1 EUSchK, den Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens auch im Betriebsstättenstaat zu stellen. Vgl. auch die Kommentierung der EUSchK in Art. 25 Rz. 300 ff.). 3. Innerstaatliches Recht

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Verhältnis zum innerstaatlichen Recht. Art. 5 enthält eine eigenständige Betriebsstättendefinition, die innerhalb derselben Norm an verschiedene Tatbestandsgruppen, nämlich das Vorhandensein einer festen Geschäftseinrichtung i.S.d. Abs. 1, Bau- und/oder Montagedienstleistungen i.S.d. Abs. 3 oder eines Vertreters i.S.d Abs. 5 bzw. Abs. 6 anknüpft und für diese dieselbe Rechtsfolge in Form des Besteuerungsrechts für den Quellenstaat und der Freistellungsverpflichtung für den Ansässigkeitsstaat anordnet (s. Rz. 9, 10). Damit unterscheidet sie sich vom innerstaatlichen Recht, das den Betriebsstättenbegriff inkl. der Bau- und Montage1 Vgl. EuGH v. 28.6.2007 – C-73/06 – Planzer Luxembourg, ECLI:EU:C:2007:3, Rz. 54 m.w.N. 2 Vgl. EuGH v. 28.6.2007 – C-73/06 – Planzer Luxembourg, ECLI:EU:C:2007:3, Rz. 55. 3 I.E. zustimmend: BMF v. 4.9.2009 – IV B 9 - S 7117/08/10001 – DOK 2009/0580334, BStBl. I 2009, 1005, ber. 1344, geänd. durch BMF v. 8.12.2009 – IV B 9 - S 7117/08/10001 – DOK 2009/0824594, BStBl. I 2009, 1612, BMF v. 18.3.2010 – IV D 3 - S 7117/08/10001-03 – DOK 2010/0213469, BStBl. I 2010, 256 und BMF v. 14.6.2010 – IV D 3 - S 7117/09/10002 – DOK 2010/0455583, BStBl. I 2010, 568 Rz. 4. 4 Vgl. RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. 5 Vgl. RL 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten; (ABl. L 157 v. 26.6.2003, 49), zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG des Rates v. 20.11.2006 (ABl. Nr. L 363, 129, 136). 6 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen vom 23.7.1990, ABl. EG Nr. L-225, 10.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 36 Art. 5 (2014)

betriebsstätte in § 12 AO und – systematisch davon getrennt – den ständigen Vertreter in § 13 AO regelt und – für Zwecke der GewSt – unterschiedlich behandelt. Denn Steuergegenstand der Gewerbesteuer ist nur die Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO. Nur diese stellt den Inlandsbezug i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG und andererseits den Auslandsbezug i.S.v. § 9 Nr. 3 GewStG1 her. Im Unterschied dazu löst zwar das Vorhandensein eines Vertreters ein abkommensrechtliches, nicht aber ein gewerbesteuerliches Besteuerungsrecht des Quellenstaats für die insoweit dem Prinzipal zuzurechnenden Gewinne aus. Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO. § 12 AO definiert die Betriebsstätte für Zwecke des innerstaatlichen Rechts. Er wird als Generaldefinition für Zwecke des gesamten Steuerrechts (§ 1 Abs. 1 AO) durch die spezielleren Betriebsstättendefinitionen in den Einzelsteuergesetzen, wie etwa § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. c EStG, § 43 Abs. 2 Buchst. a EStG und v.a. der abkommensrechtlichen Betriebsstättendefinitionen verdrängt. Im Bereich der Umsatzsteuer wird der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO durch die MwStSystRl überlagert (s. Rz. 37). Ebenso wie Art. 5 (s. Rz. 2) verkörpert § 12 AO nur einen unselbständigen Teil des Gewerbebetriebs. Nicht die Betriebsstätte, sondern der gewerbetreibende Betriebsinhaber wird mit ihr steuerpflichtig. Der Hauptanwendungsbereich des § 12 AO besteht in der Begründung der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für Zwecke der Einkommensteuer bzw. der Körperschaftssteuer sowie in der Begründung der Gewerbesteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Umgekehrt ist die Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht Voraussetzung für die Anrechnung ausländischer Steuern (§ 34d Nr. 2 Buchst. a EStG), das Abzugsverbot für ausländische Verluste (§ 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG) sowie für die Kürzung bei der Gewerbesteuer (§ 9 Nr. 3 GewStG). Als solches schafft auch der innerstaatliche Betriebsstättenbegriff einen Ortsbezug (s. Rz. 3), der mit seinen Tatbestandselementen die Mindestanforderungen und damit die Unterschwelle für die eben geschilderten Rechtsfolgen definiert (s. Rz. 8). Im Unterschied zu Art. 5 genügt jedoch jede Vorbereitungs- und Hilfstätigkeit aus. Insoweit ist der Begriff des § 12 AO weiter als der des Art. 5.2

35

Normenkonkurrenz zwischen Abkommensrecht und nationalem Recht. Wegen der unterschiedlichen Weite der Betriebsstättenbegriffe i.S.d. Art. 5 einerseits und § 12 AO andererseits (s.o. Rz. 35) wird der Ortsbezug nach nationalem Recht früher hergestellt als nach Abkommensrecht. Im Inboundfall führt dies dazu, dass eine beschränkte Steuerpflicht des Steuerausländers gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bereits bestehen kann, ohne dass Deutschland gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 5 bereits ein Besteuerungsrecht zusteht. Eine das Abkommensrecht überschreibende Regelung i.S. eines Treaty Override3 ist in § 12 AO nicht zu sehen. So gilt im Fall der Kollision nach den allgemeinen Auslegungsregeln für gleichrangige Normen der Grundsatz lex posterior derogat legi priori, es sei denn, die ältere Regelung ist spezieller als die jüngere oder die Geltung des lex posterior-Grundsatzes wird abbedungen.4 Ein Vorrang von § 12 AO auf Grund des lex posterior-Grundsatzes scheidet aus, da § 12 AO als wortlautidentische Nachfolgevorschrift zu § 16 StAnpG v. 16.10.19345, ergänzt durch Gesetz zur Änderung einzelner Vorschriften der Reichsabgabenordnung und des Steueranpassungsgesetzes v. 11.7.19536, geschaffen und damit vor den von Deutschland abgeschlossenen und noch wirksamen DBA7 verabschiedet wurde. Eine Spezialität von § 12 AO gegenüber Art. 5 scheidet aus, da Art. 5 Abs. 4 die Betriebsstättendefinitionen des § 12 Satz 2 AO weitgehend aufgreift und die Annahme einer DBA-Betriebsstätte in den genannten Fällen ausdrücklich ablehnt. Insoweit ist Art. 5 als speziellere Norm anzusehen. Im Outboundfall führt der weitere Betriebsstättenbegriff des § 12 AO zu einem früher bestehenden Auslandsbezug als Art. 5. Trotz abkommensrechtlicher Zuweisung des Besteuerungsrechts zum Ansässigkeitsstaat (Deutschland) ist in diesem Fall eine Gewinnausgrenzung gem. § 9 Nr. 3 GewStG i.V.m. § 12 AO geboten, da das Abkommensrecht als speziellere Vorschrift nur das nationale Recht beschränken, nicht jedoch erweitern kann.8 Die Kürzung ergibt sich in diesem Fall schon aus dem nationalen Recht.9 An zuletzt genanntem Ergebnis ändert sich auch nichts durch § 7 Satz 8 GewStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen v. 23.12.201610. Denn diese Vorschrift regelt als spezieller Missbrauchstatbestand ausschließlich die gewerbesteuerliche Behandlung niedrig besteuerter passiver Betriebsstätten i.S.d. § 20 Abs. 2 AStG.

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BFH v. 20.7.2016 – I R 50/15, BStBl. II 2017, 230. Vgl. Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 41. Hierzu: BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1, FR 2016, 326. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1, Rz. 50, FR 2016, 326. RGBl. I 1934, 925 (928). BGBl. I 1953, 511 (513). Vgl BMF v. 16.1.2016 – IV B 2 - S 1301/07/10017-07 – DOK 2016/0028964, BStBl. I 2016, 76. Statt aller: Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 68 m.w.N. BFH v. 20.7.2016 – I R 50/15, BStBl. II 2017, 230. BGBl. I 2016, 3000.

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Art. 5 (2014) Rz. 37

Betriebstätte

37

Betriebsstätte i.S.d. UStG1 und Personalerfordernis. Im Unterschied zu den innerstaatlichen Anforderungen i.S.d. § 12 AO erfordert die Annahme einer Betriebsstätte i.S.d. Umsatzsteuerrechts (vgl. §§ 3a, 3f, 3g bzw. § 13b Abs. 7 UStG2) zusätzlich, dass die Einrichtung oder Anlage über einen ausreichenden Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln verfügt, der für die Erbringung der steuerbaren Leistungen erforderlich ist. Außerdem muss die Einrichtung oder Anlage einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweisen, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der jeweiligen Dienstleistungen ermöglicht.3 Grundlage dieser zusätzlichen Tatbestandsmerkmale ist der Begriff der „festen Niederlassung“ i.S.d. Art. 44f MwStSystRL in der Fassung der ÄnderungsRL 2008/8/EG.4 Dieser genießt für Zwecke der Umsatzsteuer gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AO, im Übrigen aber auch aus der Richtlinie unmittelbar,5 Anwendungsvorrang vor § 12 AO.6 Diesem Umstand wurde in Abschn. 3a.1 Abs. 3 UStAE7 Rechnung getragen. Im Zusammenspiel mit Art. 5 spielt die Betriebsstätte i.S.d. UStG praktisch jedoch keine Rolle, da die Umsatzsteuer in keinem von Deutschland abgeschlossenen DBA in den Anwendungsbereich i.S.d. Art. 2 fällt. Gleichwohl hat die OECD in Art. 5 Rz. 5 OECD-MK (2017) klargestellt, dass nationale Anforderungen der Umsatzsteuer an den Betriebsstättenbegriff für Zwecke des DBA unbeachtlich sind.

38

Umsetzung der MTRL bzw. ZiLiRL im nationalen Recht (§ 43b Abs. 2a EStG bzw. § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. c EStG). In § 43b Abs. 2a EStG bzw. § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. c EStG hat der Gesetzgeber jeweils die eigenständige, an Art. 5 Abs. 1 angelehnte Betriebsstättendefinition der MTRL bzw. ZiLiRL im EStG implementiert. Wie auch Art. 5 unterscheiden sich die beiden Definitionen von § 12 AO durch das Erfordernis, dass in der festen Geschäftseinrichtung wenigstens ein Teil der Haupttätigkeit des Unternehmens verrichtet werden muss.

39

Ständiger Vertreter i.S.d. § 13 AO. Zu Einzelheiten wird auf die Ausführungen in Rz. 149 verwiesen.

40

Repräsentant i.S.d. § 17 InvStG. Zu Einzelheiten wird auf die Ausführungen in Rz. 150 verwiesen.

B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1) Ausgewählte Literatur: Albrod, Die ertragsteuerliche Behandlung von Arbeitsgemeinschaften in der Bauwirtschaft, StBp. 1994, 6; Becker, Warenlager als umsatzsteuerliche Betriebsstätte bzw. feste Niederlassung, DStR 2015, 1217; Beduhn/Staudler, Betriebsstättenbegründung bei Dienstleistungserbringung in fremden Räumen aus Sicht des deutschen Steuerrechts, IStR 2015, 937; Behrendt/Wischott/Krüger, Praxisfragen zu deutschen Besteuerungsrechten im Zusammenhang mit Offshore-Windparks in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone, BB 2012, 1827; Bendlinger/ Görl/Schon, Taxation of Large-Scale Construction Projects and the OECD Discussion Draft on the Attribution of Profits to Permanent Establishment, Intertax 2006, 180; Blumers/Weng, Betriebsstätte bei Einschaltung einer Managementgesellschaft, DStR 2012, 551; Brandenberg, Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen im Abkommensrecht, DStZ 2015, 393; Buciek, Aktuelle Entwicklungen zur Betriebsstättenbesteuerung, DStZ 2003, 139; Bürkle/Ullmann, Die Betriebsstättendefinition des Art. 5 OECD-Musterabkommen: Aktuelle Änderungen bei Bau- und Montage- sowie Dienstleistungsbetriebsstätten, DStR 2013, 944; Bürkle/Ullmann, Die Betriebsstättendefinition des Art. 5 OECD-Musterabkommen: Aktuelle Änderungen bei Bau- und Montage- sowie Dienstleistungsbetriebsstätten, DStR 2013, 944; Dißars, Kriterien zur Bestimmung des Orts der Geschäftsleitung einer Gesellschaft nach § 10 AO, DStZ 2011, 21; Ditz/Quilitzsch, Aktuelle Entwicklungen im Hinblick auf die Definition der Betriebsstätte, FR 2012, 493; Ditz/ Tcherveniachki, Zuordnung von Beteiligungen an KapGes. zur Betriebsstätte einer Holding-PersGes. – Zugleich Anmerkung zum FG Münster vom 15.12.2014 – 13 K 624/11 F, DB 2015, 2897; Eckl, Generalthema I: Die Definition der Betriebsstätte, IStR 2009, 510; Findeis/Eickmann, Internet-Server als ertragsteuerliche Betriebsstätte nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – USA, DStZ 2008, 139; Gosch, Entwicklungstendenzen in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof zum Internationalen Steuerrecht, SWI 2011, 324; Hagemann, Zur (Un-)möglichkeit von Floating Income im DBA-Recht – Zugleich Anmerkung zu FG München, Urt. v. 31.05.2017 – 9 K 3041/15, IStR 2017, 749 m. 1 Zum Ganzen siehe Monfort, UR 2012, 341. 2 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – XI R 15/08, BFH/NV 2011, 661; FG München v. 28.6.2006 – 3 K 4109/04, EFG 2006, 1545. 3 Vgl. EuGH v. 20.2.1997 – C-260/95 – Commissioners of Customs and Excise/DFDS, ECLI:EU:C:1997:77; BMF v. 4.9.2009 – IV B 9 - S 7117/08/10001 – DOK 2009/0580334, BStBl. I 2009, 1005, ber. S. 1344, geänd. durch BMF v. 8.12.2009 – IV B 9 - S 7117/08/10001 – DOK 2009/024594, BStBl. I 2009, 1612, BMF v. 18.3.2010 – IV D 3 - S 7117/08/10001-03 – DOK 2010/0213469, BStBl. I 2010, 256 und BMF v. 14.6.2010 – IV D 3 - S 7117/07/10002 – DOK 2010/0455583, BStBl. I 2010, 568, Rz. 4. 4 Vgl. Wäger in Sölch/Ringleb, § 3a UStG Rz. 3 (Stand: April 2010). 5 Vgl. BVerfG v. 29.7.2004 – 2 BvR 2248/03, DVBl 2004, 1411; Kirchhof, DStR 2008, 1 unter 3.2. 6 Vgl. Wäger in Sölch/Ringleb, § 3a UStG Rz. 93 (Stand: April 2010). 7 UStAE v. 1.10.2010 – IV D 3 - S 7015/10/10002 – DOK 2010/0815152, BStBl. I 2010, 846, geändert durch BMF v. 6.7.2011 – IV D 3 - S 7179/09/10003 – DOK 2011/0530581, BStBl. I 2011, 738 und v. 7.7.2011 – IV D 2 - S 7300-b/09/10001 – DOK 2011/0468888, BStBl. I 2011, 739.

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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1)

Rz. 42 Art. 5 (2014)

Anm. Behrenz, IStR 2017, 849; Hinder/Hentschel, Nur „zu Gast“ beim Auftraggeber? – Das FG Düsseldorf zum Begriff der Verfügungsmacht bei der Betriebsstättenbegründung, ISR 2016, 391; Holler/Heerspink, Betriebstättenbegründung durch Errichtung eines Verkaufsservers im Internet?, BB 1998, 771; Kahlenberg, Einwirkung abkommensrechtlicher Begriffsbestimmungen auf innerstaatliches Steuerrecht – Rechtsprechung kompakt zu BFH v. 20.07.2016, ISR 2016, 424; Kessler/Peter, Weiterentwicklung des Betriebsstättenprinzips, BB 2000, 1545; Kirchhof, 40 Jahre Umsatzsteuer – Eine Steuer im Umbruch, 2008, 1; Kollruss, Betriebsstättenlose Unternehmensgewinne im DBA-Recht?, StuW 2017, 82; Kramer, Die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004, 672; Kramer, Die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004, 672, 677; Mittermüller, Schwimmende Arbeitsgeräte als ausländische Betriebstätten, RIW 1982, 813; Monfort, Neue Definition der festen Niederlassung? – Repräsentationsbüros, Call-Center und Ähnliches, UR 2012, 341; Paus, Besteuerung von „kleinen“Arbeitsgemeinschaften, FR 1998, 994; Reimer, Die Zukunft der Dienstleistungsbetriebstätte, IStR 2009, 378; Rosenberger/Vitali/Ziehr, Die Dienstleistungsbetriebsstätte: Internationale Entwicklungen und ihre Rezeption im Internationalen Steuerrecht Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, IStR 2010, Beihefter 18/2010, 3; Schieber, Betriebsstättenbegründung durch Montageüberwachung, IStR 1994, 521; Schröder, Betriebsstätten im Ausland, DB 1964, 1567; Schröder, Neues DBA mit Großbritannien unterzeichnet, IStR-LB 2010, 38; SchulzTrieglaff, Feste Einrichtung einer internationalen Organisation, Aufteilung von Steuersubstrat und Rückfall des Besteuerungsrechtes, ISR 2014, 90; Tappe, Steuerliche Betriebsstätten in der „Cloud“ – Neuere technische Entwicklungen im Bereich E-Commerce als Herausforderung für den ertragsteuerlichen Betriebsstättenbegriff, IStR 2011, 870; Töben, Floating Income und andere Missverständnisse, IStR 2017, 942; Wassermeyer, Stellungnahme zu dem vorstehenden Beitrag von Kramer über die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004, 676; Wassermeyer, Über Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 OECD-MA, IStR 2010, 37; Weissenborn, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, BB 1959, 951; Wiater/Bosch, National bestimmbare Steuerentstrickung unternehmerischer Erträge durch Nutzung des Internets, IStR 1998, 757.

I. Regelungszweck Definition des Grundtatbestands. Abs. 1 enthält die abkommensrechtliche Definition des Grundtat- 41 bestands der „Betriebsstätte“ i.S.d. Art. 5 in Form einer festen Geschäftseinrichtung, durch die ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise ausübt. Die dort genannten Tatbestandselemente bilden den gedanklichen Ausgangspunkt für alle Tatbestände der Norm. Dies gilt insbesondere auch für die positiven Regelbeispiele des Abs. 21 und die negativen Abgrenzungsbeispiele des Abs. 4. Darüber hinaus prägen die Tatbestandselemente des Abs. 1 auch die Alternativtatbestände der Bau- und Montage- (Abs. 3) oder Vertreterbetriebsstätte (Abs. 5 und 6), sofern diese nicht ausdrücklich abbedungen sind. So ist Geschäftseinrichtungs- (s. Rz. 56), Bau- und Montage (s. Rz. 124) und Vertreterbetriebsstätte (s. Rz. 151 ff.) eine zeitliche Mindestdauer gemeinsam. Weiterhin findet sich die für den Grundtatbestand notwendige Sachherrschaft (s. Rz. 60) im Abhängigkeitserfordernis des Vertreters (s. Rz. 156) wieder. Eigenständige Definition. Durch die Formulierung „Im Sinne dieses Abkommens …“ stellt Art. 5 Abs. 1 42 klar, dass die Frage, ob eine Betriebsstätte i.S.d. OECD-MA gegeben ist, nach den Maßstäben des Abkommensrechts zu ermitteln ist. Daher sind bei der Anwendung des Art. 5 die allgemeinen Grundsätze zur Auslegung von DBA bzw. der hierzu ergangenen Transformationsgesetze zu beachten.2 Neben dem Wortlaut des Abkommenstextes nehmen Gesetzgeber3 und die Finanzverwaltung4 bei der Auslegung zunehmend besondere Rücksicht auf die Äußerungen des OECD-MK und zwar auch dann, wenn das konkrete DBA schon vor der Veröffentlichung der jeweiligen Kommentarstelle verabschiedet wurde. Die Rspr. steht dieser Sichtweise skeptisch gegenüber (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 105).5 Für die tägliche Praxis gewinnt damit aber der OECD-MK an Bedeutung. In Einzelfällen ist er sogar als verbindliche Auslegungsrichtlinie im DBA vereinbart.6 Darüber hinaus kann zur Auslegung des DBA auch auf das innerstaatliche Recht zurück gegriffen werden, sofern die autonome Auslegung des Abkommenstextes und OECD-MK zu keinem Ergebnis führt (vgl. Art. 3 Rz. 66 ff.). Abs. 1 enthält eine allgemeine Definition des Ausdrucks Betriebsstätte, die die wesentlichen Merkmale einer Betriebsstätte i.S.d. Abkommens hervorhebt. Inhaltlich verlangt der Grundtatbestand des Art. 5 das Vorhandensein 1. eines Unternehmens (s.u. Rz. 45 ff.), 2. einer Geschäftseinrichtung (s.u. Rz. 48), 3. die fest ist (s.u. Rz. 50), 1 So auch Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 37; a.A. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 4. Zur Begründung s. Rz. 87. 2 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 9. 3 Vgl. BT-Drucks. 16/2712, 61. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 9. 5 Vgl. BFH v. 19.5.2009 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. 6 Vgl. DBA-Österreich, Rz. 16 Schlussprotokoll.

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Art. 5 (2014) Rz. 42

Betriebstätte

4. die ganz oder teilweise der Ausübung der Geschäftstätigkeit (des Unternehmens) im betreffenden Staat dient (s.u. Rz. 70) und 5. eines inneren Zusammenhangs („… durch die …“) zwischen der Geschäftstätigkeit und der festen Geschäftseinrichtung des Unternehmens (s.u. Rz. 71 und Art. 5 Rz. 20 OECD-MK 2017).1 Nur wenn alle fünf Tatbestandselemente kumulativ erfüllt sind, liegt eine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1 vor. Dies gilt auch für die in Abs. 2 genannten Beispiele typischer Betriebsstätten (vgl. Art. 5 Rz. 45 OECD-MK 2017).2 43

Abgrenzung zu § 12 Satz 1 AO. Ebenso wie in Art. 5 für Zwecke des DBA wird in § 12 AO für das nationale Recht der gem. § 1 AO grundsätzlich anzuwendende Begriff der Betriebsstätte definiert. Der innerstaatliche Betriebsstättenbegriff in Form der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte gem. § 12 Satz 1 AO verlangt das Vorhandensein 1. eines Unternehmens, 2. einer Geschäftseinrichtung oder Anlage, 3. die fest ist und 4. die der Tätigkeit des Unternehmens dient3. Deckungsgleichheit zwischen innerstaatlichem Recht und Abkommensrecht besteht insoweit hinsichtlich den Tatbestandsvoraussetzungen der unternehmerischen Tätigkeit, der Geschäftseinrichtung und deren Festigkeit. Während aber in der Geschäftseinrichtung i.S.d. Art. 5 in Folge der Konkretisierung in Abs. 2 und Abs. 4 die Haupttätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt werden muss, d.h. regelmäßig werbend am örtlichen Marktgeschehen teilgenommen werden muss oder im Übrigen in der Geschäftseinrichtung ein wesentliche Leistungsbeitrag zur unternehmensinternen Wertschöpfung z.B. in Form von Forschung und Entwicklung betrieben werden muss4, genügt es für die Annahme einer Betriebsstätte gem. § 12 AO, wenn die Geschäftseinrichtung dem Unternehmen lediglich dient, d.h. für das Unterhemen nützlich ist.

44

Änderungen des Abs. 1 durch das MLI, OECD-MA (2017). Der Tatbestand des Abs. 1 wird durch das MLI bzw. das OECD-MA (2017) nicht verändert. Die Kommentierung zu Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (2014) gilt weiterhin.

II. Unternehmen 45

Unternehmen. Tatbestandsmäßig knüpft Art. 5 an das Vorhandensein eines Unternehmens an (vgl. hierzu ausführlich Art. 3 Rz. 28 ff. und Art. 7 (2008) Rz. 51 ff.). Denn nur wenn die feste Geschäftseinrichtung eine solche des Unternehmens ist, wird sie zur Betriebsstätte. Eine Betriebsstätte außerhalb von Unternehmensgewinnen ist daher nicht denkbar. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. c bezieht sich der Ausdruck „Unternehmen“ auf die Ausübung einer Geschäftstätigkeit. Diese inhaltsarme Formulierung5 trägt dem grundlegenden Verständnis der OECD-Mitgliedsstaaten Rechnung, dass die Frage, ob eine Tätigkeit im Rahmen eines Unternehmens ausgeübt wird oder an sich schon ein Unternehmen darstellt, gem. Art. 3 Abs. 2 nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten zu beurteilen ist (vgl. Art. 5 Rz. 10 OECD-MK 2017). Das OECD-MA selbst definiert nur den Rahmen für die nationale Interpretation, indem es bestimmt, dass der Ausdruck „Unternehmen“ sich auf die Ausübung einer Geschäftstätigkeit bezieht. Da der Ausdruck „Geschäftstätigkeit“ ausdrücklich so definiert ist, dass er auch freiberufliche Dienstleistungen und andere selbständige Tätigkeiten ähnlicher Art umfasst, ist klargestellt, dass freiberufliche Dienstleistungen oder andere selbständige Tätigkeiten ähnlicher Art als Unternehmenstätigkeiten angesehen werden müssen, unabhängig von der Bedeutung, den dieser Ausdruck nach innerstaatlichem Recht hat (vgl. Art. 5 Rz. 2 OECD-MK 2017). Gemäß Art. 3 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG, § 14 Satz 3 AO ist damit entscheidend, ob die maßgebliche Tätigkeit selbständig nachhaltig und mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, und dabei über eine private Vermögensverwaltung hinausgeht (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 51 ff., insbes. Rz. 53).6 Übt die Person andere Tätigkeiten, wie z.B. unselbständige Tätigkeiten oder Vermögensverwaltung aus, sind daher die Einkünfte allein auf Basis der jeweiligen Verteilungsnormen den beteiligten Staaten zuzuordnen. Auf die nationale Einordnung der Einkünfte als 1 2 3 4 5 6

Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 10. A.A. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 29; s.u. Rz. 87. Vgl. Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 19. Vgl. Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 41. Vgl. Vogel in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 40. Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1220; v. 4.5.2011 – II R 51/09, DStRE 2011, 1004; FG Köln v. 13.11.2008 – 15 K 2900/05, EFG 2009, 1819; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.1.

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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1)

Rz. 48 Art. 5 (2014)

zwingend gewerbliche (z.B. wegen Bestehens einer Betriebsaufspaltung1 (s. Rz. 183 und Art. 7 (2008) Rz. 57 oder gem. § 8 Abs. 2 KStG) kommt es insoweit nicht an. Bei Personengesellschaften wurde dies von der Verwaltung2 bis 20143 teilweise anders gesehen (s. Rz. 76 und Art. 7 (2008) Rz. 55 f.). Reichweite des Unternehmens. Ob eine Person nur ein oder aber mehrere Unternehmen betreiben kann, lässt das DBA ebenso weitgehend offen wie die Frage, was eine unternehmerische Tätigkeit ist (s. Rz. 45). Deswegen ist gem. Art. 3 Abs. 2 auch insoweit auf die nationalen Regelungen des § 15 Abs. 2 EStG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG zurück zu greifen (vgl. aber Art. 7 (2008) Rz. 52 ff., insbes. Rz. 65).4 Hiernach setzt die Annahme eines Gewerbebetriebs neben der persönlichen Selbständigkeit des Unternehmers auch die sachliche Selbständigkeit des Betriebs voraus. Eine solche kann auch gegeben sein, wenn die Tätigkeiten von derselben Person betrieben werden.5 Sachlich selbständig ist ein Unternehmen, wenn es für sich eine wirtschaftliche Einheit bildet, also nicht ein unselbständiger Teil eines anderen Unternehmens oder eines Gesamtunternehmens ist (R 2.1 (1) GewStR 2009). Entscheidend für diese Frage ist die Verkehrsanschauung (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BewG). Grundsätzlich ist dabei von sachlicher Selbständigkeit auszugehen, wenn die zu beurteilenden Einheiten wesensfremd sind. Umgekehrt bilden verschiedene örtliche Einheiten ein großes Ganzes, wenn sie gleichartig sind, d.h. sachlich, wirtschaftlich finanziell oder organisatorisch innerlich zusammenhängen (R 2.4 (2) GewStR 2009).6 Deshalb sind z.B. Forschungs-, Produktions-, Vertriebs- und Leitungseinheiten derselben Person auch dann als Einheit zu sehen7, wenn sie an verschiedenen Standorten verschiedene Beiträge in einer Wertschöpfungskette erbringen. Für die Frage der Zusammengehörigkeit von unternehmerischen Tätigkeiten und festen Geschäftseinrichtungen ist daher nicht der Ort, sondern der innere Zusammenhang entscheidend.8 Dies bringt allein schon die Existenz des Betriebsstättenbegriffs zum Ausdruck, dessen Funktion es ist, eine vom Ort des Unternehmers abweichende Tätigkeit dem Unternehmen zuzuordnen.

46

Abgrenzung zu § 12 Satz 1 AO. Ebenso wie bei Art. 5 Abs. 1 muss die Tätigkeit i.S.d. § 12 Satz 1 AO eine unternehmerische sein. Insofern gelten die o.g. Regeln (s. Rz. 45).

47

III. Geschäftseinrichtung Körperlicher Gegenstand (place of business). Typischerweise umfasst der Ausdruck „Geschäftseinrich- 48 tung“ Räumlichkeiten, Einrichtungen und Anlagen (vgl. Art. 5 Rz. 10 OECD-MK 2017), m.a.W. eine Sachgesamtheit körperlicher Gegenstände, die dem Unternehmen dienen.9 Seinem Wesen nach ist der Begriff aber weiter. Unter Umständen kann daher auch ein einzelner körperlicher Gegenstand, wie etwa ein Computerserver (s.u. Rz. 196) die Betriebsstätte bilden.10 Ebenso kommen Flächen bzw. Bezirke für eine Geschäftseinrichtung in Betracht.11 Hingegen sind reine Rechtspositionen, wie etwa Beteiligungen an Körperschaften, Forderungen oder andere Immaterialgüterrechte (Patente, Software etc.) ausgeschlossen,12 da sie nicht körperlicher Art sind. Aus diesem Grund können auch registergerichtliche Eintragungen, z.B. des Sitzes einer Gesellschaft, reine Postanschriften,13 Bankkonten14 oder eine Website15 keine Betriebsstätte begründen. Im Kern dient das Tatbestandsmerkmal „Geschäftseinrichtung“ damit dem Ausschluss immaterieller Zustände und Positionen, so dass dem Grunde nach jeder körperliche Gegenstand – unabhängig von seiner Größe – geeignet ist, Geschäftseinrichtung zu sein.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, DStR 2011, 1553. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354 Rz. 3.1. Nunmehr BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1. Ebenso Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 16a, einschränkend Wassermeyer, IStR 2010, 37 (38). BFH v. 1.12.1960 – IV 353/60 U, BStBl. III 1961, 65; v. 14.9.1965 – I 64/63 U, BStBl. III 1965, 656. BFH v. 20.4.1961 – IV 18/59 U, BStBl. III1961, 314; v. 24.11.1978 – III R 121/76, BStBl. II1979, 366; v. 17.3.1981 – VIII R 149/76, BStBl. II 1981, 746; v. 19.11.1985 – VIII R 310/83, BStBl. II 1986, 719. FG Berlin-Brandenburg v. 11.3.2010 – 13 K 324/06, EFG 2010, 1148; FG BaWü. v. 14.8.1997 – 6 K 131/95, DStRE 1998, 59. Eisele in Rössler/Troll16, § 95 BewG Rz. 6. Vgl. Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, 30. Vgl. RFH v. 30.4.1935 – I A 13/35, RStBl. 1935, 840. Vgl. BFH v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 13. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 30. Vgl. BFH v. 7.6.1966 – I B 124/64, BStBl. III 1966, 548. Vgl. Wiater/Bosch, IStR 1998, 757 (758).

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Art. 5 (2014) Rz. 49 49

Betriebstätte

Abgrenzung zur Anlage gem. § 12 AO. Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 1 nennt § 12 Satz 1 AO neben der Geschäftseinrichtung auch die Anlage. Dennoch besteht zwischen den Begrifflichkeiten kein sachlicher Unterschied. Denn auch Anlagen sind körperliche Gegenstände und damit Geschäftseinrichtungen.1 Inhaltlich haben diese aber einen eher technischen Charakter. So fallen unter den Ausdruck Anlage insbesondere Maschinen, Bergwerke,2 aber auch unterirdische Transportleitungen.3

IV. Festigkeit 1. Allgemeines 50

Relevanz der Festigkeit. Das eigentlich charakterisierende Tatbestandsmerkmal der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte ist deren Festigkeit. Denn erst sie ermöglicht es, durch die Geschäftseinrichtung den Normzweck des Ortsbezugs (s. Rz. 8) herzustellen. Hierzu definiert der Begriff der Festigkeit die Unterschwelle für das Besteuerungsrecht des Quellenstaates. Als solche verlangt sie eine gewisse Intensität der Beziehung zwischen Unternehmer und Geschäftseinrichtung. Diese wiederum umfasst eine örtliche, zeitliche und persönliche Komponente. Vom Ergebnis entspricht dies der h.M.,4 der allerdings teilweise vorgehalten wird, die persönliche Komponente in Form einer tatsächlichen Sachherrschaft (s.u. Rz. 60 ff.) ließe sich nicht aus dem Wortlaut ableiten.5 Übersehen wird dabei allerdings, dass die Tatbestandselemente der örtlichen und zeitlichen Festigkeit lediglich das Steuerobjekt „Geschäftseinrichtung“ konkretisieren, nicht aber die Beziehung zwischen dem Steuersubjekt „Unternehmer“ und der Geschäftseinrichtung herstellen. Genau diese ist aber für die steuerliche Inanspruchnahme des Unternehmers durch den Quellenstaat erforderlich. Denn anderenfalls könnte jede orts- und zeitfeste Einrichtung, auch wenn sie vom Unternehmer nur gelegentlich genutzt wird, ein Besteuerungsrecht des Quellenstaats auslösen. Daher bedarf es einer weiteren persönlichen Komponente in Form einer nicht ohne weiteres entziehbaren Sachherrschaftsposition des Unternehmers über die Geschäftseinrichtung als Maßstab für die persönliche Festigkeit der Beziehung (s.u. Rz. 60). Im Ergebnis ist daher nur von einer Betriebsstätte auszugehen, wenn alle drei Elemente kumulativ erfüllt sind. Nur dann wird die Geschäftseinrichtung zu einer „festen“. 2. Örtliche Festigkeit

51

Ortsfestigkeit. Die Geschäftseinrichtung muss ortsfest sein. Ausreichend ist die Beziehung zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche.6 Eine mechanisch feste Verbindung ist nicht erforderlich. Die Geschäftseinrichtung braucht also nicht festgemauert, festgeschraubt oder einbetoniert zu sein.7 Regelmäßig setzt dies eine Berührung mit der Erdoberfläche voraus; zwingend ist dies jedoch nicht.8 So können z.B. auch Schiffe, sofern sie an einem bestimmten Liegeplatz festgemacht sind – z.B. ein Restaurantschiff –, ortsfest sein.9 Gleiches gilt für geostationäre Satelliten (s. Rz. 215). Die Geschäftseinrichtung kann sich auch unterhalb der Erdoberfläche befinden, wie z.B. ein Bergwerk (vgl. Art. 5 Rz. 23 OECD-MK 2017).10 Eine absolute örtliche Festigkeit ist jedoch nicht erforderlich. Es genügt eine gewisse Verwurzelung (s. Rz. 54).

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Zusammenfassung von Geschäftseinrichtungen. Fraglich ist, ob jede örtliche Trennung von Geschäftseinrichtungen stets eine isolierte Behandlung nach sich ziehen muss11 oder ob mehrere Geschäftseinrichtun1 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 31; Drüen in T/K § 12 AO Rz. 4; Buciek in Beermann/ Gosch, § 12 AO Rz. 8. 2 Vgl. RFH v. 20.2.1935 – I A 218/34, RStBl. 1935, 572. 3 Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. 4 BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317; v. 9.3.1962 – I B 156/58 S, BStBl. III 1962, 227; v. 16.8.1962 – I B 223/61, BStBl. III 1962, 477; v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; v. 29.4.1987 – I R 118/83, BFH/ NV 1988, 122; v. 8.3.1989 – VIII R 270/91, BFH/NV 1989, 735; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 4.6.2008 – I R 30/07, IStR 2008, 702; Drüen in T/K § 12 AO Rz. 11; Mersmann, Ertragsbesteuerung, 40; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, 31, 32; Storck, Ausländische Betriebsstätten, S. 135 ff.; Züger in Gassner/Lang/Lechner, Wien 1998, S. 31 ff. (43). 5 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 42. 6 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 14. 7 Vgl. BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203; ebenso Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 8. 8 Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.1; a.A. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 37. 9 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 14; offenlassend BFH v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201. 10 Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. 11 Vgl. FG Düsseldorf v. 14.9.1990 – 10 K 580/85 G, EFG 1991, 290, rkr.; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 37.

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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1)

Rz. 54 Art. 5 (2014)

gen dann zu einer einheitlichen Betriebsstätte zusammengefasst werden können, wenn zwischen ihnen ein funktionaler Zusammenhang in technischer, organisatorischer und/oder wirtschaftlicher Hinsicht besteht.1 Für eine isolierte Betrachtung jeder einzelnen Einrichtung spricht der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1, der nur von der Geschäftseinrichtung spricht. Hierfür spricht auch der Vergleich des – insoweit mit Art. 5 Abs. 1 deckungsgleichen – Grundtatbestands des § 12 Satz 1 AO mit dessen Begriffserweiterungen in Satz 2, insbesondere den im Grundtatbestand nicht vorgesehenen Additionsmöglichkeiten verschiedener Bauausführungen gem. § 12 Satz 2 Nr. 8 AO.2 Folgte man diesem Ansatz, müssten aber z.B. die Aufwendungen für einen getrennten Lagerplatz als Aufwendungen einer „Hilfsbetriebsstätte“ i.S.v. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a auch dann im Ansässigkeitsstaat berücksichtigt werden, wenn sich der Lagerplatz für die von der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte vertriebenen Wirtschaftsgüter lediglich auf einer gesonderten Flurnummer auf der anderen Straßenseite befindet. Dies hätte zur Folge, dass jede Aufteilung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten auf verschiedene feste Geschäftseinrichtungen innerhalb des Quellenstaats zwingend eine getrennte Beurteilung inkl. ggf. abweichender Zuteilung von Besteuerungsrechten nach sich zöge. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck des Abkommensrechts, das im Ergebnis dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht für die Einkünfte zuweisen möchte, die am örtlichen Markt unter örtlich verfestigter Teilnahme erwirtschaftet wurden.3 Umgekehrt darf aber nicht jeder wirtschaftliche Zusammenhang zu einer Zusammenfassung von ortsverschiedenen Geschäftseinrichtungen desselben Hoheitsgebiets führen, da anderenfalls der von Gesetzes wegen geforderte Ortsbezug verloren ginge. Um diesen Widerspruch zu lösen, ist der Grundsatz der örtlichen Isolierung von Geschäftseinrichtungen teleologisch dahingehend einzuschränken, dass verschiedene Tätigkeiten und/oder Geschäftseinrichtungen ausnahmsweise zusammenzufassen sind, wenn sich die einzelnen Tätigkeiten und Einrichtungen in einem Bereich befinden, der eine wirtschaftliche und geographische Einheit bildet (vgl. Art. 5 Rz. 22 OECD-MK 2017). Wirtschaftliche Einheit. Wann eine wirtschaftliche Einheit vorliegt, lässt sich dem OECD-MA selbst nicht entnehmen (siehe auch oben Rz. 46). Allerdings geht Art. 5 Rz. 27.1 OECD-MK (2014) von einer wirtschaftlichen/organisatorischen Einheit aus, wenn die verschiedenen Geschäftseinrichtungen sich ergänzende Funktionen in einem Vertragsstaat ausüben, wie z.B. Annahme und Lagerung von Gütern in einer Geschäftseinrichtung, Vertrieb dieser Güter durch eine andere usw. Denn ein Unternehmen soll nicht eine einheitliche Geschäftstätigkeit in mehrere kleine Tätigkeiten aufspalten können, um geltend zu machen, dass jede nur vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt. Diese Sichtweise deckt sich mit dem nationalen Recht, nach dem verschiedene Betriebe/Geschäftseinrichtungen eine wirtschaftliche Einheit bilden, wenn diese gleichartig sind und deren wirtschaftliche Beziehungen über die einzelne Geschäftseinrichtung hinausgehen.4 Dabei sind Betriebe als gleichartig anzusehen, wenn sie sachlich, insbesondere wirtschaftlich, finanziell oder organisatorisch innerlich zusammenhängen (R 2.4 (2) GewStR 2009). Diese Sichtweise wurde in Art. 5 Rz. 74 OECD-MK (2017) aufgegeben. Vor dem Hintergrund der neu eingeführten Antifragmentierungsregel in Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA (2017) können verschiedene Geschäftseinrichtungen außerhalb der Missbrauchsvorschrift nicht mehr zusammengefasst werden. Für Deutschland als Anwendestaat ist diese Sichtweise unbeachtlich, da Deutschland die Anwendung der Norm in Form des Art. 13 Abs. 4 MLI abgelehnt hat (s. Art. 5 (2017) Rz. 77)

53

Geographische Einheit und Verwurzelung. Von einer geographischen Einheit ist nach den Vorstellungen 54 der OECD auszugehen, wenn die verschiedenen Geschäftseinrichtungen geographisch ein Ganzes bilden (vgl. Art. 5 Rz. 24 f. OECD-MK 2017). Nach den Vorstellungen der Rspr.5 ist es für den Ortsbezug ausreichend, wenn der Steuerpflichtige mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit gewissermaßen „verwurzelt“ ist. Davon ist z.B. auszugehen, wenn die Tätigkeit von wechselnden Räumen innerhalb eines Gebäudes ausgeübt wird.6 Nichts anderes gilt für die Nutzung einer definierten Speicherkapazität (vgl. Rz. 187) in einem Serverpark oder für einen geostationären Satelliten (vgl. Rz. 215). Diese Wertung entspricht den Vorstellungen der OECD, die beispielsweise ein „Bürohotel“ (vgl. Rz. 186), in dem ein Beratungsunternehmen regelmäßig verschiedene Büros mietet, als eine einzige Geschäftseinrichtung dieses Beratungsunternehmens ansieht; in diesem Fall bilde das Gebäude ein geographisches Ganzes und das Hotel 1 Vgl. Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, 30; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften: Ein Beitrag zum internationalen Steuerrecht, 1966, 31; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, Frankfurt/Main 1980, 164. 2 Vgl. FG Düsseldorf v. 14.9.1990 – 10 K 580/85 G, EFG 1991, 290, rkr. 3 Vgl. auch Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.17. 4 FG Berlin-Brandenburg v. 11.3.2010 – 13 K 324/06, EFG 2010, 1148; FG BaWü. v. 14.8.1997 – 6 K 131/95, DStRE 1998, 59. 5 Vgl. BFH v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008, 922. 6 Vgl. BFH v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462.

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Art. 5 (2014) Rz. 54

Betriebstätte

ist eine einzige Geschäftseinrichtung des Beratungsunternehmens (vgl. Art. 5 Rz. 23 OECD-MK 2017). Fraglich ist aber, welchen räumlichen Außenumfang der Bereich haben darf, innerhalb dessen sich die örtlich wechselnden Geschäftseinrichtungen befinden. Der OECD-MK zu Art. 5 sieht etwa eine Fußgängerstraße, einen Marktplatz oder ein Messegelände, wo ein Händler regelmäßig an unterschiedlichen Stellen seinen Stand errichtet, noch als eine einzige Geschäftseinrichtung dieses Händlers an (vgl. Art. 5 Rz. 23 OECD-MK 2017). Wo allerdings im Einzelfall die Grenze zu ziehen ist, ist Tatfrage. M.E. verhalten sich dabei Größe des Unternehmens im Quellenstaat und räumliche Ausdehnung proportional, d.h. je größer das Unternehmen vor Ort ist, desto größer kann auch die noch als Einheit zu beurteilende räumliche Ausdehnung sein. 55

Abgrenzung zu § 12 AO. In Hinblick auf die Ortsfestigkeit bestehen keine Unterschiede zwischen § 12 AO und Art. 5. Daher sind die Fragen nach der Zusammenfassung von Geschäftseinrichtungen, der wirtschaftlichen und geographischen Einheit für § 12 AO entsprechend zu beantworten (s.o. Rz. 51–54). 3. Zeitliche Festigkeit

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Zeitfestigkeit (Ständigkeit und Dauerhaftigkeit). Schließlich muss die Geschäftseinrichtung neben der personen- und ortsbezogenen Festigkeit die zeitliche Komponente erfüllen. Diese bezieht sich nicht nur auf die sachbezogenen Merkmale der Geschäftseinrichtung, sondern zugleich auf die Dauer der Unternehmenstätigkeit in der festen Geschäftseinrichtung.1 Eine ausdrückliche Frist wie in Art. 5 Abs. 3 enthält Art. 5 Abs. 1 nicht. Die Bestimmung zu den Bauausführungen kann aber nicht dahin ausgelegt werden, dass Geschäftseinrichtungen allgemein nur dann als „ständig“ anzusehen seien, wenn sie mindestens zwölf Monate bestanden haben. Aus ihr ist im Gegenteil zu folgern, dass, wo nicht eine Bauausführung oder Montage vorliegt, eine Einrichtung auch dann „fest“ im Sinne der erforderlichen zeitlichen Dauer sein kann, wenn sie für weniger als zwölf Monate geplant ist und die durch sie ausgeübte Geschäftstätigkeit ihrer Art nach kurzfristig ist.2 In Teilen der Rspr.3 und Literatur4 wird diese Frist jedoch als praktikabler Orientierungswert für die Mindestfrist angesehen. Nach h.M. ist indes von einer Mindestfrist von sechs Monaten auszugehen.5 Diese Betrachtung deckt sich mit den grundsätzlichen Vorstellungen der OECD. Ihres Erachtens sollen aber auch Tätigkeiten von weniger als 6 Monaten „fest“ sein können (vgl. Art. 5 Rz. 28 OECD-MK 2017). Von dieser Unterschreitung hat sich allerdings Deutschland im OECD-MK distanziert (vgl. Art. 5 Rz. 180 OECD-MK 2017). Nur kurzzeitige einmalige Beziehungen zu einem bestimmten Ort genügen nicht.6 Dies gilt selbst dann, wenn der Steuerpflichtige die Absicht hatte, ständig tätig zu werden.7

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OECD-MK (2017). Auch die Neufassung des OECD-MK (2017) zu Art. 5 lässt eine zeitliche Untergrenze im Hinblick auf die Zeitfestigkeit einer Betriebsstätte vermissen.8 Vielmehr wird von der OECD klargestellt, dass auch wiederkehrende Tätigkeiten von sehr kurzer Dauer insgesamt zu einer nachhaltigen Tätigkeit führen können.9 Nimmt daher etwa ein Unternehmer aufeinanderfolgend in fünfzehn Jahren für jeweils fünf Wochen im Jahr an einer Messe teil, und mietet er dazu einen Messestand an, begründet er nach Ansicht der OECD eine Betriebsstätte, obgleich zusammenhängend kein länger andauernder Aufenthalt von über sechs Monaten im Quellenstaat vorliegt. Im Übrigen können auch kurzfristige, jedoch exklusiv in einem Quellenstaat ausgeübte Tätigkeiten eine Betriebsstätte begründen. Dies sei z.B. dann der Fall, wenn ein Unternehmer für die Dauer von Dreharbeiten eine kleine Kantine exklusiv über vier Monate in einem Vertragsstaat betreibt, ohne weitere gewerbliche Tätigkeiten in diesem Vertragsstaat auszuüben (Art. 5 Rz. 30 OECD-MK 2017).

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Unterbrechungen. Die Mindestfrist bedeutet aber nicht, dass die Beziehung während ihrer gesamten Dauer ununterbrochen bestehen muss. So reicht es aus, wenn die örtlich feste Geschäftseinrichtung regelmäßig für eine bestimmte Zeit genutzt wird. Typische Beispiele hierfür sind Marktstände auf einem Wochenmarkt,10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 25. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 19. Vgl. FG Köln v. 20.3.2002 – 10 K 5152/97, EFG 2002, 765. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 19. Vgl. BFH v. 19.5.1993 – I R 80/92, BStBl. II 1993, 655; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.1; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 37a; Eckl, IStR 2009, 510; Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (497). Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396. A.A. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 25. Zum OECD-MA 2010 vgl. Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (497). Vgl. Art. 5 Rz. 29 OECD-MK (2017). Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396; v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734; v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203.

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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1)

Rz. 61 Art. 5 (2014)

oder aber auch das Bürohotel, das regelmäßig wiederkehrend genutzt wird (vgl. Art. 5 Rz. 23 OECD-MK 2017). Erfolgt in diesen Fällen die regelmäßige Nutzung mindestens in einem Veranlagungszeitraum mehrmals,1 kann in der Praxis für die Frage nach der Ständigkeit auf den Zeitraum von der ersten bis zur letzten Nutzung zurückgegriffen werden. Dies ist typischerweise der Fall bei Saisonbetrieben (z.B. einer Eisdiele in einem Badeort oder einem Skigeschäft in einer Wintersportgemeinde), die außerhalb der Saison geschlossen sind oder nur für die Saison angemietet werden. Denn derartige Ladenlokale werden in der Regel mehrere Monate lang – wenn auch nicht immer mehr als die Hälfte des Jahres – ohne Unterbrechung von den betreffenden Betrieben genutzt. Bei einem nur vier Kalenderwochen auf einem Weihnachtsmarkt stehenden Verkaufsstand ist der Ortsbezug nur vorübergehender Natur.2 Dies gilt i.d.R. für sämtliche umherziehenden Unternehmen mit Geschäftseinrichtungen wie etwa Zirkuszelten, Eisständen, Jahrmarktständen.3 Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, m.a.W. wird die Geschäftseinrichtung dauerhaft nur einmal pro Veranlagungszeitraum genutzt, muss die einzelne Anwesenheit nach den Vorstellungen der Rspr.4 stets eine gewisse Mindestzeit pro Veranlagungszeitraum überschreiten. Diese Betrachtungsweise hat sich Deutschland für die praktische Anwendung seiner DBA vorbehalten (vgl. Art. 5 Rz. 179 OECD-MK 2017). Abgrenzung zu § 12 AO. In Hinblick auf die Zeitfestigkeit bestehen keine Unterschiede zwischen § 12 AO 59 und Art. 5. Auch für die Geschäftseinrichtung i.S.v. § 12 Satz 1 AO gilt die 6 Monatsfrist als Anhaltspunkt.5 Im nationalen Recht lässt sich diese Frist allerdings – Im Unterschied zum OECD-MA – aus dem Fristerfordernis für eine Baubetriebsstätte (§ 12 Satz 2 Nr. 8 AO) ableiten.6 4. Persönliche Festigkeit (Sachherrschaft) Persönliche Festigkeit. Damit die Geschäftseinrichtung zur Betriebsstätte werden kann, muss die Tätigkeit des Unternehmens „durch“ die „feste“ Geschäftseinrichtung ausgeübt werden (Art. 5 Abs. 1). „Unternehmen eines Vertragsstaats“ i.S.d. Art. 7 Abs. 1 ist aber nicht das Steuerobjekt in Form des Betriebs, sondern das Steuersubjekt „Unternehmer“, d.h. die Person die das Unternehmen betreibt (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d). Hingegen ist die „Betriebsstätte“ bloßes Steuerobjekt, das zur Abgrenzung eines Teils des gesamten Unternehmensgewinns dient (vgl. Rz. 3). Um aber den Betriebsstättengewinn aus dem Gesamtgewinn des Unternehmers ausgrenzen zu können, muss zunächst das Steuerobjekt „Betriebsstätte“ dem Steuersubjekt „Unternehmer“ zuzurechnen sein (i.W.: Personenbezug).7 Hierzu bedarf es einer „Nähebeziehung“ zwischen Unternehmer und Betriebsstätte. Dass dieser Personenbezug nicht nur vorübergehend bestehen, d.h. nicht ohne weiteres entziehbar sein darf, ergibt sich aus dem Wort „fest“.

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Verfügungsmacht (Personenbezug). Streitig ist, welche Kriterien für den Personenbezug maßgeblich sind, insbesondere ob diese rechtlicher oder auch rein tatsächlicher Natur sind. Nach h.M. setzt die Zurechnung eine gewisse Verfügungsmacht des Unternehmers über die Geschäftseinrichtung voraus.8 Wie schon die einschränkende Formulierung „gewisse“ zum Ausdruck bringt, versteht sie den Begriff „Verfügungsmacht“ nicht im Sinne einer streng zivilrechtlichen Rechtsmacht des Eigentümers bzw. rechtlich Verfügungs- bzw. Nutzungsberechtigten.9 So genüge es, dass dem Nutzenden mit der Überlassung eine Rechtsposition eingeräumt wird, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne weiteres entzogen oder verändert werden kann.10 Dies könne auch bei unentgeltlicher Überlassung gegeben sein.11 Entscheidend sei, dass der Unternehmer einen – wie auch immer gearteten – selbständigen Anspruch auf Zugang zu der Geschäftseinrichtung habe, in der die Tätigkeit des Unternehmens ausgeübt wird.12 Bereits eine allgemeine rechtliche Absicherung ebenso wie eine ständige Nutzungsbefugnis tatsächlicher Art genüge, wenn die Verfügungsmacht nicht be-

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1 Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396. 2 Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396; v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734; v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203. 3 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 37. 4 Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396. 5 Vgl. Drüen in T/K § 12 AO Rz. 10. 6 BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396. 7 Ebenso Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 20. 8 Vgl. Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 11; st. Rspr. seit RFH v. 26.9.1939 – I 272/39, RFHE 47, 257, RStBl. 1939, 1227; BFH v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462; weitere Nachweise bei Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 42. 9 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 21. 10 Vgl. BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983. 11 Vgl. BFH v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512; Nds. FG v. 17.8.2005 – 2 K 319/02, DStRE 2006, 1466; BFH v. 18.3.2009 – III R 2/06, BFH/NV 2009, 1457. 12 Vgl. BFH v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008, 922.

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stritten wird.1 Insoweit könne auch eine faktische Verfügungsmacht ausreichen.2 Für eine solche spricht insbesondere die Identität der handelnden Organe der die Geschäftseinrichtung überlassenden und der dieselbe nutzenden Gesellschaft.3 An diesem Ergebnis ändert auch die Rspr.4 zur Betriebsstättenbegründung bei Vorhandensein rein schuldrechtlicher Vertragsbeziehungen nichts.5 Denn im konkret entschiedenen Einzelfall ergab sich die notwendige Nähebeziehung/Sachherrschaft weniger aus der Vertragsbeziehung (Managementvertrag; s.u. Rz. 206) als aus der tatsächlichen Personenidentität von Berechtigtem (Unternehmer) und Verpflichtetem (= Inhaber der Geschäftseinrichtung).6 Zwar kann bei Lektüre der Entscheidung der Eindruck entstehen, allein schuldrechtliche Beziehungen können zur Begründung der erforderlichen Sachherrschaft ausreichen. Letztlich war dieses Ergebnis jedoch den Besonderheiten des konkret entschiedenen Einzelfalls geschuldet. 62

OECD-MK 2017. In Art. 5 Rz. 12 OECD-MK (2017) hat die OECD die Voraussetzungen für die Zurechnung einer Geschäftseinrichtung weitgehend neu formuliert: Hiernach erfordert die Zurechnung zwar kein formales Recht zum Besitz der Geschäftseinrichtung. Umgekehrt ist die schlichte Anwesenheit an einem bestimmten Ort auch nicht ausreichend. Vielmehr kommt es auf die tatsächliche Macht (effective power) und deren Ausübung an, den Ort wenigstens weilweise für Zwecke der Unternehmensaktivität zu nutzen. Vor diesem Hintergrund begründen von der Rechtsordnung anerkannte Besitzpositionen (Eigentum, Miete Pacht u.Ä.) eine Betriebsstätte, sofern die unternehmerische Tätigkeit dort auch tatsächlich ausgeübt wird. Hierzu genügt auch das Tätigwerden durch Subunternehmer, die dem Unternehmen zuzurechnen sind (Art. 5 Rz. 40 OECD-MK 2017). Umgekehrt begründet eine Geschäftseinrichtung trotz zivilrechtlich anerkannter Besitzposition keine Betriebsstätte, sofern diese tatsächlich nicht über die Mindestdauer für unternehmerische Zwecke genutzt wird. Als ausreichend wird aber die tatsächliche Ausübung an einem Ort über eine bestimmte Mindestdauer angesehen, sofern die Nutzung für eigene Unternehmenszwecke mit Erlaubnis des Berechtigten erfolgt. Als nicht ausreichend wird indes die Nutzung der Geschäftseinrichtung für unternehmensfremde Zwecke, z.B. zum Besuch des Berechtigten, angesehen (s.a. unten Rz. 64).

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Auffassung im Schrifttum. Nach Häck7 ist eine am Zivilrecht orientierte, steuerrechtliche Auslegung vorzugswürdig. Daher komme es nicht auf die Verfügungsmacht, sondern auf die rechtliche oder tatsächliche Sachherrschaft des Unternehmers über die Geschäftseinrichtung an. Hierbei ließen sich weitgehend die zum zivilrechtlichen Besitz, § 854 BGB, bestehenden Auslegungen zur tatsächlichen Sachherrschaft heranziehen. Diese erfordere eine von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Machtbeziehung einer Person zu einer Sache8 unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung.9 Erforderlich sei stets die Möglichkeit, auf die Sache einzuwirken und andere davon auszuschließen. Diese Möglichkeit bestehe immer dann, wenn die Sache einer Person dergestalt räumlich zugänglich ist, dass sie jederzeit auf sie einwirken könne, während der Einwirkungsmöglichkeit anderer Personen Hindernisse entgegenstehen.10 Eine zivilrechtlich anerkannte Rechtsposition sei hierzu nicht erforderlich. Nach Wassermeyer11 ist hingegen für die Zurechnung lediglich entscheidend, dass die unternehmerische Tätigkeit mit Ständigkeit in einer festen Geschäftseinrichtung ausgeübt wird. Dies ergebe sich zum einen aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1, zum anderen drücke der Ausdruck „fest“ nur das Erfordernis einer gewissen Ständigkeit der Geschäftseinrichtung aus. Das eigentliche Schwergewicht müsse deshalb in der Dauer der Geschäftseinrichtung liegen.

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Eigene Auffassung. Soweit allein jedes ständige unternehmerische Tätigwerden in oder an der Geschäftseinrichtung als ausreichend angesehen wird,12 wirkt allein die Tätigkeit des Unternehmers ohne Sachherrschaft über die Geschäftseinrichtung zuordnungsbegründend. Folgt man diesem Ansatz, begründet jede ortsfest und zeitfest erbrachte unternehmerische Dienstleistung eine Betriebsstätte. Auch schlichte Nutzungs- oder Betretungsmöglichkeiten wären hiernach ausreichend.13 Im Ergebnis geht damit der notwendige sachbezogene Ortsbezug der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte verloren. In der Formulierung „durch“ 1 Vgl. BFH v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512; v. 10.11.1998 – I B 80/97, BFH/NV 1999, 665. 2 Vgl. BFH v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154; v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462. 3 BFH v. 23.2.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354; v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209, ISR 2018, 271 m. Anm. Meretzki, FR 2018, 558. 4 BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. 5 Dahingehend aber Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (499); Wassermeyer, IStR 2011, 931. 6 Ebenso Blumers/Weng, DStR 2012, 552 (553). 7 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 21. 8 Vgl. Lorenz in Erman15, § 854 BGB Rz. 16. 9 Vgl. z.B. BGH v. 24.6.1987 – VIII ZR 379/86, NJW 1987, 2812. 10 Vgl. Eckert in Schulze/Dörner/Ebert, § 854 BGB Rz. 4. 11 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 42a. 12 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 41, 42a. 13 Dazu jedoch kritisch Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (495 f.).

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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1)

Rz. 66 Art. 5 (2014)

kommt aber zum Ausdruck, dass ein reines Tätigwerden an der Geschäftseinrichtung nicht ausreicht, m.a.W. dass ein Zurechnungsgrund zwischen Geschäftseinrichtung und dem Unternehmen bestehen muss. Vor diesem Hintergrund verlangt die h.M.1 zu Recht als Zuordnungsgrund wörtlich „Verfügungsmacht“ des Unternehmers über die Geschäftseinrichtung. Hierfür verlangt sie aber nicht zwingend ein zivilrechtlich anerkanntes Recht zum Besitz (z.B. Eigentum oder ein Besitzrecht i.S.v. § 986 BGB), sondern lässt im Einzelfall auch faktische Verfügungsmacht ausreichen. Ohne es ausdrücklich zu nennen, formuliert sie damit als Zuordnungsgrund eine tatsächliche, dauerhafte Sachherrschaft, die von einem entsprechenden Willen getragen ist. Diese Ansicht vertritt nunmehr auch die OECD in Art. 5 Rz. 45 OECD-MK (2017) (s. Rz. 62). Im Ergebnis ist dieser Ansicht zuzustimmen.2 Denn das Steuerrecht knüpft nicht an rechtliche Positionen, sondern tatsächlich verwirklichte Sachverhalte an. Daher ist für die Frage der Zuordnung nur entscheidend, dass die Person neben der dauerhaften Nähebeziehung auch eine tatsächliche Einflussnahmemöglichkeit auf die Geschäftseinrichtung selbst oder auf Dritte in Bezug auf die Geschäftseinrichtung – typischerweise die Möglichkeit andere von der Nutzung der Geschäftseinrichtung auszuschließen – besitzt, die von der Verkehrsauffassung als solche anerkannt wird. Diese Forderung entspricht den zivilrechtlichen Voraussetzungen des Besitzes i.S.v. § 854 BGB3 (s. Rz. 61), weswegen Häcks Präzisierung der h.M. zuzustimmen ist. Sachherrschaft. Besitz wird durch Erlangung der tatsächlichen Gewalt erworben (§ 854 BGB). Unter tatsächlicher Gewalt wird nach zivilrechtlichem Verständnis die Sachbeziehung, die eine tatsächliche Möglichkeit gibt, auf die Sache (Geschäftseinrichtung) einzuwirken und andere von Einwirkungen so auszuschließen, dass sie von der Verkehrsanschauung als unmittelbare Sachherrschaft angesehen wird, verstanden.4 Eine solche Sachherrschaft ist auch anzunehmen, wenn mehrere eine Sache gemeinschaftlich besitzen (Mitbesitz, § 866 BGB),5 jemand einen selbständig beherrschbaren Sachteil an der ganzen Sache besitzt (Teilbesitz, § 865 BGB) oder wechselnd eine Sache für sich allein besitzt.6 Damit kann z.B. ein variierender Schreibtisch in einem Großraumbüro (s. „Unternehmensberatung“ Rz. 220) ebenso wie eine Geschäftseinrichtung in der Betriebsstätte eines anderen Unternehmens7 oder ein Marktstand, der nur einmal pro Woche zur Verfügung steht,8 eine Betriebsstätte begründen. Maßgeblich ist allein die unmittelbare Sachherrschaft. Unbeachtlich ist daher, ob diese für einen anderen (Fremdbesitz) oder sich selbst ausgeübt wird (Eigenbesitz, § 872 BGB). Das Merkmal, das den Besitz zum Eigenbesitz macht, ist der Wille, die Sache „wie ein Eigentümer“ zu beherrschen.9 Sein Ausdruck im Rechtsverkehr ist die Eigentumsbehauptung, der Anspruch, die Sache selbständig und andere Personen ausschließend zu besitzen.10 Ein Recht zum Besitz ist hierfür ebenso wenig erforderlich wie die Überzeugung, Eigentümer zu sein;11 auch ein Dieb kann daher Eigenbesitzer sein. Die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft muss, wie sich aus den Regelungen der §§ 867 und 872 ergibt, von einem entsprechenden Willen des (angehenden) Besitzers getragen sein,12 wobei ein genereller Besitzwille genügt. Dieser Wille ist kein rechtsgeschäftlicher, sondern ein natürlicher Wille, der weder eine rechtsgeschäftliche Äußerung noch Geschäftsfähigkeit voraussetzt.13

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Unmittelbarkeit der Sachherrschaft. Unmittelbarkeit der Sachherrschaft ist gegeben, wenn der Besitzer direkt, d.h. ohne Einwirkung auf andere Personen, Einfluss auf die Sache ausüben kann. Unmittelbare Sachherrschaft liegt aber auch vor, wenn ein Dritter die tatsächliche Gewalt über die Geschäftseinrichtung für den Unternehmer in dessen Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, vermöge dessen der Dritte den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des Unternehmers Folge zu leisten hat (Besitzdiener, § 855 BGB). Wird daher Mitarbeitern des Unternehmers unmittelbare Sachherrschaft über eine Geschäftseinrichtung eingeräumt, wirkt diese als solche für und gegen den Unternehmer. Mittelbarer Besitz i.S.v. § 868 BGB reicht hingegen nicht aus, da in diesen Fällen der Besitzmittler die erforderliche, unmittelbare Sachherrschaft selbst ausübt und er dem Oberbesitzer auf Zeit ein Recht zum Besitz entgegenhalten

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1 Vgl. Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 11; st. Rspr. seit RFH v. 26.9.1939 – I 272/39, RFHE 47, 257, RStBl. 1939, 1227; BFH v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462; weitere Nachweise bei Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 42. 2 Ebenso Art. 5 Rz. 12 OECD-MK 2017, der dies nunmehr ausdrücklich klarstellt. 3 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 21. 4 Vgl. Lorenz in Erman15, § 854 BGB Rz. 2. 5 Vgl. Blumers/Weng, DStR 2012, 551 (553); a.A. OFD Karlsruhe v. 16.9.2014 – S 130.1/316-St 222, IStR 2015, 887. 6 Vgl. Lorenz in Erman15, § 865 BGB Rz. 1. 7 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 22; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 18. 8 Vgl. BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203. 9 Vgl. BGH v. 29.3.1996 – V ZR 326/94, NJW 1993, 1890 (1893); Bund in Staudinger, § 872 BGB Rz. 2. 10 Vgl. BGH v. 29.3.1996 – V ZR 326/94, NJW 1993, 1890 (1893). 11 Vgl. Bund in Staudinger § 872 BGB Rz. 2. 12 Vgl. BGH v. 24.6.1987 – VIII ZR 379/86, NJW 1987, 2812 m.w.N. 13 Vgl. Lorenz in Erman15, § 872 BGB Rz. 1.

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Art. 5 (2014) Rz. 66

Betriebstätte

kann. Dementsprechend begründen zivilrechtliche anerkannte Überlassungsverhältnisse (Miete, Pacht, Nießbrauch, Pfandrecht u.Ä.) nur eine unmittelbare Sachherrschaft des Berechtigten und beenden ggf. die bisherige unmittelbare Sachherrschaft des Überlassenden. Der Unterschied zwischen Besitzdiener und Besitzmittler besteht also darin, dass es bei § 855 BGB um „Befehl und Gehorsam“, bei § 868 dagegen um „Forderung und Verpflichtung“ geht.1 Beispielhaft genannt sei hier das Konsignationslager (siehe Rz. 200). Hat der Lieferer selbst die Zugangsberechtigung zum Lager und die Möglichkeit, ggf. den Abnehmer von der Nutzung (Entnahme der gelieferten Ware) auszuschließen, besitzt er Sachherrschaft. Hat er indes lediglich ein Zugangsrecht, um die Ware einzuliefern, und im Übrigen nur einen Herausgabeanspruch gegen den Abnehmer bzw. einen Dritten (z.B. aus einem Lagervertrag gem. §§ 467 ff. HGB), hat er keine Sachherrschaft über das Lager. Über das Kommissionärslager (Rz. 200) übt indes regelmäßig der Kommissionär die Sachherrschaft aus. Nichts anderes gilt für das sog. Homeoffice (Rz. 195), über das nach deutschem Verständnis der Arbeitgeber auch dann keine Verfügungsmacht hat, wenn er einen Mietkostenzuschuss bezahlt. Diese Betrachtung wurzelt in der gem. Art. 13 Abs. 1 GG verwurzelten Unverletzlichkeit der Wohnung und widerspricht Art. 5 Rz. 18, 19 OECD-MK (2017). 67

Maßstab für die Sachherrschaft (Verkehrsanschauung). In wessen tatsächlicher Herrschaftsgewalt sich die Sache befindet, hängt maßgeblich von der zusammenfassenden Wertung aller Umstände des jeweiligen Falles entsprechend den Anschauungen des täglichen Lebens ab.2 Maßstäbe für die Sachherrschaft sind nach der Verkehrsanschauung: das Raumverhältnis, die Einwirkungs- und Ausschließungsmöglichkeit und die erkennbare Einordnung des Gegenstandes in den Machtbereich einer Person. Je mehr das Gewaltverhältnis der Lebensanschauung entspricht, desto geringere Anforderungen sind an die Erkennbarkeit der Herrschaftsausübung zu stellen und umgekehrt. Daher braucht die Aufrechterhaltung der tatsächlichen Gewalt nicht fortdauernd erkennbar gemacht zu werden, sofern nur die Ausübungsmöglichkeit feststeht.3 Wie schon erwähnt, kommt es zwar auf das Bestehen eines von der Rechtsordnung anerkannten Anspruchs auf Sachherrschaft (insbes. aus Eigentum oder schuldrechtlichem Vertrag, aber auch auf Grund hoheitlicher Einräumung) dem Grunde nach nicht an (s. Rz. 66 „Eigenbesitz“). Jedoch bestätigt das Bestehen eines solchen Rechts die faktischen Gegebenheiten. Daher sind die Anforderungen an die tatsächliche Beherrschung im Rahmen anerkannter Rechtsbeziehungen niedriger.4 Unerheblich ist insoweit, ob die Einwirkungsmöglichkeit entgeltlich oder unentgeltlich5 eingeräumt wurde. So genügt etwa ein – wie auch immer gearteter – selbständiger Anspruch des Unternehmens auf Zutritt zu den Räumen, in denen die Tätigkeit vorgenommen wird.6 Ebenso kann sich die tatsächliche Sachherrschaft aus der Personenidentität des Unternehmers und des Geschäftseinrichtungsinhabers ergeben7, etwa wenn der Geschäftsführer eines Venture-Capital-Fonds personenidentisch ist mit dem Geschäftsführer der schuldrechtlich zum Management berufenen Gesellschaft, der die Geschäftsräume zuzurechnen sind.8 In der Praxis kann dabei von der dauerhaften Sachherrschaft des Unternehmers auf seine Berechtigung geschlossen werden, wenn er die Geschäftseinrichtung mit Wissen und Duldung des Berechtigten nutzt (vgl. Art. 5 Rz. 12 OECD-MK 2017).9 Indes genügt die bloße Nutzung ohne weiter gehende Einflussnahmemöglichkeit, wie sie typischerweise auf Grund reiner Betretungsrechte (Kehrbezirk eines Schornsteinfegers [s. Rz. 184], Flugplatz [s. Rz. 190]) entsteht, nicht aus (vgl. Art. 5 Rz. 178 OECD-MK 2017), sofern der Unternehmer Dritte von der – ggf. andersartigen – Nutzung nicht ausschließen kann.10 Fehlt ein anerkanntes Recht des Unternehmers zur Nutzung, kommt es allein auf seine tatsächlichen Einwirkungs- und Abwehrmöglichkeiten in Bezug auf die Geschäftseinrichtung an (s. Räumlichkeiten (schlicht überlassene) Rz. 211).11 Insoweit genügt auch angemaßte Sachherrschaft durch Überlegenheit,12 z.B. durch Besetzung eines Hauses (vgl. Art. 5 Rz. 11 OECD-MK 2017). Dabei gilt als Faustregel: Die tatsächlichen Einflussnahmemöglichkeiten werden in der Praxis umso größer, je kleiner

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Vgl. Wolff/Raiser, Sachenrecht10, § 6 III. Vgl. BGH v. 24.6.1987 – VIII ZR 379/86, NJW 1987, 2812 m.w.N. Vgl. Lorenz in Erman15, § 854 BGB Rz. 3. Vgl. BFH v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512; v. 10.11.1998 – I B 80/97, BFH/NV 1999, 665. Vgl. BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624. Vgl. BFH v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154. BFH v. 23.2.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354. S.u. Rz. 178; insoweit missverständlich: BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165; kritisch ebenfalls Ditz/ Quilitzsch, FR 2012, 493 (499). Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, FR 2012, 39; v. 19.3.2002 – I R 15/01, BFH/NV 2002, 1411. Zur vergleichbaren Frage des „Innehabens“ einer sog. Standby-Wohnung i.S.d. § 8 AO: BFH v. 13.11.2013 – I R 38/13, BFH/NV 2014, 1046. Vgl. FG Düsseldorf v. 19.1.2016 – 13 K 952/14, EFG 2016, 507, rkr.; a.A. OFD Karlsruhe v. 16.9.2014 – S 130.1/316-St 222, IStR 2015, 887. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 21.

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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1)

Rz. 72 Art. 5 (2014)

und damit beherrschbarer die Geschäftseinrichtung ist. Umgekehrt wird insbesondere die Möglichkeit, Dritte von der Einwirkung auszuschließen umso kleiner, je größer die Geschäftseinrichtung ist. Festigkeit des Personenbezugs (Dauerhaftigkeit). Entscheidendes Kriterium für die Anerkennung der Sachherrschaft durch die Verkehrsanschauung ist deren Dauer (s. Rz. 56).

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Abgrenzung zu § 12 AO. Ebenso wie bei Art. 5 Abs. 1 kommt es bei § 12 AO für die persönliche Zurechnung der Geschäftseinrichtung auf die tatsächliche Sachherrschaft (s.o. Rz. 61 ff.) sowie die Dauerhaftigkeit dieses Personenbezugs (s.o. Rz. 68) an. Insoweit bestehen keine Abweichungen zwischen nationalem und Abkommensrecht.

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V. Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit Geschäftstätigkeit des Unternehmens. Zu einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1 wird die feste Geschäftseinrichtung erst, wenn durch sie die Geschäftstätigkeit des Unternehmens ausgeübt wird. Voraussetzung ist also, dass die Geschäftstätigkeit des nämlichen Unternehmens wenigstens teilweise tatsächlich in der festen Geschäftseinrichtung ausgeübt wird. Nachdem eine Person mehrere Unternehmen i.S.d. Art. 7 betreiben kann,1 ist es notwendig, die Geschäftseinrichtung dem jeweiligen Unternehmen zuzuordnen. Zu diesem Zweck fordert Art. 5 Abs. 1, dass die Tätigkeit in der Geschäftseinrichtung eine solche des Unternehmens ist. Fehlt dieser Zusammenhang, mag zwar eine unternehmerische Tätigkeit in der Geschäftseinrichtung gegeben sein, jedoch wäre diese einem anderen Unternehmen zuzuordnen. Nicht notwendig ist, dass die unternehmerische Tätigkeit in der Geschäftseinrichtung quantitativ und qualitativ deckungsgleich mit der des (gesamten) Unternehmens ist.2 Vielmehr genügt, dass wenigstens ein Teil von ihr in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird. Damit setzt die Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begrifflich nicht voraus, dass die in ihr ausgeübten Tätigkeiten alle Merkmale des § 15 Abs. 2 EStG (vgl. Rz. 45) erfüllen. Die Betriebsstätte muss keinen produktiven Charakter haben, d.h. unmittelbar zum Gewinn des Unternehmens beitragen (vgl. Art. 5 Rz. 7 OECD-MK 2017). Die Betriebsstätte muss auch nicht mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet sein. Sie muss kein organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebes sein. Ihrer Annahme steht nicht entgegen, dass sie für sich allein lebensunfähig sein würde. Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Betriebsstätte dürfen nicht an denen eines Teilbetriebes i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gemessen werden.3 Unter diesem Aspekt würde für eine Unternehmenstätigkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 1 bereits jedes schlichte Fördern des Unternehmenszwecks, z.B. durch Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten genügen. Allerdings wird die Rechtsfolge des Art. 5 Abs. 1 durch den Beispielskatalog des Abs. 4 konkretisiert, der Geschäftseinrichtungen, durch die ausschließlich Vorbereitungs- und/oder Hilfstätigkeiten ausgeübt werden, nicht als Betriebsstätte gelten lässt. Im Ergebnis muss daher in der Geschäftseinrichtung eine gewisse Mindestaktivität (s. Rz. 127) entfaltet werden, um Betriebsstättenfolgen für Unternehmensgewinne ziehen zu können.4 Fehlt es hieran, wie z.B. bei reinen Vermögensverwaltungs- (s. Rz. 222), Koordinierungs-, Kontroll- oder Holdingaktivitäten (s. Rz. 202), begründet die feste Geschäftseinrichtung nach der hier vertretenen Ansicht auch dann keine Betriebsstätte, wenn sie im Rahmen eines Unternehmens ausgeübt wird.

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Ausüben i.S.d. Art. 5 Abs. 1. Art. 5 Abs. 1 verlangt die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit durch 71 die Geschäftseinrichtung. Über die bloße Nützlichkeit hinaus müssen daher in der Geschäftseinrichtung zusätzlich dem Gesamtunternehmen zuzuordnende Geschäftstätigkeiten verrichtet werden, m.a.W. es muss ein innerer Zusammenhang zwischen Geschäftseinrichtung und Unternehmenstätigkeit bestehen, der über das bloße Dienen hinausgeht. Dies setzt voraus, dass entweder die Geschäftseinrichtung selbst oder Personen in ihr die geforderte Geschäftstätigkeit verrichten (vgl. Art. 5 Rz. 39 OECD-MK 2017). Unter Verrichten ist dabei ein „aktives Tun“ zu verstehen, d.h. die feste Geschäftseinrichtung muss „Handlungssubjekt“ sein. Ein rein „passives Geschehen“ lassen, wie etwa das Zulassen der Durchleitung von Öl bzw. Gas durch eine eigene Transportvorrichtung (Pipeline) reicht hierfür nicht (s. Rz. 225).5 Kein Personalerfordernis. Vereinzelt wird in der Literatur für eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1 gefordert, dass in der festen Geschäftseinrichtung Personal tätig sein müsse.6 Denn nur Menschen seien in der 1 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 62; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 35. 2 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 24. 3 Vgl. Wacker in Schmidt37, § 16 EStG Rz. 143. 4 Ebenso Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 10. 5 Ebenso Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 30. 6 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 10, 33; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 31.

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Art. 5 (2014) Rz. 72

Betriebstätte

Lage, aktiv zu handeln und daher fähig, die Unternehmenstätigkeit i.S.d abkommensrechtlichen Verständnisses „auszuüben“. Technische Einrichtungen, insbesondere Verkaufsautomaten oder z.B. Internetserver entfalteten hingegen keine Tätigkeit, da diese lediglich auf ihre Bedienung durch den Kunden reagierten.1 Die h.M.2 sieht allerdings die Reaktion durch eine technische Einrichtung für eine Tätigkeit als ausreichend an. Dies entspricht auch dem Willen der OECD-Mitgliedsstaaten (vgl. Art. 5 Rz. 39, 127 OECD-MK 2017). Nach diesem ist die Anwesenheit von Personal nicht erforderlich, um zum Ergebnis zu kommen, dass ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise an einem Ort ausübt, wenn tatsächlich kein Personal gebraucht wird, um Geschäftstätigkeiten an diesem Ort auszuüben. Dieses Ergebnis gilt für den elektronischen Geschäftsverkehr in gleichem Maße wie für andere Tätigkeiten, bei denen Anlagen automatisch betrieben werden. Entscheidend für Art. 5 Abs. 1 ist damit lediglich, dass die Tätigkeit des Unternehmens in der festen Geschäftseinrichtung über ihre schlichte Präsenz im Quellenstaat hinausgeht.3 An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass Funktionen üblicherweise durch Personal ausgeübt werden und daher nach Ansicht der OECD die wesentlichen Personalfunktionen4 das maßgebliche Kriterium für die Gewinnabgrenzung gem. Art. 7 sind (s.a. Art. 7 (2017) Rz. 25). Denn – wie gerade gezeigt – kann die Unternehmenstätigkeit auch in einer festen Geschäftseinrichtung ohne Personal zumindest teilweise betrieben werden. Letztlich beseitigt dieser scheinbare Widerspruch zu Art. 7 nicht die Betriebsstätteneigenschaft. Vielmehr folgt aus der Forderung nach wesentlichen Personalfunktionen in der Betriebsstätte in Art 7 nur, dass eine Betriebsstätte, in der kein Personal Funktionen ausübt, keinen wesentlichen Anteil am Unternehmensgewinn im Ganzen beanspruchen kann. 73

Dienen i.S.d. § 12 Satz 1 AO. Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 1 genügt für § 12 AO das bloße Vorhandensein der Geschäftseinrichtung und deren Nützlichkeit für die Unternehmenstätigkeit. Eine Geschäftstätigkeit muss in ihr nicht ausgeübt werden. In der Konsequenz ist daher jedes materielle Wirtschaftsgut des gewillkürten oder notwendigen Betriebsvermögens geeignet, eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO zu begründen,5 sofern es in örtlicher, zeitlicher und persönlicher Hinsicht fest ist. Damit setzt die Annahme einer Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO keine Tätigkeit von Personal voraus.6

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MwStSystRL. Für Zwecke des Umsatzsteuerrechts ist § 12 AO allerdings im Lichte des Art. 44f MwStSystRL auszulegen, der für die Annahme einer „festen Geschäftseinrichtung“ örtlich tätiges Personal verlangt (s. Rz. 37).

VI. Beginn und Ende Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte 75

Beginn, Ende und Unterbrechungen. Neben den sachlichen Voraussetzungen definiert insbesondere die vom Wortlaut geforderte Mindestaktivität in der Betriebsstätte den zeitlichen Rahmen ihres Bestehens. Erst wenn sämtliche Merkmale erfüllt sind, wird die feste Geschäftseinrichtung zur Betriebsstätte i.S.d. Art. 5, die ein Besteuerungsrecht des Quellenstaats i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 auslösen kann. Umgekehrt endet sie mit endgültigem Wegfall einer der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 5 Abs. 1. Ob ein endgültiger Wegfall mit der Folge der Beendigung oder nur eine vorübergehende Unterbrechung gegeben ist, ist Tatfrage. Die Zuordnung von Aufwand und Ertrag in Zeiten vor Beginn oder nach Beendigung der Betriebsstätte ist eine Frage des Art. 7 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 193 f. und 195 ff.).

VII. Personengesellschaften und Betriebsstätten Ausgewählte Literatur: Brandenberg, Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen im Abkommensrecht, DStZ 2015, 393; Frotscher, Treaty Override und § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, 539; Häck, Zur Auslegung des § 50d Abs. 10 EStG durch den BFH – zugleich Anmerkung zu BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09 (IStR 2011, 32 mit Anm. Kammeter), IStR 2011, 71; Mitschke, Streitpunkt § 50d Abs. 10 EStG – ein Tiger mit scharfen Zähnen, DB 2010, 303; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften einer in einem Vertragsstaat ansässigen Personengesellschaft, IStR 2011, 85. 1 Vgl. Holler/Heerspink, BB 1998, 771 (772). 2 Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; FG Düsseldorf v. 10.9.1991 – 9 K 524/86, EFG 1992, 717; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.8; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 28. 3 Ebenso Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 28. 4 Ebenso § 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 AStG, § 2 Abs. 3 BsGaV. 5 Vgl. BFH v. 18.4.1951 – I B 34/50 U, BStBl. III 1951, 124; v. 26.11.1957 – I B 218/56, BStBl. III 1958, 261; a.A.: BFH v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111. 6 Vgl. Heinsen in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 126; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 31; a.A. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 33.

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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1)

Rz. 78 Art. 5 (2014)

Beteiligung an Personengesellschaft (Transparenz). Als unselbständiger Bestandteil (s. Rz. 2) des Unternehmens eines Vertragsstaats (Art. 7 Abs. 1 Satz 1) kann eine Betriebsstätte nur einer ansässigen Person i.S.d. DBA (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d) zugerechnet werden. Nach deutschem Verständnis kann eine Personengesellschaft diese Funktion zumindest für Zwecke der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer1 nicht erfüllen. Denn zwar ist sie als andere Personenvereinigung Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA, jedoch fehlt es ihr wegen der regelmäßig einschlägigen2 Lex-fori-Regel3 (s. Art. 3 Rz. 68) an der Ansässigkeit i.S.d. Art. 4 Abs. 1, da nach deutschem Verständnis nicht sie selbst, sondern die an ihr beteiligten Gesellschafter Steuersubjekte sind (vgl. Art. 1 Rz. 6.4 OECD-MK).4 Damit ist die Personengesellschaft selbst nicht abkommensberechtigt (vgl. Art. 1 Rz. 45 ff.).5 Als solches, transparentes Objekt vermittelt die Personengesellschaft lediglich die ihr zuzurechnenden Zustände, Wirtschaftsgüter und Handlungen anteilig an ihre Gesellschafter. Daraus folgt, dass eine unternehmerisch tätige Personengesellschaft nicht schon allein durch ihre rechtliche Existenz eine Betriebsstätte für ihre Gesellschafter begründet. Vielmehr darf der Quellenstaat Unternehmensgewinne von im anderen Staat ansässigen Personengesellschaftern nur dann besteuern, wenn diesen eine im Quellenstaat bestehende Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 anteilig zuzurechnen ist (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 70).6 Erfüllt umgekehrt die Gesamthand die tätigkeitsbezogenen Voraussetzungen, haben die Gesellschafter die Rechtsfolgen zu tragen, auch wenn sie die Voraussetzungen in ihrer Person nicht erfüllen. Allerdings sind die personenbezogenen Voraussetzungen wegen der Transparenz der Personengesellschaft stets für jeden Gesellschafter getrennt zu beurteilen (vgl. Rz. 180). Dies gilt auch für Wirtschaftsgüter der Gesamthand, m.a.W. kann wegen des geltenden Transparenzprinzips nicht automatisch von der zivilrechtlichen Eigentümerstellung der Personengesellschaft auf die steuerliche Zugehörigkeit zu deren Betriebsstätte geschlossen werden.7

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Unternehmensgewinne der Gesamthand. Als transparentes Rechtsgebilde ist die Personengesellschaft reines Zurechnungsobjekt, d.h. nur soweit die Personengesellschaft selbst die Voraussetzungen für eine unternehmerische Tätigkeit (s. Rz. 45) erfüllt, kann diese den an ihr beteiligten Steuersubjekten zugeordnet werden. Auf die Art der Tätigkeit ihrer Gesellschafter kommt es indes nicht an, d.h. einen Reflex von der Tätigkeit des Gesellschafters auf die Tätigkeit der Gesellschaft gibt es nicht. Daher kann die Geschäftseinrichtung einer vermögensverwaltenden (s. auch Rz. 222, 228) Personengesellschaft auch dann keine Betriebsstätte begründen, wenn an ihr ausschließlich unternehmerisch tätige Gesellschafter beteiligt sind (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 70). Nach inzwischen geänderter8 Ansicht der Verwaltung9 konnte– entgegen der h.M. in Rspr10 und Literatur11 – die Rechtsform der Personengesellschaft Einfluss auf die abkommensrechtliche Einordnung der Art der Tätigkeit haben, z.B. wenn die Tätigkeit auf Grund einer Rechtsnorm zwingend als gewerbliche i.S.d. § 15 EStG anzusehen war. Maßgeblich betroffen waren hiervon Einkünfte aus gewerblicher Infektion (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) oder gewerblicher Prägung (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG). Diese Ansicht hat die Verwaltung zwischenzeitig aufgegeben.12 Vgl. zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 55 f.

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Stammhaus und Betriebsstätte bei Personengesellschaft. Wird durch die Personengesellschaft ein Unternehmen i.S.d. Art. 7 betrieben, ist diese Tätigkeit den abkommensberechtigten Gesellschaftern zuzurechnen (s. Rz. 76). Insoweit kann man von einer abkommensrechtlichen Identität von Unternehmen „der Gesellschaft“ und „Unternehmen des Gesellschafters“ sprechen.13 Diese anteilige Zurechnung erstreckt sich auch auf das Steuerobjekt „Betriebsstätte“ der Personengesellschaft, so dass eine Betriebsstätte der Personengesellschaft anteilige Betriebsstätten der abkommensberechtigten Gesellschafter begründet. Hingegen ist für jeden abkommensberechtigten Gesellschafter anhand seiner (subjektbezogenen) Ansässigkeit gesondert zu entscheiden, welchem Staat das anteilig von ihm betriebene Unternehmen und damit das jeweilige Stammhaus

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1 Anders ist dies indes für Zwecke der Gewerbesteuer, da insoweit die Personengesellschaft selbst Steuersubjekt ist, BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 Tz. 2.1.1. 2 Zu den Ausnahmen siehe Anlage zu BMF v. 26.09.2014 – IV B 5 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258 ff. 3 Z.B. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, DStR 2011, 1553. 4 A.A. Gosch, SWI 2011, 324 ff. 5 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 35. 6 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 34. 7 Ebenso BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209, ISR 2018, 271 m. Anm. Meretzki, FR 2018, 558. 8 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 Tz. 2.2.1. 9 Noch a.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354 Tz. 2.2.1. 10 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BStBl. II 2014, 751. 11 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA, 49; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 57; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 36; Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 29; Blumers, DB 2008, 1765; Lüdicke, IStR 2004, 208. 12 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 Rz. 2.2.1. 13 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 35.

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Art. 5 (2014) Rz. 78

Betriebstätte

zuzuordnen ist (s. Rz. 3).1 Dieses Zusammenwirken objektbezogener und subjektbezogener Zuordnungsmerkmale kann bei transparenten Personengesellschaften dazu führen, dass eine Betriebsstätte der Personengesellschaft mehreren Stammhäusern, d.h. Ansässigkeitsstaaten von Gesellschaftern (s. Rz. 3), in verschiedenen Staaten zuzuordnen ist. In derartigen Fällen ist die Betriebsstätteneigenschaft in Bezug auf jeden Gesellschafter anhand der einzelnen DBA gesondert zu prüfen (s. Rz. 76). Wird insoweit der Staat, in dem sich die Leitungsbetriebsstätte der Personengesellschaft (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a) befindet, als Stammhausstaat bezeichnet (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 71), ist dies m.E. aus Gründen der begrifflichen Klarheit abzulehnen. Denn ist das Stammhaus Synonym für den Unternehmensstaat i.S.v. Art. 3 Abs. Buchst. d und verlangt dieser eine ansässige Person, kann ein transparentes Gebilde wie eine Personengesellschaft selbst keine Ansässigkeit begründen und daher weder zum Unternehmensstaat noch zum Stammhausstaat werden. Insoweit ist der Begriff der Geschäftsleitungsbetriebsstätte als Synonym für das Stammhaus missverständlich. 79

Inländisches/Ausländisches Unternehmen i.S.d. BsGaV. Mit Wirkung ab dem 1.1.2015 definiert § 2 Abs. 1 bzw. 2 BsGaV, dass ein Unternehmen in- bzw. ausländisch ist je nachdem, ob sich sein Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung im In- oder Ausland befindet. Auf die Zuordnung des Steuersubjekts zu einem Staat, wie dies Art. 3 Abs. 1 Buchst. d voraussetzt, kommt es nicht an. Daher ist eine Mitunternehmerschaft, deren Geschäftsleitung sich im Inland befindet, auch dann ein inländisches Unternehmen, wenn die Gesellschafter ausschließlich im Ausland ansässig sind.

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Sachherrschaft. Wegen ihrer steuerlichen Transparenz müssen die Zustände, Handlungen und Wirtschaftsgüter der Gesamthand den Gesellschaftern zugerechnet werden (s. Rz. 76). Dementsprechend reicht die Sachherrschaft der Personengesellschaft über die Betriebsstätte aus, um dem Gesellschafter eine (anteilige) Betriebsstätte zuzurechnen.2 Eine zusätzliche Sachherrschaft des Gesellschafters über die Betriebsstätte der Personengesellschaft ist nicht erforderlich.3 Eine ganz andere Frage ist, ob eigene Betriebsstätten abkommensberechtigter Personengesellschafter wechselseitig zugerechnet werden können mit der Folge, dass beispielsweise die Geschäftseinrichtung des einen Gesellschafters zur (anteiligen) Betriebsstätte eines anderen Gesellschafters derselben Personengesellschaft werden kann. Unterstellt man mit der Rspr., dass es genügt, wenn entweder die Personengesellschaft oder ein Gesellschafter Sachherrschaft hat,4 ist hiervon auszugehen. M.E. geht dies zu weit, da die schlichte Beteiligung an der selben Gesellschaft grds. keine Sachherrschaft über Geschäftseinrichtungen anderer Gesellschafter vermittelt. Denn die gesellschaftsrechtliche Beteiligung regelt nur das Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesamthand, nicht aber zwischen den Gesellschaftern. Anders liegt indes der Fall, wenn gesellschaftsrechtlich vereinbart ist, dass ein Gesellschafter seine Betriebsstätte den anderen Gesellschaftern oder der Gesamthand überlässt.5 Typischerweise ist dies bei internationalen Filmkoproduktionen der Fall (s. Rz. 189). Nichts anderes gilt für atypisch stille Gesellschaften (vgl. Rz. 182).

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Sondervergütungen als Unternehmensgewinne. Eine andere Frage ist, ob Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG allein wegen ihrer nationalen Zuordnung zu den gewerblichen Einkünften als Unternehmensgewinne i.S.d. DBA anzusehen sind. Soweit dies im konkreten DBA selbst – entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG – ausdrücklich (z.B.: Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich, Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz) geregelt ist, ist hiervon auszugehen.6 Fehlt es an einer vergleichbaren ausdrücklichen Regelung im DBA, hat der Gesetzgeber diese Zuordnung wirksam durch § 50d Abs. 10 EStG vorgenommen.7 Einzelheiten dazu sind in Art. 7 (2008) Rz. 79 ff. und Art. 1 Rz. 84 ff. dargestellt.

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Abgrenzung: Mitunternehmerbetriebsstätte – Sonderbetriebsstätte. Die VWG BsGa definieren den Begriff der Mitunternehmerbetriebsstätte als eine zivilrechtlich der Gesamthand zuzuordnende Betriebsstätte, die dem Gesellschafter wegen der steuerlichen Transparenz der Personengesellschaft (s. Rz. 76) anteilig vermittelt wird.8 Von diesem Verständnis abweichend verwenden die Rspr.9 und die Literatur10 den Ausdruck „Mitunternehmerbetriebsstätte“ im Sinne einer Betriebsstätte, die zivilrechtlich dem Mitunternehmer, d.h. 1 2 3 4 5 6 7

Ebenso Art. 5 Rz. 43 OECD-MK (2017). Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 34. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 44. Vgl. BFH v. 2.12.1992 – I R 165/90, BStBl. II 1993, 577; Buciek in Beermann/Gosch § 12 AO, Rz. 14. Vgl. BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 35. Zur Frage, ob diese Rechtsfolge auch vor Einführung von § 50d Abs. 10 EStG durch das JStG 2009 gezogen werden konnte, soll an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. 8 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571 – VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182 Rz. 13. 9 BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791, IStR 2014, 227 m. Anm. Benecke/Staats; v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770. 10 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 45; Häck, IStR 2011, 71 (73).

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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1)

Rz. 83 Art. 5 (2014)

dem steuerpflichtigen Gesellschafter, zuzurechnen ist.1 Eine solche sei erforderlich, um Sondervergütungen i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 EStG abkommensrechtlich dem Quellenstaat zuzuordnen.2 Zur terminologisch eindeutigen Unterscheidung wird diese im Folgenden als „Sonderbetriebsstätte“ bezeichnet, denn es handelt sich um eine dem Gesellschafter unmittelbar zivilrechtlich zuzurechnende Betriebsstätte. Als solches ist sie Bestandteil der Sonderbetriebssphäre des Mitunternehmers. Keine Sonderbetriebsstätte. Diskutiert wurde die Notwendigkeit der Sonderbetriebsstätte neben der antei- 83 ligen Mitunternehmerbetriebsstätte für die Zeit vom 1.1.2009 bis zum 30.6.2013. In diesem Zeitfenster fingierte § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. v. 19.12.2008 Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 EStG als Unternehmensgewinne i.S.d. Abkommensrechts, ohne sie der anteiligen Gesamthandbetriebsstätte zuzuordnen. Zweck des Gesetzes war die rechtsprechungsbrechende3 Durchsetzung des Mitunternehmerkonzepts auf Abkommensebene4. Rspr.5 und Literatur6 sahen die Regelung als ungenügend an. Daraufhin hat der Gesetzgeber § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. v. 26.6.2013 nochmals nachgebessert. Für Sondervergütungen der Gesamthand an den Gesellschafter hat sich die Notwendigkeit der Sonderbetriebsstätte damit erledigt. Von Bedeutung ist die Frage allerdings nach wie vor für laufende Einnahmen im Sonderbetriebsvermögen, die keine Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 EStG darstellen. Typisches Beispiel hierfür sind Dividenden, die der Mitunternehmer von der im Sonderbetriebsvermögen befindlichen Komplementär-GmbH bezieht. Streitig ist insoweit die Reichweite der Personengesellschaftsbetriebsstätte, d.h. ob der Gesellschafter selbst vor Ort über eine eigene, zusätzliche „Sonderbetriebsstätte“ im Quellenstaat verfügen muss,7 oder ob Einkünfte und Wirtschaftsgüter der Sonderbetriebssphäre des Gesellschafters i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abkommensrechtlich der Gesamthandsbetriebsstätte zugeordnet werden können. Nach dem historischen Willen des Gesetzgebers,8 der Verwaltung9 und Teilen der Literatur10 ist eine solche nicht erforderlich. Zwar kommt dies im Gesetzeswortlaut nicht eindeutig zum Ausdruck. Jedoch macht dies die Gesetzesbegründung deutlich, nach der in- und ausländische Gesellschafter gleichermaßen als Personengesellschafter einem Einzelunternehmer gleichgestellt werden sollen.11 Eine zusätzliche inländische Gesellschafterbetriebsstätte hat er zur Erreichung dieses Ziels als nicht erforderlich angesehen.12 Vielmehr soll die Zuordnung der Sonderbetriebssphäre der der Gesamthand folgen.13 Teile der Literatur14 vertreten indes, dass die Mitunternehmerschaft und der einzelne Mitunternehmer für die jeweils in ihrem Eigentum gehaltenen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens abkommensrechtlich selbständige Betriebsstättenzurechnungssubjekte seien. Dementsprechend bedürfe es zur Zuordnung der Sonderbetriebssphäre zum Quellenstaat einer eigenständigen Sonderbetriebsstätte, die den abkommensrechtlichen Anforderungen des Art. 5 OECD-MA genügt. Dem kann m.E. nicht zugestimmt werden. Denn Voraussetzung für die abkommensrechtliche Zuordnung von Zuständen, Wirtschaftsgütern und Einkünften zur Personengesellschaft ist deren abkommensrechtliche Existenz. Wegen ihrer Transparenz gibt es diese jedoch nicht (vgl. Art. 1 Rz. 6.4 OECD-MK).15 Damit ist dieser, hier notwendigen, Zuordnung zur Personengesellschaft nach zivilrechtlichen Kriterien die Grundlage entzogen. Vielmehr ist die Transparenz der Grund, warum abkommensrechtlich die Gesamthandsphäre der Personengesellschaft anteilig dem abkommensberechtigten Gesellschafter zugerechnet wird. Stellt aber das DBA nicht auf den zivilrechtlichen Rechtsträger, sondern nur auf den abkommensberechtigten Gesellschafter ab und rechnet es diesem die Sachherrschaft der Gesamthand anteilig zu, verfügt der Gesellschafter selbst anteilig über die Betriebsstätte. Damit verfügt der Gesellschafter selbst im Quellenstaat über einen Anknüpfungspunkt i.S.d. Art. 5, dem auch Zustände, Wirtschaftsgüter und Einkünfte der Sonderbetriebssphäre zugeordnet werden können. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nicht nach Zivilrecht, sondern ausschließlich nach den allgemeinen abkommensrechtlichen 1 So auch Töben, IStR 2017, 942 (946). 2 Siehe BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791, IStR 2014, 227 m. Anm. Benecke/Staats; v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 45; Häck, IStR 2011, 71 (73). 3 BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. 4 Vgl. Brandenberg, DStZ 2015, 393 (393). 5 Siehe BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791, IStR 2014, 227 m. Anm. Benecke/Staats; v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770. 6 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 45; Häck, IStR 2011, 71 (73). 7 So etwa Wassermeyer, IStR 2010, 41, der insoweit den Begriff der „Mitunternehmerbetriebsstätte“ verwendet. 8 BT-Drucks. 16/11108, 23. 9 Siehe nur BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.1. 10 Vgl. Mitschke, DB 2010, 303 (304). 11 BT-Drucks. 16/11108, 23. 12 Deutlich wird dies aus dem in der Gesetzesbegründung dargestellten Beispiel. 13 Siehe nur BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354 Tz. 5.1. 14 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 45; Häck, IStR 2011, 71 (73). 15 A.A. Gosch, SWI 2011, 324 ff.

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Art. 5 (2014) Rz. 83

Betriebstätte

Zuordnungsregeln, die zwischen Stammhaus und Betriebsstätte gelten. Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass der abkommensberechtigte Gesellschafter einer Personengesellschaft über eine anteilige Betriebsstätte im Quellenstaat verfügt, der auch seine Sonderbetriebssphäre zugeordnet werden kann. Eine eigene Sonderbetriebsstätte ist hierzu nicht erforderlich (vgl. aber Art. 1 Rz. 86 und Art. 7 (2008) Rz. 81). 84

Einheitliche und gesonderte Feststellung. Gemäß § 179 Abs. 2 Satz 2 AO i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind die Unternehmensgewinne nur einheitlich und gesondert festzustellen, wenn mehrere Personen an den Einkünften beteiligt sind, sie diesen steuerlich zuzurechnen sind und bei ihnen zu einkommensteuer- oder körperschaftsteuerpflichtigen Einkünften führen. Dies gilt auch für Zwecke des Progressionsvorbehalts (§ 180 Abs. 5 Nr. 1 AO).1 Entscheidend ist insoweit, ob die Beteiligten zusammenwirken, um gemeinsam einen bestimmten (übergeordneten) Zweck zu erreichen. Dafür kommt es maßgeblich auf das Innenverhältnis an, da dieses das Verhältnis der Beteiligten zueinander regelt.2 Das Vorhandensein einer gemeinsamen Außenbeziehung oder eines Gesamthandvermögens ist unbeachtlich.3 An diesem Zweckmoment fehlt es grundsätzlich bei der Gemeinschaft (schlichte Rechtsgemeinschaft, §§ 741 ff. BGB). Die Grenze ist fließend.4 Fördern daher die Beteiligten im Innenverhältnis keinen gemeinsamen Zweck sondern rechnen sie auf reiner Gegenseitigkeitsbasis „Zug um Zug“ ab, fehlen die Voraussetzungen für eine Gesamthand. Daran ändert sich auch nichts, wenn sie nach außen, d.h. ggü. Dritten, gemeinsam handeln.

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Einzelne Personenzusammenschlüsse. Die (atypisch) stille Gesellschaft ist in Rz. 182), die Arbeitsgemeinschaft (ArGe) in Rz. 201, das Konsortium in Rz. 181, die Koproduktion in Rz. 189, die Metagesellschaft in Rz. 207 und die Zebragesellschaft in Rz. 228 dargestellt (siehe auch: Art. 5 Rz. 42 OECD-MK (2017).

C. Positivkatalog (Abs. 2) Ausgewählte Literatur: Dißars, Kriterien zur Bestimmung des Orts der Geschäftsleitung einer Gesellschaft nach § 10 AO, DStZ 2011, 21; Kramer, Die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004, 672; Kramer, Anmerkung zur vorstehenden Stellungnahme Wassermeyers, IStR 2004, 676; Wassermeyer; Stellungnahme zum vorstehenden Beitrag von Kramer über die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004, 676.

I. Regelungszweck 86

Nicht abschließende Aufzählung. Abs. 2 enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielsfällen, die typischerweise eine Betriebsstätte begründen. Dies ergibt sich aus dem Wort „insbesondere“. Ihr Zweck ist es, den Regelungsinhalt des Art. 5 Abs. 1 mit Hilfe typischer Beispiele zu verdeutlichen.5

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Konkretisierung des Grundtatbestands gem. Art. 5 Abs. 1. Die Beispielsfälle des Abs. 2 konkretisieren den Grundtatbestand des Art. 5 Abs. 1 (vgl. Art. 5 Rz. 45 OECD-MK (2017)). Daher müssen für ihre Behandlung als Betriebsstätte stets die Voraussetzungen einer Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte erfüllt sein.6 Diese Sicht ergibt sich aus der Systematik der Norm. Indem Art. 5 Abs. 2 in seinem Katalog ausschließlich Einrichtungen aufzählt, über die der Steuerpflichtige Sachherrschaft hat und Bauausführungen in dem eigenständigen Abs. 3 regelt, wird deutlich, dass von der Sonderform der Baubetriebsstätte nicht auf die Beispiele des Abs. 2 zurück geschlossen werden darf. Dahingehend äußert sich auch Art. 5 Rz. 45 OECD-MK (2017), nach dem die Beispiele des Abs. 2 in Verbindung mit der allgemeinen Definition des Abs. 1 gesehen werden müssen. Aus diesem Grund wurde auch der noch im OECD-MA 1963 enthaltene Art. 5 Abs. 2 Buchst. g, der die Bau- und Montagebetriebsstätte als Bestandteil des Betriebsstättenkatalogs erfasste, in einen eigenen Abs. 3 verlagert.7 Daher ist davon auszugehen, dass die Vertragsstaaten die angeführten Ausdrücke „einen Ort der Leitung“, „eine Zweigniederlassung“, „eine Geschäftsstelle“ usw. in der Weise auslegen, dass diese Geschäftseinrichtungen nur dann Betriebsstätten begründen, wenn diese die Voraussetzungen des

1 Zur einheitlichen und gesonderten Feststellung bei mehreren inländischen Beteiligten an einer ausländischen Personengesellschaft siehe LfSt Bayern v. 18.5.2010 – S 0361.2.1-3/6 St42, DStR 2010, 1480. 2 Vgl. H. P. Westermann in Erman15, § 705 BGB Rz. 1. 3 Vgl. H. P. Westermann in Erman15, § 718 BGB Rz. 2. 4 Vgl. Brandis in T/K, § 180 AO Rz. 15. 5 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 61. 6 Ebenso Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 37; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – BetriebsstättenVWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.1; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 31. 7 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 56.

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C. Positivkatalog (Abs. 2)

Rz. 90 Art. 5 (2014)

Abs. 1 erfüllen. Diese Betrachtung steht auch nicht in Widerspruch zur deutschen Rechtsprechung.1 Denn soweit der BFH entschieden hat, dass eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte keine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage voraussetzt, betraf dies nur § 12 Satz 2 Nr. 1 AO.2 Hierdurch unterscheidet sich Art. 5 OECDMA von § 12 AO,3 dessen Abs. 2 den Grundtatbestand des Abs. 1 teilweise erweitert.4 Gleichwohl wird teilweise in der Literatur vertreten, die beiden Vorschriften seien wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Gewerbesteuer deckungsgleich auszulegen.5 Dem ist entgegenzuhalten, dass sich der Betriebsstättenbegriff des GewStG systematisch gem. § 1 Abs. 1 AO ausschließlich auf die Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO, nicht aber auf Art. 5 bezieht. Besteuerungslücken sind durch diese systematische Sichtweise nicht zu befürchten, denn abkommensrechtlich entfaltet der Betriebsstättenbegriff ausschließlich Wirkungen für den Quellenstaat (Art. 7 Abs. 1 Satz 1). Die Begriffserweiterungen betreffen jedoch nur den Ort der Geschäftsleitung6 und dieser ausschließlich den Ansässigkeitsstaat (vgl. Art. 4 Abs. 3). Abgrenzung zu § 12 Satz 2 AO (Begriffserweiterung). Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 2 enthält § 12 Satz 2 AO eine Erweiterung des Grundtatbestands.7 Dieser Unterschied gründet auf den systematisch unterschiedlichen Formulierungen der Tatbestände. So erfasst § 12 Satz 2 AO sämtliche beispielhaft aufgezählten Formen der Betriebsstätte in ein und demselben Satz. Damit bringt die Norm zum Ausdruck, dass für alle in Satz 2 genannten Beispiele dieselben Voraussetzungen gelten sollen.8 Erfüllen diese aber teilweise nicht die Voraussetzungen einer festen Geschäftseinrichtung, da z.B. der Bauausführende nicht die notwendige Sachherrschaft über das zu bebauende Grundstück besitzt und begründen sie gleichwohl eine Betriebsstätte, so erweitern sie den Grundtatbestand. Diese Erweiterung umfasst auch die Stätte der Geschäftsleitung i.S.d. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO (vgl. Rz. 95).

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Änderungen des Abs. 2 durch das MLI, OECD-MA (2017). Der Tatbestand des Abs. 2 wird durch das MLI bzw. das OECD-MA (2017) nicht verändert. Die Kommentierung zu Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (2014) gilt weiterhin.

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II. Ort der Leitung (Buchst. a) „Ort der Leitung“ i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a. Der Ort der Leitung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a ist der Ort, an dem das Unternehmen oder ein Teil des Unternehmens geleitet wird.9 Der Begriff der Leitung ist weit zu verstehen und umfasst jede tatsächliche Leitung.10 Grundsätzlich werden Leitungsaufgaben von der Unternehmensspitze wahrgenommen.11 Ausreichend kann aber auch die Führung eines einzelnen Geschäftsgebietes sein.12 Maßgeblich ist, ob vor Ort wesentliche tatsächliche, organisatorische und rechtsgeschäftliche Entscheidungen getätigt werden, die der gewöhnliche Betrieb des Unternehmens mit sich bringt (sog. Tagesgeschäfte13). Solche bestehen z.B. in Vertragsschluss, -verlängerung, -kündigung oder aber z.B. in der Rechnungstellung.14 Keine Leitungsentscheidungen in diesem Sinne stellen grds. die in Gesellschafterversammlungen getroffenen Strategie- und Grundlagenentscheidungen dar.15 Gleiches gilt für Tätigkeiten, die Leitungsentscheidung lediglich vorbereiten.16 Nicht erforderlich ist, dass sich in der Geschäftseinrichtung die Leitung des Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil vollzieht.17 Daher kann es mehrere Orte der Leitung geben. Wegen des bloßen Beispielcharakters des Art. 5 Abs. 2 ist aber Voraussetzung für eine Leitungsbetriebsstätte, dass die jeweilige Leitungstätigkeit durch eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage i.S.d. Abs. 1 ausgeübt wird (s. Rz. 87). Fehlt es an einer solchen, reicht allein die Ausübung von Geschäfts1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

So aber Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 4, 61. Vgl. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. A.A. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 4. Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004 396, BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.1.1.1; Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 23. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 31. Vgl. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. Vgl. Frotscher in Schwarz, § 12 AO Rz. 3 (Stand: Juni 2011). Vgl. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 40. Vgl. Haase in Haase3, Art. 5 OECD-MA Rz. 7. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 49. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 40. Vgl. BFH v. 31.1.2002 – V B 108/01, BStBl. II 2004, 622. FG München v. 31.5.2017 – 9 K 3041/15, IStR 2017, 749 (751) – Rev. BFH I B 62/17. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 49. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 67. Vgl. Haase in Haase3, Art. 5 OECD-MA Rz. 7; FG München v. 31.5.2017 – 9 K 3041/15, IStR 2017 749, (751).

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90

Art. 5 (2014) Rz. 90

Betriebstätte

aktivitäten für die Begründung einer Betriebsstätte nicht aus.1 In diesem Fall kommt ein Besteuerungsrecht des Staates, auf dessen Hoheitsgebiet die Leitungstätigkeit erbracht wird, nur in Betracht, wenn die vor Ort ausgeübte Tätigkeit zur Ansässigkeit des Unternehmens führt (s. Rz. 91). 91

„Ort der Geschäftsleitung“ i.S.v. Art. 4 Abs. 1 bzw. 3. Gemäß Art. 4 Abs. 1 ist eine Person in dem Staat ansässig, in dem sie u.a. auf Grund des Orts ihrer Geschäftsleitung steuerpflichtig ist. Zur Ansässigkeit führt daher ein Ort der Leitung i.S.v. Art. 5 Abs. Buchst. a ohne Geschäftseinrichtung nur, wenn sich der Ort, an dem die Person tätig wird, zum Ort der Geschäftsleitung verdichtet. Im Unterschied zur Leitungsbetriebsstätte, die eine Geschäftseinrichtung und eine darin vollzogene Leitungsaufgabe erfordert, verlangt der Ort der Geschäftsleitung nur zum einen eine Person und zum anderen die Tätigkeit der geschäftlichen Oberleitung, um im nämlichen Staat die Steuerpflicht der tätigen Person auszulösen. Eine Geschäftseinrichtung, durch die das Unternehmen betrieben wird, ist dafür nicht erforderlich. Denn im Unterschied zur Leitungsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a knüpft Art. 4 Abs. 1 und 3 für den Begriff der (tatsächlichen) Geschäftsleitung ausdrücklich an das innerstaatliche Recht an.2 Maßgeblich ist insoweit der Ort der Geschäftsleitung i.S.v. § 10 AO (s.u. Rz. 92). Und nach der Rspr. ist für diesen eine Geschäftseinrichtung oder Anlage, durch die das Unternehmen betrieben wird, nicht zwingend erforderlich.3 Mit der Zuordnung des „Orts der Geschäftsleitung“ i.S.v. § 10 AO wird die Ansässigkeit der Person i.S.v. Art. 4 Abs. 1 und 3 bestimmt und mit ihr das gesamte Unternehmen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d zugewiesen. Hierdurch unterscheidet sich der Ort der Geschäftsleitung vom „Ort der Leitung“ i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, mit dem nicht das gesamte Unternehmen, sondern nur dessen unselbständiger Teil in Form einer Betriebsstätte zugeordnet wird (s.a. Rz. 3). Im Vergleich unterscheiden sich Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 sowohl in Hinblick auf das individuelle Anknüpfungsmoment, nämlich zum einen die Person und zum anderen die feste Geschäftseinrichtung, als auch in Bezug auf die Intensität der Tätigkeit. Denn während für die Ansässigkeit der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung notwendig ist, genügt für eine Leitungsbetriebsstätte bereits ein Ausschnitt der geschäftlichen Leitungstätigkeit. Dieser tatbestandliche Unterschied wirkt sich auch in der Rechtsfolge aus. Denn während dem Staat, auf dessen Hoheitsgebiet sich der Ort der Geschäftsleitung befindet, das umfassende Besteuerungsrecht für die Unternehmensgewinne zusteht (Art. 7 Abs. 1 Satz 1), ist das Besteuerungsrecht des Staates, auf dessen Hoheitsgebiet sich nur ein Ort der Leitung befindet, auf den der Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinn beschränkt (Art. 7 Abs. 1 Satz 2). Typisches Beispiel für die Ansässigkeit allein auf Grund des Orts der Geschäftsleitung sind ausländische Kapitalgesellschaften, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer im Inland tätig wird. Für deren Besteuerung ist es vollkommen unbeachtlich, ob sie neben ihrem Ort der Geschäftsleitung im Inland über eine feste Geschäftseinrichtung verfügen.

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„Ort der Geschäftsleitung“ gem. § 10 AO. Der Ort der Geschäftsleitung gem. § 10 AO befindet sich am Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Einen solchen muss es immer geben, da die Geschäftsleitung notwendiger Bestandteil jeglicher gewerblicher Aktivität ist.4 Geben kann es ihn begrifflich nur einmal.5 Gemeint ist der Ort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird. Folglich kommt es darauf an, wo alle für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit mit einer gewissen Regelmäßigkeit angeordnet werden.6 Wesentlich ist, wo die tatsächlichen, organisatorischen und rechtsgeschäftlichen Handlungen getätigt werden, die der gewöhnliche Betrieb des Unternehmens mit sich bringt (sog. Tagesgeschäfte7). Entscheidend ist stets das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls.8 Die Ansicht, es könne auch mehrere Orte der Geschäftsleitung geben,9 ist daher abzulehnen.10 Dies gilt auch, wenn in einem Betrieb Leitungstätigkeiten an verschiedenen Orten ausgeübt werden. Zwar mag in solchen Fällen die Ermittlung des Mittelpunkts der Leitungsaktivitäten tatsächlich Schwierigkeiten bereiten. Jedoch ändert dies nichts an der Notwendigkeit, den Ort, an dem das Schwergewicht der Leitungsentscheidungen getroffen wird, zu identifizieren.11

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„In- bzw. ausländisches Unternehmen“ i.S.v. § 2 BsGaV. Den Ortsbezug des Unternehmens als in- oder ausländisches definiert § 2 Abs. 1 und 2 BsGaV autonom in Abhängigkeit vom Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung (siehe Rz. 92) im In- oder Ausland. In der Regel wird damit das Unternehmen i.S.v. Art. 3 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 39. Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 84. Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398. Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. Vgl. BFH v. 31.1.2002 – V B 108/01, BStBl. II 2004, 622. Vgl. BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175. Vgl. Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 9; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 49. Ebenso Dißars, DStZ 2011, 21 (26); Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 41; Gersch in Klein10, § 10 AO Rz. 3. Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86.

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C. Positivkatalog (Abs. 2)

Rz. 95 Art. 5 (2014)

Abs. 1 Buchst. d demselben Staat wie unter Anwendung von § 2 Abs. 1 und 2 BsGaV zugeordnet. Zu Abweichungen kommt es allerdings, wenn persönliche Zuordnung des Unternehmers und Ort der Geschäftsleitung auseinanderfallen. Denkbar ist dies v.a. bei natürlichen Personen und insbesondere bei Personengesellschaften (s. Rz. 78). Bei anderen als natürlichen Personen ist das Auseinanderfallen von Ansässigkeitsstaat des Unternehmers und Ort der Geschäftsleitung ausgeschlossen, da Art. 4 Abs. 3 im Falle der Doppelansässigkeit die Zuordnung zugunsten des Orts der Geschäftsleitung vornimmt (s. Rz. 91). „Übriges Unternehmen“, „Geschäftsleitungsbetriebsstätte“ i.S.d. VWG BsGa (siehe auch Rz. 4). Im BMF-Schr. vom 24.12.1999 wurde der Ausdruck „Stammhaus“ als Synonym für den Unternehmensstaat i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d verwendet.1 In den VWG BsGa von 2016 ist nur noch vom „übrigen Unternehmen“ die Rede. Dieser Begriff stammt aus dem innerstaatlichen Recht und bezeichnet alle Teile des Unternehmens mit Ausnahme der betreffenden Betriebsstätte.2 In Betracht kommen hierfür nicht nur Unternehmensteile in dem Staat, in dem der Unternehmer unbeschränkt steuerpflichtig ist, sondern auch der Staat, in dem der Unternehmer über eine weitere Betriebsstätte – neben der betreffenden Betriebsstätte – verfügt. Damit ist das übrige Unternehmen als Begriff weiter als der des Stammhauses und des abkommensrechtlichen Unternehmensstaats. Des Weiteren verwenden die VWG BsGa den Begriff der „Geschäftsleitungsbetriebsstätte“.3 Dieser Ausdruck wird nicht eigenständig definiert. Er beschreibt den Ort der Geschäftsleitung i.S.v. § 10 AO (s. Rz. 92), der sich in einer Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO befindet4. Als solcher ist der Begriff enger als der des „übrigen Unternehmens“. Denn er umfasst nicht Unternehmensteile, die keiner Betriebsstätte zuzuordnen sind. Hierin unterscheidet er sich auch vom abkommensrechtlichen Begriff des Unternehmensstaats, der ausschließlich an die Ansässigkeit der Person und nicht an das Vorhandensein einer Betriebsstätte im Ansässigkeitsstaat anknüpft.

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„Stätte der Geschäftsleitung“ i.S.v. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO. Gemäß § 12 Satz 2 Nr. 1 AO ist insbesondere auch eine Stätte der Geschäftsleitung als Betriebsstätte anzusehen. Diese befindet sich am Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO). Üblicherweise befindet sich der Ort der Geschäftsleitung in dem Betrieb zuzurechnenden Büroräumen, die als solche die Voraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.v. § 12 Satz 1 AO erfüllen. Zwingend ist dies jedoch nicht.5 Der Ort der Geschäftsleitung kann auch in fremden Büroräumen6 oder aber in der Wohnung des Leiters, Geschäftsführers oder Inhabers befinden. Nach h.M.7 ist aber auch in derartigen Fällen eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte anzunehmen, obwohl die Geschäftsleitungstätigkeit weder durch eine Geschäftseinrichtung noch eine Anlage des Betriebs ausgeübt wird, da die Fallbeispiele des § 12 Satz 2 AO den Grundtatbestand des Satz 1 erweitern (s. Rz. 86). Für diese Auslegung spricht der Wortlaut des § 12 Satz 2 Nr. 1 AO, soweit er sich auf die „Geschäftsleitung“ bezieht. Begründet wird dies mit dem Argument, die Geschäftsleitung eines Betriebs müsse notwendigerweise durch eine Betriebsstätte ausgeübt werden.8 Daher könne es keine betriebsstättenlosen betrieblichen Einkünfte i.S.d. § 15 EStG (sog. floating income) geben (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 65).9 Vom Wortlaut des Gesetzes her ist dies nicht zwingend.10 Zunächst verlangt § 15 Abs. 2 EStG, der definiert, welche Einkünfte gewerblich sind, mit keinem Wort das Vorhandensein einer Betriebsstätte als Tatbestandsvoraussetzung.11 Ferner setzt der Ort der Geschäftsleitung i.S.d. § 10 AO keine Geschäftseinrichtung voraus (s. Rz. 91). Schließlich begründet nur eine „Stätte“ der Geschäftsleitung gem. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO eine Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 65). Wenn hier eine bloße Bezugnahme auf den „Ort“ ohne Geschäftseinrichtung oder Anlage gewollt gewesen wäre, hätte ein entsprechender Verweis des Gesetzgebers auf § 10 AO genügt. Dies hat er aber nicht getan. Im Ergebnis wird daher hier der Verwaltungsmeinung der Vorzug gegeben, d.h. eine Stätte der Geschäftsleitung erfordert das Vorhandensein einer Geschäftseinrichtung oder Anlage. Auswirkungen hat diese Ansicht im Fall von floating income bei der Gewerbesteuer unbeschränkt Steuerpflichtiger i.S.v. § 1 Abs. 1 EStG bzw. § 1 Abs. 1 KStG und

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1 So BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.1, 2.4. 2 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182 Rz. 1. 3 Siehe z.B. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182 Rz. 77. 4 Siehe z.B. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182 Rz. 77. 5 Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. 6 Vgl. Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 2. 7 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398; Wassermeyer, IStR 2004, 676. 8 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 4, 29. 9 Vgl. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93; BStBl. II 1994, 148; Wassermeyer, IStR 2004, 676; Töben IStR 2017, 942 (945); FG München v. 31.5.2017 – 9 K 3041/15, IStR 2017 749 (751). 10 Im Erg. zustimmend BMF v. 14.5.2004, AEAStG, BStBl. I Sondernummer 1/2004, 3, Tz. 2.5.0.1. Nr. 1 Buchst. a; Kramer, IStR 2004, 672 (677); Hagemann, IStR 2017, 849 (850). 11 So zutreffend Kramer, IStR 2004, 672.

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Art. 5 (2014) Rz. 95

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der erweitert beschränkten Steuerpflicht gem. § 2 AStG. Denn während das Einkommensteuerrecht ebenso wie das Körperschaftssteuerrecht insoweit1 ausschließlich auf die Art der Tätigkeit gem. § 15 Abs. 2 EStG abstellen, setzt die Gewerbesteuer gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG zusätzlich das Vorhandensein einer Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO im Inland voraus.2 Die Auswirkungen der hier vertretenen Ansicht beschränken sich in der Praxis auf sportlich, künstlerisch oder ähnlich tätige Gewerbetreibende, die der Art ihres Gewerbes nach typischerweise keine feste Geschäftseinrichtung benötigen. Für diese Personengruppe hat der Gesetzgeber als Reaktion auf die Rspr.3 in § 2 Abs. 1 Satz 2 AStG eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Inland fingiert. Im Übrigen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften, die in Geschäftseinrichtungen ihrer Mitarbeiter oder Gesellschafter tätig werden, ist eine betriebsstättenlose Tätigkeit kaum vorstellbar.

III. Zweigniederlassung (Buchst. b) 96

Begriff des Handelsrechts. Der Begriff der Zweigniederlassung ist im Abkommen selbst nicht definiert. Gemäß Art. 3 Abs. 2 ist daher auf das innerstaatliche Recht i.S.v. §§ 13 ff. HGB zurück zu greifen.4 Danach ist die Zweigniederlassung ein rechtlich unselbständiger, tatsächlich aber auf Dauer räumlich und organisatorisch getrennter, weitgehend selbständiger Teil des Unternehmens, mit einem Leiter, der zwar im Innenverhältnis weisungsgebunden, aber doch nach außen weitgehend selbständig die Geschäfte führt.5 Diese Geschäfte entsprechen in der Regel sachlich dem Gegenstand des Handelsgewerbes der Hauptniederlassung. Sie dürfen sich nicht auf bloße Hilfs- oder Ausführungstätigkeiten beschränken.6 Diese handelsrechtliche Anforderung entspricht regelmäßig den Mindestanforderungen an eine Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1. Die Eintragung hat nach deutschem Verständnis nur deklaratorische Bedeutung.7 Sie begründet aber die widerlegbare Vermutung für das tatsächliche Bestehen einer Zweigniederlassung.8 Sofern allerdings das ausländische Recht eine Eintragung im Handelsregister zwingend vorsieht, kann aus dem Fehlen der Eintragung geschlossen werden, dass die Voraussetzungen für eine Zweigniederlassung nicht erfüllt sind.9 Umgekehrt kann die ausschließliche Eintragung einer Zweigniederlassung nach deutschem Verständnis keine Betriebsstätte begründen, da sie nicht die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 erfüllt (s. Rz. 226).10 Vom Ort der Geschäftsleitung bzw. Ort der Leitung unterscheidet sich die Zweigniederlassung durch die interne Weisungsgebundenheit des vor Ort tätigen Personals.

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§ 12 Satz 2 Nr. 2 AO. Die nationale Betriebsstättendefinition verwendet ebenso wie Art. 5 Abs. 2 OECDMA in seinem Beispielskatalog den Begriff der „Zweigniederlassung“. Dieser ist entsprechend (s. Rz. 96) im zivilrechtlichen Sinn auszulegen.11 Damit decken sich die innerstaatliche und die abkommensrechtliche Betrachtung.

IV. Geschäftsstelle (Buchst. c) 98

Begriff. Geschäftsstelle i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. c ist kein Rechtsbegriff, sondern ein Begriff tatsächlicher Art, der nach seiner gewöhnlichen Bedeutung auszulegen ist (Art. 31 Abs. 1 WÜRV).12 Danach sind Geschäftsstellen sämtliche Geschäftseinrichtungen, in denen unternehmensbezogene Tätigkeiten ausgeführt werden. Typischerweise werden etwa als Geschäftsstellen benannt Agenturen, Verkaufsstellen, Zahlstellen,13 Filialen, Vertretungen sowie Kontakt-,14 Verbindungs- und Korrespondenzbüros.15 Die zu unternehmeri1 Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht verlangen beide Rechtsordnungen eine Betriebsstätte (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). 2 BFH v. 20.12.2017 – I R 98/15, BFH/NV 2018, 497, Rz. 27; Wassermeyer, IStR 2004, 676. 3 BFH v. 19.12.2007 – R 19/06, BStBl. II 2010, 398. 4 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 53. 5 Vgl. BGH v. 8.5.1972 – II ZR 155/69, NJW 1972, 1859; Bayerisches ObLG v. 11.5.1979 – 1 Z 21/79, BB 1980, 335. 6 Vgl. Ries in Röhricht/Graf von Westphalen4, § 13 HGB Rz. 4. 7 Vgl. KG v. 18.11.2003 – 1 W 444/02, ZIP 2003, 2300. 8 Vgl. BFH v. 30.1.1981 – III R 116/79, BStBl. II 1981, 560; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.246. 9 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 71. 10 Vgl. Günkel in G/K/G/K, Art. 5 OECD-MA Rz. 144. 11 Vgl. RFH v. 6.10.1925 – 25 II A 397/25, RFHE 17, 205. 12 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 73. 13 Vgl. Ries in Röhricht/Graf von Westphalen4, § 13 HGB Rz. 5. 14 Vgl. BFH v. 17.12.1998 – I B 101/98, BFH/NV 1999, 753. 15 Statt aller: Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 55.

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C. Positivkatalog (Abs. 2)

Rz. 104 Art. 5 (2014)

schen Zwecken genutzten Räume müssen auch nicht eine spezielle Geschäftsausstattung vorweisen. Es reicht aus, dass sie tatsächlich als Büro benutzt wurden.1 Als eigenständiger Typus im Beispielskatalog des Art. 5 Abs. 2 sind Geschäftsstellen von den übrigen dort genannten Beispielen abzugrenzen.2 Daher können sie kein Ort der Leitung (s. Rz. 90) sein, d.h. in ihr dürfen nur Managementaufgaben unterhalb der Leitungsebene ausgeübt werden.3 Ferner darf sie nicht mit der weitgehenden Selbständigkeit einer Zweigniederlassung (s. Rz. 96) ausgestattet sein. Umgekehrt darf sie nicht nur reine Hilfsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 4 sein, wie es typischerweise bei reinen Waren- und Auslieferungslagern oder Annahmestellen der Fall ist. Im Ergebnis ist daher von einer typischen Geschäftsstelle i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. c auszugehen, wenn durch sie eine nachgeordnete werbende Tätigkeit am lokalen Markt durch weisungsabhängiges Personal ausgeübt wird. Typischerweise ist dies der Fall bei Erledigung einfacher Routineaufgaben ohne Entscheidungsspielraum. § 12 Satz 2 Nr. 3 AO. Der Begriff der Geschäftsstelle des § 12 Satz 2 Nr. 3 AO ist mit dem des Art. 5 Abs. 2 Buchst. c weitgehend identisch.4 Im Unterschied zu § 12 Satz 2 Nr. 3 AO müssen in der Geschäftsstelle i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. c jedoch mehr als reine Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA erbracht werden.

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V. Fabrikationsstätte (Buchst. d) Begriff. Nach dem allgemeinen Wortsinn ist unter einer Fabrikationsstätte jede Einrichtung zu verstehen, in der insbesondere unter Anwendung industrieller Fertigungsmethoden Vor- oder Endprodukte hergestellt, be- oder verarbeitet werden. Wegen des Beispielcharakters des Abs. 2 muss sie jedoch zusätzlich die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 erfüllen. In der Praxis wird dies bei einer Produktionstätigkeit regelmäßig als wesentlicher Bestandteil der gesamtunternehmerischen Wertschöpfung gegeben sein.

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Abgrenzung zu § 12 Satz 2 Nr. 4 AO. Der Begriff der Fabrikationsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. d deckt sich ebenso wie der Begriff der Werkstätte in Art. 5 Abs. 2 Buchst. e mit den Begriffen des innerstaatlichen Rechts i.S.v. § 12 Satz 2 Nr. 4 AO.5 Nach dem Wortlaut bedarf sie keiner tätigkeitsbezogenen Mindestschwelle.6 Wegen des bloßen Beispielscharakters des Art. 5 Abs. 2 muss aber die Tätigkeit (Herstellung, Be- oder Verarbeitung) über die Mindestschwelle einer reinen Hilfstätigkeit hinausgehen.7 Ferner müssen die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 erfüllt sein (vgl. Rz. 42).

101

VI. Werkstätte (Buchst. e) Begriff. Im Unterschied zur Fabrikationsstätte dient die Werkstätte weniger der industriellen Fertigung, sondern einer handwerklichen Tätigkeit (z.B. Reparaturleistungen, Wartungsarbeiten).8

102

Abgrenzung zu § 12 Satz 2 Nr. 4 AO. Ebenso wie die Fabrikationsstätte deckt sich der Begriff der Werkstätte mit dem des innerstaatlichen Rechts (§ 12 Satz 2 Nr. 4 AO). Auch die Werkstätte muss die Mindestanforderungen des Art. 5 Abs. 1 erfüllen, um Betriebsstättenfolgen auszulösen (vgl. Rz. 42).9

103

VII. Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen (Buchst. f) Begriff. Art. 5 Abs. 2 Buchst. f sieht vor, dass Bergwerke, Öl- oder Gasvorkommen, Steinbrüche oder ande- 104 re Stätten der Ausbeutung von Bodenschätzen Betriebsstätten sind. Der Ausdruck „eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen“ ist weit auszulegen (vgl. Art. 5 Rz. 47 OECD-MK 2017). Er umfasst z.B. alle Stätten der Ausbeutung von Kohlenwasserstoffvorkommen, und zwar sowohl auf dem Festland als auch auf See (zum Hoheitsgebiet auf See siehe Rz. 7). Die Erforschung dieser Vorkommen, sei es auf dem Festland oder auf See fällt nicht unter Buchst. f (vgl. Art. 5 Rz. 48 OECD-MK 2017). Ebenso wenig fallen hierunter Stätten zur Gewinnung von Solar- und Windenergie, da insoweit keine Ausbeutung von Boden1 2 3 4 5 6 7 8 9

S. auch BFH v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755. Ebenso Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 26. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 76. Vgl. BFH v. 17.12.1998 – I B 101/98, BFH/NV 1999, 753. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 78. So Haase in Haase3, Art. 5 OECD-MA Rz. 84. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 44. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 57. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 44.

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Betriebstätte

schätzen vorliegt. Folgen für die Praxis ergeben sich aus dieser Lücke jedoch nicht. Denn in der Regel begründen die zur Gewinnung von Solar- oder Windenergie notwendigen technischen Einrichtungen Betriebsstätten i.S.v. Art. 5 Abs. 1 mit der Folge, dass der Quellenstaat gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ein Besteuerungsrecht für die aus diesen Quellen erwirtschafteten Gewinne erhält. Gleichwohl verwendet Deutschland in seinen neueren DBA1 deshalb die Formulierung „Ausbeutung natürlicher Ressourcen“. 105

Abgrenzung zu § 12 Satz 2 Nr. 7 AO. Sämtliche „Stätten“ begründen nur unter den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 eine Betriebsstätte.2 Im Unterschied zum innerstaatlichen Betriebsstättenbegriff i.S.d. § 12 Satz 2 Nr. 7 AO genügt daher die rein tatsächliche Sachherrschaft über die Stätte nicht. Ferner unterscheidet sich § 12 Satz 2 Nr. 7 AO von Art. 5 Abs. 2 Buchst. f vom Wortlaut durch die Erfassung von örtlich fortschreitenden oder schwimmenden Ausbeutungsstätten als Betriebsstätten. Aus Art. 5 Rz. 58 OECD-MK (2017) folgt aber, dass auch die örtlich fortschreitenden Stätten unter Art. 5 Abs. 2 Buchst. f fallen.3

D. Bau- und Montageausführungen (Abs. 3) I. Regelungszweck 106

Allgemeines. Art. 5 Abs. 3 bestimmt ausdrücklich, dass eine Bauausführung oder Montage nur dann eine Betriebsstätte ist, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet (vgl. Art. 5 Rz. 49 OECD-MK 2017). Damit nehmen diese Tatbestände eine abkommensrechtliche Sonderstellung (Spezialregelung) unter den Betriebsstätten ein. Denn bei ihnen kommt es für das Besteuerungsrecht des Quellenstaats (Art. 7 Abs. 7 Satz 1) nicht darauf an, dass die Tätigkeit durch eine feste Geschäftseinrichtung ausgeübt wird. Insbesondere die Tatbestandselemente der örtlichen Festigkeit (s. Rz. 51) und tatsächlichen Sachherrschaft (s. Rz. 60 ff.) spielen damit keine Rolle. Entscheidend ist allein die Fristüberschreitung, d.h. die Dauer der unternehmerischen Dienstleistung (s. Rz. 12). Dadurch wird der Betriebsstättenbegriff erweitert.4 Allerdings wird durch die Definition in dem eigenständigen Abs. 3 die ggf. bei Nennung in Abs. 2 drohende, begriffserweiternde Wirkung (vgl. dazu Rz. 88) auf die anderen Katalogtatbestände vermieden.5 Die Zuteilung des Besteuerungsrechts an den Projektstaat rechtfertigt sich wirtschaftlich daraus, dass das Unternehmen durch Bauausführungen oder Montagen in einem erheblichen Umfang am Wirtschaftsleben des Quellenstaats partizipiert und dieser einen Ausgleich für die durch den Zugriff auf seine Infrastruktur entstehenden Lasten erhalten soll.6 Daher erscheint es als gerechtfertigt, Geschäftseinrichtungen dieser Art als Betriebsstätten zu fingieren.7 Die unbestimmten Rechtsbegriffe „Bauausführung“ und „Montagen“ sind abkommensrechtlich nicht näher definiert und daher auszulegen. Nach allgemeiner Meinung wird dabei auf die Normeninterpretation zu § 12 Satz 2 Nr. 8 AO zurück gegriffen werden.8 Ob dieser Rückgriff auf Basis des Art. 3 Abs. 29 oder auf Basis einer autonomen Auslegung aus dem abkommensrechtlichen Verständnis10 erfolgt, kann im Ergebnis dahinstehen.

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Spezialitätsvorrang. Während Bauausführungen und Montagen eine Mindestdauer von zwölf Monaten verlangen, ist eine Betriebsstätte i.S.d. Abs. 1 grundsätzlich als zeitlich fest anzusehen, wenn ihre Dauer sechs Monate überschreitet (vgl. Rz. 56). Gleichwohl begründen nach allgemeiner Ansicht11 feste Geschäftseinrichtungen, wie z.B. Baucontainer, keine Betriebsstätten, sofern sie lediglich Bauausführungen oder Montagen dienen, die die Zwölf-Monatsfrist nicht überschreiten. Die OECD begründet dies damit, dass die Dienstleistungsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 3 im Fall der Idealkonkurrenz als speziellere Regelung (s. Rz. 106) den Tatbestand der Geschäftsstelle oder Werkstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 2 verdrängt (vgl. Art. 5 Rz. 49 OECDMK 2017). An dieser Konkurrenz fehlt es, wenn das Unternehmen ausschließlich überwachend tätig ist. Da1 Z.B. DBA-Spanien 2011, DBA-Großbritannien. 2 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 45; einschränkend Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 83. 3 Ebenso Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 81. 4 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 62. 5 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 56. 6 Vgl. Gassner in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 57 (59). 7 Ebenso Bendlinger/Görl/Schon, Intertax 2006, 180; a.A. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 64. 8 Vgl. etwa Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 91. 9 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 8. 10 So Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 104, 112. 11 Vgl. BFH v. 16.5.2001 – I R 47/00, IStR 2001, 564; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – BetriebsstättenVWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.2; Art. 5 Rz. 16 OECD-MK; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 95.

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D. Bau- und Montageausführungen (Abs. 3)

Rz. 111 Art. 5 (2014)

her ist in diesen Fällen die Betriebsstätteneigenschaft gem. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA zu prüfen.1 Finanzverwaltung2 und Rechtsprechung3 begründen den Vorrang mit der Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion der Geschäftseinrichtung. Dementsprechend kann eine feste Geschäftseinrichtung zu einer Betriebsstätte führen, wenn sie die Leitung über mehrere kurzfristige Bauausführungen oder Montagen ausübt4 und insoweit die Funktion der Geschäftseinrichtung über das schlichte Fördern der Tätigkeiten i.S.v. Art. 5 Abs. 3 hinausgeht. Versteht man das Normenverhältnis mit der OECD im Sinne der Spezialität, kann die Geschäftseinrichtung ein Besteuerungsrecht des Quellenstaats allerdings nur dann begründen, wenn die wirtschaftliche Bedeutung (Wertschöpfungsbeitrag) der einzelnen Bauausführung oder Montage im Vergleich zur gesamten Leitungsfunktion vernachlässigbar ist. Einzelheiten der Gewinnabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten sind in Art. 7 (2008) Rz. 212 ff. dargestellt. Abgrenzung zu § 12 Satz 2 Nr. 8 AO. § 12 Satz 2 Nr. 8 Buchst. a–c AO regelt und nennt ebenso wie Art. 5 Abs. 3 die Betriebsstättenbegründung durch Bauausführungen und Montagen. Im Übrigen enthält der Wortlaut der Norm allerdings einige Unterschiede. Zunächst erfasst § 12 AO ausdrücklich auch örtlich fortschreitende oder schwimmende Bauausführungen oder Montagen (s. Rz. 110 f.). Ferner beträgt die Mindestfrist nicht zwölf sondern nur sechs Monate (s. Rz. 124 f.). Schließlich erlaubt § 12 AO eine additive Betrachtung verschiedener Bauausführungen und/oder Montagen, wenn entweder eine von mehreren nebeneinander bestehenden oder mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende die Mindestfrist überschreiten (s. Rz. 115 ff.).

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Änderungen des Abs. 3 durch das MLI, OECD-MA (2017). Der Wortlaut des Abs. 3 wird durch das MLI bzw. das OECD-MA (2017) nicht verändert. Den Vorschlag des Verbots der Vertragsaufteilung gem. Art. 5 Rz. 52 OECD-MK (2017) bzw. Art. 14 MLI hat Deutschland nicht umgesetzt (siehe Art. 5 (2017) Rz. 27 ff.)). Rücksicht zu nehmen ist allerdings auf die allgemeine Regel zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch gem. Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) bzw. Art. 7 MLI (siehe Art. 5 (2017) Rz. 45 ff.).

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II. Tätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 3 Bauausführung. Der Ausdruck „Bauausführung“ ist im OECD-MA selbst nicht definiert. Gemäß Art. 3 Abs. 2 darf insoweit auf das innerstaatliche Verständnis zurückgegriffen werden. Im Einklang mit dem OECD-Verständnis (vgl. Art. 5 Rz. 50 OECD-MK 2017) bezieht er sich nicht nur auf die Erstellung von Bauwerken, sondern auch auf den Bau von Straßen, Brücken und Kanälen, die Renovierung von Gebäuden, Brücken, Straßen oder Kanälen (sofern sie über die bloße Unterhaltung oder den bloßen Neuanstrich hinausgeht), das Legen von Rohrleitungen sowie Erd- und Baggerarbeiten. Er erfasst nicht nur Bautätigkeiten im engeren Sinne, sondern alle zur Fertigstellung eines Bauwerks oder einer Anlage erforderlichen Arbeiten.5 Auch Abbruchtätigkeiten gehören dazu und zwar selbst dann, wenn sie lediglich der Beseitigung des vorhandenen Bauwerks oder der Anlage dienen (z.B. Rückbau eines Atomkraftwerks).6 Umgekehrt umfasst sie weder die Zulieferung von Material7 noch die im Ansässigkeitsstaat erbrachte Planungsleistung8 (siehe auch zur Planung und Überwachung Rz. 113). Denn nach Sinn und Zweck der Norm ist die substanzsteigernde Tätigkeit im Quellenstaat entscheidend.9 Bildlich gesprochen fängt damit die Betriebsstätten begründende Bauausführung an der Baustelle im Quellenstaat an.

110

Montage. Der Begriff der „Montage“ ist im OECD-MA ebenfalls nicht definiert. Nach dem Verständnis der OECD ist er aber nicht auf Montagen beschränkt, die mit einem Bauprojekt zusammenhängen; vielmehr schließt er z.B. auch die Montage einer neuen Ausrüstung wie z.B. einer komplexen Maschine in einem bestehenden Gebäude oder im Freien ein (vgl. Art. 5 Rz. 50 OECD-MK 2017). Diese Sicht deckt sich mit dem innerstaatlichen Recht, wo in § 12 Satz 2 Nr. 8 AO durch die Verwendung der Formulierung „oder“

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1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.2; allerdings kann der Betriebsstättenbesteuerung in diesen Fällen nur die Wertschöpfung aus der Überwachungstätigkeit, nicht aber aus der originären Bau- oder Montagetätigkeit zu Grunde gelegt werden. 2 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.2. 3 Vgl. BFH v. 16.5.2001 – I R 47/00, BStBl. II 2002, 846. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.2. 5 Vgl. statt aller: Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 65; RFH v. 21.1.1942 – VI B 21/41, RStBl. 1942, 66; BFH v. 22.9.1977 – IV R 51/72, BStBl. II 1978, 140; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 58; Haase in Haase3, Art. 5 OECD-MA Rz. 94; Fresch/Strunk in S/K/K, Art. 5 OECD-MA Rz. 91. 6 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 104; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 58. 7 Vgl. BFH v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94. 8 Ebenso Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 114. 9 Ebenso Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 65.

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Betriebstätte

zum Ausdruck kommt, dass der „Montage“ neben der „Bauausführung“ auch eine eigenständige Bedeutung zukommt.1 Im Ergebnis gehören daher sämtliche Arbeiten, die dem endgültigen Zusammenfügen oder dem Um-/Einbau zu einem Ganzen dienen, zu einer Montagetätigkeit.2 Bloße Reparatur- bzw. Instandsetzungsarbeiten fallen nicht hierunter,3 denn entscheidend ist auch hier die substanzsteigernde Tätigkeit im Quellenstaat (vgl. Rz. 110). Steht die Tätigkeit des Zusammenfügens zu einem Ganzen im Zentrum des Begriffs, können auch „geistige Montagetätigkeiten“ in Bezug auf immaterielle Wirtschaftsgüter (vgl. Rz. 226), wie z.B. die Installation einer Software in einer EDV-Landschaft des Auftrag gebenden Unternehmens im Quellenstaat, darunter fallen.4 Dies widerspricht jedoch dem Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 3, der dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht als Ausgleich für die durch den Zugriff auf seine Infrastruktur entstehenden Lasten zuweist.5 Diese Lasten entstehen im Falle der „geistigen Montage“ nicht.6 112

Keine Materiallieferungen. Die Anlieferung von Material oder zu montierenden Anlageteilen durch das Stammhaus stellt keine Bau- oder Montagetätigkeit dar.7 Das gilt auch dann, wenn die Lieferung der Teile und deren spätere Verarbeitung/Montage durch ein und dasselbe Unternehmen erfolgen. Vielmehr ist im Fall eines Werklieferungsvertrags die Lieferung der zu verarbeitenden/montierenden Teile noch der Produktion zuzuordnen. Diese Handhabung stimmt mit dem Grundsatz überein, dass auch die Gewinne aus einer Materiallieferung des Stammhauses nicht der Montagebetriebsstätte, sondern dem Stammhaus zuzurechnen sind.8

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Planung und Überwachung. Planungstätigkeiten und die Überwachung fallen zwar auch unter Art. 5 Abs. 3 (vgl. Art. 5 Rz. 50 OECD-MK 2017), aber nur, soweit sie vom Unternehmer selbst als Teilleistung der maßgeblichen Bau- bzw. Montagetätigkeit im Quellenstaat ausgeführt werden.9 Wird die Tätigkeit vom Stammhaus ausgeübt, gehört sie zwar zur unternehmerischen Tätigkeit, jedoch nicht zur Bau- oder Montagetätigkeit.10 Wird die Planungs- und/oder Überwachungstätigkeit im Quellenstaat erbracht – jedoch ohne Zusammenhang mit einer Bau- oder Montagetätigkeit im Quellenstaat – kann sie keine Betriebsstätte i.S.v. Abs. 3 begründen.11 Eine dahingehende „geistige Montage“ ist abzulehnen (vgl. Rz. 111). Durch die Zurechnung von originären Bau- oder Montagetätigkeiten (vgl. Rz. 120) kann es aber dennoch zu einer Betriebsstättenbegründung gem. Abs. 3 kommen (vgl. Rz. 114). In der Praxis ist daher entscheidend, ob der Unternehmer die Kernleistung als solche (Bau- oder Montagetätigkeit) oder ausschließlich die Planungs- und Überwachungsleistung eigenverantwortlich schuldet.12 Für zuletzt genannten Fall sei beispielhaft an den Architekten gedacht, der für den Bauherrn die Koordinierung und Bauaufsicht übernimmt, ohne für die Leistungen der Bauunternehmen zu haften. Diese isolierte Überwachungstätigkeit wirkt nur Betriebsstätten begründend, wenn dies im DBA ausdrücklich vereinbart worden ist.13 In den anderen Fällen ist zu prüfen, ob die Tätigkeit durch eine feste Geschäftseinrichtung (Abs. 1) im Quellenstaat erbracht wird.14 Ist dies der Fall, steht dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht auf den vor Ort (durch die Geschäftseinrichtung) verursachten Planungs- und Überwachungserfolg zu. Entscheidend sind insoweit die mit der Tätigkeit verbundenen Funktionen und Risiken.15 Einzelheiten der Gewinnabgrenzung sind in Art. 7 (2008) Rz. 212 ff. dargestellt.

1 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 112. 2 Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. 3 Vgl. BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.1. 4 Vgl. Kolck, Der Betriebsstättenbegriff im nationalen und internationalen Steuerrecht, 1974, S. 88. 5 Vgl. Gassner in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 57 (59). 6 I.E. zustimmend: Schieber, IStR 1994, 527, Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 61. 7 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.7. 8 Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999 694; v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94. 9 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.2; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 61. 10 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.7. 11 Vgl. BFH v. 3.2.1993 – I R 81/91, BStBl. II 1993, 462 (466). 12 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.2. 13 Vgl. Art. 5 Abs. 3 DBA-Ägypten, Prot. Nr. 1 zu Art. 5 DBA-Australien, Art. 5 Abs. 3 Buchst. a DBA-China, Art. 5 Abs. 2 Buchst. i DBA-Indien, Prot. Nr. 1 Buchst. a zu Art. 5 DBA-Kenia, Prot. Nr. 1 zu Art. 5 DBA-Korea, Prot. Nr. 3 Buchst. a zu Art. 5 DBA-Malaysia, Art. 5 Abs. 2 Buchst. h DBA-Philippinen, Prot. Nr. 1 zu Art. 5 DBA-Sambia, Prot. Nr. 1 zu Art. 5 DBA-Singapur, Art. 5 Abs. 2 Buchst. g DBA-Türkei, Art. 5 Abs. 2 Buchst. g DBA-Tunesien, Prot. Nr. 1 zu Art. 5 DBA-Zypern. 14 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.2; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 115. 15 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 115.

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D. Bau- und Montageausführungen (Abs. 3)

Rz. 116 Art. 5 (2014)

Eigeninvestitionen. Teilweise wird in der Literatur vertreten, Bau- und Montageausführungen für eigenbetriebliche Zwecke fielen nicht unter den Tatbestand des Art. 5 Abs. 3, insbesondere da es insoweit an einem Außenvertrag fehle, der dem Auftragnehmer die Chance eines Gewinns aus der Inanspruchnahme der Volkswirtschaft des Quellenstaates für eine Bauausführung oder Montage eröffnet.1 Übersehen wird dabei, dass der technische Charakter der gem. Art. 5 Abs. 3 zu beurteilenden Aktivitäten unabhängig von der Motivation des Unternehmers zu beurteilen ist. Auch das Erfordernis eines Außenvertrags lässt sich dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 nicht entnehmen. Vielmehr ist bei Erfüllen der tatbestandlichen Voraussetzungen von einer Betriebsstätte im Quellenstaat auszugehen. Denn unabhängig von der Frage, ob der Unternehmer für sich oder für einen anderen tätig wird, wird die Volkswirtschaft und Infrastruktur des Quellenstaates wie bei jeder Bauausführung oder Montage gesteigert in Anspruch genommen. Genau diese Inanspruchnahme ist aber der Rechtsgrund für das Besteuerungsrecht des Quellenstaates.2 Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 kommt es aber nur auf die Tätigkeit, nicht aber auf das Bestehen eines Vertrags des Unternehmers mit einem Dritten an.3 Auch kann eine mehr als zwölf-monatige Bau- oder Montagetätigkeit nicht als reine Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit angesehen werden,4 denn als solche kommen nur Tätigkeiten von ganz untergeordneter Bedeutung in Frage.5 Bei einer Bau- oder Montagetätigkeit handelt es sich aber – wie bei jedem Herstellungsprozess – um einen wesentlichen Beitrag der unternehmensinternen Wertschöpfung. Dies muss insbesondere für Unternehmen gelten, die Gebäude/Wohnungen im anderen Staat errichten, um sie sodann zu verkaufen.

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III. Zusammenfassung von Tätigkeiten Tätigkeitsbezogene Beurteilung. Nach Art. 5 Abs. 3 ist jede Bau- oder Montageausführung für sich gesondert zu beurteilen. Eine additive Betrachtung, wie sie § 12 Satz 2 Nr. 8 Buchst. a und b AO enthalten (s. Rz. 120), kennt das OECD-MA nicht. Ob einheitliche oder verschiedene Tätigkeiten vorliegen, beurteilt sich nach der Zusammengehörigkeit der Tätigkeiten (Steuerobjekte) und nicht nach deren Zuordnung zu derselben Person (Steuersubjekt). Daher genügt es für die Annahme einer Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 3 nicht, dass derselbe Steuerpflichtige während der Mindestfrist verschiedene Bau- oder Montagetätigkeiten im Quellenstaat verrichtet. Umgekehrt beseitigt das Verbot der Addition nicht die Vorfrage, ob die zu beurteilenden Tätigkeiten als Einheit anzusehen sind. Hiervon geht die OECD aus, wenn sie zwar auf verschiedenen Verträgen beruhen, aber wirtschaftlich und geographisch ein zusammenhängendes Ganzes bilden (vgl. Art. 5 Rz. 18 OECD-MK). Dies ist nur ausgeschlossen, wenn die zu beurteilenden Bau- oder Montagetätigkeiten in verschiedenen Staaten stattfinden.6

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Wirtschaftliche Einheit. Von einer wirtschaftlichen Einheit ist auszugehen, wenn die verschiedenen Bauund Montagetätigkeiten ein Gesamtprojekt bilden,7 d.h. sie sachlich, insbesondere wirtschaftlich, finanziell oder organisatorisch innerlich zusammenhängen (s. Rz. 53). Ob dies der Fall ist, ergibt sich nach Ansicht der Rspr. bei wertender Betrachtung aus der (subjektiven) Sicht des Auftragnehmers.8 Diese Sicht überzeugt nicht. Denn nach der OECD ist der Zweck der an wirtschaftlichen Kriterien orientierten additiven Betrachtung, Missbräuche zu vermeiden (vgl. Art. 5 Rz. 51 f. OECD-MK (2014)). Gemäß § 42 Abs. 2 AO ist aber der Maßstab für die Frage des Missbrauchs kein subjektiver, sondern ein objektiver. So liegt von Gesetzes wegen ein Missbrauch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Entscheidend ist die objektiv unangemessene Gestaltung und nicht die subjektive Sicht des Steuerpflichtigen. Diese kann bestenfalls als Rechtfertigungsgrund herangezogen werden (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 2 AO). Auf Art. 5 Abs. 3 übertragen kommt es nicht auf die Dauer der einzelvertraglichen Leistung sondern auf die Dauer aller wirtschaftlich zusammenhängenden Tätigkeiten des Steuerpflichtigen im Quellenstaat an. Allein deren rechtliche Aufspaltung kann keinen Wechsel des Quellenbesteuerungsrechts auslösen. Deshalb sollen nach Auffassung der OECD mehrere Bau- und Montageausführungen sogar dann eine Einheit bilden können, wenn die Aufträge von verschiedenen Personen erteilt worden sind (z.B. für die Erstellung

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1 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 142. 2 Vgl. Gassner in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 57 (59). 3 So aber Weissenborn, BB 1959, 951. 4 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 142. 5 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 93. 6 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.5; ebenso Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 118. 7 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.5. 8 Vgl. BFH v. 16.5.2001 – I R 47/00, BStBl. II 2002, 846; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 72.

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Betriebstätte

von Reihenhäusern; vgl. Art. 5 Rz. 51 OECD-MK (2014)).1 Vor diesem Hintergrund spricht aber umso mehr für eine wirtschaftliche Einheit, wenn dieselben Personen Verträge über gleichartige Tätigkeiten vereinbaren.2 Deshalb überzeugt die Rspr. nicht, die trotz Identität der Vertragsparteien und Gleichartigkeit der Tätigkeiten das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit abgelehnt hat, weil nicht nachgewiesen war, dass der Folgeauftrag bereits bei Abschluss des ersten Vertrags geplant war.3 117

Konsequenzen des MLI; rechtliche Trennung einheitlicher Verträge unbeachtlich (siehe Art. 5 (2017) Rz. 45 ff.). Gemäß Art. 7 Abs. 1 MLI ist von einer wirtschaftlichen Einheit mehrerer Bau- bzw. Montagetätigkeiten auszugehen, wenn der Steuerpflichtige nach Addition der Zeiten seiner sämtlichen, örtlich und wirtschaftlich zusammenhängenden Tätigkeiten länger als 12 Monate im Quellenstaat tätig ist. Unbeachtlich ist insoweit die rechtliche Aufteilung der Tätigkeit auf verschiedene, z.B. zeitlich aufeinander folgende Verträge mit demselben oder aber ggf. auch verschiedenen Auftraggebern, denn nach dem Willen des Abkommens kommt es für das Besteuerungsrecht des Quellenstaats ausschließlich auf die tatsächliche Dauer der Anwesenheit zur einheitlichen Tätigkeitsverrichtung an (vgl. Art. 5 Rz. 51 f. OECD-MK). Indes ist die rechtliche Trennung einer einheitlichen Tätigkeit ggü. verschiedenen Auftraggebern nicht missbräuchlich i.S.v. § 42 AO, da anzuerkennen ist, dass der Steuerpflichtige mit sämtlichen Auftraggebern eigenständige Verträge abschließt. Nach nationalem Verständnis liegt in diesem Fall gleichwohl eine Betriebsstätte vor, wenn die aufeinander folgenden Bau- und Montageausführungen insgesamt die Frist von 6 Monaten übersteigen. Denn unter den in § 12 Satz 2 Nr. 8 Buchst. b und c AO genannten Voraussetzungen sind verschiedene Tätigkeiten einheitlich zu betrachten (s. Rz. 120).

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Konsequenzen des MLI; keine wirtschaftliche Einheit verschiedener Personen (siehe Art. 5 (2017) Rz. 42 ff.). Gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. b MLI ist die Aufteilung miteinander zusammenhängender Bauund Montagetätigkeiten auf mehrere eng verbundene Unternehmen i.S.d. Art. 15 MLI für die Fristberechnung i.S.d. Art 5 Abs. 3 unbeachtlich, sofern die einzelnen Tätigkeiten jeweils 30 Tage überschreiten. Erfüllen die Beteiligten die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 MLI, erhält der Quellenstaat für jedes beteiligte Unternehmen ein Besteuerungsrecht für dessen Gewinn, den dieses aus der anteiligen Bauausführung erzielt. Für Deutschland ist diese Regelung jedoch nicht anzuwenden, da dieses bei Unterzeichnung des MLI von dem Vorbehaltsrecht gem. Art. 14 Abs. 3 Buchst. a MLI Gebrauch gemacht hat.

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Geographische Einheit. Unproblematisch sind die Fälle, in denen ein örtlicher Zusammenhang der zu beurteilenden Einzeltätigkeiten besteht. Unschädlich ist daher, wenn die Tätigkeiten während des Betrachtungszeitraums zwar zu unterschiedlichen Zeitpunkten an verschiedenen Orten, jedoch ständig in einem örtlichen Zusammenhang erbracht werden und die örtliche Verschiedenheit lediglich ihre Ursache im Fortschreiten oder „Schwimmen“ der Tätigkeit hat (vgl. Art. 5 Rz. 57 OECD-MK 2017). Denn wegen des unterschiedlichen Wortlauts ist für die Annahme einer Dienstleistungsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 3 keine Ortsfestigkeit der Tätigkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 1 erforderlich. Typische Beispielsfälle hierfür sind fortschreitende (z.B. Straßen-Kanal- oder Leitungsbautätigkeiten)4 oder sog. schwimmende Baustellen.5 Anders ist es hingegen, wenn Zweifel an dem örtlichen Zusammenhang der wirtschaftlich zusammenhängenden Tätigkeiten bestehen. Denn eine geographische Einheit lässt sich mangels Rechtsgrundlage nicht anhand eines bestimmten Radius festmachen.6 Ihre dahin tendierende Ansicht – 50 km – hat die Finanzverwaltung7 im Anschluss an die Rspr. durch Veröffentlichung der Entscheidung im BStBl. II aufgegeben.8 Dies bedeutet aber nicht, dass jeder noch so kleine räumliche Abstand der Tätigkeiten die geographische Einheit beseitigt. Einheitliche Vorgaben, wie z.B. ortsverschiedene Tätigkeiten auf demselben Werksgelände begründeten einen örtlichen Zusammenhang, nicht aber dieselben Tätigkeiten innerhalb desselben Stadtviertels9, überzeugen insoweit nicht. Vielmehr ist entscheidend, dass der räumliche Zusammenhang noch ein organisatorisch einheitliches Arbeiten ermöglicht.10 Dies hängt in erheblichem Umfang von der Größe des zu beurteilenden Projekts und dem Verantwortungsbereich des jeweiligen Unternehmers ab. So ist m.E. beispielsweise ein Brückenbauprojekt, das gleichzeitig von den beiden Brückenenden her betrieben wird, für den gesamtverantwortlichen Unternehmer auch dann als geographische Einheit anzusehen, wenn die Brü1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

A.A. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 72. Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. Vgl. BFH v. 16.5.2001 – I R 47/00, BStBl. II 2002, 846. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 123. Ebenso BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.5; Mittermüller, RIW 1982, 812 (813). Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 72. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.5. Vgl. BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, BStBl. II 2004, 932. Vgl. Buciek, DStZ 2003, 139 (142). Vgl. BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, BStBl. II 2004, 932; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 72.

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D. Bau- und Montageausführungen (Abs. 3)

Rz. 123 Art. 5 (2014)

ckenenden 3 km auseinander (z.B. in verschiedenen Städten) liegen. Diese additive Betrachtung für den Gesamtverantwortlichen hindert jedoch nicht, verschiedene geographische Einheiten für Bautätigkeiten anderer Unternehmer innerhalb dieses Projekts anzunehmen. Für die Frage der geographischen Einheit (vgl. Rz. 54) ist daher zunächst bei objektiver Wertung der Verantwortungsbereich und sodann dessen örtliche Ausdehnung zu bestimmen, ehe untersucht wird, ob die konkreten Einzeltätigkeiten innerhalb dieses Verantwortungsbereichs liegen. Unbeachtlich ist insoweit, ob die Tätigkeiten zeitlich aufeinanderfolgend oder gleichzeitig stattfinden,1 denn für die Fristberechnung ist ausschließlich der Beginn und das Ende der geschuldeten Tätigkeit maßgeblich (s. Rz. 124 f.). Abgrenzung zu § 12 Satz 2 Nr. 8 AO. Gemäß § 12 Satz 2 Nr. 8 Buchst. b AO bilden verschiedene Bauausführungen und/oder Montagen eine Betriebsstätte, wenn eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden länger als sechs Monate dauert. Ebenso ist gem. § 12 Satz 2 Nr. 8 Buchst. c AO zu verfahren, wenn mehrere verschiedene solcher Tätigkeiten ohne Unterbrechung aufeinander folgen. Der Unterschied zur wirtschaftlichen und geographischen Einheit des Art. 5 Abs. 3 besteht darin, dass § 12 AO die Addition wirtschaftlich unterschiedlicher Bau- und/oder Montagetätigkeiten ohne örtlichen Zusammenhang unter den dort genannten Voraussetzungen sowie die Tätigkeit für verschiedene Auftraggeber zulässt. Daher kann eine Tiefbautätigkeit von sieben Monaten zwei wirtschaftlich getrennte örtlich unabhängige Hochbauvorhaben von jeweils drei Monaten verklammern. Entscheidend ist insoweit nur, dass es sich bei sämtlichen Tätigkeiten um Bau oder Montagetätigkeiten handelt, die demselben Steuerpflichtigen zuzurechnen sind.

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IV. Persönliche Zurechnung der Tätigkeiten Eigene Leistung. Unproblematisch sind die Fälle, in denen der Unternehmer selbst oder durch sein eigenes Personal (vgl. auch § 2 Abs. 4 BsGaV), d.h. Personen die in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zu ihm stehen und an seine Weisungen gebunden sind, tätig wird. In einem solchen Abhängigkeitsverhältnis stehen zum einen die Arbeitnehmer, die mit dem Unternehmer selbst einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben. Zum anderen sind aber auch Leiharbeitnehmer dem Unternehmer zuzurechnen, sofern der Unternehmer als wirtschaftlicher Arbeitgeber2 anzusehen ist.

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Einschaltung von Subunternehmern. Nach der Definition des § 2 Abs. 4 BsGaV gehören Subunternehmer nicht zum eigenen Personal.3 Sofern der Unternehmer jedoch wenigstens teilweise mit eigenem Personal im Quellenstaat tätig wird, sind ihm nach einhelliger Meinung die Tätigkeiten der von ihm eingeschalteten Subunternehmer zuzurechnen (vgl. Art. 5 Rz. 54 OECD-MK 2017).4 Denn letztlich soll es keine Rolle spielen, ob sich der Unternehmer eigenen Personals oder fremder Unternehmen zur Erfüllung der von ihm geschuldeten Leistung bedient.5 Folgt man diesem Ansatz ist aber kein sachlicher Grund ersichtlich, warum sich dies ändern soll, wenn der Unternehmer ausschließlich mit Subunternehmern tätig wird. Denn entscheidend ist nur, ob der Unternehmer gegenüber dem Auftraggeber die Verantwortung für die für ihn tätigen Personen trägt. Im Ergebnis wirken also nicht die eigenen (verbleibenden) Überwachungstätigkeiten des Generalunternehmers, sondern die Bau- oder Montagetätigkeiten der Subunternehmer für den Generalunternehmer Betriebsstätten begründend.6 Anders sieht dies indes zu Art. 5 Rz. 40 OECD-MK (2017), der Subunternehmer wie eigenes Personal zurechnen möchte.

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Gemeinschaftliche Leistungserbringung. Wird eine Bauausführung oder Montage durch mehrere Personen erbracht, ist die Frage, ob im Quellenstaat die Voraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 3 erfüllt sind, von der rechtlichen Ausgestaltung des Personenzusammenschlusses abhängig. Maßgeblich ist das Innenverhältnis, da dieses für den Rechtscharakter des Zusammenschlusses und das Verhältnis der Beteiligten zueinander entscheidend ist.7 Auf das Vorhandensein einer gemeinsamen Außenbeziehung oder eines

123

1 So aber BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, BStBl. II 2004, 932. 2 Vgl. BMF v. 14.9.2006 – IV B 6 - S 1300 - 367/06, BStBl. I 2006, 532, Tz. 4.3.3.1. 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182 Rz. 38; gleichwohl können die Kosten der Betriebsstätte zugeordnet werden, wenn die Integration der Subunternehmer durch eigenes Personal (vor Ort) erfolgt ist (Rz. 357 VWG-BsGa). 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.2; BFH v. 13.11.1962 – I B 222/59, BStBl. III 1963, 71; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 143; Ditz/ Quilitzsch, FR 2012, 493 (497) mit Verweis auf den Entwurf des OECD-MK zu Art. 5 v. 13.10.2011. 5 Dahingehend wohl auch BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764. 6 Der Betriebsstättenrohgewinn (Projektpreis abzgl. Vergütung Subunternehmer) entspricht bei Fremdpreisen in diesen Fällen der funktions- und risikoadäquaten Vergütung für die Überwachungsleistung. 7 Vgl. H. P. Westermann in Erman15, § 705 BGB Rz. 1.

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Art. 5 (2014) Rz. 123

Betriebstätte

Gesamthandvermögens kommt es nicht an.1 Fördern die Personen im Innenverhältnis einen gemeinsamen Zweck – wie z.B. bei einer ArGe (vgl. Rz. 181) – erfüllen sie das charakterisierende Merkmal einer GbR i.S.v. §§ 705 ff. BGB.2 Als solche ist sie als Mitunternehmerschaft anzusehen3 und daher sind die Zustände und Handlungen der Gesamthand jedem einzelnen Gesellschafter zuzurechnen (vgl. Rz. 80). Sobald daher die Personengesellschaft die Zwölf-Monatsgrenze überschreitet, wird jeder Gesellschafter unabhängig von der Zeitspanne, die er selbst auf der Stelle zugebracht hat, für die Zwecke der Besteuerung seines Anteils am Unternehmensgewinn, den die Personengesellschaft erzielt, so angesehen, als ob er eine Betriebsstätte unterhalte (vgl. Art. 5 Rz. 56 OECD-MK 2017). Fördern hingegen die Beteiligten im Innenverhältnis keinen gemeinsamen Zweck, sondern rechnen sie auf reiner Gegenseitigkeitsbasis „Zug um Zug“ ab – wie z.B. bei Konsortien (vgl. Rz. 201) – fehlen die Voraussetzungen für eine Mitunternehmerschaft.4 Eine Zurechnung von Handlungen der anderen am Zusammenschluss Beteiligten ist in derartigen Fällen nicht möglich, d.h. jeder Beteiligte muss in seiner Person die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 3 erfüllen. Die Zurechnung der Handlungen eigenen Personals oder Dritter, die im Auftrag des Unternehmers tätig werden, bleibt hiervon unberührt.

V. Fristberechnung 124

Beginn. Die Zwölf-Monatsfrist beginnt zu laufen, wenn der Unternehmer den notwendigen bau- oder montagespezifischen Ortsbezug zum Quellenstaat hergestellt hat.5 Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer im Quellenstaat erstmalig Dienstleistungen erbringt, die sachlich (vgl. Rz. 110–113), wirtschaftlich (vgl. Rz. 116) und geographisch (vgl. Rz. 119) zur jeweiligen Bau- oder Montageausführung gehören. Typischerweise ist dies der Baubeginn (z.B. Anrollen der Bagger auf der Baustelle, Eintreffen des ersten Monteurs, „erster Spatenstich“). Darüber hinaus sind andere Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten (z.B. Vermessung des Geländes, Einrichtung eines Materialmagazins6) zu berücksichtigen, wenn sie mit der Wertschöpfung vor Ort zusammenhängen (vgl. Art. 5 Rz. 54 OECD-MK 2017).7 Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach der vom Unternehmer eigenverantwortlich geschuldeten Kernleistung, insbesondere ob diese auch die Planungs- und Überwachungsleistungen mitumfasst (s. Rz. 112).8 Deshalb fallen Materialanlieferungen regelmäßig ebenso als Bezugshandlung aus9 wie Rechtsakte in Form des Vertragsabschlusses oder Registrierungen im Quellenstaat u.Ä.10

125

Ende. Die Frist endet mit der tatsächlichen Fertigstellung des Bauwerks oder der Montage. Wann dies der Fall ist, wird durch die ordnungsgemäße Erfüllung der übernommenen Werklieferungsverpflichtung bestimmt,11 d.h. den Zeitpunkt, an dem ein nach dem Vertrag abnahmefähiges Gewerk fertiggestellt ist. Zeiten für die Funktionsüberprüfung, den Probelauf12 sowie eine ggf. erforderliche Nachbesserung zählen grundsätzlich zur Frist, soweit der Unternehmer – wie nach deutschem Verständnis gem. § 633 Abs. 1 BGB – zur Lieferung eines abnahmefähigen Gewerks verpflichtet ist.13 Daher bildet der Zeitpunkt der tatsächlichen Abnahme in der Praxis einen tauglichen Orientierungspunkt.14 Indes gehören Zeiten für die Mängelbeseitigung nach Abnahme regelmäßig nicht mehr zur Frist.15 Eben so wenig zählen zur Frist Zeiten für Unterstützungsleistungen zur Betriebsführung, zur Einweisung und Training von Kundenpersonal sowie Beratungsleistungen zur weiteren Betriebsoptimierung.16 Auch die bloße Lagerung von Material auf der Baustelle nach Fertigstellung verlängert die Frist nicht.17 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Vgl. H. P. Westermann in Erman15, § 718 BGB Rz. 2. Vgl. H. P. Westermann in Erman15, § 705 BGB Rz. 25. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.4. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.4. Ebenso Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 70; BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 70. Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. Vgl. Öst BMF (EAS 3102) v. 28.10.2009. Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 64. Vgl. Günkel in G/K/G/K, Art. 5 OECD-MA Rz. 151. Ebenso OECD Discussion Draft v. 19.2.2012, abrufbar unter http://www.oecd.org/ctp/taxtreaties/oecdmodel taxconventionreviseddiscussiondraftonthedefinitionofpermanentestablishment.htm, Rz. 69 betr. Art. 5 Rz. 19.1 OECD-MK. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 65; a.A. Öst. BMF v. 17.12.1993, EAS 357. Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. ebenso OECD Discussion Draft v. 19.2.2012, http://www.oecd.org/ctp/taxtreaties/oecdmodeltaxconventionrevised discussiondraftonthedefinitionofpermanentestablishment.htm Rz. 69 betr. Rz. 19.1 OECD-MK. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 134. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.1.

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E. Negativkatalog (Abs. 4)

Rz. 128 Art. 5 (2014)

Unterbrechungen. Eine Bauausführung gilt nicht als beendet, wenn die Arbeiten durch im Betriebsablauf begründete Ursachen vorübergehend unterbrochen worden sind.1 Jahreszeitlich bedingte oder andere vorübergehende Unterbrechungen, z.B. wegen schlechter Witterung, Streik und Unterbrechungen aus im Betriebsablauf liegenden Gründen, z.B. wegen Materialmangels oder anderer bautechnischer Gründe, sind daher bei der Ermittlung der Berechnung der Dauer einer Bauausführung einzubeziehen. Das gilt grundsätzlich unabhängig von der Dauer der Arbeitsunterbrechung (vgl. Art. 5 Rz. 54 OECD-MK 2017).2 Dementsprechend läuft die Frist ununterbrochen, wenn nur die Errichtung und der Abbau von Gerüsten vor und nach der Bauphase geschuldet ist.3 Anders ist dies bei Unterbrechungen, die außerhalb der Risikosphäre des Unternehmers liegen. Wird etwa die Bautätigkeit unterbrochen, weil der Besteller die notwendige Abnahme (eines fertigen Teilabschnitts) verweigert, hemmt dies nach Ansicht der Rspr. jedenfalls dann den Fristlauf, wenn das Personal vor Ort abgezogen wird und die Unterbrechung länger als 14 Tage dauert.4 Entsprechend den zivilrechtlichen Risikotragungsregeln bei Werkverträgen (§ 644 BGB § 645 BGB) zählen hierzu auch Unterbrechungszeiten, mit denen der Unternehmer nicht rechnen konnte, z.B. die ihre Ursache in politischen Unruhen oder nicht vorhersehbaren Gewaltanschlägen haben.5

126

E. Negativkatalog (Abs. 4) I. Regelungszweck Beispielskatalog. Art. 5 Abs. 4 enthält einen Katalog, in dem typische Fälle aufgezählt sind, in denen dem Quellenstaat trotz Vorliegens einer festen Geschäftseinrichtung kein Besteuerungsrecht i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 eingeräumt wird. Damit ergänzt er Abs. 2 einerseits in spiegelbildlicher Weise und konkretisiert andererseits die „Untergrenze“ des Betriebsstättenbegriffs des Abs. 1, indem er die in ihm genannten Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten die Fähigkeit abspricht, eine Betriebsstätte zu begründen. Insoweit hat Abs. 4 eine konstitutive, den Abs. 1 begrenzende Wirkung.6 Hierdurch unterscheidet sich Art. 5 Abs. 4 von Abs. 2, der nur rein deklaratorische Wirkung entfaltet (vgl. Rz. 87). Eine entsprechende Regelung in § 12 AO gibt es nicht (vgl. Rz. 131).

127

Mindesttätigkeit in der Geschäftseinrichtung. Ist die Person unternehmerisch tätig, genügt gleichwohl 128 nicht jede noch so geringe unternehmerische Aktivität in der Geschäftseinrichtung (vgl. Rz. 70) für sich zur Begründung einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5. Denn Art. 5 Abs. 4 stellt klar, dass die ausschließliche Ausübung von Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten grundsätzlich nicht ausreicht (vgl. Rz. 140 ff.). Darin unterscheidet sich Art. 5 von § 12 AO, der zur Betriebsstättenbegründung jegliches unmittelbare und mittelbare Dienen der Einrichtung und damit jede noch so geringfügige Hilfstätigkeit genügen lässt (vgl. Rz. 131). Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Tätigkeit oder deren Summe zur Betriebsstättenbegründung i.S.d. Art. 5 mehr sein muss als die generell abstrakt definierte Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit i.S.d. Abs. 4. Dieses „Mehr“ wird im Weiteren als Haupttätigkeit bezeichnet. Diese Haupttätigkeit muss nicht qualitativ deckungsgleich mit der Gesamttätigkeit des Unternehmens sein. Vielmehr genügt, dass wenigstens ein Teil von ihr in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird. Damit setzt die Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begrifflich nicht voraus, dass die in ihr ausgeübten Tätigkeiten alle Merkmale des § 15 Abs. 2 EStG (vgl. Rz. 45) erfüllen. Die Betriebsstätte muss auch nicht unmittelbar zum Gewinn des Unternehmens beitragen. Art. 5 Rz. 7 OECD-MK (2017) spricht insoweit von produktivem Charakter. Die Betriebsstätte muss auch nicht mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet sein. Sie muss kein organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebes sein. Ihrer Annahme steht nicht entgegen, dass sie für sich allein lebensunfähig sein würde. Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Betriebsstätte dürfen nicht an denen eines Teilbetriebes i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG gemessen werden (vgl. Rz. 70).7 Denn weder Art. 5 Abs. 1 noch § 12 AO verlangen, dass die Geschäftseinrichtung unmittelbar den Unternehmenszweck fördern muss. Daher reicht grundsätzlich eine mittelbare Förderung aus. Deren ausschließliche Ausübung in der Geschäftseinrichtung führt jedoch regelmäßig nur zu einer sog. Hilfsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 4.8 Für den Regelfall in der Praxis lässt sich daher vereinfachend die Faustformel aufstellen, dass die Mindestaktivität typischerweise erreicht und daher 1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.1. A.A. Öst BMF EAS 451 v. 10.6.1994. Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. Vgl. Schwenker/Rodemann in Erman15, § 645 BGB Rz. 10. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 151. Vgl. Wacker in Schmidt37, § 16 EStG Rz. 143. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 26.

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Art. 5 (2014) Rz. 128

Betriebstätte

eine Betriebsstätte anzunehmen ist, wenn sich die dort ausgeübte Tätigkeit als werbende Marktteilnahme im Quellenstaat darstellt. Die Verwaltung einer einzigen Beteiligung ohne sonstige unternehmerische Tätigkeit reicht hierfür nicht.1 Denn Sinn und Zweck der Freistellungsmethode ist die Herstellung von Wettbewerbsgleichheit unter den Investoren verschiedener Länder im Quellenstaat.2 Etwas anderes gilt nur, wenn die rein unternehmensinterne Tätigkeit von erheblicher Bedeutung für das Gesamtunternehmen ist, wie dies z.B. bei Forschungseinrichtungen der Fall sein kann. 129

Mindesttätigkeit in der Geschäftseinrichtung bei rechtsnormabhängigen Unternehmensgewinnen. Nach zwischenzeitig überholtem Verständnis des BMF generierte die rechtsnormabhängige Gewerblichkeit unabhängig von der verrichteten Tätigkeit umfänglich Unternehmensgewinne i.S.d. DBA (vgl. Rz. 45). Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, ob die Anforderungen für die Annahme einer Unternehmenstätigkeit in der Betriebsstätte höher sein können als die Anforderungen an das Unternehmen selbst. M.E. war die Frage wegen Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 4 zu bejahen, da hiernach eine Betriebsstätte eine über eine Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit i.S.v. Art. 5 Abs. 4 hinausgehende Tätigkeit verlangt (vgl. Rz. 128). Diese Formulierung normiert eine an den objektiven Kriterien des Art. 5 Abs. 4 gemessene Mindestaktivität. Eine solche ist beispielsweise bei reinen Holdingaktivitäten in einer festen Geschäftseinrichtung nicht gegeben.3 Diese Sichtweise hatte zur Folge, dass die rechtsnormabhängige Einkünftequalifizierung ausschließlich Auswirkung auf den Ansässigkeitsstaat, nicht aber auf den Quellenstaat hatte.4 Betroffen waren hiervon vornehmlich Einkünfte aus Vermögensverwaltung (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 53, 56), Koordinierungs- oder Holdingaktivitäten (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 53, 56) sowie Besitzunternehmen im Rahmen von Betriebsaufspaltungen (vgl. Rz. 194 und Art. 7 (2008) Rz. 57).

130

Vorbereitungs- bzw. Hilfscharakter der Tätigkeit als Schwellenwert. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–d zählen Tätigkeiten auf, welche nicht als eine Betriebsstätte begründend angesehen werden, ohne dass sie einen ausdrücklichen Hinweis im Wortlaut auf die Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion als charakterisierendes Merkmal enthalten. Dieses Charakteristikum enthalten nur die Buchst. e und f in ihrem Wortlaut. Daraus könnte geschlossen werden, dass die Tätigkeiten i.S.d. Buchst. a–d auch dann keine Betriebsstätte begründen, wenn sie Haupttätigkeit des Unternehmens darstellen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr wohnt den Tätigkeiten der Buchst. a–d die Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion bereits inne, ohne dass dies ausdrücklich erwähnt werden muss.5 Im Ergebnis begründen – zumindest nach deutschem Verständnis – sämtliche Geschäftseinrichtungen i.S.d. Abs. 4 Buchst. a–f nur dann keine Betriebsstätte, wenn die dort verrichteten Tätigkeiten lediglich vorbereitender bzw. unterstützender Natur sind. Diesen Ansatz verfolgt Deutschland auch im Rahmen des MLI weiter (siehe Art. 5 (2017) Rz. 58; Art. 13 MLI). Grundsätzlich ist dabei davon auszugehen, dass Vorbereitungstätigkeiten nicht nur der Haupttätigkeit zeitlich vorangehen, sondern dass sie auch im Verhältnis zur Haupttätigkeit nur kurz dauern. Hilfstätigkeiten charakterisieren sich durch ihre unterstützende Funktion, die nicht Teil der Hauptleistung als solcher ist. Ebenso wird von Hilfstätigkeiten erwartet, dass sie ohne Einsatz wesentlichen Materials erfolgen (Art. 5 Rz. 60 OECD-MK 2017).

131

Abgrenzung zu § 12 AO. Eine dem Art. 5 Abs. 4 entsprechende Regelung gibt es in § 12 AO nicht. Vielmehr begründen sämtliche abkommensrechtlich unbeachtlichen Hilfsbetriebsstätten i.S.v. Art. 5 Abs. 4 „vollwertige“ Betriebsstätten i.S.v. § 12 AO. Denn im Unterschied zu Art. 5 genügt für eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO, dass die Geschäftseinrichtung oder Anlage der Unternehmenstätigkeit dient.6 Diese Voraussetzung ist bereits erfüllt, wenn sie dazu bestimmt ist, den Unternehmenszweck zu fördern.7 Hierzu genügt jede unmittelbare Nützlichkeit für eine unternehmensbezogene Tätigkeit in, an oder mit der Geschäftseinrichtung oder Anlage.8 Typisierend gesprochen ist damit jedes materielle Wirtschaftsgut des gewillkürten Betriebsvermögens geeignet, eine Betriebsstätte zu begründen, sofern es als feste Einrichtung oder Anlage zu qualifizieren ist. Maßgebend ist das Gesamtbild der Umstände des Einzelfalls. Aus deutscher Sicht ist noch darauf hinzuweisen, dass auch bei Anwendung des Art. 5 Abs. 4 (Negierung einer Betriebsstätte) in der Regel eine Gewinnabgrenzung für die Betriebsstätte für gewerbesteuerliche Zwecke notwendig ist.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.3. Vgl. Vogel in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 7. hierzu ausführlich: Hruschka, IStR 2016, 437 (438). A.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354 Rz. 3.1. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.1; ebenso Görl in V/L6, Art. 5 OECDMA Rz. 85. Vgl. Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 19. Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. Vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.12.

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E. Negativkatalog (Abs. 4)

Rz. 136 Art. 5 (2014)

Änderungen des Abs. 4 durch das MLI, OECD-MA (2017). Der Wortlaut des Abs. 4 wird durch das MLI bzw. das OECD-MA (2017) verändert (siehe Art. 5 (2017) Rz. 58 f.). Deutschland hat sich für die Option A gem. Art. 13 Abs. 2 MLI entschieden (siehe Art. 5 (2017) Rz. 60 ff.). Den Vorschlag einer Anti-Fragmentierungsregel gem. Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA (2017) bzw. Art. 13 Abs. 4 MLI hat Deutschland nicht umgesetzt (siehe Art. 5 (2017) Rz. 66 ff.). Rücksicht zu nehmen ist allerdings auf die allgemeine Regel zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch gem. Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) bzw. Art. 7 MLI (siehe Art. 5 (2017) Rz. 78, 45 ff.).

132

II. Einrichtungen zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren (Buchst. a) Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a bezieht sich auf den Fall, in dem ein Unternehmen die tatsächliche Sachherrschaft (vgl. Rz. 60 ff.) über Einrichtungen zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung eigener Güter oder Waren besitzt (vgl. Art. 5 Rz. 62 OECD-MK 2017). Hierdurch unterscheidet er sich von Art. 5 Abs. 4 Buchst. b, der die fehlende Betriebsstätteneigenschaft des reinen Güteroder Warenbestands selbst klarstellt. Die Einrichtung darf nur der Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung dienen. Ausschließlich Tätigkeiten, die mit diesen Funktionen zusammenhängen, dürfen in der Geschäftseinrichtung ausgeübt werden. Mitumfasst werden sämtliche Tätigkeiten von der Einräumung, über das Verwalten bis hin zur Verpackung, Versendung und Auslieferung der Produkte.1 Schädlich sind indes sämtliche Aktivitäten durch die Geschäftseinrichtung, die eine aktive Marktteilnahme verkörpern. Daher ist die Einrichtung einer Repräsentanz oder eines Showrooms, in der lediglich Informationen über das Unternehmen oder seine Produkte zur Verfügung gestellt werden, eine reine Hilfstätigkeit, sofern sie durch das Unternehmen selbst ausgeübt wird (ebenso Art. 5 Rz. 66 OECD-MK 2017). Etwas anderes gilt indes, wenn diese Tätigkeit für das Unternehmen durch einen Dienstleister übernommen wird, da in diesem Fall der Dienstleister im Quellenstaat als Marktteilnehmer zu den örtlichen Dienstanbietern in Konkurrenz tritt.2

133

Güter und Waren. Güter oder Waren sind nach dem allgemeine Wortlautverständnis alle Wirtschaftsgüter des Anlage- oder Umlaufvermögens.3 Immaterielle Wirtschaftsgüter werden nicht erfasst.4

134

III. Bestände von Gütern oder Waren zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung (Buchst. b) Keine Unternehmenstätigkeit. Art. 5 Abs. 4 Buchst. b bezieht sich auf den eigentlichen Bestand an Gütern oder Waren (vgl. Rz. 134) und bestimmt, dass dieser nicht als Betriebsstätte gilt, wenn er zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten wird (vgl. Art. 5 Rz. 65 OECD-MK 2017). Versteht man Abs. 4 als Vorschrift, die Abs. 1 begrenzt, entfaltet Art. 5 Abs. 4 Buchst. b keine rechtliche Wirkung,5 da ein schlichter Waren- oder Güterbestand selbst zwar dem Unternehmen als Objekt für seine Unternehmenstätigkeit dient, jedoch nicht darüber hinaus geht (vgl. Rz. 71).

135

IV. Bestände von Gütern oder Waren zum Zweck der Verarbeitung durch ein anderes Unternehmen (Buchst. c) Keine Unternehmenstätigkeit. Art. 5 Abs. 4 Buchst. c betrifft den Fall, dass Güter- oder Warenbestände (vgl. Rz. 134) eines Unternehmens durch ein anderes Unternehmen im Namen oder für Rechnung des erstgenannten Unternehmens bearbeitet oder verarbeitet werden (vgl. Art. 5 Rz. 65 OECD-MK 2017). Auch insoweit hat Abs. 4 deklaratorische Wirkung, da der Waren- oder Güterbestand nur Gegenstand der Be- oder Verarbeitung ist (vgl. Rz. 71).

1 So auch Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.13. 2 Zu einer Betriebsstätte des Auftraggebers kommt es in diesen Fällen allerdings regelmäßig nicht, da das reine Auftragsverhältnis, vermöge dessen der Dienstleister tätig wird, noch nicht zur tatsächlichen Sachherrschaft des Prinzipals über die feste Geschäftseinrichtung des Dienstleisters führt; missverständlich insoweit BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764; im Einzelnen siehe auch Rz. 67 und 206. 3 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 87. 4 Vgl. Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (498) mit Verweis auf Art. 5 Rz. 22 OECD-MK, Entwurf v. 12.10.2011. 5 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 163.

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Art. 5 (2014) Rz. 137

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V. Feste Geschäftseinrichtung zum Zweck, Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen (Buchst. d) 137

Einkaufseinrichtungen. Unter Einkauf ist nach dem allgemeinen Wortverständnis ausschließlich der Erwerbsvorgang zu verstehen.1 Jegliche Verarbeitung, Bearbeitung oder Veräußerung des erworbenen Gegenstands ist für Art. 5 Abs. 4 Buchst. d schädlich.2 Ausgenommen ist die unternehmensinterne Weitergabe. Art. 5 Abs. 4 Buchst. d dient der Erleichterung des internationalen Güter- und Warenverkehrs, indem er das Prinzip des Art. 7 Abs. 5 OECD-MA 2008 dem Grunde nach umsetzt (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 236).3 Denn durch den bloßen Einkauf von Gütern und Waren (s. Rz. 134) wird ein Unternehmen zwar auf dem Markt im Quellenstaat tätig. Als ausschließlicher Nachfrager konkurriert es jedoch nicht mit anbietenden Unternehmen vor Ort. Insoweit besteht kein Grund zur Schaffung von Wettbewerbsgleichheit im Quellenstaat durch Steuerfreistellung der Betriebsstätteneinkünfte im Ansässigkeitsstaat (Kapitalimportneutralität).4 Dieser bestünde nur, wenn durch die feste Geschäftseinrichtung Realisationstatbestände verwirklicht werden.5 Solche setzen nach h.M. – im Unterschied zu den Ersatzrealisationstatbeständen – einen zivilrechtlichen Umsatzakt am (örtlichen) Markt voraus.6 Im Ergebnis gibt es deshalb weder die Notwendigkeit, einer Betriebsstätte einen Gewinn aus dem Einkauf zuzurechnen (so noch Art. 7 Abs. 5 OECD-MA 2008), noch einer Geschäftseinrichtung, die ausschließlich Einkaufstätigkeiten vornimmt, die Grundlage zur Gewinnzurechnung (= Betriebsstätteneigenschaft) zuzusprechen (so Art. 5 Abs. 4 Buchst. d).

138

Informationsbeschaffung. Durch die Erwähnung der Beschaffung von Informationen in Art. 5 Abs. 4 Buchst. d sollen vor allem Zeitungskorrespondenten erfasst werden, die bloß einen verlängerten Arm des Hauptunternehmens darstellen; diese Ausnahme ist nichts anderes als eine Erweiterung des Prinzips „des bloßen Einkaufs“ (vgl. Art. 5 Rz. 68 OECD-MK 2017). Insoweit gelten dieselben Grundsätze wie für ausschließliche Einkaufseinrichtungen, d.h. jegliche Weiterveräußerung oder Ver- bzw. Bearbeitung der Information ist schädlich (s. Rz. 137). Unbeachtlich ist, ob die Informationen entgeltlich oder unentgeltlich beschafft werden.7

139

Authorised OECD Approach (AOA). Unter Berücksichtigung des AOA wurde Art. 7 Abs. 5 OECD-MA 2008 in Art. 7 OECD-MA 2010 ersatzlos gestrichen (vgl. dazu ausführlich Art. 7 (2008) Rz. 239). Zweck des AOA und der Streichung ist die weitere Annäherung der Betriebsstättengewinnabgrenzung gem. Art. 7 und der Verrechnungspreise gem. Art. 9. Hierzu sollen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte „quasischuldrechtliche Verträge“ (sog. Dealings) abgeschlossen werden, die eine Gewinnrealisation nach sich ziehen. Damit wird die unternehmensinterne Weitergabe der eingekauften Produkte abkommensrechtlich in einen Realisationstatbestand verwandelt, der der Betriebsstätte gem. Art. 7 OECD-MA 2010 einen grundsätzlichen Gewinnanspruch für die von ihr ausgeübte Einkaufstätigkeit einräumt. Ob vor diesem Hintergrund Art. 5 Abs. 4 Buchst. d dauerhaft Bestand haben kann, erscheint fraglich. Umgekehrt vertritt die OECD nach wie vor den Standpunkt, dass aus der reinen Informationsbeschaffung, die einem „bloßen Einkauf“ von Information gleichzusetzen ist, keine Betriebsstättenfolgen gezogen werden sollen.8 Mit Wirkung ab 1.1.2013 hat Deutschland den AOA in § 1 Abs. 5 AStG in nationales Recht umgesetzt.

VI. Feste Geschäftseinrichtung zum Zweck, vorbereitende oder Hilfstätigkeiten auszuüben (Buchst. e) 140

Konkretisierung der notwendigen Betriebsstättenaktivität. Art. 5 Abs. 4 Buchst. e enthält eine generelle Ausnahme zu der allgemeinen Definition des Abs. 1. Nach ihr bleibt eine feste Geschäftseinrichtung abkommensrechtlich unbeachtlich, wenn sie 2 Voraussetzungen erfüllt, nämlich (1.) die Leistungen nur innerhalb des Unternehmens erbracht werden und (2.) die Leistungen ausschließlich Vorbereitungs- und/oder Hilfscharakter haben.9 Insofern dient Art. 5 Abs. 4 Buchst. e in Verbindung mit Abs. 1 einer genaueren Abgrenzung der Merkmale des Betriebsstättenbegriffs (vgl. Art. 5 Rz. 70 OECD-MK 2017). Im Umkehrschluss folgt Zu Einzelheiten vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.15. Vgl. BFH v. 23.1.1985 – I R 292/81, BStBl. II 1985, 417 zur Weiterverarbeitung von Information. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 91. Vgl. Vogel in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 7. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 91. Vgl. Moxter in FS L. Schmidt, 1993, S. 195 ff.; BFH v. 14.12.1988 – I R 44/83, BStBl. II 1989, 323. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 173. Empfehlung der OECD-Arbeitsgruppe zur Auslegung und Anwendung des OECD-MA v. 20.10.2011 zur Neufassung des Art. 5 Rz. 22.1 OECD-MK, S. 29. 9 So auch Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 92.

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E. Negativkatalog (Abs. 4)

Rz. 144 Art. 5 (2014)

aus Art. 5 Abs. 4 Buchst. e, dass unternehmensinterne Leistungen Betriebsstätten begründend wirken, wenn die (rein internen) Tätigkeiten einen Teil der Haupttätigkeit darstellen. Andererseits begründen Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten in der Geschäftseinrichtung eine Betriebsstätte, wenn sie gegenüber Dritten erbracht werden. Ausschließlich unternehmensinterne Leistungen. Sobald die Geschäftseinrichtung werbend am örtlichen Markt auftritt, verliert sie insoweit ihren Hilfscharakter. Hilfstätigkeiten begründen daher nur dann keine Betriebsstätte, wenn sie ausschließlich für das Unternehmen selbst ausgeübt werden. Werden sie als entgeltliche Dienstleistungen für andere wahrgenommen, so werden sie (teilweiser) Hauptgegenstand des Unternehmens. Art. 5 Abs. 4 Buchst. e ist daher nicht anwendbar, wenn die Geschäftseinrichtung Leistungen an andere – auch konzernzugehörige – Personen erbringt (vgl. Art. 5 Rz. 26 OECD-MK (2014)).

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Vorbereitungs- und/oder Hilfstätigkeit. Eine Vorbereitungstätigkeit ist gegeben, wenn sie zeitl. vor der 142 Haupttätigkeit ausgeübt wird.1 Typische vorbereitende Tätigkeit ist die Planung einer Haupttätigkeit.2 Hilfstätigkeiten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie parallel neben oder zeitl. nach der Haupttätigkeit ausgeübt werden und von dieser in ihrer Art verschieden sind.3 Hilfstätigkeiten sind häufig nicht auf Umsatz- oder Gewinnerzielung ausgerichtet. Sie wirken dann nur unternehmensintern und unterstützen die Haupttätigkeit (vgl. Art. 5 Rz. 59, 60 OECD-MK 2017). Daran fehlt es, wenn die erbrachte unternehmensinterne Leistung notwendiger Bestandteil der unternehmensprägenden Tätigkeit ist. Typischerweise ist dies der Fall, wenn die Tätigkeit tragender Bestandteil der transaktionsbezogenen Wertschöpfungskette im Gesamtunternehmen ist, was z.B. bei Forschungsleistungen eines Pharmaunternehmens der Fall.4 Entscheidend ist insoweit der Hilfscharakter im Vergleich zur Haupttätigkeit (vgl. Art. 5 Rz. 70 OECD-MK 2017). Unternehmenstätigkeit als Vergleichsmaßstab für den Hilfscharakter. Vergleichsmaßstab für die Tätigkeit in der Einrichtung ist die Gesamttätigkeit des Unternehmens. Dabei gilt: Je niedriger die Gesamtaktivität der Person ist, desto eher erfüllt die Geschäftseinrichtungsaktivität die Anforderung der Haupttätigkeit. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Betriebsstättencharakter der Geschäftseinrichtung durch Absenken des gesamten Tätigkeitsniveaus erreicht werden kann. Übt etwa die Person insgesamt bloße Vermögensverwaltung oder eine schlichte Holdingfunktion aus, wird zwar die Haupttätigkeit auch in der festen Geschäftseinrichtung ausgeübt, jedoch fehlt es in diesem Fall an einem Unternehmen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c (vgl. Rz. 45). Liegt ausnahmsweise ein solches nach Ansicht der Verwaltung kraft Rechtsform vor5 (vgl. Rz. 129), beseitigt dies nach der hier vertretenen Ansicht nicht das Erfordernis einer bestimmten Mindestaktivität in der Geschäftseinrichtung. Die bloße Vermögensverwaltung reicht hierfür nicht aus (vgl. Rz. 129). Deshalb kann die Auslagerung von Holding-, Koordinierungs- oder Finanzierungsaufgaben auf selbständige Rechtsträger grds. keine Betriebsstättenfolge nach sich ziehen.6 Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 4 Buchst. e ist vielmehr, dass die Person, deren Geschäftseinrichtung zu beurteilen ist, ein Unternehmen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c betreibt (vgl. Rz. 129) und die Tätigkeit in der Geschäftseinrichtung funktional der Haupttätigkeit nachgeordnet ist. Im Ergebnis beschränkt sich der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 4 Buchst. e räumlich auf die Geschäftseinrichtung des Unternehmens im Quellenstaat.

143

Einzelfallbezogene Wertung. Ob eine Tätigkeit Hilfscharakter hat oder Teil der Haupttätigkeit des Unternehmens ist, ist stets einzelfallbezogen durch Vergleich der Gesamttätigkeit des Unternehmens mit der Tätigkeit der Geschäftseinrichtung zu ermitteln.7 Daher ist z.B. zu unterscheiden, ob erbrachte Transportleistungen eine eigenständige Hauptleistung, wie z.B. durch eine Spedition, oder schlichte Hilfsleistung im Zusammenhang mit dem Verkauf der Güter darstellt (vgl. Art. 5 Rz. 64 OECD-MK 2017). Einkauf stellt in diesem Sinne eine Hilfsfunktion dar, es sei denn, die Tätigkeit des Stammhauses beschränkt sich auf den Verkauf der von der Geschäftseinrichtung beschafften Waren bzw. wenn die Beschaffung eine Kernfunktion im Unternehmen darstellt. Davon ist auszugehen, wenn im Rahmen des Einkaufs im Quellenstaat Spezialkenntnisse vorgehalten werden (Art. 5 Rz. 68 OECD-MK 2017). Ebenso können Geschäftseinrichtungen, die unterhalten werden, um Werbung zu treiben, Informationen zu erteilen oder wissenschaftliche Forschung betreiben, reinen Hilfscharakter haben. Dieser Hilfscharakter geht aber verloren, wenn die Werbung

144

1 Vgl. BFH v. 23.1.1985 – I R 292/81, BStBl. II 1985, 417. 2 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 178. 3 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.1; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 178. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.1. 5 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1. 6 Ebenso BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.3. 7 Zur Anwendung einer quantitativen Betrachtungsweise vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.16.

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Art. 5 (2014) Rz. 144

Betriebstätte

produzierende Geschäftseinrichtung zu einer Werbeagentur gehört,1 die Informationsweitergabe durch das Korrespondentenbüro einer Nachrichtenagentur erfolgt oder aber in der Geschäftseinrichtung Produkte entwickelt oder hergestellt werden. Denn in diesen Fällen geht die Aktivität in der Geschäftseinrichtung über bloße Unterstützung hinaus. Hilfscharakter ist daher anzunehmen, wenn z.B. bei einem Investmentfonds lediglich potentielle Investments identifiziert werden, alles Weitere bis hin zur Kaufentscheidung vom Stammhaus erledigt wird (Art. 5 Rz. 69 OECD-MK 2017). Ausschließliche Holdingaktivitäten in der Geschäftseinrichtung eines Unternehmens können grds. keine Betriebsstätte begründen,2 da die Wahrnehmung von Gesellschafterinteressen typischerweise von der Haupttätigkeit verschieden ist. Anders kann dies jedoch zu beurteilen sein, wenn die Geschäftseinrichtung auf das Tagesgeschäft der Beteiligungsgesellschaft Einfluss nimmt (zur geschäftsleitenden Holding vgl. Rz. 194).

VII. Feste Geschäftseinrichtung zum Zweck, mehrere der unter den Buchstaben a bis e genannten Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitende oder Hilfstätigkeiten darstellen (Buchst. f) 145

Geschäftsverdichtung. Gemäß Art. 5 Abs. 4 Buchst. f ist für die Frage, ob eine feste Geschäftseinrichtung als Betriebsstätte anzusehen ist, auf die Gesamtheit der durch sie verrichteten Tätigkeiten und erbrachten Leistungen abzustellen (vgl. Art. 5 Rz. 58, 73 OECD-MK 2017). Daher kann die Ausübung mehrerer – isoliert betrachteter – vorbereitender oder Hilfstätigkeiten in Summe dazu führen, dass der Hilfscharakter der Einrichtung verloren geht (sog. Geschäftsverdichtung). Voraussetzung für die Addition ist natürlich die Zurechnung der verschiedenen Tätigkeiten zu derselben Einrichtung.3 Insoweit ist auf die Zugehörigkeit der Tätigkeiten zum selben Unternehmen (vgl. Rz. 45) sowie ggf. auf den wirtschaftlichen und geographischen Zusammenhang (vgl. Rz. 52) zu achten. Hingegen ist die Frage nach der Geschäftsverdichtung hinfällig, wenn der Einrichtung Haupt- und Hilfstätigkeiten zuzurechnen sind, da in diesem Fall die Haupttätigkeit die Hilfstätigkeit infiziert.4

F. Abhängiger Vertreter (Abs. 5) Ausgewählte Literatur: Baranowski, Repräsentationsbüro, IStR 2004, 181; Bendlinger, Die neue Vertreterbetriebsstätte, IStR 2004, 161; Boergen, Vertreterbetriebsstätte und organschaftliches Handeln, RIW 2004, 172; Ditz/Bärsch/ Schneider, Betriebsstättenrisiken bei Prinzipalstrukturen am Beispiel Spaniens, IWB 2006, F 3 Gr. 2, 1269; Heussner, Vertreterbetriebsstätte einer ausländischen Kapitalgesellschaft – die Praxis wartet auf eine höchstrichterliche Entscheidung, IStR 2003, 798; Kofler/Schmidt/Simonek, Vertreterbetriebsstätten in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Hinblick auf BEPS-Aktionspunkt 7, unter besonderer Berücksichtigung von Kommissionärsstrukturen, PIStB 2001, 22; Kraft/Weiß, Die geplante Reform des abkommensrechtlichen Begriffs der Vertreterbetriebsstätte und ihre Auswirkungen auf die Kommissionärsstrukturen international tätiger Konzerne, IWB 1997, F 3 Gr. 2, 719; Kroppen/van der Ham, Neue OECD-Richtlinien zur Gewinnaufteilung bei Vertreterbetriebsstätten, BB 2016, 1245; Piltz, Wann liegt eine DBA-Vertreter-Betriebsstätte vor?, ISR 2016, 30; Puls, Geschäftsführer einer ausländischen Kapitalgesellschaft als ständiger Vertreter“ im Inland?“, IWB 2013, 559; Schoppe/Reichel, Vertreterbetriebsstätten ab 2017, IStR 2017, 165; Seltenreich, Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen im Bereich der Begründung Vertreterbetriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA, WT 4/2016, 1; Weber, Organe von Kapitalgesellschaften als ständige Vertreter im Sinne des § 13 AO, IWB 2017, 257; Wilke, Die Vertreterbetriebsstätte im internationalen Steuerrecht, IStR 2017, Beihefter zu Heft 8/2017.

I. Regelungszweck 146

Allgemeines. Als allgemein anerkannter Grundsatz gilt, dass ein Unternehmen so behandelt werden soll, als habe es eine Betriebsstätte im Quellenstaat, wenn dort eine Person unter bestimmten Voraussetzungen für das Unternehmen tätig ist, ohne dass das Unternehmen dort eine feste Geschäftseinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 und 2 hat. Daher bestimmen Art. 5 Abs. 5 und Abs. 6 die Voraussetzungen, unter denen ein Unternehmen so behandelt wird, als habe es bzgl. der Tätigkeit der für das Unternehmen handelnden Personen eine Betriebsstätte (vgl. Art. 5 Rz. 82 OECD-MK 2017). Hierdurch wird dem Aspekt Rechnung getragen, dass es für die notwendige Mindestaktivität (s. Rz. 8, 128) eines Unternehmens im Quellenstaat nicht auf die Form, sondern die Intensität des Tätigwerdens ankommen soll. Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 1 findet 1 2 3 4

Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 178; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 94. Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. Zu einigen Anwendungsbeispielen vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.17. Ebenso Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 183.

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F. Abhängiger Vertreter (Abs. 5)

Rz. 149 Art. 5 (2014)

sich in Art. 5 Abs. 5 kein Ersatz für den konkreten Ortsbezug.1 Im Übrigen sollen aber dieselben Tatbestandsvoraussetzungen für Geschäftseinrichtungs- und Vertreterbetriebsstätte gelten. Vom normativen Zweck her ersetzt Art. 5 Abs. 5 daher lediglich das sachliche Anknüpfungselement „Geschäftseinrichtung“ durch das persönliche in Form des „Vertreters“, das sachliche Zuordnungselement „tatsächliche Sachherrschaft“ durch die persönliche „Abhängigkeit“ sowie das zeitliche Zuordnungselement „dauerhaft“ durch die Formulierung „gewöhnlich“. Verhältnis zur festen Geschäftseinrichtung. Nach dem Normeninhalt können Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte und Vertreterbetriebsstätte im selben Quellenstaat sogar am selben Ort nebeneinander bestehen.2 In der Praxis ist diese theoretische Differenzierung indes weitgehend unbeachtlich, da beide Normenkreise lediglich die Unterschwelle der Mindestaktivität definieren, ab deren Erreichung der Quellenstaat die dort erwirtschafteten Gewinne besteuern darf. Hingegen hängt die Höhe der zuordenbaren Gewinne im weiteren von den konkreten Tätigkeiten i.S.d. Art. 7 ab (zur Gewinnabgrenzung bei einer Vertreterbetriebsstätte vgl. Art. 7 (2008) Rz. 205 ff.). Unter diesem Aspekt ist der Standpunkt der Finanzverwaltung nachvollziehbar, die eine weitere (Vertreter-)Betriebsstätte im Quellenstaat nur annimmt, wenn bei wirtschaftlich zusammenhängenden Tätigkeiten der geographische Zusammenhang (vgl. Rz. 54) fehlt.3

147

Verhältnis zur Dienstleistungsbetriebsstätte. Charakterisierend für eine Vertreterbetriebsstätte ist, dass die persönliche Anwesenheit und Tätigkeit des Vertreters im Quellenstaat für einen anderen – den Prinzipal – eine Betriebsstätte begründet. Hierin liegt der Wesensunterschied zur Dienstleistungsbetriebsstätte (vgl. Rz. 12), die zwar an dieselben Präsenz- und Tätigkeitsvoraussetzungen im Quellenstaat anknüpft, jedoch in der persönlichen Anknüpfung auf den Unternehmer selbst und nicht den Vertreter mit Vollmacht abstellt. Je weiter nunmehr der Kreis der Personen gezogen wird, deren Handeln dem Unternehmer selbst zuzurechnen ist (z.B. Mitarbeiter, Subunternehmer), desto mehr verliert das eigenständige, engere Anknüpfungsmerkmal des Vertreters an Bedeutung. Denn wenn bereits Mitarbeiter durch ihre dauerhafte Präsenz und Tätigkeit ohne feste Geschäftseinrichtung im Quellenstaat eine Betriebsstätte begründen (vgl. Rz. 12), bedarf es des darüber hinausgehenden Tatbestandsmerkmals der rechtlichen Bindung des Prinzipals durch das Handeln des Vertreters nicht mehr.

148

Verhältnis zu § 13 AO. § 13 AO schafft ebenso wie Art. 5 Abs. 5 bzw. 6 den notwendigen Ortsbezug zum Quellenstaat. Dementsprechend begründet die Tätigkeit eines ständigen Vertreters in Deutschland gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG die beschränkte Steuerpflicht eines Steuerausländers im Inland und im Ausland die Pflicht des deutschen Fiskus, die ausländische Steuer anzurechnen (§ 34c Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG). Im Unterschied zu § 12 AO ist der ständige Vertreter indes unbeachtlich für das Abzugsverbot ausländischer Verluste gem. § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG und für Zwecke der Gewerbesteuer (vgl. Rz. 35).4 Gemäß § 13 Satz 1 AO ist eine natürliche oder juristische Person als ständiger Vertreter anzusehen, wenn sie nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dessen Sachanweisungen unterliegt. Eine ausdrückliche Vollmacht ist dazu nicht erforderlich, vielmehr reicht die tatsächliche Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen des vertretenen Unternehmens aus.5 Eine sachliche Weisungsgebundenheit liegt vor, wenn der Wille des Unternehmers die Tätigkeit des Vertreters maßgeblich bestimmt.6 Dazu muss kein Arbeitnehmerverhältnis bestehen;7 vielmehr kann auch ein anderes Auftragsverhältnis eine Weisungsgebundenheit begründen, wenn der Wille des Unternehmers das Handeln des Vertreters entscheidend bestimmt.8 Von den abkommensrechtlichen Vertretern unterscheidet sich § 13 AO dadurch, dass der ständige Vertreter nicht am Markt im Quellenstaat teilnehmen und den Prinzipal rechtlich binden muss9 (vgl. auch Rz. 159). Ebenso wenig muss seine Tätigkeit über eine Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit des vertretenen Unternehmens hinausgehen (vgl. auch Rz. 128 ff.). Vielmehr kommen sämtliche Tätigkeiten wirtschaftlicher Art, d.h. nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch Handlungen tatsächlicher Art10 in Betracht. Auch reine Repräsentanten (vgl. Rz. 212) sind daher ständige Vertreter. Insgesamt ist der Vertreterbegriff des nationalen Rechts damit weiter als der des Abkommensrechts. Entgegen dem Wortlaut der Norm des § 13 AO, die keinerlei vertragsbezogene Handlungen des Vertreters verlangt, will die Verwaltung von beschränkter Steuerpflicht des Prinzipals absehen, wenn der ständige Vertreter ein Kommissionär oder Makler bzw. ein Handelsvertreter

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Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 205. So zu Recht: Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 192. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.2. Vgl. Ditz in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 2010, S. 163 (171). Vgl. BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494. Vgl. BFH v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.1.2. Vgl. BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494. Vgl. Drüen in T/K, § 13 AO Rz. 5. Vgl. BFH v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776.

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Art. 5 (2014) Rz. 149

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(§ 84 HGB) ist, der weder eine allgemeine Vollmacht zu Vertragsverhandlungen besitzt noch zu Vertragsabschlüssen für den Prinzipal berechtigt ist (R 49.1 Sätze 2 und 3 EStR 2012). Im Ergebnis versteht sie damit den Tatbestand des § 13 AO im abkommensrechtlichen Sinne, der dauerhafte Vertretungshandlungen verlangt (s.u. Rz. 158). Nur in diesem Verständnis begründet der ständige Vertreter i.S.v. § 13 AO im Regelfall eine Vertreterbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA.1 150

Repräsentant gem. § 17 InvStG. Wegen der Normenweite des § 13 AO (vgl. Rz. 149) wären Repräsentanten ausländischer Investmentgesellschaften im Sinne des § 136 Abs. 1 Nr. 2 und des § 138 InvG als ständige Vertreter i.S.v. § 13 AO anzusehen und würden somit eine beschränkte Steuerpflicht des vertretenen Sondervermögens begründen. Hiervon macht § 17 InvStG als speziellere Regelung eine Ausnahme, soweit der Repräsentant die ausländische Investmentgesellschaft ausschließlich gerichtlich oder außergerichtlich vertritt und er hierbei weder über die Anlage des eingelegten Geldes bestimmt noch bei dem Vertrieb der ausländischen Investmentanteile tätig wird. Abkommensrechtlich handelt es sich bei diesen Tätigkeiten um reine Hilfstätigkeiten, die als solche keine Vertreterbetriebsstätte begründen können.

151

Tatbestandsvoraussetzungen der Vertreterbetriebsstätte. Tatbestandlich verlangt Art. 5 Abs. 5 – eine Person (s.u. Rz. 153), – die nicht unabhängig i.S.v. Abs. 6 ist (s.u. Rz. 156) und – die für ein Unternehmen tätig ist (s.u. Rz. 158) und – in einem Vertragsstaat die Vollmacht besitzt, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen (s.u. Rz. 157), – die diese Vollmacht tatsächlich (s.u. Rz. 159) – gewöhnlich ausübt (s.u. Rz. 162) und – die Tätigkeiten sich nicht auf Vorbereitungs- und/oder Hilfstätigkeiten i.S.v. Abs. 4 beschränken (s.u. Rz. 163).

152

Änderungen des Abs. 5 durch das MLI, OECD-MA (2017). Der Wortlaut des Abs. 5 wird durch das MLI bzw. das OECD-MA (2017) verändert (siehe Art. 5 (2017) Rz. 79 ff.). Deutschland hat diese Änderungen abgelehnt (siehe Kommentierung Art. 5 (2017) Rz. 95).

II. Person des Vertreters 153

Person. Vertreter können nur Personen i.S.d. Abkommens sein (vgl. Art. 3 Rz. 11 OECD-MK). Als solche kommen natürliche und juristische Personen, Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden (vgl. K) Art. 3 Rz. 17 OECD-MK, sowie alle anderen Personenvereinigungen (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b), d.h. grds. auch Personengesellschaften in Betracht (vgl. Art. 3 Rz. 14 OECD-MK). Sofern diese allerdings vom Anwenderstaat als transparente Gebilde behandelt werden (vgl. Rz. 76) und daher nicht ansässig sind, fehlt ihnen die notwendige zuordnungsbegründende Abkommensberechtigung. Unabhängig von Art. 5 Abs. 7 können sich auch verbundene Unternehmen vertreten. Entscheidend ist nur, dass die Person rechtlich selbständig, d.h. von der Person des Vertretenen verschieden ist. Im Unterschied zu Tochtergesellschaften (vgl. Art. 5 Rz. 116 OECD-MK 2017) kommen daher Betriebsstätten als unselbständige Teile des Unternehmens (vgl. Rz. 2) nicht als Vertreter in Betracht. Dies gilt entsprechend für ständige Vertreter i.S.v. § 13 AO.2

154

Personenverschiedenheit von Vertreter und Vertretenem. Gemäß Art. 5 Abs. 5 muss die handelnde Person mit „Vollmacht“ ausgestattet sein. Diese setzt einerseits die Übertragung durch Rechtsgeschäft (z.B. Arbeitsvertrag; Prokura gem. § 48 ff. HGB) oder Gesetz und andererseits das Tätigwerden für einen anderen voraus, dem die Handlungen zugerechnet werden. Dementsprechend müssen Vertreter und Vertretener personenverschieden sein.3 Daher kann ein Einzelunternehmer im Quellenstaat auch bei dauerhaftem Tätigwerden kein Besteuerungsrecht desselben begründen, sofern er dort nicht durch eine feste Geschäftseinrichtung tätig wird.4 Wegen ihrer Transparenz (s. Rz. 76) gilt nichts anderes für den zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter einer Personengesellschaft.5 Soweit für diese Ansicht auf die Formulierung in Art. 5 Abs. 5, 1 So BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182, Rz. 418. 2 Vgl. Drüen in T/K, § 13 AO Rz. 4. 3 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 115; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 197; Vetter in Gassner/Lang/Lechner, 95 (100); Piltz, IStR 2004, 181 (183). 4 Vgl. Buciek in FS Wassermeyer, 289 (290); BFH v. 18.12.1990 – X 82/89, BStBl. II 1991, 395. 5 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 115; Piltz, IStR 2004, 181 (183).

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F. Abhängiger Vertreter (Abs. 5)

Rz. 156 Art. 5 (2014)

nach der die „Person … für das Unternehmen tätig“ sein muss, verwiesen wird,1 sollte jedenfalls seit erstmaliger Definition des Begriffs „Unternehmen“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA 20002 bedacht werden, dass der Vertreter nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 5 nicht für eine andere Person (in Form des Unternehmers) sondern nur für die (unternehmensprägende) Geschäftstätigkeit als solche tätig sein muss. Hierzu ist aber auch ein Einzelunternehmer fähig. Im Ergebnis ist daher die Personenverschiedenheit von Prinzipal und Vertreter entscheidend. Organe juristischer Personen.3 Werden Personen in ihrer Funktion als Organ einer juristischen Person (z.B. als Vorstand oder Geschäftsführer) tätig, ist umstritten,4 ob deren Handeln eher als Handeln eines gesetzlichen Vertreters für die Körperschaft (zur Vollmacht des gesetzlichen Vertreters s. Rz. 156) oder der „personifizierten Körperschaft“ anzusehen ist.5 Je nachdem wird die Möglichkeit der Begründung einer Vertreterbetriebsstätte durch diesen Personenkreis angenommen6 oder abgelehnt.7 Für die Annahme einer Vertreterstellung des Organs spricht, dass es systemwidrig wäre, die identischen Tätigkeiten von Angestellten und Organen unterschiedlich zu werten.8 Und wenn schon die ständige Präsenz und das Tätigwerden im Quellenstaat durch einen Angestellten eine dortige Vertreterbetriebsstätte für seinen Unternehmer begründet, dann muss dies erst recht für das Handeln des Organs gelten.9

155

Abhängigkeit. Im Umkehrschluss fallen unter Art. 5 Abs. 5 sämtliche Vertreter, die nicht als unabhängige i.S.d. Art. 5 Abs. 6 anzusehen sind. Dort sind genannt die Makler, Kommissionäre und anderen unabhängigen Vertreter, sofern sie nicht außerhalb ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln. Aus dieser Einschränkung folgt, dass auch Makler (vgl. Rz. 170) und Kommissionäre (vgl. Rz. 170) Vertreter i.S.v. Art. 5 Abs. 5 sein können.10 Im Übrigen kommen als Vertreter i.S.v. Art. 5 Abs. 5 nur abhängige Personen in Betracht. Ob jemand als abhängig anzusehen ist, folgt im Zweifel aus einer wertenden Gesamtbeurteilung.11 Allein eine sachliche Weisungsgebundenheit des Vertreters reicht hierfür nicht aus, da eine solche Weisungsgebundenheit für jede Vertretertätigkeit typisch ist.12 Vielmehr bedarf es einer persönlichen Abhängigkeit. Diese kann sich aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Umständen ergeben.13 Auf die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit kommt es nach deutschem Verständnis (siehe Art. 5 (2017) Rz. 98, 100) dafür nicht an (Art. 5 Abs. 7). Rechtlich entscheidend ist vielmehr der Gestaltungsspielraum des Vertreters, der nach Berücksichtigung der Pflichten aus dem Vertrag mit dem Prinzipal (nach innen) verbleibt.14 M.a.W. bedeutet dies: Umso mehr das rechtliche „Dürfen“ des Vertreters nach außen sein „Müssen“ nach innen übersteigt, umso unabhängiger ist er in rechtlicher Hinsicht. In qualitativer Hinsicht sind dabei die Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf Hauptleistungspflichten gewichtiger als die dazugehörigen vertraglichen Nebenpflichten zu werten. Die wirtschaftliche Abhängigkeit hängt wesentlich vom Risiko des Vertreters ab.15 Dabei ist zu unterscheiden zwischen den potentiellen wirtschaftlichen/finanziellen Folgen für den Vertreter innerhalb der bestehenden Vertragsbeziehung und aus dem Verlust derselben. Für die laufende Ver-

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Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (183); BFH v. 18.12.1990 – X 82/89, BStBl. II 1990, 395. Vgl. Vogel in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 79. Ausführlich: Weber, IStR 2017, 165. Offenlassend: BFH v. 3.8.2005 – I R 87/04, BStBl. II 2006, 220. Vgl. FG Düsseldorf v. 16.1.2002 – 15 K 8624/99 K, EFG 2003, 1125. Vgl. FG München v. 28.5.1998 – 7 V 1/98, EFG 1998, 1491; FG Münster v. 24.5.2004 – 9 K 5177/98 K, EFG 2004, 1498; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 194; IStR 1999, 405; Wick, Arbeitnehmerentsendungen zwischen Deutschland und den Niederlanden, 2009, S. 100 ff.; Buciek in FS Wassermeyer, S. 289 ff.; Heinsen in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 169; Heussner, IStR 2004, 161; Puls, RIW 2004, 172; Haarmann, FG Wassermeyer, Rz. 7. Vgl. FG Rh.-Pf. v. 16.3.2005 – 1 K 2073/02, juris; FG Düsseldorf v. 16.1.2003 – 15 K 8624/99 K, EFG 2003, 1125; FG Rh.-Pf. v. 17.9.1997 – 4 K 2438/95, EFG 1998, 576; Nds. FG v. 4.7.1991 – VI 480/89, RIW 1991, 1055 (1057); Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 114, 115; Günkel in G/K/G/K, Art. 5 OECD-MA Rz. 218; Haase in Haase3, Art. 5 OECD-MA Rz. 142; Vetter in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 95 (101); Eckl, IStR 2009, 510 (513); Seltenreich, IWB 2006, F 3 Gr. 2, 1269 (1272, 1276 ff.); Piltz, IStR 2004, 181 (184); Boergen, IStR 2003, 798; Wilke, PIStB 2001, 22 (23); Baranowski, IWB 1997, F. 3 Gr. 2, 719. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 194. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 201b; Heinsen in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 169; ebenso Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 89; Weber, IStR 2017, 165 (171). Allg. Meinung: z.B. Ditz in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung, 2010, S. 163 (173). Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 109. Vgl. BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238. Vgl. Ditz in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung, 2010, S. 163 (172). Vgl. Heinsen in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 166. Vgl. BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238.

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Art. 5 (2014) Rz. 156

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tragsbeziehung gilt der Vertreter umso abhängiger, je weniger seine Vergütung vom Markterfolg seines Handelns abhängt. Erhält der Vertreter ein Festentgelt1 oder eine nach Kostenaufschlagsmethode ermittelte Vergütung, spricht daher vieles für eine wirtschaftliche Abhängigkeit.2 Für die Vertragsbeziehung dem Grunde nach wird der Vertreter hingegen umso abhängiger gesehen, je mehr seine wirtschaftliche Existenz vom Fortbestand der Vertragsbeziehung mit dem Prinzipal abhängt. Daher wird ein Vertreter als umso unabhängiger angesehen, je mehr verschiedene Geschäftsherren er vertritt (vgl. Art. 5 Rz. 109 OECD-MK 2017). Umgekehrt besteht ein Indiz für seine wirtschaftliche Abhängigkeit, je weniger Geschäftsherren, insbesondere wenn er nur einen vertritt.3 Dieses kann jedoch entkräftet werden, wenn der Vertreter neben seiner Vertretungstätigkeit einen eigenen Geschäftsbetrieb unterhält, der seine wirtschaftliche Existenz vom Fortbestand der Vertreterbeziehung unabhängig macht.4 Im Unterschied hierzu muss der Vertreter i.S.v. § 13 AO nur sachlich weisungsgebunden sein.5

III. Vertretungsmacht/Abschlussvollmacht 157

Innenverhältnis. Die Person muss in einem Vertragsstaat die „Vollmacht besitzen, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen“. Nachdem weder das OECD-MA selbst noch das deutsche Steuerrecht diesen Begriff definieren, kann zurAuslegung auch auf das nationale Zivilrecht zurückgegriffen werden (Art. 3 Abs. 2). Keine Rolle spielt es, nach dem Zivilrecht welchen Staates die Vollmacht erteilt worden ist. Auf den Tätigkeitsort des Vertreters kommt es insoweit nicht an.6 Entscheidend ist vielmehr das Kollisionsrecht des internationalen Privatrechts, das für schuldrechtliche Verträge mit Wirkung ab 17.11.2009 durch die Art. 3 und 4 Rom-I-VO7 geregelt wird. Kommt hiernach deutsches Zivilrecht zur Anwendung, ist zwar unter dem Begriff „Vollmacht“ gem. § 166 Abs. 2 BGB nur die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht zu verstehen. Als solche sind die Innenvollmacht, Außenvollmacht, ausdrückliche Vollmacht, konkludente Vollmacht, Duldungs- und Anscheinsvollmacht anzusehen.8 Jedoch ist diese Betrachtung zu eng. So besteht weitgehend Einigkeit, dass auch die durch Gesetz eingeräumte Vertretungsmacht, insbesondere die der Organe juristischer Personen (s. Rz. 155), geeignet ist, eine Vollmacht i.S.d. Art. 5 Abs. 5 darzustellen.9 Teilweise wird darüber hinaus auch eine Vollmacht im wirtschaftlichen Sinne als ausreichend angesehen.10 Bei dieser wird das Handeln des Vertreters dem Prinzipal zugerechnet, weil dieser die Folgen des Vertreterhandelns tatsächlich für und gegen sich gelten lässt.11 Letztgenannter Ansicht ist zuzustimmen. Denn nur so wird der zivilrechtlichen Rückwirkung (§ 184 Abs. 1 BGB) einer nachträglichen Genehmigung (§ 177 Abs. 1 BGB) Rechnung getragen. Und es ist kein Grund ersichtlich, warum die fahrlässige Unwissenheit des Prinzipals bei der Anscheinsvollmacht für eine Vertreterbetriebsstätte ausreichen soll,12 nicht aber dessen bewusste und gewollte, rückwirkende Genehmigung des Vertreterhandelns. In diesem Sinne äußert sich auch die OECD, die als prägendes Merkmal für eine Abschlussvollmacht die wirtschaftliche Bindung des Prinzipals ansieht (vgl. Art. 5 Rz. 32.1 OECD-MK (2014)).13 Im OECD-MK (2017) wurde diese Rz. gestrichen, da die wirtschaftliche Bindung im Wortlaut der Neufassung als ausreichend angesehen wird (s.u. Art. 5 (2017) Rz. 79). Unbeachtlich ist hiernach, ob die Zurechnung des Vertreterhandelns durch nachträgliche Genehmigung oder durch abweichende steuerliche Beurteilung (z.B. gem. § 39 AO oder § 42 AO) erfolgt. Auf die formale Erteilung eines Auftrags oder einer Vollmacht kommt es daher nicht an.14 Entscheidend ist damit nur, ob der Prinzipal das Ergebnis des Vertreterhandelns wirtschaftlich gegen sich gel-

1 Vgl. Heinsen in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 166. 2 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.2.; Prinz, FR 1996, 483 f.; Endres, IStR 1996, 5; Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.28. 3 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 203; Öst. BMF EAS 2988 v. 23.7.2008, SWI 2008, 386. 4 Vgl. BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238. 5 Vgl. Drüen in T/K, § 13 AO Rz. 5. 6 Ebenso Piltz, IStR 2004, 181 (183). 7 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 v. 17.6.2008, Abl. EU 2008, L 177/6. 8 Vgl. Heinrichs in Palandt78, § 167 BGB Rz. 1. 9 Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (184); Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 201; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 93. 10 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 118; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – BetriebsstättenVWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.2.; ebenso BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494 zu § 13 AO. 11 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 118. 12 Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (182). 13 Ablehnend: Andresen in W/A/D, Betriebsstättenhandbuch2, Rz. 10.214. 14 So aber Wassermeyer in FS Schaumburg, 971 (978); Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 96.

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F. Abhängiger Vertreter (Abs. 5)

Rz. 161 Art. 5 (2014)

ten lässt.1 Da die Vertreterstellung i.S.v. § 13 AO nur weisungsabhängige tatsächliche Handlungen verlangt, kommt es auf eine Vollmachterteilung nicht an.2

IV. Handlungen des Vertreters Tätigkeit für ein Unternehmen. Der Vertreter muss für ein Unternehmen tätig sein. Ebenso wie bei der festen Geschäftseinrichtung muss ein innerer Zusammenhang zwischen dem Vertreterhandeln und dem Unternehmen des Prinzipals bestehen, m.a.W. es muss sich um „die“ Geschäfte des vertretenen Unternehmens handeln, welche der Vertreter besorgt (Art. 5 Rz. 80 OECD-MK 2017). Es müssen also Geschäfte sein, die in den Betrieb dieses Unternehmens fallen.3 Ebenso wie bei § 13 AO4 sind dies alle Geschäfte, die unmittelbar dazu dienen, den Unternehmenszweck zu verwirklichen. In Betracht kommt zwar grundsätzlich jede Tätigkeit wirtschaftlicher Art, d.h. nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch Handlungen tatsächlicher Art.5 Wegen des zusätzlichen Tätigkeitserfordernisses in Art. 5 Abs. 5, Verträge im Quellenstaat abzuschließen (s. Rz. 159), reichen jedoch allein Handlungen tatsächlicher Art nicht.6 Diese können lediglich rechtsgeschäftliche Handlungen ergänzen.

158

Tatsächliche Ausübung der Vollmacht (Außenverhältnis). Der Vertreter muss von seiner Vollmacht, Verträge mit Wirkung für den Prinzipal abzuschließen (s. Rz. 156), tatsächlich Gebrauch machen. Dies setzt voraus, dass der Vertreter auf dem Markt im Quellenstaat rechtsgeschäftlich tätig wird (vgl. Art. 5 Rz. 83 OECD-MK 2017).7 Nicht erforderlich ist, dass der Vertreter den Vertrag formal schließt. Vielmehr genügt es, wenn das vertretene Unternehmen durch seine Erklärung gebunden wird, selbst wenn die Verträge nicht im Namen des Unternehmens abgeschlossen werden (vgl. Art. 5 Rz. 87, 97 OECD-MK 2017).8 Damit wird die wirtschaftliche Betrachtung der Vollmacht (s. Rz. 156) im Außenverhältnis umgesetzt. Im Unterschied zu § 13 AO reichen jedoch Geschäftsbesorgungen, wie etwa die Auslieferung von Waren oder schlichte Handlungen im Rahmen des internen Geschäftsbetriebs, wie z.B. die Erteilung von Weisungen an Mitarbeiter, nicht aus (s. Rz. 149). Rechtsgeschäftliche Handlungen, die sich nur auf Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 beschränken, sind zwar grundsätzlich geeignet, jedoch reicht ihre Intensität für sich allein nicht aus (s. Rz. 8, 128 ff.).

159

Offenheit der Vertreterstellung. Seinem Wortlaut nach muss der Vertreter im Innenverhältnis bevollmächtigt sein, im Namen des Prinzipals zu handeln und diese Vollmacht auch tatsächlich im Außenverhältnis ausüben. Dementsprechend reicht nach der vorherrschenden Meinung9 eine mittelbare Stellvertretung für Art. 5 Abs. 5 nicht aus.10 Deutschland hat diese zivilrechtliche Haltung durch Ablehnung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise deutlich gemacht (Vorbehalt gem. Art. 12 Abs. 4 MLI, siehe hierzu Art. 5 (2017) Rz. 95).

160

Zweifel an der Offenheit der Vertreterstellung. Unbestritten hat das Wortlautargument (s.o. Rz. 160) vordergründig eine gewisse Stärke. Es steht jedoch im klaren Widerspruch zur systematischen Auslegung der Abs. 5 und 6. Denn der Nennung des Kommissionärs in Art. 5 Abs. 6 als Ausnahmetatbestand i.S.d. Art. 5 Abs. 5 bedürfte es nicht, wenn dieser als Vertreter i.S.v. Art. 5 Abs. 5 von vornherein ausgeschlossen wäre, weil nur ein Fall mittelbarer Stellvertretung vorliegt. Vielmehr will das Abkommen den Kommissionär nur im Fall seiner Unabhängigkeit unter Art. 5 Abs. 6 subsumieren.11 Für dieses Verständnis spricht auch die Auslegung nach dem rein wirtschaftlich orientierten Verständnis der OECD-Mitgliedstaaten (vgl. Art. 5 Rz. 32.1 OECD-MK (2014)). Und für die Wirksamkeit des Vertreterhandelns kommt es für Deutschland als Anwenderstaat nicht ausschließlich auf das eigene Zivilrecht an (s. Rz. 156). Nach anderen Rechtsordnungen kann aber der Vertreter den Prinzipal auch dann binden, wenn er im eigenen Namen handelt.12 Auch gestehen die Befürworter der Wortlautinterpretation eine Vertreterstellung i.S.d. Art. 5 Abs. 5 zu, wenn der Ver-

161

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.2. Vgl. Drüen in T/K, § 13 AO Rz. 9. Vgl. BFH v. 18.12.1990 – X R 82/89, BStBl. II 1991, 395. Vgl. Drüen in T/K, § 13 AO Rz. 4. So: Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 91; BFH v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776. Ebenso Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 202. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 202. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 118. Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (184); Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 201; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 96. 10 A.A. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 117; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – BetriebsstättenVWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.2. 11 Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (185). 12 Siehe hierzu Piltz, IStR 2004, 181 (185).

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treter im Innenverhältnis neben dem Auftrag auch die Vollmacht hatte, im Namen des Prinzipals zu handeln, von diesem Recht im Außenverhältnis jedoch keinen Gebrauch gemacht hat.1 Mangels Offenheit des Vertreterhandelns führt dieses Verhalten nach deutschem Zivilrecht zum Durchgangserwerb.2 Auf das Bestehen der Vollmacht kommt es nicht an. Hält sich der mittelbare Stellvertreter an seine Vereinbarung im Innenverhältnis und handelt ohne Vollmacht im eigenen Namen für fremde Rechnung, kommt es ebenso zum Durchgangserwerb. Darüber hinaus kommt es sogar zum Direkterwerb des Prinzipals, wenn der Vertreter im Innenverhältnis den Auftrag hat, im eigenen Namen zu handeln, jedoch nach außen ohne Vollmacht im Namen des Prinzipals handelt und dieser das Geschäfts rückwirkend genehmigt (s. Rz. 156). Wirtschaftlich ist das Ergebnis sämtlicher Fälle identisch, nämlich der Prinzipal lässt das Vertreterhandeln gegen sich gelten. Zur Vermeidung von Zufälligkeiten ist daher der Ansicht, dass auch Fälle der mittelbaren Stellvertretung von Art. 5 Abs. 5 erfasst werden, der Vorzug zu gewähren. Maßgeblich ist damit nur der wirtschaftliche Gehalt des Handelns der Beteiligten. In diesem Sinne kann auch der Kommissionär Vertreter i.S.d. Art. 5 Abs. 5 sein, obwohl der Prinzipal durch das Handeln des Kommissionärs nur im Wege des Durchgangserwerbs verpflichtet oder berechtigt wird (§§ 383 ff. HGB).3 Dementsprechend erkennt z.B. die Schweiz bei sog. PrinzipalStrukturen (s.u. Rz. 210) eine Vertreterbetriebsstätte der Muttergesellschaft bei ihrer Tochtergesellschaft, die als Kommissionärin der Mutter tätig ist, an.4

V. Dauerhaftigkeit der Ausübung 162

Gewöhnliche Ausübung. Der Vertreter muss seine Tätigkeit im Quellenstaat gewöhnlich ausüben, d.h. er muss wiederholt und nicht nur gelegentlich tätig werden.5 Notwendiges Ausmaß und Häufigkeit des Vertreterhandelns hängen aber von der Art der Geschäftstätigkeit ab (vgl. Art. 5 Rz. 98 OECD-MK 2017). Im Zweifel ist die Dauerhaftigkeit nach denselben Kriterien zu beurteilen, wie sie bei festen Geschäftseinrichtungen anzuwenden sind.6 Für die Praxis kommt damit die sechs-monatige Faustregel zum Tragen.7 Diese ist unstreitig bei einer ständigen Anwesenheit ohne größere Unterbrechungen (i.Ü. vgl. Rz. 58) oder bei regelmäßig wiederkehrenden, kurzfristigen Anwesenheiten8 über diesen Zeitraum erfüllt. Nach der Rspr. genügt hierfür eine einmalige, vierwöchige Anwesenheit hierfür ebenso wenig wie durchschnittlich zehn Aufenthalte in unregelmäßigen Abständen über einen Zeitraum von vier Jahren.9 Durch seinen Verweis auf die Regelungen zur zeitlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung verdeutlicht Art. 5 Rz. 98 OECD-MK (2017) den Normzweck des Art. 5 Abs. 5, nach dem das persönliche Anknüpfungsmoment des Vertreters lediglich das sachliche der festen Geschäftseinrichtung ersetzen soll.10 Auf den Wohnsitz, die Ansässigkeit oder eine vergleichbare Anwesenheit des Vertreters im Quellenstaat11 kommt es damit nicht an (vgl. Art. 5 Rz. 83 OECDMK 2017),12 obwohl diese das typische Zuordnungskriterium für Personen zu einem der beiden Vertragsstaaten ist (Art. 4).

VI. Negativkatalog 163

Keine reine Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit. Nachdem der Quellenstaat ein Besteuerungsrecht erst ab einer bestimmten Mindestaktivität erhalten soll (vgl. Rz. 8), darf sich die Tätigkeit des Vertreters im Quellenstaat nicht ausschließlich auf Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 beschränken. Ob eine solche Tätigkeit gegeben ist, bestimmt sich aus dem Blickwinkel der Gesamttätigkeit des Unternehmens.13 Da Art. 5 Abs. 5 zur Betriebsstättenbegründung über die Tätigkeitsvoraussetzungen im Zusammenhang mit einer festen Geschäftseinrichtung (vgl. Rz. 70) zumindest auch ein rechtsgeschäftliches Handeln des Vertreters verlangt (vgl. Rz. 158), scheiden ausschließlich tatsächliche Handlungen i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–c 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 96. Vgl. Heinrichs in Palandt78, § 164 BGB Rz. 1; G. Maier-Reimer in Erman15, § 164 BGB Rz. 4. Ebenso Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 96. Kreisschreiben Nr. 8 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV) v. 18.12.2001; abgedruckt in F/W/K, DBASchweiz, Materialien, 6.37. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 120. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 120; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 202. Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 195. Vgl. § 6 Abs. 1 DBA NL-KonsVerV. Vgl. BFH v. 3.8.2005 – I R 87/04, BStBl. II 2006, 220; krit. Kempermann, FR 2006, 191 (192). Vgl. BFH v. 3.8.2005 – I R 87/04, BStBl. II 2006, 220. So Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 194. Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (182). Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 123.

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G. Unabhängiger Vertreter (Abs. 6)

Rz. 169 Art. 5 (2014)

von vornherein aus (vgl. Art. 5 Rz. 85 OECD-MK 2017). Eigenständige Bedeutung erlangt der Verweis nur im Fall des Art. 5 Abs. 4 Buchst. d, soweit der Vertreter ausschließlich rechtsgeschäftlich Güter, Waren oder Informationen beschafft oder sowie in den Fällen, in denen der Vertreter Verträge schließt, deren Wirkung sich ausschließlich auf Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. e beschränkt. Im Ergebnis begründen damit Mitarbeiter, insbesondere Organe, keine Vertreterbetriebsstätte, wenn sich ihr Handlungsspektrum im Quellenstaat auf den internen Geschäftsbetrieb beschränkt und zwar selbst dann, wenn sie innerhalb dieses Rahmens Verträge, z.B. zur Einstellung von Mitarbeitern, abschließen (vgl. Art. 5 Rz. 97 OECD-MK 2017).1

VII. Reichweite der Vertreterbetriebsstätte Betriebsstättenumfang. Sind die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 erfüllt, besteht die Betriebsstätte in dem vollen Umfang, in dem der Vertreter für den Prinzipal tätig wird, d.h. nicht nur insoweit, als die Person die Abschlussvollmacht ausübt (vgl. Art. 5 Rz. 99 OECD-MK 2017). Als solche umfasst sie auch die Aufwendungen und Erträge, die sich aus den tatsächlich an den anderen Unternehmensteil erbrachten Leistungsbeziehungen ergeben.

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Kein Ortsbezug. Art. 5 Abs. 5 fordert keinen konkreten Ortsbezug des Vertreterhandelns im Quellenstaat. Dies folgt aus der tatbestandlichen Lücke, die sich aus dem Vergleich des Art. 5 Abs. 1 mit Abs. 5 ergibt. Denn während die „Festigkeit“ des Art. 5 Abs. 1 neben der „tatsächlichen Sachherrschaft“ und „Dauerhaftigkeit“ eine „gewisse örtliche Verwurzelung“ (vgl. Rz. 54 ff.) verlangt, fordert Art. 5 Abs. 5 nur die Surrogate (vgl. Rz. 146) „Abhängigkeit“ und „Gewöhnlichkeit“. Anders als bei der festen Geschäftseinrichtung können daher alle von einem Vertreter für das vertretene Unternehmen im Quellenstaat ausgeübten Tätigkeiten ohne Rücksicht auf einen Ortsbezug zu einer Vertreterbetriebsstätte zusammengefasst werden. Beispielhaft ist hier die Tätigkeit eines Vertreters auf einem ortsunabhängigen Schiff innerhalb eines Hoheitsgebiets zu nennen (Art. 5 Rz. 26 OECD-MK 2017) Der Vertreter muss weder im Quellenstaat ansässig sein noch dort über eine feste Geschäftseinrichtung verfügen.2

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G. Unabhängiger Vertreter (Abs. 6) I. Regelungszweck Regelungszweck. Grundgedanke des Art. 5 Abs. 6 ist, dass ein selbständiger Unternehmer keine (unselbständige) Vertreterbetriebsstätte eines anderen Unternehmens darstellen kann, soweit er im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt.3 Denn soweit der Vertreter hierfür ein fremdübliches Entgelt bezieht, unterliegt die territoriale Wertschöpfung bei ihm dem Besteuerungsrecht des Quellenstaates. Art. 5 Abs. 6 hat insoweit nur deklaratorische Bedeutung (vgl. Art. 5 Rz. 102 OECD-MK 2017). Dessen ungeachtet konkretisiert er die Tatbestandsmerkmale „Unabhängigkeit“ der Vertretertätigkeit und „Handeln im Rahmen der ordentlichen Geschäftstätigkeit“ als negative Abgrenzungsmerkmale zur Vertreterbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 5.4

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Änderungen des Abs. 6 durch das MLI, OECD-MA (2017). Der Wortlaut des Abs. 6 wird durch das MLI bzw. das OECD-MA (2017) verändert (siehe Art. 5 (2017) Rz. 96 ff.). Deutschland hat diese Änderungen abgelehnt (siehe Art. 5 (2017) Rz. 100).

167

II. Unabhängiger Vertreter Vertreter. Ebenso wie die Person i.S.d. Art. 5 Abs. 5 muss die Person i.S.d. Art. 5 Abs. 6 Vertreter sein, d.h. von der Person des Vertretenen verschieden sein (vgl. Rz. 154), Abschlussvollmacht besitzen (vgl. Rz. 157) und die Vollmacht tatsächlich nach außen (vgl. Rz. 159) gewöhnlich (vgl. Rz. 162) ausüben.

168

Unabhängigkeit. Art. 5 Abs. 6 nennt als Oberbegriff den unabhängigen Vertreter. Ob eine Person von dem durch sie vertretenen Unternehmen unabhängig ist, bestimmt sich nach den Verpflichtungen gegenüber

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1 2 3 4

Ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 Rz. 202; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 117. Vgl. § 6 Abs. 1 KonsVerNLDV; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 205. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 105. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 105.

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Art. 5 (2014) Rz. 169

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dem Unternehmen (vgl. Art. 5 Rz. 104 OECD-MK 2017).1 Da sich abhängige und unabhängige Vertreter ausschließen, ist es methodisch grds. unerheblich, ob man die Abhängigkeit positiv begründet oder die Unabhängigkeit negativ abgrenzt. Insoweit gelten die Ausführungen zur Abhängigkeit des Vertreters i.S.v. Art. 5 Abs. 5 (s. Rz. 156) spiegelbildlich.2 Typischerweise gehören zu den unabhängigen Vertretern in Deutschland die Handelsvertreter i.S.v. §§ 84 ff. HGB3 inkl. der Sonderform der Versicherungs- und Bausparkassenvertreter gem. §§ 92 ff. HGB. 170

Makler und Kommissionäre. Art. 5 Abs. 6 nennt ausdrücklich die Makler und Kommissionäre als typische Beispielsfälle unabhängiger Vertreter. Nach deutschem Verständnis sind Makler Personen, die gewerbsmäßig Verträge vermitteln (§§ 93 ff. HGB). Kommissionäre sind Personen, die gewerbsmäßig Wirtschaftsgüter im eigenen Namen für fremde Rechnung kaufen bzw. verkaufen (§§ 383 ff. HGB). Die Nennung der Makler in Art. 5 Abs. 6 hätte es aus deutscher Sicht nicht bedurft, da diese Person nach dem deutschen Verständnis gar kein (mittelbarer) Vertreter ist, da sie nur eine Vermittlungsleistung im eigenen Namen und für eigene Rechnung erbringt. Im Englischen entspricht der des „Maklers“ verwendete Begriff des „agent“ jedoch dem des Vertreters. Insofern hat diese Formulierung nur für den englischsprachigen Raum Bedeutung.4 Diese nur eingeschränkte Vergleichbarkeit wie auch die Bezugnahme durch die Formulierung „… und andere unabhängige Vertreter …“ bringen zum Ausdruck, dass Art. 5 Abs. 6 nur einen deklaratorischen, beispielhaften Katalog enthält. Deshalb ist für jeden Vertreter unabhängig von seiner Bezeichnung zu prüfen, ob seine Rechtsbeziehung zum Prinzipal den gesetzlichen Vorstellungen an eine (mittelbare) Vertreterstellung (zur Offenheit der Vertreterstellung s. Rz. 160) entspricht5 und ob er unabhängig ist. Denn auch die Position eines Kommissionärs kann so beschränkt sein, dass er seine typische Unabhängigkeit verliert.6 Verfahrenstechnisch wirken diese Regelfallbeispiele damit wie eine Beweislastumkehr, nach der der Beweis des ersten Anscheins für eine unabhängige Vertreterposition spricht. Ist die unabhängige Vertreterposition unstreitig, kann es gleichwohl zu einer Vertreterbetriebsstätte kommen, sofern die Person außerhalb ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt.7 Ob vor diesem Hintergrund ein Kommissionär eine Vertreterbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 5 und 6 begründen kann, ist umstritten.8 Die h.M. geht indessen – mangels Vollmacht – davon aus, dass die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 und 6 bei einem Kommissionär i.S.d. § 383 HGB nicht erfüllt sind, so dass er nicht als abhängiger Vertreter eingestuft werden kann.9 Dies wird im Übrigen auch durch die Entscheidung des französischen Conseil d’État bestätigt.10 Umgekehrt sieht die Schweiz den konzernabhängigen Kommissionär als Vertreterbetriebsstätte der Obergesellschaft an (s.u. Prinzipalstruktur Rz. 210).11

III. Handeln innerhalb der ordentlichen Geschäftstätigkeit 171

Ordentliche Geschäftstätigkeit. Nach Art. 5 Abs. 6 begründet ein unabhängiger Vertreter für seinen Prinzipal keine Vertreterbetriebsstätte, solange er im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt. Ob er in diesem Rahmen tätig ist, ist anhand eines Soll-Ist-Vergleichs zu ermitteln. Dieser lässt sich anhand eines konkret-individuellen oder abstrakt-generellen Maßstabs vornehmen. Kommt es nur auf die konkrete, gegenwärtige Geschäftstätigkeit des Vertreters im Übrigen, d.h. dessen individuelle Gesamttätigkeit an,12 erfolgen Nebentätigkeiten grundsätzlich außerhalb der ordentlichen Geschäftstätigkeit, da sie nicht den Schwerpunkt der Gesamttätigkeit bilden. Umgekehrt ist nach dieser Ansicht jede Tätigkeit allein deshalb eine ordentliche, weil sie überwiegend oder ausschließlich ausgeübt wird. Im Ergebnis bestimmt sich die „Ordentlichkeit“ des Handelns damit allein anhand quantitativer Kriterien. Auf die Qualität des Vertreterhandelns kommt es indes nicht an. Gegen diese Auslegung spricht der Wortlaut des Art. 5 Abs. 6, der durch Nennung des unabhängigen Vertreters und der beiden Regelfallbeispiele einen abstrakt-generellen Maßstab aufstellt. Dahingehend äußert sich auch Art. 5 Rz. 109, 110 OECD-MK (2017). Ferner spricht für diese 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 145. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 106. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 146. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 144. Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (186). Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (185). Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 96. Vgl. dazu Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.28; Piltz, IStR 2004, 184; Endres, IStR 1996, 3; Kroppen/Hüffmeyer, IWB 1995, 641. Vgl. Ditz in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, S. 163 (173); Wassermeyer in FS Schaumburg, 978; Faix/Wangler, IStR 2001, 69. Vgl. dazu Ditz, IStR 2010, 553 (555); Rasch, IStR 2011, 6 ff. Kreisschreiben Nr. 8 der eidgenössischen Steuerverwaltung v. 18.12.2001; abgedruckt in F/W/K, DBA-Schweiz, Materialien, 6.37. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 110.

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H. Beherrschte Gesellschaften (Abs. 7)

Rz. 174 Art. 5 (2014)

Sicht die nationale Rechtspraxis,1 die die Ordnungsmäßigkeit des Handelns bestimmter Personen am objektiven Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers misst (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG, § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG). Vor diesem Hintergrund ist zuletzt genannter Meinung der Vorzug zu geben und die Ordentlichkeit anhand der verkehrsüblichen Vertretertätigkeit im branchenüblichen Geschäftsbereich der jeweiligen Berufsgruppe zu prüfen.2 Entscheidend ist damit das typisierte Leistungsspektrum der jeweiligen Vergleichsgruppe und dessen konkrete Umsetzung durch den untersuchten Vertreter. Nimmt daher ein Unternehmen eine unabhängige Vertretertätigkeit neben seiner bisherigen andersartigen Tätigkeit neu auf, kommt es nicht darauf an, ob die Tätigkeit in der bisherigen, sondern ob sie in der neuen Branche üblich ist.3 Fremdunübliches Verhalten. Der nationalen Rechtspraxis folgend4 umfasst der abstrakt-generelle Vergleichsmaßstab nicht nur die Art und Menge der Tätigkeit, sondern auch deren inhaltliche Ausgestaltung. Und ein unabhängiger Vertreter würde sich vom Prinzipal die von ihm ausgeübten Funktionen und die damit zusammenhängenden, von ihm getragenen Risiken fremdüblich vergüten lassen. In diesem Fall entspricht der Vorteil, den der Vertretene durch die Tätigkeit des Vertreters erfährt, seinem Aufwand, den er in Form der fremdüblichen Vergütung an den Vertreter leistet (Nullsummen-Theorie, vgl. dazu Art. 7 (2008) Rz. 205).5 Dieser Mechanismus ist gestört, wenn sich Prinzipal und Vertreter nahe stehen und ihre internen Vertragsbeziehungen zu fremdunüblichen Konditionen abwickeln. Diese Störung bewirkt, dass dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht für eine sachlich unzutreffende Bemessungsgrundlage i.S.v. Art. 7 Abs. 2 bzw. Art. 9 Abs. 1 zugesprochen wird. Bleibt also die Vergütung des Vertreters hinter den vom ihm getragenen Risiken und den von ihm ausgeübten Funktionen zurück, entsteht im Quellenstaat ein Gewinn/Verlust des Vertretenen, der grundsätzlich im Quellenstaat besteuert werden soll (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 205 ff.). Wenn aber Ziel des Art. 5 Abs. 6 ist, die Existenz einer Betriebsstätte bereits dem Grunde nach zu verneinen, wenn bei deren gedachtem Vorhandensein kein anderes Ergebnis heraus käme,6 dann knüpft die Nullsummentheorie auch an das fremdübliche Verhalten des Vertreters an. Im Ergebnis muss daher die Ordentlichkeit der Geschäftstätigkeit die Fremdüblichkeit des Verhaltens umfassen. Dementsprechend spricht vieles für eine (Vertreter-)Betriebsstätte des Prinzipals, wenn die Vergütung des Vertreters fremdunüblich ist. Bestehen dahingehende Anhaltspunkte, kann das Finanzamt eine hierauf gerichtete Prüfungsanordnung7 gegen den Prinzipal erlassen. Sodann unterliegt dieser unmittelbar den allgemeinen und speziellen verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten (§ 90 AO, § 200 AO). In der Praxis hat diese Überlegung besondere Bedeutung für Kommissionärsstrukturen (s.u. Prinzipalstruktur Rz. 210).

172

Reichweite der „außerordentlichen“ Vertreterbetriebsstätte. Wird der unabhängige Vertreter außerhalb seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit tätig, begründet er für seinen Prinzipal nur insoweit eine Betriebsstätte, als er dort tätig wird und insoweit die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 erfüllt.8

173

H. Beherrschte Gesellschaften (Abs. 7) I. Regelungszweck Anti-Organ-Klausel. Art. 5 Abs. 7 regelt, dass allein dadurch, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft eine Gesellschaft beherrscht oder von einer Gesellschaft beherrscht wird, die im anderen Vertragsstaat ansässig ist oder dort (entweder durch eine Betriebsstätte oder auf andere Weise) ihre Geschäftstätigkeit ausübt, keine der beiden Gesellschaften zur Betriebsstätte der anderen wird. Die Regelung wird auch als „Anti-Organ-Klausel“ bezeichnet,9 da sie sich u.a. gegen Rechtsauffassungen richtet, wie etwa die vom RFH entwickelte Filialtheorie.10 Nach dieser wurde – verkürzt gesprochen – die Organgesellschaft als Betriebsstätte 1 Vgl. H 36 KStH 2008. 2 Vgl. BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 150; Scherer in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 83; Haase in Haase3, Art. 5 OECD-MA Rz. 174; Helling, Die Vertreterbetriebsstätte im Internationalen Steuerrecht, 2009, 78; BFH v. 23.9.1983 – III R 76/81, BStBl. II 1984, 94. 3 Ebenso BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238. 4 Vgl. H 36 KStH 2008. 5 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 217. 6 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 217. 7 Vgl. BFH v. 15.7.2005 – I B 25/05, BFH/NV 2005, 1967; Schallmoser in H/H/Sp, § 193 AO Rz. 11. 8 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 153. 9 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.256; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 241; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 165. 10 Vgl. RFH v. 21.1.1930 – I A 682/28, RStBl. 1930, 148 (150); v. 16.9.1930 – I A 129/30, RStBl. 1930, 757 (758).

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174

Art. 5 (2014) Rz. 174

Betriebstätte

des Organträgers angesehen.1 Im nationalen Recht2 findet sich eine dahingehende Fiktion nur für Zwecke der Gewerbesteuer in § 2 Abs. 2 Satz 7. 2 GewStG. Wegen Art. 5 Abs. 7 greift diese Fiktion jedoch abkommensrechtlich nicht durch.3 Das bedeutet aber nicht, dass verbundene Unternehmen wechselseitig keine (Vertreter-)Betriebsstätte eines nahestehenden Unternehmens begründen können. Jedoch bedarf es hierzu zusätzlicher Voraussetzungen (vgl. Art. 5 Rz. 116 OECD-MK 2017). 175

Deklaratorische Wirkung. Zweck von Art. 5 Abs. 7 ist es, die Existenz einer (Vertreter-) Betriebsstätte nicht allein aus der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit abzuleiten.4 Hierzu stellt der Absatz klar, dass die rein gesellschaftsrechtliche Beherrschung dem Gesellschafter weder eine Sachherrschaft i.S.v. Art. 5 Abs. 1 über die Geschäftseinrichtung der beherrschten Gesellschaft noch eine Abhängigkeit i.S.v. Art. 5 Abs. 5 vermittelt. Dies gilt nicht nur für die gesellschaftsrechtlich bestehende Möglichkeit, sondern auch für deren tatsächliche Ausübung. Dementsprechend lässt sich auch aus der reinen Inanspruchnahme von Gesellschaftsrechten weder Sachherrschaft noch Abhängigkeit ableiten. Daher folgt aus Art. 5 Abs. 7, dass die gesellschaftsrechtliche Abhängigkeit keine i.S.d. Art. 5 Abs. 5 sein kann, denn anderenfalls wäre jedes beherrschte Unternehmen zwangsläufig ein abhängiges. Umgekehrt stellt Art. 5 Abs. 7 klar, dass aus der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit keine sachliche oder persönliche Einflussnahmemöglichkeit der Gesellschaft auf ihren Gesellschafter abgeleitet werden kann. Strenggenommen ergeben sich diese Erkenntnisse bereits aus dem Grundverständnis, nach dem sich eine Betriebsstätte von einer anderen Person durch ihre rechtliche Unselbständigkeit abgrenzt (s. Rz. 2). Insofern entfaltet Art. 5 Abs. 7 nur deklaratorische Wirkung5 dergestalt, dass allein aus der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit keine betriebsstättenspezifischen Rückschlüsse gezogen werden dürfen. Im Falle der Umsetzung des BEPS-Aktionspunktes 7 in Hinblick auf Art. 5 Abs. 6 (s. Art. 5 (2017) Rz. 96 ff.) kommt es zu einer Abkehr von der hier dargestellten Betrachtung.

176

Persönlicher Anwendungsbereich. Seinem Wortlaut nach gilt Art. 5 Abs. 7 nur für Gesellschaften. Betroffen sind insoweit nur juristische Personen oder Rechtsträger, die im Anwenderstaat für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b). Damit richtet sich der Wortlaut der Regelung vorrangig an Mutter-/Tochterbeziehungen im kapitalistisch organisierten Konzern.6 Auf Personengesellschaften ist Art. 5 Abs. 7 aus deutscher Sicht nicht anwendbar, da diese als transparent – und damit nicht als Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b – behandelt werden (s. Rz. 76). Entsprechend ist die Norm auch auf natürliche Personen als Gesellschafter nicht anwendbar.7 Wegen seiner deklaratorischen Wirkung gilt aber nichts anderes, wenn Gesellschafter eine natürliche Person ist.8 In diesem Fall ergibt sich diese Folge allerdings nur aus der rechtlichen Selbständigkeit der Gesellschaft.

177

Betriebsstätten in Konzernfällen. Durch den Wortlaut des Art. 5 Abs. 7 wird indessen auch deutlich, dass eine beherrschte Gesellschaft (z.B. eine Tochtergesellschaft) eine Betriebsstätte ihrer beherrschenden Gesellschaft (z.B. Muttergesellschaft) werden kann (und umgekehrt) (vgl. Art. 5 Rz. 117 OECD-MK 2017).9 Die Betriebsstättenbegründung kann ihre Ursache aber nicht im Beherrschungsverhältnis haben, weil dadurch keine Verfügungsmacht der beherrschenden Gesellschaft über eine Geschäftseinrichtung der beherrschten Gesellschaft vermittelt wird. Vielmehr ist es auch im Verhältnis zwischen verbundenen Unternehmen (z.B. Mutter- und Tochtergesellschaft) notwendig, dass die allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen der Betriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 1 bis 4 bzw. der Vertreterbetriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 5 und 6 erfüllt sind (siehe aber Art. 5 (2017) Rz. 96 ff.).10

178

Änderungen des Abs. 7 durch das MLI, OECD-MA (2017). Der Wortlaut des Abs. 7 wird durch das MLI bzw. das OECD-MA (2017) nicht verändert (siehe Art. 5 (2017) Rz. 114 f.). Die Kommentierung gilt fort.

II. Beherrschung 179

Beherrschung. Der Begriff der Beherrschung ist im OECD-MA nicht geregelt und daher unter Heranziehung des nationalen Rechts auszulegen (Art. 3 Abs. 2). Hiernach ist Voraussetzung, dass das herrschende 1 Ausführlich: von Beckerath, Der Durchgriff im deutschen Außensteuerrecht, 1978, 171 f. 2 Vgl. BFH v. 29.8.1984 – I R 154/81, BStBl. II 1985, 160. 3 Vgl. BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106; Nichtanwendungserlass: BMF v. 27.12.2011 – IV C 2 S 2770/11/10002 – DOK 2011/0965132, BStBl. I 2012, 119. 4 Vgl. Ditz, IStR 2010, 553 (553). 5 Statt aller: Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 111. 6 Vgl. Ditz, IStR 2010, 553 (553). 7 Ebenso Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 112. 8 I.E. zustimmend: Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 250. 9 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 168; Ditz, IStR 2010, 553 (553). 10 Vgl. zu Beispielsfällen Ditz, IStR 2010, 553 (553 ff.).

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I. ABC der Einzelfälle zu Betriebsstätten

Rz. 181 Art. 5 (2014)

Unternehmen auf das abhängige Unternehmen unmittelbar oder mittelbar Einfluss ausüben kann (§ 17 Abs. 1 AktG) bzw. finanziell eingegliedert ist (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KStG, § 17 KStG). Hiervon ist typischerweise auszugehen, wenn ein Unternehmen die Mehrheit der Anteile des abhängigen Unternehmens hält (§ 17 Abs. 2 AktG). Entscheidendes Kriterium ist die Durchsetzbarkeit des Gesellschafterwillens. Die dazu notwendige Rechtsposition kann dem Herrschenden auch durch schuldrechtliche Verträge eingeräumt werden,1 z.B. durch Übertragung von Stimmrechten. Andere Einflussnahmemöglichkeiten, wie etwa die Einräumung einer Geschäftsführungsposition mit entsprechenden Weisungsbefugnissen, sind indes nach Sinn und Zweck der Norm (s. Rz. 175) auszugrenzen.

I. ABC der Einzelfälle zu Betriebsstätten Agent. Der Begriff des Agenten ist weder im Abkommensrecht noch im innerstaatlichen Steuerrecht eigenständig definiert. Im englischsprachigen Raum wird unter dem „agent“ ein Vertreter verstanden, d.h. eine Person die im Außenverhältnis im fremden oder eigenen Namen mit Wirkung für den Prinzipal Verträge schließen kann. Nach dem deutschen Verständnis beschreibt der Begriff des Agenten lediglich das Innenverhältnis mit dem Geschäftsherrn, das in Form eines Dauerschuldverhältnisses über eine lose – ggf. wiederkehrende Beziehung – hinausgeht.2 Typischerweise wird der Ausdruck des „Agenten“ im Steuerrecht daher für Geschäftsbesorger verwendet, die Geschäfte, insbesondere Vorbereitungs- oder Hilfsleistungen, z.B. Vermittlungs- oder Maklertätigkeiten im eigenen Namen und für eigene Rechnung erbringen. Versteht man den Begriff im beschriebenen Sinn, erfüllen „Agenten“ bei dauerhafter Tätigkeit im Auftrag eines anderen wegen ihrer Weisungsgebundenheit im Innenverhältnis zwar die Voraussetzungen des § 13 AO. Für einen Vertreter i.S.d. Art. 5 Abs. 5 bzw. 6 fehlt es dem Agenten typischerweise aber an der notwendigen (wirtschaftlichen) Bindung (vgl. Rz. 159) des Prinzipals.

180

Arbeitsgemeinschaft (ArGe) (siehe auch Art. 5 Rz. 42 OECD-MK 2017). Bei einer Arbeitsgemeinschaft (ArGe) handelt es sich um einen Zusammenschluss von Unternehmern zur gemeinschaftlichen Auftragserfüllung,3 insbesondere im Baugewerbe, in der Rechtsform einer GbR.4 Steuerrechtlich handelt es sich um eine Mitunternehmerschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.5 Die Beiträge der Gesellschafter bestehen in Geldmitteln, Stellung von Bürgschaften, Personal, Wirtschaftsgütern, Geräten und sonstigen Leistungen und sind grundsätzlich erst im Rahmen der Auseinandersetzung zu verrechnen.6 Das Gesamtergebnis wird üblicherweise unter den ArGe-Partnern anteilig aufgeteilt.7 Hierdurch unterscheidet sich die ArGe vom Konsortium (vgl. Rz. 201). Die Tätigkeiten der ArGe-Partner sind in sachlicher und zeitlicher Hinsicht als Einheit anzusehen, so dass die Frage, ob eine Betriebsstätte im Quellenstaat vorliegt oder nicht, nur einheitlich für die ArGe beurteilt werden kann.8 Sofern an der ArGe Gesellschafter unterschiedlicher Staaten beteiligt sind, ist jedoch die einheitliche Tätigkeit an den ggf. unterschiedlichen Maßstäben der einzelnen DBA gesondert zu messen (vgl. Rz. 76). Ist etwa ein Portugiese nur fünf Monate an einer Bau-ArGe im Inland beteiligt, deren Bauausführung insgesamt zehn Monate dauert, muss er die tätigkeitsbezogene zehnmonatige Dauer mit der Folge gegen sich gelten lassen, dass Deutschland als Quellenstaat seinen Gewinnanteil gem. Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 DBA-Portugal 1980 wegen der dort geregelten Sechs-Monatsfrist auch dann besteuern darf, wenn in Bezug auf die anderen Mitglieder der ArGe die Zwölf-Monatsfrist des OECDMA gilt. Verfahrensrechtlich sind die Einkünfte grundsätzlich gesondert festzustellen; § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO kann aber gem. § 180 Abs. 4 AO bei schlichter Erfüllung von Einzelleistungen, insbesondere wenn der Zweck der ArGe ausschließlich in der Erfüllung eines einzigen Vertrags besteht, aus Vereinfachungsgründen zurücktreten. In diesem Fall wird die ArGe selbst auch nicht gewerbesteuerpflichtig (§ 2a GewStG).9

181

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 111. Vgl. OLG Düsseldorf v. 30.8.2005 – I-20 U 182/00, n.v. zum Agenten i.S.v. § 11 MarkenG. Vgl. Albrod, StBp. 94, 6; Paus, FR 1998, 994. Vgl. BFH v. 2.12.1992 – I R 165/90, BStBl. II 1993, 577. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182 Rz. 345. Vgl. Sprau in Palandt78, § 705 BGB Rz. 37. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.4. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.4; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 Rz. 145. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182 Rz. 345.

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Art. 5 (2014) Rz. 182

Betriebstätte

182

Atypisch stille Gesellschaft. Bei der atypisch stillen Gesellschaft sind Kaufmann und atypisch Stiller steuerlich als Mitunternehmer des kaufmännischen Betriebs anzusehen, da die durch den Gesellschaftsvertrag begründete Rechtsstellung des atypisch Stillen von §§ 230 ff. HGB derart abweicht, dass sie nicht mehr als Forderung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG angesehen werden kann.1 Durch diesen Gesellschaftsvertrag räumt der Kaufmann der atypisch stillen Gesellschaft Sachherrschaft über seinen Betrieb ein, die dem atypisch Stillen anteilig zuzurechnen ist.2 Im Ergebnis begründet damit die Betriebsstätte des Unternehmers eine anteilige Betriebsstätte des atypisch Stillen (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 60).3 Teilweise4 wird diese Ansicht als rein innerdeutsche Fiktion betrachtet (siehe unten Rz. 302).

183

Betriebsaufspaltung. Nach Ansicht der Rechtsprechung5 stellt die reine Vermietung oder Verpachtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung keine unternehmerische Geschäftstätigkeit dar (vgl. Rz. 45).6 Dessen ungeachtet begründen die überlassenen Geschäftseinrichtungen keine Betriebsstätte des Besitzunternehmens, da die tatsächliche Sachherrschaft vom Betriebsunternehmen als Mieter oder Pächter ausgeübt wird (s. Rz. 65). Das Betriebsunternehmen ist mit den gepachteten Räumen auch nicht ständiger Vertreter i.S.v. § 13 AO (H 2.9. (4) GewStH 2009 – Betriebsaufspaltung), da es nicht im Auftrag für das Besitzunternehmen tätig wird.7

184

Bezirk. Der Bezirk eines Versicherungsvertreters8 oder Schornsteinfegermeisters9 ist zwar eine Geschäftseinrichtung, da er als solcher physisch greifbar ist. Gleichwohl begründen solche Territorien keine Betriebsstätte für den jeweiligen Berechtigten, da ihnen zwar in Bezug auf die zugeteilten Bezirke spezielle Nutzungs-, Betretungs- bzw. Abwehrrechte (z.B. ggü. einem Konkurrenten) eingeräumt wurden, jedoch mit diesen Rechtspositionen keine Sachherrschaft verbunden ist, vermöge derer der Berechtigte (jeden) Dritten von der Nutzung tatsächlich ausschließen kann (vgl. Rz. 67).

185

Bodenschatzsuche und -förderung. Werden Bodenschätze (insbes. Öl und Gas) mittels einer Bohrinsel oder einer anderen Geschäftseinrichtung, die dauerhaft mit dem Festlandsockel verbunden ist, auf See gesucht oder gefördert, begründet dies regelmäßig eine Betriebsstätte.10 Indes fehlt es meist am dauerhaften Ortsbezug, wenn die Tätigkeiten von einem Schiff ausgeübt werden, da dieses nur in Ausnahmefällen fest mit dem Boden (via Förderleitungen u.Ä.) verbunden ist. Die Tätigkeit mittels Betriebsstätte kann aber nur zu einem Besteuerungsrecht des Quellenstaates führen, wenn diese Tätigkeiten auf dem ihm zuzurechnenden Festlandsockel erfolgen. Nicht notwendig ist, dass die Tätigkeit innerhalb der 12-Meilenzone stattfindet (vgl. Rz. 7).

186

Bürohotel. Werden in sog. Bürohotels Räume ggf. mit Personal zur kurzfristigen Nutzung angemietet, fehlt es typischerweise an der notwendigen Dauerhaftigkeit (vgl. Rz. 56) der Sachherrschaft des Mieters. Dies gilt grundsätzlich auch für regelmäßig wiederkehrende kurzfristige Nutzungen. Anders ist dies jedoch zu beurteilen, wenn die Räume zwar nur kurzzeitig und wiederkehrend, jedoch auf Grund eines Rahmenvertrags in Anspruch genommen werden, der dem Mieter ein durchsetzbares Recht zur Nutzung eines Raumes in dem Bürohotel (vgl. Verwurzelung Rz. 54) einräumt.11

187

Cloud-Computing. Unter Cloud-Computing sind von einem Provider zur Verfügung gestellte virtuelle Hostsysteme in virtualisierten Rechenzentren zu verstehen.12 Typischerweise begründet die Nutzung derartiger Systeme keine Betriebsstätte des Nutzers, da dieser wegen der Virtualität des Gesamtvorgangs keinerlei tatsächliche Sachherrschaft über eine Geschäftseinrichtung erlangt (vgl. auch Rz. 196).

188

Computerserver (siehe Rz. 196).

189

Filmkoproduktion. Vereinbaren die Beteiligten im Rahmen einer Koproduktion, dass der Film in den Geschäftseinrichtungen der Beteiligten hergestellt wird, besteht typischerweise Einvernehmen, dass der jeweils 1 Vgl. Wacker in Schmidt37, 15 EStG Rz. 341. 2 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 35. 3 Vgl. BFH v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.1.1.2. 4 Schreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung EStV v. 28.4.2015, Rz. 2.1. 5 A.A. wohl BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.1. 6 Ebenso BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.1. 7 RFH v. 19.12.1939 – I 432/38, RStBl. 1940, 25. 8 Vgl. BFH v. 9.3.1962 – I B 156/58 S, BStBl. III 1962, 227. 9 Vgl. BFH v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734. 10 Vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.6.2. 11 Zu Kettenanflügen an Flughäfen vgl. FG Düsseldorf v. 11.4.1978 – II 39/70 G, EFG 1978, 503. 12 Vgl. Tappe, IStR 2011, 870 (871).

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I. ABC der Einzelfälle zu Betriebsstätten

Rz. 195 Art. 5 (2014)

betroffene Gesellschafter seine Geschäftseinrichtungen der Gesamthand für die vereinbarten Zwecke zur Filmherstellung überlässt (vgl. Rz. 80). Damit erhalten die Gesamthand und über sie auch die anderen Gesellschafter (anteilige) Sachherrschaft über die Geschäftseinrichtung. Soweit die Tätigkeit der Gesamthand über eine reine Hilfstätigkeit hinausgeht und daher von Unternehmensgewinnen auszugehen ist,1 ist daher – bei Erfüllen der übrigen Voraussetzungen – von einer (anteiligen) Betriebsstätte der anderen Gesellschafter auszugehen. Im Ergebnis können sich somit Koproduzenten wechselseitig Betriebsstätten vermitteln.2 Flughafen. Für die dauerhafte und regelmäßige Reinigung von Flugzeugen begründet der Flughafen, auf dem sich die Flugzeuge während der Reinigung befinden, keine Betriebsstätte, da das dem Reinigungspersonal vom Flughafenbetreiber – ggf. konkludent eingeräumte – Betretungsrecht keine ausreichende Sachherrschaft über den Flughafen vermittelt.3 Etwas anderes gilt indes für Fluggesellschaften, wenn sie einen Flughafen regelmäßig wiederkehrend (sog. Kettenanflüge) anfliegen.4 Der Unterschied zur Reinigungsfirma liegt in der (regelmäßig wiederkehrenden) tatsächlichen Sachherrschaft der Fluggesellschaft über das Terminal. Diese Einflussnahmemöglichkeit geht deutlich über ein reines Nutzungsrecht hinaus. Mit ihr ist auch die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit verbunden, Dritte während der Überlassung von der Nutzung auszuschließen.

190

Flugzeuge. Vgl. Rz. 214.

191

Geschäftsstelle. Vgl. Rz. 98.

192

Gleisanlagen. Vgl. materielles Wirtschaftsgut, Rz. 225.

193

Holdingbetriebsstätte (verwaltende und geschäftsleitende).5 Werden Wirtschaftsgüter eines Unterneh- 194 mens in einer festen Geschäftseinrichtung ausschließlich gehalten, begründet diese reine Holdingaktivität keine Betriebsstätte. Für bewegliche Wirtschaftsgüter regelt dies Art. 5 Abs. 4 Buchst. a, der die bloße Lagerung von Gütern in einer Einrichtung nicht zur Betriebsstättenbegründung als ausreichend ansieht. Daher begründet der angemietete Safe, in dem ausschließlich betriebliches Gold als Wertanlage gelagert wird, keine Betriebsstätte des Unternehmens. Für immaterielle Wirtschaftsgüter kann im Ergebnis nichts anderes gelten.6 Allerdings fehlt solchen ausschließlichen Lagerstätten typischerweise die Funktion, die auf Grund der Betriebsstättenvorbehalte i.S.v. Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3, Art. 13 Abs. 2 und Art. 21 Abs. 2 notwendig ist, um die nämlichen Wirtschaftsgüter der Geschäftseinrichtung zuzuordnen. Damit scheitert die Zuordnung nicht nur am fehlenden funktionalen Zusammenhang, sondern nach der hier vertretenen Ansicht (vgl. Rz. 129) bereits vorher am Vorhandensein einer Betriebsstätte. Etwas anderes gilt, wenn durch die feste Geschäftseinrichtung neben dem reinen Halten auch Geschäftsleitungsaufgaben ausgeübt werden.7 Denn in diesem Fall übt das Unternehmen wenigstens einen Teil seiner Haupttätigkeit in der Einrichtung aus und überschreitet damit die Mindestaktivitätsschwelle des Art. 5 Abs. 4. Entscheidend dafür ist, dass die ausgeübten Leitungsaufgaben Einfluss auf das Tagesgeschäft der nachgeordneten Gesellschaften nimmt.8 Die Wahrnehmung bloßer Gesellschafterrechte reicht hierfür nicht.9 Homeoffice. Nach Auffassung der OECD kann das Homeoffice eines Mitarbeiters dann eine Betriebsstätte seines Arbeitgebers begründen, wenn der Arbeitsplatz nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig, dauerhaft und den Vorgaben des Unternehmens entsprechend zur Ausführung von Geschäftstätigkeiten genutzt wird und nach den Umständen des Einzelfalls die vom Arbeitnehmer ausgeführte Tätigkeit der Einrichtung eines Büros bedurft hätte. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist einzelfallabhängig zu prüfen.10 Nach innerstaatlichem Verständnis werden eigene Geschäftseinrichtungen, die Arbeitnehmer zur Verrichtung ihrer geschuldeten Arbeitsleistung nutzen, nicht zur Betriebsstätte des Arbeitgebers, da dieser typischerweise keine Mitsachherrschaft an den Räumlichkeiten hat.11 Eine gewisse Sachherrschaft besteht erst, wenn der Arbeitgeber berechtigt ist, das Büro oder die Wohnung in einem gewissen Umfang und nicht nur vorübergehend für eigene Zwecke zu benutzen.12 Die Befugnis des Arbeitgebers, die Räume zur Prüfung von Ge1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Vgl. BMF v. 23.2.2001 – IV A 6 - S 2241 - 8/01, BStBl. I 2001, 175, Rz. 29, 29a. Ebenso BMF v. 23.2.2001 – IV A 6 - S 2241 - 8/01, BStBl. I 2001, 175, Rz. 45a, 45b. Vgl. BFH v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008, 922. Vgl. FG Düsseldorf v. 11.4.1978 – II 39/70 G, EFG 1978, 503. Zum Ganzen ausführlich Hruschka, IStR 2016, 437. Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. Art. 5 Rz. 18, 19 OECD-MK 2017; s. dazu auch Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (496). Vgl. BFH v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512. Vgl. BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; FG München v. 10.9.1997 – 7 V 3061/97, EFG 1997, 1482.

Hruschka

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195

Art. 5 (2014) Rz. 195

Betriebstätte

schäftsvorfällen, Büchern, Belegen und zur Kontrolle des Geldverkehrs zu betreten, reicht selbst dann nicht aus, wenn davon in weitem Umfang Gebrauch gemacht wird.1 Dies ist Ausfluss der in Deutschland gem. Art. 13 GG geschützten Unverletzlichkeit der Wohnung (s.a. Rz. 66). 196

Internet. Werden Leistungen mittels (Inhaltsanbieter) bzw. für (Zugangsanbieter) das Internet angeboten, ist dies für den Leistungsanbieter (Unternehmer) betriebsstättenbegründend, sofern er diese Leistungen durch eine feste Geschäftseinrichtung erbringt (vgl. Art. 5 Rz. 122–131 OECD-MK 2017). Hierfür muss er über einen bestimmten oder örtlich bestimmbaren Computerserver (Hardware) Sachherrschaft (s. Rz. 65) haben.2 Eine solche Bestimmbarkeit ist beispielsweise gegeben, wenn eine definierte Speicherkapazität in einem bestimmten Serverpark zur Verfügung gestellt wird. Denn in diesem Fall materialisiert sich die Sachherrschaft an dem Server, der innerhalb des Parks „verwurzelt“ ist (s. Rz. 54). Dies gilt selbst dann, wenn als Server nicht die Hardware, sondern die Software angesehen wird, solange diese dauerhaft auf der Hardware gespeichert und damit örtlich zuordenbar ist.3 Eine nur allgemein zur Verfügung stehende Speicherkapazität ohne örtlichen Anknüpfungspunkt genügt nicht.4 Personal vor Ort ist nicht erforderlich (s. Rz. 72). Die Software (Programm, Website) als solche begründet keine Betriebsstätte, da mangels Körperlichkeit keine Geschäftseinrichtung vorliegt (s. Rz. 48). Sie ist lediglich Grundlage der (programmtechnisch gesteuerten) unternehmerischen Tätigkeit, die durch den Server abgewickelt wird. Verkörpert diese Tätigkeit wenigstens einen Teil der Haupttätigkeit des Unternehmens (z.B. den Handel mit Musik, Filmen und/ oder Spielen), begründet die feste Hardware eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5. Wegen ihrer niedrigen Funktion ist allerdings der Serverbetriebsstätte keine oder nur eine geringe Gewinnmarge zuzuordnen.5 Vertreibt indes ein Unternehmer seine Waren lediglich via Internet (sog. E-Tailer) begründet auch ein fest installierter Server, über den der Unternehmer allein oder mit mehreren Sachherrschaft ausübt, regelmäßig keine Betriebsstätte i.S.d Art. 5 Abs. 1, da die (rein technische) Abwicklung des Vertragsschlusses/-abwicklung über den Server typischerweise reine Hilfstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. darstellen.

197

Kabel- oder Rohrleitungen. Kabel- oder Rohleitungen sind zwar als Geschäftseinrichtungen oder Anlagen anzusehen (vgl. Rz. 225). Ihr bloßes zur Verfügung stellen begründet zwar eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO,6 jedoch noch keine i.S.d. Art. 5, da insoweit durch die Geschäftseinrichtung keine Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. Rz. 71). Sofern jedoch Liefertätigkeiten, wie z.B. die Beschleunigung der durchgeleiteten Stoffe durch Pumpstationen, erfolgen, muss unterschieden werden, ob die Liefertätigkeiten als Haupt- oder reine Nebentätigkeit anzusehen sind (vgl. Rz. 144). Liegen insgesamt die Voraussetzungen für eine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 vor, ist bei Kabel- und Rohrleitungen auf dem Festlandsockel der tätigkeitsabhängige Inlandsbezug zu beachten (vgl. Rz. 7).

198

Kommissionär. Vgl. Rz. 170.

199

Kommissionärslager. Vgl. Rz. 200.

200

Konsignationslager. Ein Konsignationslager ist ein Warenlager eines Lieferanten, welches sich im Unternehmen seines Kunden bzw. Abnehmers befindet. Bei einem Konsignationslager bleibt der Lieferer (Konsignant) zivilrechtlicher Eigentümer der im Lager befindlichen Ware. Erst wenn der Abnehmer (Konsignatar) die Ware entnimmt, geht das Eigentum an dieser vom Konsignanten auf den Konsignatar über.7 Erst zum Zeitpunkt der Entnahme findet eine Lieferung als Grundlage der Rechnungsstellung statt. Von Sachherrschaft ist in diesen Fällen auszugehen, wenn der Lieferant eine Zugangsberechtigung zu den Lagerräumen besitzt Dass diese u.U. an Kontrollen durch den Abnehmer geknüpft ist, ist unbeachtlich.8 Entscheidend ist, ob der Lieferer im Zweifel den Abnehmer von der Nutzung ausschließen kann. Ob dies der Fall ist, ist Tatfrage (siehe Rz. 66). Solche Einrichtungen begründen eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 Satz 2 Nr. 5 AO. Indes sind sie nicht geeignet, eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 zu begründen, da Warenlager unter das Ausschlusskriterium des Art. 5 Abs. 4 Buchst. a fallen. Konsignationslager sind von sog. Kommissionärslagern zu unterscheiden. Während bei Konsignationslagern der Lieferant das Lager für den Verbraucher (Kunden) führt, wird das Kommissionslager von einem Agenten (Kommissionär) geführt, dem Ware von einem Lieferanten zur Verfügung gestellt wird, welche zum Verkauf an Dritte bestimmt ist (Kommissionsgeschäft). In zuletzt genanntem Fall übt der

1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. BFH v. 9.3.1962 – I B 156/58 S, BStBl. III 1962, 227. Vgl. Findeis/Eickmann, DStZ 2008, 139 (1412); Kessler/Peter, BB 2000, 1545 (1551). A.A. Tappe, IStR 2011, 870. Ebenso Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 10.26. Ebenso Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 33b. Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; FG Düsseldorf v. 10.9.1991 – 9 K 524/86, EFG 1992, 717. OFD Frankfurt v. 17.3.2010 – S 7100a A - 4 - St 110, OR 2010, 709. Vgl. BFH v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154.

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I. ABC der Einzelfälle zu Betriebsstätten

Rz. 205 Art. 5 (2014)

Agent die Sachherrschaft über die Räumlichkeiten aus. Insoweit begründen Kommissionärslager für den Lieferer weder eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO noch von Art. 5. Konsortium. (siehe auch Art. 5 Rz. 42 OECD-MK 2017) Bei einem Konsortium handelt es sich um einen Zusammenschluss von verschiedenen Rechtsträgern, dessen Zweck auf die gemeinsame Erlangung des Auftrags gerichtet ist. Häufig anzutreffen ist diese Rechtsform in der Bau- und Bankenwirtschaft. Mit Auftragserteilung ist der Gesellschaftszweck erreicht. Ob das Konsortium die Voraussetzungen einer GbR erfüllt, ist im Einzelfall zu prüfen.1 Typisch für ein Konsortium ist, dass es nach außen einheitlich (erkennbar oder verdeckt) auftritt, aber im Innenverhältnis die beteiligten Konsorten klar gegeneinander abgegrenzte Leistungen mit eigenem Entgeltanspruch erbringen, m.a.W. keinen gemeinsamen Zweck fördern, sondern nur ihre eigenen Ziele verfolgen. Hierin liegt der Unterschied zu einer ArGe (s. Rz. 181). Ist die Personengruppe der Konsorten für den Auftraggeber erkennbar, spricht man von einem Außenkonsortium. Tritt hingegen nur einer der Konsorten gegenüber dem Auftraggeber auf und handelt er neben sich für die anderen Konsorten als mittelbarer Stellvertreter, wird dies als Innenkonsortium bezeichnet. Der Gesellschaftscharakter kommt daher nur in Form der Gesamtverantwortung für die Vertragserfüllung und die Funktionsgarantie (gesamtschuldnerische Haftung) zum Tragen. Hingegen handeln die Konsorten im Innenverhältnis auf rein gegenseitiger Basis. Für eine gesonderte Feststellung gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO fehlt daher üblicherweise der Grund für die gemeinsame Zurechnung von Einkünften.2 Kann aber mangels gemeinsamen Handlungswillens die Tätigkeit des einen Konsorten dem anderen Konsorten nicht zugerechnet werden, ist die Frage, ob bei einem Baukonsortium die Fristerfordernisse zur Betriebsstättenbegründung i.S.v. Art. 5 Abs. 3 erfüllt sind, für jeden einzelnen Konsorten zu prüfen.3

201

Kontroll-, Koordinierungs- und Finanzierungstätigkeiten. Werden in festen Geschäftseinrichtungen eines Unternehmens Kontroll-, Koordinierungs- und/oder Finanzierungstätigkeiten ausgeübt, sind diese zwar grundsätzlich Betriebsstätten im Sinne des § 12 AO, da sie dem Unternehmen dienen. Sofern in ihnen jedoch lediglich Vorbereitungs- und/oder Hilfstätigkeiten verrichtet werden, begründen sie jedoch keine Betriebsstättenfolgen i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 2. Nach der Verwaltungsansicht4 kann dies insbesondere der Fall sein, wenn sie nur der Beschaffung von Informationen für die Konzernspitze dienen oder für die Konzernspitze lediglich vorbereitende Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten ausüben; solche sind insbesondere gegeben, soweit die Geschäftsstelle lediglich Weisungen der Konzernspitze übermittelt, vorbereitet oder durch Ermittlungen in ihrem Zuständigkeitsbereich unterstützt. Zur Gewinnabgrenzung bei Kontroll- und Koordinierungsbetriebsstätten (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 222).

202

Land- und forstwirtschaftlich genutzte Fläche. Eine land- und forstwirtschaftlich genutzte Fläche ist keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1 (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 53).5 Selbst wenn man entgegen Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 von einer Unternehmenstätigkeit i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c ausgeht,6 fehlen die Voraussetzungen für die Prüfung, ob diese Tätigkeit einer Betriebsstätte zuzuordnen ist. Denn gem. Art. 7 Abs. 7 und Art. 6 Abs. 4 ist für Gewinne aus der Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Flächen stets Art. 6 die einschlägige Norm. Diese stellt für die Zuordnung ausschließlich auf die Belegenheit – nicht aber auf das Vorhandensein einer Betriebsstätte – ab (s. hierzu Art. 6 Rz. 98 ff.).

203

Lohnveredler. Der Lohnveredler erbringt gegenüber seinem Auftraggeber eine Leistung im eigenen Namen 204 und auf eigene Rechnung. In dieser Funktion übt der Auftraggeber keine Sachherrschaft über die Geschäftseinrichtung des Lohnveredlers aus. Daher begründet dieses Verhältnis für den Auftraggeber weder eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 Satz 1 AO noch i.S.d. Art. 5 Abs. 1.7 Anders kann der Fall allerdings zu beurteilen sein, wenn die Geschäftseinrichtung, in der der Lohnveredler tätig wird, dem Auftraggeber zuzurechnen ist.8 Zwar ist er als ständiger Vertreter i.S.v. § 13 AO anzusehen, da er den Weisungen des Auftraggebers unterliegt, jedoch schließt er keine Geschäfte mit Wirkung für diesen ab. Daher begründet er keine Vertreterbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 5. Makler. Vgl. dazu Rz. 170.

205

1 Nach Sprau in Palandt, BGB78, § 705 BGB Rz. 44 ist dies häufig der Fall. 2 Vgl. Brandis in T/K, § 180 AO Rz. 35. 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, VWG-BsGa, BStBl. I 2017, 182 Rz. 346; v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.4. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.4.2. 5 BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BStBl. II 2012, 457; a.A. FG Köln v. 23.3.2011 – 9 K 286/06, EFG 2011, 1322. 6 So aber FG Köln v. 23.3.2011 – 9 K 286/06, EFG 2011, 1322. 7 Vgl. FG BaWü. v. 11.5.1992 – 3 K 309/91, EFG 1992, 653. 8 Vgl. FG BaWü. v. 7.11.1996 – 3 K 54/93, IStR 1997, 240; BFH v. 7.7.1997 – I B 26/97, BFH/NV 1998, 19; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.1.3; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 42c.

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Art. 5 (2014) Rz. 206

Betriebstätte

206

Managementgesellschaft. Grundsätzlich reicht das schuldrechtliche Auftragsverhältnis, vermöge dessen eine Person in eigenen Räumen für einen anderen Managementaufgaben ausübt nicht aus, um dem Auftraggeber Sachherrschaft über die Geschäftseinrichtung des Auftragnehmers zuzurechnen (s. Rz. 66). Ausnahmsweise ist aber von einer Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1 auszugehen, wenn Auftraggeber und Auftragnehmer zwar rechtlich verschieden, jedoch tatsächlich personenidentisch sind, z.B. weil dieselbe Person Geschäftsführer zweier Kapitalgesellschaften ist und diese in Räumen der einen Kapitalgesellschaft im Auftrag der anderen Kapitalgesellschaft dauerhaft Managementaufgaben erledigt.1 Denn in diesem Fall übt der Geschäftsführer seine unmittelbare Sachherrschaft nicht nur für den zivilrechtlich berechtigten Auftragnehmer, sondern gleichzeitig mit dessen zivilrechtlich anerkannten Willen (Auftrag) für den Auftraggeber aus.2 Im Übrigen ist der Auftragnehmer bei dauerhaftem Tätigwerden zwar als ständiger Vertreter i.S.v. § 13 AO anzusehen; für eine Vertreterbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 5 muss er aber darüber hinaus dauerhaft Verträge mit Wirkung für den Prinzipal abschließen.

207

Metagesellschaft.3 Es handelt sich um eine (schuldrechtliche) Vereinbarung dahin, dass ein Beteiligter (Metist) nach außen allein handelt und der Gewinn im Innenverhältnis auf gemeinschaftliche Rechnung erzielt wird.4 Ob eine GbR oder Gemeinschaft vorliegt, entscheidet sich im Innenverhältnis danach, ob die Beteiligten die Gesamtrisiken und -chancen anteilig (dann GbR) oder konkret verteilt (dann Gemeinschaft) tragen. Je nachdem ist dem anderen die Betriebsstätte des nach außen Handelnden zuzurechnen oder nicht (vgl. auch: Konsortium Rz. 201; ArGe Rz. 181).

208

Ölbohrinsel. S. Rz. 7.

209

Ort der Leitung. S. Rz. 90.

210

Prinzipal-Struktur. Unter dem Begriff „Prinzipal-Struktur“ wird die Einschaltung von Obergesellschaften (Prinzipal-Gesellschaft), insbesondere mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz, verstanden, die für die globalisierten Märkte von Konzernen insbesondere den Einkauf, die Planung der Forschung und Entwicklung, die Produktionsplanung und -steuerung, die Lagerverwaltung und Logistikplanung, die Entwicklung der Marketingstrategie, die Absatzplanung und -steuerung, Treasury and Finance sowie die Administration übernehmen. Die Landesgesellschaften, die die Funktionen der Obergesellschaft bisher ausgeübt haben, üben für die Prinzipal-Gesellschaft ausschließlich die Funktion abschlussberechtigter Agenten (Kommissionäre) aus. Umstritten ist, ob die so tätigen Landesgesellschaften „Vertreter-Betriebsstätten“ für ihre Obergesellschaft begründen.5 Nach der hier vertretenen Ansicht (s.o. Rz. 160, 170) ist hiervon auszugehen, da die Landesgesellschaften als abhängige Vertreter – wenn auch nur im eigenen Namen – die Prinzipalgesellschaft binden. Diese Ansicht deckt sich mit derjenigen der Schweizer Steuerverwaltung, nach der die Aktivitäten der Landesgesellschaften, soweit sie auf die Kommissionstätigkeit entfallen, gem. Art. 5 Abs. 5 Betriebsstätten der Prinzipal-Gesellschaft begründen.6

211

Räumlichkeiten (schlicht überlassene).7 Werden dem Unternehmer vom Auftraggeber zur Tätigkeitsverrichtung Räumlichkeiten ohne ausdrückliche Vereinbarung überlassen, ist die tatsächliche Sachherrschaft (vgl. Rz. 60) des Unternehmers Tatfrage. Hierfür sind sämtliche Indizien des Einzelfalles zu würdigen. Reine Betretungsrechte reichen für die Annahme einer tatsächlichen Sachherrschaft nicht aus.8 Dementsprechend kann ein Arbeitsraum, der einem EDV-Spezialisten bei Bedarf wiederkehrend ohne rechtlichen Anspruch und ohne sachliche Notwendigkeit (z.B. wegen bestimmter Zugangsvoraussetzungen) vom Auftraggeber überlassen wird, nicht zu seiner Betriebsstätte werden.9 Entscheidend sind die tatsächliche Elemente – wie etwa das Überlassen von eigenen Zugangsberechtigungen (z.B. Schlüsseln) oder die exklusive Nutzung des Raums durch den Unternehmer10 – in die Würdigung einzubeziehen. Ist danach davon auszugehen, dass die Räumlichkeiten zur ständigen Nutzung zur Verfügung gestellt und die Sachherrschaft darüber hinaus nicht 1 Vgl. BFH v. 8.6.2015 – I B 3/14, BFH/NV 2015, 1553; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764; v. 23.2.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354. 2 Ebenso Blumers/Weng, DStR 2012, 551 (553). 3 Vgl. BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964. 4 Vgl. BGH v. 10.6.2002 – II ZR 68/00, NJW 2002, 2862. 5 Vgl. dazu Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 4.28; Piltz, IStR 2004, 184; Endres, IStR 1996, 3; Kroppen/Hüffmeyer, IWB 1995, 641. 6 Kreisschreiben Nr. 8 der eidgenössischen Steuerverwaltung v. 18.12.2001; abgedruckt in F/W/K, DBA-Schweiz, Materialien Nr. 6.37. 7 Siehe auch Beduhn/Staudler, IStR 2015, 937. 8 FG Düsseldorf v. 19.1.2016 – 13 K 952/14 E, EFG 2016, 507. 9 So zu Recht FG Düsseldorf v. 19.1.2016 – 13 K 952/14 E, EFG 2016, 507; a.A. Hinder/Hentschel, ISR 2016, 391 (396). 10 Vgl. BFH v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154.

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I. ABC der Einzelfälle zu Betriebsstätten

Rz. 218 Art. 5 (2014)

bestritten wurde, ist von einer Betriebsstätte auszugehen (H 2.9 (1) GewStH 2009 [unentgeltliche Nutzung überlassener Räume]).1 Repräsentanz.2 Von einer Repräsentanz spricht man bei festen Geschäftseinrichtungen, in denen lediglich Vorbereitungs- und/oder Hilfstätigkeiten verrichtet werden. Als solche sind sie als Betriebsstätte i.S.v. § 12 Satz 1 AO, nicht aber i.S.v. Art. 5 Abs. 1, Abs. 4 anzusehen. Typische Beispielsfälle sind sog. Showrooms oder Informationszentren, in denen ein Unternehmen seine Leistungen darstellt, ohne durch die Einrichtung selbst im Quellenstaat werbend tätig zu werden.

212

Roamingvertrag. Das sog. Roaming ermöglicht es einem Mobilfunknetz-Teilnehmer, in einem anderen, fremden Netzwerk als seinem Heimnetzwerk selbsttätig Anrufe empfangen oder tätigen zu können, Daten schicken und empfangen zu können oder Zugriff auf andere Mobilfunknetzdienste zu haben. Schließt der Heimnetzwerkbetreiber mit dem Fremdnetzwerkbetreiber einen Roamingvertrag, der ihn berechtigt, die Leistungen des Fremdnetzwerbetreibers seinem Endkunden anzubieten, begründet er keine Betriebsstätte auf dem Gebiet des Fremdnetzwerkbetreibers, da er durch diesen Vertrag weder eine Geschäftseinrichtung oder Anlage noch Sachherrschaft über das Fremdnetz erhält (vgl. Art. 5 Rz. 8 OECD-MK 2017).

213

Schiffe und Flugzeuge. Sofern Schiffe nicht ständig an einem Liegeplatz festgemacht sind, können sie keine Betriebsstätte begründen,3 da ihnen der Bezug zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche fehlt. Abkommensrechtlich regelt daher die Spezialregelung des Art. 8 die Verteilung der Gewinne aus Schifffahrt und Luftfahrt. Auf das Vorhandensein einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 kommt es dort nicht an (s. hierzu Art. 8 (2014) Rz. 2). Im nationalen Rechts stellt § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG den Inlandsbezug oder § 34d Nr. 2 Buchst. b EStG den Auslandsbezug auf gleiche Weise her. Einkünfte aus dem Betrieb eines Unternehmens auf einem Schiff (z.B. Bordrestaurant, Verkaufsstand) fallen nicht unter diese Sonderregeln. Für sie ist Art. 7 und damit das Vorhandensein einer Betriebsstätte im Quellenstaat maßgeblich. Ebenso wie dem Schiff fehlt es der auf ihm befindlichen Geschäftseinrichtung an dem notwendigen örtlichen Bezug zur Erdoberfläche.4 Im Ergebnis können daher unternehmerische Tätigkeiten auf einem Schiff auch keine Betriebsstätte begründen.5 Soweit § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG etwas anderes besagt, handelt es sich um eine spezielle gewerbesteuerliche Regelung, die jedoch auf die Anwendung der DBA nicht durchschlägt.6 Für Flugzeuge gelten diese Überlegungen entsprechend.

214

Satellit (geostationärer). Geostationäre Satellitenanlagen sind zumindest als feste Anlage geeignet, eine Betriebsstätte zu begründen.7 Unter dem Aspekt der Verwurzelungstheorie (s. Rz. 54) sind sie örtlich als fest anzusehen. Allerdings bestehen Zweifel, ob sich die Anlage im Orbit noch auf dem Hoheitsgebiet des Quellenstaats befindet. Theoretisch erstreckt sich das Staatsgebiet ausgehend vom Erdmittelpunkt radial über seine politischen Grenze bis ins Unendliche des Weltalls.8 Völkerrechtlich besteht aber Einigkeit, dass das Hoheitsgebiet auf den Luftraum begrenzt ist. Dieser endet ca. 100 km über der Erdoberfläche.9 Geostationäre Satelliten bewegen sich in einer Höhe von ca. 36.000 km über der Erdoberfläche. Daher besteht zwischen den OECD-Mitgliedsstaaten Einigkeit, dass sich derartige Anlagen im Niemandsland befinden (vgl. Art. 5 Rz. 27 OECD-MK 2017).

215

Schiedsrichter, Spielfeld, Kabine. Weder das Fußballspielfeld noch die dem Schiedsrichter im Zusammenhang mit dem Spiel zur Verfügung gestellte Kabine stellen eine Betriebsstätte dar, da die tatsächliche Sachherrschaft des Schiedsrichters nicht zeitlich fest (s.o. Rz. 56), sondern nur vorübergehender Natur ist.10

216

Serverbetriebsstätte. Siehe Rz. 196.

217

Softwareinstallation. Installiert ein Unternehmen im anderen Staat eigene oder fremde Software, so ist hierin keine Montage i.S.v. Art. 5 Abs. 3 zu sehen, d.h. die reine Tätigkeitsdauer vor Ort begründet für sich noch keine Betriebsstätte i.S.v. § 12 Satz 2 Nr. 8 AO bzw. Art. 5 Abs. 3 (s. Rz. 111). Allerdings ist zu prüfen,

218

1 A.A. OFD Karlsruhe v. 16.9.2014 – S 130.1/316-St 222, IStR 2015, 887. 2 Ausführlich Badetz, IWB 2017, 925. 3 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BFH/NV 1998, 400; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.5.1. 4 Vgl. Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 289. 5 Vgl. BFH v. 13.2.1974 – I R 218/71, BFHE 111, 416; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 39. 6 Vgl. BFH v. 13.2.1974 – I R 219/71, BStBl. II 1974, 361. 7 Vgl. BFH v. 17.2.2000 – I R 130/97, BFH/NV 2000, 1182, im Urteilsfall ging es aber um die Frage, ob der Nutzungsvertrag für die Satellitenanlage dem Berechtigten Verfügungsmacht einräumt. 8 Weltraumvertrag v. 27.1.1967, UNTS, Bd. 610, 205; BGBl. II 1969, 1969. 9 Sog. Karman-Linie; http://de.wikipedia.org/wiki/Staatsgebiet. 10 BFH v. 20.12.2017 – I R 98/15, BFH/NV 2018, 497.

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Art. 5 (2014) Rz. 218

Betriebstätte

ob dem Leistungserbringer im Wege einer ausdrücklichen oder konkludenten vertraglichen Nebenleistung Sachherrschaft über eine feste Geschäftseinrichtung im Quellenstaat eingeräumt wird. Für diese Frage sind die zu Unternehmensberatung (s. Rz. 220) dargestellten Grundsätze entsprechend anzuwenden. 219

Transportanlagen. S. Wirtschaftsgut, materielles (Rz. 225).

220

Unternehmensberatung. Typischerweise werden Unternehmensberater projektbezogen für ihren Auftraggeber tätig.1 Stellt ihnen der Auftraggeber für die Projektdauer eigene Räumlichkeiten in seinem Unternehmen zur Verfügung, begründet die Unternehmensberatung bei einer mindestens sechs-monatigen Beratungstätigkeit in diesen Räumen eine Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1, da die Unternehmensberatung in der Geschäftseinrichtung wenigstens einen Teil ihrer Haupttätigkeit persönlich, örtlich und zeitlich fest ausübt (vgl. Art. 5 Rz. 178 OECD-MK 2017). Nichts anderes gilt, wenn den Unternehmensberatern örtlich wechselnde Arbeitsplätze in einem Großraumbüro des Auftraggebers zur Verfügung gestellt werden. Denn es ist unerheblich, ob ein Anspruch auf die Arbeitsplätze ausdrücklich vereinbart ist (vgl. Rz. 65). Er muss ich auch nicht auf einen bestimmten Raum oder Arbeitsplatz beziehen (vgl. Rz. 54); es genügt vielmehr, wenn aus tatsächlichen Gründen anzunehmen ist, dass dem Unternehmer irgendein für seine Tätigkeit geeigneter Raum zur ständigen Nutzung zur Verfügung steht.2 Anders ist dies m.E., wenn dem Beratungsunternehmen keine ortsfesten Räumlichkeiten oder Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, sondern diesem lediglich ein allgemeines Betretungsrecht zu den Geschäftseinrichtungen des Auftraggebers eingeräumt wird (vgl. Rz. 67). Erstrecken sich in diesem Fall die tatsächlich genutzten Arbeitsplätze über Deutschland weit verteilte Standorte des Auftraggebers, und erreicht nur die Tätigkeit in allen Standorten zusammen die Mindestdauer, wirkt diese Tätigkeit gleichwohl nicht Betriebsstätten begründend, da die verschiedenen Geschäftseinrichtungen zwar eine wirtschaftliche Einheit (vgl. Rz. 53) bilden, ihnen jedoch in diesem Fall der notwendige Ortsbezug fehlt (vgl. Rz. 54).

221

Vermietungs-/Verpachtungstätigkeit. Werden feste Geschäftseinrichtungen vermietet, begründen diese typischerweise für den Vermieter keine Betriebsstätte, da die tatsächliche Sachherrschaft über die vermietete Geschäftseinrichtung der Mieter ausübt indem er die Möglichkeit eingeräumt bekommt, unmittelbar auf die Geschäftseinrichtung einzuwirken. Wird hingegen die Vermietungstätigkeit innerhalb eines Unternehmens durch eine feste Geschäftseinrichtung ausgeübt, handelt es sich zwar um eine Geschäftstätigkeit (vgl. Rz. 71), die jedoch nicht über die notwendige Mindestaktivität hinausgeht und daher keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 OECD-MA begründen kann (s. auch Vermögensverwaltung).

222

Vermögensverwaltung. Nach der hier vertretenen Ansicht (vgl. Rz. 70) muss in der festen Geschäftseinrichtung eine Geschäftstätigkeit ausgeübt werden, deren Mindestaktivität gem. Art. 3 Abs. 2 i.V.m. § 14 Satz 3 AO die Schwelle der privaten Vermögensverwaltung überschreiten muss. Ausschließliche Tätigkeiten zur Vermögensnutzung durch Anlage von Kapitalvermögen oder Vermietung bzw. Verpachtung unbeweglichen Vermögens reichen daher nicht aus, Betriebsstättenfolgen i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 auszulösen.

223

Versorgungsleitungen. Vgl. Rz. 197, 225.

224

Windpark; Windkraftanlage.3 Jede einzelne Windkraftanlage stellt neben ihrer Verkabelung und der Zuwegung ein eigenständiges Wirtschaftsgut dar.4 Werden diese Einzelwirtschaftsgüter im Rahmen des Betriebs eines – auch mehrere km2 großen – Windparks zur Stromgewinnung zusammengestellt (vgl. Rz. 52) und sind diese einem Steuerpflichtigen zuzurechnen, handelt es sich bei dem Windpark mit allen Windkraftanlagen um eine einheitliche Betriebsstätte, da die einzelnen Windkraftanlagen sowie die Verkabelung und Zuwegung in einem wirtschaftlichen (vgl. Rz. 53) und geographischen (vgl. Rz. 54) Zusammenhang stehen. Die Ableitung des erzeugten Stroms stellt insoweit nur eine zur Erzeugung des Stroms dazugehörige Nebentätigkeit dar. Sind die einzelnen Windkraftanlagen des Windparks unterschiedlichen Personen(mehrheiten) zuzurechnen, begründet jede Einheit für sich eine feste Geschäftseinrichtung. Nach deutschem Verständnis befindet sich diese nur im Inland, sofern sich die Anlagen nach dem 1.1.2008 auf dem Deutschland zustehenden Anteil am Festlandsockel befinden und sie der Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien dienen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EStG). Ist der Abtransport des erzeugten Stroms einem anderen als dem Stromerzeuger zuzurechnen, fehlt der Geschäftseinrichtung und der Tätigkeit der Inlandsbezug, da die ausschließliche Transporttätigkeit nicht auf dem tätigkeitsabhängigen Hoheitsgebiet Deutschlands stattfindet (vgl. Rz. 7). 1 Vgl. dazu auch Art. 5 Rz. 4.2 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011. 2 Vgl. BFH v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462; v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154; v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512; v. 10.11.1998 – I B 80/97, BFH/NV 1999, 665. Dazu kritisch Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (495). 3 Zum Ganzen siehe auch Behrendt/Wischott/Krüger, BB 2012, 1827 (1827). 4 Vgl. BFH v. 14.4.2011 – IV R 46/09, BStBl. II 2011, 696.

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K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 231 Art. 5 (2014)

Wirtschaftsgut, materielles. Materielle Wirtschaftsgüter (bewegliche und unbewegliche) begründen eine Betriebsstätte, wenn sie fest (vgl. Rz. 60 ff.) sind und durch sie die Haupttätigkeit des Unternehmens wenigstens teilweise ausgeübt wird (vgl. Rz. 128). Personal ist zur Ausübung nicht erforderlich (vgl. Rz. 72). Daher begründen etwa Computerserver (vgl. Rz. 196) oder Pumpstationen1 (für Öl, Erdgas o.Ä.) eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5, wenn die Tätigkeit mehr als eine reine Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit des Unternehmens ist. Eine solche Hilfstätigkeit ist etwa gegeben, wenn die Pumpstation nur der Auslieferung der selbst geförderten Rohstoffe oder hergestellten Güter dient (Art. 5 Abs. 4 Buchst. a). Anders ist dies hingegen, wenn ein Unternehmen den Transport als Haupttätigkeit betreibt.2 Fehlt es an der (teilweisen) Ausübung der Haupttätigkeit, begründen Transportanlagen (Pipeline, Kabelleitung, Gleisanlage) als festes Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens zwar keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1, aber jedenfalls eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO.3

225

Wirtschaftsgut, immaterielles. Reine Rechtspositionen, wie etwa Beteiligungen an Körperschaften, Forderungen oder andere Immaterialgüterrechte (Patente, Software etc.) begründen keine Betriebsstätte,4 da sie nicht körperlicher Art sind. Dies gilt ebenso für registergerichtliche Eintragungen, z.B. des Sitzes einer Gesellschaft, reine Postanschriften,5 Bankkonten6 oder eine Internetseite.7

226

Wohnung (des Arbeitnehmers). Siehe Homeoffice (Rz. 195).

227

Zebragesellschaft. Von Zebragesellschaften spricht man, wenn an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft sowohl Steuerpflichtige mit Überschusseinkünften als auch solche mit Gewinneinkünften beteiligt sind. Verfügt diese im Quellenstaat über eine feste Geschäftseinrichtung, kann sie gleichwohl für die unternehmerisch tätigen Gesellschafter keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begründen, da in ihr naturgemäß nur vermögensverwaltende Tätigkeiten ausgeübt werden können und diese die Mindestaktivitätserfordernisse an eine Betriebsstätte nicht erfüllen (vgl. Rz. 222). Dementsprechend sind auch die Einkünfte der unternehmerisch tätigen Gesellschafter gem. Art. 7 Abs. 7 vorrangig nach den „übrigen Verteilungsnormen“ zuzuordnen.8

228

Zweigniederlassung. Vgl. Rz. 96.

229

J. Deutsches Muster-DBA Deutsches Muster-DBA. Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen Muster-DBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.

230

K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten Allgemeines. Art. 5 enthält lediglich eine eigenständige abkommensrechtliche Begriffsbestimmung (s.o. Rz. 42). Unmittelbare Konsequenzen ergeben sich nicht aus dieser Vorschrift, sondern aus den Verteilungsnormen bzw. dem Methodenartikel. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die weitere Darstellung – im Unterschied zur Kommentierung der anderen Vorschriften – auf die Abweichungen vom OECD-MA. Im Rahmen der Umsetzung des MLI können sich Änderungen in einzelnen der folgenden DBA ergeben. Diese sind ab Rz. 136 bei Art. 5 OECD-MA (2017) dargestellt.

1 Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; FG Düsseldorf v. 10.9.1991 – 9 K 524/86, EFG 1992, 717. 2 Ebenso BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; a.A. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.8, der sämtliche Transportleistungen als Hauptleistungen ansieht. 3 Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 – 111/99 - Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.8; a.A. BFH v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111. 4 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 13. 5 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 30. 6 Vgl. BFH v. 7.6.1966 – I B 124/64, BStBl. III 1966, 548. 7 Vgl. Wiater/Bosch, IStR 1998, 757, 758. 8 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.2.2.

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231

Art. 5 (2014) Rz. 232

Betriebstätte

I. DBA-Belgien 232

Art. 5 Abs. 1 DBA-Belgien (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Belgien entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 41 ff.).

233

Art. 5 Abs. 2 DBA-Belgien (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-Belgien entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 86 ff.). In Abweichung zum OECD-MA sind die Bauausführungen und Montagen (s.o. Rz. 106 ff.) nicht in einem eigenständigen Art. 5 Abs. 3, sondern in der Aufzählung des Art. 5 Abs. 2 DBA-Belgien unter der Nr. 7 genannt. Systematische Rückschlüsse können aus der abweichenden Normierung nicht gezogen werden. Vielmehr soll der Begriff der Bauausführung und Montage nach Maßgabe des OECD-MK 1977 ausgelegt werden.1 Dementsprechend führt die abweichende Formulierung zu keiner Ausdehnung des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs (s.o. Rz. 88) i.S.d. § 12 Satz 2 AO, bei dem nach h.M. auch ein Ort der Geschäftsleitung ohne feste Geschäftseinrichtung als Betriebsstätte angesehen wird (s.o. Rz. 95). Gemäß Art. 5 Abs. 2 Nr. 7 DBA-Belgien beträgt die Frist für Bauausführungen und Montagen nur neun Monate. Jedoch verlängert sich dieser Zeitraum auf zwölf Monate, sofern Belgien mit einem Nachbarstaat eine solche Frist in einem DBA vereinbart (Nr. 2 Schlussprotokoll). Seit dem Abschluss des neuen DBA Belgien-Niederlande v. 5.6.2001 ist dies der Fall. Dieses sieht in Art. 5 Abs. 3 – wie im OECD-MA – eine Frist von zwölf Monaten für die Begründung einer Bau- oder Montagebetriebsstätte vor. Der neue Zeitraum gilt ab dem Inkrafttreten des neuen DBA Belgien-Niederlande im Jahr 2003 auch im Verhältnis BelgienDeutschland.2

234

Art. 5 Abs. 3 DBA-Belgien (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 3 DBA-Belgien entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 127 ff.). Allerdings enthält Art. 5 Abs. 3 DBA-Belgien keine Regelung i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA, nach der auch die Verrichtung verschiedener Tätigkeiten i.S.d. Abs. 4 in der festen Geschäftseinrichtung keine Betriebsstätteneigenschaft zur Folge hat, sofern diese in ihrer Gesamtheit lediglich vorbereitender oder nur unterstützender Natur sind. Nach Sinn und Zweck der Norm ergeben sich aus dem Unterschied jedoch keine Abweichungen zum OECD-MA. Erst wenn die „Geschäftsverdichtung“ das Wesen der festen Geschäftseinrichtung so nachhaltig verändert, dass von bloßen Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten nicht mehr die Rede sein kann, ist es gerechtfertigt, eine Betriebsstätte anzunehmen.3

235

Art. 5 Abs. 4 DBA-Belgien (Abhängiger Vertreter). Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 151 ff.) verweist Art. 5 Abs. 4 letzter Halbs. DBA-Belgien zur Abgrenzung der Betriebsstätten begründenden Tätigkeit des Vertreters von reinen Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten nicht allgemein auf den Negativkatalog des Abs. 3, sondern nennt als Hilfstätigkeiten lediglich den Einkauf von Gütern und Waren (s. Rz. 134). Diese Formulierung ist deutlich enger als der allgemeine Bezug auf Abs. 4 in Art. 5 Abs. 5 OECDMA. Daher begründen abhängige Vertreter, die Dienst- oder Werkleistungen einkaufen, eine Betriebsstätte.4 Soweit der Vertreter allerdings ausschließlich sonstige Hilfs- bzw. Vorbereitungstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA verrichtet, wird er in der Regel keine Betriebsstätte für seinen Prinzipal begründen, da er abkommensrechtlich hierfür eine Abschlussvollmacht benötigt, die er dauerhaft ausübt.5 Hieran wird es aber in der Praxis regelmäßig fehlen. Im Ergebnis führt daher die Abweichung im Wortlaut zu keiner anderen Rechtsfolge.

236

Art. 5 Abs. 5 DBA-Belgien (Unabhängiger Vertreter). Grundsätzlich entspricht Art. 5 Abs. 5 DBA-Belgien dem Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 168 ff.). Allerdings enthält die Norm im Unterschied zu Art. 5 OECDMA eine eigenständige Regelung für Versicherungsvertreter. So fällt gem. Art. 5 Abs. 5 Satz 2 DBA-Belgien auch ein unabhängiger Vertreter, der für ein Versicherungsunternehmen tätig ist und eine Vollmacht besitzt, im Namen dieses Unternehmens Verträge abzuschließen, und die Vollmacht gewöhnlich ausübt, unter die Regelung des abhängigen Vertreters i.S.v. Abs. 4 und zwar auch dann, wenn er im Rahmen seiner eigenen Geschäftstätigkeit handelt.6

237

Art. 5 Abs. 6 DBA-Belgien (Anti-Organ-Klausel). Die Anti-Organ-Klausel des Art. 5 Abs. 6 DBA-Belgien ist vom Wortlaut her weiter gefasst als Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 174 ff.), da sie von Unternehmen und nicht von Gesellschaften spricht. Im Ergebnis folgen hieraus jedoch keine materiellen Konsequenzen (vgl. Rz. 176). 1 2 3 4 5

Verständigungsvereinbarung BMF v. 2.7.1984 – IV C 5 - S 1301 Bel - 55/84. Vgl. Malinski in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Belgien Rz. 10. Vgl. Malinski in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Belgien Rz. 18. Vgl. Malinski in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Belgien Rz. 21. Ebenso Kramer in Wassermeyer zum wortlautidentischen Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 70; a.A. Malinski in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Belgien Rz. 21, der Betriebsstättenfolgen auch bei der bloßen Verrichtung anderer Hilfstätigkeiten annimmt. 6 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 142.

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K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 247 Art. 5 (2014)

II. DBA-China Art. 5 Abs. 1 DBA-China (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-China entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 41 ff.).

238

Art. 5 Abs. 2 DBA-China (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-China entspricht Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 86 ff.).

239

Art. 5 Abs. 3 DBA-China (Bauausführungen, Montagen und Dienstleistungen). Vorbehaltlich der im 240 Folgenden dargestellten Abweichungen gelten für die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 DBA-China die allgemeinen Regeln zu Bau- und Montageausführungen (s.o. Rz. 106 ff.). Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 3 OECDMA (s. Rz. 113) wirkt gem. Art. 5 Abs. 3 Buchst. a DBA-China auch die reine Aufsichtstätigkeit im Zusammenhang mit Bauausführungen und Montagen betriebsstättenbegründend (s.a. Art. 5 OECD-MK (2017) Rz. 44). Ferner beträgt die Frist zur Begründung nur sechs Monate. Ferner enthält das DBA-China eine Regelung zur Begründung einer Dienstleistungsbetriebsstätte (s. Rz. 12). So führt gem. Art. 5 Abs. 3 Buchst. b DBA-China – in Abweichung vom OECD-MA – auch das Erbringen von Dienstleistungen, einschließlich von Leistungen auf dem Gebiet der Beratung, durch Angestellte oder anderes Personal eines Unternehmens eines Vertragsstaats, wenn diese Tätigkeiten im anderen Vertragsstaat (für das gleiche oder ein damit zusammenhängendes Projekt) länger als insgesamt sechs Monate innerhalb eines beliebigen Zwölfmonatszeitraums dauern, zu einer Betriebsstätte. Im Ergebnis ist damit der Begriff der Betriebsstätte im DBA-China deutlich weiter als der im OECD-MA mit der Folge, dass China als Quellenstaat im Vergleich zu Staaten, die sich nach dem OECD-MA orientieren, deutlich schneller ein Besteuerungsrecht erhält. Art. 5 Abs. 4 DBA-China (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 4 DBA-China entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 127 ff.).

241

Art. 5 Abs. 5 DBA-China (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBA-China entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 151 ff.).

242

Art. 5 Abs. 6 DBA-China (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 6 DBA-China entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 168 ff.).

243

Art. 5 Abs. 7 DBA-China (Anti-Organ-Klausel). Art. 5 Abs. 7 DBA-China entspricht Art. 5 Abs. 7 OECDMA (s.o. Rz. 174 ff.).

244

III. DBA-Frankreich Allgemeines. Die Betriebsstättendefinition im DBA-Frankreich ist nicht in einem eigenen Artikel, sondern als Bestandteil der allgemeinen Begriffsdefinitionen in Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBA-Frankreich geregelt. Zwar weichen Formulierung und Gliederung von der des Art. 5 OECD-MA erheblich ab. Funktion und Inhalt entsprechen sich aber im Wesentlichen.1

245

Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBA-Frankreich (feste Geschäftseinrichtung). Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBA-Frankreich 246 entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 41 ff.). Gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBA-Frankreich muss die Unternehmenstätigkeit zwar „in der“ und nicht „durch die“ Geschäftseinrichtung ausgeübt werden. Eine inhaltliche Abweichung von Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ergibt sich hierdurch nicht.2 Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a DBA-Frankreich (Positivkatalog). Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a DBA-Frankreich entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 86 ff.). In Abweichung zum OECD-MA sind die Bauausführungen und Montagen (s.o. Rz. 106 ff.) nicht in einem eigenständigen Art. 5 Abs. 3, sondern in der Aufzählung unter Buchst. (gg) genannt. Systematische Rückschlüsse können aus der abweichenden Normierung nicht gezogen werden. Denn wie aus dem Zusatzabkommen von 2001 deutlich wird, folgen die Vertragsparteien dem allgemeinen OECD-Verständnis, vermöge dessen die anderen Katalogbetriebsstätten stets die Voraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.d. Abs. 1 erfüllen müssen (vgl. Art. 5 Rz. 45 OECD-MK 2017), um ein Besteuerungsrecht für den Quellenstaat zu begründen. Dementsprechend führt die abweichende Formulierung zu keiner Ausdehnung des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs (s.o. Rz. 88) i.S.d. § 12 Satz 2 AO, bei dem nach h.M. auch ein Ort der Geschäftsleitung ohne feste Geschäftseinrichtung als Betriebsstätte angesehen wird (s.o. Rz. 95).

1 Vgl. Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 51. 2 Ebenso Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 51; a.A. Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBAFrankreich Rz. 57.

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247

Art. 5 (2014) Rz. 248

Betriebstätte

248

Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b DBA-Frankreich (Negativkatalog). Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b DBA-Frankreich enthält einen Negativkatalog, der mit dem OECD-MA 1963 übereinstimmt und zum großen Teil auch dem OECD-MA 1977 entspricht. Dies gilt insbesondere für die Doppelbuchst. aa–dd (s.o. Rz. 127 ff.).1 Soweit in Doppelbuchst. ee für andere Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten ausdrücklich die Werbung, Erteilung von Auskünften bzw. wissenschaftliche Forschung genannt sind, ergeben sich keine abweichenden Rechtsfolgen, denn entscheidend ist nach dem Wortlaut, dass es sich um ähnliche Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeiten handelt. Charakterisiert werden diese durch den fehlenden rechtsverbindlichen Marktauftritt der festen Einrichtung oder des Vertreters. Im Ergebnis handelt es sich daher bei den erwähnten Tätigkeiten lediglich um Beispiele, die keine konstitutive und damit Doppelbuchst. ee einschränkende Wirkung entfalten. Eben so wenig können aus dem Fehlen einer dem Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA entsprechenden Regelung in Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b DBA-Frankreich gezogen werden. Denn neben der Art der Tätigkeit ist für die Betriebsstättenfolge stets auch die Intensität der Tätigkeit entscheidend. Solange diese die Schwelle zur „teilweise ausgeübten Haupttätigkeit“ nicht überschreitet, ist es unbeachtlich, ob sich die Hilfs- und/oder Vorbereitungstätigkeit aus einem oder mehreren Tatbeständen zusammensetzt.2

249

Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. c DBA-Frankreich (Abhängiger Vertreter). Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 151 ff.) verweist 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. c DBA-Frankreich zur Abgrenzung der Betriebsstätten begründenden Tätigkeit des Vertreters von reinen Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten nicht allgemein auf den Negativkatalog des Abs. 3, sondern nennt als Hilfstätigkeiten lediglich den Einkauf von Gütern und Waren (s. Rz. 134). Diese Formulierung ist deutlich enger als der allgemeine Bezug auf Abs. 4 in Art. 5 Abs. 5 OECD-MA. Daher begründen abhängige Vertreter, die andere Leistungen als Waren (insbes. Dienstleistungen) einkaufen, eine Betriebsstätte. Soweit der Vertreter allerdings ausschließlich sonstige Hilfsbzw. Vorbereitungstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA verrichtet, wird er in der Regel keine Betriebsstätte für seinen Prinzipal begründen, da er abkommensrechtlich hierfür eine Abschlussvollmacht benötigt, die er dauerhaft ausübt.3 Hieran wird es aber in der Praxis regelmäßig fehlen. Im Ergebnis führt daher die Abweichung im Wortlaut zu keiner anderen Rechtsfolge.

250

Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. d DBA-Frankreich. (Versicherungsvertreter). Im Unterschied zu Art. 5 OECD-MA enthält Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. d DBA-Frankreich eine eigenständige Regelung für Versicherungsvertreter. Hiernach begründet ein abhängiger Versicherungsvertreter eine Vertreterbetriebsstätte des Versicherungsunternehmens, sofern er im Quellenstaat Prämien empfängt oder auf diesem Gebiet gelegene Risiken versichert. Im Unterschied zum abhängigen Vertreter i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c DBA-Frankreich genügen hier Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten zur Betriebsstättenbegründung. Lediglich die reine Prämienverwaltung scheidet nach dem Notenwechsel v. 21.7.1959 aus den Betriebsstätten begründenden Tätigkeiten aus.4

251

Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. e DBA-Frankreich (unabhängiger Vertreter). Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. e DBA-Frankreich entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 168 ff.).

252

Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. f DBA-Frankreich (Anti-Organ-Klausel). Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. f DBAFrankreich entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 174 ff.).

IV. DBA-Großbritannien 253

Allgemeines. Das DBA-Großbritannien 2011 ersetzt das DBA-Großbritannien 1964/70 und basiert auf dem OECD-MA 2008.5

254

Art. 5 Abs. 1 DBA-Großbritannien (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Großbritannien entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 41 ff.). Allerdings hat Großbritannien in Art. 5 Rz. 176 OECDMK (2017) klargestellt, dass ein Internetserver, der von einem „E-Tailer“ (Begriff: s. Rz. 196) genutzt wird, als solcher noch keine Betriebsstätte darstellt.

255

Art. 5 Abs. 2 DBA-Großbritannien (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-Großbritannien entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 86 ff.). Art. 5 Abs. 2 Buchst. f DBA-Großbritannien nennt allerdings in Abweichung zum OECD-MA als Katalogbetriebsstätten nicht andere Stätten der Ausbeutung „von

1 2 3 4 5

Vgl. Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 63. Ebenso Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 66. Vgl. Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 70. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 142. Zum Ganzen siehe Schröder, IStR-LB 2010, 38.

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K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 263 Art. 5 (2014)

Bodenschätzen“, sondern „von natürlichen Ressourcen“. Diese Definition umfasst auch die Ausbeutung erneuerbarer Energiequellen, wie etwa Wind-Wasser- und Solarkraft (s.a. Rz. 104). Art. 5 Abs. 3 DBA-Großbritannien (Bau und Montageausführungen). Art. 5 Abs. 3 DBA-Großbritannien entspricht Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (s.o. Rz. 106 ff.).

256

Art. 5 Abs. 4 DBA-Großbritannien (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 4 DBA-Großbritannien entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 127 ff.).

257

Art. 5 Abs. 5 DBA-Großbritannien (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBA-Großbritannien entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 151 ff.).

258

Art. 5 Abs. 6 DBA-Großbritannien (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 6 DBA-Großbritannien entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 168 ff.).

259

Art. 5 Abs. 7 DBA-Großbritannien (Anti-Organ-Klausel). Art. 5 Abs. 7 DBA-Großbritannien entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 174 ff.).

260

V. DBA-Indien Art. 5 Abs. 1 DBA-Indien (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Indien entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 41 ff.).

261

Art. 5 Abs. 2 DBA-Indien (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 Buchst. a–e DBA-Indien entsprechen Art. 5 Abs. 2 Buchst. a–e OECD-MA (s.o. Rz. 86 ff.). Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 2 Buchst. f OECD-MA (s. Rz. 104) nennt Art. 5 Abs. 2 Buchst. f DBA-Indien im Zusammenhang mit Bodenschätzen auch Einrichtungen und Vorrichtungen für die Erforschung. Damit können auch isolierte Explorationstätigkeiten unter den Voraussetzungen des Abs. 1 eine Betriebsstätte begründen.1 Ferner nennt Art. 5 Abs. 2 Buchst. g DBA-Indien ausdrücklich auch Lager und Verkaufseinrichtungen als beispielhafte Geschäftseinrichtungsbetriebsstätten genannt. Wegen der gem. Art. 5 Abs. 4 DBA-Indien (insbes. Buchst. a) notwendigen Mindestaktivität können aber insbesondere reine Lager ohne Zusatzaktivität keine Betriebsstätte i.S.v. Abs. 1 begründen. Eine Abweichung vom OECD-MA ergibt sich damit nicht2. In Art. 5 Abs. 2 Buchst. h DBA-Indien werden weiterhin Farmen, Plantagen oder andere Orte, an denen land- oder forstwirtschaftliche, plantagenwirtschaftliche oder verwandte Tätigkeiten als Betriebsstättenbeispiele genannt. Hierdurch kommt es zu einer Normenkonkurrenz zwischen Art. 7 i.V.m. Art. 5 DBA-Indien einerseits und Art. 6 DBA-Indien auf der anderen Seite. Im Ergebnis ist diese jedoch unbeachtlich, da beide Normenkreise das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus der nämlichen Tätigkeit dem Belegenheitsstaat zuweisen.3 Schließlich enthält der Betriebsstättenkatalog des Art. 5 Abs. 2 DBA-Indien auch eine Regelung für Bau und Montageausführungen (s.o. Rz. 106 ff.). Aus der systematischen Ansiedelung lassen sich keine Rechtsfolgen für die übrigen in Abs. 2 genannten Katalogbetriebsstätten ziehen. Denn wie Art. 5 Rz. 45 OECD-MK (2017) zu entnehmen ist, folgt Indien dem allgemeinen OECD-Verständnis ohne Vorbehalte oder Bemerkungen. Nach diesem müssen die anderen Katalogbetriebsstätten stets die Voraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.d. Abs. 1 erfüllen, um ein Besteuerungsrecht für den Quellenstaat zu begründen. Dementsprechend führt die abweichende Formulierung zu keiner Ausdehnung des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs (s.o. Rz. 88) i.S.d. § 12 Satz 2 AO, bei dem nach h.M. auch ein Ort der Geschäftsleitung ohne feste Geschäftseinrichtung als Betriebsstätte angesehen wird (s.o. Rz. 95). Nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. i DBA-Indien beträgt die Frist zur Begründung von Bau- oder Montagebetriebsstätten nur sechs Monate. Statt der Begriffe „Planung und Überwachung“ verwendet das DBA den Begriff der „Aufsichtstätigkeit“. Damit werden reine Bauplanungstätigkeiten vom Betriebsstättenbegriff nicht erfasst. Die ausdrückliche Erwähnung der Aufsichtstätigkeit führt aber dazu, dass jegliche Aufsichtstätigkeit über eine Baumaßnahme bei entsprechender Zeitdauer betriebsstättenbegründend wirkt und nicht nur die vom Generalunternehmer ausgeübte.4

262

Art. 5 Abs. 3 DBA-Indien (Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Erforschung und Förderung von Erdöl). Nach Art. 5 Abs. 3 DBA-Indien führen Dienstleistungen, das Vorhalten von Einrichtungen oder das Verleihen von Anlagen und Maschinen im Zusammenhang mit der Prospektion (= Erforschung) oder Förderung von Erdöl zu einer Betriebsstätte. Einer festen Geschäftseinrichtung bedarf es hierzu nicht. Insoweit wird der Betriebsstättenbegriff des Art. 5 OECD-MA, der keine entsprechende Regelung enthält, um eine besondere Form der Dienstleistungsbetriebsstätte erweitert. Die Betriebsstättenfiktion gilt nicht generell

263

1 2 3 4

Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Indien Rz. 16. Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Indien Rz. 17. Ebenso Strauß in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Indien Rz. 18; Görl in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 18. Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Indien Rz. 25.

Hruschka

341

Art. 5 (2014) Rz. 263

Betriebstätte

für die Exploration oder Ausbeutung von Bodenschätzen. Aufgrund ihres ausdrücklichen Wortlauts gilt sie nur für die Aufsuchung und Förderung von Erdöl.1 264

Art. 5 Abs. 4 DBA-Indien (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 4 DBA-Indien entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 127 ff.).

265

Art. 5 Abs. 5 DBA-Indien (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 Buchst. a DBA-Indien 1995 entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s. Rz. 151 ff.). Der Tatbestand wird jedoch darüber hinaus ausgedehnt. Zum einen begründet ein Vertreter ohne Abschlussvollmacht (s. Rz. 157) eine Betriebsstätte, wenn er einen Bestand an Gütern oder Waren unterhält, aus dem er regelmäßig für das Unternehmen Güter oder Waren ausliefert (Art. 5 Abs. 5 Buchst. b DBA-Indien 1995). Zum anderen begründet die ausschließliche oder fast ausschließliche Einholung von Aufträgen für eines oder mehrere verbundene Unternehmen eine Vertreterbetriebsstätte, sofern diese Tätigkeit gewöhnlich, d.h. dauerhaft (s. Rz. 162) ausgeübt wird (Art. 5 Abs. 5 Buchst. c DBA-Indien 1995). Ein Verbund im Sinne des DBA-Indien liegt bei einem Beherrschungsverhältnis vor. Dies setzt eine (un-)mittelbare Beteiligung von mehr als 50 % voraus.

266

Art. 5 Abs. 6 DBA-Indien (Unabhängiger Vertreter). Vom Wortlaut her verlangt Art. 5 Abs. 6 DBA-Indien 1995 mehr als das OECD-MA (s.o. Rz. 168 ff.), da der Vertreter in seinen kaufmännischen und finanziellen Beziehungen vom vertretenen Unternehmen unabhängig sein muss. Vom Wortlaut her wird damit der Fremdvergleichsmaßstab als Kriterium für die Unabhängigkeit eingeführt.2 Inhaltlich entspricht diese Anforderung aber dem unbestimmten Tatbestandsmerkmal der Unabhängigkeit (s. Rz. 156). Damit wird deutlich, dass auch typischerweise unabhängige Vertreter, wie insb. die Kommissionäre, wirtschaftlich abhängige Vertreter i.S.d. Art. 5 Abs. 5 sein können.

267

Art. 5 Abs. 7 DBA-Indien (Anti-Organ-Klausel). Art. 5 Abs. 7 DBA-Indien entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 174 ff.).

VI. DBA-Italien 268

Art. 5 Abs. 1 DBA-Italien (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Italien entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 41 ff.). Zwar muss gem. Art. 5 Abs. 1 DBA-Italien die Tätigkeit „in der“ und nicht wie im OECD-MA „durch die“ Geschäftseinrichtung ausgeübt werden. Inhaltliche Unterschiede ergeben sich hieraus nicht.3

269

Art. 5 Abs. 2 DBA-Italien (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-Italien entspricht Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 86 ff.). Der in Art. 5 Rz. 45 OECD-MK (2017) vertretenen Auffassung, die in Art. 5 Abs. 2 OECDMA genannten Beispiele von Betriebsstätten begründeten nur dann Betriebsstätten, wenn sie die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllten, hat Italien widersprochen (vgl. Art. 5 Rz. 170 OECD-MK 2017). Nach ital. Auffassung ist bei diesen Beispielen stets eine Betriebsstätte anzunehmen4. Damit entspricht das diesbezügliche italienische Abkommensverständnis dem des § 12 AO. Dafür spricht auch die Erfassung der Bauausführung und Montage (s.o. Rz. 106 ff.) unter Buchst. g in Art. 5 Abs. 2 DBA-Italien 1990, der damit weitgehend dem § 12 Satz 2 AO entspricht (s.o. Rz. 88). Bedeutung hat dies insbesondere für den Ort der Leitung, der damit auch dann eine Betriebsstätte begründen kann, wenn er keiner festen Geschäftseinrichtung zuzuordnen ist (s.a. Rz. 87).

270

Art. 5 Abs. 4 DBA-Italien (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 3 Buchst. a–e DBA-Italien entsprechen Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–e OECD-MA (s.o. Rz. 127 ff.). Zwar fehlt in Art. 5 Abs. 3 DBA-Italien eine Regelung i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA zur Geschäftsverdichtung (s. Rz. 145). Nach dem Willen der Vertragsparteien soll sich aber daraus keine abweichende Regelung im Verhältnis Deutschland-Italien ergeben.5

271

Art. 5 Abs. 4 DBA-Italien (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 4 DBA-Italien entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 151 ff.).

272

Art. 5 Abs. 5 DBA-Italien (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBA-Italien entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 168 ff.).

273

Art. 5 Abs. 6 DBA-Italien (Anti-Organ-Klausel). Art. 5 Abs. 6 DBA-Italien entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 174 ff.). 1 2 3 4 5

Ebenso Strauß in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Indien Rz. 35. Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Indien Rz. 55. Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 34. Vgl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Italien Rz. 12. Vgl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Italien Rz. 16.

342

Hruschka

K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 285 Art. 5 (2014)

VII. DBA-Japan Art. 5 Abs. 1 DBA-Japan (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Japan entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 41 ff.).

274

Art. 5 Abs. 2 DBA-Japan (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 Buchst. a–f DBA-Japan entsprechen weitgehend Art. 5 Abs. 2 Buchst. a–f OECD-MA (s.o. Rz. 86 ff.). Lediglich Öl- und Gasvorkommen sind in Art. 5 Abs. 2 Buchst. f DBA-Japan nicht enthalten. Art. 5 Abs. 2 Buchst. g DBA-Japan, der die Betriebsstätteneigenschaft von Bau und Montageausführungen definiert, basiert auf dem OECD-MA 1963.1 Inhaltlich entspricht er Art. 5 Abs. 3 OECD-MA 2008 (s.o. Rz. 106 ff.). Nachdem Japan – im Unterschied zu Italien (s. Rz. 32) – der Beispielhaftigkeit des Positivkatalogs in Abs. 2 (vgl. Art. 5 Rz. 45 OECD-MK (2017) OECD-MK) nicht widersprochen hat, ist aus dieser Gesetzessystematik im Rahmen des Grundsatzes der Entscheidungsharmonie keine konstitutive Wirkung abzuleiten. Zum Notenwechsel 1966 hat das BMF mitgeteilt, dass zwischenstaatliches Einvernehmen besteht, auch Bauüberwachungstätigkeiten in Zusammenhang mit einer Bauausführung oder Montage als Betriebsstätten begründend anzusehen sind.2 Im Notenwechsel zum Revisionsprotokoll 19793 ist diese Aussage nicht mehr enthalten. In jedem Fall wird aber deutlich, dass eine isolierte Bauüberwachung nicht ausreicht. Im Ergebnis ist die Überwachungstätigkeit nur in die Fristberechnung einzubeziehen, sofern der Unternehmer selbst vor Ort tätig geworden ist. Dies entspricht dem Verständnis des Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (s. Rz. 113).

275

Art. 5 Abs. 3 DBA-Japan (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 3 Buchst. a–e DBA-Japan entsprechen Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–e OECD-MA (s.o. Rz. 127 ff.). Zwar fehlt in Art. 5 Abs. 3 DBA-Japan eine Regelung i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA zur Geschäftsverdichtung (s. Rz. 145). Nach dem Willen der Vertragsparteien soll sich aber daraus keine abweichende Regelung im Verhältnis Deutschland-Japan ergeben.4

276

Art. 5 Abs. 4 DBA-Japan (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 4 DBA-Japan entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 151 ff.).

277

Art. 5 Abs. 5 DBA-Japan (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBA-Japan entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 168 ff.).

278

Art. 5 Abs. 6 DBA-Japan (Anti-Organ-Klausel). Art. 5 Abs. 6 DBA-Japan entspricht Art. 5 Abs. 7 OECDMA (s.o. Rz. 174 ff.).

279

VIII. DBA-Kanada Art. 5 Abs. 1 DBA-Kanada (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Kanada entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 41 ff.).

280

Art. 5 Abs. 2 DBA-Kanada (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-Kanada entspricht Art. 5 Abs. 2 OECDMA (s.o. Rz. 86 ff.).

281

Art. 5 Abs. 3 DBA-Kanada (Bau und Montageausführungen). Art. 5 Abs. 3 DBA-Kanada entspricht Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (s.o. Rz. 106 ff.).

282

Art. 5 Abs. 4 DBA-Kanada (Nutzung schwimmender Einrichtungen). Das OECD-MA enthält keine entsprechende Regelung. Gemäß Art. 5 Abs. 4 DBA-Kanada begründet die Nutzung von Einrichtungen, Bohrinseln oder Schiffen in einem Vertragsstaat, die der Erforschung oder Ausbeutung von Naturschätzen dienen, eine Betriebsstätte, jedoch nur, wenn sie in einem Zwölfmonatszeitraum länger als drei Monate zu diesem Zweck eingesetzt werden. In Abweichung von Abs. 1 muss die Einrichtung nicht ortsfest sein.5 Da es für den Dreimonatszeitraum nur auf die Nutzung geeigneter Einrichtungen ankommt, ist insbesondere bei Schiffen der gesamte Zeitraum auf dem jeweiligen Hoheitsgebiet (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b DBA-Kanada 2001) vom Ablegen bis zum Anlegen in die Fristberechnung einzubeziehen.

283

Art. 5 Abs. 5 DBA-Kanada (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 5 Buchst. DBA-Kanada entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 127 ff.).

284

Art. 5 Abs. 6 DBA-Kanada (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 6 DBA-Kanada entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 151 ff.).

285

1 2 3 4 5

Vgl. Preuss in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Japan Rz. 8. Vgl. Preuss in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Japan Rz. 8. V. 17.4.1979. Vgl. Preuss in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Japan Rz. 9, 73. Ebenso W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Kanada Rz. 40.

Hruschka

343

Art. 5 (2014) Rz. 286

Betriebstätte

286

Art. 5 Abs. 7 DBA-Kanada (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 7 DBA-Kanada entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 168 ff.).

287

Art. 5 Abs. 8 DBA-Kanada (Anti-Organ-Klausel). Art. 5 Abs. 8 DBA-Kanada entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 174 ff.).

IX. DBA-Luxemburg 288

Art. 5 DBA-Luxemburg 2012. Art. 5 DBA-Luxemburg 2012 entspricht vollumfänglich Art. 5 OECD-MA.

X. DBA-Niederlande 289

Art. 5 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012 (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 41 ff.).

290

Art. 5 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 86 ff.).

291

Art. 5 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012 (Bau und Montageausführungen). Art. 5 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (s.o. Rz. 106 ff.).

292

Art. 5 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012 (Tätigkeiten vor der Küste). Eine Art. 5 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012 entsprechende Regelung enthält das OECD-MA nicht. Es handelt sich um eine besondere Form der Dienstleistungsbetriebsstätte (s.o. Rz. 12). So können die Vertragsstaaten sämtliche Tätigkeiten von Unternehmen des anderen Staats (Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Niederlande 2012) auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen einer festen Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1 und 2 DBA-Niederlande 2012 besteuern, wenn diese Tätigkeiten im Küstenmeer oder ausschließlichen Wirtschaftszone (s.o. Rz. 7) an mindestens 30 Tagen während eines Zeitraums von 12 Monaten verrichtet werden. Im Ergebnis wird damit das Besteuerungsrecht der Küstenstaaten für sämtliche Tätigkeiten i.S.v. Art. 56 i.V.m. Art. 77 SRÜ (s.o. Rz. 7) abkommensrechtlich manifestiert. Dementsprechend können die Küstenstaaten insbesondere auch Gewinne aus Fischerei, Transport- oder auch Wartungsaktivitäten, z.B. an Offshore-Windparks, besteuern. Hierunter fällt z.B. auch die Zur-Verfügung-Stellung von Rohr- und Kabelleitungen zum Transport der erzeugten Energie. Ausgenommen sind nur Tätigkeiten aus nichtselbständiger Arbeit (Art. 14 Abs. 2 DBANiederlande 2012) sowie die in Abs. 5 genannten Vorbereitungs- und/oder Hilfstätigkeiten. Offen ist das Konkurrenzverhältnis von Abs. 3 (Bau- und Montageausführung) zu Abs. 4 (Tätigkeiten im Küstenmeer). Bedeutsam wird dies bei Bauausführungen und Montagen, deren Dauer die Mindestfrist von 12 Monaten nicht überschreitet. Denn bei beiden Vorschriften handelt es sich um eine Form der Dienstleistungsbetriebsstätte, die lediglich an eine (unterschiedliche) Dauer der Tätigkeit anknüpft. Im Ergebnis ist dieser Konflikt zu Gunsten des Art. 5 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012 als der spezielleren Norm zu entscheiden. Dies entspricht auch dem allgemeinen Normenverhältnis von Abs. 1 zu Abs. 3 (vgl. Art. 5 Rz. 49 OECD-MK 2017). Daher verbleibt das Besteuerungsrecht auch dann im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers, wenn er an mindestens 30 Tagen Bau- und oder Montagetätigkeiten von einer Gesamtdauer unter 12 Monaten vor der Küste verrichtet. Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012 erfasst § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG bzw. § 1 Abs. 2 KStG nur die Erforschung, Ausbeutung und Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien. Sonstige Tätigkeiten wie z.B. die Fischerei, die Errichtung von Anlagen, deren Wartung oder der Transport von Energie werden – im Unterschied zu Art. 56 SRÜ – von dem nationalen Inlandsbegriff nicht erfasst. Trotz Besteuerungsrecht gem. DBA können daher solche Tätigkeiten nicht in den Katalog der inländischen Einkünfte i.S.v. § 49 EStG fallen.

293

Art. 5 Abs. 5 DBA-Niederlande 2012 (Hilfstätigkeiten vor der Küste). Eine dem Art. 5 Abs. 5 DBA-Niederlande 2012 entsprechende Regelung enthält das OECD-MA nicht. Inhaltlich grenzt die Vorschrift folgende Tätigkeiten aus dem Tätigkeitsbereich des Abs. 4 aus: a) Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeiten i.S.d. Abs. 7, b) das Schleppen oder Ankerziehen durch Schiffe, die hauptsächlich für diesen Zweck vorgesehen sind, und alle anderen von diesen Schiffen durchgeführten Tätigkeiten sowie c) die Beförderung von Vorräten oder Personal durch Schiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr. Im Ergebnis verbleibt das Besteuerungsrecht für diese Tätigkeiten unabhängig von ihrer Dauer im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers.

294

Art. 5 Abs. 6 DBA-Niederlande 2012 (Tätigkeiten verbundener Unternehmen vor der Küste). Eine dem Art. 5 Abs. 6 DBA-Niederlande 2012 entsprechende Regelung enthält das OECD-MA nicht. Nach Abs. 6 werden die zeitlich aufeinander folgenden Tätigkeiten verbundener Unternehmen an demselben Projekt wechselseitig zugerechnet. Dauert die Projekttätigkeit sämtlicher verbundener Unternehmen mindestens 344

Hruschka

K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 303 Art. 5 (2014)

30 Tage innerhalb von 12 Monaten, wird jedes der verbundenen Unternehmen so behandelt, als habe es selbst die Fristvoraussetzungen erfüllt. Im Ergebnis erhält damit der Quellenstaat das Besteuerungsrecht für die gesamte Projekttätigkeit unabhängig davon, wie viele verbundene Unternehmen hierin eingebunden waren. Gemäß Art. 5 Abs. 6 Satz 2 DBA-Niederlande 2012 gilt ein Unternehmen als verbunden, wenn ein Unternehmen unmittelbar oder mittelbar über mindestens ein Drittel des Kapitals des anderen Unternehmens oder eine Person unmittelbar oder mittelbar über mindestens ein Drittel des Kapitals beider Unternehmen verfügt. Art. 5 Abs. 7 DBA-Niederlande 2012 (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 7 Buchst. DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 127 ff.).

295

Art. 5 Abs. 8 DBA-Niederlande (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 8 DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 151 ff.).

296

Art. 5 Abs. 9 DBA-Niederlande 2012 (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 7 DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 168 ff.).

297

Art. 5 Abs. 10 DBA-Niederlande 2012 (Anti-Organ-Klausel). Art. 5 Abs. 10 DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 174 ff.).

298

XI. DBA-Österreich Art. 5 DBA-Österreich. Art. 5 DBA-Österreich entspricht vollumfänglich Art. 5 OECD-MA.

299

Rz. 2 des Schlussprotokolls zu Art. 5 DBA-Österreich (Anti-Organ-Klausel). Rz. 2 des Schlussprotokolls zum DBA-Österreich weitet Art. 5 Abs. 6 DBA-Österreich in Bezug auf die Vertreterbetriebsstätten des Art. 5 Abs. 5 und 6 DBA-Österreich dahin aus, dass eine Vertreterbetriebsstätte selbst bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen nicht anzunehmen ist, wenn die jeweiligen Funktionen durch Ansatz angemessener Verrechnungspreise abgegolten werden.

300

XII. DBA-Russland Art. 5 DBA-Russland. Art. 5 DBA-Russland entspricht vollumfänglich Art. 5 OECD-MA.

301

XIII. DBA-Schweiz Art. 5 Abs. 1 DBA-Schweiz (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Schweiz entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 41 ff.). Zwar muss die Tätigkeit nach dem Wortlaut nur „in der“ und nicht „durch die“ Betriebsstätte erfolgen. Abweichende Rechtsfolgen ergeben sich hieraus jedoch nicht.1 Abweichend von der deutschen Wertung rechnet das Schweizer Bundesgericht2 und die Eidgenössische Steuerverwaltung EStV3 die tatsächliche Sachherrschaft des Unternehmers nicht dem atypisch stillen Gesellschafter zu. Dementsprechend unterhält der atypisch still Beteiligte nach Schweizer Verständnis keine Betriebsstätte in der Geschäftseinrichtung des Unternehmers (siehe oben Rz. 182), an dem er beteiligt ist. Vielmehr liegt nach Schweizer Verständnis nur ein Darlehen des atypisch Stillen an den Unternehmer vor.4

302

Art. 5 Abs. 2 DBA-Schweiz (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 Buchst. a–f DBA-Schweiz entsprechen weitgehend Art. 5 Abs. 2 Buchst. a–f OECD-MA (s.o. Rz. 86 ff.). Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 2 Buchst. f OECD-MA nennt Art. 5 Abs. 2 Buchst. f DBA-Schweiz keine Öl- oder Gasvorkommen als beispielhafte Betriebsstätten. Er wird aber vom Begriff „andere Stätten der Ausbeutung von Bodenschätzen“ umfasst. Art. 5 Abs. 2 Buchst. g DBA-Schweiz, der die Betriebsstätteneigenschaft von Bau- und Montageausführungen definiert, basiert auf dem OECD-MA 19635. Inhaltlich entspricht er Art. 5 Abs. 3 OECD-MA 2008 (s.o. Rz. 106 ff.). Nachdem die Schweiz – im Unterschied zu Italien (s. Rz. 32) – der Beispielhaftigkeit des Positivkatalogs in Abs. 2 (vgl. Art. 5 Rz. 45 OECD-MK 2017) nicht widersprochen hat, ist aus dieser Gesetzessystematik im Rahmen des Grundsatzes der Entscheidungsharmonie keine konstitutive Wirkung abzuleiten.

303

1 2 3 4 5

Vgl. Scherer in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 1. Siehe nur Kolb, IStR-LB 11/2015, 62. EStV v. 28.4.2015 – BUG/KUP/ROI - 2411. Kollruss, IFF 2016, 158; IStR-LB 11/15, 62. Scherer in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 28.

Hruschka

345

Art. 5 (2014) Rz. 304

Betriebstätte

304

Art. 5 Abs. 3 DBA-Schweiz (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 3 Buchst. a–e DBA-Schweiz entsprechen Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–e OECD-MA (s.o. Rz. 127 ff.). Zwar fehlt in Art. 5 Abs. 3 DBA-Schweiz eine Regelung i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA zur Geschäftsverdichtung (s. Rz. 145). Nach dem Willen der Vertragsparteien soll sich aber daraus keine abweichende Regelung im Verhältnis Deutschland-Schweiz ergeben.1

305

Art. 5 Abs. 4 DBA-Schweiz (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 4 DBA-Schweiz entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 151 ff.).

306

Art. 5 Abs. 5 DBA-Schweiz (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBA-Schweiz entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 168 ff.).

307

Art. 5 Abs. 6 DBA-Schweiz (Anti-Organ-Klausel). Art. 5 Abs. 6 DBA-Schweiz entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 174 ff.).

XIV. DBA-Spanien 308

Allgemeines. Das DBA-Spanien 2011 ersetzt das DBA-Spanien 1966. Es basiert auf dem OECD-MA 2008.

309

Art. 5 Abs. 1 DBA-Spanien 2011 (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 41 ff.).

310

Art. 5 Abs. 2 DBA-Spanien 2011 (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-Spanien 2011 entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 86 ff.). In Art. 5 Abs. 2 Buchst. f DBA-Spanien 2011 werden allerdings nicht andere Stätten der Ausbeutung „von Bodenschätzen“, sondern „von natürlichen Ressourcen“ genannt. Diese Definition umfasst auch die Ausbeutung erneuerbarer Energiequellen, wie etwa Wind-Wasserund Solarkraft (s.a. Rz. 104).

311

Art. 5 Abs. 3 DBA-Spanien 2011 (Bau und Montageausführungen). Art. 5 Abs. 3 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (s.o. Rz. 106 ff.).

312

Art. 5 Abs. 4 DBA-Spanien 2011 (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 4 Buchst. DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 127 ff.).

313

Art. 5 Abs. 5 DBA-Spanien 2011 (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 151 ff.).

314

Art. 5 Abs. 6 DBA-Spanien 2011 (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 6 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 168 ff.).

315

Art. 5 Abs. 7 DBA-Spanien 2011 (Anti-Organ-Klausel). Art. 5 Abs. 7 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 174 ff.).

XV. DBA-USA 316

Allgemeines. Art. 5 DBA-USA 1989/2006 entspricht fast vollständig dem Wortlaut des Art. 5 OECD-MA.

317

Art. 5 Abs. 1 DBA-USA (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-USA entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 41 ff.). Lediglich im Schlussprotokoll Nr. 3 zum DBA wird klargestellt, dass für auftretende Künstler, die nicht unter Art. 17 fallen (z.B. da ihre Einnahmen aus dieser Tätigkeit 20 000 $ im betreffenden Kalenderjahr nicht übersteigen), erst ab 183 Tage Verweildauer im Quellenstaat das Vorhandensein einer Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1 DBA-USA 1989/2006 geprüft werden darf.

318

Art. 5 Abs. 2 DBA-USA (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-USA entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 86 ff.).

319

Art. 5 Abs. 3 DBA-USA (Bau und Montageausführungen). Art. 5 Abs. 3 DBA-USA entspricht Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (s.o. Rz. 106 ff.).

320

Art. 5 Abs. 4 DBA-USA (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 4 Buchst. DBA-USA entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 127 ff.). Abweichend vom OECD-MA nennt Art. 5 Abs. 4 Buchst. e DBA-USA 1989/2006 allerdings als Hilfstätigkeiten, die keine Betriebsstätte begründen, das Werben und das Erteilen von Informationen sowie wissenschaftliche Aktivitäten für das Unternehmen. Die Aufzählung ist beispielhaft und begründet keine materielle Abweichung vom OECD-MA (vgl. Art. 5 Rz. 70 OECD-MK 2017).2 1 Ebenso Scherer in Wassermeyer Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 56. 2 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 5 DBA-USA Rz. 43.

346

Hruschka

K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 323 Art. 5 (2014)

Art. 5 Abs. 5 DBA-USA (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBA-USA entspricht Art. 5 Abs. 5 OECDMA (s.o. Rz. 151 ff.).

321

Art. 5 Abs. 6 DBA-USA (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 6 DBA-USA entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 168 ff.).

322

Art. 5 Abs. 7 DBA-USA (Anti-Organ-Klausel). Art. 5 Abs. 7 DBA-USA entspricht Art. 5 Abs. 7 OECDMA (s.o. Rz. 174 ff.).

323

Hruschka

347

Artikel 5 (2017) Betriebstätte (1)1 Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck „Betriebstätte“ eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. (2) Der Ausdruck „Betriebstätte“ umfasst insbesondere: a) einen Ort der Leitung, b) eine Zweigniederlassung, c) eine Geschäftsstelle, d) eine Fabrikationsstätte, e) eine Werkstätte und f) ein Bergwerk, ein Öl- oder Gasvorkommen, einen Steinbruch oder eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen. (3) Eine Bauausführung oder Montage ist nur dann eine Betriebstätte, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet. (4) Ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht als Betriebsstätten: a) Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren des Unternehmens benutzt werden; b) Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten werden; c) Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, durch ein anderes Unternehmen bearbeitet oder verarbeitet zu werden; d) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen; e) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen andere Tätigkeiten auszuüben; f) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, mehrere der unter den Buchstaben a bis e genannten Tätigkeiten auszuüben, vorausgesetzt, dass eine derartige Tätigkeit oder im Fall von Buchstabe f die sich daraus ergebende Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt. (4.1) Absatz 4 findet keine Anwendung auf eine feste Geschäftseinrichtung, die von einem Unternehmen genutzt oder aufrechterhalten wird, wenn dasselbe Unternehmen oder ein eng verbundenes Unternehmen an demselben Ort oder an einem anderen Ort in demselben Vertragsstaat Geschäftstätigkeiten fortführt und a) dieser Ort oder der andere Ort für das Unternehmen oder das eng verbundene Unternehmen nach den Bestimmungen dieses Artikels eine Betriebsstätte darstellt, oder b) die Gesamttätigkeit, die sich aus den von den beiden Unternehmen an demselben Ort oder von demselben Unternehmen oder eng verbundenen Unternehmen an den beiden Orten ausgeübten Tätigkeiten ergibt, weder vorbereitender Art ist, noch eine Hilfstätigkeit darstellt, sofern die von den beiden Unternehmen an demselben Ort oder von demselben Unternehmen oder eng verbundenen Unternehmen an den beiden Orten ausgeübten Geschäftstätigkeiten sich als ergänzende Aufgaben darstellen, die Teil eines zusammenhängenden Geschäftsbetriebs sind. (5) Ungeachtet der Bestimmungen in den Absätzen 1 und 2 sowie vorbehaltlich der Bestimmungen in Absatzes 6 gilt dort, wo eine Person in einem Vertragsstaat für ein Unternehmen tätig ist und dabei gewöhnlich Verträge schließt oder gewöhnlich die führende Rolle beim Abschluss von Verträgen einnimmt, die regelmäßig ohne wesentliche Änderung durch das Unternehmen geschlossen werden, und es sich dabei um Verträge

1 Art. 5 Abs. 4 Buchst. e und f nebst Abs. 4 letzter Halbs. sowie Abs. 5, 6 und 8 sind eine inoffizielle Übersetzung der ursprünglichen OECD-Version, die in englischer Sprache unter dem Titel Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017, OECD Publishing, Paris unter https://doi.org/10.1787/20745419 abrufbar ist. In Zweifelsfällen ist die ursprüngliche, englische Fassung maßgeblich.

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349

Art. 5 (2017)

Betriebstätte

a) im Namen des Unternehmens oder b) zur Übertragung des Eigentums oder zur Gewährung des Nutzungsrechts an Vermögen, das diesem Unternehmen gehört oder für das es das Nutzungsrecht besitzt, oder c) zur Erbringung von Dienstleistungen durch dieses Unternehmen handelt, dass das Unternehmen so behandelt wird, als habe es in Bezug auf alle von dieser Person für das Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten eine Betriebstätte in diesem Vertragsstaat, es sei denn, diese Tätigkeiten, würden sie vom Unternehmen durch eine in diesem Vertragsstaat gelegene feste Geschäftseinrichtung dieses Unternehmens (anders als eine feste Geschäftseinrichtung, auf die Absatz 4.1 anwendbar ist) ausgeführt, würden nicht dazu führen, dass diese feste Geschäftseinrichtung als Betriebsstätte im Sinne dieses Absatzes behandelt würde. (6) 1Absatz 5 gilt nicht, wenn die in einem Vertragsstaat für ein Unternehmen des anderen Vertragsstaats tätige Person im erstgenannten Vertragsstaat eine Geschäftstätigkeit als unabhängiger Vertreter ausübt und im Rahmen dieser ordentlichen Geschäftstätigkeit für das Unternehmen handelt. 2Ist eine Person jedoch ausschließlich oder nahezu ausschließlich für ein oder mehrere Unternehmen tätig, mit dem beziehungsweise denen sie eng verbunden ist, so gilt diese Person in Bezug auf dieses beziehungsweise diese Unternehmen nicht als unabhängiger Vertreter im Sinne dieses Absatzes. (7) Allein dadurch, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft eine Gesellschaft beherrscht oder von einer Gesellschaft beherrscht wird, die im anderen Vertragsstaat ansässig ist oder dort (entweder durch eine Betriebstätte oder auf andere Weise) ihre Geschäftstätigkeit ausübt, wird keine der beiden Gesellschaften zur Betriebstätte der anderen. (8) 1Im Sinne dieses Artikels ist eine Person mit einem Unternehmen eng verbunden, wenn sie allen maßgeblichen Tatsachen und Umständen zufolge die Peron das Unternehmen oder das Unternehmen die Person beherrscht oder beide von denselben Personen oder Unternehmen beherrscht werden. 2In jedem Fall gilt eine Person als mit einem Unternehmen eng verbunden, wenn einer von beiden mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 v.H. der Eigentumsrechte am anderen (oder bei einer Gesellschaft mehr als 50 v.H. der Gesamtstimmrechte und des Gesamtwerts der Anteile der Gesellschaft oder der Eigentumsrechte an der Gesellschaft) besitzt oder wenn eine weitere Person mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 v.H. der Eigentumsrechte an der Person und dem Unternehmen (oder bei einer Gesellschaft mehr als 50 v.H. der Gesamtstimmrechte und des Gesamtwerts der Anteile der Gesellschaft oder der Eigentumsrechte an der Gesellschaft) besitzt. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau und Änderungen der Vorschrift . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis des Art. 5 OECD-MA (2017) zu anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht und innerstaatliches Recht . . . B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Änderungen durch das MLI . . . . . . . . C. Positivkatalog (Abs. 2) . . . . . . . . . . . I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Änderungen durch das MLI . . . . . . . . D. Bau- und Montageausführungen (Abs. 3) I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Änderungen durch das MLI . . . . . . . . 1. Verbot der Aufteilung von Bau- und Montageverträgen (Art. 14 MLI) . . . . . .

350

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1

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1 3 14

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24 26 27

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32

2. Verhinderung von Abkommensmissbrauch (Art. 7 MLI) . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Negativkatalog (Abs. 4) . . . . . . . . . . I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Änderungen durch das MLI (Einschränkung des Negativkatalogs – Art. 13 Abs. 1–3, Abs. 7 MLI) . . . . . . . . . . . . F. Anti-Fragmentierungsregel (Abs. 4.1) . . I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Änderungen durch das MLI . . . . . . . . 1. Antifragmentierungsregel (Art. 13 Abs. 4, Abs. 6 Buchst. c MLI) . . . . . . . . . . . . 2. Verhinderung von Abkommensmissbrauch (Art. 7 MLI) . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Abhängiger Vertreter (Abs. 5) . . . . . . . I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Änderungen durch Art. 12 Abs. 1 MLI – Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch Kommissionärsmodelle und ähnliche Strategien . . . . . . . . . . . . . H. Unabhängiger Vertreter (Abs. 6) . . . . . I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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45 58

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60 66

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96

Rz. 2 Art. 5 (2017)

A. Grundaussagen der Vorschrift II. Änderungen durch Art. 12 Abs. 2 MLI . . . I. Beherrschung (Abs. 7) . . . . . . . . . . . I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Änderungen durch das MLI . . . . . . . . J. Eng verbundenes Unternehmen (Abs. 8) . I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Änderungen durch Art. 15 MLI – Bestimmung des Begriffs der mit einem Unternehmen eng verbundenen Person (Art. 15 MLI) . . . . . . . . . . . . . . . . K. Bedeutung des MLI in Bezug auf die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . . . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. 101 . 104 . 104 . 106 . 107 . 107

. 110

. 113 . 114

II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV. XV.

China . . . . . . Frankreich . . . Großbritannien Indien . . . . . Italien . . . . . Japan . . . . . . Kanada . . . . . Luxemburg . . . Niederlande . . Österreich . . . Russland . . . . Schweiz . . . . . Spanien . . . . USA . . . . . .

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115 120 125 130 131 136 141 142 147 152 157 162 163 168

OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: https://doi.org/10.1787/20745419.

KOMMENTIERUNG ZU ART. 5 (2017) Ausgewählte Literatur: Badetz, Die Repräsentanz nach dem BEPS-Aktionspunkt 7 der OECD, IWB 2017, 925; Bendlinger, Änderung des DBA-rechtlichen Betriebsstättenbegriffs durch das Multilaterale Abkommen der OECD, RdW 2017, 359; Bendlinger, Das OECD-Musterabkommen 2017, SWI 2017, 450; Bendlinger, Auswirkungen des OECDMusterabkommens 2017 auf den internationalen Maschinen- und Anlagenbau, SWI 2017, 560; Benz/Böhmer, Die Änderungen der deutschen DBA durch das Multilaterale Übereinkommen, DB 2017, 2308; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, Das neue OECD-Musterabkommen 2017, DB 2018, 1171; Gradl/Kiesewetter, Das Mehrseitige Übereinkommen (Multilateral Instrument) zur Umsetzung abkommensbezogener Maßnahmen aus dem OECD/G20-BEPS-Projekt und dessen voraussichtliche Auswirkungen auf die deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2018, 1; Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 3. Aufl. München 2018; OECD: MLI Matching Data base beta, Stand 29.6.2018; http:// www.oecd.org/tax/treaties/mli-matching-database.htm; Schuch, Die Anti-Fragmentierungs-Regel des BEPS-Aktionspunktes 7 und ihre mögliche Auswirkung für die Substanzbeurteilung von internationalen Holdingstrukturen, SWI 2017, 654.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Gegenstand der Kommentierung. Die Kommentierung im Folgenden befasst sich mit den Änderungen des Art. 5 im OECD-MA (2017), den Änderungen durch das MLI und den Änderungen des OECD-MK 2017, soweit diese die geänderten Regelungen betreffen. Im Übrigen gilt die Kommentierung zu Art. 5 OECD-MA (2014) uneingeschränkt fort. Die Kommentierung zu Art. 5 OECD-MA (2014) umfasst auch die Änderungen im OECD-MK 2017, soweit diese weiterhin geltende Regelungen des Art. 5 OECD-MA (2014) betreffen.

1

Allgemeines. Am 21.11.2017 hat die OECD ein neues Musterabkommen veröffentlicht. Ausgehend von den Änderungen in den BEPS-Aktionspunkten 7 und 15 (MLI) wurde Art. 5 weitgehend neu gefasst und der OECD Musterkommentar entsprechend ergänzt.1 Durch die Änderungen wird der Begriff der Betriebsstätte ausgedehnt und damit das Besteuerungsrecht des Quellenstaates erweitert. Unabhängig von diesen Änderungen bleibt der Regelungsgegenstand und -zweck von Art. 5 als Definition und objektiver Anknüpfungspunkt für das Besteuerungsrecht des Quellenstaates unberührt.

2

1 Vgl. OECD, Model Tax Convention of Income and on Capital, Condensed Version, 21.11.2017.

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351

Art. 5 (2017) Rz. 3

Betriebstätte

II. Aufbau und Änderungen der Vorschrift 3

Verhältnis der Absätze zueinander. Art. 5 normiert in seinen Abs. 1–8 verschiedene Tatbestände, denen gemeinsam ist, dass sie jeweils für sich die Annahme einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 auslösen können. Abs. 8 enthält eine Legaldefinition zur Auslegung der vorangehenden Absätze. Die einzelnen Tatbestände der Abs. 1–6 können auch kumulativ erfüllt werden, etwa wenn eine Bauausführung länger als 12 Monate dauert und durch eine feste Geschäftseinrichtung abgewickelt wird. Da die Tatbestände dieselbe Rechtsfolge anordnen, besteht keine Normenkonkurrenz.1 Insoweit gibt es zwischen den Absätzen keine logisch zwingende Prüfungsreihenfolge. Dessen ungeachtet bietet es sich aus Zweckmäßigkeitserwägungen an, zunächst den Grundtatbestand der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1, 2, 4 und 4.1) und erst dann zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für eine Bau- oder Montagebetriebsstätte (Abs. 3) oder einer Vertreterbetriebsstätte (Abs. 5, 6) erfüllt sind.2

4

Abs. 1: Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte. In Abs. 1 wird der Grundtatbestand, nämlich die Betriebsstätte in Form einer festen Geschäftseinrichtung, durch die das Unternehmen wenigstens teilweise betrieben wird, definiert. Er entspricht unverändert seiner Fassung bis zum OECD-MA 2014 (s. Art. 5 (2014) Rz. 41 ff.). Dort werden die sachlichen Anknüpfungskriterien für die Annahme einer Betriebsstätte beschrieben. Abs. 2, Abs. 4 und Abs. 4.1 konkretisieren diesen Grundtatbestand.

5

Abs. 2: Positivkatalog. Abs. 2 enthält einen Beispielskatalog von Geschäftseinrichtungsbetriebsstätten, die typischerweise eine Betriebsstätte im abkommensrechtlichen Sinne darstellen. Voraussetzung für die Annahme einer Katalogbetriebsstätte i.S.d. Abs. 2 ist daher stets das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale des Abs. 1.3 Er entspricht unverändert seiner Fassung bis zum OECD-MA 2014 (s. Art. 5 (2014) Rz. 86 ff.).

6

Abs. 3: Bauausführungen und Montagen. Abs. 3 definiert, wann der Quellenstaat bei Bau- oder Montagetätigkeiten ein Besteuerungsrecht erhält. Im Unterschied zur Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.d. Abs. 1 kommt es hierbei nur auf die Dauer der Tätigkeit im Quellenstaat an. Er entspricht unverändert seiner Fassung bis zum OECD-MA 2014 (s. Art. 5 (2014) Rz. 106 ff.). In Art. 5 Rz. 52 OECD-MK 2017 wurde eine spezielle Missbrauchsvorschrift zur Verhinderung der Aufteilung von Bau- und Montageverträgen aufgenommen. Sie entspricht Art. 14 MLI (s. Rz. 27 ff.).

7

Abs. 4: Negativkatalog. Abs. 4 ist das Spiegelbild zu Abs. 2. Er enthält einen Katalog von Negativbeispielen, in denen trotz Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 typischerweise keine Betriebsstätte im Quellenstaat anzunehmen ist. Dieser Tatbestand wurde geändert. Die Hilfs- bzw. Vorbereitungsfunktion wurde als Tatbestandselement aus den Buchst. e und f entfernt. Sie befindet sich jetzt ausschließlich im letzten Teil des Satzes. Die Regelung findet sich Art. 13 MLI wieder (s. Rz. 58 ff.).

8

Abs. 4.1: Anti-Fragmentierungsregel. Abs. 4.1 wurde 2017 neu eingefügt. Er enthält eine Art Missbrauchsklausel, nach der feste Geschäftseinrichtungen, die isoliert betrachtet nur Hilfs- bzw. Vorbereitungscharakter haben, im Zusammenhang mit Tätigkeiten anderer Geschäftseinrichtungen desselben Unternehmens oder eng verbundener Unternehmen (Abs. 8) als Betriebsstätten i.S.d. Abs. 1 qualifizieren. Erreicht wird dies durch eine konzernweite Betrachtungsweise, die Tätigkeiten verschiedener verbundener Unternehmen zusammenfasst.4 Die Regelung entspricht Art. 13 Abs. 4 MLI (s. Rz. 66 ff.).

9

Abs. 5: abhängiger Vertreter. Abs. 5 bestimmt, dass eine Betriebsstätte auch anzunehmen ist, wenn an Stelle des sachlichen Anknüpfungspunkts „feste Geschäftseinrichtung“ ein abhängiger Vertreter gewöhnlich für den Prinzipal im Quellenstaat tätig ist. Die bisher erforderliche rechtliche Bindung des Prinzipals wurde aufgegeben. Ausreichend für die Vertreterbetriebsstätte ist nunmehr die tatsächlich wesentliche Einflussnahme auf den Vertragsschluss des Prinzipals. Die Regelung entspricht Art. 12 Abs. 1 MLI (s. Rz. 79 ff.).

10

Abs. 6: unabhängiger Vertreter. Abs. 6 definiert in Abgrenzung zu Abs. 5, dass typischerweise ein Vertreterhandeln bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Abs. 5 keine Betriebsstättenfolge auslöst, wenn der Vertreter unabhängig ist und innerhalb seines ordentlichen Geschäftsbetriebs handelt. Die Vorschrift wurde geändert. Gestrichen wurden die Beispielsfälle der Makler und Kommissionäre. Ferner sollen eng verbundene Unternehmen (Abs. 8) nicht als unabhängig angesehen werden. Die Regelung entspricht Art. 12 Abs. 2 MLI (s. Rz. 96 ff.).

1 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 5. 2 Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 6. 3 So auch Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 37; Eckl, IStR 2009, 512; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 4. 4 Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1171).

352

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 16 Art. 5 (2017)

Abs. 7: Antiorganklausel. Abs. 7 stellt klar, dass eine mehrheitliche gesellschaftsrechtliche Verbundenheit mit einer Gesellschaft im anderen Staat für sich gesehen in keinem der beiden Vertragsstaaten eine Betriebsstättenfolge auslöst. Die Regelung besteht unverändert fort (s. Rz. 104 ff.).

11

Abs. 8: eng verbundenes Unternehmen. Abs. 8 enthält eine Legaldefinition des eng verbundenen Unternehmens für Art. 5. Sie entspricht Art. 15 MLI (s. Rz. 107 ff.).

12

Synopse OECD-MA (2017)/MLI mit Bezug zu Art. 5. Die Änderungen des OECD-MA mit Bezug zu Betriebsstätten finden sich auch im MLI wieder. Art. OECD-MA Art. MLI DBA-Missbrauch Bau/Montage 5 Abs. 3 MK 14 Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten 5 Abs. 4 13 Addition Art. 5 Abs. 4 5 Abs. 4.1 13 Abs. 4 Abhängiger Vertreter 5 Abs. 5 12 Abs. 1 Unabhängiger Vertreter 5 Abs. 6 12 Abs. 2 Eng verbundene Person 5 Abs. 8 15 Betriebsstätten in Drittstaaten 29 Abs. 8 10 DBA-Missbrauch (allg.) 29 Abs. 9 7 Abs. 1, Abs. 4

13

DBA-Missbrauch (allg.) Betriebsstätten in Drittstaaten Abhängiger Vertreter Unabhängiger Vertreter Addition Art. 5 Abs. 4 Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten DBA-Missbrauch Bau/Montage Eng verbundene Person

Art. MLI 7 Abs. 1, Abs. 4 10 12 Abs. 1 12 Abs. 2 13 Abs. 4 13 14 15

Art. OECD-MA 29 Abs. 9 29 Abs. 8 5 Abs. 5 5 Abs. 6 5 Abs. 4.1 5 Abs. 4 5 Abs. 3 MK 5 Abs. 8

III. Rechtsentwicklung Entwicklung des Art. 5 bis 2014. Siehe Art. 5 (2014) Rz. 21 ff.

14

BEPS-Aktionspunkt 7; Änderungsvorschläge für den Betriebsstättenbegriff. Im Oktober 2015 wurden 15 die Abschlussberichte der OECD in Sachen Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) der Öffentlichkeit vorgestellt.1 Zur Verhinderung der künstlichen Umgehung des Betriebsstättenstatus2 erschien es hiernach erforderlich, den Betriebsstättenbegriff auszudehnen und damit den Quellenstaaten früher als nach bisherigem Recht ein Besteuerungsrecht dem Grunde nach einzuräumen. Erreicht werden sollte dieses Ziel durch verschiedene Maßnahmen innerhalb des Art. 5 (sog. Aktionspunkt 7). So sollte eine allgemeine Missbrauchsregel im Abkommenstext verankert werden (Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017)), deren Zweck es ist, künstliche Gestaltungen – wie etwa die Aufsplitterung einer zusammenhängenden Tätigkeit auf einer Baubzw. Montagebetriebsstätte – zu verhindern. Ferner sollte die Schwelle von der Hilfs- und Vorbereitungstätigkeit zur Haupttätigkeit in Art. 5 Abs. 4 abgesenkt werden. Schließlich sollte der Begriff des Vertreters nach wirtschaftlichen Kriterien definiert werden. Damit soll es nicht mehr auf den zivilrechtlich wirksamen Vertragsschluss durch den Vertreter ankommen, sondern dessen wirtschaftlich bedeutsame Mitwirkung bzw. Veranlassung ausreichend sein. Hierin ist eine Abkehr von der bisher – zumindest in der deutschsprachigen Version des Abkommenstextes – rechtlich ausgerichteten Beurteilung des Vertretertatbestands zu sehen. Wirksam werden sollten diese Vorstellungen durch den völkerrechtlichen Abschluss eines sog. „multilateralen Instruments“ (Aktionspunkt 15), innerhalb dessen sich die beteiligten Vertragsstaaten durch Unterschrift verpflichten, die eben genannten Neuregelungen in dem Umfang gegenüber den Staaten anzuwenden, in dem diese sich ebenfalls zur Anwendung der Neuregelungen verpflichtet haben. Das multilaterale Instrument hat Deutschland im 7.6.2017 unterzeichnet (s. Rz. 17). Multilaterales Instrument, Betriebsstätten bezogene Regelungen. Das „Mehrseitige Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung“, kurz: „multilaterales Instrument“ (i.W.: MLI),3 enthält neben anderen einige allgemeine 1 Siehe http://www.oecd.org/ctp/beps-actions.htm. 2 Siehe http://dx.doi.org/10.1787/9789264287334-de. 3 Siehe http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/2017-06-07-Mehrsei tiges-Uebereinkommen-z-Umsetzung-steuerabkommensbezogener-Massnahmen-z-Verhinderung-d-Gewinnver

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353

16

Art. 5 (2017) Rz. 16

Betriebstätte

sowie in Abschnitt IV spezielle Regelungen zur Vermeidung der „Umgehung des Betriebsstättenstatus“. Als solche sind zu nennen: – Art. 7: Verhinderung von Abkommensmissbrauch (s. Rz. 45) – Art. 10: Vorschrift zur Missbrauchsbekämpfung für in Drittstaaten oder -gebieten gelegene Betriebsstätten (Siehe Art. 29 Rz. 33 ff.) – Art. 12: Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch Kommissionärsmodelle und ähnliche Strategien (s. Rz. 79) – Art. 13: Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch die Ausnahme bestimmter Tätigkeiten (s. Rz. 58) – Art. 14: Aufteilung von Verträgen (s. Rz. 31) – Art. 15: Bestimmung des Begriffs der mit einem Unternehmen eng verbundenen Person (s. Rz. 110) Diesen Regelungen mussten die Unterzeichnerstaaten nicht in vollem Umfang zustimmen. Vielmehr konnten und können die beteiligten Staaten (1.) nur in Bezug auf einzelne Staaten beitreten (sog. Covered Tax Agreement, i.W. „CTA“) und (2.) innerhalb desselben die einzelnen Regelungen des MLI in unterschiedlichem Umfang anerkennen bzw. Vorbehalte anmelden. Von diesen Wahlrechten hat Deutschland am 7.6.2017 mit Unterschrift für 35 seiner knapp 100 DBA Gebrauch gemacht.1 17

Multilaterales Instrument; Inkrafttreten und Umsetzung in Deutschland. Am 7.6.2017 hat Deutschland das MLI neben 75 anderen Staaten unterzeichnet.2 Mit der Ratifizierung Sloweniens am 22.3.2018 haben insgesamt 5 Staaten (i.Ü.: Österreich, Isle of Man, Jersey, Polen) das MLI völkerrechtlich verbindlich anerkannt. Damit ist es zum 1.7.2018 in Kraft getreten (Art. 34 Abs. 1 MLI). Die Ratifikation des MLI durch Deutschland steht unter dem Vorbehalt des Abschlusses des innerstaatlichen Verfahrens für das Wirksamwerden (Art. 35 Abs. 7 Buchst. a MLI). Nach deutschem Verständnis bedarf es hierzu für jedes CTA einer bilateralen Konsultationsvereinbarung, die das Ergebnis der Zustimmung beider Staaten zum MLI beschreibt. Dieses Ergebnis ist sodann für den betroffenen Staat in ein innerstaatliches Gesetz zu transformieren,3 das im Anschluss der OECD gem. Art. 29 MLI zu notifizieren ist. Parallel hierzu steht es den Staaten offen, nachträglich die als CTA anzusehenden DBA zu ändern (Art. 30 MLI). Von dieser Möglichkeit macht Deutschland nach dem Rechtsstand vom November 2018 in Bezug auf 23 Staaten Gebrauch. Im Ergebnis führt dieses Verfahren zu regelungsgleichen Anpassungen der deutschen DBA4 im Sinne der Revisionsprotokolle, die das MLI umsetzen. Dieser Prozess dauerte zum Redaktionsschluss Ende 2018 noch an.

18

OECD-MA 2017. Mit dem Update vom 21.11.2017 nimmt die OECD die umfassendsten Anpassungen des Musterabkommens der letzten Jahrzehnte vor. Die Neuregelungen zu Art. 5 OECD-MA (2017) widersprechen in wesentlichem Umfang der deutschen DBA-Verhandlungsgrundlage vom 18.4.2013 und den von Deutschland geäußerten Vorbehalten im Rahmen des MLI.5

IV. Verhältnis des Art. 5 OECD-MA (2017) zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht 19

Keine Änderung zum OECD-MA (2014). Im Hinblick auf das Verhältnis des Art. 5 (2017) zu den anderen abkommensrechtlichen Vorschriften ergeben sich gegenüber dem Art. 5 (2014) keine Besonderheiten. Der Betriebsstättenartikel behält nach wie vor seine Funktion als Begriffsdefinition innerhalb des OECD-MA. Die Änderungen innerhalb der Vorschrift und die damit verbundene Ausdehnung des Geltungsbereichs bedingen allerdings eine zunehmende Bedeutung der Gewinnaufteilung. Denn durch Absenkung der Schwelle zur Betriebsstätte wird ein Besteuerungsrecht des Quellenstaats früher als bisher begründet. 2. EU-Recht und innerstaatliches Recht

20

Verhältnis zum EU-Recht bzw. innerstaatlichen Recht. Siehe Art. 5 (2014) Rz. 31–40.

1 2 3 4 5

kuerzung-u-Gewinnverlagerung.pdf;jsessionid=E2C0DCD882ACCA21BF5202E2B8A4F5FF?__blob=publication File&v=2. Kroniger/Linn, DB 2017, 2509 (2509). Siehe http://www.oecd.org/tax/ground-breaking-multilateral-beps-convention-will-close-tax-treaty-loopholes.htm. Ebenso: Kroniger/Linn, DB 2017, 2509 (2509). In Form des Transformationsgesetzes. Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1171).

354

Hruschka

D. Bau- und Montageausführungen (Abs. 3)

Rz. 29 Art. 5 (2017)

B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1) I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) Keine Änderungen im Wortlaut. Der Grundtatbestand des Art. 5 Abs. 1 (2014) besteht in Art. 5 Abs. 1 (2017) unverändert fort.

21

Fortgeltung der Kommentierung zu Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (2014). Abs. 1 enthält auch i.d.F. des OECD-MA (2017) die abkommensrechtliche Definition des Grundtatbestands der „Betriebsstätte“ i.S.d. Art. 5 in Form einer festen Geschäftseinrichtung, durch die ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise ausübt. Mangels Änderung findet die Kommentierung zu Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (2014) vollumfänglich Anwendung auf die Neufassung. Siehe Art. 5 (2014) Rz. 41–85.

22

II. Änderungen durch das MLI Keine Änderung des Abs. 1 durch das MLI. Das MLI lässt den Grundtatbestand des Art. 5 Abs. 1 OECD- 23 MA (2014) unangetastet. Dementsprechend findet die Kommentierung zu Art. 5 Abs. 1 (2014) vollumfänglich Anwendung. Siehe Art. 5 (2014) Rz. 41–85.

C. Positivkatalog (Abs. 2) I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) Keine Änderungen im Wortlaut. Der Positivkatalog des Art. 5 Abs. 2 (2014) besteht in Art. 5 Abs. 1 (2017) unverändert fort.

24

Fortgeltung der Kommentierung zu Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (2014). Abs. 2 enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielsfällen, die typischerweise eine Betriebsstätte begründen. Dies ergibt sich aus dem Wort „insbesondere“. Ihr Zweck ist es, den Regelungsinhalt des Art. 5 Abs. 1 mit Hilfe typischer Beispiele zu verdeutlichen.1 Die Beispielsfälle des Abs. 2 konkretisieren den Grundtatbestand des Art. 5 Abs. 1 (vgl. Art. 5 Rz. 45 OECD-MK 2017). Daher müssen für ihre Behandlung als Betriebsstätte stets die Voraussetzungen einer Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte erfüllt sein.2 Mangels Änderung des Wortlauts findet die Kommentierung zu Art. 5 Abs. 2 (2014) vollumfänglich Anwendung auf die Neufassung (s. Art. 5 (2014) Rz. 86–105).

25

II. Änderungen durch das MLI Keine Änderung des Abs. 2 durch das MLI. Das MLI lässt den Tatbestand des Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (2014) unangetastet. Dementsprechend findet die Kommentierung zu Art. 5 Abs. 2 (2014) vollumfänglich Anwendung (s. Art. 5 (2014) Rz. 86–105).

26

D. Bau- und Montageausführungen (Abs. 3) I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) Keine Änderungen im Wortlaut. Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 (2014) besteht in Art. 5 Abs. 3 (2017) unverändert fort.

27

Spezielle Anti-Missbrauchsregel für Bau- und Montagebetriebsstätten. Art. 5 Rz. 52 OECD-MK 2017 enthält einen Vorschlag für eine spezielle Anti-Missbrauchsregel zur Fristberechnung bei Bau- und Montagebetriebsstätten. Dieser Vorschlag entspricht Art. 14 MLI (s. Rz. 32).

28

Allgemeine Anti-Missbrauchsregel mit Bedeutung für Art. 5 Abs. 3. In Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) wurde eine allgemeine Anti-Missbrauchsklausel geschaffen, die Abkommensvergünstigungen für den Fall

29

1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 61. 2 Ebenso Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 37; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – BetriebsstättenVWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.2.1.1; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 31.

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Art. 5 (2017) Rz. 29

Betriebstätte

versagt, dass ein anderer Zweck als die Erreichung der Abkommensvergünstigung nicht nachgewiesen wird (siehe Art. 29 Rz. 40 ff.). Die Regelung entspricht BEPS-Aktionspunkt 6 und Art. 7 Abs. 1 MLI (s. Rz. 45–47). Diese Regelung hat besondere Bedeutung für die Berechnung der 12-Monatsfrist. 30

Grundsätzliche Fortgeltung der Kommentierung zu Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (2014). Art. 5 Abs. 3 (2017) bestimmt nach wie vor, dass eine Bauausführung oder Montage nur dann eine Betriebsstätte ist, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet (vgl. Art. 5 Rz. 49 OECD-MK 2017). Vorbehaltlich der allgemeinen Missbrauchsklausel (Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) bzw. Art. 7 Abs. 1 MLI), die unter bestimmten Voraussetzungen eine wirtschaftliche Zusammenfassung rechtlich getrennter Verträge zulässt, findet die Kommentierung zu Art. 5 Abs. 3 (2014) grundsätzlich Anwendung auf die Neufassung (s. Art. 5 (2014) Rz. 106–126).

II. Änderungen durch das MLI 31

Änderung des Abs. 3 durch das MLI. Das MLI lässt den Grundtatbestand des Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (2014) unangetastet. Einfluss auf die Interpretation der Vorschrift hat aber zum einen das spezielle Verbot der Aufteilung von Verträgen gem. Art. 14 Abs. 1 MLI (siehe Rz. 32 ff.) und zum anderen die allgemeine Anti-Missbrauchsregel des Art. 7 Abs. 1 MLI (siehe Rz. 45 ff.). 1. Verbot der Aufteilung von Bau- und Montageverträgen (Art. 14 MLI)

32

Auszugsweiser Wortlaut des Art. 14 MLI.1 „(1) Ausschließlich zu dem Zweck, festzustellen, ob der Zeitraum (oder die Zeiträume) überschritten wurde (beziehungsweise wurden), der (beziehungsweise die) in einer Bestimmung eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens genannt wird (beziehungsweise werden), in der ein Zeitraum (oder Zeiträume) festgelegt ist (beziehungsweise sind), nach dessen (beziehungsweise deren) Überschreitung bestimmte Projekte oder Tätigkeiten eine Betriebsstätte darstellen, a) wenn ein Unternehmen eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat Tätigkeiten an einem Ort ausübt, der eine Baustelle, eine Bauausführung, eine Montage oder ein sonstiges in der einschlägigen Bestimmung des unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens bezeichnetes bestimmtes Projekt darstellt, oder im Zusammenhang mit einem derartigen Ort Aufsichts- oder Beratungstätigkeiten ausübt, falls in einer Bestimmung eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens derartige Tätigkeiten genannt werden, und wenn diese Tätigkeiten während eines oder mehrerer Zeiträume ausgeübt werden, die insgesamt 30 Tage überschreiten, ohne den in der einschlägigen Bestimmung des unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens genannten Zeitraum beziehungsweise die dort genannten Zeiträume zu überschreiten, und b) wenn miteinander zusammenhängende Tätigkeiten im anderen Vertragsstaat am Ort (oder, wenn die einschlägige Bestimmung des unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens für Aufsichts- oder Beratungstätigkeiten gilt, im Zusammenhang mit) derselben Baustelle oder derselben Bauausführung oder Montage oder an einem sonstigen in der einschlägigen Bestimmung des unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens bezeichneten Ort während verschiedener Zeiträume, die jeweils 30 Tage überschreiten, durch ein oder mehrere eng mit dem erstgenannten Unternehmen verbundene Unternehmen ausgeübt werden, werden diese verschiedenen Zeiträume dem Gesamtzeitraum hinzugerechnet, während dessen das erstgenannte Unternehmen am Ort dieser Baustelle, dieser Bauausführung oder Montage oder an diesem sonstigen in der einschlägigen Bestimmung des unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens bezeichneten Ort Tätigkeiten ausgeübt hat. (2) Absatz 1 gilt anstelle oder in Ermangelung von Bestimmungen eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens, soweit in diesen Bestimmungen die Aufteilung von Verträgen in mehrere Teile zur Vermeidung der Überschreitung eines Zeitraums oder von Zeiträumen in Bezug auf das Bestehen einer Betriebsstätte für bestimmte in Absatz 1 beschriebene Projekte oder Tätigkeiten geregelt wird. (3) Eine Vertragspartei dieses Übereinkommens kann sich vorbehalten, a) dass dieser gesamte Artikel nicht für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt; b) dass dieser gesamte Artikel nicht für Bestimmungen ihrer unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt, die sich auf das Aufsuchen oder die Ausbeutung von natürlichen Ressourcen beziehen. 1 Die fett gedruckten Passagen bringen den Inhalt der Vorschrift zum Ausdruck, den Deutschland am 7.6.2017 gewählt hat.

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D. Bau- und Montageausführungen (Abs. 3)

Rz. 36 Art. 5 (2017)

(4) Jede Vertragspartei dieses Übereinkommens, die keinen Vorbehalt nach Absatz 3 Buchstabe a angebracht hat, notifiziert dem Verwahrer, ob ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen jeweils eine in Absatz 2 beschriebene Bestimmung enthalten, die nicht einem Vorbehalt nach Absatz 3 Buchstabe b unterliegt, und, sofern dies der Fall ist, jeweils die Nummer des Artikels und des Absatzes dieser Bestimmung. Haben alle Vertragsstaaten eine entsprechende Notifikation in Bezug auf eine Bestimmung eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens abgegeben, so wird diese durch Absatz 1 ersetzt, soweit in Absatz 2 vorgesehen. Anderenfalls geht Absatz 1 den Bestimmungen des unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens nur insoweit vor, als diese mit Absatz 1 unvereinbar sind.“ Entsprechung der Vorschrift im BEPS-Aktionsplan und OECD-MA (2017). Art. 14 Abs. 1 MLI setzt den BEPS-Aktionspunkt 7 um.1 In Art. 5 OECD-MA (2017) hat die Regelung keine Entsprechung. In Art. 5 Rz. 52 OECD-MK 2017 ist jedoch ein Art. 14 Abs. 1 MLI entsprechender Vorschlag für den Fall enthalten, dass ein Staat eine ausdrückliche Regelung in seinen DBA wünscht. Deutschland lehnt diese Möglichkeit ab (s. Rz. 44).

33

Inhalt und Zweck der Norm. Art. 14 Abs. 1 MLI stellt einen Sondertatbestand zum Principal-Purpose-Test (i.W. PPT) (s. Rz. 45 ff.) im Bereich der Bau- und Montagebetriebsstätten dar. Er dient ausschließlich zur Berechnung der Frist i.S.d. Art. 5 Abs. 3 OECD-MA. Die Vorschrift missbilligt die künstliche Aufteilung einer einheitlichen Tätigkeit durch rechtliche Aufteilung der Tätigkeit auf verschiedene Verträge desselben oder verschiedener Steuerpflichtiger. Denn aufgrund der DBA-rechtlich gebotenen steuersubjektbezogenen Betrachtungsweise ist es möglich, ein einheitliches Bau- oder Montageprojekt innerhalb einer Unternehmensgruppe auf verschiedene Verträge, ggf. auch verschiedene Gesellschaften zu verteilen, statt nur einen einzelnen Vertrag mit dem Kunden abzuschließen.2 So kann vermieden werden, dass das einzelne Unternehmen die Schonfrist des Art. 5 Abs. 3 OECD-MA bzw. Art. 5 Abs. 3 UN-MA überschreitet.3 Entscheidend soll aber die tatsächliche Dauer des einheitlichen Projekts sein. Zu diesem Zweck addiert Art. 14 Abs. 1 MLI die Zeiten, während deren ein Unternehmen im anderen Staat (a) qualifizierende Tätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 3 (b) an einem Ort (c) bei einem Projekt (d) an mindestens 30 Tagen (e) verrichtet, mit den Zeiten, die jeweils ein oder mehrere eng verbundene Unternehmen (f) im anderen Staat (a) durch qualifizierende Tätigkeiten (b) an diesem Ort (c) bei demselben Projekt (d) an mindestens 30 Tagen (e) verrichten. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, werden die Zeiten sämtlicher eng verbundener Unternehmen, die bei dem Projekt tätig sind, addiert. Überschreitet die Summe dieser Fristen die Dauer von 12 Monaten (bzw. ggf. der abweichenden Dauer), begründet die Tätigkeit aller eine gemeinsame Betriebsstätte, für die der Quellenstaat das Besteuerungsrecht hat. Die Höhe der besteuerbaren Gewinne ist gleichwohl subjektbezogen für jedes tätig werdende Unternehmen gesondert unter Anwendung von Art. 7 zu ermitteln (s. zur Rechtsfolge Rz. 41).

34

Grenzüberschreitende Tätigkeit im anderen Staat. Sämtliche Unternehmen, deren Tätigkeitszeiten addiert werden sollen, müssen im anderen Staat tätig werden. Tätigkeitszeiten von im Bau- bzw. Montagestaat ansässigen Unternehmen dürfen nicht berücksichtigt werden. Nicht erforderlich ist, dass sämtliche Unternehmen in demselben Staat ansässig sind. So sind auch Zeiten zu addieren, wenn die Unternehmen in verschiedenen Staaten ansässig sind, solange sie grenzüberschreitend in dem Staat tätig werden, in welchem die Bau- bzw. Montageausführung stattfindet. Weitere Voraussetzung für die Einbeziehung der Tätigkeitszeiten eines Unternehmens ist, dass der Unternehmensstaat und der Staat, in welchem sich das Projekt befindet, der Anwendung von Art. 14 MLI zugestimmt haben. Beispiel: Die Unternehmen A, B, C und D (ansässig in den Staaten A, B, C und D) werden auf einem Montageprojekt im Staat D wie folgt tätig: A: 6 Monate, B: 5 Monate; C: 4 Monate und D: 13 Monate. Die Staaten A, B und D haben Art. 14 Abs. 1 MLI zugestimmt, C hat nicht zugestimmt. In diesem Fall können nur die Zeiten von A und B addiert werden. Die Zeiten von C können nicht berücksichtigt werden, da in Bezug auf den Staat C Art. 14 MLI nicht greift. Die Zeiten von D können nicht berücksichtigt werden, da D nicht im anderen, sondern im eigenen Staat tätig wird. Für das Ergebnis spricht, dass D ohnehin im Staat D unbeschränkt steuerpflichtig ist und seine Gewinne daher dort vollumfänglich besteuerbar sind.

35

Qualifizierende Tätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 3. Für Art. 14 Abs. 1 MLI müssen sämtliche Unternehmen, deren Tätigkeitszeiten zusammengerechnet werden sollen, Tätigkeiten i.S.v. Art. 5 Abs. 3 OECD-MA verrichten. Entscheidend ist insoweit die Definition der Bau- und Montagetätigkeit des jeweils einschlägigen DBA (s. Art. 5 (2014) Rz. 110–114). Ausdrücklich erwähnt das MLI die mit Bau- bzw. Montagetätigkeit zu-

36

1 BEPS-Final Report – Action 7, Rz. 17. 2 Bendlinger, RdW 2017, 359 (365). 3 Bendlinger, RdW 2017, 359 (364).

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Art. 5 (2017) Rz. 36

Betriebstätte

sammenhängende Aufsichts- oder Beratungstätigkeit. Voraussetzung ist aber, dass diese Tätigkeit unter dem jeweiligen DBA als qualifizierende i.S.d. Art. 5 Abs. 3 angesehen wird. 37

Ortsbezug. Art. 14 Abs. 1 MLI verlangt einen Ortsbezug, d.h. einen geografischen Zusammenhang (s. Art. 5 (2014) Rz. 119) sämtlicher Tätigkeiten. Unbeachtlich ist, ob diese Tätigkeiten von demselben oder verschiedenen Unternehmen verrichtet werden.

38

Projektbezug (wirtschaftlicher Zusammenhang). Art. 14 Abs. 1 MLI fordert einen Zusammenhang sämtlicher Tätigkeit mit demselben Bau- bzw. Montageprojekt. Entscheidend ist hierfür die funktionale Zuordnung der Einzelaktivitäten zu der wirtschaftlich einheitlichen Bau- bzw. Montageausführung (s. Art. 5 (2014) Rz. 116). Nach dem Verständnis des OECD-MK (Art. 5 Rz. 53 OECD-MK 2017) liegen typische Anhaltspunkte für einen wirtschaftlichen Zusammenhang vor, wenn die Verträge über die unterschiedlichen Tätigkeiten von derselben oder nahestehenden Personen unterzeichnet wurden, wenn der Abschluss des Folgeauftrags die logische Konsequenz des vorangegangenen Vertrags ist, der von derselben oder einer nahestehenden Person abgeschlossen worden ist, die Verträge ohne steuerliche Gestaltungsüberlegung in einem Werk zusammengefasst worden wären, die vereinbarten Leistungen der unterschiedlichen Verträge identisch oder ähnlich sind und wenn dieselben Mitarbeiter die getrennt vereinbarten Leistungen erbringen.

39

Mindestfrist von 30 Tagen. Art. 14 Abs. 1 Buchst. a MLI verlangt zunächst, dass das Unternehmen seine qualifizierende Tätigkeit (s. Rz. 36) über eine Gesamtdauer von mehr als 30 Tagen betreibt. Eine zeitlich zusammenhängende Tätigkeit über die Dauer der Mindestfrist der 30 Tage ist ebenso wenig notwendig wie die Verrichtung der Tätigkeit in einem bestimmten Zeitraum. So können auch einzelne Tage in verschiedenen Veranlagungszeiträumen in den Anwendungsbereich fallen, wenn diese nur eine qualifizierende Tätigkeit darstellen. Nicht erforderlich ist, dass diese Tätigkeiten für sich gesehen bereits die Fristvoraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 3 OECD-MA erfüllen.

40

Eng verbundene Unternehmen. Gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. b MLI können ausschließlich die Tätigkeitszeiten eng verbundener Unternehmen (s. Rz. 110; Art. 15 MLI) hinzugerechnet werden.

41

Rechtsfolge: Getrennte Zurechnung der Gewinne. Art. 14 Abs. 1 MLI dient ausschließlich der Ermittlung der qualifizierenden Anwesenheit des Steuerpflichtigen im Quellenstaat. Die Hinzurechnung der Anwesenheitszeiten verbundener Unternehmen berechtigt nicht zur Besteuerung der Gewinne der verbundenen Unternehmen beim Steuerpflichtigen. Sie führt auch nicht zu einer gesamthänderischen Verantwortung der Beteiligten. Hierzu bedarf es einer zusätzlichen zivilrechtlichen Vereinbarung wie z.B. eines Gesellschaftsvertrags (s. Art. 5 (2014) Rz. 181). Jedoch sind die Zeiten aller in das Projekt eingebundenen und im Quellenstaat tätigen, eng verbundenen Unternehmen gem. Art. 14 Abs. 1 MLI wechselseitig zuzurechnen. Sofern die Summe dieser Zeiten betriebsstättenbegründend wirkt, ist jeder Steuerpflichtige mit seinem Projektgewinn im Quellenstaat besteuerbar. Insoweit erfolgt auch keine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte (vgl. Art. 5 (2014) Rz. 181).

42

Abgrenzung zu Art. 7 MLI (PPT). Art. 14 Abs. 1 MLI ordnet die Addition von qualifizierenden Bau- und Montagetätigkeiten eng verbundener Unternehmen an. Auf eine missbräuchliche Ausnutzung von Gestaltungsmöglichkeiten kommt es nicht. an. Insoweit ist der PPT enger, denn dem Steuerpflichtigen verbleibt die Möglichkeit, den Gegenbeweis zur Missbräuchlichkeit anzutreten. Diese Möglichkeit steht dem Steuerpflichtigen bei Art. 14 Abs. 1 MLI nicht zu.

43

Abgrenzung zu § 42 AO. Im nationalen Recht gibt es keinen mit Art. 14 Abs. 1 MLI vergleichbaren Tatbestand. Charakterisierend ist für Art. 14 Abs. 1 MLI einerseits, dass er nur für die Fristberechnung gilt, und zum anderen, dass die Rechtsfolge ohne Exkulpationsmöglichkeit eintritt. Hingegen erlaubt § 42 AO unter engen Voraussetzungen, die Existenz und den Vertragsschluss eines eigenständigen Steuerpflichtigen zu ignorieren und die Handlungen dem tatsächlichen Leistungserbringer zuzurechnen. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird (§ 42 Abs. 2 Satz 1 AO). Diese verlangt eine Zwischenschaltung des „vermeintlichen“ Leistungserbringers – hier: des eng verbundenen Unternehmens. Typischerweise ist dies aber nur missbräuchlich, wenn der vertraglich Verpflichtete überhaupt nicht in der Lage ist, die vereinbarte Leistung zu erbringen.1 Im Ergebnis führt § 42 AO damit durch Ausblendung des „zwischengeschalteten Unternehmens“ zu einer vollumfänglichen Zurechnung der Tätigkeit und des Gewinns zum dahinterstehenden, tatsächlichen Leistungserbringer. Hingegen akzeptiert Art. 14 Abs. 1 MLI die Leistungserbringung durch die verschiedenen Steuerpflichtigen (s. Rz. 40).

1 Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 98 f.

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D. Bau- und Montageausführungen (Abs. 3)

Rz. 48 Art. 5 (2017)

Bedeutung des Art. 14 MLI für Deutschland. Deutschland hat von seinem Vorbehaltsrecht gem. Art. 14 Abs. 3 Buchst. a MLI Gebrauch gemacht.1 Die spezielle Missbrauchsvorschrift für Bau- und Montagebetriebsstätten kommt damit im Rahmen des deutschen Abkommensrechts nicht zur Anwendung. Nach deutschem Verständnis genügt der PPT, um missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern. (s. Rz. 45 ff.).

44

2. Verhinderung von Abkommensmissbrauch (Art. 7 MLI) Auszugsweiser Wortlaut des Art. 7 MLI.2 „Verhinderung von Abkommensmissbrauch“ (1) Ungeachtet eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens wird eine Vergünstigung nach dem unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen nicht für bestimmte Einkünfte oder Vermögenswerte gewährt, wenn unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Tatsachen und Umstände die Feststellung gerechtfertigt ist, dass der Erhalt dieser Vergünstigung einer der Hauptzwecke einer Gestaltung oder Transaktion war, die unmittelbar oder mittelbar zu dieser Vergünstigung geführt hat, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass die Gewährung dieser Vergünstigung unter diesen Umständen mit dem Ziel und Zweck der einschlägigen Bestimmungen des unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens im Einklang steht. (…) (15) Eine Vertragspartei dieses Übereinkommens kann sich vorbehalten, a) dass Absatz 1 nicht für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt, sofern sie beabsichtigt, eine ausführliche Bestimmung zur Beschränkung von Vergünstigungen entweder in Verbindung mit Vorschriften zur Bekämpfung von Durchlauffinanzierungsstrukturen oder mit einem Hauptzweck-Kriterium anzuwenden und dadurch den Mindeststandard zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch nach dem BEPS-Paket der OECD/G20 zu erfüllen; in solchen Fällen werden sich die Vertragsstaaten bemühen, eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung herbeizuführen, die den Mindeststandard erfüllt; b) dass Absatz 1 (und Absatz 4) bei einer Vertragspartei dieses Übereinkommens, die sich für dessen Anwendung entschieden hat) nicht für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt, die bereits Bestimmungen enthalten, nach denen alle Vergünstigungen, die anderenfalls nach dem unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gewährt würden, versagt werden, wenn der Hauptzweck oder einer der Hauptzwecke einer Gestaltung oder Transaktion oder einer an einer Gestaltung oder Transaktion beteiligten Person der Erhalt dieser Vergünstigungen war; c) dass die vereinfachte Bestimmung zur Beschränkung von Vergünstigungen nicht für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt, die bereits die in Absatz 14 beschriebenen Bestimmungen enthalten. (…)“

45

Entsprechung im BEPS-Aktionsplan und OECD-MA (2017): Die Regelung findet sich in BEPS-Aktionspunkt 63 und wortgleich in Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) (s. Art. 29 Rz. 40 ff.).4

46

Inhalt und Zweck der Norm. Im MLI ist die Regelung zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch, der sog. PPT, als „Mindeststandard“ (Art. 7 Abs. 15 MLI) ausgewiesen. Er verfolgt den Zweck, Gestaltungen und Transaktionen – wie insbesondere die Aufteilung einheitlicher Tätigkeiten auf verschiedene Rechtsgeschäfte (s. Rz. 51) bzw. verschiedene Rechtsträger (s. Rz. 52) – durch einen „Substance Over Form“-Ansatz zu vermeiden. Besondere Bedeutung hat diese Regelung für Art. 5 Abs. 3 OECD-MA, da die Dauer der geschuldeten Tätigkeit in erheblichem Umfang von der vertraglich vereinbarten Leistung abhängt und deshalb für Gestaltungen anfällig ist.

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Gestaltung oder Transaktion. Art. 7 MLI fordert eine Gestaltung oder Transaktion, der der Missbrauch innewohnen muss. Die Begriffe sind weit zu verstehen und umfassen sämtliche Vorgänge unabhängig von ihrer (zivil-)rechtlichen Relevanz (Art. 29 Rz. 177 OECD-MK 2017). Daher können auch rein tatsächliche Vorgänge, wie etwa das Abhalten von Geschäftsführer-/Vorstandssitzungen in einem anderen als dem zivilrechtlichen Sitzstaat eine Gestaltung i.S.d. PPT sein (Art. 29 Rz. 177 OECD-MK 2017).

48

1 Siehe http://www.oecd.org/tax/treaties/mli-matching-database.htm. 2 Die fett gedruckten Passagen bringen den Inhalt der Vorschrift zum Ausdruck, den Deutschland am 7.6.2017 gewählt hat. 3 BEPS-Final Report – Action 6 „Preventing the Granting of Treaty Benefits in Inappropriate Circumstances“. 4 Ebenso: Bendlinger, SWI 2017, 560 (561).

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Art. 5 (2017) Rz. 49

Betriebstätte

49

Missbrauch: (Un-)mittelbare Abkommensvergünstigung als Hauptzweck. Der PPT greift, wenn unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Tatsachen und Umstände die Feststellung gerechtfertigt ist, dass der Erhalt dieser Vergünstigung einer der Hauptzwecke einer Gestaltung oder Transaktion war und dem Steuerpflichtigen der Gegenbeweis nicht gelingt. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab (Art. 29 Rz. 178 OECD-MK 2017). Dem Wortlaut nach muss die Abkommensvergünstigung nicht alleiniger Zweck der Gestaltung gewesen sein. Es genügt, wenn sie ein wesentliches Ziel neben anderen war (Art. 29 Rz. 180 OECD-MK 2017). Entscheidend ist also nicht allein das Fehlen anderer (außersteuerlichen) Zwecke, sondern die Bedeutung der Abkommensvergünstigung für den Steuerpflichtigen, m.a.W. der Hauptzweck ist vom schlichten Nebeneffekt zu unterscheiden. Ein Hauptzweck liegt vor, wenn die Erreichung eine wesentliche Motivation des Steuerpflichtigen zu dieser Gestaltung war. Hiervon kann m.E. ausgegangen werden, wenn der Steuerpflichtige die Erreichung der Abkommensvergünstigung von vornherein mit Wissen und Wollen anstrebte. Ggf. kann selbst dann von einem Hauptzweck ausgegangen werden, wenn der Steuerpflichtige den Abkommensvorteil sah und lediglich billigend in Kauf nahm. Bei dem Zweck handelt es sich um eine innere Tatsache, die durch äußere Anhaltspunkte nachgewiesen werden muss. In der Praxis wird die Motivation zur Steuergestaltung insbesondere dann erkennbar, wenn neben dem Abkommensvorteil kein anderer wesentlicher Grund (= Hauptzweck) für die Gestaltung oder Transaktion erkennbar ist. Handelt es sich bei dem Vorteil indes um einen schlichten Nebeneffekt, der als solcher zwingende Folge anderer nicht abkommensrechtlicher Gründe war, ist der gewählte Weg abkommensrechtlich anzuerkennen. Hierzu wird es in der Praxis einer Darlegung bedürfen, warum dieser ohne Rücksicht auf das Abkommen der Beste war. Im Unterschied zu § 42 AO (s. Rz. 56) kommt es hierfür nicht auf irgendeinen nachvollziehbaren, außersteuerlichen Grund an, sondern auf eine Abwägung sämtlicher Gründe, die für und gegen die Gestaltung sprechen.

50

Nachweis der Abkommenskonformität der Gestaltung oder Transaktion (Escape). Trotz Anhaltspunkten für Missbräuchlichkeit ist die Gestaltung anzuerkennen, wenn der Vorteil unter den gegebenen Umständen mit dem abkommensrechtlichen Ziel und Zweck im Einklang steht. Faktisch verlangt diese Escapemöglichkeit den Nachweis, dass der Vorteil nicht Folge einer Gestaltung, sondern Ergebnis des vom Abkommen vorgegebenen Weges darstellt. Die bloße Behauptung, der Abkommensvorteil sei nicht beabsichtigt worden, reicht für sich gesehen noch nicht (Art. 29 Rz. 179 OECD-MK 2017). Vielmehr sind sämtliche Aspekte dafür und dagegen gegeneinander abzuwägen (Art. 29 Rz. 179 OECD-MK 2017). Der Nachweis wird in der Praxis vom Steuerpflichtigen nur schwer zu führen sein, wenn der Anwendestaat nach eingehender rechtlicher Würdigung die Gestaltung bereits als missbräuchlich qualifiziert hat. Vielmehr ist zu erwarten, dass diese Frage nur in einem Verständigungsverfahren geklärt werden kann. Im Übrigen bleibt nur die Möglichkeit, nachzuweisen, dass der Vorteil notwendiger Nebeneffekt einer Gestaltung ist, die aus nicht abkommensrechtlichen Gründen gewählt worden ist (s. Rz. 49).

51

Einzelfälle: rechtliche Aufteilung wirtschaftlich einheitlicher Tätigkeiten desselben Steuerpflichtigen. Werden wirtschaftlich einheitliche Leistungen einer Person in mehrere Vertragswerke aufgespalten, um so z.B. die Frist des Art. 5 Abs. 3 zu unterlaufen, bedarf es sachlicher Gründe, warum die örtlich und zeitlich zusammenhängenden Tätigkeiten (s. Art. 5 (2014) Rz. 115) des Steuerpflichtigen wirtschaftlich getrennt zu sehen sind. Hiervon ist m.E. auszugehen, wenn die getrennten Gewerke in keinem inneren Zusammenhang stehen, der diese verbindet. Hiervon ist m.E. auszugehen, wenn die getrennten Gewerke ebenso von unabhängigen Dritten isoliert erbracht werden können. Beispielsweise ist dies der Fall, wenn der Steuerpflichtige auf demselben Areal in zeitlichem Zusammenhang für einen Auftraggeber ein Gebäude errichtet und im Anschluss daran für einen anderen Auftraggeber eine Großmaschine montiert. Eine Addition der Tätigkeitszeiten hat in diesem Fall zu unterbleiben, da die Montagetätigkeit ein aliud im Vergleich zur Bauausführung darstellt, der der innere, wirtschaftliche Zusammenhang fehlt (s. Art. 5 (2014) Rz. 115). Im Ergebnis schafft Art. 7 Abs. 1 MLI die Rechtsgrundlage im DBA für die schon bisher nur im OECD-MK (vgl. Art. 5 Rz. 51 f. OECD-MK 2017) geübte Sichtweise.

52

Einzelfälle: tatsächliche Aufteilung von wirtschaftlich zusammenhängenden Tätigkeiten auf verschiedene Steuerpflichtige. Nach Ansicht der OECD kann auch die tatsächliche Aufteilung eines einheitlichen Vertragswerks auf verschiedene eng verbundene Unternehmen und der daran anknüpfenden, getrennten Tätigkeitsdauern im Quellenstaat missbräuchlich sein, wenn kein anderer Zweck der Aufteilung als das Unterlaufen der 12-Monatsfrist zu erkennen ist. Davon ist etwa auszugehen, wenn der Bau und die Montage eines Kraftwerks als Gesamtprojekt von 22 Monaten in 2 Einzelverträge aufgeteilt wird, deren jeweilige Dauer die Frist von 12 Monaten unterschreitet1 (vgl. Art. 29 Rz. 182 OECD-MK 2017 – Example J). Unerheblich ist, ob die an dem Projekt beteiligten, eng verbundenen Unternehmen in ein und demselben Staat oder in verschiedenen Staaten ansässig sind. Auch ein im Tätigkeitsstaat ansässiges Unternehmen kann für das andere 1 Vgl. Bendlinger, SWI 2017, 561 f.

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D. Bau- und Montageausführungen (Abs. 3)

Rz. 57 Art. 5 (2017)

Unternehmen den Bestand einer Betriebsstätte bewirken (Art. 29 Rz. 182 OECD-MK 2017 – Example J). Offen ist, ob die Tätigkeitszeiten zur Fristberechnung auch dann zusammengerechnet werden dürfen, wenn die verschiedenen Unternehmen zeitgleich auf der Baustelle tätig sind. Zu denken ist etwa an den Fall, dass das Unternehmen A das Grundstück über eine Frist von 6 Monaten vorbereitet (Aushub der Baugrube, Fundamente u.Ä.) und zeitglich das eng verbundene Unternehmen B unmittelbar neben dem Bauplatz Fertigteile zusammenfügt und diese sodann nach Fertigstellung des Bauplatzes bis zum Ende des Monats 9 auf dem Grundstück zusammenführt. Bei additiver Betrachtung der Tätigkeitzeiten sind A und B insgesamt 15 Monate im Quellenstaat. M.E. ist diese Sichtweise abzulehnen. Denn im konkreten Fall war die Aufteilung nicht missbräuchlich. Denn hätte A sämtliche Tätigkeiten als einheitliches Unternehmen erbracht, wäre die 12-Monatsfrist nicht überschritten worden. Hierfür spricht auch, dass Tätigkeiten von Subunternehmern dem Generalunternehmer zugerechnet werden, und zwar selbst bei Totaldelegation (Art. 5 Rz. 54 OECDMK 2017). Indes vermag der PPT für Zwecke des Art. 5 nicht, die Gewinne der missbräuchlich getrennten Tätigkeiten subjektübergreifend einem Steuerpflichtigen zuzuordnen. Denn der PPT stellt auf die Einkünfte der Person ab. Diese sind aber jeder abkommensberechtigten Person getrennt zuzurechnen. Dies folgt aus Art. 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d. Einzelfälle: tatsächliche Aufteilung geografisch einheitlicher Geschäftseinrichtungen desselben Steuerpflichtigen. Sofern der PPT nicht von Art. 13 Abs. 4 MLI verdrängt wird (s. Rz. 54; Abgrenzung zu Art. 13 Abs. 4 MLI) ist er theoretisch auch bei missbräuchlicher Umgehung des geografischen Zusammenhangs (s. Art. 5 (2014) Rz. 54) anwendbar. Zweifelhaft erscheint allerdings in diesen Fällen die Missbräuchlichkeit. Denn im Unterschied zur rechtlichen (s. Rz. 51) oder tatsächlichen (s. Rz. 52) Aufteilung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten verursacht die Auflösung des geografischen Zusammenhangs stets eine Veränderung des wirtschaftlichen Wertschöpfungsprozesses. Damit beeinflusst die Veränderung stets auch das betriebswirtschaftliche Ergebnis des Steuerpflichtigen. Hierbei handelt es sich um einen beachtenswerten außersteuerlichen Grund, der im Rahmen des Abwägungsprozesses zu berücksichtigen ist (s. Rz. 49). Deutlich wird dies an folgendem Beispiel: Der landesweite Vertrieb wird von einer Betriebsstätte aus dem Süden des Landes heraus betrieben. Dort befindet sich auch ein Auslieferungslager im räumlichen Zusammenhang. Wird nunmehr 700 km entfernt im Norden des Landes ein Auslieferungslager errichtet, das zur Belieferung der örtlichen Kundschaft dient, verändert dies den Lieferweg und das betriebswirtschaftliche Ergebnis für die von dort aus bediente Kundschaft. Dabei ist unbeachtlich, ob das Auslieferungslager vom Steuerpflichtigen selbst oder einem eng verbundenen Unternehmen betrieben wird. Hingegen bleibt das rechtsträgerübergreifende betriebswirtschaftliche Ergebnis für die wirtschaftliche und geografische Einheit unverändert, wenn z.B. nur das bei der Betriebsstätte im Süden befindliche Auslieferungslager und das dort tätige Personal auf ein eng verbundenes Unternehmen übertragen wird. Denn jenseits des Umstands, dass nunmehr rechtlich zwei Unternehmen tätig werden, hat sich tatsächlich nichts geändert.

53

Abgrenzung zu Art. 13 Abs. 4 MLI. Art. 13 Abs. 4 MLI ordnet die orts- und/oder rechtsträgerübergreifende Zusammenfassung wirtschaftlich sich ergänzender Tätigkeiten in verschiedenen Geschäftseinrichtungen innerhalb desselben Quellenstaats an. Somit regelt Art. 13 Abs. 4 eine spezielle Form des Missbrauchs und verdrängt damit nach den allgemeinen Regeln zur Normenkonkurrenz1 die Anwendung des PPT.

54

Abgrenzung zu Art. 14 Abs. 1 MLI. Art. 14 Abs. 1 MLI ordnet die Addition von qualifizierenden Bauund Montagetätigkeiten eng verbundener Unternehmen an. Auf eine missbräuchliche Ausnutzung von Gestaltungsmöglichkeiten kommt es nicht. an. Insoweit ist der PPT enger. denn dem Steuerpflichtigen verbleibt die Möglichkeit, den Gegenbeweis zur Missbräuchlichkeit anzutreten. Diese Möglichkeit steht dem Steuerpflichtigen bei Art. 14 Abs. 1 MLI nicht zu.

55

Abgrenzung zu § 42 AO. Als Missbrauchstatbestand korrespondiert der PPT mit § 42 AO. Beide Vorschriften unterscheiden sich jedoch in ihrem Exkulpationsgrund. Dieser ist für Zwecke des PPT enger. Denn hierfür bedarf es des Nachweises, dass die Tätigkeiten des Steuerpflichtigen weder rechtlich noch wirtschaftlich zusammenhängen. Indes genügt für die Abwendung der Rechtsfolge des § 42 AO und damit für eine getrennte Betrachtung jeder beachtliche außersteuerliche Grund (§ 42 Abs. 2 Satz 2 AO). Hierfür genügen z.B. allein rechtliche Gründe. Daher ist etwa die rechtliche Trennung wirtschaftlich gleichartiger und zusammenhängender Gewerke ggü. verschiedenen Auftraggebern als außersteuerlicher Grund i.S.v. § 42 AO anzuerkennen, während dies für Art. 7 Abs. 1 MLI unbeachtlich ist (vgl. Art. 5 Rz. 51 OECD-MK).

56

Bedeutung des PPT für Deutschland. Deutschland hat dem PPT am 7.6.2017 zugestimmt.2 Für Bau- und Montageausführungen hat die Vorschrift wegen der bestehenden Mindestfrist von 12 Monaten besondere Bedeutung. Nach dem Verständnis der OECD ist er geeignet, sowohl verschiedene Tätigkeiten des Steuer-

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1 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1, Rz. 50 = FR 2016, 326 = DStR 2016, 359 m. Anm. Mitschke. 2 Siehe http://www.oecd.org/tax/treaties/mli-matching-database.htm.

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Art. 5 (2017) Rz. 57

Betriebstätte

pflichtigen selbst als auch die Tätigkeiten verschiedener, eng verbundener Unternehmen als missbräuchlich zu betrachten (vgl. Art. 29 Rz. 182 OECD-MK 2017 – Example J). Im Ergebnis werden hierdurch die verschiedenen Tätigkeiten als wirtschaftliche Einheit (s. Art. 5 (2014) Rz. 116) betrachtet. Von einem Missbrauch zu unterscheiden ist die Frage, welche Tätigkeiten desselben Steuerpflichtigen zur Berechnung der Frist i.S.v. Art. 5 Abs. 3 einzubeziehen sind. So gehören z.B. nach Sicht der OECD Zeiten für den Test der Anlage durch den Auftragnehmer auch dann zur Frist, wenn der Test erst nach der Abnahme erfolgt (Art. 5 Rz. 55 OECD-MK 2017). Erst wenn sämtliche Tätigkeitszeiten des Steuerpflichtigen oder anderer Personen – wie z.B. Subunternehmer – berücksichtigt worden sind und darüber hinaus noch weitere Tätigkeiten des Steuerpflichtigen selbst oder eng verbundener Unternehmen im Quellenstaat verrichtet werden, ist die Frage des Missbrauchs zu beantworten. Als solches dient der PPT sowohl der Begründung des Besteuerungsrechts als auch dessen Ausdehnung. Diese Funktion des PPT wird von Deutschland als ausreichend angesehen. Eine hierüber hinausgehende Regelung zur Addition von Tätigkeiten ohne Exkulpationsmöglichkeit – wie sie etwa in Art. 14 Abs. 1 MLI geregelt ist – wird als nicht erforderlich angesehen. (s. Rz. 44).

E. Negativkatalog (Abs. 4) I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) 58

Änderungen im Wortlaut. Der Negativkatalog des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (2014) wurde geändert. In Art. 5 Abs. 4 Buchst. e wurde die Formulierung „…, die vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen;“ gestrichen. In Art. 5 Abs. 4 Buchst. f wurde die Passage „…, vorausgesetzt, dass die sich daraus ergebende Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt“ entfernt und mit folgendem Wortlaut nach den Buchst. a–f angefügt („…, vorausgesetzt, dass eine derartige Tätigkeit oder im Fall von Buchstabe f die sich daraus ergebende Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt“).

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Fortgeltung der Kommentierung zu Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (2014). Art. 5 Abs. 4 enthält einen Katalog, in dem typische Fälle aufgezählt sind, in denen dem Quellenstaat trotz Vorliegens einer festen Geschäftseinrichtung kein Besteuerungsrecht i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 eingeräumt wird. Nach der Neuformulierung von Abs. 4 sollen die Ausnahmen aller Tatbestände i.S.d. Buchst. a–f nur noch einschlägig sein, wenn sie nach dem Gesamtbild Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten sind.1 Dies gilt auch für die Fallvarianten der Buchst. a–d, deren Wortlaut bisher keinen Hinweis auf das Hilfs- bzw. Vorbereitungserfordernis besaß. Diese Interpretation entsprach schon bisher dem deutschen Verständnis des OECD-MA (2014) (siehe Art. 5 (2014) Rz. 130).2 Änderungen in der deutschen Abkommenspraxis ergeben sich damit durch die Neuformulierung nicht. Insoweit gilt die bisherige Kommentierung zu Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (2014) uneingeschränkt fort. Siehe Art. 5 (2014) Rz. 127–145.

II. Änderungen durch das MLI (Einschränkung des Negativkatalogs – Art. 13 Abs. 1–3, Abs. 7 MLI) 60

Änderungen durch das MLI. Auszugsweiser Wortlaut des Art. 13 MLI:3 „(1) Eine Vertragspartei dieses Übereinkommens kann sich entscheiden, Absatz 2 (Option A), Absatz 3 (Option B) oder keine der beiden Optionen anzuwenden. Option A (2) Ungeachtet der Bestimmungen eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens, die den Ausdruck „Betriebsstätte“ bestimmen, gelten folgende Fälle als nicht von dem Ausdruck „Betriebsstätte“ umfasst: a) die Tätigkeiten, die in dem unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen (vor Änderung durch das Übereinkommen) ausdrücklich als nicht als Betriebsstätte geltende Tätigkeiten aufgeführt sind, unabhängig davon, ob diese Ausnahme vom Betriebsstättenstatus voraussetzt, dass die Tätigkeit vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt,

1 Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1172). 2 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA (2014), Rz. 85 f. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 152. 3 Die fett gedruckten Passagen bringen den Inhalt der Vorschrift zum Ausdruck, den Deutschland am 7.6.2017 gewählt hat.

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E. Negativkatalog (Abs. 4)

Rz. 63 Art. 5 (2017)

b) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen eine nicht unter Buchstabe a beschriebene Tätigkeit auszuüben, c) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, mehrere der unter den Buchstaben a und b genannten Tätigkeiten auszuüben, sofern diese Tätigkeit oder im Fall des Buchstabens c die Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt. Option B (3) Ungeachtet der Bestimmungen eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens, die den Ausdruck „Betriebsstätte“ bestimmen, gelten folgende Fälle als nicht von dem Ausdruck „Betriebsstätte“ umfasst: a) die Tätigkeiten, die in dem unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen (vor Änderung durch das Übereinkommen) ausdrücklich als nicht als Betriebsstätte geltende Tätigkeiten aufgeführt sind, unabhängig davon, ob diese Ausnahme vom Betriebsstättenstatus voraussetzt, dass die Tätigkeit vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt, soweit die einschlägige Bestimmung des unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens nicht ausdrücklich vorsieht, dass eine bestimmte Tätigkeit nicht als Betriebsstätte gilt, sofern die Tätigkeit vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt; b) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen eine nicht unter Buchstabe a beschriebene Tätigkeit auszuüben, sofern diese Tätigkeit vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt; c) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, mehrere der unter den Buchstaben a und b genannten Tätigkeiten auszuüben, sofern die sich daraus ergebende Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt. (…) (7) Jede Vertragspartei dieses Übereinkommens, die sich nach Absatz 1 für die Anwendung einer Option entscheidet, notifiziert dem Verwahrer die gewählte Option. Diese Notifikation muss auch die Liste ihrer unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen umfassen, die eine in Absatz 5 Buchstabe a beschriebene Bestimmung enthalten, sowie jeweils die Nummer des Artikels und des Absatzes dieser Bestimmung. Eine Option gilt nur dann in Bezug auf eine Bestimmung eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens, wenn sich alle Vertragsstaaten für die Anwendung derselben Option entschieden haben und in Bezug auf diese Bestimmung eine entsprechende Notifikation abgegeben haben. (8) Jede Vertragspartei dieses Übereinkommens, die keinen Vorbehalt nach Absatz 6 Buchstabe a oder c angebracht hat und sich nicht nach Absatz 1 für die Anwendung einer Option entscheidet, notifiziert dem Verwahrer, ob ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen jeweils eine in Absatz 5 Buchstabe b beschriebene Bestimmung enthalten, sowie jeweils die Nummer des Artikels und des Absatzes dieser Bestimmung. Absatz 4 gilt nur dann in Bezug auf eine Bestimmung eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens, wenn alle Vertragsstaaten nach diesem Absatz oder nach Absatz 7 in Bezug auf diese Bestimmung eine Notifikation abgegeben haben.“ Entsprechung der Vorschrift im BEPS-Aktionsplan und OECD-MA (2017): Art. 13 MLI setzt das Ziel des BEPS-Aktionspunkts 7 um, Betriebsstätten unter Ausnutzung des Ausnahmekatalogs i.S.d. Art. 5 Abs. 4 zu vermeiden.1 Die Option A entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (2017).

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Inhalt und Zweck der Norm: Art. 13 MLI dehnt den bestehenden Betriebsstättenbegriff des Art. 5 OECDMA aus indem er den Ausnahmekatalog des Art. 5 Abs. 4 einschränkt. Zu diesem Zweck stellt Art. 13 Abs. 1 MLI den MLI-Vertragsstaaten verschiedene Optionen zur Einschränkung zur Verfügung, nämlich – Option A (Abs. 2), nach der eine Betriebsstätte nur dann nicht vorliegt, wenn sämtliche im Ausnahmekatalog aufgeführten Tätigkeiten im Einzelfall tatsächlich vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen, ohne dass es auf die ausdrückliche Nennung der Vorbereitungs- oder Hilfsfunktion im Wortlaut der Buchst. a–d in Art. 5 Abs. 4 ankommt (enger Ausnahmekatalog), oder – Option B (Abs. 3), nach der die Tätigkeiten der Buchst. a–d auch dann keine Betriebsstätte begründen, wenn die Tätigkeiten Teile der Haupttätigkeit des Unternehmens darstellen und nur im Übrigen (Buchst. e, f) die Vorbereitungs- und Hilfsfunktion der Tätigkeit die Betriebsstättenfolge ausschließt (weiter Ausnahmenkatalog).

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Option A – enger Ausnahmekatalog. Option A (Art. 13 Abs. 2 MLI) entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (2017). Deutschland hat von ihr im Rahmen des MLI Gebrauch gemacht (s. Rz. 65). Nach ihr begründet eine feste Geschäftseinrichtung nur dann keine Betriebsstätte, wenn die in ihr ausgeübten Tätigkeiten ledig-

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1 BEPS-Final Report – Action 7, Rz. 11 ff.

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Art. 5 (2017) Rz. 63

Betriebstätte

lich vorbereitender oder unterstützender Art (s. Art. 5 (2014) Rz. 142) sind. Auf die ausdrückliche Nennung der Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion in Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–d kommt es nicht an. So werden die in den Buchst. a–d genannten Tätigkeiten zwar grundsätzlich als Vorbereitungs- bzw. Hilfstätigkeiten angesehen. Entscheidend ist gleichwohl, ob die in der Geschäftseinrichtung ausgeübte Aktivität einen wesentlichen und erkennbaren Beitrag zur Gesamttätigkeit des Unternehmens (s. Art. 5 (2014) Rz. 143) darstellt (Art. 5 Rz. 58 OECD-MK 2017). Dies ist für jeden Einzelfall gesondert zu entscheiden (Einzelheiten s. Art. 5 (2014) Rz. 144). 64

Option B – weiter Ausnahmekatalog. Option B (Art. 13 Abs. 3 MLI), die Deutschland nicht gewählt hat, hat keine Entsprechung im OECD-MA (2017). Die Option ist jedoch in Art. 5 Rz. 78 OECD-MK 2017 ausdrücklich beschrieben. Nach der Option B begründen Aktivitäten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–d in einer festen Geschäftseinrichtung selbst dann keine Betriebsstätte, wenn diese über die die reine Vorbereitungsund Hilfsfunktion (s. Art. 5 (2014) Rz. 143) hinausgehen. Insoweit wird dem Wortlaut der Buchst. a–d im Umkehrschluss zu den Buchst. e und f konstitutiver Charakter zugesprochen (vgl. Art. 5 Rz. 78 OECDMK 2017). Auch spezialisierte Einkaufstätigkeiten durch eine feste Geschäftseinrichtung begründen insoweit keine Betriebsstätte (vgl. auch Art. 5 (2014) Rz. 130). Nur in Bezug auf andere, nicht in den Buchst. a–d angesprochene Tätigkeiten ist nach den Buchst. e und f die Bedeutung der Geschäftseinrichtungsaktivität für das Gesamtunternehmen einzelfallbezogen zu untersuchen (s. Art. 5 (2014) Rz. 143, 144). Von den unter Kapitel K (s. Rz. 113 ff.) näher dargestellten DBA haben Belgien, Frankreich und Luxemburg von dieser Option Gebrauch gemacht. Gemäß Art. 13 Abs. 7 Satz 2 MLI bleibt es damit bei der Anwendung der lex fori-Regel (Art. 3 Abs. 2), die ggf. zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.

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Bedeutung des Art. 13 MLI für Deutschland. Deutschland hat von der Option A (Art. 13 Abs. 2 MLI) Gebrauch gemacht und dies dem Verwahrer notifiziert (Art. 13 Abs. 7 Satz 1 MLI).1 Sie entspricht der Haltung, die Deutschland schon bisher zu Art. 5 Abs. 4 vertreten hat (s. Art. 5 (2014) Rz. 130).2 Die Option A kommt aber nur zur Anwendung, wenn auch der andere MLI-Vertragsstaat die Option A gewählt hat (Art. 13 Abs. 7 Satz 2 MLI). Von den unter K. (s. Rz. 113) kommentierten Staaten haben nur folgende ebenfalls die Option A gewählt: Indien, Italien, Japan, Niederlande, Österreich, Russland und Spanien. Nur in Bezug auf diese Staaten kommt der enge Ausnahmekatalog verbindlich zur Anwendung. Im Übrigen bleibt es bei der Interpretation unter Anwendung der lex fori-Regel (Art. 3 Abs. 2), die ggf. zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.

F. Anti-Fragmentierungsregel (Abs. 4.1) I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) 66

Allgemeines. Art. 5 Abs. 4.1. OECD-MA (2017) entspricht Art. 13 Abs. 4 MLI. Die Vorschrift wurde erstmals 2017 in den Abkommenstext aufgenommen. Zweck ist es, – für Zwecke der Prüfung des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA – die Tätigkeiten verschiedener Geschäftseinrichtungen – im Fall eng verbundener Unternehmen auch rechtsträgerübergreifend – durch eine konzernweite Betrachtungsweise im Quellenstaat zusammenzufassen, um so die künstliche Aufteilung von Funktionen und damit Betriebsstätten zu vermeiden.3 Die Vorschrift bezieht sich nur auf feste Geschäftseinrichtungen. Bauausführungen (Art. 5 Abs. 3 (2017)) bleiben von Art. 5 Abs. 4.1 (2017) unberührt.

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Additive Betrachtung verschiedener Tätigkeiten. Gemäß Art. 5 Abs. 4.1 greift die Betriebsstättenausnahme des Abs. 4 in folgenden Situationen nicht: a) Neben der festen Geschäftseinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 4.1. verfügt dasselbe Unternehmen im selben Vertragsstaat über eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1 und die Hilfs- bzw. Vorbereitungstätigkeit der festen Geschäftseinrichtung ergänzt die Aktivität der Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1, so dass die Tätigkeit der festen Geschäftseinrichtung als Teil eines zusammenhängenden Geschäftsbetriebs anzusehen ist. b) wie Buchst. a, nur verfügt nicht dasselbe, sondern ein eng verbundenes Unternehmen über die Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1.

1 Siehe http://www.oecd.org/tax/treaties/mli-matching-database.htm. 2 Siehe auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.1.2. 3 Schuch, SWI 2017, 654 ff.; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1173).

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F. Anti-Fragmentierungsregel (Abs. 4.1)

Rz. 74 Art. 5 (2017)

c) Dasselbe Unternehmen verfügt über zwei feste Geschäftseinrichtungen, die – isoliert betrachtet – nur Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeiten verrichten, deren Gesamttätigkeit sich jedoch als Teil der Haupttätigkeit i.S.v. Art. 5 Abs. 1 darstellt. d) wie Buchst. c, nur verfügt nicht dasselbe, sondern ein eng verbundenes Unternehmen über die weitere feste Geschäftseinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 4. Dasselbe oder ein eng verbundenes Unternehmen. Gemäß Art. 5 Abs. 4.1 können die Tätigkeiten, die addiert werden sollen, von demselben oder aber auch von eng verbundenen Unternehmen i.S.v. Art. 5 Abs. 8 erbracht werden. Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 1 erlaubt Art. 5 Abs. 4.1 damit eine rechtsträgerübergreifende Zusammenfassung von Tätigkeiten (s. Art. 5 (2014) Rz. 2).

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Verschiedene Geschäftseinrichtungen. Art. 5 Abs. 4.1 fasst die Tätigkeiten verschiedener fester Geschäftseinrichtungen zusammen. Jede dieser Geschäftseinrichtungen muss – für sich gesehen – örtlich (s. Art. 5 (2014) Rz. 51), zeitlich (s. Art. 5 (2014) Rz. 56) und persönlich (s. Art. 5 (2014) Rz. 60) fest sein, funktional mit der Unternehmenstätigkeit zusammenhängen (s. Art. 5 (2014) Rz. 70) und wenigstens die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 4 erfüllen.

69

An diesem oder einem anderen Ort in demselben Vertragsstaat. Durch die Formulierung „an demselben Ort oder an einem anderen Ort in demselben Vertragsstaat“ wird deutlich, dass die additive Betrachtung des Art. 5 Abs. 4.1 über die Anforderungen des örtlichen Zusammenhangs (s. Art. 5 (2014) Rz. 54) hinausgeht. Die zusammenzufassenden Geschäftseinrichtungen müssen lediglich im selben Vertragsstaat belegen sein.

70

Sich ergänzende Tätigkeiten. Um Tätigkeiten verschiedener Geschäftseinrichtungen addieren zu können, müssen sich die Aktivitäten ergänzen. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach den Regeln zur wirtschaftlichen Einheit (s. Art. 5 (2014) Rz. 53). Nach den Vorstellungen der OECD ist eine solche bspw. gegeben, wenn ein Kreditinstitut im Quellenstaat neben diversen Bankenbetriebsstätten auch ein Büro mit Mitarbeitern unterhält, welches die Angaben in den Darlehensanträgen der Kunden überprüft und diese Daten im Anschluss dem Stammhaus im Ansässigkeitsstaat des Kreditinstituts zur Vergabeentscheidung überlässt (Art. 5 Rz. 81 OECD-MK 2017 – Beispiel A). Entsprechendes ist anzunehmen, wenn etwa ein Warenproduzent im anderen Staat ein Lager unterhält, den dortigen Vertrieb über eine Tochtergesellschaft mit Betriebsstätte vor Ort organisiert und die Tochtergesellschaft sich der im Lager befindlichen Waren zur Belieferung ihrer Kunden bedient (Art. 5 Rz. 81 OECD-MK 2017 – Beispiel B). Die sich ergänzenden Tätigkeiten wirken im Fall des Vorhandenseins einer Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1 im Quellenstaat betriebsstättenerweiternd; im Fall des Fehlens einer Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1 wirken sie betriebsstättenbegründend, wenn die Gesamttätigkeit aller zusammenzufassenden festen Geschäftseinrichtungen über eine reine Vorbereitungs- oder Hilfsfunktion hinausgeht. Ob dies der der Fall ist, bestimmt sich an den Kriterien der gewählten Option A oder B bzw. an dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 4.

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Keine einheitliche und gesonderte Feststellung addierter Betriebsstätteneinkünfte. Eine gemeinsame Besteuerung der Beteiligten folgt aus der additiven Betrachtung nicht. Diese erfolgt weiterhin personenbezogen. Eine einheitliche und gesonderte Feststellung gem. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO (ggf. i.V.m. § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO) unterbleibt, da bei Tätigwerden einer Person die erforderliche Personenmehrheit und bei eng verbundenen Unternehmen die notwendige Gemeinsamkeit der Einkünfte fehlt. Dies bedeutet: Werden Aktivitäten eng verbundener Unternehmen zusammengefasst und begründen diese eine Betriebsstätte, bleibt es im Weiteren bei der getrennten Besteuerung der unterschiedlichen Rechtsträger. Im Ergebnis wirkt die Zusammenfassung nur besteuerungsrechtbegründend.

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Verhältnis von Art. 5 Abs. 4.1 zur Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1. Art. 5 Abs. 4.1 dehnt den Betriebsstättenbegriff des Art. 5 Abs. 1 über den wirtschaftlichen und geografischen Zusammenhang (s. Art. 5 (2014) Rz. 53 f.) aus, indem er bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen orts- und/oder rechtsträgerübergreifend unternehmerische Tätigkeiten zusammenfasst. Auf das Vorhandensein eines geografischen Zusammenhangs (s. Art. 5 (2014) Rz. 54) der verschiedenen Tätigkeiten kommt es nicht an. Vielmehr greift Art. 5 Abs. 4.1 auch, wenn die wirtschaftlich zusammenhängenden Tätigkeiten an verschiedenen Orten im Quellenstaat, die in keinem Zusammenhang stehen, ausgeübt werden. Ferner können gem. Art. 5 Abs. 4.1 auch Tätigkeiten verschiedener Personen – sofern sie eng i.S.v. Art. 5 Abs. 8 (2017) miteinander verbunden sind – eine Betriebsstätte begründen. Hingegen verlangt die Annahme einer Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1 die Zuordnung sämtlicher Tatbestandsmerkmale zu einer Person, deren unselbständiger Bestandteil die Betriebsstätte ist (s. Art. 5 (2014) Rz. 2).

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Verhältnis von Art. 5 Abs. 4.1 zu Art. 29 Abs. 9 (PPT). Gemäß Art. 5 Abs. 4.1 ist sowohl eine rechtsträgerals auch ortsübergreifende Betrachtung zulässig. Indes wohnt dem PPT des Art. 29 Abs. 9 nur die rechtsträgerübergreifende Betrachtung inne (s. Art. 29 Rz. 40 ff.). Denn jenseits des Missbrauchs lässt der PPT den Betriebsstättenbegriff des Art. 5 unangetastet. Damit hat die Notwendigkeit des geografischen Zusammen-

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hangs verschiedener fester Geschäftseinrichtungen nach wie vor Geltung (s. Art. 5 (2014) Rz. 54). Ferner erlaubt Art. 29 Abs. 9 auf der Tatbestandsseite die Beseitigung der Rechtsfolge durch Nachweis der Abkommenskonformität der gewählten Gestaltung (Escape). Diese Möglichkeit steht dem Steuerpflichtigen bei Vorliegen wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten i.S.v. Art. 5 Abs. 4.1 nicht offen. Insoweit sind die Anforderungen an die additive Betrachtung des Art. 5 Abs. 4.1 niedriger als an den PPT. Als Regelung mit ausschließlichem Anwendungsbereich innerhalb des Art. 5 schafft die Vorschrift einen eigenständigen Missbrauchstatbestand, der als speziellere Norm1 Art. 29 Abs. 9 verdrängt. Auf der Rechtsfolgenseite entsprechen sich beide Vorschriften. Sie ordnen die Zusammenfassung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten an. Kommt es hierzu, begründen die verschiedenen Tätigkeiten eine Betriebsstätte und damit ein Besteuerungsrecht des Quellenstaats gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2.

II. Änderungen durch das MLI 1. Antifragmentierungsregel (Art. 13 Abs. 4, Abs. 6 Buchst. c MLI) 75

Auszugsweiser Wortlaut des Art. 13 MLI.2 (…) (4) Eine Bestimmung eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens (in der gegebenenfalls durch Absatz 2 oder 3 geänderten Fassung), in der bestimmte Tätigkeiten aufgeführt sind, die nicht als Betriebsstätte gelten, gilt nicht für eine von einem Unternehmen genutzte oder unterhaltene feste Geschäftseinrichtung, wenn dasselbe Unternehmen oder ein eng verbundenes Unternehmen an demselben Ort oder an einem anderen Ort in demselben Vertragsstaat eine Geschäftstätigkeit ausübt und a) dieser Ort oder der andere Ort für das Unternehmen oder das eng verbundene Unternehmen nach den Bestimmungen eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens, die den Begriff „Betriebsstätte“ bestimmen, eine Betriebsstätte darstellt, oder b) die Gesamttätigkeit, die sich aus den von den beiden Unternehmen an demselben Ort oder von demselben Unternehmen oder eng verbundenen Unternehmen an den beiden Orten ausgeübten Tätigkeiten ergibt, weder vorbereitender Art ist noch eine Hilfstätigkeit darstellt, sofern die von den beiden Unternehmen an demselben Ort oder von demselben Unternehmen oder eng verbundenen Unternehmen an den beiden Orten ausgeübten Geschäftstätigkeiten sich ergänzende Aufgaben darstellen, die Teil eines zusammenhängenden Geschäftsbetriebs sind. (…) (6) Eine Vertragspartei dieses Übereinkommens kann sich vorbehalten, a) dass dieser gesamte Artikel nicht für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt; b) dass Absatz 2 nicht für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt, in denen ausdrücklich erklärt wird, dass die in einer Liste aufgeführten bestimmten Tätigkeiten nur dann nicht als Betriebsstätte gelten, wenn jede einzelne dieser Tätigkeiten vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt; c) dass Absatz 4 nicht für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt.“

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Entsprechung der Vorschrift im BEPS-Aktionsplan und OECD-MA (2017). Art. 13 Abs. 4 ergänzt das Ziel des BEPS-Aktionspunkts 7, die Vermeidung von Betriebsstätten unter Ausnutzung des Ausnahmekatalogs i.S.d. Art. 5 Abs. 4 einzuschränken.3 Art. 13 Abs. 4 MLI entspricht Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA (2017). Insoweit gelten die Ausführungen zu Art. 5 Abs. 4.1 entsprechend (s. Rz. 66 ff.).

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Bedeutung des Art. 13 Abs. 4 MLI für Deutschland. Hinsichtlich des Art. 13 Abs. 4 MLI hat Deutschland von seinem Vorbehaltsrecht gem. Abs. 6 Buchst. c Gebrauch gemacht. Die additive Betrachtung verschiedener Tätigkeiten ggf. verschiedener Personen zum Zwecke der Fristberechnung kommt daher für die von Deutschland abgeschlossenen DBA nicht zur Anwendung. In einzelnen DBA hat Deutschland aber bereits dem Art. 13 Abs. 4 MLI entsprechende Vereinbarungen getroffen (vgl. z.B. Art. 5 Abs. 7 DBA-Australien 2017).

1 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 Rz. 50 = FR 2016, 326 = DStR 2016, 359 m. Anm. Mitschke. 2 Die fett gedruckten Passagen bringen den Inhalt der Vorschrift zum Ausdruck, den Deutschland am 7.6.2017 gewählt hat. 3 BEPS-Final Report – Action 7, Rz. 11 ff.

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G. Abhängiger Vertreter (Abs. 5)

Rz. 84 Art. 5 (2017)

2. Verhinderung von Abkommensmissbrauch (Art. 7 MLI) Anwendbarkeit des Art. 7 MLI (PPT). Deutschland hat von seinem Vorbehaltsrecht gem. Art. 13 Abs. 6 Buchst. c MLI Gebrauch gemacht (s. Rz. 75). Dessen ungeachtet bleibt für Deutschland der PPT (Art. 7 MLI; Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017)) anwendbar (s. Rz. 45 ff.).

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G. Abhängiger Vertreter (Abs. 5) I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) Änderungen im Wortlaut. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (2017) regelt nach wie vor die Betriebsstätte, die durch 79 einen abhängigen Vertreter begründet werden kann. Der Wortlaut der Vorschrift wurde modifiziert und der Anwendungsbereich ausgedehnt. Wesentlich ist, dass es für die Betriebsstättenbegründung gem. Art. 5 Abs. 5 (2017) nicht mehr erforderlich ist, dass der Vertreter (a) mit Vollmacht, (b) im Namen des Vertretenen handelt und (c) den Prinzipal rechtlich bindet. Vielmehr ist es nach der Neuregelung im Wesentlichen ausreichend, wenn der Vertreter dauerhaft mindestens die Funktion einer „führenden Rolle“ beim Vertragsschluss übernimmt. Entscheidend ist damit nur noch das nachhaltige wirtschaftlich bedeutsame Tätigwerden des Vertreters im Zusammenhang mit Vertragsabschlüssen des Prinzipals im Quellenstaat. Eingeschränkte Fortgeltung der Kommentierung zu Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (2014). Wegen der tiefgrei- 80 fenden Modifikationen gilt die Kommentierung zu Art. 5 Abs. 5 (2014) nur eingeschränkt fort. Nach wie vor Geltung hat die Kommentierung zum Regelungszweck (s. Art. 5 (2014) Rz. 146–150) sowie zur Person des Vertreters (s. Art. 5 (2014) Rz. 153–156). Beim Begriff der Abhängigkeit des Vertreters ist Rücksicht auf die Neudefinition des Abs. 6 zu nehmen. Inhalt und Zweck der Norm. Art. 5 Abs. 5 (2017) dehnt den Begriff des abhängigen Vertreters im Wege einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus. Entscheidend ist nur noch, dass der Vertreter (a) gewöhnlich für das Unternehmen Verträge schließt oder (b) gewöhnlich eine führende Rolle beim Vertragsschluss einnimmt und das Ergebnis vom Prinzipal regelmäßig ohne wesentliche Änderungen übernommen wird. Verträge im Sinne dieser Vorschrift (c) sind solche, die der Vertreter im Namen des Unternehmens abschließt, aber auch jene, mittels derer dem Prinzipal zustehende Eigentums- oder Nutzungsrechte übertragen werden bzw. Dienstleistungen erbracht werden müssen (s. Art. 5 (2014) Rz. 158). Ausgenommen bleiben lediglich Hilfsund/oder Vorbereitungstätigkeiten i.S.v. Art. 5 Abs. 4 i.V.m. Abs. 4.1, die als solche keine Betriebsstätte begründen.

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Person, die für ein Unternehmen tätig ist. Zunächst verlangt auch die Neufassung des abhängigen Vertre- 82 ters unverändert eine Person (s. Art. 5 (2014) Rz. 153 ff.), die für das Unternehmen tätig ist (s. Art. 5 (2014) Rz. 158). Entscheidend ist nicht der subjektive Wille des Vertreters, sondern sein objektives Handeln. Zwar ist es schwer vorstellbar, jedoch genügt vom Wortlaut her ein Handeln, das sich von außen als Tätigkeit für einen anderen darstellt, selbst, wenn der Handelnde nicht für einen anderen tätig werden will. Umgekehrt genügt eine formale Vertreterstellung nicht, um für ein Unternehmen tätig zu sein, wenn die Handlungen des Vertreters weder unmittelbar noch mittelbar Auswirkungen auf das vertretene Unternehmen haben (Art. 5 Rz. 86 OECD-MK 2017). Daher ist nicht als Vertreter i.S.v. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (2017) tätig, wer als Eigenhändler Waren oder andere Leistungen vertreibt, die er aufgrund eigener Verträge von einem Lieferanten im anderen Staat bezieht. Dies gilt auch für reine Vertriebsgesellschaften mit geringem Risiko, selbst wenn sie die Ware von verbundenen Unternehmen beziehen. Abhängigkeit. Der Vertreter i.S.d. Abs. 5 darf keiner i.S.d. Abs. 6 sein. Dies bringt die Formulierung „… vorbehaltlich der Bestimmungen in Absatz 6 …“ zum Ausdruck. Hinsichtlich der Änderungen in Abs. 6 gilt die dortige Kommentierung (s. Rz. 96 ff.). Jenseits dieser Änderungen gelten die Ausführungen zum OECD-MA (2014) fort (s. Art. 5 (2014) Rz. 156).

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Keine Vollmacht im Innenverhältnis erforderlich. Gemäß Art. 5 Abs. 5 (2014) war für eine Vertreterstellung erforderlich, dass der Vertreter vom Prinzipal mit der Vollmacht, Verträge im Namen des Vertretenen abzuschließen, ausgestattet war (s. Art. 5 (2014) Rz. 157). Im Wortlaut von Art. 5 Abs. 5 (2017) wurde diese Tatbestandsvoraussetzung ersatzlos gestrichen. Sie wurde ebenso als Anforderung aus dem OECD-MK 2017 entfernt (vgl. Art. 5 Rz. 32 OECD-MK 2014 und Art. 5 Rz. 83 OECD-MK 2017). Entscheidend ist damit nur, dass der Vertreter tatsächlich für den Prinzipal handelt (s. Rz. 82) und der Prinzipal das Vertreterhandeln gegen sich gelten lassen muss. Ob der Prinzipal das Vertreterhandeln gegen sich gelten lassen muss, richtet sich nach dem Zivilrecht, das auf den Vertragsschluss zur Anwendung kommt (s. Art. 5 (2014) Rz. 157). Der Wegfall der Vollmacht ändert die bisherige Rechtslage nicht, da schon bisher die nachträgliche Genehmigung

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Art. 5 (2017) Rz. 84

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(§ 177 Abs. 1 BGB) für die Vertreterstellung ausreichend war.1 Deutlich wird durch die Aufgabe dieses Tatbestandsmerkmals, dass es nach dem nunmehrigen Verständnis mehr auf das tatsächlich Gelebte als auf das rechtlich Vereinbarte ankommt (s. Rz. 82). Hintergrund ist m.E. die Erkenntnis, dass die zur Beurteilung berufene Verwaltung nur das nach Außen in Erscheinung tretende Ergebnis zur Beurteilung heranziehen kann. Denn die nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 5 von Seiten der Verwaltung nachzuweisenden Verträge im Innenverhältnis von der Auftragserteilung inkl. Vollmacht waren in der Praxis oftmals nicht beibringbar. 85

Gewöhnliche Ausübung. Gemäß Art. 5 Abs. 5 (2017) muss der Vertreter für den Prinzipal im Quellenstaat gewöhnlich, d.h. dauerhaft, handeln. Dafür muss er – wie schon bei Art. 5 Abs. 5 (2014) – wiederholt und darf nicht nur gelegentlich tätig werden (Art. 5 Rz. 83 OECD-MK 2017). Zu Einzelheiten s. Art. 5 (2014) Rz. 162.

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(a) Vertragsschluss. Gemäß Art. 5 Abs. 5 (2017) ist eine Alternative des Vertreterhandelns, dass der Vertreter Verträge schließt. Entscheidend hierfür ist die Zivilrechtslage nach dem Recht des jeweiligen Vertragsstaats (Art. 5 Rz. 87 OECD-MK 2017). Für Deutschland als Anwendestaat ist hierzu erforderlich, dass die rechtlichen Wirkungen2 für und gegen den Prinzipal unmittelbar eintreten.3 Unbeachtlich ist, ob die Wirkungen offenkundig oder verdeckt eintreten. Offenkundigkeit verlangt, dass der Vertragspartner bei Vertragsschluss erkennt, dass der Vertreter mit Wirkung für und gegen den Prinzipal handelt, und er hieraus unmittelbare Rechte gegen den Prinzipal ableiten kann.4 Typisches Beispiel für diese Form des Vertragsschlusses ist das offenkundige Vertreterhandeln gem. § 164 Abs. 1 BGB, bei welchem der Vertreter eine eigene Willenserklärung im fremden Namen abgibt und das Rechtsgeschäft unmittelbar zwischen dem Vertragspartner und dem Prinzipal zustande kommt. Von verdeckter Stellvertretung ist indes die Rede, wenn der Vertreter eine Erklärung im eigenen Namen, jedoch mit Wirkung für den Prinzipal abgibt. Typisches Beispiel für diese Form der Stellvertretung ist das Kommissionsgeschäft gem. §§ 383 ff. HGB.5 Zwar wird in diesem Fall der Vertreter als Kommissionär Partei des Vertrages.6 Jedoch steht ihm im Innenverhältnis (Kommissionsvertrag) nach den Regeln der Geschäftsbesorgung ein entsprechender Freistellungsanspruch gegen den Kommittenten zu.7 Auf die Frage, wann ein Vertreterhandeln als Vertragsschluss anzusehen ist, wenn der Vertrag nicht von ihm, sondern vom Prinzipal unterschrieben worden ist, kommt es nach Art. 5 Abs. 5 (2017) nicht mehr an. Denn ausreichend ist insoweit allein die führende Rolle. Damit hat die schon bisher in Art. 5 Rz. 33 OECD-MK 2014 vertretene wirtschaftliche Betrachtungsweise im Gesetzeswortlaut ihren Niederschlag gefunden (s.a. Art. 5 Rz. 97 OECD-MK 2017).

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(b) Führende Rolle beim Vertragsschluss und regelmäßige Übernahme durch den Prinzipal. Für die Zurechnung des Vertreterhandelns reicht es gem. Art. 5 Abs. 5 (2017) aus, wenn (a) der Vertreter gewöhnlich (s. Rz. 85) die führende Rolle beim Vertragsschluss ausübt und (b) das Ergebnis vom Unternehmen regelmäßig ohne wesentliche Änderung übernommen wird. Diese Tatbestandsalternative unterscheidet sich vom Vertragsschluss durch den Vertreter (s. Rz. 86) dadurch, dass der Vertreter im Außenverhältnis zum Kunden nur tatsächlich, nicht aber rechtlich verbindlich in Erscheinung tritt und der Vertrag vom Prinzipal selbst abgeschlossen wird, rein rechtlich also keine Stellvertretung vorliegt. Hintergrund dieser Alternative ist die Erkenntnis, dass in der Vergangenheit oftmals die Vertreterstellung dadurch unterlaufen wurde, dass dieser zwar die gesamten Vertragsmodalitäten ausgehandelt hat, jedoch die rechtlich verbindliche Vertragseingehung dem Prinzipal überlassen hat (vgl. Art. 5 Rz. 88 OECD-MK 2017). Typische Beispielsfälle sind die Kommissionäre, die aufgrund einer Vereinbarung mit dem Prinzipal (Deckungsverhältnis) im Außenverhältnis zum Kunden (Zuwendungsverhältnis) Verträge im eigenen Namen für Rechnung des Kommittenten schließen. Ebenso fallen hierunter die Agenten, die den Vertragsschluss zwischen Prinzipal und Kunden weitgehend vorbereiten und der Prinzipal in der Regel nur noch den vorbereiteten Vertrag unverändert übernimmt (vgl. Art. 5 Rz. 95 OECD-MK 2017).

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Gewöhnlich führende Rolle beim Vertragsschluss. Die Formulierung ist vor dem Zweck des Art. 5 Abs. 5 zu verstehen, dass für das Besteuerungsrecht des Quellenstaats die dort ausgeübte tatsächliche wirtschaftliche Aktivität maßgeblich sein soll. Diesem schon bisher verfolgten Willen der Mitgliedsstaaten (vgl. Art. 5 Rz. 33 OECD-MK 2014) wurden oftmals durch den zivilrechtlich formulierten Wortlaut Grenzen gesetzt. „Gewöhnlich“ bedeutet, dass das Vertreterhandeln dauerhaft sein muss (Einzelheiten s. Art. 5 (2014) Rz. 162). Bloßes gelegentliches bzw. vorübergehendes Handeln genügt nicht (Art. 5 Rz. 98 OECD-MK 2017). Durch 1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 118. Armbrüster in Erman15, vor § 145 BGB Rz. 1. Maier-Reimer in Erman15, vor § 164 BGB Rz. 1. Maier-Reimer in Erman15, vor § 164 BGB Rz. 2. Maier-Reimer in Erman15, vor § 164 BGB Rz. 15. Maier-Reimer in Erman15, vor § 164 BGB Rz. 15. Vgl. Hopt in Baumbach/Hopt38, § 383 HGB Rz. 6.

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G. Abhängiger Vertreter (Abs. 5)

Rz. 90 Art. 5 (2017)

den Ausdruck „führende Rolle“ wird einerseits deutlich, dass nicht jeder noch so geringfügige Beitrag des Vertreters für ein Vertreterhandeln i.S.v. Art. 5 Abs. 5 als ausreichend anzusehen ist. Führend ist ein Verhalten dann, wenn ihm das Übergewicht sämtlicher zum Vertragsschluss führenden Handlungen zuzumessen ist. Davon ist jedenfalls auszugehen, wenn Vertreter und Kunde sich über die wesentlichen Bedingungen des Vertrages (essentialia negotii) tatsächlich einigen. Andererseits wird durch den Verzicht auf das zivilrechtliche, formale Anknüpfungskriterium „Vertragsschluss“ der wirtschaftlichen Betrachtungsweise mehr Gewicht verliehen. Damit wird die Grenze zwischen unbeachtlichem und relevantem Vertreterhandeln fließend. Entscheidend sollen nach den Vorstellungen des OECD-MK die Handlungen des Vertreters sein, die zum Vertragsschluss des Prinzipals führen (Art. 5 Rz. 88 OECD-MK 2017). Als solche sind etwa Vertriebsaktivitäten anzusehen, wenn sie konkret auf einen Vertragsschluss durch den Prinzipal abzielen und in einen solchen münden (Art. 5 Rz. 88 OECD-MK 2017). Nicht ausreichend sind allgemeine Werbeaktivitäten für Produkte eines Prinzipals, wenn mit dem Handeln des Vertreters keine weiter gehenden Vertragshandlungen verbunden sind. Als Beispiel nennt Art. 5 Rz. 89 OECD-MK 2017 die Tätigkeit von Pharmareferenten, die lediglich die Waren des Herstellers bzw. dessen Dienstleistungen anpreisen, ohne dass diese Handlungen direkt in einen Vertragsschluss münden. Sofern etwa der Vertragsschluss einzelfallbezogene Vereinbarungen benötigt, ist m.E. die allgemeine Information des Vertreters über die verschiedenen Angebote des Prinzipals noch nicht ausreichend. Preist also der Vertreter allgemein die Vorzüge einer Kfz.-Marke an und übergibt er dem Kunden am Ende des Gesprächs die Preisliste über eine bestimmte Produktreihe inkl. der verschiedenen Ausführungen und Sonderausstattungen, liegt noch kein Vertreterhandeln vor, da es hierzu konkreter Vereinbarungen über ein bestimmtes Produkt mit der individuell gewünschten Sonderausstattung bedarf. Tatsächlich schwieriger ist die Entscheidung aber, wenn der Vertreter Produkte bewirbt, deren Erwerb keiner weiteren Verhandlung bedarf, und er dem Kunden das Bestellformular überlässt, in welches nur noch die Anzahl der zu erwerbenden Produkte eingetragen werden muss. Hinterlässt er nur das Formular und unternimmt er keine weiteren Handlungen, die zum Vertragsschluss führen, liegt noch keine ausreichende Mitwirkung vor. Hingegen ist ein relevantes Vertreterhandeln anzunehmen, wenn der Vertreter den Kunden beim Ausfüllen des Bestellformulars unterstützt und dieses im Anschluss entgegennimmt, um es an seinen Prinzipal zum Vertragsschluss weiterzuleiten. Die tatsächliche Schwierigkeit steckt in diesem Beispiel im nachträglichen Nachweis, in welchem Umfang der Vertreter tätig bzw. nicht tätig geworden ist. Diese ist in jedem Fall gesondert zu untersuchen. Sofern der Vertreter in dem zuletzt genannten Beispiel erfolgsabhängig vergütet wird, spricht zumindest viel für eine Vertreterstellung im Sinne der Vorschrift (vgl. Art. 5 Rz. 90 OECDMK 2017). Regelmäßige Übernahme des Vertreterhandelns ohne wesentliche Änderung. Zugerechnet wird das Ver- 89 halten nur, wenn der Prinzipal das regelmäßig wiederkehrende Ergebnis des Vertreterhandelns grundsätzlich, d.h. ebenso regelmäßig ohne wesentliche Änderung übernimmt. Wesentliche Änderungen liegen vor, wenn der Vertrag bei wertender Betrachtung nach der Übernahme nicht mehr als der ursprüngliche angesehen werden kann, m.a.W. das zuletzt Vereinbarte vom ursprünglich Vereinbarten soweit abweicht, dass der ursprüngliche Kern verloren gegangen ist. Hiernach liegt eine Übernahme des ursprünglich Ausgehandelten noch vor, wenn sich nachträglich bloße Nebenbedingungen wie z.B. der Liefertermin ändern. Ebenso liegt m.E. noch eine nur unwesentliche Änderung des Vereinbarten vor, solange die essentialia negotii nachträglich nur in der Höhe angepasst werden, etwa der eine andere Menge des ursprünglich vereinbarten Produkts und damit einhergehend ein anderer Preis vereinbart werden. Denn ohne die Handlungen des Vertreters wäre der Kontakt und die Überzeugung des Kunden bis hin zur Kaufbereitschaft nicht zustande gekommen. Diese führende Rolle überwiegt bei wertender Betrachtung grundsätzlich auch dann, wenn sich Menge und Preis verändern. Indessen geht der Zurechnungszusammenhang des Vertreterhandelns verloren, wenn Prinzipal und Kunde (zwar) anlässlich des vermittelten Vertrags inhaltlich etwas vollkommen neues anderes vereinbaren. Auch hier ist die Grenze fließend und für jeden Einzelfall gesondert zu untersuchen. (c) Notwendiger Vertragsinhalt. Gemäß Art. 5 Abs. 5 (2017) ist es erforderlich, dass die Verträge entweder (a) im Namen des Unternehmens geschlossen werden oder (b) die Übertragung von Eigentum oder Nutzungsrechten an Vermögen, das dem Unternehmen gehört oder an dem ihm Nutzungsrechte zustehen, zum Gegenstand hat sowie (c) Regelungen, durch die der Prinzipal zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet wird, zum Gegenstand haben. Sofern der Vertreter im Namen des Vertretenen handelt (a) gilt die bisherige Rechtslage zu Art. 5 Abs. 5 fort. (s. Art. 5 (2014) Rz. 146 ff.). Ausreichend ist aber auch, wenn der Name des Vertretenen zwar nicht beim Vertragsschluss offengelegt wird, aber in den schriftlichen Dokumenten zum Ausdruck kommt (Art. 5 Rz. 93 OECD-MK 2017). Denkbar ist dies z.B. im Fall eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens.1 Die Alternativen (b) und (c) betreffen Verträge, die der Vertreter entweder im eigenen Namen abgeschlossen hat und die Verpflichtung des Prinzipals lediglich aufgrund der im Innen1 Hierzu s. Hopt in Baumbach/Hopt38, § 346 HGB Rz. 17.

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Art. 5 (2017) Rz. 90

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verhältnis zwischen Vertreter und Prinzipal bestehenden Vereinbarung besteht, oder bei Verträgen, bei denen der Vertreter nur die die führende Rolle übernommen hat und der Vertragsschluss vom Prinzipal selbst vorgenommen wird. Bei den zuletzt genannten ist es notwendig, dass sich der Vertragsinhalt auf den Transfer von Rechtspositionen an Vermögen oder Dienstleistungen des Prinzipals bezieht. Der Begriff Vermögen ist nicht näher definiert. Gemäß Art. 3 Abs. 2 sind als solche sämtliche sachlichen Vermögenspositionen, d.h. Eigentum oder Nutzungsrechte an materiellen oder immateriellen, beweglichen oder unbeweglichen Wirtschaftsgütern aber auch z.B. schwebende Verträge, anzusehen. Wegen des Rückverweises auf das innerstaatliche Recht entspricht der Begriff des Vermögens für Deutschland als Anwendestaat dem des Vermögensgegenstands i.S.d. §§ 5–8 BsGaV. Entscheidend ist nur, dass die Rechtsposition dem Prinzipal im Zeitpunkt der Erfüllung (Art. 5 Rz. 95 OECD-MK 2017) zusteht und er – im Gegensatz zum handelnden Vertreter – durch das Vertreterhandeln wirtschaftlich zur Übertragung der Position verpflichtet wird (Art. 5 Rz. 94 OECDMK 2017). Dies gilt entsprechend für Dienstleistungen, die der Prinzipal aufgrund des Vertreterhandelns an den Kunden erbringen muss (Art. 5 Rz. 91 OECD-MK 2017). Als typisches Beispiel für diese mittelbare Verpflichtung des Prinzipals nennt der Art. 5 Rz. 92 OECD-MK 2017 den Kommissionär, bei dem der Kommittent ohne rechtliche Verpflichtung im Außenverhältnis wirtschaftlich den Vertrag erfüllt, den der Kommissionär im eigenen Namen mit dem Kunden abgeschlossen hat. 91

Keine Vorbereitungs- bzw. Hilfstätigkeit i.S.d. Abs. 4 i.V.m. Abs. 4.1. Das Vorliegen eines abhängigen Vertreters i.S.d. Art. 5 Abs. 5 (2017) löst die Betriebsstättenfolgen nur aus, sofern die Tätigkeiten des Vertreters über reine Vorbereitungs- bzw. Hilfstätigkeiten i.S.d. Abs. 4 i.V.m. Abs. 4.1 hinausgehen (Art. 5 Rz. 85 OECD-MK 2017) (s. Rz. 58).

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Gewinn der Vertreterbetriebsstätte. Art. 5 Abs. 5 (2017) erweitert zwar den Begriff der Betriebsstätte, so dass die Anforderungen für Besteuerungsrecht des Quellenstaats sinken. Die Methode zur Ermittlung des Gewinns der Betriebsstätte wird hiervon nicht berührt. Hierfür gilt Art. 7. Dementsprechend gehören nicht sämtliche Erträge, die aus der Erfüllung der Verträge stammen, in die Bemessungsgrundlage. Vielmehr sind der Betriebsstätte nur jene Erträge zuzuordnen, die ihr verblieben, wenn der Prinzipal am Ort des Vertreters ein eigenständiges Unternehmen unterhielte. Von den der Vertreterbetriebsstätte zuzuordnenden Erträgen sind daher die fremdüblichen Vergütungen für den Vertreter in Abzug zu bringen (Art. 5 Rz. 101 OECDMK 2017). Maßgeblich hierfür sind Funktion und Risiko des Vertreters, die nach den Vorstellungen des AOA in der Betriebsstätte faktisch nicht trennbar sind (vgl. § 10 Abs. 2 BsGaV). Die Nullsummentheorie, nach der die fremdübliche Vergütung des Vertreters zum inhaltlichen Leerlaufen des Besteuerungsrechts für die Vertreterbetriebsstätte führt, kommt damit nicht mehr zur Anwendung,1 wenn der Vertreter nicht die vollumfängliche Verantwortung für sein Vertreterhandeln trägt.2

II. Änderungen durch Art. 12 Abs. 1 MLI – Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch Kommissionärsmodelle und ähnliche Strategien 93

Auszugsweiser Wortlaut des Art. 12 MLI.3 „(1) Ungeachtet der Bestimmungen eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens, die den Ausdruck „Betriebsstätte“ bestimmen, jedoch vorbehaltlich des Absatzes 2, wird, wenn eine Person in einem Vertragsstaat eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens für ein Unternehmen tätig ist und dabei gewöhnlich Verträge schließt oder gewöhnlich die führende Rolle beim Abschluss von Verträgen einnimmt, die regelmäßig ohne wesentliche Änderung durch das Unternehmen geschlossen werden, und es sich dabei um Verträge a) im Namen des Unternehmens oder b) zur Übertragung des Eigentums an oder zur Gewährung des Nutzungsrechts für Vermögen, das diesem Unternehmen gehört oder für das es das Nutzungsrecht besitzt, oder c) zur Erbringung von Dienstleistungen durch dieses Unternehmen handelt, das Unternehmen so behandelt, als habe es in Bezug auf alle von dieser Person für das Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten eine Betriebsstätte in diesem Vertragsstaat, es sei denn, diese Tätigkeiten, würden sie vom Unternehmen durch eine in diesem Vertragsstaat gelegene feste Geschäftseinrichtung dieses Unternehmens ausgeführt, würden nicht dazu führen, dass diese feste Geschäftseinrichtung als Betriebsstätte im Sinne der in 1 Ebenso Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA Art. 5 OECD-MA Rz. 217; Wolff in Wassermeyer, Art. 5 DBAUSA Rz. 54. 2 Siehe hierzu Hruschka in FS Kuckhoff, S. 105 (111). 3 Die fett gedruckten Passagen bringen den Inhalt der Vorschrift zum Ausdruck, den Deutschland am 7.6.2017 gewählt hat.

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H. Unabhängiger Vertreter (Abs. 6)

Rz. 98 Art. 5 (2017)

dem unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen (in der gegebenenfalls durch dieses Übereinkommen geänderten Fassung) enthaltenen Bestimmung des Begriffs „Betriebsstätte“ behandelt würde. (…) (3) a) Absatz 1 gilt anstelle von Bestimmungen eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens, in denen die Voraussetzungen beschrieben sind, unter denen ein Unternehmen so behandelt wird, als habe es in Bezug auf eine von einer anderen Person als einem unabhängigen Vertreter für das Unternehmen ausgeübte Tätigkeit eine Betriebsstätte in einem Vertragsstaat (oder eine Person so behandelt wird, als sei sie in Bezug auf eine derartige Tätigkeit eine Betriebsstätte in einem Vertragsstaat), jedoch nur insoweit, als in diesen Bestimmungen der Fall geregelt ist, in dem diese Person in diesem Vertragsstaat eine Vollmacht für den Abschluss von Verträgen im Namen des Unternehmens besitzt und gewöhnlich ausübt. b) Absatz 2 gilt anstelle von Bestimmungen eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens, nach denen ein Unternehmen nicht so behandelt wird, als habe es in Bezug auf eine von einem unabhängigen Vertreter für das Unternehmen ausgeübte Tätigkeit eine Betriebsstätte in einem Vertragsstaat. (4) Eine Vertragspartei dieses Übereinkommens kann sich vorbehalten, dass dieser gesamte Artikel nicht für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt.“ Entsprechung der Vorschrift im BEPS-Aktionsplan und OECD-MA (2017). Art. 12 MLI setzt BEPS-Aktionspunkt 7 um. Die Vorschrift entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (2017). Zur Kommentierung der sich hieraus ergebenden Änderungen wird auf Art. 5 Abs. 5 (2017) verwiesen (s. Rz. 79 ff.)

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Keine Bedeutung des Art. 12 Abs. 1 MLI für Deutschland. Deutschland hat von seinem Vorbehaltsrecht gem. Art. 12 Abs. 4 MLI Gebrauch gemacht. Die Änderungen spielen daher für die konkreten DBA Deutschlands bis auf weiteres keine Rolle. In einzelnen DBA hat Deutschland aber bereits dem Art. 12 Abs. 1 MLI entsprechende Vereinbarungen getroffen (vgl. z.B. Art. 5 Abs. 8 DBA-Australien 2017).

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H. Unabhängiger Vertreter (Abs. 6) I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) Änderungen im Wortlaut im Vergleich zu Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (2014). Im Wortlaut des Art. 5 Abs. 6 wurden die Fallbeispiele unabhängiger Vertreter, nämlich Makler und Kommissionäre, ersatzlos gestrichen. Geblieben ist nur der unbestimmte Rechtsbegriff des unabhängigen Vertreters. Neu hinzugekommen ist die unwiderlegbare Vermutung des Art. 5 Abs. 6 Satz 2. Hiernach gelten Personen, soweit sie ausschließlich oder nahezu ausschließlich für eine oder mehrere eng verbundene Personen tätig sind, nicht als unabhängig, m.a.W. sie sind insoweit als abhängig anzusehen. Erhalten geblieben ist die Anforderung, dass der unabhängige Vertreter nur insoweit keine Betriebsstätte für seinen Prinzipal begründet, als er im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt.

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Unabhängiger Vertreter. Hinsichtlich der Person des Vertreters und dessen Unabhängigkeit gelten die Ausführungen zu Art. 5 (2014) fort (s. Art. 5 (2014) Rz. 168–169). Die Norm soll ausschließlich auf unabhängige Vertreter zur Anwendung kommen (Art. 5 Rz. 103 OECD-MK 2017). Die typischen Beispielfälle der „unabhängigen Vertreter, Makler und Kommissionäre“ wurden aus dem Wortlaut des Abs. 6 gestrichen. Damit wird verdeutlicht, dass die Bezeichnung und zivilrechtliche Ausgestaltung der Beziehung zwischen Vertreter und Prinzipal keinen Einfluss auf die Frage der Abhängigkeit des Vertreters haben soll. Inhaltlich ändert sich hierdurch nichts, da die Beispielsfälle auch schon bisher nur deklaratorischen Charakter hatten (s. Art. 5 (2014) Rz. 170). Entscheidend ist die wirtschaftliche Abhängigkeit.

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Ausschließliche oder nahezu ausschließliche Tätigkeit für eng verbundene Unternehmen. Gemäß Art. 5 Abs. 6 Satz 2 (2017) gelten Vertreter, die ausschließlich oder nahezu ausschließlich für ein oder mehrere Unternehmen, mit denen sie eng verbunden sind (Art. 5 Abs. 8 (2017)), tätig sind, nicht als unabhängig i.S.v. Abs. 6. Umgekehrt sollen aber Personen, die die Voraussetzungen des Abs. 6 Satz 2 nicht erfüllen, nicht automatisch als unabhängig anzusehen sein. Vielmehr ist in diesen Fällen die Unabhängigkeit anhand allgemeiner Kriterien (s. Rz. 39) eigenständig zu bestimmen (Art. 5 Rz. 111 OECD-MK 2017). Die Begriffe „ausschließlich“ bzw. „nahezu ausschließlich“ definiert das OECD-MA (2017) nicht. Nach allgemeinem innerstaatlichem Verständnis erfordern diese indiziell, dass der Vertreter mindestens 90 % seiner Tätigkeiten

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Art. 5 (2017) Rz. 98

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für eng verbundene Unternehmen verrichten muss.1 Entscheidend ist das Vertreterhandeln. Dieses kann sowohl in Zeit, Anzahl der Wiederholungen als auch in Geldwert gemessen werden. Welcher dieser Maßstäbe anzuwenden ist, ist sachgerecht im Einzelfall zu entscheiden. Da sich Abhängigkeit und Unabhängigkeit i.S.v. Abs. 5 und 6 spiegelbildlich ausschließen,2 bedeutet die Fiktion des Abs. 6 Satz 2, dass Unternehmen i.S.d. Abs. 8 bei konzernbezogener Tätigkeit im eben genannten Umfang zwingend als abhängig anzusehen sind. 99 100

Handeln innerhalb der ordentlichen Geschäftstätigkeit. Siehe Art. 5 (2014) Rz. 171–173. Deutscher Vorbehalt der Anwendung. Deutschland hat sich das Recht vorbehalten, weiterhin in seiner Abkommenspraxis die Formulierung des Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (2014) anzuwenden (Art. 5 Rz. 214 OECD-MK 2017). Gleichwohl hat es eine Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (2017) entsprechende Regelung in Art. 5 Abs. 8 DBA-Australien 2017 vereinbart.

II. Änderungen durch Art. 12 Abs. 2 MLI 101

Auszugsweiser Wortlaut des Art. 12 MLI.3 (…) „(2) Absatz 1 [„Abhängiger Vertreter“; Anm. d. Autors] gilt nicht, wenn die in einem Vertragsstaat eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens für ein Unternehmen des anderen Vertragsstaats tätige Person im erstgenannten Vertragsstaat eine Geschäftstätigkeit als unabhängiger Vertreter ausübt und im Rahmen dieser ordentlichen Geschäftstätigkeit für das Unternehmen handelt. Ist eine Person jedoch ausschließlich oder nahezu ausschließlich für ein oder mehrere Unternehmen tätig, mit dem beziehungsweise denen sie eng verbunden ist, so gilt diese Person in Bezug auf dieses beziehungsweise diese Unternehmen nicht als unabhängiger Vertreter im Sinne dieses Absatzes. (…) (4) Eine Vertragspartei dieses Übereinkommens kann sich vorbehalten, dass dieser gesamte Artikel nicht für ihre unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt.“

102

Entsprechung der Vorschrift im BEPS-Aktionsplan und OECD-MA (2017). Art. 12 Abs. 2 MLI setzt BEPS-Aktionspunkt 7 um. Die Vorschrift entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (2017). Siehe Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (2017) (s. Rz. 96 ff.).

103

Keine Bedeutung des Art. 12 Abs. 2 MLI für Deutschland. Deutschland hat von seinem Vorbehaltsrecht in Art. 12 Abs. 4 MLI Gebrauch gemacht. Die Änderungen spielen daher für die konkreten DBA Deutschlands bis auf weiteres keine Rolle. In einzelnen DBA hat Deutschland aber bereits dem Art. 12 Abs. 1 MLI bzw. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (2017) entsprechende Vereinbarungen getroffen (vgl. z.B. Art. 5 Abs. 8 DBAAustralien 2017).

I. Beherrschung (Abs. 7) I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) 104

Keine Änderungen im Wortlaut. Der Tatbestand des Art. 5 Abs. 7 (2014) besteht in Art. 5 Abs. 7 (2017) unverändert fort.

105

Fortgeltung der Kommentierung zu Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (2014). Art. 5 Abs. 7 regelt, dass allein dadurch, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft eine Gesellschaft beherrscht oder von einer Gesellschaft beherrscht wird, die im anderen Vertragsstaat ansässig ist oder dort (entweder durch eine Betriebsstätte oder auf andere Weise) ihre Geschäftstätigkeit ausübt, keine der beiden Gesellschaften zur Betriebsstätte der anderen wird. Mangels Änderung des Wortlauts findet die Kommentierung zu Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (2014) vollumfänglich Anwendung auf die Neufassung (s. Art. 5 (2014) Rz. 174–179).

1 Vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122; Heinicke in Schmidt37, § 2a EStG Rz. 14. 2 Vgl. Häck in F/W/K, DBA-Schweiz, Art. 5 Anm. 106. 3 Die fett gedruckten Passagen bringen den Inhalt der Vorschrift zum Ausdruck, den Deutschland am 7.6.2017 gewählt hat.

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J. Eng verbundenes Unternehmen (Abs. 8)

Rz. 111 Art. 5 (2017)

II. Änderungen durch das MLI Keine Änderung durch das MLI. Das MLI lässt den Tatbestand des Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (2014) unangetastet. Dementsprechend findet die Kommentierung zu Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (2014) vollumfänglich Anwendung (s. Art. 5 (2014) Rz. 174–179).

106

J. Eng verbundenes Unternehmen (Abs. 8) I. Änderungen im Vergleich zum OECD-MA (2014) Änderungen im Wortlaut. Art. 5 Abs. 8 OECD-MA (2017) hat keine Entsprechung in Art. 5 OECD-MA (2014). Er wurde erstmals in den Abkommenstext aufgenommen. Er entspricht Art. 15 MLI.

107

Inhalt und Zweck der Norm. Art. 7 Abs. 8 (2017) dient als Definition für die Frage der Unabhängigkeit des Vertreters (Art. 5 Abs. 6 Satz 2 (2017); s. Rz. 96) und der rechtsträgerübergreifenden Betrachtung zur Beurteilung, ob eine Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeit gegeben ist (Art. 5 Abs. 4.1 (2017); s. Rz. 60 ff.). Der Vorschrift entsprechend gelten zwei Unternehmen als miteinander eng verbunden, wenn beide Unternehmen unmittelbar oder mittelbar durch eine Beteiligung von mehr als 50 % der Gesamtstimmrechte und des Gesamtwerts der Anteile der Gesellschaft oder der Eigentumsrechte an der Gesellschaft miteinander verbunden sind. Unbeachtlich ist, ob das Unternehmen herrschend oder beherrscht ist oder ob beide beherrscht sind.

108

Abgrenzung zu Art. 5 Abs. 7. Art. 5 Abs. 8 lässt die Anti-Organ-Klausel, nach der bei beherrschenden oder beherrschten Gesellschaften allein aufgrund ihrer wechselseitigen Verbundenheit keine Betriebsstättenfolgen gezogen werden dürfen (s. Art. 5 (2014) Rz. 174 ff.), unberührt. Denn die bloße enge Verbundenheit als solche löst für sich gesehen keine Betriebsstättenfolgen aus. Erst wenn das eng verbundene Unternehmen die weiteren Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 (2017) erfüllt, wirkt die Anwesenheit des Vertreters im Quellenstaat für den Prinzipal betriebsstättenbegründend.

109

II. Änderungen durch Art. 15 MLI – Bestimmung des Begriffs der mit einem Unternehmen eng verbundenen Person (Art. 15 MLI) Auszugsweiser Wortlaut des Art. 15 MLI.1 „(1) Im Sinne eines durch Artikel 12 (Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch Kommissionärsmodelle und ähnliche Strategien) Absatz 2, Artikel 13 (Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch die Ausnahme bestimmter Tätigkeiten) Absatz 4 oder Artikel 14 (Aufteilung von Verträgen) Absatz 1 geänderten unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens ist eine Person mit einem Unternehmen eng verbunden, wenn allen maßgeblichen Tatsachen und Umständen zufolge die Person das Unternehmen oder das Unternehmen die Person beherrscht oder beide von denselben Personen oder Unternehmen beherrscht werden. In jedem Fall gilt eine Person als mit einem Unternehmen eng verbunden, wenn einer von beiden mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 Prozent der Eigentumsrechte am anderen (oder bei einer Gesellschaft mehr als 50 Prozent der Gesamtstimmrechte und des Gesamtwerts der Anteile der Gesellschaft oder der Eigentumsrechte an der Gesellschaft) besitzt oder wenn eine weitere Person mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 Prozent der Eigentumsrechte an der Person und dem Unternehmen (oder bei einer Gesellschaft mehr als 50 Prozent der Gesamtstimmrechte und des Gesamtwerts der Anteile der Gesellschaft oder der Eigentumsrechte an der Gesellschaft) besitzt. (2) Eine Vertragspartei dieses Übereinkommens, welche die in Artikel 12 (Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch Kommissionärsmodelle und ähnliche Strategien) Absatz 4, Artikel 13 (Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch die Ausnahme bestimmter Tätigkeiten) Absatz 6 Buchstabe a oder c und Artikel 14 (Aufteilung von Verträgen) Absatz 3 Buchstabe a beschriebenen Vorbehalte angebracht hat, kann sich vorbehalten, dass dieser gesamte Artikel nicht für die unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen gilt, für die diese Vorbehalte gelten.“

110

Allgemeines. Art. 15 MLI setzt den BEPS-Aktionspunkt 7 um,2 der die Einführung einer Definition des eng verbundenen Unternehmens enthält. Die Regelung entspricht Art. 5 Abs. 8 OECD-MA (2017). Als sol-

111

1 Die fett gedruckten Passagen bringen den Inhalt der Vorschrift zum Ausdruck, den Deutschland am 7.6.2017 gewählt hat. 2 BEPS-Final Report – Action 7 Rz. 9.

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Art. 5 (2017) Rz. 111

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che dient die Vorschrift als Definition für die Frage der Unabhängigkeit des Vertreters (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 MLI), der rechtsträgerübergreifenden Betrachtung zur Beurteilung, ob eine Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeit gegeben ist (Art. 13 Abs. 4 MLI), oder zur Fristermittlung bei Bau- und Montagebetriebsstätten (Art. 14 MLI; s. Rz. 32 ff.). 112

Bedeutung des Art. 15 MLI für Deutschland. Deutschland hat von dem Vorbehaltsrecht gem. Art. 15 Abs. 2 MLI Gebrauch gemacht, da die Definition für Deutschland keinen Anwendungsbereich hat, da es weder Art. 12 MLI (Kommissionärsmodelle u.Ä.) noch Art. 13 Abs. 4 MLI (additive Betrachtung von „Hilfsbzw. Vorbereitungsbetriebsstätten“ eng verbundener Unternehmen) bzw. Art. 14 (künstliche Vertragsaufspaltung) mit einem der am MLI beteiligten Staaten vereinbart hat.1

K. Bedeutung des MLI in Bezug auf die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten 113

Allgemeines zur Bedeutung des MLI für die DBA Deutschlands. Deutschland hat das MLI bisher noch nicht ratifiziert. Dessen ungeachtet hat es sich entschieden, die Folgen aus dem MLI so weit wie möglich durch Neuverhandlungen bzw. Revisionsprotokolle mit den jeweiligen Vertragsstaaten in einem ersten Schritt völkerrechtlich zu vereinbaren und in einem zweiten Schritt durch ein entsprechendes Transformationsgesetz in nationales Recht umzusetzen. Im Ergebnis passt Deutschland auf diesem eingeschlagenen Weg die vom MLI betroffenen DBA bilateral im Sinne des MLI an. Die Notifizierung der Umsetzung ggü. der OECD hat insoweit nur klarstellende Wirkung. Im Übrigen wird das MLI in Deutschland durch einzelstaatbezogene nationale Transformationsgesetze umgesetzt und sodann der OECD notifiziert. Dieser Prozess war zum Redaktionsschluss Ende 2018 noch nicht abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund geben die im Rahmen des MLI-Verfahrens am 7.6.2017 von Deutschland ausgeübten Wahlrechte lediglich den Inhalt der – ggf. noch durchzuführenden – Neuverhandlungen bzw. einzelstaatbezogenen, nationalen Transformationsgesetze wieder (s. auch Rz. 17).

I. Belgien 114

Kein Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Das DBA-Belgien (1967/2002/2010) wird nicht durch das MLI modifiziert, da keiner der beiden Staaten bisher von seinem Wahlrecht, den anderen Staat als solchen i.S.d. MLI anzusehen, ggü der OECD durch Notifizierung Gebrauch gemacht hat. Damit gelten die Regeln zum bisherigen DBA fort (s. Art. 5 OECD-MA (2014).

II. China 115

Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Das DBA-China (2014) ist vom MLI umfasst (CTA). Der von Deutschland eingeschlagene Weg der bilateralen Revision des DBA war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht vollzogen.

116

Bau- und Montagebetriebsstätten (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (2017)). Das spezielle Verbot der Aufteilung von Verträgen im Bau- und Montagebereich i.S.v. Art. 14 MLI, welches qualifizierte Anwesenheitszeiten von über 30 Tagen im Quellenstaat für Zwecke der Fristberechnung einbezieht (s. Rz. 32 ff.), kommt im Verhältnis zu China nicht zur Anwendung, da beide Staaten am 7.6.2017 von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 14 Abs. 3 Buchst. a MLI Gebrauch gemacht haben. Die Antimissbrauchsregel i.S.v. Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) bzw. Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 MLI (s. Rz. 28) kommt wegen des Vorbehalts Deutschlands in Art. 7 Abs. 15 Buchst. b MLI nicht zur Anwendung, da Art. 29 Abs. 1 DBA China (2014) bereits eine entsprechende Missbrauchsklausel enthält. Für die Betriebsstättenbesteuerung im Verhältnis zu China bedeutet dies, dass die rechtliche Aufteilung wirtschaftlich einheitlicher Tätigkeiten desselben Steuerpflichtigen (s. Rz. 51) sowie die tatsächliche Aufteilung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten auf verschiedene Steuerpflichtige (s. Rz. 52) abkommensrechtlich nur anzuerkennen ist, wenn der Nachweis der Abkommenskonformität der Gestaltung nachgewiesen wird (s. Rz. 50). Besondere Bedeutung kommt dieser Regelung in Bezug auf die Fristberechnung bei Bau- und Montagebetriebsstätten zu (s. Rz. 57).

117

Beschränkung der ausschließlichen Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fester Geschäftseinrichtung (Art. 5 Abs. 4, Abs. 4.1 OECD-MA (2017); Art. 13 Abs. 2, Abs. 4 MLI). China hat sich gem. Art. 13 Abs. 6 1 Siehe http://www.oecd.org/tax/treaties/mli-matching-database.htm.

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K. Bedeutung des MLI in Bezug auf die DBA Deutschlands

Rz. 124 Art. 5 (2017)

Buchst. a MLI vorbehalten, den gesamten Art. 13 MLI nicht anzuwenden. Damit ist die von Deutschland gem. Art. 13 Abs. 2 MLI gewählte Option A (s. Rz. 63) unbeachtlich. Da die gewählte Option A jedoch dem bisherigen deutschen Verständnis entspricht (s. Rz. 65), nach welchem sämtliche Tätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 (2014) keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 (2014) begründet haben, wenn sie lediglich Vorbereitungs- bzw. Hilfscharakter hatten, ändert sich die Abkommenspraxis im Verhältnis zu China nicht. Die Antifragmentierungsregel i.S.v. Art. 13 Abs. 4 MLI hat Deutschland explizit und China insgesamt abgelehnt. Im Ergebnis werden feste Geschäftseinrichtungen nur dann zu Betriebsstätten, wenn die dort ausgeübten Tätigkeiten bei wertender Betrachtung zumindest einen wesentlichen Hauptteil der Tätigkeit des Gesamtunternehmens darstellen. Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5, Abs. 6 OECD-MA (2017); Art. 12 MLI). Die Regelungen zum abhängigen (s. Rz. 79) bzw. unabhängigen Vertreter (s. Rz. 96) kommen nicht zur Anwendung, da beide Staaten von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 12 Abs. 4 MLI Gebrauch gemacht haben.

118

Eng verbundenes Unternehmen (Art. 5 Abs. 8 OECD-MA, Art. 15 MLI). Die Definition des „eng verbundenen Unternehmens“ (s. Rz. 110) kommt nicht zur Anwendung, da beide Staaten von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 15 Abs. 2 MLI Gebrauch gemacht haben.

119

III. Frankreich Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Das DBA-Frankreich (2015) ist vom MLI umfasst (CTA). Frankreich hat das Abkommen bereits ratifiziert und am 26.9.2018 der OECD notifiziert. Aus dessen Sicht tritt das MLI zum 1.1.2019 in Kraft. Deutschland hat diesen Prozess zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht vollzogen.

120

Bau- und Montagebetriebsstätten (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (2017)). Frankreich möchte das spezielle Verbot der Aufteilung von Verträgen im Bau- und Montagebereich i.S.v. Art. 14 MLI, welches qualifizierte Anwesenheitszeiten von über 30 Tagen im Quellenstaat für Zwecke der Fristberechnung einbezieht (s. Rz. 32), anwenden. Es kommt jedoch im Verhältnis zu Frankreich nicht zur Anwendung, da Deutschland am 7.6.2017 von seinem Vorbehaltsrecht gem. Art. 14 Abs. 3 Buchst. a MLI Gebrauch gemacht hat. Die Antimissbrauchsregel i.S.v. Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) bzw. Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 MLI (s. Rz. 28) kommt im Verhältnis zu Frankreich zur Anwendung. Für die Betriebsstättenbesteuerung im Verhältnis zu Frankreich bedeutet dies, dass die rechtliche Aufteilung wirtschaftlich einheitlicher Tätigkeiten desselben Steuerpflichtigen (s. Rz. 51) sowie die tatsächliche Aufteilung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten auf verschiedene Steuerpflichtige (s. Rz. 52) abkommensrechtlich nur anzuerkennen ist, wenn die Abkommenskonformität der Gestaltung nachgewiesen wird (s. Rz. 50). Besondere Bedeutung kommt dieser Regelung in Bezug auf die Fristberechnung bei Bau- und Montagebetriebsstätten zu (s. Rz. 57). Da Frankreich – entgegen Deutschland – Art. 14 MLI anwendet, ist in der Abkommenspraxis in Bezug auf Frankreich verstärkt mit einer extensiven Fristberechnung durch die dortige Verwaltung zu rechnen.

121

Beschränkung der ausschließlichen Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fester Geschäftseinrichtung (Art. 5 Abs. 4, Abs. 4.1 OECD-MA (2017); Art. 13 Abs. 2, Abs. 4 MLI). Frankreich hat am 7.6.2017 die Option B (s. Rz. 64), Deutschland die Option A (s. Rz. 63) gewählt. Damit kommt keine der beiden Optionen zur Anwendung (Art. 13 Abs. 7 Satz 2 MLI). Damit bleibt es – wie bisher – beim Recht des Anwendestaats, nach welchem aus deutscher Sicht sämtliche Tätigkeiten i.S.d. Abs. 4 keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 OECD-MA (2014) begründen, wenn sie lediglich Vorbereitungs- bzw. Hilfscharakter haben. Im Ergebnis werden – aus deutscher Sicht – feste Geschäftseinrichtungen dann zu Betriebsstätten, wenn die dort ausgeübten Tätigkeiten bei wertender Betrachtung zumindest einen wesentlichen Hauptteil der Tätigkeit des Gesamtunternehmens darstellen. Frankreich hat – im Unterschied zu Deutschland – die Anwendung der Antifragmentierungsregel gem. Art. 13 Abs. 4 MLI gewählt (s. Rz. 66, 75). Aus deutscher Sicht bleibt es beim PPT des Art. 7 MLI (s. Rz. 27, 122). In jedem Fall führt daher das MLI im Verhältnis zu Frankreich zur Gefahr einer rechtsträgerübergreifenden Konzernbetrachtungsweise.

122

Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5, Abs. 6 OECD-MA (2017); Art. 12 MLI). Frankreich wendet die Regeln zur weiten Interpretation der Vertreterbetriebsstätte an. Da Deutschland von seinem Vorbehaltsrecht gem. Art. 12 Abs. 4 MLI Gebrauch gemacht hat, kommen die Regelungen zum abhängigen (s. Rz. 79) bzw. unabhängigen Vertreter (s. Rz. 96) nicht zur Anwendung. In der Abkommenspraxis ist dessen ungeachtet mit einer vermehrten Annahme von Vertreterbetriebsstätten durch die französische Verwaltung zu rechnen.

123

Eng verbundenes Unternehmen (Art. 5 Abs. 8 OECD-MA, Art. 15 MLI). Frankreich will die Definition des eng verbundenen Unternehmens anwenden. Dies hat Bedeutung für die Vertreterbetriebsstätte i.S.v.

124

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Art. 5 (2017) Rz. 124

Betriebstätte

Art. 5 Abs. 5 bzw. 6 OECD-MA (2017) (s. Rz. 123), die Antifragmentierungsregel des Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA (2017) (s. Rz. 66) und das Verbot der Vertragsaufteilung bei Bau- und Montagebetriebsstätten (s. Rz. 32). Wegen des Vorbehalts Deutschlands gem. Art. 15 Abs. 2 MLI kommt die Definition des „eng verbundenen Unternehmens“ (s. Rz. 110) allerdings nicht zur Anwendung.

IV. Großbritannien 125

Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Das DBA-Großbritannien (2010/2014) ist vom MLI umfasst (CTA). Großbritannien hat das Abkommen bereits ratifiziert und am 29.6.2018 der OECD notifiziert. Aus dessen Sicht tritt das MLI zum 1.10.2018 in Kraft. Deutschland hat diesen Prozess zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht vollzogen.

126

Bau- und Montagebetriebsstätten (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (2017)). Das spezielle Verbot der Aufteilung von Verträgen im Bau- und Montagebereich i.S.v. Art. 14 MLI, welches qualifizierte Anwesenheitszeiten von über 30 Tagen im Quellenstaat für Zwecke der Fristberechnung einbezieht (s. Rz. 32), kommt im Verhältnis zu Großbritannien nicht zur Anwendung, da beide Staaten am 7.6.2017 von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 14 Abs. 3 Buchst. a MLI Gebrauch gemacht haben. Die Antimissbrauchsregel i.S.v. Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) bzw. Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 MLI (s. Rz. 45 ff.) kommt im Verhältnis zu Großbritannien zur Anwendung. Für die Betriebsstättenbesteuerung im Verhältnis zu Großbritannien bedeutet dies, dass die rechtliche Aufteilung wirtschaftlich einheitlicher Tätigkeiten desselben Steuerpflichtigen (s. Rz. 51) sowie die tatsächliche Aufteilung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten auf verschiedene Steuerpflichtige (s. Rz. 52) abkommensrechtlich nur anzuerkennen ist, wenn die Abkommenskonformität der Gestaltung nachgewiesen wird (s. Rz. 50).

127

Beschränkung der ausschließlichen Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fester Geschäftseinrichtung (Art. 5 Abs. 4, Abs. 4.1 OECD-MA (2017); Art. 13 Abs. 2, Abs. 4 MLI). Großbritannien hat am 7.6.2017 gem. Art. 13 Abs. 1 MLI keine der beiden Optionen A oder B, Deutschland die Option A (s. Rz. 63) gewählt. Damit kommt keine der beiden Optionen A oder B zur Anwendung (Art. 13 Abs. 7 Satz 2 MLI), so dass es deshalb – wie bisher – beim Recht des Anwendestaats, nach welchem aus deutscher Sicht sämtliche Tätigkeiten i.S.d. Abs. 4 keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begründen, die lediglich Vorbereitungs- bzw. Hilfscharakter haben. Im Ergebnis werden – aus deutscher Sicht – feste Geschäftseinrichtungen dann zu Betriebsstätten, wenn die dort ausgeübten Tätigkeiten bei wertender Betrachtung zumindest einen wesentlichen Hauptteil der Tätigkeit des Gesamtunternehmens darstellen. Großbritannien hat – im Unterschied zu Deutschland – die Anwendung der Antifragmentierungsregel gem. Art. 13 Abs. 4 MLI gewählt (s. Rz. 66, 75). Aus deutscher Sicht bleibt es beim PPT des Art. 7 MLI (s. Rz. 78, 45 ff.). In jedem Fall führt daher das MLI im Verhältnis zu Großbritannien zur Gefahr einer rechtsträgerübergreifenden Konzernbetrachtungsweise.

128

Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5, Abs. 6 OECD-MA (2017); Art. 12 MLI). Die Regelungen zum abhängigen (s. Rz. 79) bzw. unabhängigen Vertreter (s. Rz. 96) kommen nicht zur Anwendung, da beide Staaten von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 12 Abs. 4 MLI Gebrauch gemacht haben.

129

Eng verbundenes Unternehmen (Art. 5 Abs. 8 OECD-MA, Art. 15 MLI). Großbritannien will die Definition des eng verbundenen Unternehmens anwenden. Dies hat Bedeutung für die Antifragmentierungsregel des Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA (2017) (s. Rz. 66) und das Verbot der Vertragsaufteilung bei Bau- und Montagebetriebsstätten (s. Rz. 32). Wegen des Vorbehalts Deutschlands gem. Art. 15 Abs. 2 MLI kommt die Definition des „eng verbundenen Unternehmens“ (s. Rz. 110) allerdings nicht zur Anwendung.

V. Indien 130

Kein Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Zwar hat Indien das MLI unterzeichnet. Jedoch wird das DBA-Indien nicht durch das MLI modifiziert, da Deutschland Indien bisher nicht als Staat gewählt hat, für den das MLI zur Anwendung kommen soll. Damit gelten die Regeln zum bisherigen DBA-Indien (1995) fort (s. Art. 5 (2014) Rz. 261).

VI. Italien 131

Unklarheit, ob Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Bei der Notifikation i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. ii MLI zwischen Italien und Deutschland besteht eine aufklärungsbedürftige Diskrepanz, so dass im Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht gesagt werden konnte. ob das DBA-Italien (1989) ein CTA

376

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K. Bedeutung des MLI in Bezug auf die DBA Deutschlands

Rz. 138 Art. 5 (2017)

ist oder nicht. Rein vorsorglich werden gleichwohl die Vereinbarungen und Folgen des MLI aufgrund der im Übrigen ausgeübten Wahlrechte und Vorbehalte dargestellt. Bau- und Montagebetriebsstätten (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (2017)). Das spezielle Verbot der Aufteilung von Verträgen im Bau- und Montagebereich i.S.v. Art. 14 MLI, welches qualifizierte Anwesenheitszeiten von über 30 Tagen im Quellenstaat für Zwecke der Fristberechnung einbezieht (s. Rz. 32), kommt im Verhältnis zu Italien nicht zur Anwendung, da beide Staaten am 7.6.2017 von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 14 Abs. 3 Buchst. a MLI Gebrauch gemacht haben. Die Antimissbrauchsregel i.S.v. Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) bzw. Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 MLI (s. Rz. 29, 45 ff.) kommt im Verhältnis zu Italien zur Anwendung. Für die Betriebsstättenbesteuerung im Verhältnis zu Italien bedeutet dies, dass die rechtliche Aufteilung wirtschaftlich einheitlicher Tätigkeiten desselben Steuerpflichtigen (s. Rz. 51) sowie die tatsächliche Aufteilung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten auf verschiedene Steuerpflichtige (s. Rz. 52) abkommensrechtlich nur anzuerkennen ist, wenn die Abkommenskonformität der Gestaltung nachgewiesen wird (s. Rz. 50). Besondere Bedeutung kommt dieser Regelung in Bezug auf die Fristberechnung bei Bauund Montagebetriebsstätten zu (s. Rz. 57).

132

Beschränkung der ausschließlichen Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fester Geschäftseinrichtung (Art. 5 Abs. 4, Abs. 4.1 OECD-MA (2017); Art. 13 Abs. 2, Abs. 4 MLI). Italien und Deutschland haben am 7.6.2017 übereinstimmend die Option A (s. Rz. 63) gewählt. Im Verhältnis zu Italien können damit auch Tätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–d Haupttätigkeiten darstellen und damit betriebsstättenbegründend wirken, obwohl in diesen Textpassagen der Vorbehalt der Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fehlt. Im Ergebnis werden daher feste Geschäftseinrichtungen zu Betriebsstätten, wenn die dort ausgeübten Tätigkeiten bei wertender Betrachtung zumindest einen wesentlichen Hauptteil der Tätigkeit des Gesamtunternehmens darstellen. Italien hat – im Unterschied zu Deutschland – die Anwendung der Antifragmentierungsregel gem. Art. 13 Abs. 4 MLI gewählt (s. Rz. 66, 75). Aus deutscher Sicht bleibt es beim PPT des Art. 7 MLI (s. Rz. 78, 45 ff.). Wegen der unterschiedlichen Sichtweise führt das MLI im Verhältnis zu Italien zur Gefahr einer rechtsträgerübergreifenden Konzernbetrachtungsweise.

133

Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5, Abs. 6 OECD-MA (2017); Art. 12 MLI). Die Regelungen zum abhängigen (s. Rz. 79) bzw. unabhängigen Vertreter (s. Rz. 96) kommen nicht zur Anwendung, da beide Staaten von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 12 Abs. 4 MLI Gebrauch gemacht haben.

134

Eng verbundenes Unternehmen (Art. 5 Abs. 8 OECD-MA, Art. 15 MLI). Italien will Art. 5 Abs. 8 OECDMA bzw. Art. 15 MLI für Zwecke der Antifragmentierungsregel gem. Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA bzw. Art. 13 Abs. 4 MLI anwenden (s. Rz. 133). Da Deutschland von seinem Vorbehaltsrecht gem. Art. 15 Abs. 2 MLI Gebrauch gemacht hat, kommt die Definition des „eng verbundenen Unternehmens“ (s. Rz. 110) aber nicht zur Anwendung.

135

VII. Japan Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Das DBA-Japan (2015) ist vom MLI umfasst (CTA). Japan hat das Abkommen bereits ratifiziert und am 26.9.2018 der OECD notifiziert. Aus dessen Sicht tritt das MLI zum 1.1.2019 in Kraft. Deutschland hat diesen Prozess zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht vollzogen.

136

Bau- und Montagebetriebsstätten (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (2017)). Das spezielle Verbot der Aufteilung von Verträgen im Bau- und Montagebereich i.S.v. Art. 14 MLI, welches qualifizierte Anwesenheitszeiten von über 30 Tagen im Quellenstaat für Zwecke der Fristberechnung einbezieht (s. Rz. 32), kommt im Verhältnis zu Japan nicht zur Anwendung, da beide Staaten am 7.6.2017 von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 14 Abs. 3 Buchst. a MLI Gebrauch gemacht haben. Die Antimissbrauchsregel i.S.v. Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) bzw. Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 MLI (s. Rz. 29, 45 ff.) kommt wegen des Vorbehalts Deutschlands in Art. 7 Abs. 15 Buchst. b MLI nicht zur Anwendung, da Art. 21 Abs. 8 DBA-Japan (2015) bereits eine entsprechende Missbrauchsklausel enthält. Für die Betriebsstättenbesteuerung im Verhältnis zu Japan bedeutet dies, dass die rechtliche Aufteilung wirtschaftlich einheitlicher Tätigkeiten desselben Steuerpflichtigen (s. Rz. 51) sowie die tatsächliche Aufteilung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten auf verschiedene Steuerpflichtige (s. Rz. 52) abkommensrechtlich nur anzuerkennen ist, wenn die Abkommenskonformität der Gestaltung nachgewiesen wird (s. Rz. 50). Besondere Bedeutung kommt dieser Regelung in Bezug auf die Fristberechnung bei Bau- und Montagebetriebsstätten zu (s. Rz. 57).

137

Beschränkung der ausschließlichen Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fester Geschäftseinrichtung (Art. 5 Abs. 4, Abs. 4.1 OECD-MA (2017); Art. 13 Abs. 2, Abs. 4 MLI). Japan und Deutschland haben am 7.6.2017 übereinstimmend die Option A (s. Rz. 63) gewählt. Im Verhältnis zu Japan können damit auch Tätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–d Haupttätigkeiten darstellen und damit betriebsstättenbegrün-

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Art. 5 (2017) Rz. 138

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dend wirken, obwohl in diesen Textpassagen der Vorbehalt der Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fehlt. Im Ergebnis werden daher feste Geschäftseinrichtungen zu Betriebsstätten, wenn die dort ausgeübten Tätigkeiten bei wertender Betrachtung zumindest einen wesentlichen Hauptteil der Tätigkeit des Gesamtunternehmens darstellen. Japan hat – im Unterschied zu Deutschland – die Anwendung der Antifragmentierungsregel gem. Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA (2017) bzw. Art. 13 Abs. 4 MLI gewählt (s. Rz. 66, 75). Aus deutscher Sicht bleibt es beim PPT des Art. 7 MLI (s. Rz. 27, 122). Wegen der unterschiedlichen Sichtweise führt das MLI im Verhältnis zu Japan zur Gefahr einer rechtsträgerübergreifenden Konzernbetrachtungsweise. 139

Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5, Abs. 6 OECD-MA (2017); Art. 12 MLI). Japan wendet die Regeln zur weiten Interpretation der Vertreterbetriebsstätte an. Da Deutschland von seinem Vorbehaltsrecht gem. Art. 12 Abs. 4 MLI Gebrauch gemacht hat, kommen die Regelungen zum abhängigen (s. Rz. 79) bzw. unabhängigen Vertreter (s. Rz. 96) nicht zur Anwendung. In der Abkommenspraxis ist dessen ungeachtet mit einer vermehrten Annahme von Vertreterbetriebsstätten durch die japanische Verwaltung zu rechnen.

140

Eng verbundenes Unternehmen (Art. 5 Abs. 8 OECD-MA, Art. 15 MLI). Japan will die Definition des eng verbundenen Unternehmens anwenden. Dies hat Bedeutung für die Vertreterbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 5 bzw. 6 OECD-MA (2017) (s. Rz. 79 ff. bzw. 96 ff.) und die Antifragmentierungsregel des Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA (2017) (s. Rz. 66). Wegen des Vorbehalts Deutschlands gem. Art. 15 Abs. 2 MLI kommt die Definition des „eng verbundenen Unternehmens“ (s. Rz. 110) allerdings nicht zur Anwendung.

VIII. Kanada 141

Kein Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Das DBA-Kanada (2001) wird nicht durch das MLI modifiziert, da keiner der beiden Staaten bisher von seinem Wahlrecht, den anderen Staat als solchen i.S.d. MLI anzusehen, ggü. der OECD durch Notifizierung Gebrauch gemacht hat. Damit gelten die Regeln zum bisherigen DBA fort (s. Art. 5 (2014) Rz. 280 ff.).

IX. Luxemburg 142

Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Das DBA-Luxemburg (2012) ist vom MLI umfasst (CTA). Der von Deutschland eingeschlagene Weg der bilateralen Revision des DBA war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht vollzogen.

143

Bau- und Montagebetriebsstätten (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (2017)). Das spezielle Verbot der Aufteilung von Verträgen im Bau- und Montagebereich i.S.v. Art. 14 MLI, welches qualifizierte Anwesenheitszeiten von über 30 Tagen im Quellenstaat für Zwecke der Fristberechnung einbezieht (s. Rz. 32), kommt im Verhältnis zu Luxemburg nicht zur Anwendung, da beide Staaten am 7.6.2017 von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 14 Abs. 3 Buchst. a MLI Gebrauch gemacht haben. Die Antimissbrauchsregel i.S.v. Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) bzw. Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 MLI (s. Rz. 28) kommt im Verhältnis zu Luxemburg zur Anwendung. Für die Betriebsstättenbesteuerung bedeutet dies, dass die rechtliche Aufteilung wirtschaftlich einheitlicher Tätigkeiten desselben Steuerpflichtigen (s. Rz. 51) sowie die tatsächliche Aufteilung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten auf verschiedene Steuerpflichtige (s. Rz. 52) abkommensrechtlich nur anzuerkennen ist, wenn die Abkommenskonformität der Gestaltung nachgewiesen wird (s. Rz. 50). Besondere Bedeutung kommt dieser Regelung in Bezug auf die Fristberechnung bei Bau- und Montagebetriebsstätten zu (s. Rz. 57).

144

Beschränkung der ausschließlichen Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fester Geschäftseinrichtung (Art. 5 Abs. 4, Abs. 4.1 OECD-MA (2017); Art. 13 Abs. 2, Abs. 4 MLI). Luxemburg hat am 7.6.2017 die Option B (s. Rz. 64), Deutschland die Option A (s. Rz. 63) gewählt mit der Folge, dass keine der beiden Optionen zur Anwendung (Art. 13 Abs. 7 Satz 2 MLI) kommt. Damit bleibt es – wie bisher – beim Recht des Anwendestaats, nach welchem aus deutscher Sicht sämtliche Tätigkeiten i.S.d. Abs. 4 keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begründen, wenn sie lediglich Vorbereitungs- bzw. Hilfscharakter haben. Im Ergebnis werden – aus deutscher Sicht – feste Geschäftseinrichtungen dann zu Betriebsstätten, wenn die dort ausgeübten Tätigkeiten bei wertender Betrachtung zumindest einen wesentlichen Hauptteil der Tätigkeit des Gesamtunternehmens darstellen. Hinsichtlich der Antifragmentierungsregel gem. Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA (2017) bzw. Art. 13 Abs. 4 MLI haben Deutschland und Luxemburg übereinstimmend von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 13 Abs. 6 Buchst. a MLI Gebrauch gemacht. Damit kommt die rechtsträgerübergreifende Konzernbetrachtungsweise weder aus der Sicht Deutschlands noch aus der Sicht Luxemburgs zur Anwendung.

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K. Bedeutung des MLI in Bezug auf die DBA Deutschlands

Rz. 151 Art. 5 (2017)

Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5, Abs. 6 OECD-MA (2017); Art. 12 MLI). Die Regelungen zum abhängigen (s. Rz. 79) bzw. unabhängigen Vertreter (s. Rz. 96) kommen nicht zur Anwendung, da beide Staaten von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 12 Abs. 4 MLI Gebrauch gemacht haben.

145

Eng verbundenes Unternehmen (Art. 5 Abs. 8 OECD-MA, Art. 15 MLI). Die Definition des „eng verbundenen Unternehmens“ (s. Rz. 110) kommt nicht zur Anwendung, da beide Staaten von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 15 Abs. 2 MLI Gebrauch gemacht haben.

146

X. Niederlande Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Das DBA-Niederlande (2012/2016) ist vom MLI umfasst (CTA). Der von Deutschland eingeschlagene Weg der bilateralen Revision des DBA war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht vollzogen.

147

Bau- und Montagebetriebsstätten (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (2017)). Das spezielle Verbot der Aufteilung von Verträgen im Bau- und Montagebereich i.S.v. Art. 14 MLI, welches qualifizierte Anwesenheitszeiten von über 30 Tagen im Quellenstaat für Zwecke der Fristberechnung einbezieht (s. Rz. 32), ist nur in Bezug auf das Aufsuchen oder die Ausbeutung von natürlichen Ressourcen ausgeschlossen (Art. 14 Abs. 3 Buchst. b MLI). Insoweit besteht Konsens zwischen beiden Staaten. Im Übrigen wollen die Niederlande die additive Konzernbetrachtungsweise anwenden. Wegen des Vorbehalts Deutschlands gem. Art. 14 Abs. 3 Buchst. a MLI kommt das Aufteilungsverbot zwar rechtlich nicht zur Anwendung. Faktisch ist aber mit einer Einbeziehung von qualifizierten Anwesenheitszeiten zur Ermittlung der 12-Monatsfrist i.S.v. Art. 5 Abs. 3 DBA-Niederlande (2012/2016) zu rechnen. Die Antimissbrauchsregel i.S.v. Art. 29 Abs. 9 OECDMA (2017) bzw. Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 MLI (s. Rz. 29, 45 ff.) kommt im Verhältnis zu den Niederlanden zur Anwendung. Der Vorbehalt Deutschlands (Art. 7 Abs. 15 Buchst. b MLI), Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 MLI nicht anzuwenden, sofern eine Spezialregelung zur Missbrauchsvermeidung im DBA enthalten ist, kommt nicht zur Anwendung, da Art. 23 Abs. 1 DBA-Niederlande (2012/2016) lediglich das unilaterale Recht zur Anwendung der nationalen Missbrauchsvorschrift (z.B. § 42 AO) einräumt. Eine bilaterale, abkommensrechtliche Missbrauchsvermeidungsvorschrift, wie sie in Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 MLI enthalten ist, wird durch diese Regelung jedoch nicht geschaffen. Für die Betriebsstättenbesteuerung bedeutet dies, dass die rechtliche Aufteilung wirtschaftlich einheitlicher Tätigkeiten desselben Steuerpflichtigen (s. Rz. 51) sowie die tatsächliche Aufteilung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten auf verschiedene Steuerpflichtige (s. Rz. 52) abkommensrechtlich nur anzuerkennen ist, wenn die Abkommenskonformität der Gestaltung nachgewiesen wird (s. Rz. 50). Besondere Bedeutung kommt dieser Regelung in Bezug auf die Fristberechnung bei Bauund Montagebetriebsstätten zu (s. Rz. 57).

148

Beschränkung der ausschließlichen Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fester Geschäftseinrichtung (Art. 5 Abs. 4, Abs. 4.1 OECD-MA (2017); Art. 13 Abs. 2, Abs. 4 MLI). Die Niederlande und Deutschland haben am 7.6.2017 übereinstimmend die Option A (s. Rz. 63) gewählt. In diesem bilateralen Verhältnis stellen damit auch Tätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–d Haupttätigkeiten dar und wirken betriebsstättenbegründend, obwohl diesen Textpassagen der Vorbehalt der Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fehlt. Im Ergebnis werden feste Geschäftseinrichtungen zu Betriebsstätten, wenn die dort ausgeübten Tätigkeiten bei wertender Betrachtung zumindest einen wesentlichen Hauptteil der Tätigkeit des Gesamtunternehmens darstellen. Die Niederlande haben – im Unterschied zu Deutschland, das von seinem Vorbehaltsrecht gem. Art. 13 Abs. 6 Buchst. c MLI Gebrauch gemacht hat – die Anwendung der Antifragmentierungsregel gem. Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA (2017) bzw. Art. 13 Abs. 4 MLI gewählt (s. Rz. 66, 75). Wegen dieses Vorbehalts bleibt es beim PPT des Art. 7 MLI (s. Rz. 78, 45 ff.). Wegen der unterschiedlichen Sichtweise führt das MLI im Verhältnis zu den Niederlanden zur Gefahr einer rechtsträgerübergreifenden Konzernbetrachtungsweise.

149

Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5, Abs. 6 OECD-MA (2017); Art. 12 MLI). Die Niederlande wenden die Regeln zur weiten Interpretation der Vertreterbetriebsstätte an. Da Deutschland von seinem Vorbehaltsrecht gem. Art. 12 Abs. 4 MLI Gebrauch gemacht hat, kommen die Regelungen zum abhängigen (s. Rz. 79) bzw. unabhängigen Vertreter (s. Rz. 96) nicht zur Anwendung. In der Abkommenspraxis ist dessen ungeachtet mit einer vermehrten Annahme von Vertreterbetriebsstätten durch die niederländische Verwaltung zu rechnen.

150

Eng verbundenes Unternehmen (Art. 5 Abs. 8 OECD-MA, Art. 15 MLI). Die Niederlande wollen die Definition des eng verbundenen Unternehmens anwenden. Dies hat Bedeutung für die Vertreterbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 5 bzw. 6 (2017) (s. Rz. 79 ff. bzw. 96 ff.), das spezielle Verbot der Aufteilung von Bau- und Montageverträgen, sofern diese nicht die Erforschung oder Ausbeutung natürlicher Ressourcen betreffen,

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Art. 5 (2017) Rz. 151

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sowie die Antifragmentierungsregel des Art. 5 Abs. 4.1 (2017) (s. Rz. 66). Wegen des Vorbehalts Deutschlands gem. Art. 15 Abs. 2 MLI kommt die Definition des „eng verbundenen Unternehmens“ (s. Rz. 110) allerdings nicht zur Anwendung.

XI. Österreich 152

Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Das DBA-Österreich (2000/2010) ist vom MLI umfasst (CTA). Österreich hat das MLI in 2017 ratifiziert und die Anwendung der OECD am 22.9.2017 notifiziert. Im Unterschied zu Deutschland wird eine bilaterale Revision des bestehenden DBA und Transformation in nationales Recht nicht als erforderlich angesehen. Vielmehr genießt dort die völkerrechtliche Regelung des MLI Vorrang ebenso wie die DBA Vorrang vor den nationalen Rechtsvorschriften. Nach deutschem Verständnis kommt diese Betrachtung nicht in Frage, da DBA schlichtes Völkervertragsrecht darstellen, die zur Anwendung in nationales Recht transformiert werden müssen.1 Der von Deutschland eingeschlagene Weg der bilateralen Revision des DBA war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht vollzogen.

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Bau- und Montagebetriebsstätten (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (2017)). Das spezielle Verbot der Aufteilung von Verträgen im Bau- und Montagebereich i.S.v. Art. 14 MLI, welches qualifizierte Anwesenheitszeiten von über 30 Tagen im Quellenstaat für Zwecke der Fristberechnung einbezieht (s. Rz. 32), kommt im Verhältnis zu Österreich nicht zur Anwendung, da beide Staaten am 7.6.2017 von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 14 Abs. 3 Buchst. a MLI Gebrauch gemacht haben. Die Antimissbrauchsregel i.S.v. Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) bzw. Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 MLI (s. Rz. 29, 45 ff.) kommt trotz des Vorbehalts Deutschlands in Art. 7 Abs. 15 Buchst. b MLI zur Anwendung, da das DBA-Österreich (2000/2010) noch keine entsprechende Missbrauchsklausel enthält. Für die Betriebsstättenbesteuerung im Verhältnis zu Österreich bedeutet dies, dass die rechtliche Aufteilung wirtschaftlich einheitlicher Tätigkeiten desselben Steuerpflichtigen (s. Rz. 51) sowie die tatsächliche Aufteilung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten auf verschiedene Steuerpflichtige (s. Rz. 52) abkommensrechtlich nur anzuerkennen ist, wenn die Abkommenskonformität der Gestaltung nachgewiesen wird (s. Rz. 50). Besondere Bedeutung kommt dieser Regelung in Bezug auf die Fristberechnung bei Bau- und Montagebetriebsstätten zu (s. Rz. 57).

154

Beschränkung der ausschließlichen Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fester Geschäftseinrichtung (Art. 5 Abs. 4, Abs. 4.1 OECD-MA (2017); Art. 13 Abs. 2, Abs. 4 MLI). Österreich und Deutschland haben am 7.6.2017 übereinstimmend die Option A (s. Rz. 63) gewählt. Im Verhältnis zu Österreich können damit auch Tätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–d Haupttätigkeiten darstellen und damit betriebsstättenbegründend wirken, obwohl in diesen Textpassagen der Vorbehalt der Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fehlt. Im Ergebnis werden daher feste Geschäftseinrichtungen zu Betriebsstätten, wenn die dort ausgeübten Tätigkeiten bei wertender Betrachtung zumindest einen wesentlichen Hauptteil der Tätigkeit des Gesamtunternehmens darstellen. Hinsichtlich der Antifragmentierungsregel gem. Art. 5 Abs. 4. 1 OECDMA (2017) bzw. Art. 13 Abs. 4 MLI haben Deutschland und Österreich übereinstimmend von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 13 Abs. 6 Buchst. a MLI Gebrauch gemacht. Damit kommt die rechtsträgerübergreifende Konzernbetrachtungsweise weder aus der Sicht Deutschlands noch aus der Sicht Österreichs zur Anwendung.

155

Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5, Abs. 6 OECD-MA (2017); Art. 12 MLI). Die Regelungen zum abhängigen (s. Rz. 79) bzw. unabhängigen Vertreter (s. Rz. 96) kommen nicht zur Anwendung, da beide Staaten von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 12 Abs. 4 MLI Gebrauch gemacht haben.

156

Eng verbundenes Unternehmen (Art. 5 Abs. 8 OECD-MA, Art. 15 MLI). Die Definition des „eng verbundenen Unternehmens“ (s. Rz. 110) kommt nicht zur Anwendung da beide Staaten von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 15 Abs. 2 MLI Gebrauch gemacht haben.

XII. Russland 157

Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Das DBA-Russland (1996/2007) ist vom MLI umfasst (CTA). Der von Deutschland eingeschlagene Weg der bilateralen Revision des DBA war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht vollzogen.

158

Bau- und Montagebetriebsstätten (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (2017)). Das spezielle Verbot der Aufteilung von Verträgen im Bau- und Montagebereich i.S.v. Art. 14 MLI, welches qualifizierte Anwesenheitszeiten 1 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 = FR 2016, 326; BFH v. 25.5.2016 – I R 64/13, BStBl. II 2017, 1185.

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K. Bedeutung des MLI in Bezug auf die DBA Deutschlands

Rz. 164 Art. 5 (2017)

von über 30 Tagen im Quellenstaat für Zwecke der Fristberechnung einbezieht (s. Rz. 32), ist nur in Bezug auf das Aufsuchen oder die Ausbeutung von natürlichen Ressourcen ausgeschlossen (Art. 14 Abs. 3 Buchst. b MLI). Insoweit besteht Konsens zwischen beiden Staaten. Im Übrigen will Russland die additive Konzernbetrachtungsweise anwenden. Wegen des Vorbehalts Deutschlands gem. Art. 14 Abs. 3 Buchst. a MLI kommt das Aufteilungsverbot nicht zur Anwendung. Faktisch ist aber mit einer Einbeziehung von qualifizierten Anwesenheitszeiten zur Ermittlung der 12-Monatsfrist i.S.v. Art. 5 Abs. 3 DBA-Russland (1996/2007) zu rechnen. Die Antimissbrauchsregel i.S.v. Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) bzw. Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 MLI (s. Rz. 29, 45 ff.) kommt im Verhältnis zu Russland zur Anwendung. Für die Betriebsstättenbesteuerung bedeutet dies, dass die rechtliche Aufteilung wirtschaftlich einheitlicher Tätigkeiten desselben Steuerpflichtigen (s. Rz. 51) sowie die tatsächliche Aufteilung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten auf verschiedene Steuerpflichtige (s. Rz. 52) abkommensrechtlich nur anzuerkennen ist, wenn die Abkommenskonformität der Gestaltung nachgewiesen wird (s. Rz. 50). Besondere Bedeutung kommt dieser Regelung in Bezug auf die Fristberechnung bei Bau- und Montagebetriebsstätten zu (s. Rz. 57). Beschränkung der ausschließlichen Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fester Geschäftseinrichtung (Art. 5 Abs. 4, Abs. 4.1 OECD-MA (2017); Art. 13 Abs. 2, Abs. 4 MLI). Russland und Deutschland haben am 7.6.2017 übereinstimmend die Option A (s. Rz. 63) gewählt. In diesem bilateralen Verhältnis stellen damit auch Tätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–d Haupttätigkeiten dar und wirken betriebsstättenbegründend, obwohl diesen Textpassagen der Vorbehalt der Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fehlt. Im Ergebnis werden feste Geschäftseinrichtungen zu Betriebsstätten, wenn die dort ausgeübten Tätigkeiten bei wertender Betrachtung zumindest einen wesentlichen Hauptteil der Tätigkeit des Gesamtunternehmens darstellen. Russland hat – im Unterschied zu Deutschland, das von seinem Vorbehaltsrecht gem. Art. 13 Abs. 6 Buchst. c MLI Gebrauch gemacht hat – die Anwendung der Antifragmentierungsregel gem. Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA (2017) bzw. Art. 13 Abs. 4 MLI gewählt (s. Rz. 66, 75). Wegen dieses Vorbehalts bleibt es beim PPT des Art. 7 MLI (s. Rz. 78, 45 ff.). Wegen der unterschiedlichen Sichtweise führt das MLI im Verhältnis zu Russland zur Gefahr einer rechtsträgerübergreifenden Konzernbetrachtungsweise.

159

Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5, Abs. 6 OECD-MA (2017); Art. 12 MLI). Russland wendet die Regeln zur weiten Interpretation der Vertreterbetriebsstätte an. Da Deutschland von seinem Vorbehaltsrecht gem. Art. 12 Abs. 4 MLI Gebrauch gemacht hat, kommen die Regelungen zum abhängigen (s. Rz. 79) bzw. unabhängigen Vertreter (s. Rz. 96) nicht zur Anwendung. In der Abkommenspraxis ist dessen ungeachtet mit einer vermehrten Annahme von Vertreterbetriebsstätten durch die russische Verwaltung zu rechnen.

160

Eng verbundenes Unternehmen (Art. 5 Abs. 8 OECD-MA, Art. 15 MLI). Russland will die Definition des eng verbundenen Unternehmens anwenden. Dies hat Bedeutung für die Vertreterbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 5 bzw. 6 OECD-MA (2017) (s. Rz. 79 ff. bzw. 96 ff.), das spezielle Verbot der Aufteilung von Bau- und Montageverträgen, sofern diese nicht die Erforschung oder Ausbeutung natürlicher Ressourcen betreffen, sowie die Antifragmentierungsregel des Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA (2017) (s. Rz. 66). Wegen des Vorbehalts Deutschlands gem. Art. 15 Abs. 2 MLI kommt die Definition des „eng verbundenen Unternehmens“ (s. Rz. 110) allerdings nicht zur Anwendung.

161

XIII. Schweiz Kein Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Das DBA-Schweiz (2010) wird nicht durch das MLI modifiziert, da keiner der beiden Staaten bisher von seinem Wahlrecht ggü. der OECD durch Notifizierung Gebrauch gemacht hat, den anderen Staat als solchen i.S.d. MLI anzusehen. Damit gelten die Regeln zum bisherigen DBA fort (s. Art. 5 (2014) Rz. 302 ff.).

162

XIV. Spanien Abkommen i.S.d. MLI (CTA). Das DBA-Spanien (2011) ist vom MLI umfasst (CTA). Der von Deutschland eingeschlagene Weg der bilateralen Revision des DBA war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht vollzogen.

163

Bau- und Montagebetriebsstätten (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (2017)). Das spezielle Verbot der Aufteilung von Verträgen im Bau- und Montagebereich i.S.v. Art. 14 MLI, welches qualifizierte Anwesenheitszeiten von über 30 Tagen im Quellenstaat für Zwecke der Fristberechnung einbezieht (s. Rz. 32), kommt im Verhältnis zu Spanien nicht zur Anwendung, da beide Staaten am 7.6.2017 von ihrem Vorbehaltsrecht gem. Art. 14 Abs. 3 Buchst. a MLI Gebrauch gemacht haben. Die Antimissbrauchsregel i.S.v. Art. 29 Abs. 9 OECD-MA (2017) bzw. Art. 7 Abs. 1, Abs. 4 MLI (s. Rz. 29, 45 ff.) kommt im Verhältnis zu Spanien zur An-

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wendung. Für die Betriebsstättenbesteuerung bedeutet dies, dass die rechtliche Aufteilung wirtschaftlich einheitlicher Tätigkeiten desselben Steuerpflichtigen (s. Rz. 51) sowie die tatsächliche Aufteilung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten auf verschiedene Steuerpflichtige (s. Rz. 52) abkommensrechtlich nur anzuerkennen ist, wenn die Abkommenskonformität der Gestaltung nachgewiesen wird (s. Rz. 50). Besondere Bedeutung kommt dieser Regelung in Bezug auf die Fristberechnung bei Bau- und Montagebetriebsstätten zu (s. Rz. 57). 165

Beschränkung der ausschließlichen Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fester Geschäftseinrichtung (Art. 5 Abs. 4, Abs. 4.1 OECD-MA (2017); Art. 13 Abs. 2, Abs. 4 MLI). Spanien und Deutschland haben am 7.6.2017 übereinstimmend die Option A (s. Rz. 63) gewählt. In diesem bilateralen Verhältnis stellen damit auch Tätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–d Haupttätigkeiten dar und wirken betriebsstättenbegründend, obwohl diesen Textpassagen der Vorbehalt der Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion fehlt. Im Ergebnis werden feste Geschäftseinrichtungen zu Betriebsstätten, wenn die dort ausgeübten Tätigkeiten bei wertender Betrachtung zumindest einen wesentlichen Hauptteil der Tätigkeit des Gesamtunternehmens darstellen. Spanien hat – im Unterschied zu Deutschland, das von seinem Vorbehaltsrecht gem. Art. 13 Abs. 6 Buchst. c MLI Gebrauch gemacht hat – die Anwendung der Antifragmentierungsregel gem. Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA (2017) bzw. Art. 13 Abs. 4 MLI gewählt (s. Rz. 66, 75). Wegen dieses Vorbehalts bleibt es beim PPT des Art. 7 MLI (s. Rz. 78, 45 ff.). Wegen der unterschiedlichen Sichtweise führt das MLI im Verhältnis zu Spanien zur Gefahr einer rechtsträgerübergreifenden Konzernbetrachtungsweise.

166

Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5, Abs. 6 OECD-MA (2017); Art. 12 MLI). Spanien wendet die Regeln zur weiten Interpretation der Vertreterbetriebsstätte an. Da Deutschland von seinem Vorbehaltsrecht gem. Art. 12 Abs. 4 MLI Gebrauch gemacht hat, kommen die Regelungen zum abhängigen (s. Rz. 79) bzw. unabhängigen Vertreter (s. Rz. 96) nicht zur Anwendung. In der Abkommenspraxis ist dessen ungeachtet mit einer vermehrten Annahme von Vertreterbetriebsstätten durch die spanische Verwaltung zu rechnen.

167

Eng verbundenes Unternehmen (Art. 5 Abs. 8 OECD-MA, Art. 15 MLI). Spanien will die Definition des eng verbundenen Unternehmens anwenden. Dies hat Bedeutung für die Vertreterbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 5 bzw. 6 OECD-MA (2017) (s. Rz. 79 ff. bzw. 96 ff.), das spezielle Verbot der Aufteilung von Bau- und Montageverträgen, sofern diese nicht die Erforschung oder Ausbeutung natürlicher Ressourcen betreffen, sowie die Antifragmentierungsregel des Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA (2017) (s. Rz. 66). Wegen des Vorbehalts Deutschlands gem. Art. 15 Abs. 2 MLI kommt die Definition des „eng verbundenen Unternehmens“ (s. Rz. 110) allerdings nicht zur Anwendung.

XV. USA 168

Keine Unterzeichnung des MLI. Die USA haben das MLI nicht unterzeichnet. Dementsprechend ergeben sich keine Änderungen aus dem MLI für das DBA-USA (2008).

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Hruschka

Abschnitt III. Besteuerung des Einkommens

Artikel 6 Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (1) Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unbeweglichem Vermögen (einschließlich der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) bezieht, das im anderen Vertragsstaat liegt, können im anderen Staat besteuert werden. (2) 1Der Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ hat die Bedeutung, die ihm nach dem Recht des Vertragsstaats zukommt, in dem das Vermögen liegt. 2Der Ausdruck umfasst in jedem Fall das Zubehör zum unbeweglichen Vermögen, das lebende und tote Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, die Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten, Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen sowie Rechte auf veränderliche oder feste Vergütungen für die Ausbeutung oder das Recht auf Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen; Schiffe und Luftfahrzeuge gelten nicht als unbewegliches Vermögen. (3) Absatz 1 gilt für die Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung, der Vermietung oder Verpachtung sowie jeder anderen Art der Nutzung unbeweglichen Vermögens. (4) Die Absätze 1 und 3 gelten auch für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen eines Unternehmens. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis zu Art. 7 . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zu Art. 8 . . . . . . . . . . . c) Verhältnis zu Art. 10 . . . . . . . . . . . d) Verhältnis zu Art. 11 . . . . . . . . . . . e) Verhältnis zu Art. 12 . . . . . . . . . . . f) Verhältnis zu Art. 13 . . . . . . . . . . . g) Verhältnis zu Art. 21 . . . . . . . . . . . h) Verhältnis zu Art. 22 . . . . . . . . . . . 2. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . a) Deutschland als Belegenheitsstaat . . . b) Deutschland als Ansässigkeitsstaat . . . B. Belegenheitsprinzip (Abs. 1) . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen . 1. Einkünftebegriff . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bezug von Einkünften . . . . . . . . . . . . III. In einem Vertragsstaat ansässige Person . . IV. Im anderen Vertragsstaat belegenes unbewegliches Vermögen . . . . . . . . . . 1. Begriff des unbeweglichen Vermögens . . . 2. Belegenheit im anderen Vertragsstaat . . . V. Rechtsfolge: Zuweisung des Besteuerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besteuerungsrecht des Quellenstaats . . . . 2. Ausübung des Besteuerungsrechts . . . . . C. Unbewegliches Vermögen (Abs. 2) . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Verweis auf das Recht des Belegenheitsstaats (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Recht des Belegenheitsstaats . . . . . . . . . 2. Unbewegliches Vermögen nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßgebliche Vorschriften . . . . . . . . . b) Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gebäude . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gebäudeteile . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bestandteile eines Gebäudes/ Betriebsvorrichtungen . . . . . . . . . . . f) Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Immobilienfonds . . . . . . . . . . . . . III. Konkretisierung des Begriffs „unbewegliches Vermögen“ (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . 1. Positivkatalog (Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1) . . . . a) Verhältnis zu Abs. 2 Satz 1 . . . . . . . . b) Zubehör zum unbeweglichen Vermögen . c) Lebendes und totes Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe . . . . . . . d) Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten . . e) Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Dingliche Nutzungsrechte . . . . . . bb) Obligatorische Nutzungsrechte . . . f) Ausbeuterechte . . . . . . . . . . . . . . 2. Negativkatalog (Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2) . . . D. Nutzung unbeweglichen Vermögens (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung . III. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Art. 6

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

IV. Einkünfte aus jeder anderen Art der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abgrenzung zur Veräußerung . . . . . E. Unternehmerisch genutztes unbewegliches Vermögen (Abs. 4) . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . II. Vorrang des Belegenheits- vor dem Betriebsstättenprinzip . . . . . . . . . . 1. Einkünfte eines Unternehmens . . . . . 2. Unbewegliches Vermögen im Ansässigkeitsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unbewegliches Vermögen in einem Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . IV. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . 2. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . V. Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . VI. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . .

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VII. 1. 2. 3. 4. VIII. 1. 2. 3. IX. 1. 2. 3. 4. X. 1. 2. 3. 4. XI. 1. 2. XII. 1. 2. 3. XIII. 1. 2. 3. XIV. 1. 2. 3. XV. 1. 2. 3.

Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . DBA-Japan 2015 . . . . . . . . . . . . Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . DBA-Luxemburg 2012 . . . . . . . . Niederlande . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . DBA-Niederlande 2012 . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Russland . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung .

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OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: https://doi.org/10.1787/20745419.

KOMMENTIERUNG ZU ART. 6 Ausgewählte Literatur: Bisle, Das neue DBA-Spanien, PIStB 2011, 163; Büttgen/Kaiser/Raible, Praxishinweise zum neuen DBA mit Großbritannien, BB 2011, 862; Debatin, Die Land- und Forstwirtschaft im Spiegel des Internationalen Steuerrechts, DB 1988, 1285; Demuth, Auslandsimmobilien und – beteiligungen im Ertragsteuerrecht, KÖSDI 2010, 17245; Eisennack/Pohl, Altes und Neues zur Besteuerung von Immobilieninvestitionen in Großbritannien, IStR 2007, 259; Gaillinger, Solaranlagen und Windkraftanlagen im OECD-Musterabkommen, IWB Fach 10, Gruppe 2, 2033 (2008); Günkel, Einschaltung ausländischer Besitzgesellschaften, StbJb 1998/99, 143; Hoheisel, Ertragsteuerliche Folgen bei der Investition in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Ausland, IWB 2010, 521; Holthaus, Ausländische Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen und deren Veräußerung nach den DBA – Streitfall Spanien und andere DBA, IStR 2011, 385; Käshammer/Kestler, Das neue DBA-Luxemburg: Bestandsaufnahme und erste Folgerungen für die Beratungspraxis, IStR 2012, 477; Kessler/Arnold, Unbewegliches Vermögen im neuen DBA-Niederlande, IStR 2012, 519; Plewka/Beck, Qualifikation als Immobiliengesellschaft nach dem Recht der Doppelbesteue-

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 10 Art. 6

rungsabkommen, IStR 2007, 125; Reimer, Seminar I: Unbewegliches Vermögen und DBA, IStR 2011, 677; Scholten/ Griemla, Abkommensrechtliche Zuordnung von Gewinnen aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen bei Fehlen einer Art. 13 OECD-MA entsprechenden Spezialvorschrift – Auslegungshinweise unter anderem zum aktuellen DBA-Australien, IStR 2008, 661; Tischbirek, Steuerplanungsüberlegungen bei Immobilieninvestitionen durch Steuerausländer im Inland, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl. 2011, 1187 ff.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Belegenheitsprinzip. Für Einkünfte aus der Nutzung unbeweglichen Vermögens wird dem Staat, in dem das Vermögen belegen ist, ein vollumfängliches Besteuerungsrecht zugewiesen. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaats wird mit der finanzwissenschaftlichen Erwägung gerechtfertigt, dass das Grundvermögen als Quelle der Einkünfte wirtschaftlich eng mit dem Belegenheitsstaat verbunden ist (vgl. Art. 6 Rz. 1 Satz 2 OECD-MK). Für die Bestimmung und den Umfang des unbeweglichen Vermögens wird auf das Recht des Quellenstaats Bezug genommen. Dadurch sollen potentielle Konflikte der Vertragsstaaten über die Zuordnung von Vermögenswerten und Rechten zum unbeweglichen Vermögen vermieden werden.

1

Vorrang des Belegenheitsprinzips. Die Steuerberechtigung des Quellenstaats gilt selbst dann, wenn das unbewegliche Vermögen zu einem Unternehmen gehört. Dadurch wird erreicht, dass Einkünfte aus dem Immobilienvermögen auch dann in dem Staat besteuert werden, in dem sich das Vermögen befindet, wenn das Vermögen nicht zu einer in diesem Staat gelegenen Betriebsstätte gehört.

2

Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge (unvollständige Verteilungsnorm). Art. 6 bezieht sich nur auf den Quellenstaat. Die Besteuerung im Wohnsitzstaat wird nicht geregelt. Diese richtet sich nach Art. 23 A oder B.

3

II. Aufbau der Vorschrift Abs. 1. Abs. 1 enthält den Grundgedanken der Vorschrift, d.h. Tatbestand und Rechtsfolge. Das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (einschließlich der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben), die eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person bezieht, wird dem Belegenheitsstaat zugewiesen. Die Doppelbesteuerung wird dementsprechend durch den Wohnsitzstaat des Einkünfteempfängers vermieden.

4

Abs. 2. Abs. 2 verweist für die Bestimmung des „unbeweglichen Vermögens“ auf das nationale Recht des Belegenheitsstaats (Satz 1). Satz 2 Halbs. 1 enthält einen Positivkatalog von Vermögenswerten und Rechten, die unabhängig vom Recht des Belegenheitsstaats immer zum unbeweglichen Vermögen gehören. Satz 2 Halbs. 2 schließt Schiffe und Luftfahrzeuge ausdrücklich aus (Negativkatalog).

5

Abs. 3. Abs. 3 stellt klar, dass das Belegenheitsprinzip ohne Rücksicht auf die Art der Nutzung des unbeweglichen Vermögens gilt. Insofern konkretisiert Abs. 3 neben Abs. 2 die Tatbestandsmerkmale des Abs. 1.

6

Abs. 4. Abs. 4 regelt den Vorrang des Belegenheitsprinzips vor dem Unternehmensgewinnartikel (Art. 7). Damit wird sichergestellt, dass dem Belegenheitsstaat auch dann das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen zusteht, wenn das Vermögen nicht einer dort gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen ist.

7

III. Rechtsentwicklung OECD-MA 1963. Art. 6 besteht im Wesentlichen noch in der Fassung des OECD-MA 1963.

8

OECD-MA 1977. Im OECD-MA 1977 wurde für Abs. 1 klargestellt, dass das unbewegliche Vermögen „im anderen Vertragsstaat“ belegen sein muss. Außerdem wurde der Klammerzusatz zur Einbeziehung der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben aufgenommen. In Abs. 2 wurden geringfügige sprachliche Änderungen vorgenommen, ohne dass damit eine materiell-rechtliche Änderung verbunden war. In Abs. 4 wurde statt des Ausdrucks „freier Beruf“ die weitere Formulierung „selbständige Arbeit“ gewählt.

9

OECD-MA 2000/2005. Im OECD-MA 2000/2005 wurde in Abs. 4 der Hinweis auf Art. 14 a.F. (unbewegliches Vermögen, das der Ausübung einer selbständigen Arbeit dient) gestrichen. Da die selbständige Arbeit i.S. des Art. 14 a.F. nun in den Anwendungsbereich von Art. 7 fällt, führte die Streichung nicht zu einer materiell-rechtlichen Änderung.

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Art. 6 Rz. 11

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht a) Verhältnis zu Art. 7 11

Vorrang von Art. 6. Die Zuteilungsnorm hat Vorrang vor Art. 7, wenn es sich um die Nutzung von unbeweglichem Vermögen eines Unternehmens handelt. Das gilt allerdings nur bei der Nutzung unternehmerisch gebundenen Vermögens für die indirekte Einkünfteerzielung (z.B. Verpachtung), nicht aber für die Nutzung als Produktionsstätte;1 das Produktionsvermögen kann sich nur im Rahmen der Gewinnermittlung bei Art. 7 auswirken. Einkünfte aus der Eigennutzung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens fallen dagegen in den Anwendungsbereich von Art. 6. Auch Einkünfte aus der Gestattung bzw. Duldung der Ausbeutung von Bodenschätzen werden von Art. 6 erfasst. Der „Ausbeuter“ selbst erzielt demgegenüber Unternehmensgewinne, soweit er als gewerblicher Unternehmer in dem Vertragsstaat, in dem die Bodenschätze belegen sind, eine Betriebsstätte unterhält. Nach Art. 6 Rz. 4 OECD-MK soll das Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaats auch dann vorgehen, wenn im Rahmen eines Unternehmens Einkünfte nur mittelbar aus unbeweglichem Vermögen stammen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen auch dann in dem Staat besteuert werden, in dem das Vermögen belegen ist, wenn das Vermögen nicht zu einer dort vorhandenen Betriebsstätte gehört, wenn also Betriebsstättenstaat und Belegenheitsstaat auseinander fallen. Dementsprechend kann es auch ohne Betriebsstätte im Belegenheitsstaat nicht zu einem Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats kommen.

12

Betriebsstätte im Belegenheitsstaat. Unterhält das Unternehmen im Belegenheitsstaat eine Betriebsstätte und wird das Immobilienvermögen dieser Betriebsstätte zugerechnet, wirkt sich das Vorrangverhältnis i.d.R. nur bei der Anwendung des Methodenartikels aus. Denn häufig ist die Steuerfreistellung der Betriebsstätteneinkünfte im Belegenheitsstaat an Aktivitätsvorbehalte geknüpft, während die Freistellung der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S. des Art. 6 regelmäßig ohne weitere Vorbehalte und Bedingungen erfolgt.2

13

Unternehmerische Einkünfte. Die Feststellung, ob es sich um unternehmerisch genutztes Vermögen handelt, richtet sich nach Abkommensrecht. Rechtsform spezifische Fiktionen wie die gewerbliche Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG spielen hierbei keine Rolle. Für die Annahme eines Unternehmens kommt es allein auf die tatsächliche Betätigung einer Personengesellschaft an. Eine gewerblich geprägte Personengesellschaft, die nur vermietend/verpachtend tätig ist, erzielt abkommensrechtlich keine Unternehmensgewinne, sondern Einkünfte gem. Art. 6. Die Rspr.3 und die h.M. im Schrifttum4 befürworten eine abkommensautonome Auslegung des Begriffs „Unternehmensgewinne“. Unternehmerische Einkünfte liegen nur vor, wenn und soweit die Personengesellschaft tatsächlich eine gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt. Gleiches gilt für das innerstaatliche Konstrukt der „mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung“, mit dem die Einkünfte der Besitzgesellschaft, die vermögensverwaltender Natur sind, in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert werden.5 Die FinVerw. hat sich dieser Auffassung inzwischen angeschlossen.6

14

Land- und Forstwirtschaft. Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben werden nach dem Klammerzusatz in Art. 6 Abs. 1 als Einkünfte aus unbeweglichen Vermögen behandelt. Nach Art. 6 Rz. 1 Satz 3 OECD-MK steht es den Vertragsstaaten aber frei, diese Einkünfte abweichend hiervon als Unternehmensgewinne zu qualifizieren. Wenn von dieser Option Gebrauch gemacht wird, geht insofern Art. 7 dem Art. 6 vor. Ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb fällt grundsätzlich nicht unter den Begriff des Unternehmens, auch wenn das entsprechende DBA keinen Klammerzusatz enthält.7

1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 106; Fischer in G/K/G/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 26. 2 Anders aber Art. 22 Abs. 2 Buchst. b Unterabschnitt vii DBA-Spanien; Art. 23 Abs. 5 Buchst. b Unterabschnitt iii DBA-Finnland; Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz. 3 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BFH/NV 2011, 1637; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760. 4 Vgl. nur Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 16, 41; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 57; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 48 ff.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.234. 5 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760. 6 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1, 2.3, 2.3.3; anders noch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1. 7 Vgl. BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BStBl. II 2012, 457 zum alten DBA-Spanien 1966.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 20 Art. 6

b) Verhältnis zu Art. 8 Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen. Für Einkünfte aus dem Betrieb von 15 Schiffen und Luftfahrzeugen gilt vorrangig Art. 8. Außerdem werden Schiffe und Luftfahrzeuge nach der ergänzenden abkommensrechtlichen Abgrenzung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich von Art. 6 ausgenommen. Insofern besteht ein Qualifikationsunterschied zum innerstaatlichen Recht, wonach registerrechtlich erfasste Schiffe als unbewegliches Vermögen gewertet werden (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). c) Verhältnis zu Art. 10 Dividendendefinition. Art. 10 ist vorrangig vor Art. 6 anzuwenden. Denn Art. 10 Abs. 3 enthält eine eigene Dividendendefinition. Folglich fallen auch Ausschüttungen aus Immobilienkapitalgesellschaften (z.B. Real Estate Investment Trusts – REITs) unter Art. 10.1 Allerdings verweisen sowohl Art. 6 Abs. 2 als auch Art. 10 Abs. 3 bei der Dividendendefinition für „aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte“ auf das Recht des Quellenstaats. Wenn dieser Einkünfte aus sonstigen Gesellschaftsanteilen nach seinem Recht nicht „Einkünften aus Aktien“ steuerlich gleichstellt, sondern als unbewegliches Vermögen behandelt, findet auf diese Einkünfte Art. 6 Anwendung. Der BFH hat im Fall einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung einer in Spanien belegenen Ferienimmobilie durch eine spanische Kapitalgesellschaft an deren in Deutschland ansässige Gesellschafter entschieden, dass es sich um verdeckte Gewinnausschüttungen und damit um Dividendeneinkünfte handelt.2 Die Anwendung von Art. 6 ist auf die unmittelbare Nutzung der Immobilie beschränkt.

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Immobilien-Sondervermögen. Für inländische Spezial-Sondervermögen regelt § 15 Abs. 2 InvStG 2003, dass Ausschüttungen nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f oder Nr. 6 EStG) führen. Folglich gilt für diese Erträge Art. 6 und nicht der Dividendenartikel.3 Das InvStG 2018 unterwirft sowohl in- als auch ausländische Investmentfonds der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Die aus inländischen Immobilien erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und die aus deren Veräußerung erzielten Erlöse unterliegen der Besteuerung (§ 6 Abs. 2 und 4 InvStG 2018). Im Ausland ansässige Anleger unterliegen mit den inländischen Immobilienerträgen aus ausländischen Investmentfonds nicht der beschränkten Steuerpflicht, weil die Besteuerung bereits auf Fondsebene stattfindet. Im Unterschied zu Investmentfonds können Spezial-Investmentfonds für Immobilienerträge eine sog. Transparenzoption ausüben (§ 33 InvStG 2018). Damit entfällt die Steuerpflicht auf Fondsebene und die Einkünfte werden als unmittelbar bezogene Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f oder Nr. 6 EStG) ausschließlich auf Anlegerebene besteuert. Das Wahlkonzept entspricht der Zielsetzung des bisherigen § 15 Abs. 2 InvStG 2003.

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d) Verhältnis zu Art. 11 Grundpfandrechtlich gesicherte Forderungen. Der Zinsartikel findet auch dann Anwendung, wenn es sich um grundpfandrechtlich gesicherte Forderungen handelt (vgl. Art. 11 Abs. 3). Lediglich Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA-Ägypten weist zurzeit noch das Besteuerungsrecht für Zinseinkünfte aus grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen dem Belegenheitsstaat der Immobilie zu.4

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Zinsen aus Mietüberschüssen. Auch Zinsen, die mit Vermietungseinkünften in wirtschaftlichem Zusam- 19 menhang stehen (z.B. aus der Anlage von Liquiditätsüberschüssen, Instandhaltungsrücklagen), sind Einkünfte aus der Nutzung von Kapital und nicht Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen.5 e) Verhältnis zu Art. 12 Lizenzzahlungen für Ausbeutungsrechte. Für Lizenzgebühren findet grundsätzlich Art. 12 Anwendung. Von Art. 6 werden allerdings auf Grund ausdrücklicher Anordnung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Vergütungen für Rechte zur Ausbeutung von unbeweglichem Vermögen (Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen) erfasst (vgl. auch Art. 12 Rz. 19 OECD-MK).

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Vgl. Art. 10 Rz. 67.1–67.7 OECD-MK 2010; kritisch Reimer, IStR 2011, 677 (679). BFH v. 12.6.2013 – I R 109–111/10, BStBl. II 2013, 1024. Vgl. BMF v. 18.8.2009 – IV C 1-S 1980-1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931, Rz. 257 f. Früher noch Art. 4 Abs. 3 DBA-Niederlande bis 20.2.1992 sowie Art. 3 Abs. 3 DBA-Österreich bis 31.12.1992. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.2; kritisch Salzmann, IStR 2010, 333 f.

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Art. 6 Rz. 21

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

f) Verhältnis zu Art. 13 21

Veräußerung von unbeweglichem Vermögen. Für die Veräußerung von unbeweglichem Vermögen gilt Art. 13 Abs. 1, der das Besteuerungsrecht – parallel zu Art. 6 Abs. 1 für laufende Einkünfte – ebenfalls dem Belegenheitsstaat zuordnet. Für die Definition des unbeweglichen Vermögens nimmt Art. 13 Abs. 1 auf Art. 6 Bezug. Veräußerung liegt im Grundsatz dann vor, wenn die Einkunftsquelle wirtschaftlich und dauerhaft auf einen anderen übertragen wird. Wird das Eigentum nur befristet übertragen, z.B. zur Ausbeutung von bestimmten Bodenschätzen, handelt es sich im Regelfall um eine Nutzungsüberlassung und nicht um Veräußerung.

22

Fehlen einer Regelung entsprechend Art. 13 Abs. 1. Fehlt eine dem Art. 13 Abs. 1 entsprechende Vorschrift im DBA, wird auf die allgemeinere Regelung des Art. 6 zurückgegriffen.1 Gegen die Anwendung von Art. 6 spricht jedoch, dass die Vertragsstaaten auf eine Regelung der Veräußerungsgewinne in der Zuteilungsnorm für laufende Einkünfte verzichtet haben.2 Die Anwendung der Auffangvorschrift des Art. 21 Abs. 1 würde jedoch zu dem nicht sinnvollen Ergebnis führen, dass das Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn beim Ansässigkeitsstaat verbleibt, während das Besteuerungsrecht für die laufenden Einkünfte dem Belegenheitsstaat zusteht. Dem alten DBA-Australien 1972 fehlt sowohl eine ausdrückliche Regelung für Veräußerungsgewinne als auch eine dem Art. 21 entsprechende Auffangvorschrift. Wenn hier nicht auf die Regelung zur Besteuerung der laufenden Einkünfte aus Immobilienvermögen in Art. 6 DBA-Australien zurückgegriffen wird, bleibt es für Veräußerungsgewinne aus unbeweglichem Vermögen bei einem Besteuerungsrecht beider Staaten nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht.3 Das aktuelle DBA-Australien 2015 beinhaltet eine dem Art. 13 OECD-MA entsprechende Vorschrift.

23

Art. 13 Abs. 4. Art. 13 Abs. 4 weist das Besteuerungsrecht auch dann dem Belegenheitsstaat zu, wenn Anteile an einer Gesellschaft veräußert werden, deren Vermögen überwiegend aus im Quellenstaat belegenem unbeweglichen Vermögen besteht. Bei diesen Immobiliengesellschaften wird die Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft durchbrochen und damit Gestaltungen vorgebeugt, die auf eine Verschiebung des Besteuerungsrechts vom Belegenheits- in den Ansässigkeitsstaat des Veräußerers abzielen. Eine entsprechende Regelung für die laufenden Einkünfte aus Immobilienvermögen fehlt in Art. 6 (s. auch zum Verhältnis zu Art. 10 Rz. 16). g) Verhältnis zu Art. 21

24

Belegenheit im Ansässigkeitsstaat oder Drittstaat. Einkünfte, die in den Verteilungsnormen der Art. 6 bis 20 nicht geregelt sind, werden als sonstige Einkünfte nach Art. 21 Abs. 1 dem Ansässigkeitsstaat zur Besteuerung zugewiesen. Die Auffangregelung ist insbesondere dann anzuwenden, wenn das Vermögen nicht im anderen Vertragsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat belegen ist (vgl. Art. 6 Rz. 1 Satz 5 OECD-MK); für Immobilienvermögen eines Unternehmens ergibt sich die gleiche Rechtsfolge aus Art. 7 Abs. 1 Satz 1. Für Einkünfte aus in einem Drittstaat belegenen Vermögen gilt das DBA mit diesem Belegenheitsstaat, sofern vorhanden. h) Verhältnis zu Art. 22

25

Vermögensbesteuerung. Für die Vermögensbesteuerung des unbeweglichen Vermögens ist Art. 22 Abs. 1 anzuwenden. Eine Besteuerung des Einkommens, für die Art. 6 maßgeblich ist, liegt vor, wenn die Steuer als Ertragssteuer ausgestaltet ist, auch wenn sie in Randbereichen unabhängig vom tatsächlichen Zufluss erhoben wird (z.B. Nutzungswertbesteuerung der eigengenutzten Immobilie).4 Demgegenüber handelt es sich um Vermögensbesteuerung, wenn die Steuerbemessung im Grundsatz an den Sollertrag anknüpft. Die Abgrenzung hat allerdings kaum praktische Relevanz, da die Rechtsfolgen von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 identisch sind. 2. Innerstaatliches Recht a) Deutschland als Belegenheitsstaat

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Besteuerung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht. Deutschland unterwirft die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen der beschränkten Einkommensteuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Einkünfte 1 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 22b; Kerssenbrock/Wagner in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 24; Scholten/Griemla, IStR 2008, 661, 663; BFH v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948 zum DBA-Italien 1925. 2 So Fischer in G/K/G/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 65, 68; Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 63. 3 Für eine solche Lösung Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 64 ff. 4 Vgl. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 12.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 28 Art. 6

aus Land- und Forstwirtschaft), gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a oder Buchst. f EStG (gewerbliche Einkünfte) oder gem. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) bzw. der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht (§§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 EStG). Zu einer Gewerbesteuerpflicht kommt es nur dann, wenn die Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden können (§ 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 12 AO). Die vermietete oder verpachtete Immobilie begründet per se keine Betriebsstätte, weil es an einer Verfügungsmacht des Vermieters bzw. Verpächters über das Bauwerk fehlt.1 Ein im Rahmen von nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG gewerblich fingierten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung inländischen Grundbesitzes ausländischer Körperschaften anfallender Ertrag aus einem Forderungsverzicht ist nicht steuerbar (keine Steuerverstrickung von Darlehensverbindlichkeiten).2 Der Gesetzgeber sieht allerdings mit dem Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen (ehemals JStG 2018) eine Ergänzung in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG vor, mit der Forderungsverzichtsgewinne von der beschränkten Steuerpflicht erfasst werden sollen.3 b) Deutschland als Ansässigkeitsstaat Einkunftsart. Nach der Art der wirtschaftlichen Betätigung können die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen im Grundsatz solche aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG oder aus Land- und Forstwirtschaft gem. § 13 EStG sein; in Ausnahmefällen kann auch § 22 Nr. 1 oder 3 EStG in Betracht kommen. Infolge der Subsidiaritätsklausel des § 21 Abs. 3 EStG oder aufgrund der Umqualifikation in gewerbliche Einkünfte (insbesondere § 8 Abs. 2 KStG, § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) können diese Einkünfte auch als Einkünfte i.S. des § 15 EStG oder als Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG eingeordnet werden. Die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung, also insb. Einkünften nach § 21 EStG, und gewerblichem Grundstückshandel erfolgt nach der Rspr. u.a. nach Maßgabe der Drei-Objekt-Grenze.4 Als Zählobjekte werden – jedenfalls nach Auffassung der Finanzverwaltung – auch solche Grundstücke berücksichtigt, die der Steuerpflichtige im Ausland erwirbt und veräußert.5

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Progressionsvorbehalt. Der Progressionsvorbehalt ist seit der Einfügung des § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG durch das JStG 20096 mit Wirkung ab 2008 nur bei durch DBA freigestellten Einkünften anwendbar, wenn das unbewegliche Vermögen in einem Drittstaat (nicht EU- oder EWR-Staat) belegen ist. Das hat zur Folge, dass z.B. die positiven Einkünfte einer in Frankreich oder den Niederlanden belegenen Immobilie im Inland nicht mehr dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Dementsprechend kann bei Verlusten ein negativer Progressionsvorbehalt nicht mehr geltend gemacht werden. Bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben wird eine land- oder forstwirtschaftliche Betriebsstätte in einem EU/EWR-Staat vorausgesetzt, damit der Progressionsvorbehalt keine Anwendung findet. Im Regelfall wird ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb über eine Betriebsstätte verfügen; im Einzelfall, insbesondere bei sog. Traktatländereien (inländische Betriebe, die sich auf ausländische Flächen erstrecken, die vom Inland aus bewirtschaftet werden), kann eine feste Geschäftseinrichtung im Ausland fehlen, so dass in diesen Fällen der Progressionsvorbehalt auch für unbewegliches Vermögen in einem EU/EWR-Staat anwendbar bleibt.7 Für Verluste, die bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2007 entstanden sind, kann der negative Progressionsvorbehalt geltend gemacht werden, weil § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG a.F. als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gewertet wurde.8 Bei abkommensrechtlich freigestellten Einkünften aus in einem Drittstaat (z.B. USA, Schweiz) belegenen Immobilien ist der negative Progressionsvorbehalt unter den Voraussetzungen des § 2a EStG ausgeschlossen.9 Denn die steuermindernde Berücksichtigung von freigestellten Auslandseinkünften im Rahmen des Progressionsvorbehalts würde zu einem Wertungswiderspruch mit den Fällen führen, in denen kein DBA besteht oder die Anrechnungsmethode Anwendung findet und die nicht freigestellten Verluste weder bei der Ermittlung des Einkommens noch bei der Ermittlung des Steuersatzes abgezogen werden können.

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1 2 3 4 5 6 7

Vgl. BFH v. 30.6.2005 – III R 76/03, BStBl. II 2006, 84; v. 13.6.2006 – I R 84/05, BFH/NV 2006, 2334. Vgl. BFH v. 7.12.2016 – I R 76/14, BStBl. II 2017, 704. Krit. zu der Wirksamkeit der gesetzlichen Formulierung Wagner, DB 2018, 2659. Vgl. BFH v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291. Vgl. BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434. V. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794 (2799). Vgl. OFD Münster, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 006/2009 v. 12.2.2009 – S 2149 - 20 - St 23 - 33, IStR 2009, 364. 8 Vgl. EuGH v. 29.3.2007 – C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, ECLI:EU:C:2007:194 = BStBl. II 2007, 492. 9 Vgl. Heinicke in Schmidt37, § 2a EStG Rz. 46; Gosch in Kirchhof18, § 2a EStG Rz. 48; BFH v. 12.1.2011 – I R 35/10, BStBl. II 2011, 494.

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Art. 6 Rz. 29 29

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

Verluste. Wurde die Freistellungsmethode vereinbart, sind nach der Rspr. des BFH1 im Grundsatz auch negative ausländische Einkünfte von der inländischen Besteuerung ausgenommen (siehe dazu i.E. Art. 23 A/B Rz. 31). Bei Geltung der Anrechnungsmethode bei einer in einem EU-/EWR-Staat belegenen Auslandsimmobilie (z.B. Spanien, Finnland) sind die negativen Einkünfte unbeschränkt ausgleichs- und abzugsfähig (vgl. § 2a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2a EStG). Für Auslandsverluste aus Drittstaaten (z.B. Schweiz) greift die Verlustabzugsbeschränkung nach § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 EStG oder § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a EStG ein. Verluste aus der Vermietung einer ausländischen Immobilie fallen unter § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG, wenn die Auslandsimmobilie einer gewerblichen Betriebsstätte in einem Drittstaat zuzuordnen ist;2 dadurch kann es zu einer Infizierung der an sich „aktiven“ Betriebsstätte durch „passive“ Vermietungseinkünfte kommen.

B. Belegenheitsprinzip (Abs. 1) I. Regelungszweck 30

Zuweisung des Besteuerungsrechts. Abs. 1 regelt als Grundgedanken der Vorschrift, dass dem Staat, in dem das unbewegliche Vermögen belegen ist, das Recht zur Besteuerung der Einkünfte aus diesem Vermögen zustehen soll. Grundlage hierfür ist die enge wirtschaftliche Beziehung des Belegenheitsstaats zu dem unbeweglichen Vermögen als fundierte Einkunftsquelle. Abs. 1 enthält insofern Tatbestand und Rechtsfolge, während die nachfolgenden Abs. 2 und 3 die im Tatbestand verwendeten Begriffe wie „unbewegliches Vermögen“ und „Einkünfte aus (diesem Vermögen)“ näher bestimmen. Die Besteuerung im Wohnsitzstaat wird nicht geregelt; diese ergibt sich aus Art. 23 A und B.

II. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen 1. Einkünftebegriff 31

Einkünfte. Der Begriff „Einkünfte“ ist abkommensrechtlich nicht definiert. Allerdings lassen sich nachfolgende Konkretisierungen aus dem Abkommenswortlaut entnehmen: – Mit dem Klammerzusatz wird klargestellt, dass zu den Einkünften auch Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft gehören können. Nach Art. 6 Rz. 1 Satz 3 OECD-MK steht es den Vertragsstaaten allerdings frei, ob sie Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft abweichend vom OECD-MA als Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 qualifizieren wollen. – In Bezug auf die Erwerbsgrundlage werden sowohl vermögensbezogene Einkünfte (insb. Nutzung und Verwaltung unbeweglichen Vermögens) als auch tätigkeitsbezogene Einkünfte (insb. Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft) erfasst. Zur weiteren Bestimmung der „Einkünfte“ wird auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaats zurückgegriffen (vgl. Art. 3 Abs. 2). Einkünfte können somit alle Mehrungen und Minderungen, Zu- und Abflüsse vermögenswerter Vorteile sein, die nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaats steuerbar sind. Erfasst werden sowohl wiederkehrende als auch einmalige Zahlungen. Hierzu gehört auch die Besteuerung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Immobilie.3

32

Ermittlung der Einkünfte. Die Einkünfteermittlung richtet sich ebenfalls nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaats. Der Rückgriff auf das nationale Steuerrecht kann dazu führen, dass die Einkünfte in den beiden Vertragsstaaten in unterschiedlicher Höhe ermittelt werden. Das ist insbesondere der Fall, wenn bestimmte Aufwendungen (z.B. Abschreibungen, Finanzierungskosten, Instandhaltungsaufwendungen) nicht oder nur in begrenztem Umfang berücksichtigungsfähig sind. Ist Deutschland der Anwenderstaat, richtet sich die Einkünfteermittlung nach der jeweiligen Einkunftsart, der die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen zugeordnet werden, d.h. §§ 13 ff., § 15, § 18, § 21 oder § 22 EStG (bzw. i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. a oder f, 6 EStG). Dementsprechend sind die Einkünfte als Nettoeinkünfte (Reineinkünfte) zu verstehen und entweder durch Betriebsvermögensvergleich gem. §§ 4 Abs. 1, 5 EStG bzw. Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG oder durch Einnahme-Überschuss-Rechnung zu erfassen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. §§ 8, 11 EStG). Für letztere gilt der Zufluss-/Abfluss-Prinzip. Die Gewinnermittlung nach 1 Vgl. BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 9.6.2010 – I R 100/09, BStBl. II 2010, 1065; FG Rh.-Pf. v. 5.5.2010 – 5 K 2408/08, EFG 2010, 1614 zu Verlusten aus der Vermietung eines Ferienhauses in Frankreich. 2 Vgl. BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605. 3 Vgl. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 157 f.

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B. Belegenheitsprinzip (Abs. 1)

Rz. 36 Art. 6

Durchschnittssätzen (§ 13a EStG) war bei ausländischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätten früher nicht möglich, da die Regelung an die Feststellung von bewertungsrechtlichen Größen anknüpfte.1 Die Neuregelung des § 13a EStG durch das ZollkodexAnpG2 hat zu einer Loslösung von der Einheitsbewertung geführt, sodass die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen für ausländische Betriebe und für im Ausland belegene Flächen eines unbeschränkt steuerpflichtigen Landwirts grundsätzlich durchzuführen ist. 2. Bezug von Einkünften Zurechnung der Einkünfte nach innerstaatlichem Recht des Anwenderstaats. Wem die Einkünfte persönlich zugerechnet werden, d.h. wer die Einkünfte „bezieht“, bestimmt sich nach dem nationalen Steuerrecht des Anwenderstaates. Aufgrund unterschiedlicher Zurechnungskriterien der Vertragsstaaten können sich verschiedene Einkünfteempfänger ergeben mit der Konsequenz einer Doppelbesteuerung; diese kann durch ein Verständigungsverfahren beseitigt werden (vgl. Art. 25). Ist Deutschland der Anwenderstaat, kommt es auf die Rechtszuständigkeit, insbesondere auf die Eigentumsverhältnisse an dem unbeweglichen Vermögen nicht an. Entscheidend ist die wirtschaftliche, nicht die rechtliche Dispositionsbefugnis über das Vermögen (z.B. unbefugte Untervermietung einer Wohnung). Es gelten die Grundsätze von § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Aus § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG folgt, dass Einkünfte demjenigen persönlich zuzurechnen sind, der den Tatbestand der Erzielung von Einkünften verwirklicht. Bei der Nutzungsüberlassung ist dies derjenige, der die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, das unbewegliche Vermögen anderen zur zeitlich begrenzten Nutzung gegen Entgelt zu überlassen. Bei Treuhandgestaltungen werden die Einkünfte regelmäßig dem Treugeber als dem wirtschaftlichen Eigentümer der Einkunftsquelle zugerechnet (z.B. bei geschlossenen Immobilienfonds, vgl. Rz. 58). Ob nach einer Nießbrauchsbestellung die Einkünfte dem Nießbraucher oder dem Nießbrauchsbesteller zuzurechnen sind, hängt davon ab, wer von beiden den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht.3 Kann der Nießbraucher über die Erwerbsgrundlage verfügen, d.h. rechtlich und tatsächlich in der Lage sein, den Grundbesitz zu vermieten bzw. zu verpachten, erfüllt er und nicht der Eigentümer der Immobilie den Tatbestand der Einkünfteerzielung; das gilt allerdings nicht für den sog. Ertragsnießbraucher, dem nur die Erträge aus der Nutzungsüberlassung zustehen, nicht aber die Verfügungsbefugnis über die Erwerbsgrundlage.4 Folglich ist in diesen Fällen der Nießbrauchsbesteller derjenige, der den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht. Der Ertragsnießbraucher hat jedoch die ihm zustehenden Erträge als wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG zu versteuern und bezieht dementsprechend die Einkünfte i.S. des Art. 6 Abs. 1. Unerheblich ist insofern, dass der Einkünftebezieher nicht der Nutzungsberechtigte ist.5

33

III. In einem Vertragsstaat ansässige Person Person. Wer Person sein kann, richtet sich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b (s. Art. 3 Rz. 12 ff.). Erfasst werden natürliche Personen, juristische Personen und andere Personenvereinigungen (z.B. land- und forstwirtschaftliche Genossenschaft). Bei steuerlich transparenten Personengesellschaften bzw. Sondervermögen (z.B. offener Immobilienfonds i.S. von § 2 Abs. 1 und 2 InvG) werden die Einkünfte den einzelnen Gesellschaftern (Mitunternehmern) bzw. Anlegern als eigene Einkünfte zugerechnet; dementsprechend kommt es auf die Ansässigkeit des einzelnen Gesellschafters bzw. Anlegers an. Die Einordnung der Personengesellschaft als steuerlich intransparent durch den Sitzstaat hat dabei keine Bindungswirkung für die Anwendung des deutschen nationalen Steuerrechts.6

34

Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat. Der Empfänger der Einkünfte muss eine natürliche oder juristische Person sein, die in mindestens einem Vertragsstaat ansässig ist (vgl. Art. 1 Rz. 31 ff.), d.h. die Person muss nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht unbeschränkt steuerpflichtig und damit abkommensberechtigt sein (vgl. Art. 4 Rz. 22 ff.). Die Abkommensberechtigung muss im Zeitpunkt der Einkünfteerzielung vorliegen. Bei transparenten Personengesellschaften kommt es auf die dahinterstehenden Gesellschafter (Mitunternehmer) an.

35

Zeitbezug zwischen Abkommensberechtigung und Einkünfteerzielung. Die Person muss im Zeitpunkt des Bezugs der Einkünfte abkommensberechtigt sein. Bezug bedeutet hier Tatbestandserfüllung; auf den

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1 2 3 4 5

Vgl. Kanzler in H/H/R, § 13a EStG Anm. 9; Debatin, DB 1988, 1285 (1286); Hoheisel, IWB 2010, 521 f. V. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417. Vgl. BFH v. 9.4.1991 – IX R 78/88, BStBl. II 1991, 809. Vgl. BFH v. 26.4.1983 – VIII R 205/80, BStBl. II 1983, 502. A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 19; wie hier Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 19 f., 174. 6 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263.

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Art. 6 Rz. 36

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

nachträglichen Zufluss von Einnahmen kommt es im Regelfall nicht an. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der tatsächliche Zufluss von Einnahmen erst zur Tatbestandserfüllung führt (z.B. bei der EinnahmeÜberschuss-Rechnung).1 Unerheblich ist, ob die Person Eigentümer des Vermögensgegenstandes ist oder nur als Untervermieter/Pächter über den Vermögensgegenstand wirtschaftlich verfügt.

IV. Im anderen Vertragsstaat belegenes unbewegliches Vermögen 1. Begriff des unbeweglichen Vermögens 37

Definition. Das unbewegliche Vermögen ist in Art. 6 Abs. 2 definiert. Siehe hierzu Rz. 43 ff. 2. Belegenheit im anderen Vertragsstaat

38

Geografische Grenzen des Belegenheitsstaats. Das unbewegliche Vermögen muss im anderen Vertragsstaat belegen sein. „Anderer Vertragsstaat“ ist der Staat, der nicht Ansässigkeitsstaat des Einkünfteempfängers ist. Die tatsächliche Belegenheit richtet sich nach den geografischen Grenzen des jeweiligen Staates einschließlich Küstenmeer, Festlandsockel und sog. Dreimeilenzone, ggf. Zollausschlussgebiete (vgl. Art. 30 Rz. 13 ff.). Wenn ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb Grundstücke im grenznahen Bereich bewirtschaftet (sog. Traktatländereien), sind diese Grundstücke im anderen Vertragsstaat belegen und werden nicht etwa dem Inland zugeordnet.2 Es kommt allein auf die Belegenheit des Grundstücks selbst an, auch für bewegliche Vermögensgegenstände, die nach Abs. 2 zum unbeweglichen Vermögen gehören. Dies gilt insbesondere für Zubehör und Inventar, das sich vorübergehend an einem anderen Ort befindet als das Grundstück, zu dem sie gehören. Grundstücksgleiche Rechte sind dort belegen, wo das Grundstück liegt, welches durch das Recht belastet wird.

V. Rechtsfolge: Zuweisung des Besteuerungsrechts 1. Besteuerungsrecht des Quellenstaats 39

Können besteuert werden. Dem Quellenstaat wird das volle Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dem unbeweglichen Vermögen belassen, jedoch nicht das ausschließliche Besteuerungsrecht zugewiesen. Ob der Quellenstaat das Besteuerungsrecht durch tatsächliche Besteuerung wahrnimmt, steht ihm frei. Der Ansässigkeitsstaat wird in seinem Besteuerungsrecht durch Art. 6 Abs. 1 nicht beschränkt. Eine solche Beschränkung kann sich nur aus dem Methodenartikel ergeben (vgl. Art. 23 A/B). 2. Ausübung des Besteuerungsrechts

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Kein Ausübungszwang. Der Belegenheitsstaat kann sein Recht zur Besteuerung ausüben, muss es aber nicht. Die tatsächliche Besteuerung (u.a. Besteuerungsgrundlage, Tarif) richtet sich nach dem innerstaatlichen Steuerrecht des Belegenheitsstaats.

41

Deutschland als Ansässigkeitsstaat. Deutschland als Ansässigkeitsstaat stellt die Einkünfte aus im Ausland belegenen unbeweglichen Vermögen regelmäßig unter Progressionsvorbehalt steuerfrei; durch die innerstaatliche Neuregelung in § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG i.d.F. des JStG 2009 wurde der Progressionsvorbehalt allerdings mit Wirkung ab 2008 weitgehend eingeschränkt (vgl. Rz. 28). Abweichend hiervon wurde in einigen Abkommen die Anrechnungsmethode vereinbart (z.B. Art. 22 Abs. 2 Buchst. b Unterabschnitt vii DBA-Spanien; Art. 23 Abs. 5 Buchst. b DBA-Finnland; Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz, die die Steueranrechnung anordnen, sofern das unbewegliche Vermögen nicht einer im Belegenheitsstaat gelegenen gewerblichen Betriebsstätte dient bzw. tatsächlich zu einer solchen Betriebsstätte gehört).

C. Unbewegliches Vermögen (Abs. 2) I. Regelungszweck 42

Schiedscharakter. Im Grundsatz soll der abkommensrechtliche Begriff des unbeweglichen Vermögens durch Verweis auf das innerstaatliche Recht desjenigen Staates bestimmt und begrenzt werden, in dem der Vermögensgegenstand (das Grundstück) belegen ist. Durch die Bindung der abkommensrechtlichen De1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 25a, Beispiel. 2 Vgl. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 29; BFH v. 17.12.1997 – I R 95/96, BStBl. II 1998, 260.

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C. Unbewegliches Vermögen (Abs. 2)

Rz. 45 Art. 6

finition des „unbeweglichen Vermögens“ an das Recht des Belegenheitsstaats wird zum einen auf eine eigenständige abkommensrechtliche Bestimmung verzichtet; dies abschwächend verankert Satz 2 einen Katalog von Vermögenswerten, die entweder immer (Positivkatalog) oder in keinem Fall (Negativkatalog) zum unbeweglichen Vermögen gehören. Zum anderen wird durch die Qualifikationsverkettung eine Bindung des Ansässigkeitsstaats geschaffen, d.h. beide Vertragsstaaten sind bei der Anwendung des Abkommens an einen bestimmten Umfang des Vermögens gebunden. Damit wird der Doppelbesteuerung infolge von Qualifikationskonflikten vorgebeugt (vgl. Art. 6 Rz. 2 Satz 1 OECD-MK).

II. Verweis auf das Recht des Belegenheitsstaats (Abs. 2 Satz 1) 1. Recht des Belegenheitsstaats Dynamischer Verweis. Der Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ hat die Bedeutung, die ihm nach dem 43 Recht des Vertragsstaats zukommt, in dem das Vermögen belegen ist. Mit dem Verweis wird die gesamte Rechtsordnung des Belegenheitsstaats einbezogen und zwar in seiner jeweiligen Fassung. Gesetzesänderungen sind insofern beachtlich. Allerdings setzt die Bona-fide-Klausel in Art. 31 Abs. 1 WÜRV einer willkürlichen oder überraschenden Ausdehnung des innerstaatlichen Begriffsverständnisses durch den jeweiligen Belegenheitsstaat Grenzen, d.h. Vermögensgegenstände ohne jeden Bodenbezug sind auch dann abkommensrechtlich kein unbewegliches Vermögen, wie sie als solches nach dem innerstaatlichen Recht des Belegenheitsstaat definiert sind.1 In erster Linie maßgeblich ist das jeweilige Steuerrecht des Belegenheitsstaats; das ergibt sich aus der größeren Sachnähe.2 Zivilrechtliche und ggf. auch öffentlich-rechtliche Regelungen gelten nachrangig und sind insbesondere dann anzuwenden, wenn das Steuerrecht keine eigenständigen Definitionen der unbeweglichen Vermögenswerte vorhält.3 Das Recht des Belegenheitsstaates erfordert auch die Beachtung der Gesetzesauslegung durch gefestigte Rspr. und Verwaltungsanweisungen, aus denen sich eine gefestigte Verwaltungspraxis ergibt.4 Bei einem unterschiedlichen Verständnis eines steuerrechtlichen Begriffs in verschiedenen Steuerarten (z.B. Ertragsteuerrecht, Umsatzsteuer-, Grunderwerbsteueroder Bewertungsrecht) ist im Zweifel die ertragsteuerliche Bedeutung maßgebend. 2. Unbewegliches Vermögen nach deutschem Recht a) Maßgebliche Vorschriften Deutsches Steuerrecht. Das ertragsteuerlich relevante unbewegliche Vermögen ist in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und die Land- und Forstwirtschaft in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG definiert. Die in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG beispielhaft aufgezählten Gegenstände des unbeweglichen Vermögens sind Grundstücke, Gebäude, Gebäudeteile, Schiffe, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht). Zu beachten ist, dass die Aufzählung nicht abschließend ist („insbesondere“);5 zudem werden Schiffe, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, nach deutschem Steuerrecht erfasst, gehören aber abkommensrechtlich nicht zum unbeweglichen Vermögen (Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2). Gleiches gilt für Luftfahrzeuge, die in die Luftfahrzeugrolle6 eingetragen sind. Diese werden zwar nicht gesetzlich erwähnt, der BFH behandelt sie jedoch nach innerstaatlichem Recht ebenfalls als unbewegliches Vermögen.7

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b) Grundstück Begriff des Grundstücks. Mit dem Begriff „Grundstück“ in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wird an den zivilrechtlichen Grundstücksbegriff angeknüpft. Grundstück ist ein abgegrenzter, katastermäßig vermessener und bezeichneter Teil der Erdoberfläche (auch Gewässer), der im Regelfall im Grundbuch als Grundstück geführt wird (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GBO); letzteres gilt dann nicht, wenn es sich um Grundstücke (z.B. des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Kirchen) handelt, die nur auf Antrag des Eigentümers oder eines 1 Vgl. Reimer, IStR 2011, 677 (678). 2 So auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 32; Kerssenbrock/Wagner in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 57; Reimer, IStR 2011, 677 (678); s. auch Art. 3 Abs. 2 Halbs. 2. 3 Vgl. BFH v. 19.5.1982 – I R 257/78, BStBl. II 1982, 768 (770). 4 So auch Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 68; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 32. 5 Der Auffangtatbestand hat allerdings in der Praxis bisher kaum eine Rolle gespielt; vgl. Pfirrmann in H/H/R, § 21 EStG Anm. 107. 6 Vgl. § 2 LuftVG. 7 Vgl. BFH v. 2.5.2000 – IX R 71/96, BStBl. II 2000, 467. Gerechtfertigt wird die Gleichstellung damit, dass in ein öffentliches Register eingetragene bewegliche Sachen ähnlich wie Immobilien auf Dauer als Einkunftsquelle geeignet und für Zwecke der Besteuerung einfach zu erfassen sind.

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Art. 6 Rz. 45

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

Berechtigten ein Grundbuchblatt erhalten oder wenn das Grundbuchamt wegen der geringen wirtschaftlichen Bedeutung unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 GBO von der Führung eines Grundbuchblatts absieht. 46

Bestandteile des Grundstücks. Aufstehende Gebäude und Bauwerke sind nach § 94 Abs. 1 BGB wesentliche Bestandteile des Grundstücks; dies gilt aber dann nicht, wenn es sich bei dem Gebäude um einen Scheinbestandteil i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt oder die Sonderregelung nach Art. 231 § 5 Abs. 1 EGBGB für im Beitrittsgebiet gelegene Gebäude, Baulichkeiten, Anlagen, Anpflanzungen oder Einrichtungen eingreift. Bei Bestehen eines Erbbaurechts sind Gebäude Bestandteile desselben. Wesentliche Bestandteile sind auch die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB), z.B. das aufstehende Holz. Pflanzen werden bereits mit dem Einpflanzen, Samen mit dem Aussäen wesentliche Grundstücksbestandteile (§ 94 Abs. 1 Satz 2 BGB). Als Bestandteile des Grundstücks gelten ferner Rechte, die mit dem Eigentum am Grundstück verbunden sind (§ 96 BGB). Solche Rechte sind z.B. Grunddienstbarkeiten (§ 1018 BGB), Überbau- und Notwegrenten (§§ 912 ff. BGB), das Vorkaufsrecht, wenn es zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks bestellt ist (§ 1094 Abs. 2 BGB). Ist das Recht zur Gewinnung von Bodenbestandteilen eines anderen Grundstücks (z.B. Recht zur Sandausbeute) Inhalt einer Grunddienstbarkeit, gehört es zum Eigentum am herrschenden Grundstück und ist für das dienende Grundstück eine dauernde Last.1 Von den Grundstücksbestandteilen zu unterscheiden ist das Zubehör (s. hierzu Rz. 61).

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Keine Bestandteile des Grundstücks. Keine Bestandteile des Grundstücks sind sog. Scheinbestandteile, d.h. Bauwerke oder andere Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden oder in das Gebäude eingefügt sind, und zwar unabhängig von der Festigkeit der Verbindung bzw. Einfügung (§ 95 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Nutzungsdauer der eingefügten Sache die voraussichtliche Vertragsdauer übersteigt und die Sache nach ihrem zu erwartenden Ausbau noch einen Wiederverwendungswert haben wird. In diesen Konstellationen einer Errichtung bzw. Einfügung für eine begrenzte Dauer sind die maßgeblichen Vermögenswerte sowohl zivilrechtlich als bewegliche Sachen als auch ertragsteuerlich als bewegliche Wirtschaftsgüter einzuordnen. Sie sind demnach auch kein unbewegliches Vermögen i.S. des Art. 6. Gleiches gilt für solche Bauwerke, die in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden sind (§ 95 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese sind Bestandteil des entsprechenden dinglichen Rechts und nur dann unbewegliches Vermögen, wenn es sich bei dem dinglichen Recht um ein grundstücksgleiches Recht handelt (z.B. Erbbaurecht). c) Gebäude

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Begriff des Gebäudes. Unter „Gebäude“ versteht man Bauwerke, die Menschen, Tieren oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewähren, den Aufenthalt von Menschen gestatten, fest mit dem Grund und Boden verbunden sind, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest sind.2 Der Begriff des Gebäudes setzt nicht voraus, dass das Bauwerk über die Erdoberfläche hinaus ragt. Auch unter der Erd- oder Wasseroberfläche befindliche Bauwerke, z.B. Tiefgaragen, Lagerkeller, können Gebäude sein. Unerheblich ist auch, ob das Bauwerk auf eigenem oder fremden Grund und Boden steht. Eine feste Verbindung mit dem Grund und Boden ist auch dann anzunehmen, wenn bei Bauwerken entweder eine auf Dauer angelegte Nutzung (mindestens sechs Jahre) gegeben ist oder aufgrund der Zweckbestimmung eine dauernde Nutzung zu erwarten ist (z.B. Wohn- oder Bürocontainer3). d) Gebäudeteile

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Begriff der Gebäudeteile. Gebäudeteile sind zivilrechtlich keine selbständigen Sachen, sie sind aber steuerrechtlich selbständige Wirtschaftsgüter, wenn sie in einem von der übrigen Gebäudenutzung zu unterscheidenden Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen, d.h. unterschiedlich genutzt werden.4 Sie können dementsprechend Gegenstand einer Vermietung sein (z.B. Wohnung, Fassadenteile, die zu Werbezwecken oder zur Erzeugung von Solarstrom überlassen werden; Ladenein- und umbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinbauten). Bei der Vermietung einer möblierten Wohnung oder eines Büros mit Büroeinrichtung fällt das auf die Überlassung der Möbel bzw. der Büroeinrichtung entfallende Entgelt unter § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, weil die Möbel bzw. die Büroeinrichtung eine bewegliche Sache in Form eines Sachin1 2 3 4

Vgl. BFH v. 22.6.1966 – II 74/63, BStBl. III 1966, 550; v. 19.11.1968 – II R 16/68, BStBl. II 1969, 90. Vgl. BFH v. 28.5.2003 – II R 41/01, BStBl. II 2003, 693; v. 14.3.2006 – I R 109/04, BFH/NV 2006, 1812. Vgl. BFH v. 23.9.1988 – III R 67/85, BStBl. II 1989, 113. Vgl. BFH v. 25.9.2007 – IX R 28/07, BStBl. II 2008, 218.

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C. Unbewegliches Vermögen (Abs. 2)

Rz. 53 Art. 6

begriffs darstellen. Gleichwohl werden die Möbel und die Büroeinrichtung von Art. 6 erfasst, da es sich regelmäßig um Zubehör i.S. des § 97 BGB handelt (s. dazu Rz. 61). e) Bestandteile eines Gebäudes/Betriebsvorrichtungen Bestandteile eines Gebäudes. Bestandteile eines Gebäudes können im Unterschied zu Gebäudeteilen nicht Gegenstand besonderer Rechte sein und lassen keine unabhängige Nutzung zu. Hierzu gehören die in § 94 Abs. 1 und 2 BGB genannten Bestandteile von Grundstücken und Gebäuden wie z.B. Mauern, Türen, Fenster, Ziegel sowie Pflanzen, Aussaat etc., die fest mit dem Gebäude bzw. dem Grundstück verbunden sind. Versorgungsleitungen für Strom, Wasser, Heizung sind nur insoweit Bestandteile eines Gebäudes, als sie in das Gebäude eingefügt sind. Scheinbestandteile i.S. des § 95 BGB, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Gebäude verbunden sind, gehören nicht zum Gebäude. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Mieter oder Pächter Sachen auf das Grundstück bzw. in das Gebäude einbringen/einbauen, die nach Ablauf der Miet- bzw. Pachtzeit wieder beseitigt werden müssen. Vermögensgegenstände, die als Scheinbestandteile zu qualifizieren sind, sind sowohl zivilrechtlich als auch steuerlich bewegliches und nicht unbewegliches Vermögen.

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Betriebsvorrichtungen. Betriebsvorrichtungen sind Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die 51 zu einer Betriebsanlage gehören. Unter diesen Begriff fallen alle Vorrichtungen, mit denen ein Gewerbe unmittelbar betrieben wird.1 Sie sind zivilrechtlich häufig wesentliche Bestandteile eines Grundstücks bzw. Gebäudes. Steuerlich werden sie im Bewertungs- und im Grunderwerbsteuerrecht von Grundstück bzw. Gebäude getrennt und als sonderrechtsfähige Gegenstände betrachtet (§ 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG);2 dies sollte jedoch nicht für das Ertragsteuerrecht gelten, d.h. bei der Anwendung von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG werden die Betriebsvorrichtungen als unselbständiger Grundstücksbzw. Gebäudebestandteil behandelt.3 Selbst wenn man Betriebsvorrichtungen auch ertragsteuerlich nicht zum unbeweglichen Vermögen rechnen würde, sind sie jedenfalls im Regelfall, d.h. sofern es sich nicht um Scheinbestandteile handelt, unbewegliches Vermögen i.S. von Art. 6 Abs. 2. Dies ergibt sich schon aus der Zuordnung des Zubehörs zum unbeweglichen Vermögen (Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1). Wenn das Zubehör, das regelmäßig eine losere Verbindung zum Grundstück bzw. Gebäude aufweist, als unbewegliches Vermögen qualifiziert, dann muss dies erst recht für wesentliche Gebäudebestandteile in der besonderen Form der Betriebsvorrichtungen gelten.4 f) Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen Rechte nach Landesrecht. Zu den Rechten, auf die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke Anwendung finden, gehören neben dem Erbbaurecht, dem Mineralgewinnungsrecht, dem Wohnungsund Teileigentum, Dauerwohnrecht, Wohnungs- und Teilerbbaurecht und dem Bergwerkeigentum gem. §§ 9 ff., 17 BBergG die Rechte nach Landesrecht. Das sind insbesondere das nach Landesrecht grundstücksgleiche Bergwerkseigentum (Art. 67 EGBGB), soweit es gem. § 149 BBergG fortbesteht, die Rechte auf Abbau nichtbergrechtlicher Mineralien nach Maßgabe des Landesrechts (§ 68 EGBGB), die als selbständige Gerechtigkeiten bestellten Kohlenabbaugerechtigkeiten und Salzabbaugerechtigkeiten in Niedersachsen sowie entsprechende Rechte nach dem jeweiligen Landesrecht (Art. 68 EGBGB), die Bahneinheiten, soweit nach Landesrecht grundstücksgleich (Art. 112 EGBGB), die Realgewerbeberechtigungen, sofern nach Landesrecht grundstücksgleich (Art. 74 EGBGB), die jagd-, fischerei- und wasserrechtlichen Gerechtigkeiten, sofern nach Landesrecht grundstücksgleich (Art. 65, 69 EGBGB).

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Erbbaurecht. Das Erbbaurecht ist bürgerlich-rechtlich ein grundstücksgleiches Recht, da die sich auf 53 Grundstücke beziehenden Vorschriften sowie die Vorschriften über Ansprüche aus dem Eigentum gem. § 11 Abs. 1 ErbbauRG entsprechende Anwendung finden. Ein Erbbaurecht ist das veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Oberfläche eines fremden Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Nicht nur das von dem Berechtigten errichtete Bauwerk wird zum wesentlichen Bestandteil des Erbbaurechts, sondern auch ein bei der Bestellung des Erbbaurechts bereits vorhandenes Bauwerk, sofern es gem. § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB zuvor bereits Bestandteil des Grundstücks war (§ 12 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG). Ein Erbbaurecht kann entgelt1 Vgl. BFH v. 11.12.1991 – II R 14/89, BStBl. II 1992, 278; z.B. Lastenaufzüge, Autoaufzüge in Parkhäusern, Laderampen, Kaimauern zur Be- und Entladung. 2 Zur Abgrenzung s. Gleichlautender Ländererlass v. 5.6.2013 – S 3130, BStBl. I 2013, 734. 3 Vgl. Pfirrmann in H/H/R, § 21 EStG Anm. 102. 4 So auch Fischer in G/K/G/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 229 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 36b; krit. Plewka/Beck, IStR 2007, 125 (129 f.), für die Ermittlung des unbeweglichen Vermögens bei Anwendung der Sonderregelung für die Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften i.S. des Art. 13 Abs. 4 bzw. Art. 13 Abs. 2 Buchst. b DBA-USA.

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Art. 6 Rz. 53

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

lich oder unentgeltlich bestellt werden. Für die entgeltliche Bestellung kann als Gegenleistung eine einmalige Zahlung oder auch die Verpflichtung zu laufenden Zahlungen (Erbbauzins) oder die Leistung eines anderen Gegenstandes (z.B. Grundschulden oder Rentenschulden) vereinbart werden. Im Fall einer entgeltlichen Bestellung des Erbbaurechts erzielt der Grundstückseigentümer Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Nutzung des Grundstücks). Der Erbbauberechtigte erzielt ebenfalls Einkünfte aus unbeweglichen Vermögen, wenn er das Erbbaurecht bzw. das Gebäude einem Dritten gegen Entgelt zur Nutzung überlässt. 54

Mineralgewinnungsrecht. Das Mineralgewinnungsrecht (Bergbauberechtigung) ist eine besondere Form der Gewerbeberechtigung. Grundsätzlich ist der Eigentümer eines Grundstücks zum Abbau von Grundstückssubstanz (z.B. Sand, Kies) berechtigt. Bzgl. bestimmter Mineralien bzw. Bodenschätze ist das Ausbeuterecht des Grundstückseigentümers durch das Bergrecht eingeschränkt. Während grundeigene Bodenschätze im Eigentum des Grundstückseigentümers stehen, gilt dies nicht für sog. bergfreie Bodenschätze (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BBergG). Dies sind insbesondere Metalle wie Gold, Silber, Platin, Aluminium, Blei, Eisen, Mangan, Nickel, Zinn, Zink und die seltenen Metalle einschließlich der Lanthaniden und Aktiniden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BBergG), Halbmetalle und Nichtmetalle (insbesondere Phosphor und Schwefel), bestimmte Erze, Kohlenwasserstoffe, Graphit, Stein- und Braunkohle, Stein-, Kali-, Magnesium- und Bohrsalze sowie Erdwärme und die im Zusammenhang mit ihrer Gewinnung auftretenden anderen Energien (§ 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b BBergG). Wer bergfreie Bodenschätze gewinnen will, bedarf hierzu einer Bewilligung durch schriftlichen Verwaltungsakt (§ 16 BBergG) oder des Bergwerkseigentums.

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Wohnungs- und Teileigentum. Wohnungs- und Teileigentum gehören nach h.M. zu den grundstücksgleichen Rechten.1 Nach Maßgabe des WEG kann an Wohnungen Wohnungseigentum, an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes Teileigentum begründet werden (§ 1 Abs. 1 WEG). Wohnungseigentum und Teileigentum sind Sondereigentum, das untrennbar mit dem Miteigentumsanteil am gemeinsamen Grundstück verbunden ist (§ 1 Abs. 2 bis 5, § 6 WEG). Der Miteigentumsanteil umfasst das Grundstück und Teile des Gebäudes. Dementsprechend ist das mit Sondereigentum verbundene Miteigentum Grundstück i.S. des bürgerlichen Rechts. Ein Erbbauberechtigter kann das Erbbaurecht in entsprechender Anwendung des § 8 WEG teilen (§ 30 Abs. 2 WEG).

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Bergwerkseigentum. Bergwerkseigentum ist ein durch staatliche Verleihung entstehendes dingliches Nutzungsrecht, das zum Abbau von Bodenschätzen auf einem Grundstück und ihrer Aneignung berechtigt (§ 9 Abs. 1 BBergG). Es beschränkt das Recht des Grundstückseigentümers und ist ein grundstücksgleiches Recht mit gesonderter Eintragung im Grundbuch (§ 17 Abs. 3 BBergG).

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Veräußerung von Miet- und Pachtzinsforderungen. Kein unbewegliches Vermögen ist die Miet- oder Pachtzinsforderung, die aus der Vermietung bzw. Verpachtung unbeweglichen Vermögens resultiert, auch wenn nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG die Veräußerung von bereits entstandenen, aber noch nicht eingezogenen Miet- und Pachtzinsforderungen zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehört.2 Das innerstaatliche Recht will solche Einkünfte nicht als Veräußerungserlös, sondern als laufende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfassen. Das rechtfertigt jedoch keine Qualifikation der Forderung als unbewegliches Vermögen; das zugrundeliegende Rechtsgeschäft ist ein Forderungsverkauf und keine Nutzungsüberlassung von unbeweglichem Vermögen. Der Gewinn aus dem Forderungsverkauf fällt in den Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 2 oder 5. g) Immobilienfonds

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Geschlossene Immobilienfonds. Geschlossene Immobilienfonds werden als Personengesellschaft (zumeist als vermögensverwaltende GmbH & Co. KG, aber auch als einfache KG oder GbR) strukturiert. Damit wird der Tatbestand der Einkünfteerzielung durch die Gesellschaft selbst verwirklicht. Infolge der vollständigen steuerlichen Transparenz der Gesellschaft werden die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen den Gesellschaftern (Anlegern) anteilig zugerechnet. Teilweise beteiligen sich die einzelnen Anleger nicht unmittelbar als Gesellschafter an der Fonds-Personengesellschaft, sondern schalten eine natürliche oder juristische Person als Treuhänder zwischen, die dann auch im Handelsregister eingetragen wird (Beteiligungstreuhand, Treuhandkommanditist). Ist der Treugeber tatsächlich weisungsbefugt, ist ihm die zivilrechtliche Gesellschafterstellung des Treuhänders steuerlich zuzurechnen, d.h. auch in dieser Konstellation erzielen die Anleger Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen.3 Für die Zurechnung an den Treugeber genügt es allerdings

1 Vgl. FG Köln v. 26.10.2006 – 6 K 394/04, EFG 2007, 185; offengelassen in BFH v. 11.8.1967 – VI R 67/66, BStBl. II 1967, 685. 2 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 41; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 184. 3 Vgl. BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691.

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C. Unbewegliches Vermögen (Abs. 2)

Rz. 61 Art. 6

nicht, dass diesem das wirtschaftliche Ergebnis der Vermietung zu Gute kommt; er muss hinreichend, insbesondere auch hinsichtlich der Ausgestaltung des Mietverhältnisses, weisungsbefugt sein.1 Offene Immobilienfonds. Offene Immobilienfonds sind im Gegensatz zu geschlossenen Fonds als Kapitalanlagegesellschaft in der Rechtsform der AG oder GmbH strukturiert. Die auf Ebene der Fondsgesellschaft erwirtschafteten Einkünfte können dem Anleger aufgrund des für das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Anteilseigner grundsätzlich geltenden Trennungsprinzips nicht direkt zugeordnet werden. Allerdings wird infolge der Steuerfreistellung der Kapitalanlagegesellschaft der Umfang der Steuerpflicht des Anteilseigners durch spezialgesetzliche Vorschriften so geregelt, dass Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen auch über die Ausschüttungen hinaus zu versteuern sein können (teilweise Durchbrechung des Transparenzprinzips), dann jedoch als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (i.V.m. §§ 6, 16, 34 ff. InvStG 2018). Nur die Kapitalanlagegesellschaft erzielt nach innerstaatlichem Recht Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen.

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III. Konkretisierung des Begriffs „unbewegliches Vermögen“ (Abs. 2 Satz 2) 1. Positivkatalog (Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1) a) Verhältnis zu Abs. 2 Satz 1 Hilfszweck. Nach dem Positivkatalog gelten bestimmte Vermögenswerte und -rechte immer als unbewegliches Vermögen und zwar unabhängig vom innerstaatlichen Recht des Belegenheitsstaats (s. auch Art. 6 Rz. 2 Satz 2 OECD-MK). Damit überlagert das Abkommensrecht insofern das nationale Recht. Das bedeutet aber nicht, dass die in Satz 2 genannten Vermögenswerte unabhängig vom Recht des Belegenheitsstaats auszulegen wären. Die enge Verbindung des unbeweglichen Vermögens an die Rechtsordnung des Staats, in dem sich das Vermögen befindet, rechtfertigt auch hier eine Bindung an das Recht des Belegenheitsstaats.2 Außerdem wird so ein Auseinanderfallen der Auslegung von Satz 1 und Satz 2 vermieden.3

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b) Zubehör zum unbeweglichen Vermögen Begriff des Zubehörs. Der Begriff „Zubehör“ ist abkommensrechtlich nicht definiert. Ist Deutschland der Belegenheitsstaat, ergibt sich die Begriffsbestimmung mangels steuerrechtlicher Regelung aus § 97 BGB.4 Zubehör sind diejenigen beweglichen Sachen, die ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 BGB). Entscheidend ist grundsätzlich die Verkehrsauffassung (§ 97 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es muss sich um einen Nutzungs- und Funktionszusammenhang der Sachen mit dem Grundstück handeln, der von einer gewissen Dauerhaftigkeit ist. Die vorübergehende Benutzung einer Sache für den wirtschaftlichen Zweck einer anderen begründet keine Zubehöreigenschaft (§ 97 Abs. 2 BGB). Zubehör sind danach z.B. die zum Grundstück gehörenden Treppenläufer, Beleuchtungskörper, Mülltonnen, mitvermietete Einrichtungsgegenstände, Hotelinventar, Gaststätteninventar, Baumaterial und Baugeräte auf einem Baugrundstück, Waschmaschinen, Einbauküchen, Herde, Öfen u.Ä.5 Die vorübergehende räumliche Trennung eines Zubehörgegenstands vom Grundstück hebt die Zubehöreigenschaft nicht auf (§ 97 Abs. 2 BGB). Reimer6 schließt aus der separaten Nennung des Inventars landund forstwirtschaftlicher Betriebe, dass zumindest das vertretbare Mobiliar vermieteter Wohnungen nicht unter Satz 2 fällt (zweifelnd für bewegliche Einrichtungsgegenstände im allgemeinen). Das ist nicht überzeugend. Die Nennung des Inventars im Zusammenhang mit der Land- und Forstwirtschaft trägt den Besonderheiten dieser Bewirtschaftungsformen Rechnung. Nichtkörperliche Gegenstände (z.B. Mietforderung, Bankguthaben, Recht) sind kein Zubehör.7

1 Vgl. BFH v. 27.1.1993 – IX R 269/87, BStBl. II 1994, 615. 2 So auch Kerssenbrock/Wagner in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 72; Fischer in G/K/G/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 249 f.; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 53 ff.; Plewka/Beck, IStR 2007, 125 (129). 3 In diesem Sinne auch Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 76. 4 A.A. Plewka/Beck, IStR 2007, 125 (129), die darauf hinweisen, dass der wirtschaftliche Zusammenhang des „Zubehörs“ mit einem Produktionsbetrieb die Verbindung des beweglichen Vermögens mit den unbeweglichen Vermögen überlagert. 5 Vgl. auch Abschn. 1 Abs. 4 BewRGr. 6 Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 82. 7 So auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 54; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 83.

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Art. 6 Rz. 62

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

c) Lebendes und totes Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe 62

Auslegungskriterien. Der Begriff „Land- und Forstwirtschaft“ ist insofern abkommensrechtlich auszulegen, als eine Verbindung mit dem unbeweglichen Vermögen bestehen muss, d.h. land- und forstwirtschaftliche Betriebe fallen nur dann unter Art. 6, wenn sie einen Bezug zum Grund- und Boden aufweisen.1 Im Rahmen dieser Einschränkung ist auf das Recht des Belegenheitsstaats zurückzugreifen.

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Land- und forstwirtschaftlicher Betrieb. Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft setzt eine selbständige nachhaltige Betätigung voraus, die mit der Absicht der Gewinnerzielung unternommen wird (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG). Landwirtschaft ist die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung und Verwertung von lebenden Pflanzen und Tieren, d.h. im Wesentlichen die Bewirtschaftung von Acker und Dauergrünland, aber auch Tierzucht und Tierhaltung, jedenfalls soweit die Tiere auf die natürlichen Ressourcen des Bodens zurückgreifen.2 Die Landwirtschaft umfasst auch jede sonstige bodenbezogene Pflanzenzucht, die nicht Forstwirtschaft ist, d.h. auch Weinbau, Gartenbau, Baumschulen etc. gehören dazu. Eigene Flächen sind nicht erforderlich, ebenso kein voller landwirtschaftlicher Apparat (Betriebsgebäude, Inventar etc.). Bei einer eigenbewirtschafteten Fläche von mindestens 3000 qm kann i.d.R. ein landwirtschaftlicher Betrieb angenommen werden.3 Forstwirtschaft ist Bodenbewirtschaftung zur Gewinnung von Walderzeugnissen, insbesondere Holz. Für die Annahme eines Forstbetriebs genügt nicht schon jede Forstfläche i.S. des BWaldG. Erforderlich ist eine gewisse Größe, die die Erzielung eines Totalgewinns ermöglicht.4 Nicht unter Land- und Forstwirtschaft fallen die Jagdwirtschaft, Imkerei, Vogelzucht und Fischzucht, weil hierzu keine Bewirtschaftung des Grund und Bodens erforderlich ist. Unerheblich ist, dass diese Bewirtschaftungsarten nach innerstaatlichem Recht zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft führen können (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 62 Abs. 1 BewG; § 13 Abs. 1 Nr. 3 EStG).5 Auch Nebenbetriebe (wie z.B. Beund Verarbeitungsbetriebe, Handelsbetriebe, Speisewirtschaften, Schlachtereien, Kraftwerke oder Produktionsstätten für Biogas) fallen – anders als nach innerstaatlichem Recht (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 1 EStG) – nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6.6 Abkommensrechtlich sind einheitlich ermittelte Einkünfte ggf. aufzuteilen.

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Lebendes Inventar. Lebendes Inventar ist insbesondere das Vieh, das der Arbeitsleistung dient, oder zur Gewinnung von Erzeugnissen oder zu Zuchtzwecken eingesetzt wird. Daher sind Rinder eines landwirtschaftlichen Betriebs grundsätzlich ebenso Inventar wie ein Wachhund oder ein Zuchthengst. Mast-Vieh bleibt solange Inventar des Betriebs, bis es zur Veräußerung bestimmt wird, weil sich damit die Widmung ändert. Pflanzen sind ebenfalls lebendes Inventar.

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Totes Inventar. Totes Inventar sind insbesondere die landwirtschaftlichen Arbeitsgeräte wie z.B. Ackerwagen, Pflug, Traktor. Nichtkörperliche Gegenstände wie Wertpapiere, Bankguthaben etc. gehören nicht zum Inventar.7 Landwirtschaftliche Erzeugnisse wie z.B. Saatgut und Dünger gehören nur zum Inventar, soweit sie zur Fortführung der Landwirtschaft bis zur voraussichtlichen Gewinnung gleicher oder ähnlicher Erzeugnisse erforderlich sind (vgl. § 98 Nr. 2 BGB). d) Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten

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Grundstücksgleiche Rechte. Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten, werden auch abkommensrechtlich den Grundstücken gleichgestellt. Entscheidend ist das jeweilige Privatrecht des Quellenstaats. Zu den Rechten, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten, gehören nach deutschem Rechtsverständnis die in Rz. 52 bis 56 beschriebenen grundstücksgleichen Rechte (Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht, Wohnungs- und Teileigentumsrechte, Bergrechte, Bergwerkseigen1 So auch Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 35, 66; Galke/Haase in Haase3, Art. 6 OECD-MA Rz. 74; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 16. 2 Die gewerbliche Viehzucht fällt unter Art. 7. 3 Vgl. BFH v. 24.11.1994 – IV R 53/94, BFH/NV 1995, 592 (593); v. 5.5.2011 – IV R 48/08, BStBl. II 2011, 792 = FR 2011, 907. 4 Vgl. BFH v. 13.4.1989 – IV R 30/87, BStBl. II 1989, 718 (719 f.). 5 So auch Galke/Haase in Haase3, Art. 6 OECD-MA Rz. 80; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 37, 38; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 16a; Kerssenbrock/Wagner in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 44; Fischer in G/K/G/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 325. 6 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 16; Kerssenbrock/Wagner in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 44; wie hier Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 41. 7 Vgl. FG Nürnberg v. 17.12.1980 – V 55/77, EFG 1981, 331 zum DBA-Österreich 1954, welches das Inventar landund forstwirtschaftlicher Betriebe nicht bei den Positivbeispielen aufführte; a.A. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 86, der Wertpapiere, Kontokorrentforderungen u.Ä. in betriebsüblicher Menge und Höhe zum toten Inventar rechnen will.

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C. Unbewegliches Vermögen (Abs. 2)

Rz. 72 Art. 6

tum, Wasserrechte, Jagdrechte, Fischereirechte, Gerechtigkeiten und Bahneinheiten, soweit sie nach Landesrecht als grundstücksgleich angesehen werden, Realgewerbeberechtigungen (Art. 74 EGBGB)). Nicht einheitlich beurteilt werden Grundpfandrechte. Sie sind formal auch beschränkt dingliche Rechte, berechtigten jedoch nicht zu einer Nutzung von Grundbesitz, sondern haben einen Sicherungscharakter. Insofern werden sie mit der Begründung, es handele sich nur um Rechte an einem Grundstück, bereits aus den grundstücksgleichen Rechten herausgenommen.1 Nach anderer Auffassung sind Grundpfandrechte beschränkt dingliche Rechte mit Grundstücksbezug.2 Zu einer Nutzungsüberlassung soll es kommen, wenn das Grundstück entgeltlich als Sicherheit für die Schuld eines Dritten zur Verfügung gestellt wird.3 Dieser Sachverhalt sollte u.E. bereits durch die umfassende Bestimmung der Nutzung von Grundbesitz in Art. 6 Abs. 3 erfasst sein (s. Rz. 95). e) Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen Inhalt. Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen umfassen sowohl dingliche als auch obligatorische Nutzungsrechte.

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aa) Dingliche Nutzungsrechte Begriff der dinglichen Nutzungsrechte. Für Deutschland als Belegenheitsstaat sind dingliche Nutzungsrechte zivilrechtlich definiert. Hierunter fallen Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB), Grunddienstbarkeiten (§§ 1018 ff. BGB), beschränkte persönliche Dienstbarkeiten (§§ 1090 ff. BGB) und Reallasten, nicht jedoch dinglich gesicherte Vorkaufsrechte (§§ 1094 ff. BGB) und Grundpfandrechte; hier fehlt der Nutzungscharakter der Regelung.4

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Nießbrauch. Ein Nießbrauch liegt vor, wenn das unbewegliche Vermögen in der Weise belastet ist, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung wirkt, die Nutzungen des unbeweglichen Vermögens zu ziehen berechtigt ist (§ 1030 Abs. 1 BGB). Nach § 1031 BGB erstreckt sich der Nießbrauch an einem Grundstück auf das Grundstückszubehör. Gegenstand eines Nießbrauchs an einem Grundstück kann auch das Grundstück einschließlich des Inventars sein. Das Nießbrauchsrecht selbst wird abkommensrechtlich als unbewegliches Vermögen fingiert mit der Folge, dass der Nießbrauchsberechtigte durch entgeltliche Nutzung des Nießbrauchs Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen erzielen kann.

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Grunddienstbarkeit. Grunddienstbarkeit bedeutet, dass das Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet wird, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt (§ 1018 BGB). Überlässt der Inhaber einer Grunddienstbarkeit das Grundstück einem anderen entgeltlich zur Nutzung, erzielt er Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen. Die Bestellung der Grunddienstbarkeit selbst kann für den Eigentümer des belasteten Grundstücks zu Einkünften aus unbeweglichem Vermögen führen. Grunddienstbarkeiten können beispielsweise für die Errichtung von Anlagen (z.B. Stromleitungen), Wegerechte oder Bebauungsbeschränkungen bestellt werden.

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Beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Für eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit wird ein Grundstück in der Weise belastet, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann. Der Inhalt einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit kann grundsätzlich dem Inhalt einer Grunddienstbarkeit entsprechen. Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist z.B. das dingliche Wohnrecht (vgl. § 1093 BGB). Wird die Berechtigung aus der persönlichen Dienstbarkeit entgeltlich zur Nutzung überlassen, erzielt der Inhaber Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen. Die Bestellung der Dienstbarkeit durch den Grundstückseigentümer gegen Entgelt führt ebenfalls zu Einkünften aus unbeweglichem Vermögen.

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Grundpfandrechte, Hypotheken, dingliches Vorkaufsrecht. Grundpfandrechte, Hypotheken, dingliches Vorkaufsrecht (§ 1094 Abs. 1 BGB) sind keine Nutzungsrechte. Ihnen fehlt der Nutzungscharakter. Sie die-

72

1 Vgl. Fischer in G/K/G/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 278; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 74a; Kerssenbrock/Wagner in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 77, 79. 2 A.A. Galke/Haase in Haase3, Art. 6 OECD-MA Rz. 67; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 90. 3 Vgl. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 176. 4 Vgl. BFH v. 19.5.1982 – I R 257/78, BStBl. II 1982, 768 (770); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 74a f.; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 92.

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Art. 6 Rz. 72

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

nen der Sicherung von Geldforderungen bzw. sichern eine Berechtigung zum Erwerb eines Grundstücks, wenn dieses veräußert werden soll.1 bb) Obligatorische Nutzungsrechte 73

Obligatorische Nutzungsrechte. Unter den Begriff „Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen“ können auch schuldrechtliche Nutzungsrechte fallen. Einkünfte aus obligatorischen Nutzungsrechten sind insbesondere die Einkünfte aus Untervermietung und -verpachtung sowie Entgelte für den Verzicht auf Rechte aus schuldrechtlichen Nutzungsverhältnissen, z.B. Abstandszahlungen für die vorzeitige Aufgabe eines Mietoder Pachtverhältnisses.2 f) Ausbeuterechte

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Inhalt. Zum unbeweglichen Vermögen gehören auch Rechte auf veränderliche oder feste Vergütungen für die Ausbeutung oder das Recht auf Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen.

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Recht auf veränderliche oder feste Vergütung. Bei dem Vergütungsanspruch handelt es sich i.d.R. um eine Geldforderung, die der Überlassende als Gegenleistung für die Überlassung des Grundstücks zur Ausbeute oder eines Ausbeuterechts von einem Dritten erhält. Diese gehört nicht zum unbeweglichen Vermögen.3 Die Vergütung selbst führt zu Einkünften aus unbeweglichem Vermögen.

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Ausbeutung. Ein Grundstück zur Ausbeutung überlassen kann zunächst der Eigentümer. Aber auch ein Nichteigentümer, der das Recht an einem vom Eigentum getrennten Bodenschatz hat (sog. bergfreier Bodenschatz i.S. des § 3 Abs. 2 Satz 2 BBergG), kann den Bodenschatz zur Ausbeutung überlassen.4 Es muss sich um eine Nutzungsüberlassung zur Ausbeutung handeln. Derjenige, der selbst Bodenschätze abbaut, erzielt i.d.R. Unternehmensgewinne.5

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Recht auf Ausbeutung. Ein Recht auf Ausbeutung steht demjenigen zu, dem ein Grundstück bzw. Grundstücksteil zur Ausbeute überlassen wurde. Der Inhaber eines Förderrechts oder einer Abbaukonzession kann dieses Recht nutzen, in dem er es an einen anderen gegen Entgelt überträgt.

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Mineralvorkommen. Mineralvorkommen sind chemisch und physikalisch einheitliche Bestandteile der Erdkruste (natürliche Ablagerungen anorganischer Stoffe aller Aggregatszustände). Hierzu zählen z.B. Metalle, Edelsteine, Halbedelsteine und andere Steine wie z.B. Marmor, Salze, Quarze, Erz, Steinkohle, Mineralöl, Schwefel und Schwefelverbindungen.6 Nicht dazu gehören Erde, Kies und Sand als unmittelbarer Bestandteil der Grundstückssubstanz.

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Quellen. Quellen sind Stätten, an denen Flüssigkeiten aus dem Boden an die Erdoberfläche treten.7 Die Quellen müssen Bodenschatzcharakter haben. Für Deutschland gelten ausdrücklich Wasser- und Heilwasserquellen nicht als Bodenschatz i.S. des § 3 Abs. 1 BBergG.

80

Andere Bodenschätze. Ist Deutschland der Belegenheitsstaat, ergeben sich die möglichen Ausbeuteobjekte aus § 3 BBergG v. 13.8.1980.8 Bodenschätze sind mit Ausnahme von Wasser alle mineralischen Rohstoffe in festem oder flüssigem Zustand und Gase, die in natürlichen Ablagerungen oder Ansammlungen (Lagerstätten) in oder auf der Erde oder im Meerwasser vorkommen.9 Grundeigene Bodenschätze stehen im Eigentum des Grundstückseigentümers und sind damit Bestandteil des Grundstücks; auf bergfreie Bodenschätze erstreckt sich das Eigentum an einem Grundstück hingegen nicht (§ 3 Abs. 2 BBergG). § 3 Abs. 3 und 4 BBergG enthalten Auflistungen grundeigener und bergfreier Bodenschätze.

1 Vgl. auch Fischer in G/K/G/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 287; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 74a, 75. 2 Vgl. BFH v. 28.4.1982 – I R 151/78, BStBl. II 1982, 566 (567); krit. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 185. 3 Vgl. BFH v. 15.12.1993 – II R 66/89, BStBl. II 1994, 220; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 78; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 105. 4 Vgl. Fischer in G/K/G/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 272, 293. 5 Dies ergibt sich u.a. auch aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. f. 6 Vgl. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 110. 7 Vgl. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 111; Fischer in G/K/G/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 300. 8 BGBl. I 1980, 1310. 9 Vgl. § 3 Abs. 1 BBergG v. 13.8.1980, BGBl. I 1980, 1314.

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D. Nutzung unbeweglichen Vermögens (Abs. 3)

Rz. 86 Art. 6

2. Negativkatalog (Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2) Auslegungskriterien. Schiffe und Luftfahrzeuge sind ausdrücklich aus dem „unbeweglichen Vermögen“ ausgenommen. Insofern wird der Verweis auf das innerstaatliche Recht des Belegenheitsstaats eingeschränkt. Da es sich um eine Negativabgrenzung handelt, macht eine Auslegung der Begriffe „Schiffe“ und „Luftfahrzeuge“ nach dem Recht des Belegenheitsstaats keinen Sinn. Insofern gilt die allgemeine Regel des Art. 3 Abs. 2, wonach ein Rückgriff auf das Recht des jeweiligen Anwenderstaats erfolgt.1 Dabei geht es ausschließlich um die Nutzungsüberlassung von Schiffen und Luftfahrzeugen; Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8. Hierzu gehört auch die Vercharterung eines vollständig ausgerüsteten und bemannten Schiffes. Für die reine Vermietung (Bare-Boat-Charter) dürften Einkünfte nach Art. 7 Abs. 1 oder Art. 21 Abs. 1 in Betracht kommen.

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Schiffe. Schiffe sind alle auf und unter dem Wasser sich bewegenden oder bewegten Transportmittel.2 Sie gehören nach deutschem Steuerrecht nur dann zum unbeweglichen Vermögen, wenn sie in ein Schiffsregister eingetragen sind (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).

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Luftfahrzeuge. Luftfahrzeuge sind alle im Wasser oder auf dem Festland startenden und landenden Fahrzeuge, die sich im Luftraum fortbewegen (vgl. Art. 8 (2014) Rz. 29). Luftfahrzeuge, die in die Luftfahrzeugrolle3 eingetragen sind, werden nach innerstaatlichem Recht jedenfalls nach Auffassung des BFH als unbewegliches Vermögen behandelt.4

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D. Nutzung unbeweglichen Vermögens (Abs. 3) I. Regelungszweck Definition der Einkunftserzielungshandlungen. Abs. 3 definiert die Einkunftserzielungshandlungen. Die Zuweisung des Besteuerungsrechts soll für jede Art der Nutzung unbeweglichen Vermögens gelten. Mit der umfassenden Nutzung wird der Zusammenhang zwischen den Einkünften und der Einkunftsquelle, dem unbeweglichen Vermögen definiert (Einkünfte „aus“ unbeweglichem Vermögen). Mit den Begriffen der „unmittelbaren Nutzung“ (direkter Gebrauch) und der „Vermietung und Verpachtung“ (Nutzung durch Gebrauchsüberlassung) nennt das Abkommen zwei Regelbeispiele. Da diese und der Begriff „Nutzung“ abkommensrechtlich nicht definiert sind, ist auf das Recht des Anwenderstaats zurückzugreifen (Art. 3 Abs. 2).5

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II. Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung Nutzung. Nutzung ist die zeitlich begrenzte Bewirtschaftung des Vermögensgegenstands. Nutzender kann sowohl der Eigentümer (z.B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) als auch ein Mieter (z.B. Untervermietung) als auch ein Untermieter (durch Gebrauch oder weitere Untervermietung) und so weiter sein; es können somit auch unterschiedliche Personen sein, die dasselbe unbewegliche Vermögen gleichzeitig nutzen und jeweils Einkünfte aus diesem Vermögen erzielen.

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Unmittelbare Nutzung. Unmittelbare Nutzung bezeichnet die Eigennutzung des unbeweglichen Vermögens durch den Nutzenden, z.B. durch Bewohnen eines Gebäudes (Gebrauch für den persönlichen Lebensraum) oder Fruchtziehung aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb; letztere ist durch die unmittelbare Ausbeutung des Grund- und Bodens gekennzeichnet. Mit dem Erfordernis der „Unmittelbarkeit“ wird die direkte persönliche Nutzung durch den Steuerpflichtigen bzw. die Bewirtschaftung auf eigene Rechnung von der entgeltlichen Nutzungsüberlassung abgegrenzt. Ob diese unmittelbare private Nutzung tatsächlich besteuert wird, bestimmt sich nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaates (so z.B. aktuell Belgien, Niederlande, Italien, Schweiz, Spanien;6 in Deutschland galt bis einschließlich VZ 1986 die Nut-

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1 Vgl. Fischer in G/K/G/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 303; a.A. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 113, der auf den Abkommenszusammenhang zurückgreifen will; ähnlich Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 82. 2 Vgl. BFH v. 21.9.1955 – V 106/55 U, BStBl. III 1955, 358 (359); Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 12. 3 Vgl. § 2 LuftVG. 4 Vgl. BFH v. 2.5.2000 – IX R 71/96, BStBl. II 2000, 467. Gerechtfertigt wird die Gleichstellung damit, dass in ein öffentliches Register eingetragene bewegliche Sachen ähnlich wie Immobilien auf Dauer als Einkunftsquelle geeignet und für Zwecke der Besteuerung einfach zu erfassen sind. 5 A.A. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 133: abkommensautonome Auslegung; wie hier Fischer in G/K/G/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 312; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 92; Kerssenbrock/Wagner in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 85. 6 Vgl. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 158.

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Art. 6 Rz. 86

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

zungswertbesteuerung nach §§ 21 Abs. 2, 21a EStG). Nicht erforderlich ist, dass tatsächlich genutzt wird; ausreichend ist bereits, dass die Immobilie bzw. Wohnung dem Steuerpflichtigen jederzeit zur Verfügung steht.1 87

Negativabgrenzung: betriebliche Nutzung. Dagegen ist die Nutzung einer Immobilie im Rahmen eines Betriebs keine unmittelbare Nutzung, weil die Immobilie hier als Produktionsfaktor eingesetzt wird.2 Dies gilt nur für die gewerbliche und freiberufliche Eigennutzung der Immobilie, nicht für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung (zum Begriff der Land- und Forstwirtschaft s. Rz. 63). Es kommt somit in diesen Fällen der betrieblichen Eigennutzung nicht zu fiktiven Einkünften. Im wirtschaftlichen Ergebnis werden lediglich Miet- bzw. Pachtaufwendungen gespart, die bei einer Anmietung bzw. -pachtung angefallen wären. Auch der Betrieb von Windenergie-, Solar- und Wasserkraftanlagen ist keine unmittelbare Nutzung des Grund- und Bodens, sondern der Energie des Windes, der Sonne oder des Wassers. Wird ein Gebäude teils eigenbetrieblich genutzt und teils fremdvermietet, führt die entgeltliche Nutzungsüberlassung zu Einkünften aus unbeweglichem Vermögen.

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Erforschung und Ausbeutung von Bodenschätzen. Die sog. Exploration, d.h. die Suche nach Bodenschätzen durch Probebohrungen oder -grabungen, begründet keine unmittelbare Nutzung.3 Hier steht der Forschungsgedanke im Vordergrund und nicht die Nutzung; entsprechende Einkünfte fallen in den Anwendungsbereich von Art. 7. Gleiches gilt für die aktive Ausbeutung von Bodenschätzen.4 Denn die Ausbeutung führt nur dann zu Einkünften, wenn das Ausbeutungssubstrat am Markt verwertet wird. Dadurch wird der Ausbeutende unternehmerisch tätig und verlässt den unmittelbaren Bezug zum unbeweglichen Vermögen. Der Abbau von Bodenschätzen führt dementsprechend regelmäßig zu Einkünften i.S. des Art. 7 Abs. 1. Hierfür spricht auch Art. 5 Abs. 2 Buchst. f, nach dem eine „Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen“ vom abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriff umfasst ist. Diese Regelung bezieht sich jedoch nur auf die Ausbeutung von Bodenschätzen, die Erforschung dieser Vorkommen ist nicht erwähnt. Den Vertragsstaaten steht frei, eine Regelung für die Einkünfte aus diesen Tätigkeiten im jeweiligen Abkommen zu vereinbaren (Art. 5 Rz. 15 OECD-MK).

III. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 89

Begriff der Vermietung und Verpachtung. Die Vermietung und Verpachtung wird gekennzeichnet durch das zeitlich begrenzte Überlassen des Vermögensgegenstands an einen Dritten. Der steuerliche Begriff der Vermietung und Verpachtung umfasst nicht nur die zivilrechtlichen Vertragstypen der Miete und Pacht (vgl. §§ 535 ff.; 581 ff. BGB), sondern auch alle sonstigen Rechtsverhältnisse, die nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt einer Vermietung und Verpachtung im zivilrechtlichen Sinn vergleichbar sind. Es muss sich um die zeitlich begrenzte Überlassung von unbeweglichem Vermögen zur Nutzung gegen Entgelt handeln. Bei der Vermietung wird dem Mieter eine bestimmte Grundstücksfläche unter Ausschluss anderer zur Nutzung überlassen und der Mieter ist zur Rückgabe der Mietsache verpflichtet. Bei der Verpachtung kommt die Berechtigung zur Fruchtziehung hinzu. Dabei kann es sich sowohl um schuldrechtliche Verträge als auch um dingliche Rechtsverhältnisse (z.B. Erbbaurechtsvertrag, Nießbrauch) handeln. Auch Vergütungen für die zwangsweise Überlassung von unbeweglichem Vermögen sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.5 Ferner ist auch die Abstandszahlung für die vorzeitige Aufgabe des Besitzrechts am Vermögen ein Entgelt für eine Vermietungs- bzw. Verpachtungsleistung; denn wirtschaftlich stellt sich die Abstandszahlung als Marge für eine fiktive Rückverpachtung des Mieters/Pächters an den Eigentümer für die restliche Laufzeit des Miet-/Pachtvertrags dar.6 Werden neben dem Grundbesitz bewegliche Wirtschaftsgüter vermietet, ist das vereinnahmte Entgelt entsprechend aufzuteilen; für die Vermietung von beweglichen Wirtschaftsgüter findet entweder Art. 7 Abs. 1 oder Art. 21 Abs. 1 Anwendung; bei Anwendung der Auffangklausel kommt es regelmäßig zum Auseinanderfallen des Besteuerungsrechts zwischen dem Belegenheitsstaat einerseits und dem Ansässigkeitsstaat andererseits für die Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung beweglicher Vermögenswerte.7 1 Vgl. BFH v. 22.1.1980 – VIII R 134/78, BStBl. II 1980, 447. 2 So auch Galke/Haase in Haase3, Art. 6 OECD-MA Rz. 90, 93; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 97; Kerssenbrock/Wagner in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 89. 3 Vgl. auch Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 163 ff.; Art. 5 Rz. 15 OECD-MK. 4 Ebenso Fischer in G/K/G/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 319; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 77; a.A. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 166 ff. 5 Vgl. BFH v. 19.4.1994 – IX R 19/90, BStBl. II 1994, 640. 6 Vgl. BFH v. 28.4.1982 – I R 151/78, BStBl. II 1982, 566; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 141. 7 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760.

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D. Nutzung unbeweglichen Vermögens (Abs. 3)

Rz. 94 Art. 6

Untergeordnete Nebenleistungen oder Nebenabreden. Untergeordnete Nebenleistungen oder Nebenabreden berühren die Einordnung als Vermietung bzw. Verpachtung nicht und führen auch nicht zu einer Aufteilung der Einkünfte auf unterschiedliche Verteilungsnormen.1 Allerdings sollte die Attraktivkraft der Überlassungsvereinbarung nicht der Regelfall sein. Weist die Vereinbarung neben der Nutzungsüberlassung wesentliche miet- und pachtfremde Elemente auf, ist zwischen einem „gemischten Vertrag“ und einem „Vertrag besonderer Art“ zu unterscheiden. Bei einem gemischten Vertrag ist eine Abtrennung von Miet-/ Pachtelementen als Hauptleistungen möglich; bei einem Vertrag besonderer Art ist dies nicht mehr möglich, das Miet-/Pachtelement wird durch andere Vertragsbestandteile vollständig überlagert und verdrängt. Während bei einem gemischten Vertrag das Gesamtentgelt in Entgeltsbestandteile für die Vermietungsleistung, die dem Anwendungsbereich des Art. 6 unterfällt, und die anderen Leistungen, für die andere Verteilungsnormen wie insbesondere Art. 7, 11, 12 und 21 gelten, aufzuteilen ist, wird das Leistungsbündel bei einem Vertrag besonderer Art insgesamt einer anderen Verteilungsnorm, im Regelfall Art. 7 zugeordnet.

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Gemischter Vertrag. Ein typengemischter Vertrag liegt vor, wenn er sowohl Kriterien einer Vermietung/ Verpachtung als auch Merkmale anderer Leistungen aufweist, ohne dass neben der Vermietung/Verpachtung als Hauptleistungspflicht nur untergeordnete Nebenleistungspflichten gegeben sind. Es handelt sich um einen Vertrag mit mehreren Hauptpflichten, bei denen sich eine Hauptpflicht als Vermietung/Verpachtung darstellt. Eine Zerlegung des Vertrags setzt voraus, dass sich die Pflichten rechtlich voneinander trennen lassen. So sind z.B. bei der Ferienwohnungsvermietung die Nutzungsüberlassung und die Serviceleistungen (z.B. Reinigung) grundsätzlich trennbar. Nur der – ggf. durch Schätzung zu ermittelnde – Entgeltanteil, der auf die Vermietung an sich entfällt, bezieht sich auf die Nutzung von unbeweglichem Vermögen und fällt insoweit in den Anwendungsbereich von Art. 6. Das Besteuerungsrecht für den Entgeltanteil, der auf die Serviceleistungen entfällt, bestimmt sich nach Art. 7 oder nach Art. 21.

91

Vertrag besonderer Art. Ein Vertrag besonderer Art liegt vor, wenn die Nutzungsüberlassung des Grundbesitzes gegenüber anderen wesentlicheren Leistungen zurücktritt und das Vertragsverhältnis ein einheitliches, unteilbares Ganzes darstellt. Bei solchen Rechtsverhältnissen handelt es sich nicht mehr um Vermietung bzw. Verpachtung. Solche Verträge besonderer Art liegen z.B. vor bei Hotel-Vermietung an Endnutzer (Beherbergungsverträge), bei Verpachtung von Messeflächen an Aussteller, Verpachtung von Grundstücksflächen an Schausteller auf Jahrmärkten und Lagergeschäften (vgl. §§ 416 ff. HGB), bei denen der Unternehmer neben der Raumüberlassung die Lagerung und Aufbewahrung von Gütern übernimmt.2 Einkünfte aus solchen vertraglichen Leistungen fallen i.d.R. in den Anwendungsbereich von Art. 7 oder auch Art. 8 (z.B. Nutzung von Häfen oder Hangars).

92

Leasingverträge. Beim Leasing ist danach zu unterscheiden, wem das wirtschaftliche Eigentum am Leasinggegenstand zuzurechnen ist: Verbleibt das wirtschaftliche Eigentum beim Leasinggeber, liegt eine reine Nutzungsüberlassung vor. Geht das wirtschaftliche Eigentum/Verfügungsmacht auf den Leasingnehmer über, liegt statt einer Nutzungsüberlassung eine Veräußerung mit Kreditgewährung vor. Die deutsche Finanzverwaltung hat in den Immobilien-Leasingerlassen3 Kriterien für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums entwickelt, nach denen es auf folgende Kriterien ankommt: Verhältnis von unkündbarer Grundmietzeit zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer, Vorhandensein von Kauf- und Mietverlängerungsoptionen, Relation der Kaufoptions-Kaufpreise zum Restbuchwert, Relation einer Anschlussmiete zur Marktmiete, besondere Verpflichtungen des Leasingnehmers, die diesem bestimmte Investitionsrisiken aufbürden. Immobilien, die Gegenstand eines Spezial-Leasing-Vertrags sind, sind stets dem Leasingnehmer zuzurechnen.

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Überlassung zur Ausbeutung von Bodenschätzen. Verträge über die zeitlich begrenzte Überlassung von Grundstücken zwecks Gewinnung von Bodenschätzen sind grundsätzlich als Verpachtung zu qualifizieren, unabhängig davon, wie die Vertragsparteien den Vorgang rechtlich bezeichnet haben.4 Das sollte auch dann gelten, wenn das Grundstück zwar zivilrechtlich übereignet wird, die Vertragsparteien aber die Rückübereignung nach Beendigung der Ausbeutung vereinbart haben.5 Ein Kaufvertrag (Übereignung von Bodensubstanz) kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn eine dauerhafte Eigentumsübertragung gewollt war (z.B. Lieferung einer fest begrenzten Menge eines bestimmten Vorkommens).6

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1 In diesem Sinne auch Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 147 ff. 2 Vgl. BFH v. 14.11.1968 – V 191/65, BStBl. II 1969, 120 zur Umsatzsteuer. 3 Vgl. BMF v. 21.3.1972 – F/IV B 2 - S 2170 - 11/72, BStBl. I 1972, 188 zum Vollarmortisations-Leasing; BMF v. 23.12.1991 – IV B 2 - S 2170 - 115/91, BStBl. I 1992, 13 zum Teilamortisations-Leasing. 4 Vgl. auch BFH v. 21.7.1993 – IX R 9/89, BStBl. II 1994, 231. 5 Vgl. BFH v. 5.10.1973 – VIII R 78/70, BStBl. II 1974, 130. 6 Vgl. BFH v. 12.12.1969 – VI R 197/67, BStBl. II 1970, 210.

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403

Art. 6 Rz. 95

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

IV. Einkünfte aus jeder anderen Art der Nutzung 95

Auffangklausel. Mit der anderen Art der Nutzung sollen Sachverhalte erfasst werden, die nicht schon unmittelbare Nutzung oder Vermietung/Verpachtung sind, wie z.B. die Erbbaurechtsbestellung gegen Zahlung eines einmaligen oder laufenden Erbbauzinses. Hierunter können auch Vertragsverhältnisse fallen, die einem anderen nur den Gebrauch des unbeweglichen Vermögens zu einem vertraglich festgelegten Zweck ermöglichen. Häufig werden Grundstücke nicht insgesamt, sondern nur im Hinblick auf bestimmte Teilbereiche ihres Nutzungspotentials zur Verfügung gestellt, z.B. auf der Grundlage von Dienstbarkeiten oder Konzessionen. Beispiele hierfür sind Rechte zur Verlegung und zum Betrieb von Leitungen (Gas, Wasser, Strom, Öl) auf dem Grundstück, oberhalb des Grundstücks (z.B. Überspannrechte) oder unterhalb der Erdoberfläche, Wegerechte, Dienstbarkeiten zur Errichtung von Wegen und Plätzen auf fremden Grundstücken, Rechte zur Verfüllung von Grundstücken etc. Derartige Rechtsverhältnisse sind regelmäßig als Verpachtung von Grundbesitz zu qualifizieren (z.B. Verpflichtung/Baulast, eine Kanalleitung auf dem Grundstück zu dulden;1 Zahlung für die Überspannung des Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung, sofern dies mit der Einräumung einer Nutzungsbefugnis verbunden ist2). Dies gilt auch dann, wenn die vom Nutzungsberechtigten geleisteten Zahlungen aus Sicht des Empfängers auch einen Wertverlust am Grundstück kompensieren. Eine Nutzungsüberlassung ist auch die Bestellung eines Grundpfandrechts am eigenen unbeweglichen Vermögen gegen Entgelt zur Sicherung der Forderung eines Darlehensgläubigers gegen einen dritten Darlehensschuldner, d.h. der am Darlehensvertrag nicht beteiligte Eigentümer erzielt Einkünfte als Sicherungsgeber aus dem beschränkt dinglichen Recht (Grundpfandrecht).3

V. Abgrenzung zur Veräußerung 96

Kein endgültiger Verlust der Herrschaftsgewalt. Veräußerung und nicht mehr Nutzungsüberlassung liegt vor, wenn der zur Nutzungsüberlassung Verpflichtete zwar zivilrechtlich Eigentümer des Grundbesitzes bleibt, jedoch wirtschaftlich seine Herrschaftsgewalt endgültig und in vollem Umfang verliert und eine Rückübertragung der Herrschaftsgewalt praktisch unmöglich ist. Es kommt darauf an, ob das Entgelt für die Hinnahme einer Nutzungseinschränkung oder für den wertmäßigen Ausgleich eines dauerhaften, endgültigen Verlustes von wesentlichen Teilen der wirtschaftlichen Substanz des Vermögens (dann Veräußerung) gezahlt wird.4 Ist das Vertragsverhältnis auf einen endgültigen, irreversiblen und vollständigen Verzicht auf Teile des Nutzungspotentials eines Grundstücks gerichtet, so wird der Sachverhalt ungeachtet seiner zivilrechtlichen Bezeichnung nicht mehr als Verpachtung, sondern als Veräußerung qualifiziert.5 Auch die Einräumung eines beschränkt dinglichen Rechts oder dessen Übertragung kann zu einer endgültige Verfügung über einen Teil des Vollrechts „Eigentum am Grundvermögen“ führen. Das gilt allerdings dann nicht, wenn das dingliche Recht seinerseits zeitlich beschränkt ist.

E. Unternehmerisch genutztes unbewegliches Vermögen (Abs. 4) I. Regelungszweck 97

Belegenheitsprinzip gilt auch für im Rahmen eines Unternehmens genutztes unbewegliches Vermögen. Abs. 4 bestimmt, dass das Belegenheitsprinzip auch für im Rahmen eines Unternehmens genutztes unbewegliches Vermögen gilt. Damit soll gewährleistet werden, dass unbewegliches Vermögen in jedem Fall im Belegenheitsstaat besteuert wird, unabhängig davon, ob im Belegenheitsstaat eine Betriebsstätte (oder eine feste Einrichtung nach Art. 14 a.F.) existiert bzw. ob das unbewegliche Vermögen zu einer dort belegenen Betriebsstätte gehört (vgl. Art. 6 Rz. 4 Satz 2 OECD-MK). Das Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaats soll erhalten bleiben und zwar sowohl für den Fall, dass der andere Staat die Gewinne des Unternehmens nicht nach Art. 7 besteuern darf, als auch für den Fall, dass das unbewegliche Vermögen in einer Betriebsstätte im Belegenheitsstaat gehalten wird (Vermittlung durch die Betriebsstätte; vgl. Art. 6 Rz. 4 Satz 1 a.E. OECD-MK). Denn die wirtschaftliche Zugehörigkeit grundstücksbezogener Einkünfte zum Belegenheitsstaat wird durch die Tatsache, dass das Grundstück zum Betriebsvermögen eines im anderen Vertragsstaat 1 2 3 4 5

Vgl. BFH v. 4.9.1996 – XI R 20/96, BFH/NV 1997, 336. Vgl. BFH v. 19.4.1994 – XI R 19/90, BStBl. II 1994, 640. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 94. Zu der Kasuistik in der Rspr. des BFH vgl. Fuchs/Lieber, FR 2005, 285 ff. Vgl. BFH v. 18.8.1977 – VIII R 7/74, BStBl. II 1977, 797: Vergütung zur dauernden und unwiderruflichen Duldung eines U-Bahnbaus.

404

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E. Unternehmerisch genutztes unbewegliches Vermögen (Abs. 4)

Rz. 102 Art. 6

ansässigen Unternehmen gehört, nicht verändert. Nach dem Wortlaut von Abs. 4 soll auch nicht lediglich die Rechtsfolge des Immobilienartikels vorgehen, sondern die Anwendung von Art. 6 schließt die Anwendung von Art. 7 aus;1 aus Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2010 ergibt sich ebenfalls der Anwendungsvorrang. Stellt allerdings das unbewegliche Vermögen selbst eine Betriebsstätte dar, weil es im Rahmen des Betriebs als Produktionsfaktor genutzt wird, dann gilt Art. 7 vorrangig vor Art. 6. Außerdem gilt Art. 7 für die Fragen der Gewinnermittlung, soweit die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen einer Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnen sind.2

II. Vorrang des Belegenheits- vor dem Betriebsstättenprinzip 1. Einkünfte eines Unternehmens Begriff des Unternehmens. Der Begriff des Unternehmens ist in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und h definiert. Nach allg. Auffassung muss es sich um eine auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit, nicht dagegen um die „passive“ Nutzung von Vermögenswerten handeln; diese Tätigkeit muss selbständig ausgeübt werden und sie darf nicht land- und forstwirtschaftlicher Art sein.3 Die Betriebsaufspaltung führt nicht per se zu unternehmerischen Einkünften für das Besitzunternehmen.4 Gleiches gilt für die gewerbliche Prägung i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG einer rein vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaft.5

98

Betriebliche Eigennutzung. Wird unbewegliches Vermögen unmittelbar zur Erzielung von Unternehmensgewinnen (oder zur Erwirtschaftung von Einkünften aus selbständiger Arbeit nach Art. 14 a.F.) genutzt, so dient das Vermögen nicht der Erzielung von Einkünften aus Art. 6, sondern als Produktionsfaktor dem Unternehmenszweck. Somit ist in Fällen, in denen das unbewegliche Vermögen zu einer Betriebsstätte in einem anderen Vertragsstaat gehört und von dem Betrieb z.B. als Produktionsstätte genutzt wird, Art. 7 und nicht Art. 6 anwendbar. Wird die Betriebsstätte mit dem unbeweglichen Vermögen verpachtet, fallen die Verpachtungseinkünfte in den Anwendungsbereich von Art. 6.

99

Sonderbetriebsvermögen. Steht das unbewegliche Vermögen im Eigentum eines Mitunternehmers, der es seiner Mitunternehmerschaft als Produktionsfaktor entgeltlich zur Verfügung stellt, dann liegt nur bei der Mitunternehmerschaft betriebliche Eigennutzung vor. Der Mitunternehmer selbst erzielt Einkünfte aus der Nutzung unbeweglichen Vermögens i.S. des Art. 6.6

100

2. Unbewegliches Vermögen im Ansässigkeitsstaat Identität zwischen Belegenheits- und Wohnsitzstaat. Ist das unbewegliche Vermögen Teil einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte, liegt es aber in dem Vertragsstaat, in dem auch der Einkünftebezieher ansässig ist (z.B. in Deutschland belegenes vermietetes Bürogebäude eines grenzüberschreitenden Betriebs mit Betriebstätte in den Niederlanden), liegt kein Fall des Abs. 4 vor. Auch Art. 7 Abs. 1 kommt nicht zur Anwendung, weil die Einkünfte ihrer Art nach unter Art. 6 Abs. 2 zu subsumieren sind (Art. 7 Abs. 4 OECD/MA 2010). Nach der Auffangvorschrift des Art. 21 Abs. 1 liegt das Besteuerungsrecht in diesen Fällen beim Ansässigkeitsstaat.7

101

3. Unbewegliches Vermögen in einem Drittstaat Unbewegliches Vermögen in Drittstaaten. Ist das unbewegliche Vermögen Teil einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte, liegt jedoch in einem Drittstaat (z.B. deutsches Unternehmen erzielt Vermietungseinkünfte aus einer Immobilie, die zu einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat gehört, aber in ei1 Vgl. BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 313; Schmidt/Blöchle, IStR 2003, 685 (690); krit. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 200: Idealkonkurrenz; ähnlich BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/ 0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1 mit der Konsequenz, dass diese Einkünfte unter einen Aktivitätsvorbehalt im jeweiligen DBA fallen, auch wenn dieser nur für Unternehmensgewinne und nicht für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen gilt. 2 Insbesondere Art. 7 Abs. 2 bis 6 OECD-MA; vgl. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 208. 3 A.A. Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 204, der auch land- und forstwirtschaftliche Betriebe einbeziehen will; wie hier BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BStBl. II 2012, 457 zu Art. 6 DBA-Spanien 1966; krit. Engel/Hilbert, IWB 2012, 316 ff. 4 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; anders wohl Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 204 unter Hinweis auf Günkel, StbJb 1998/99, 143, 151. 5 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 19a; Kerssenbrock/Wagner in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 102. 7 So auch Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 32.

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405

102

Art. 6 Rz. 102

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

nem zu dem Betriebsstättenstaat grenznahen Drittstaat belegenen ist), findet Abs. 4 ebenfalls keine Anwendung. Auch hier greift Art. 21 Abs. 1 ein, d.h. im Verhältnis der Vertragsstaaten zueinander steht das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zu (vgl. auch Art. 6 Rz. 1 Satz 5 OECD-MK).

F. Deutsches Muster-DBA 103

Deutsches Muster-DBA. Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen Muster-DBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA 104

Art. 6 Abs. 1 DBA-Belgien. In Art. 6 Abs. 1 DBA-Belgien fehlt der Bezug auf die in einem Vertragsstaat ansässige Person. Außerdem fehlt der Klammerzusatz, mit dem auch Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erfasst werden.

105

Art. 6 Abs. 2 und 3 DBA-Belgien. Die Regelungen entsprechen materiell-rechtlich Art. 6 Abs. 2 und 3 OECD-MA.

106

Art. 6 Abs. 4 DBA-Belgien. Art. 6 Abs. 4 DBA-Belgien verwendet statt des Ausdrucks „selbständige Arbeit“ noch den aus dem OECD-MA 1963 stammenden engeren Ausdruck „freier Beruf“. 2. Konsequenzen

107

Art. 6 Abs. 1 DBA-Belgien. Aus den Abweichungen ergeben sich aber keine sachlichen Änderungen zum OECD-MA. Der fehlende Bezug auf die in einem Vertragsstaat ansässige Person ist unerheblich, da ein grenzüberschreitender Sachverhalt nur dann vorliegt, wenn der Einkünftebezieher nicht im Belegenheitsstaat ansässig ist. Die Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gehören auch ohne Klammerzusatz zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen. Das ergibt sich mittelbar aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA-Belgien, in dem das lebende und tote Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe als Positivbeispiel für unbewegliches Vermögen aufgeführt wird.

108

Art. 6 Abs. 4 DBA-Belgien. Aus der abweichenden Wortwahl „freier Beruf“ ergibt sich keine Einschränkung gegenüber Art. 6 Abs. 4 OECD-MA. Bezug genommen wird auch hier auf Einkünfte, die unter Art. 14 DBABelgien bzw. Art. 14 a.F. fallen. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

109

Freistellung. Sowohl für Belgien als auch für Deutschland als Wohnsitzstaat ist die Freistellung unter Progressionsvorbehalt der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen vereinbart (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 DBA-Belgien für Deutschland als Wohnsitzstaat; Art. 23 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 2 DBA-Belgien für Belgien als Wohnsitzstaat). Ob ein Progressionsvorbehalt eingreift, richtet sich nach dem jeweiligen nationalen Recht.

II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA 110

Art. 6 Abs. 1 DBA-China. In Art. 6 Abs. 1 DBA-China 1985 fehlte der Klammerzusatz, mit dem auch Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erfasst werden. Die Regelung entspricht insofern noch dem Wortlaut des OECD-MA 1963. Der aktuelle Art. 6 Abs. 1 DBA-China 2015, in Kraft getreten zum 1.1.2017, stimmt mit Art. 6 Abs. 1 OECD-MA überein.

111

Art. 6 Abs. 2 bis 4 DBA-China 1985 und 2015. Die Regelungen stimmen inhaltlich mit Art. 6 Abs. 2, 3 und 4 OECD-MA überein.

406

Lieber

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 121 Art. 6

2. Konsequenzen Art. 6 Abs. 1 DBA-China a.F. (1985). Gleichwohl gehören die Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen. Das ergibt sich mittelbar aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA-China a.F., in dem das lebende und tote Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe als Beispiel für unbewegliches Vermögen aufgeführt wird.

112

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung China als Wohnsitzstaat. China als Wohnsitzstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung. Die anzurechnende deutsche Steuer ist auf den Betrag der chinesischen Steuer begrenzt, der nach den steuerlichen Vorschriften der Volksrepublik China auf diese Einkünfte entfällt (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-China 2015).

113

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt grundsätzlich für Einkünfte aus in China belegenem unbeweglichen Vermögen Freistellung unter Progressionsvorbehalt (Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-China 2015). Allerdings ordnet Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-China 2015 (früher Nr. 6 Buchst. b des Protokolls1 zum DBA-China 1985) einen Aktivitätsvorbehalt an für Einkünfte aus einer Betriebsstätte sowie auf das bewegliche und unbewegliche Vermögen, das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte darstellt. Hierunter fallen auch Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen im Anwendungsbereich von Art. 6 DBA-China 2015. Das gilt auch für das alte DBA-China 1985.2

114

III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Art. 3 DBA-Frankreich weicht nicht unerheblich von Art. 6 OECD-MA ab.

115

Art. 3 Abs. 1 DBA-Frankreich. Art. 3 Abs. 1 DBA-Frankreich enthält anstelle der Einbeziehung der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben einen Klammerzusatz, mit dem das Zubehör und das lebende und tote Inventar der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe erfasst werden. Außerdem regelt Abs. 1 durch die Formulierung „können nur“ das ausschließliche Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaats.

116

Art. 3 Abs. 2 DBA-Frankreich. Nach Art. 3 Abs. 2 DBA-Frankreich bestimmt sich der Begriff des unbeweglichen Vermögens nach den Gesetzen des Vertragsstaats, in dem dieses Vermögen belegen ist.

117

Art. 3 Abs. 3 DBA-Frankreich. Art. 3 Abs. 3 DBA-Frankreich fingiert grundstücksgleiche Rechte, Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen sowie Rechte aus Lizenzgebühren für die Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen als unbewegliches Vermögen. Nur Schiffe gelten nicht als unbewegliches Vermögen.

118

Art. 3 Abs. 4 Satz 1 DBA-Frankreich. Art. 3 Abs. 4 Satz 1 DBA-Frankreich entspricht im Wesentlichen Art. 6 Abs. 3. Es wird allerdings klargestellt, dass sich die Einkünfte aus der Nutzung des unbeweglichen Vermögens einschließlich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft verstehen. Abs. 4 Satz 2 a.F. entspricht Art. 13 Abs. 1 OECD-MA, d.h. die Vorschrift bezieht Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens in den Anwendungsbereich von Art. 3 DBA-Frankreich ein. Nach Art. 7 Abs. 1 DBA-Frankreich i.d.F. des Zusatzabkommens v. 31.3.2015, anzuwenden ab dem 1.1.2016, gilt die vergleichbare Regelung in Art. 7 Abs. 1 DBA-Frankreich.

119

Art. 3 Abs. 5 DBA-Frankreich. Art. 3 Abs. 5 DBA-Frankreich entspricht materiell-rechtlich Art. 6 Abs. 4 OECD-MA, auch wenn der Wortlaut abweicht („Betriebe, die nicht land- und forstwirtschaftliche Betriebe sind“).

120

2. Konsequenzen Art. 3 Abs. 1 und 4 DBA-Frankreich. Die Erfassung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Abs. 4 sowie des lebenden und toten Inventars land- und forstwirtschaftlicher Betriebe in Abs. 1 statt in Art. 6 Abs. 1 bzw. Abs. 2 führt nicht zu einer sachlichen Abweichung vom OECD-MA. Die Zuweisung des ausschließlichen Besteuerungsrechts an den Belegenheitsstaat führt dazu, dass der Wohnsitzstaat nicht besteuern darf.

1 Vom 14.5.1986, BGBl. II 1986, 731. 2 A.A. Ellsel in G/K/G/K, Art. 6 DBA-China Rz. 16; Pfaar/Hackemann in Wassermeyer, Art. 6 DBA-China Rz. 2.

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121

Art. 6 Rz. 122

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

122

Art. 3 Abs. 2 DBA-Frankreich. Art. 3 Abs. 2 DBA-Frankreich verweist für die Bestimmung des unbeweglichen Vermögens nur auf die Gesetze des Belegenheitsstaats und nicht auf das „Recht“ des Belegenheitsstaats wie Art. 6 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Dieser Abweichung sollte keine materiell-rechtliche Bedeutung zukommen, da sich die Gesetzesauslegung auch aus Rspr., Verwaltungsregelungen und dem meinungsbildenden Schrifttum ergibt.1

123

Art. 3 Abs. 3 DBA-Frankreich. Eine materiell-rechtliche Abweichung ergibt sich aus dem fehlenden Ausschluss der Luftfahrzeuge aus dem Begriff des unbeweglichen Vermögens. Da Deutschland Luftfahrzeuge, die in die Luftfahrzeugrolle2 eingetragen sind, nach innerstaatlichem Recht als unbewegliches Vermögen behandelt,3 gelten diese auch abkommensrechtlich als unbewegliches Vermögen nach dem DBA-Frankreich, wenn Deutschland der Belegenheitsstaat ist. Für Einkünfte aus dem Betrieb von Luftfahrzeugen gilt allerdings die Spezialregelung des Art. 6 DBA-Frankreich. Zudem fehlt das Recht auf Ausbeutung im Positivkatalog zum unbeweglichen Vermögen; dort wird nur die Ausbeutung von Bodenschätzen selbst erfasst. Allerdings dürfte die Vergütung bzw. Lizenzgebühr für „die Ausbeutung“ wirtschaftlich auch als Vergütung „für das Recht auf Ausbeutung“ zu verstehen sein, so dass sich insofern keine materiell-rechtliche Abweichung von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA ergibt. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

124

Frankreich als Wohnsitzstaat. Frankreich als Wohnsitzstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung. Die anzurechnende deutsche Steuer ist auf den Betrag der französischen Steuer begrenzt, der nach den steuerlichen Vorschriften Frankreichs auf diese Einkünfte entfällt (Art. 20 Abs. 2 Buchst. a Satz 4 Doppelbuchst. cc DBA-Frankreich a.F.; Art. 20 Abs. 2 Buchst. a Satz 4 Doppelbuchst. bb DBA-Frankreich 2015). Diese Vorschrift widerspricht dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 DBA-Frankreich, welcher dem Belegenheitsstaat bereits das ausschließliche Besteuerungsrecht zuweist.4

125

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt grundsätzlich für Einkünfte aus in Frankreich belegenem unbeweglichen Vermögen Freistellung unter Progressionsvorbehalt (Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-Frankreich).

IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA 126

Keine Abweichungen zum OECD-MA. Art. 6 DBA-Großbritannien entspricht Art. 6 OECD-MA. 2. Vermeidung der Doppelbesteuerung

127

Großbritannien als Wohnsitzstaat. Großbritannien als Wohnsitzstaat gewährt für Einkünfte aus in Deutschland belegenem unbeweglichen Vermögen die Anrechnung der deutschen Steuer auf die britische Steuer (Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Großbritannien).

128

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt die Freistellung unter Progressionsvorbehalt von Einkünften aus in Großbritannien belegenem unbeweglichen Vermögen, wenn diese in Großbritannien tatsächlich besteuert werden (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a und d DBA-Großbritannien). Für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S. des Art. 6 Abs. 4 DBA-Großbritannien gilt ein Aktivitätsvorbehalt (Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA-Großbritannien).

V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA 129

Allgemeines. Art. 6 DBA-Indien hat nur drei Absätze, wobei Abs. 2 Art. 6 Abs. 3 OECD-MA und Abs. 3 Art. 6 Abs. 4 OECD-MA entspricht. Die Definition des unbeweglichen Vermögens findet sich in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Indien. Dieser entspricht Art. 6 Abs. 2 OECD-MA.

1 2 3 4

So auch Kramer in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Frankreich Rz. 9. Vgl. § 2 LuftVG. Vgl. BFH v. 2.5.2000 – IX R 71/96, BStBl. II 2000, 467. Vgl. Kraft in G/K/G/K, Art. 3 DBA-Frankreich Rz. 16.

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 138 Art. 6

Art. 6 Abs. 1 DBA-Indien. In Art. 6 Abs. 1 DBA-Indien fehlt der Klammerzusatz, wonach zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen auch die Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zu rechnen sind.

130

2. Konsequenzen Art. 5 DBA-Indien. In Art. 5 DBA-Indien wird als Betriebsstätte auch definiert „eine Farm, eine Plantage oder ein anderer Ort, an dem eine landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche, plantagenwirtschaftliche oder verwandte Tätigkeit ausgeübt wird“ (Art. 5 Abs. 2 Buchst. h DBA-Indien). Daraus ergibt sich, dass Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben als Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 DBA-Indien und nicht als Einkünfte aus unbeweglichen Vermögen behandelt werden.1

131

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Indien als Wohnsitzstaat. Indien als Wohnsitzstaat gewährt für Einkünfte aus in Deutschland belegenem unbeweglichen Vermögen die Anrechnung der deutschen Steuer auf die indische Steuer (Art. 23 Abs. 2 Satz 1 und 2 DBA-Indien).

132

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt die Freistellung unter Progressionsvorbehalt von Einkünften aus in Indien belegenem unbeweglichen Vermögen, unabhängig davon, ob diese Einkünfte in Indien tatsächlich besteuert werden (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-Indien; Nr. 6 Buchst. a des Schlussprotokolls).

133

VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 6 DBA-Italien. Art. 6 DBA-Italien stimmt sachlich mit Art. 6 OECD-MA überein. Nur die Aussagen von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA finden sich in Art. 6 Abs. 2 DBA-Italien in drei Sätzen (Satz 2 bis 4).

134

Protokoll. Nr. 4 des Protokolls zum DBA-Italien 19892 sieht für in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen eine Übernahme der deutschen Bemessungsgrundlage für die italienische Besteuerung vor, soweit sich nicht nach italienischem Recht eine niedrigere Steuer ergibt.

135

2. Konsequenzen Nr. 4 des Protokolls. Die Regelung der Nr. 4 des Protokolls betrifft nur Italien als Ansässigkeitsstaat. Die deutsche Steuerbemessungsgrundlage ist dann maßgebend, wenn sie für den Steuerpflichtigen günstiger ist. Durch die Regelung sollten unzumutbare Härten für in Italien ansässige Personen mit deutschem Immobilienvermögen vermieden werden, die sich aus dem Übergang der Freistellungsmethode nach dem DBA-Italien 1925 zur Anrechnungsmethode nach dem DBA-Italien 1989 ergeben konnten. Es muss sich um eine positive Bemessungsgrundlage für die deutsche Besteuerung (z.B. laut deutschem Steuerbescheid) handeln. Die Übernahme eines negativen Wertes oder eines Nullwertes – mangels Besteuerung in Deutschland – kommt nicht in Betracht.3

136

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Italien als Wohnsitzstaat. Italien als Wohnsitzstaat rechnet die deutsche Steuer auf Einkünfte aus in Deutschland belegenem unbeweglichen Vermögen auf die italienische Steuer an (Art. 24 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-Italien).

137

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt die Freistellung unter Progressionsvorbehalt von Einkünften aus in Italien belegenem unbeweglichen Vermögen, allerdings abhängig davon, ob diese Einkünfte in Italien tatsächlich besteuert werden (Art. 24 Abs. 3 Buchst. a Satz 1 und 2 DBAItalien; Nr. 16 Buchst. d des Protokolls).

138

1 Ebenso Ellsel in G/K/G/K, Art. 6 DBA-Indien Rz. 6; a.A. Strauß in Wassermeyer, Art. 6 DBA-Indien Rz. 11. 2 Protokoll vom 10.8.1990, BGBl. II 1990, 742. 3 So auch Krabbe in Wassermeyer, Art. 24 DBA-Italien Rz. 39.

Lieber

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Art. 6 Rz. 139

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 139

Art. 6 Abs. 1 DBA-Japan a.F. In Art. 6 Abs. 1 DBA-Japan fehlt der Bezug auf die in einem Vertragsstaat ansässige Person. Außerdem fehlt der Klammerzusatz, mit dem auch Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erfasst werden.

140

Art. 6 Abs. 2 und 3 DBA-Japan a.F. Die Regelungen entsprechen in ihrer materiell-rechtlichen Aussage Art. 6 Abs. 2 und 3 OECD-MA.

141

Art. 6 Abs. 4 DBA-Japan a.F. Art. 6 Abs. 4 DBA-Japan verwendet statt des Ausdrucks „selbständige Arbeit“ noch den aus dem OECD-MA 1963 stammenden engeren Ausdruck „freier Beruf“. 2. Konsequenzen

142

Art. 6 Abs. 1 DBA-Japan a.F. Aus den Abweichungen ergeben sich keine sachlichen Änderungen zum OECD-MA. Der fehlende Bezug auf die in einem Vertragsstaat ansässige Person ist unerheblich, da ein grenzüberschreitender Sachverhalt nur dann vorliegt, wenn der Einkünftebezieher nicht im Belegenheitsstaat ansässig ist. Die Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gehören auch ohne Klammerzusatz zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen. Das ergibt sich mittelbar aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA-Japan, in dem das lebende und tote Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe als Beispiel für unbewegliches Vermögen aufgeführt wird, sowie dem Begriff der „unmittelbaren Nutzung“ in Art. 6 Abs. 3 DBA-Japan.

143

Art. 6 Abs. 4 DBA-Japan a.F. Aus der abweichenden Wortwahl „freier Beruf“ ergibt sich keine Einschränkung gegenüber Art. 6 Abs. 4 OECD-MA. Bezug genommen wird auch hier auf Einkünfte, die unter Art. 14 DBA-Japan bzw. Art. 14 a.F. fallen. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

144

Japan als Wohnsitzstaat. Japan als Wohnsitzstaat rechnet die deutsche Steuer auf Einkünfte aus in Deutschland belegenem unbeweglichen Vermögen auf die japanische Steuer an (Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan a.F.).

145

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt die Freistellung unter Progressionsvorbehalt von Einkünften aus in Japan belegenem unbeweglichen Vermögen, unabhängig davon, ob diese Einkünfte in Japan tatsächlich besteuert werden (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-Japan a.F.). 4. DBA-Japan 2015

146

Art. 6 Abs. 1, 3 und 4 DBA-Japan. Die Vorschriften entsprechen den Regelungen in Art. 6 OECD-MA.

147

Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DBA-Japan. In Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DBA-Japan 2015 wird statt des Begriffs der „anderen Bodenschätze“ der Ausdruck „andere natürliche Ressourcen“ verwandt. Aus der unterschiedlichen Begrifflichkeit ergeben sich keine inhaltlichen Abweichungen zu Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECDMA.

148

Japan als Wohnsitzstaat. Japan als Wohnsitzstaat rechnet die deutsche Steuer auf Einkünfte aus in Deutschland belegenem unbeweglichen Vermögen auf die japanische Steuer an (Art. 22 Abs. 1 DBA-Japan 2015).

149

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt die Freistellung unter Progressionsvorbehalt von Einkünften aus in Japan belegenem unbeweglichen Vermögen, unabhängig davon, ob diese Einkünfte in Japan tatsächlich besteuert werden (Art. 22 Abs. 2 Buchst. a und b DBA-Japan 2015). Subject-to-Tax-Klauseln und Switch-over-Klauseln bei Qualifikationskonflikten sind zu beachten (Art. 22 Abs. 2 Buchst. e DBA-Japan 2015).

VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA 150

Art. 6 Abs. 1 DBA-Kanada. Die Vorschrift ist wortgleich mit Art. 6 Abs. 1 OECD-MA.

151

Art. 6 Abs. 2 DBA-Kanada. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DBA-Kanada verweist anders als Art. 6 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA nicht auf das gesamte Recht des Belegenheitsstaats, sondern auf das „einschlägige Steuerrecht“ des Belegenheitsstaats.

410

Lieber

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 161 Art. 6

Art. 6 Abs. 3 DBA-Kanada. In Art. 6 Abs. 3 DBA-Kanada werden die Einkünfte aus der Nutzung unbeweglichen Vermögens um die Einkünfte aus der Veräußerung dieses Vermögens ergänzt. Eine Regelung zu den Veräußerungsgewinnen findet sich auch in Art. 13 Abs. 1 DBA-Kanada.

152

Art. 6 Abs. 4 DBA-Kanada. Die Regelung entspricht inhaltlich Art. 6 Abs. 4 OECD-MA.

153

Protokoll. Durch Nr. 2 des Protokolls zum DBA-Kanada1 wird ergänzend geregelt, dass zum unbeweglichen Vermögen auch Beteiligungen an Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen sowie Anwartschaften (Optionen) auf unbewegliches Vermögen gehören.

154

2. Konsequenzen Art. 6 Abs. 2 DBA-Kanada. Der Verweis auf das „einschlägige Steuerrecht“ statt auf das gesamte Recht des 155 Belegenheitsstaats führt zu einer sachlichen Abweichung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Dadurch wird ein Rückgriff auf zivilrechtliche und andere Regelungen (z.B. öffentliches Recht) gesperrt, außer das Steuerrecht selbst nimmt Bezug auf andere Rechtsvorschriften. Ergänzung um Beteiligungen und Anwartschaften an Bodenschätzen. Hierdurch wird der Positivkatalog für Vermögenswerte, die in jedem Fall zum unbeweglichen Vermögen gehören, gegenüber Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA erweitert. Beteiligung meint eine vermögensmäßige Teilhabe an einem Mineralvorkommen, einer Quelle oder einem anderen Bodenschatz. Anwartschaft bedeutet zivilrechtlich die rechtlich gesicherte Aussicht auf einen Erwerb, die darauf beruht, dass der normale Erwerbstatbestand schon teilweise verwirklicht ist und seine Vollendung mit einiger Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann. Der Begriff der Anwartschaft unterscheidet sich von dem des Anwartschaftsrechts; bei Letzterem muss sich die Aussicht rechtlich schon soweit verfestigt haben, dass der Verpflichtete den Rechtserwerb nicht mehr einseitig verhindern kann.2

156

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Kanada als Wohnsitzstaat. Die Vermeidungsnorm des Art. 23 Abs. 1 DBA-Kanada sieht für Kanada als Wohnsitzstaat ausschließlich die Anwendung der Anrechnungsmethode vor.

157

Deutschland als Wohnsitzstaat. Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-Kanada stellt Deutschland als Wohnsitzstaat Einkünfte aus in Kanada belegenem unbeweglichen Vermögen unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Besteuerung frei. Zu beachten ist der Aktivitätsvorbehalt für Einkünfte i.S. des Art. 6 Abs. 4 DBA-Kanada (Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Kanada).

158

IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Art. 4 DBA-Luxemburg a.F. weicht erheblich von Art. 6 OECD-MA ab. Die Regelung enthält weder eine eigenständige Begriffsdefinition des unbeweglichen Vermögens noch einen Verweis auf das jeweilige Recht des Belegenheitsstaats zur Qualifikation des unbeweglichen Vermögens (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA). Es fehlt auch ein dem Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA entsprechender Positiv- und Negativkatalog. Schließlich fehlt eine dem Art. 6 Abs. 4 OECD-MA entsprechende Vorschrift, die einen Vorrang des Belegenheitsprinzips für Einkünfte aus unternehmerischer Tätigkeit bzw. selbständiger Arbeit anordnet.

159

Art. 4 Abs. 1 DBA-Luxemburg a.F. Art. 4 Abs. 1 DBA-Luxemburg a.F. enthält anstelle der Einbeziehung der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben einen Klammerzusatz, mit dem das Zubehör erfasst wird. Außerdem regelt Abs. 1 durch die Formulierung „hat der andere Staat das Besteuerungsrecht“ das ausschließliche Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaats.

160

Art. 4 Abs. 2 DBA-Luxemburg a.F. Art. 4 Abs. 2 DBA-Luxemburg a.F. entspricht im wesentlichen Art. 6 Abs. 3 OECD-MA. Es wird allerdings klargestellt, dass die Einkünfte aus der Nutzung des unbeweglichen Vermögens einschließlich der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieben zu verstehen sind. Zudem werden Einkünfte, die bei der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen erzielt werden, erfasst.

161

1 Protokoll vom 23.3.2002, BGBl. II 2002, 670. 2 Vgl. Heinrichs in Palandt77, Einf. vor § 158 BGB Rz. 9 f.; BFH v. 19.12.2007 – VIII R 14/06, BStBl. II 2008, 475.

Lieber

411

Art. 6 Rz. 162 162

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

Protokoll. Nr. 6 des Protokolls zum DBA-Luxemburg a.F.1 erstreckt das unbewegliche Vermögen auf Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts der Vertragsstaaten über Grundstücke unterliegen. 2. Konsequenzen

163

Keine Verweisung auf das Recht des Belegenheitsstaats. Die fehlende Qualifikationsverkettung führt dazu, dass sowohl Ansässigkeitsstaat als auch Belegenheitsstaat das unbewegliche Vermögen nach ihrem nationalen Recht bestimmen (vgl. Art. 2 Abs. 2 DBA-Luxemburg a.F.). Daraus können Qualifikationskonflikte folgen.2

164

Land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Das DBA-Luxemburg a.F. erstreckt die Einbeziehung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf Einkünfte aus Nebenbetrieben. Nebenbetrieb ist nach deutschem Verständnis ein unselbständiger Bestandteil eines land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetriebs, der – wenn er isoliert betrachtet würde – ein selbständiger Gewerbebetrieb wäre.3 Nach deutschem innerstaatlichen Recht muss ein Nebenbetrieb dem land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb zu dienen bestimmt sein (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Nach Maßgabe der Rspr. des BFH4 sind hierfür folgende Kriterien erforderlich: – Als Hauptbetrieb muss die Land- und Forstwirtschaft die ausschließliche oder hauptsächliche Grundlage für den Nebenbetrieb bilden. – Der „Gesamtbetrieb“ muss nach der Verkehrsauffassung ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft sein bzw. im Bereich der Land- und Forstwirtschaft liegen. – Der Nebenbetrieb muss dem Hauptbetrieb untergeordnet sein. – Die Inhaber von Haupt- und Nebenbetrieb müssen identisch sein. Als gewerbliche Nebenbetriebe zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb kommen insbesondere Absatzbetriebe, Be- und Verarbeitungsbetriebe und Substanzbetriebe in Betracht.5

165

Schiffe und Luftfahrzeuge. Schiffe und Luftfahrzeuge können nach dem Zivil- oder Steuerrecht des jeweiligen Anwenderstaates als unbewegliches Vermögen gewertet werden. Aus deutscher Sicht sind Schiffe, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, unbewegliches Vermögen (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG); gleiches gilt nach der Rspr. des BFH für Luftfahrzeuge, die in die Luftfahrzeugrolle eingetragen sind.6 Für Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen gilt allerdings die Spezialregelung des Art. 7 DBA-Luxemburg a.F.

166

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, das einem Unternehmen oder der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit dient. Auch wenn das DBA-Luxemburg a.F. keine Regelung enthält, sollte das Belegenheitsprinzip nach der Natur der Sache hier Vorrang vor der Zuordnung von Unternehmensgewinnen und Einkünften aus selbständiger Arbeit haben. Das Belegenheitsprinzip ist Ausdruck der stärksten Beziehung zum Quellenstaat.7 Im Verhältnis zu den Unternehmensgewinnen ergibt sich das aus Nr. 9 des Protokolls zu Art. 5 DBA-Luxemburg a.F. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

167

Freistellung. Die Vermeidungsnorm des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 DBA-Luxemburg a.F. ordnet sowohl für Luxemburg als Wohnsitzstaat als auch für Deutschland als Wohnsitzstaat die Freistellung der Einkünfte aus im jeweils anderen Staat belegenem unbeweglichen Vermögen unter Progressionsvorbehalt an. 4. DBA-Luxemburg 2012

168

Keine Abweichungen zum OECD-MA. Art. 6 DBA-Luxemburg 2012 ist fast wortgleich mit Art. 6 OECDMA. Lediglich in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DBA-Luxemburg 2012 wird statt des Begriffes der „anderen

1 Protokoll i.d.F. des Ergänzungsprotokolls vom 15.6.1973, BGBl. II 1978, 111. 2 So auch Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 128; Ellsel in G/K/G/K, Art. 4 DBA-Luxemburg Rz. 15; Siegers in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Luxemburg Rz. 42 (alt). 3 Vgl. BFH v. 12.12.1996 – IV R 78/95, BStBl. II 1997, 427. 4 Vgl. BFH v. 16.10.1970 – III R 25/69, BStBl. II 1971, 287; v. 12.12.1996 – IV R 78/95, BStBl. II 1997, 427. 5 Zu den Abgrenzungsfragen s. Kube in Kirchhof18, § 13 EStG Rz. 22 ff. 6 Vgl. BFH v. 2.5.2000 – IX R 71/96, BStBl. II 2000, 467. Dahinter steht der Gedanke, dass in ein öffentliches Register eingetragene bewegliche Sachen ähnlich wie Immobilien auf Dauer als Einkunftsquelle geeignet und für Zwecke der Besteuerung einfach zu erfassen sind. 7 Vgl. auch Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 210, 212b; Fischer in G/K/G/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 27.

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Lieber

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 176 Art. 6

Bodenschätze“ der Ausdruck „andere natürliche Ressourcen“ verwandt. Aus dieser unterschiedlichen Begrifflichkeit ergeben sich keine inhaltlichen Abweichungen zu Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA. Freistellung. Sowohl für Luxemburg als auch für Deutschland als Wohnsitzstaat ist die Freistellung der 169 Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen unter Progressionsvorbehalt vereinbart (Art. 22 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 für Deutschland; Art. 22 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012 für Luxemburg). Subject-to-Tax-Klauseln und Switch-over-Klauseln bei Qualifikationskonflikten sind zu beachten. Die Aktivitätsklausel in Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA-Luxemburg 2012 erfasst nicht Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen.

X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Art. 4 DBA-Niederlande a.F. weicht erheblich von Art. 6 OECD-MA ab. Die Regelung enthält weder eine eigenständige Begriffsdefinition des unbeweglichen Vermögens noch einen Verweis auf das jeweilige Recht des Belegenheitsstaats zur Qualifikation des unbeweglichen Vermögens (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA). Es fehlt auch ein dem Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA entsprechender Positiv- und Negativkatalog.

170

Art. 4 Abs. 1 DBA-Niederlande a.F. Art. 4 Abs. 1 DBA-Niederlande a.F. enthält anstelle der Einbeziehung der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben einen Klammerzusatz, mit dem das Zubehör erfasst wird. Außerdem regelt Abs. 1 durch die Formulierung „hat der andere Staat das Besteuerungsrecht“ das ausschließliche Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaats.

171

Art. 4 Abs. 2 DBA-Niederlande a.F. Art. 4 Abs. 2 DBA-Niederlande a.F. entspricht im Wesentlichen Art. 6 Abs. 3 OECD-MA. Es wird allerdings klargestellt, dass die Einkünfte aus der Nutzung des unbeweglichen Vermögens einschließlich der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieben zu verstehen sind. Außerdem spricht die Vorschrift von „Vergütungen für die Ausbeutung von Grund und Boden“ statt von der Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen (Art. 6 Abs. 2 OECDMA). Ferner werden Einkünfte, die bei der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen erzielt werden, erfasst. Eine dem Art. 13 Abs. 1 OECD-MA entsprechende Vorschrift fehlt im DBA-Niederlande a.F.

172

Art. 4 Abs. 3 DBA-Niederlande a.F. Art. 4 Abs. 3 DBA-Niederlande a.F. entspricht Art. 6 Abs. 4, regelt aber nur das Vorrangverhältnis für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, das zu einem gewerblichen Betriebsvermögen gehört, enthält somit keine Regelung für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, das einer selbständigen Arbeit i.S. des Art. 9 DBA-Niederlande a.F. dient.

173

Protokoll. Nr. 4 des Protokolls zum DBA-Niederlande a.F.1 erstreckt das unbewegliche Vermögen auf Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts der Vertragsstaaten über Grundstücke unterliegen.

174

2. Konsequenzen Keine Verweisung auf das Recht des Belegenheitsstaats. Die fehlende Qualifikationsverkettung führt dazu, dass sowohl Ansässigkeitsstaat als auch Belegenheitsstaat das unbewegliche Vermögen nach ihrem nationalen Recht bestimmen (vgl. Art. 2 Abs. 2 DBA-Niederlande a.F.). Daraus können Doppelbesteuerungen oder weiße Einkünfte folgen.2

175

Land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Das DBA-Niederlande a.F. erstreckt die Einbeziehung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf Einkünfte aus Nebenbetrieben (z.B. Weiterverarbeitung landund forstwirtschaftlicher Produkte, Vermietung von landwirtschaftlichen Maschinen).3 Bzgl. Traktatländereien haben Deutschland und die Niederlande eine Verständigungsvereinbarung getroffen, wonach Einkünfte, die ein in einem Vertragsstaat ansässiger Landwirt aus Grundbesitz, welcher im Grenzgebiet auf der Seite des anderen Vertragsstaats belegen ist, erzielt, im Belegenheitsstaat besteuert werden. Aus Vereinfachungsgründen werden bei der Besteuerung im Belegenheitsstaat die vom Ansässigkeitsstaat ermittelten (Teil-)Betriebsergebnisse zugrunde gelegt.4 Die von der deutschen Besteuerung freizustellenden Einkünfte

176

1 Protokoll v. 16.6.1959, BGBl. II 1960, 1781. 2 So auch Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 128; Ellsel in G/K/G/K, Art. 4 DBA-Niederlande Rz. 14; a.A. Mick in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Niederlande Rz. 6, 17 (alt): für Auslegung nach dem Zivil- und Steuerrecht des Belegenheitsstaats. 3 Siehe hierzu auch die Regelung in Art. 4 Abs. 2 DBA-Luxemburg; zu Konsequenzen Rz. 154. 4 Vgl. BMF v. 30.11.2001 – IV B 6-S 1301 Ndl-70/01, EStG-Kartei NRW DBA NL Nr. 9.

Lieber

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Art. 6 Rz. 176

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

können dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegen, wenn das Traktatland in den Niederlanden keine Betriebsstätte begründet.1 177

Vergütungen für die Ausbeutung von Grund und Boden. Vergütungen für die Ausbeutung von Grund und Boden sind umfassend als Vergütungen für die Ausbeutung von Bodenschätzen zu verstehen. Eine materiell-rechtliche Abweichung von der Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA liegt insofern nicht vor.

178

Schiffe und Luftfahrzeuge. Schiffe und Luftfahrzeuge können nach dem Zivil- oder Steuerrecht des jeweiligen Anwenderstaats als unbewegliches Vermögen gewertet werden. Aus deutscher Sicht sind Schiffe, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, unbewegliches Vermögen (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG); gleiches gilt nach der Rspr. des BFH für Luftfahrzeuge, die in die Luftfahrzeugrolle eingetragen sind.2 Für Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen gilt grundsätzlich die Spezialregelung des Art. 7 DBA-Niederlande a.F., allerdings nur soweit das Schiff dem Betrieb eines Unternehmens der Seeschifffahrt oder der Binnenschifffahrt dient. Bei einer Eintragung in ein niederländisches Schiffsregister steht aus deutscher Sicht den Niederlanden das Besteuerungsrecht zu;3 die Einkünfte dürfen aber nicht aus dem Betrieb des Schiffes durch ein Unternehmen stammen. Denn dann steht das Besteuerungsrecht dem Vertragsstaat zu, in dem sich der Ort der Leitung dieses Unternehmens befindet (Art. 7 Abs. 1 DBA-Niederlande a.F.). Für Einkünfte aus der sog. „Bare-Boat-Charter“ geht Art. 15 Abs. 3 DBA-Niederlande a.F. vor.4

179

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, das der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit dient. Auch wenn das DBA- Niederlande keine Regelung enthält, sollte das Belegenheitsprinzip nach der Natur der Sache hier Vorrang vor der Zuordnung von Einkünften aus selbständiger Arbeit i.S. des Art. 9 DBA-Niederlande a.F. haben. Das Belegenheitsprinzip ist Ausdruck der stärksten Beziehung zum Quellenstaat und damit auch der stärkere Anknüpfungspunkt für die Besteuerung; die wirtschaftliche Verbindung der grundstücksbezogenen Einkünfte mit dem Belegenheitsstaat wird durch den Umstand, dass ein Grundstück zum Betriebsvermögen eines im anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmens gehört, nicht abgeschwächt.5 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

180

Niederlande als Wohnsitzstaat. Die Vermeidungsnorm des Art. 20 Abs. 3 DBA-Niederlande a.F. sieht für die Niederlande als Wohnsitzstaat zwar eine Anrechnung der deutschen Steuer auf die niederländische Steuer vor; wirtschaftlich handelt es sich jedoch um eine Steuerbefreiung, weil die niederländische Steuer um den auf die maßgeblichen Einkünfte entfallenden Steueranteil ermäßigt wird. Im Unterschied zur Standardregelung der Steuerfreistellung wird hier nicht bei der Bemessungsgrundlage, sondern bei dem Steuertarif angesetzt.

181

Deutschland als Wohnsitzstaat. Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 DBA-Niederlande a.F. stellt Deutschland als Wohnsitzstaat Einkünfte aus in Niederlanden belegenem unbeweglichen Vermögen unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Besteuerung frei. 4. DBA-Niederlande 2012

182

Art. 6 Abs. 1, 3 und 4 DBA-Niederlande 2012. Die Vorschriften entsprechen den Regelungen in Art. 6 OECD-MA.

183

Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DBA-Niederlande. In Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DBA-Niederlande 2012 wird statt des Begriffes der „anderen Bodenschätze“ der Ausdruck „andere natürliche Ressourcen“ verwandt. Aus dieser unterschiedlichen Begrifflichkeit ergeben sich keine inhaltlichen Abweichungen zu Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA.

184

Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 DBA-Niederlande. Die Regelung konkretisiert Schiffe als „See- und Binnenschiffe“. Demnach können Schiffe anderer Art abkommensrechtlich unbewegliches Vermögen sein, wenn sie nach dem innerstaatlichen Recht des Belegenheitsstaats als solche gewertet werden. Aus deutscher Sicht sind Schiffe, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, unbewegliches Vermögen (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).

1 Vgl. OFD Münster, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 006/2009 v. 12.2.2009 – S 2149 -20 - St 23 - 33, IStR 2009, 364. 2 Vgl. BFH v. 2.5.2000 – IX R 71/96, BStBl. II 2000, 467. 3 Vgl. BdF v. 27.1.1960 – IV B/5 – S 1301 – Niederlande – 34/59, EStG-Kartei NW zu § 49 EStG Nr. 1. 4 So auch Mick in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Niederlande Rz. 13 (alt). 5 Vgl. auch Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 210, 212b; a.A. Mick in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Niederlande Rz. 33 (alt).

414

Lieber

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 194 Art. 6

Freistellung. Sowohl für die Niederlande als auch für Deutschland als Wohnsitzstaat ist die Freistellung der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen unter Progressionsvorbehalt vereinbart (Art. 22 Abs. 1 DBANiederlande 2012 für Deutschland; Art. 22 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 für die Niederlande). Subject-toTax-Klauseln und Switch-over-Klauseln bei Qualifikationskonflikten sind zu beachten. Der Aktivitätsvorbehalt in Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA-Niederlande 2012 gilt auch für unternehmerische Einkünfte i.S. des Art. 6 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012.

185

XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Keine Abweichungen zum OECD-MA. Art. 6 DBA-Österreich entspricht Art. 6 OECD-MA 1977, d.h. vor 186 der Abschaffung von Art. 14 OECD-MA a.F. und Einbeziehung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in die Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 OECD-MA. 2. Vermeidung der Doppelbesteuerung Freistellung. Sowohl für Österreich als auch für Deutschland als Wohnsitzstaat ist die Freistellung unter Progressionsvorbehalt der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen vereinbart (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-Österreich für Deutschland als Wohnsitzstaat; Art. 23 Abs. 2 Buchst. a und d DBA-Österreich für Österreich als Wohnsitzstaat). Ob ein Progressionsvorbehalt eingreift, richtet sich nach dem jeweiligen nationalen Recht.

187

XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 6 Abs. 1 DBA-Russland. Art. 6 Abs. 1 DBA-Russland weicht insofern geringfügig von Art. 6 Abs. 1 OECD-MA ab, als der Klammerzusatz nicht von Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, sondern von „Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft“ spricht.

188

Art. 6 Abs. 2 DBA-Russland. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA-Russland entspricht im Wesentlichen Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA. Im Positivkatalog finden sich statt Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten, „Rechte, für die die Vorschriften des Rechts für Grund- und Boden“ gelten.

189

Art. 6 Abs. 3 und 4 DBA-Russland. Die Regelungen entsprechen in ihrer materiell-rechtlichen Aussage Art. 6 Abs. 3 und 4 OECD-MA.

190

2. Konsequenzen Art. 6 Abs. 1 DBA-Russland. Eine materiell-rechtliche Abweichung liegt insofern nicht vor.

191

Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA-Russland. Die Regelung beruht auf der Eigenständigkeit des Bodenrechts in Russland.1 Eine inhaltliche Abweichung vom Verständnis dieser Rechte als grundstücksgleiche Rechte sollte damit nicht verbunden sein.

192

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Russland als Wohnsitzstaat. Russland als Wohnsitzstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung. Die anzurechnende deutsche Steuer ist auf den Betrag der russischen Steuer begrenzt, der nach den russischen Steuervorschriften auf diese Einkünfte entfällt (Art. 23 Abs. 1 DBA-Russland).

193

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt grundsätzlich für Einkünfte aus in Russland belegenem unbeweglichen Vermögen Freistellung unter Progressionsvorbehalt (Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-Russland). Die Aktivitätsklausel des Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Russland erfasst nicht Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S. des Art. 6 DBA-Russland.

194

1 Vgl. Koslow, IWB, DBA Fach 5, Russische Föderation, Gruppe 2, 75 (79).

Lieber

415

Art. 6 Rz. 195

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA 195

Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz. In Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz fehlt der Bezug auf die in einem Vertragsstaat ansässige Person. Außerdem fehlt der Klammerzusatz, mit dem auch Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erfasst werden.

196

Art. 6 Abs. 2 und 3 DBA-Schweiz. Die Regelungen sind wort- und inhaltsgleich mit Art. 6 Abs. 2 und 3 OECD-MA.

197

Art. 6 Abs. 4 DBA-Schweiz. Art. 6 Abs. 4 DBA-Schweiz verwendet statt des Ausdrucks „selbständige Arbeit“ noch den aus dem OECD-MA 1963 stammenden engeren Ausdruck „freier Beruf“. 2. Konsequenzen

198

Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz. Aus den Abweichungen ergeben sich aber keine sachlichen Änderungen zum OECD-MA. Der fehlende Bezug auf die in einem Vertragsstaat ansässige Person ist unerheblich, da ein grenzüberschreitender Sachverhalt nur dann vorliegt, wenn der Einkünftebezieher nicht im Belegenheitsstaat ansässig ist. Die Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gehören auch ohne Klammerzusatz zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen. Das ergibt sich mittelbar aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBASchweiz, in dem das lebende und tote Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe als Beispiel für unbewegliches Vermögen aufgeführt wird, sowie dem Begriff der „unmittelbaren Nutzung“ in Art. 6 Abs. 3 DBASchweiz.

199

Art. 6 Abs. 4 DBA-Schweiz. Aus der abweichenden Wortwahl „freier Beruf“ ergibt sich keine Einschränkung gegenüber Art. 6 Abs. 4 OECD-MA. Bezug genommen wird auch hier auf Einkünfte, die unter Art. 14 DBA-Schweiz bzw. Art. 14 OECD-MA a.F. fallen. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

200

Schweiz als Wohnsitzstaat. Die Schweiz als Wohnsitzstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung unter Progressionsvorbehalt (Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz).

201

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt grundsätzlich für Einkünfte aus in der Schweiz belegenem unbeweglichen Vermögen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf die deutsche Steuer (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz). Die Aktivitätsklausel des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBASchweiz erfasst auch Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S. des Art. 6 DBA-Schweiz. Sie enthält allerdings wiederum Rückausnahmen, d.h. die Anrechnungs- wird durch die Freistellungsmethode ersetzt, wenn das unbewegliche Vermögen der aktiven Tätigkeit einer Betriebsstätte in der Schweiz oder der Ausübung eines freien Berufs dient.

XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA 202

Art. 6 Abs. 1, 3 und 5 DBA-Spanien 2011. Art. 6 DBA-Spanien 2011 entspricht in den Abs. 1, 3 und 5 mit geringfügigen Abweichungen den Regelungen in Art. 6 OECD-MA.

203

Art. 6 Abs. 2 DBA-Spanien 2011. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DBA-Spanien 2011 spricht bei den Vergütungen für die Ausbeutung oder das Recht auf Ausbeutung von „anderen natürlichen Ressourcen“ statt von „anderen Bodenschätzen“ (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1). Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 DBA-Spanien 2011 konkretisiert Schiffe als „See- und Binnenschiffe“.

204

Art. 6 Abs. 4 DBA-Spanien 2011. Art. 6 Abs. 4 DBA-Spanien 2011 enthält eine Sonderregelung zu Aktien und anderen Anteilen, deren Eigentum unmittelbar oder mittelbar zur Nutzung des unbeweglichen Vermögens berechtigt. Liegt eine solche Berechtigung vor, dann können die Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung, der Vermietung oder Verpachtung sowie jeder anderen Art der Ausübung des Nutzungsrechts im Belegenheitsstaat besteuert werden.1

1 Vgl. auch Vorbehalt Spaniens zum OECD-MA in Art. 6 Rz. 7 OECD-MK, eingefügt am 23.7.1992; für eine Einbeziehung gesellschaftsrechtlich begründeter Nutzungsrechte bereits in den Positivkatalog des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 98 ff.

416

Lieber

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 211 Art. 6

2. Konsequenzen Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DBA-Spanien 2011. Der Begriff „natürliche Ressourcen“ sollte im Sinne von Bodenschätzen zu verstehen sein.1 Eine materiell-rechtliche Abweichung von der Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA liegt insofern nicht vor.

205

Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 DBA-Spanien 2011. Es werden nur See- und Binnenschiffe sowie Luftfahrzeuge aus der Definition des unbeweglichen Vermögens herausgenommen; Schiffe anderer Art können abkommensrechtlich unbewegliches Vermögen sein, wenn sie nach dem innerstaatlichen Recht des Belegenheitsstaats als solche gewertet werden. Aus deutscher Sicht sind Schiffe, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, unbewegliches Vermögen (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).

206

Regelungszweck des Art. 6 Abs. 4 DBA-Spanien 2011. Durch die Regelung wird sichergestellt, dass der 207 Belegenheitsstaat Einkünfte aus der Nutzung unbeweglichen Vermögens auch dann besteuern kann, wenn die Nutzung aufgrund des Eigentums an Aktien oder ähnlichen Anteilen erfolgt. Dadurch wird verhindert, dass durch die Zwischenschaltung einer juristischen Person das Besteuerungsrecht abweichend vom Belegenheitsprinzip in den Ansässigkeitsstaat verlagert wird, indem die Anteile an der Gesellschaft mit dem Recht zur Nutzung unbeweglichen Vermögens i.S. des Art. 6 DBA-Spanien 2011 ausgestattet werden (z.B. bei sog. Time-Sharing-Ferienanlagen, bei denen sog. „Wohnberechtigungspunkte“ gutgeschrieben werden, die zur unentgeltlichen Nutzung von Ferienhäusern oder -wohnungen in verschiedenen Ländern berechtigten).2 Mit der tatsächlichen Nutzung erzielt der Inhaber Sachdividenden i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und grundsätzlich abkommensrechtlich Dividenden i.S. des Art. 10 DBA-Spanien 2011. Durch die Sonderregelung wird Art. 6 DBA-Spanien 2011 Vorrang vor der Dividendenbesteuerung nach Art. 10 DBA-Spanien 2011 eingeräumt und das Besteuerungsrecht dem Belegenheitsstaat anstelle des Wohnsitzstaats zugewiesen. Tatbestandsmerkmale des Abs. 4. Aktien sind die Anteile am Grundkapital einer AG oder KGaA, unabhängig davon, ob sie auf einen festen Betrag lauten oder auf einen Bruchteil des Grundkapitals oder ob es sich um Quotenaktien oder stimmrechtslose Vorzugsaktien handelt. Andere Anteile sind solche Gesellschaftsrechte, die sich durch eine Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft auszeichnen und die ebenso wie Aktien mit einem Recht auf Nutzung an einer im Eigentum der Gesellschaft befindlichen Immobilie verbunden werden können (z.B. Kapitalgesellschaftsanteile, unverbriefte und verbriefte Genussrechte, Kuxe). Die Berechtigung zur Nutzung muss sich unmittelbar aus der rechtlichen Ausgestaltung der Anteile ergeben. Das Immobilienvermögen, zu dessen Nutzung die Anteile berechtigen, muss im anderen Vertragsstaat belegen sein.

208

Rechtsfolge des Abs. 4. Sowohl Spanien als auch Deutschland können als Belegenheitsstaat die Einkünfte aus der Nutzung von über Kapitalgesellschaften gehaltenen Immobilien besteuern, wenn ein entsprechendes Nutzungsrecht gesellschaftsrechtlich begründet wurde. Das Besteuerungsrecht bezieht sich dabei nur auf das in Spanien bzw. Deutschland belegene Immobilienvermögen; unbewegliches Vermögen, welches ebenfalls von dem Nutzungsrecht erfasst wird, aber in einem Drittstaat belegen ist, wird nicht erfasst. Nach innerstaatlichem Recht dürfte es sich dabei i.d.R. um eine Sachdividende bzw. verdeckte Gewinnausschüttung handeln und damit dem Recht über Kapitalerträge (für Deutschland § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) unterliegen.

209

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Spanien als Wohnsitzstaat. Spanien als Wohnsitzstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien 2011).

210

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt grundsätzlich für Einkünfte aus in Spanien belegenem unbeweglichen Vermögen Anrechnung der spanischen Steuer auf die deutsche Steuer (Art. 22 Abs. 2 Buchst. b Ziffer vii DBA-Spanien 2011). Die Einkünfte aus in Spanien belegenem unbeweglichen Vermögen werden allerdings dann freigestellt, wenn das unbewegliche Vermögen tatsächlich zu einer spanischen – i.S. des § 8 Abs. 1 AStG aktiv tätigen – Betriebsstätte gehört (Art. 22 Abs. 2 Buchst. c DBA-Spanien 2011).

211

1 Vgl. auch Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 126. 2 Vgl. auch Siegers in Wassermeyer, Art. 6 DBA-Estland Rz. 13; BFH v. 16.12.1992 – I R 32/92, BStBl. II 1993, 399 (402); v. 24.10.1984 – I R 228/81, juris; v. 26.8.1993 – I R 44/92, BFH/NV 1994, 318.

Lieber

417

Art. 6 Rz. 212

Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen

XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA 212

Art. 6 DBA-USA. Art. 6 DBA-USA ist fast wortgleich mit Art. 6 OECD-MA. In Art. 6 Abs. 2 Satz 3 DBAUSA, der Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 OECD-MA entspricht, wird der Ausdruck „Schiffe“ durch „Seeschiffe“ ersetzt. 2. Konsequenzen

213

Schiffe, die nicht Seeschiffe sind. Der Negativkatalog zur Bestimmung des abkommensrechtlich relevanten unbeweglichen Vermögens bezieht sich somit nur auf Seeschiffe. Sind Schiffe anderer Art (z.B. Binnenschiffe) unbewegliches Vermögen nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaates, kann es insofern zu Qualifikationskonflikten kommen. Allerdings geht für die Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen Art. 8 DBA-USA vor.

214

Zweigniederlassungssteuer (Branch-Profits-Tax). Art. 10 Abs. 9 DBA-USA ermöglicht den USA die Erhebung einer Zweigniederlassungssteuer auf Einkünfte aus der Nutzung von in den USA belegenen unbeweglichen Vermögens, welche eine deutsche Gesellschaft erzielt und die nicht einer US-Betriebsstätte zuzurechnen sind. Voraussetzung ist, dass die Gesellschaft der Nettobesteuerung und nicht einer Abzugssteuer vom Bruttobetrag unterliegt, d.h. dass die Einkünfte im Zusammenhang mit einer Geschäftstätigkeit in den USA stehen bzw. auf Antrag des Stpfl. als solche behandelt werden. Die US-Abzugssteuer darf 5 % der Bruttomieten nicht übersteigen. Zu Einzelheiten vgl. Art. 10 Rz. 487. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

215

USA als Wohnsitzstaat. Die USA wenden auf Einkünfte, die nach Art. 6 DBA-USA in Deutschland besteuert werden können, die Steueranrechnungsmethode an (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-USA).

216

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland stellt Einkünfte aus in den USA belegenem unbeweglichen Vermögen nach Art. 23 Abs. 3 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-USA unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Besteuerung frei. Nach Art. 23 Abs. 4 Buchst. b 2. Alt. DBA-USA erfolgt keine Freistellung, wenn die USA die Einkünfte nach dem Abkommen zwar besteuern können, aber dies nach ihrem innerstaatlichen Recht nicht tun (Subject-to-Tax-Klausel).

418

Lieber

Artikel 7 (2008) Unternehmensgewinne (1) 1Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats können nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebstätte aus. 2Übt das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit auf diese Weise aus, so können die Gewinne des Unternehmens im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebstätte zugerechnet werden können. (2) Übt ein Unternehmen eines Vertragsstaats seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebstätte aus, so werden vorbehaltlich des Absatzes 3 in jedem Vertragsstaat dieser Betriebstätte die Gewinne zugerechnet, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Geschäftstätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre. (3) Bei der Ermittlung der Gewinne einer Betriebstätte werden die für diese Betriebstätte entstandenen Aufwendungen, einschließlich der Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungskosten, zum Abzug zugelassen, gleichgültig, ob sie in dem Staat, in dem die Betriebstätte liegt, oder anderswo entstanden sind. (4) Soweit es in einem Vertragsstaat üblich ist, die einer Betriebstätte zuzurechnenden Gewinne durch Aufteilung der Gesamtgewinne des Unternehmens auf seine einzelnen Teile zu ermitteln, schließt Absatz 2 nicht aus, dass dieser Vertragsstaat die zu besteuernden Gewinne nach der üblichen Aufteilung ermittelt; die gewählte Gewinnaufteilung muss jedoch derart sein, dass das Ergebnis mit den Grundsätzen dieses Artikels übereinstimmt. (5) Auf Grund des bloßen Einkaufs von Gütern oder Waren für das Unternehmen wird einer Betriebstätte kein Gewinn zugerechnet. (6) Bei der Anwendung der vorstehenden Absätze sind die der Betriebstätte zuzurechnenden Gewinne jedes Jahr auf dieselbe Art zu ermitteln, es sei denn, dass ausreichende Gründe dafür bestehen, anders zu verfahren. (7) Gehören zu den Gewinnen Einkünfte, die in anderen Artikeln dieses Abkommens behandelt werden, so werden die Bestimmungen jener Artikel durch die Bestimmungen dieses Artikels nicht berührt. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . 1. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1) . . . . . . . . 2. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2) . . . . . . . . . 3. Veranlassungsgerechte Aufwandszuordnung (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Globale Gewinnaufteilungsmethode (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gewinnabgrenzung bei Einkaufstätigkeiten (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Stetigkeitsgebot (Abs. 6) . . . . . . . . . . . 7. Vorrang der Spezialartikel (Abs. 7) . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . a) Beschränkung der Steuerpflicht . . . . . b) Self-executing-Wirkung der Gewinnabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1) . . . . . . . I. Quellenbesteuerungsrecht des Betriebsstättenstaats (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . .

1 1 5 7 7 10

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

15 17 18 19 20 21 21 32 35 35

II.

37 50

1.

50

1. 2. C. I. II.

2. 3. 4.

Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinne eines Unternehmens . . . . . . . Unternehmen eines Vertragsstaats . . . . . Ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats . . . . . . . . . . . . . . Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaats Einzelheiten zu Personengesellschaften . . a) Abkommensberechtigung . . . . . . . . b) Qualifikationskonflikte im Hinblick auf die transparente Besteuerung . . . . . . c) Qualifikationskonflikte im Hinblick auf Sondervergütungen . . . . . . . . . . . Umfang des Besteuerungsrechts des Betriebsstättenstaats (Abs. 1 Satz 2) . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . Zurechnungsprinzip . . . . . . . . . . . . . Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2) . . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . Reichweite der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte . . . . . . . . . . Auffassung der OECD . . . . . . . . . . . . Auffassung der Finanzverwaltung . . . . . Auffassung der Rechtsprechung . . . . . .

Ditz

. . . .

50 51 61 63

. . . .

65 66 68 68

.

72

.

79

. . .

86 86 87

. .

90 90

.

91

. . . .

91 98 106 109

419

Art. 7 (2008) 5. III. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

7. 8. 9. IV. 1. 2. 3. 4. 5. V. D. I. II. III. E. I. II. III. F. I. II. G. I. II. H. I. II. I.

420

Unternehmensgewinne

Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung des Betriebsstättengewinns . . Buchführung der Betriebsstätte . . . . . . . . Funktionsanalyse als Ausgangspunkt . . . . Zuordnung von Vermögenswerten . . . . . . Zuordnung von Fremd- und Eigenkapital . . Zuordnung von Geschäftsvorfällen des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . Unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . a) Notwendigkeit der Berücksichtigung interner Liefer- und Leistungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes . . . . . . . . . . . c) Überführung von Wirtschaftsgütern . . . d) Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gemeinsame Nutzung von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Erbringung von Dienstleistungen . . . . g) Gewährung von Darlehen . . . . . . . . . h) Funktionsverlagerungen . . . . . . . . . . Währungsumrechnung . . . . . . . . . . . . Gründung der Betriebsstätte . . . . . . . . . Schließung der Betriebsstätte . . . . . . . . . Betrachtung einzelner Betriebsstättentatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Produktionsbetriebsstätten . . . . . . . . . . Vertriebsbetriebsstätten . . . . . . . . . . . . Vertreterbetriebsstätten . . . . . . . . . . . . Bau- und Montagebetriebsstätten . . . . . . Geschäftsleitungsbetriebsstätten . . . . . . . Dokumentationspflichten . . . . . . . . . . . Veranlassungsgerechte Aufwandszuordnung (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungslandunabhängige Aufwandszuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu Art. 7 Abs. 2 . . . . . . . . . . Globale Gewinnaufteilungsmethode (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsvoraussetzungen der globalen Gewinnaufteilungsmethode . . . . . . . . . Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinnabgrenzung bei Einkaufstätigkeiten (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Gewinnzurechnung zu Einkaufstätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stetigkeitsgebot (Abs. 6) . . . . . . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . Beibehaltung der Gewinnabgrenzungsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorrang der Spezialartikel (Abs. 7) . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu den Rückverweisungsklauseln . Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . .

Ditz

112 119 119 124 127 137 144 152 152 159 163 172 177 179 182 183 188 193 195 199 199 202 205 212 221 223 225 225 226 228 229 229 230 233 236 236 237 240 240 241 244 244 245 248

J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . IV. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . V. Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . VI. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . VII. Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . VIII. Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . IX. Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . X. Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . XI. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . XII. Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . XIII. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . XIV. Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . XV. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

249 249 249 250 252 253 253 254 255 256 256 257 259 260 260 261 262 263 263 265 266 267 267 268 269 270 270 271 272 273 273 274 275 276 276 277 278 279 279 280 281 282 282 283 286 287 287 288 290 291 291 292 294 295 295 296 298 299

A. Grundaussagen der Vorschrift 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . . 299 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

Rz. 2 Art. 7 (2008)

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . .

301

OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: https://read.oecd-ilibrary.org/taxation/model-tax-convention-on-in come-and-on-capital-condensed-version-2008_mtc_cond-2008-en.

KOMMENTIERUNG ZU ART. 7 (2008) A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Besteuerungsrecht an Unternehmensgewinnen. Art. 7 betrifft die Abgrenzung von Besteuerungsrechten im Hinblick auf Unternehmensgewinne und bildet damit eine der praktisch bedeutsamsten Vorschriften des OECD-MA. Der Begriff der „Unternehmensgewinne“ bezieht sich in seinem Kern auf gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 EStG (vgl. Rz. 53 f.). Darüber hinaus erfasst Art. 7 seit dem „Update 2000“ des OECDMA und der damit verbundenen Streichung des Art. 14 auch Einkünfte aus freiberuflicher und sonstiger selbständiger Arbeit (vgl. Rz. 29). Die materielle Bedeutung des Art. 7 liegt in der Bestimmung des Umfangs der Besteuerungsrechte, im Rahmen derer die Vertragsstaaten Unternehmensgewinne besteuern dürfen. Dazu regelt die Vorschrift die Besteuerung von Unternehmensgewinnen zunächst in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis (vgl. Art. 7 Rz. 9 OECD-MK 2008): Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 können Gewinne eines Unternehmens grundsätzlich nur im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers besteuert werden. Eine Ausnahme besteht gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 für den Fall, dass „das Unternehmen […] seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte“ ausübt. Nach diesem sog. Betriebsstättenprinzip steht einem Vertragsstaat ein Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne nicht für jede Tätigkeit zu, sondern nur für solche, die die Intensitätsschwelle einer Betriebsstätte überschreiten (vgl. Rz. 66). Insofern ist Art. 7 im Zusammenhang mit Art. 5, welcher die Betriebsstätte definiert, zu sehen (vgl. Rz. 21). Während Art. 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 5 vorgibt, ob eine unternehmerische Tätigkeit dem Grunde nach der Quellenbesteuerung unterliegen darf, d.h., ob dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht auf die Unternehmensgewinne zusteht, gibt Art. 7 im Weiteren ein Regelwerk zur Bestimmung der Höhe dieses Besteuerungsrechtes vor. Nach ständiger Rspr. werden dabei durch den Terminus der „Unternehmensgewinne“ auch Verluste als „negative Unternehmensgewinne“ erfasst.1

1

Quellenprinzip. Das Betriebsstättenprinzip war bereits in den ersten deutschen DBA enthalten und beruht auf dem Ursprungs- bzw. Quellenprinzip. Danach soll jeder Vertragsstaat die Einkünfte besteuern dürfen, die in seinem Hoheitsgebiet erwirtschaftet werden. Dadurch unterliegen die Betriebsstättengewinne dem gleichen Steuerniveau wie die der unmittelbaren ausländischen Mitbewerber, sodass im Rahmen der sog. Kapitalimportneutralität eine wettbewerbspolitische Gleichstellung der Betriebsstätten mit Konkurrenzunternehmen in ihrem Quellenstaat hergestellt wird.2 Dieses Ergebnis wird auf Basis der Vermeidung einer Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat durch die Freistellungsmethode erreicht, wobei die Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen nicht durch Art. 7, sondern durch Art. 23A und 23B vermieden wird (vgl. Rz. 30). Denn Art. 7 Abs. 1 schließt die Besteuerung von Unternehmensgewinnen im Ansässigkeitsstaat auch bei gleichzeitiger Quellenbesteuerung im Betriebsstättenstaat nicht aus. Die Doppelbesteuerung der Unternehmensgewinne wird damit erst durch den Methodenartikel vermieden, wobei die deutsche Abkommenspraxis – häufig unter Beachtung von sog. Aktivitätsklauseln (vgl. Art. 23A/B Rz. 87 ff.)3 – i.d.R.4 die Freistellung des Betriebsstättengewinns im Ansässigkeitsstaat unter Progressionsvorbehalt vorsieht (zur Verlustberücksichtigung vgl. Rz. 34).

2

1 Vgl. BFH v. 11.3.2008 – I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161 m.w.N.; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 1. 2 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 19 ff. 3 Vgl. dazu Wassermeyer, IStR 2000, 65 ff.; Schönfeld/Häck, ISR 2013, 168 (171 ff.); Gebhardt/Quilitzsch, IStR 2011, 169 ff.; Krawitz/Büttgen-Pöhland/Hick, FR 2003, 109 ff. 4 Eine Ausnahme bildet z.B. Art. 22 DBA-Vereinigte Arabische Emirate.

Ditz

421

Art. 7 (2008) Rz. 3

Unternehmensgewinne

3

Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz. Wird einem Vertragsstaat im Rahmen der Begründung einer Betriebsstätte das Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 zugewiesen, stellt sich in einem nächsten Schritt zwangsläufig die Frage, wie dieses Besteuerungsrecht der Höhe nach zu quantifizieren ist. Dazu gibt Art. 7 Abs. 1 Satz 2 vor, dass Unternehmensgewinne nur insoweit durch den Betriebsstättenstaat besteuert werden dürfen, „als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können.“ Infolgedessen erstreckt sich das Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaats weder auf den Gesamtgewinn des Unternehmens noch auf sämtliche Einkünfte des Unternehmens aus Quellen in diesem Staat. Das sog. Attraktionsprinzip findet demnach keine Anwendung (vgl. Rz. 86).1 Vielmehr belässt Art. 7 Abs. 1 Satz 2 dem Betriebsstättenstaat lediglich ein Besteuerungsrecht auf die Gewinne, die der Betriebsstätte „zuzurechnen“ sind (sog. Zurechnungsprinzip, vgl. Rz. 87 f.).2 Allerdings bestimmt die Vorschrift noch keinen konkreten Zuordnungsmaßstab, nach welchem der der Betriebsstätte zuzuordnende Gewinn zu bestimmen ist. Ein solcher Abgrenzungsmaßstab der Höhe nach ist in Art. 7 Abs. 2 niedergelegt. Danach sind der Betriebsstätte die Gewinne zuzurechnen, die sie als selbständiges und von ihrem Stammhaus unabhängiges Unternehmen unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes hätte erzielen können. Das Zurechnungsprinzip des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 steht damit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 7 Abs. 2 und kann nicht ohne dessen Einbeziehung konkretisiert werden (vgl. Rz. 88).3 Das wesentliche Ziel des Art. 7 besteht folglich – neben der Kodifizierung des Betriebsstättenprinzips (vgl. Rz. 1 und 66 f.) – darin, die Abgrenzung des Gewinns zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu regeln. Dazu fingiert Art. 7 Abs. 2, dass die Betriebsstätte ihre Tätigkeit als „selbständiges Unternehmen“ ausübt (sog. Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte) und in diesem Zusammenhang „völlig unabhängig“ von ihrem Stammhaus agiert (sog. Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte).4 Die auf diesen Grundsätzen vorzunehmende Betriebsstättengewinnabgrenzung gehört zu den umstrittensten und schwierigsten Themengebieten der internationalen Unternehmensbesteuerung.

4

Begriff des Stammhauses und seiner Betriebsstätte. Soweit Art. 7 den Begriff der Betriebsstätte verwendet, ist dieser in Art. 5 definiert (vgl. Rz. 21). Der häufig verwendete Begriff des Stammhauses wird indessen weder von der OECD noch von der Rspr.5 konkretisiert. Als „Stammhaus“ wird gemeinhin derjenige Unternehmensteil bezeichnet, dessen Besteuerung sich nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 richtet, d.h., es handelt sich um denjenigen Unternehmensteil, welcher im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers liegt (vgl. Rz. 50 und 65).6 Das Stammhaus befindet sich daher i.d.R. in der Betriebsstätte, bei der sich die geschäftliche Oberleitung des Unternehmens befindet,7 muss es jedoch nicht.8 Die BsGaV9 sowie die VWG BsGa10 verwenden den Begriff des Stammhauses nicht; vielmehr wird – für die Abgrenzung zur Betriebsstätte – von dem „übrigen Unternehmen“ gesprochen. Dieses bezeichnet alle Teile des Unternehmens mit Ausnahme der betreffenden Betriebsstätte.11 Insofern folgt die Finanzverwaltung dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 (vgl. Rz. 108).

II. Aufbau der Vorschrift 5

Umfangreiche Verteilungsnorm. Art. 7 ist mit sieben Absätzen eine der umfangreichsten Verteilungsnormen. Die Vorschrift umfasst nicht nur allgemeine Regelungen der Abgrenzung von Besteuerungsrechten bei Unternehmensgewinnen (Art. 7 Abs. 1–4), sondern enthält eine Reihe von Sonderbestimmungen (Art. 7 Abs. 5–7). Im Einzelnen regelt die Vorschrift Folgendes: Art. 7 Abs. 1 statuiert das sog. Betriebsstättenprinzip, wonach das Recht zur Besteuerung von Unternehmensgewinnen grundsätzlich beim Ansässigkeitsstaat liegt und der andere Vertragsstaat ein Besteuerungsrecht nur für den Fall der Begründung einer Betriebsstätte erwirbt. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 erwirbt der Betriebsstättenstaat nur insoweit ein Besteuerungsrecht auf 1 Vgl. Art. 7 Rz. 10 OECD-MK 2008. Das deutsche Steuerrecht kennt gemeinhin ein Attraktionsprinzip nicht, vgl. BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550. Zum Attraktionsprinzip im ehemaligen DBA-USA 1954 vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444. 2 Vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444. 3 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 311, nach dem es sachgerechter wäre, wenn Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Art. 7 Abs. 2 in einem Absatz zusammengefügt worden wären. 4 Vgl. dazu Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 45 f. 5 Im Urt. v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138 Rz. 21, verwendet der BFH den Begriff, ohne ihn zu definieren. 6 Vgl. auch KB, IStR 2004, 201 mit Verweis auf BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, BStBl. II 2004, 932. 7 So BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.1. 8 Vgl. auch Frotscher in GS Krüger, 95 (98). 9 Vgl. Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung v. 13.10.2014, BGBl. I 2014, 1603. 10 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182. 11 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 1.

422

Ditz

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 7 Art. 7 (2008)

Unternehmensgewinne, als diese der in seinem Hoheitsgebiet belegenen Betriebsstätte „zuzurechnen“ sind. Nach welchen Kriterien diese Zurechnung von Gewinnen zur Betriebsstätte zu erfolgen hat, ist in Art. 7 Abs. 2–4 bestimmt. Tragender Grundsatz der Betriebsstättengewinnabgrenzung ist der in Art. 7 Abs. 2 und 3 niedergelegte Fremdvergleichsgrundsatz („dealing at arm’s length“-Prinzip), welcher auf der Unabhängigkeits- und Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte fußt. Neben der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zur Betriebsstättengewinnabgrenzung ist gem. Art. 7 Abs. 4 die Anwendung der indirekten Methode denkbar. Bei dieser wird der auf eine Betriebsstätte entfallende Unternehmensgewinn durch die Aufteilung des gesamten Unternehmensgewinns über eine Schlüsselgröße bestimmt. Eine spezielle Regelung für Gewinne aus dem Einkauf für Güter und Waren enthält Art. 7 Abs. 5, während Art. 7 Abs. 6 das sog. Stetigkeitsgebot kodifiziert. Schließlich enthält Art. 7 Abs. 7 eine Vorschrift zur Abgrenzung von Einkünften, die sowohl von Art. 7 als auch von anderen Vorschriften des OECD-MA erfasst werden. Im Grundsatz wird hier eine Ausnahme von der in Art. 7 Abs. 1–6 vorgesehenen Betriebsstättenbesteuerung statuiert, wonach die in anderen Vorschriften des OECD-MA getroffenen Regelungen Art. 7 vorgehen. Dieser – zunächst sehr weitreichend erscheinende – Vorbehalt wird allerdings durch Art. 10 Abs. 5, Art. 11 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 3 erheblich eingeschränkt. Grundlegende Überarbeitung in 2010. Am 17.7.2008 hat der OECD-Steuerausschuss einen Bericht zur Be- 6 triebsstättengewinnabgrenzung verabschiedet (vgl. Rz. 99 ff.), wonach die Grundsätze des sog. „Functionally Separate Entity Approach“ in den OECD-MK aufzunehmen sind (sog. „Authorised OECD Approach“).1 Der OECD-MK wurde in diesem Zusammenhang bereits im Rahmen des OECD-Updates 2008 – zunächst noch eingeschränkt – an den „Functionally Separate Entity Approach“ angepasst (vgl. Rz. 103). In einem zweiten Schritt verabschiedete der OECD-Rat am 22.7.2010 im Rahmen des „Update 2010“ weitgehende Änderungen des Art. 7. In diesem Zusammenhang wurden der Inhalt und die Struktur der Vorschrift grundlegend verändert (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 15 ff.):2 – In Art. 7 Abs. 1 Satz 2 wurde ein klarstellender Verweis auf Abs. 2 der Vorschrift aufgenommen, wonach die der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinne nach den Vorgaben des Art. 7 Abs. 2 zu ermitteln sind (vgl. Rz. 8). – Art. 7 Abs. 2 wurde dahin gehend angepasst, dass die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung deutlicher hervorgeht und infolgedessen eine Gewinnabgrenzung nach Maßgabe des „Functionally Separate Entity Approach“ unter Berücksichtigung der von der Betriebsstätte wahrgenommenen Funktionen und Risiken und der von ihr eingesetzten Wirtschaftsgüter erfolgen soll (vgl. Rz. 13). – Art. 7 Abs. 3 wurde durch eine Regelung analog Art. 9 Abs. 2 ersetzt. Danach soll es bei einer Korrektur der Betriebsstättengewinne durch einen Vertragsstaat im anderen Vertragsstaat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eine korrespondierende Gewinnberichtigung geben (vgl. Rz. 16). – Art. 7 Abs. 4–6 wurden ersatzlos gestrichen. Der bisherige Art. 7 Abs. 7 wurde zu Art. 7 Abs. 4.

III. Rechtsentwicklung 1. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1) Im Wesentlichen unveränderter Wortlaut seit 1963. Das abkommensrechtliche Betriebsstättenprinzip hat eine lange Tradition. So enthielt bereits das Abkommensmuster des Völkerbundes aus 1927 in Art. 5 eine dem Betriebsstättenprinzip im Wesentlichen entsprechende Vorschrift.3 Der Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA 2008 ist in seiner englischen Originalfassung seit 1963 völlig identisch geblieben. In der deutschen Übersetzung wurden in diesem Zeitraum lediglich formale Änderungen vorgenommen, welche ohne inhaltliche Auswirkung blieben. Durch das OECD-MA 2000 wurde dann der Begriff der „Tätigkeit“ durch den Begriff der „Geschäftstätigkeit“ ersetzt. Diese Änderung folgte aus der Streichung des Art. 14 im Jahr 2000, welche mit einer Definition der Geschäftstätigkeit in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und h einherging (vgl. Rz. 27).

1 Vgl. Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments v. 17.7.2008. 2 Vgl. dazu Ditz, ISR 2012, 48 ff.; Hemmelrath/Kepper, IStR 2013, 37 ff.; Wichmann, FR 2011, 1082 (1085); Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 ff.; Kahle/Mödinger, DB 2011, 2338 (2342 f.); Kahle/Mödinger, DStZ 2012, 802 ff.; Kußmaul/ Ruiner/Delarber, Ubg 2011, 837 (840 ff.); Froitzheim, Steuerliche Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und deren Auswirkung auf die Gewinnabgrenzung, 2015, 35 ff. 3 Zu Einzelheiten der historischen Entwicklung vgl. Andresen in W/A/D2, Rz. 5.1 ff.; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 39 ff. m.w.N.

Ditz

423

7

Art. 7 (2008) Rz. 8

Unternehmensgewinne

8

Änderung durch das OECD-MA 2010. In Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2010 wurde ein ergänzender Verweis auf Art. 7 Abs. 2 aufgenommen („die der Betriebsstätte gem. den Bestimmungen von Abs. 2 zuzurechnen sind“). Dadurch wurde klargestellt, dass die Frage der Gewinnzurechnung zu einer Betriebsstätte konkret auf den Vorgaben des Art. 7 Abs. 2 (insbesondere unter Berücksichtigung der Unabhängigkeitsund Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte) zu erfolgen hat (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 16).1 Folglich kann einer Betriebsstätte nach dem sog. „Functionally Separate Entity Approach“ (vgl. Rz. 99 ff.) ein höherer Gewinn als der Gewinn des Gesamtunternehmens zugerechnet werden. Dies war in Bezug auf den alten Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 strittig.2 Infolgedessen stellt Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2010 mit dem unmittelbaren Verweis auf Art. 7 Abs. 2 klar, dass der unternehmerische Gesamtgewinn die Höhe des der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinns nicht begrenzt (vgl. Art. 7 Rz. 17 OECD-MK 2010). Im Ergebnis können damit nach Auffassung der OECD einer Betriebsstätte auch Gewinne zugerechnet werden, wenn das Gesamtunternehmen Verluste erwirtschaftet.3 Dieser Grundsatz gilt indessen auch in Bezug auf das OECD-MA 2008 (vgl. Rz. 88).

9

Keine Änderungen durch das OECD-MA 2017 und das MLI. Die OECD hat im BEPS-Aktionspunkt 7 wesentliche Anpassungen der Definition der Betriebsstätte in Art. 5 vorgenommen, die mit dem MLI und dem OECD-MA 2017 umgesetzt wurden.4 Dies betrifft die in Art. 5 Abs. 4 vorgesehenen Ausnahmetatbestände zur Begründung einer Betriebsstätte sowie die Definition der Vertreterbetriebsstätte in Art. 5 Abs. 5 und 6. Die Veränderungen im Hinblick auf die Definition der Betriebsstätte haben sich indessen nicht auf das Betriebsstättenprinzip gem. Art. 7 Abs. 1 ausgewirkt; vielmehr blieb Art. 7 Abs. 1 in seinem Wortlaut nach dem BEPS-Projekt der OECD und der G20-Staaten und den damit einhergehenden Änderungen des OECD-MA 2017 unverändert. 2. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

10

Im Wesentlichen unveränderter Wortlaut seit 1963. Die Idee einer Gewinnabgrenzung auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes unter Berücksichtigung einer Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte geht auf umfangreiche Studien von Carroll in 1932/33 zurück.5 Der darauf aufbauende Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 1963 ist bis 2008 weitgehend identisch geblieben. Neben einigen, rein formalen Änderungen6 bezieht sich die einzig wesentliche Änderung der Vorschrift auf die Einfügung der Formulierung „vorbehaltlich des Absatzes 3“ in das OECD-MA 1977. Aufgrund dieser Ergänzung wurde im Schrifttum eine eingeschränkte Interpretation der Selbständigkeitsfiktion dahin gehend abgeleitet, dass statt einer fremdvergleichskonformen Leistungsverrechnung eine bloße Aufwandsverrechnung zu erfolgen habe (sog. eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte).7 Eine solche Interpretation auf Basis einer rein grammatikalischen Auslegung des Art. 7 Abs. 2 und 3 OECD-MA 2008 ist indessen nicht sachgerecht (vgl. Rz. 113 und 228) und war von der OECD auch nicht beabsichtigt (vgl. Art. 7 Rz. 29 und 30 OECD-MK 2008).

11

Betriebsstättenbericht 1994. Der OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA wurde 1994 aufgrund eines Sonderberichts der OECD unter dem Titel „Attribution of Income to Permanent Establishments“8 substanziell geändert und ergänzt (vgl. Rz. 98). Der Bericht beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte im Rahmen des unternehmensinternen Leistungsaustauschs und somit insbesondere mit der Reichweite der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Dabei wird im Kern die Frage erörtert, inwieweit ein marktorientierter Preis bzw. eine bloße Aufwandserstattung für Leistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu verrechnen ist. Die OECD stellt dazu grundlegend fest, dass das in Art. 7 Abs. 2 kodifizierte „dealing at arm’s length“-Prinzip mit dem des Art. 9 für verbundene Unternehmen übereinstimmt.9 Diese methodische Maxime wurde indessen durch die OECD im Rahmen des OECDMK 1994 nicht stringent umgesetzt (vgl. Rz. 98 ff.).10 1 Vgl. auch Kußmaul/Ruiner/Delarber, Ubg 2011, 837 (840). 2 Vgl. Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 253. 3 So auch die Finanzverwaltung in BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 1. 4 Vgl. zu Einzelheiten Gerlach/Hagemann, FR 2017, 1035 ff.; Kroniger/Linn, DB 2017, 2509 ff.; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1172 f.). 5 Vgl. Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 41 m.w.N. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 7. 7 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 119 ff. 8 OECD, Attribution of Income to Permanent Establishments, Paris 1994. 9 Vgl. zu Einzelheiten Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 114 ff.; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 47 f. 10 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 125 f.

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Ditz

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 13 Art. 7 (2008)

Betriebsstättenbericht 2008. Nachdem die Revision des OECD-MK in 1994 nicht zu einer stringenten 12 Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten in den OECD-Mitgliedstaaten führen konnte,1 wurde das Thema von der OECD erneut aufgegriffen. Die Arbeiten der OECD mündeten in einem „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ v. 17.7.2008 (vgl. Rz. 99 ff.),2 wonach der sog. „Functionally Separate Entity Approach“ durch die OECD als bevorzugte Interpretation des Art. 7 angenommen wurde (sog. „Authorised OECD Approach“).3 Nach diesem erfolgt die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte in zwei Schritten (vgl. Rz. 100 f.). In einem ersten Schritt wird eine detaillierte Funktions- und Risikoanalyse des Stammhauses und der Betriebsstätte unter Berücksichtigung der spezifischen Funktions- und Risikoallokation durchgeführt. Dabei wird die Betriebsstätte als (vollständig) selbständiges und unabhängiges Unternehmen behandelt, das – entgegen der zivilrechtlichen Ausgangssituation – auch eigene Risiken tragen kann. In einem zweiten Schritt sollen dann die für verbundene Unternehmen in den OECD-Leitlinien 2010 niedergelegten Verrechnungspreisgrundsätze (vgl. Art. 9 Rz. 36 u. 62 ff.) auch im Rahmen der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten Anwendung finden. Insoweit finden die Regelungen zur Ermittlung von Verrechnungspreisen für verbundene Unternehmen im Wesentlichen auch im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung Anwendung. Dies läuft im Ergebnis auf eine rechtsformneutrale Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes als tragenden Maßstab der internationalen Einkünfteabgrenzung hinaus. In ihrem Betriebsstättenbericht v. 17.7.2008 kommt die OECD ferner zu der Erkenntnis, dass eine uneingeschränkte Umsetzung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte nur durch eine Änderung des Wortlauts des Art. 7 und des OECD-MK realisiert werden kann. Allerdings wollte die OECD ihren neuen Interpretationsansatz auch für bereits bestehende Abkommen angewendet wissen und nicht erst auf Basis eines neuen Art. 7 umsetzen. Vor diesem Hintergrund hat die OECD eine zweistufige Strategie zur Umsetzung des „Functionally Separate Entity Approach“ gewählt: Parallel zur Entwicklung eines neuen Art. 7 und des dazugehörigen OECD-MK im „Update 2010“ wurde in 2008 der OECD-MK, der für bereits abgeschlossene DBA und neue DBA gilt, die zukünftig auf Basis des OECD-MA 2008 abgeschlossen werden, angepasst.4 Die Änderungen des OECD-MK 2008 beziehen sich dabei auf solche Klarstellungen unter Berücksichtigung des „Functionally Separate Entity Approach“, welche mit dem Wortlaut des Art. 7 OECD-MA 2008 vereinbar sind (vgl. Rz. 103). Das „Update 2008“ des OECD-MK wurde am 17.7.2008 durch den Rat der OECD angenommen und am 18.7.2008 veröffentlicht.5 Neufassung in 2010. Neben den Arbeiten zur Revision des OECD-MK durch das „Update 2008“ arbeitete die OECD an einer Neufassung des Art. 7 sowie eines dazugehörigen (neuen) OECD-MK. Auf dieser Basis wurde Art. 7 Abs. 2 im Rahmen des „Update 2010“ im Hinblick auf eine vollständige Umsetzung des „Functionally Separate Entity Approach“ in wesentlichen Punkten geändert bzw. völlig neu gefasst (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 19 ff.):6 – Die erste Änderung des Art. 7 Abs. 2 bezieht sich auf dessen Einleitungssatz. Darin heißt es im OECDMA 2010 nunmehr: „Für Zwecke dieses Artikels und Artikel 23A und 23B […]“. Durch diese Ergänzung soll sichergestellt werden, dass die Grundsätze der Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht nur für den Betriebsstättenstaat zum Zwecke der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage der beschränkten Steuerpflicht, sondern auch für den Ansässigkeitsstaat zum Zwecke der Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung finden (vgl. Art. 7 Rz. 18 und 27 OECD-MK 2010). Andererseits wird klargestellt, dass sich der Anwendungsbereich des Art. 7 nicht auf die weiteren Verteilungsnormen erstreckt. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung zur Quellenbesteuerung von Zinsen gem. Art. 11 und Lizenzgebühren gem. Art. 12, über welche man im Hinblick auf die uneingeschränkte Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte im Rahmen des „Functionally Separate Entity Approach“ und der damit verbundenen Abrechnung interner Leistungsbeziehungen (vgl. Rz. 101) zumindest nachdenken könnte. Eine solche Quellenbesteuerung auf Entgelte für zwischen den betrieblichen Teileinheiten fingierte Leistungsbeziehungen ist durch die Klarstellung einer alleinigen Anwendung der

1 2 3 4

Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 127 f. Vgl. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments v. 17.7.2008. Vgl. Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 104/1. Die Praxis zeigt, dass die Neufassung des Art. 7 OECD-MA 2010 nicht allen deutschen DBA zugrunde gelegt wird; vgl. auch Wichmann, FR 2011, 1082 (1085). 5 Vgl. OECD, The 2008 Update to the OECD Model Tax Convention v. 18.7.2008, Paris 2008. 6 Vgl. dazu auch Andresen in W/A/D2, Rz. 5.10 ff.; Ditz, ISR 2012, 48 ff.; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 253 ff.; Kahle/Mödinger, IStR 2010, 759 ff.; Kahle/Mödinger, DStZ 2012, 802 ff.; Kußmaul/Ruiner/Delarber, Ubg 2011, 837 (840).

Ditz

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13

Art. 7 (2008) Rz. 13











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Unternehmensgewinne

Vorschrift für Zwecke der Abgrenzung der Besteuerungsrechte gem. Art. 7 und der Anwendung des Art. 23A und 23B ausgeschlossen (vgl. Art. 7 Rz. 28 OECD-MK 2010).1 Eine weitere wesentliche Änderung des Art. 7 Abs. 2 bezieht sich auf dessen Ergänzung um „einer in Absatz 1 genannten Betriebsstätte zuzurechnen sind“. Durch diese Formulierung wird klargestellt, dass die Gewinne, die der Betriebsstätte nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 zuzurechnen sind, nach Art. 7 Abs. 2 zu bestimmen sind. Insoweit handelt es sich um eine Ergänzung zur Neufassung des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 (vgl. Rz. 8), welcher seinerseits auf Art. 7 Abs. 2 verweist (vgl. Rz. 88). Die dritte Änderung bezieht sich auf die Formulierung in der englischen Originalfassung des Art. 7 Abs. 2 „distinct and separate enterprise“, welche in „separate and independant enterprise“ geändert wurde. Diese Änderung wird sich wohl nicht auf den Wortlaut der deutschen Vorschrift niederschlagen, da insoweit bereits bisher lediglich von „selbständiges Unternehmen“ gesprochen wurde. Nach dem Arbeitspapier des OECD-Sekretariats sollte die vorgenommene Änderung der Klarstellung der Umsetzung des „Functionally Separate Entity Approach“ dienen.2 Im Übrigen spricht Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 unmittelbar von der Betriebsstätte als „selbständiges und unabhängiges Unternehmen“, während Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 am Ende noch folgenden Wortlaut hatte: „im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre.“ Gemeint ist damit die Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte als Basis einer Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes (vgl. Rz. 97). Schließlich wurde in Art. 7 Abs. 2 die Formulierung „insbesondere mit anderen Teilen des Unternehmens“ aufgenommen. Damit wird klargestellt, dass die in Art. 7 Abs. 2 niedergelegten Grundsätze der Betriebsstättengewinnabgrenzung auch auf (interne) Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen den betrieblichen Teileinheiten (Stammhaus und Betriebsstätte) Anwendung finden sollen (vgl. Rz. 157 ff.; vgl. dazu auch Art. 7 Rz. 24 OECD-MK 2010). Durch die Formulierung „insbesondere“ kommt allerdings auch zum Ausdruck, dass die „internen Leistungsbeziehungen“ nur einen (bislang umstrittenen) Anwendungsfall (vgl. Rz. 96 f.) im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung darstellen. Die letzte Ergänzung besteht schließlich in der Einfügung der Formulierung „unter Berücksichtigung der vom Unternehmen durch die Betriebsstätte und die anderen Teile des Unternehmens ausgeübten Funktionen, genutzten Wirtschaftsgüter und übernommenen Risiken“. Mit dieser Formulierung wird explizit auf die gewinndeterminierenden Faktoren, welche im ersten Schritt des „Functionally Separate Entity Approach“ zu analysieren sind, verwiesen (sog. Funktions- und Risikoanalyse, vgl. Rz. 100 und 124 ff.). Die Neufassung des Art. 7 Abs. 2 im Rahmen des „Update 2010“ ist international nicht unumstritten. So haben bereits fünf Mitgliedstaaten der OECD einen Vorbehalt gegen die Anwendung des Art. 7 OECDMA 2010 im Rahmen ihrer Abkommenspolitik geäußert (Neuseeland, Chile, Griechenland, Mexiko und die Türkei). Darüber hinaus stehen auch die Vereinten Nationen, die Art. 7 OECD-MA nicht in das UNMA übernommen haben, dem „Authorised OECD Approach“ genauso kritisch gegenüber wie zahlreiche Nicht-OECD-Mitgliedstaaten (z.B. Brasilien, China und Indien). Infolgedessen überrascht es nicht, dass zahlreiche DBA der Bundesrepublik Deutschland, die nach Veröffentlichung des OECD-MA 2010 und dem in Art. 7 Abs. 2 verorteten AOA abgeschlossen wurden, nicht dem Art. 7 OECD-MA 2010 folgen.3

Keine Änderungen durch das OECD-MA 2017 und das MLI. Wenngleich sich die OECD im Rahmen des BEPS-Projekts intensiv mit der Definition der Betriebsstätte gem. Art. 5 befasst hat,4 wurden die Regelungen zur Betriebsstättengewinnabgrenzung (AOA) in Art. 7 Abs. 2 nicht angepasst. Dies überrascht insofern, als die Definition der Betriebsstätte in Art. 5 OECD-MA 2017 deutlich ausgeweitet wurde.5 Infolgedessen stellt sich die Frage, ob der AOA mit einer weitgehenden Interpretation der Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte geeignet ist, auch für diese erweiterten Betriebsstättentatbestände den Maßstab für ihre Gewinnabgrenzung zu bilden. Insbesondere stellt sich die Frage, ob der AOA mit dem Bezug zu den „significant people functions“ als Maßstab für die Gewinnabgrenzung bei personallosen oder personalschwachen Betriebsstätten geeignet ist. Wird diese Frage bejaht, hat dies immer zur Folge, dass diesen Betriebsstätten keine oder ein nur geringer Gewinn (Anwendung der Kostenaufschlagsmethode) zuzuordnen ist (vgl. Rz. 121). Die OECD gibt lediglich eine zusätzliche Anleitung, aus welcher die Auswirkungen des an1 In Art. 7 Rz. 29 OECD-MK 2010 wird allerdings erwähnt, dass manche Staaten die Anwendung des Art. 7 Abs. 2 nicht auf Art. 7 und 23A/B beschränken wollen. In diesem Fall seien Quellensteuerregelungen auf fingierte Lieferund Leistungsbeziehungen denkbar, wobei in diesen Fällen eine gesonderte Regelung in das DBA aufzunehmen ist. 2 Vgl. OECD-Secretariat, ADV (07) 10 Rz. 10. 3 Zu einer Übersicht vgl. Andresen in W/A/D2, Rz. 5.70. 4 Vgl. Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1172 f.) m.w.N.; Kahle/Braun, Ubg 2018, 365 ff. m.w.N. 5 Vgl. dazu Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1172 f.).

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Ditz

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 18 Art. 7 (2008)

gepassten Betriebsstättenbegriffs auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung hervorgehen. Dabei sollen – so die OECD – auch die Ergebnisse aus den BEPS-Aktionspunkten 8–101 berücksichtigt werden.2 Infolgedessen hat das „Inclusive Framework on BEPS“ der OECD – nach Entwürfen vom Juli 20163 und Juni 20174 – am 22.3.2018 Einzelheiten zur Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem AOA unter Berücksichtigung der Erweiterung der Definition der Betriebsstätte veröffentlicht.5 Darin wird die Gewinnermittlung für Vertreterbetriebsstätten gem. Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA 2017 sowie für „Hilfsbetriebsstätten“, die gem. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 als Betriebsstätten qualifizieren, anhand von vier Beispielen erläutert.6 3. Veranlassungsgerechte Aufwandszuordnung (Abs. 3) Unveränderter Wortlaut des Art. 7 Abs. 3 seit 1963. Art. 7 Abs. 3 blieb von 1963–2008 unverändert.

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Neufassung in 2010. Im Rahmen des OECD-MA 2010 wurde Art. 7 Abs. 3 völlig neu gefasst. Während sich die Vorschrift bislang auf die Aufwandszuordnung im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung bezog (vgl. Rz. 225 ff.), beinhaltet sie im OECD-MA 2010 eine Regelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für den Fall, dass ein Vertragsstaat Änderungen an der Gewinnabgrenzung des internationalen Einheitsunternehmens vornimmt (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 47 ff.).7 Zur Verwirklichung dieses Ziels wurde in Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 ein mit Art. 9 Abs. 2 OECD-MA vergleichbarer Mechanismus (vgl. Art. 9 Rz. 142 ff.) aufgenommen. Danach wird ein Vertragsstaat zu einer Gewinnanpassung verpflichtet (Gegenberichtigung), soweit der andere Vertragsstaat die Betriebsstättengewinnabgrenzung korrigiert hat (Erstberichtigung). Art. 7 Abs. 3 wurde angepasst, da sein bisheriger Wortlaut zu Missverständnissen im Rahmen der Auslegung des Art. 7 Abs. 2 führte (vgl. Rz. 113 und 228; vgl. auch Art. 7 Rz. 38 ff. OECD-MK 2010).8

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4. Globale Gewinnaufteilungsmethode (Abs. 4) Im Wesentlichen unveränderter Wortlaut seit 1963. Art. 7 Abs. 4, welcher sich auf die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung bezieht (vgl. Rz. 229 ff.), wurde in 1977 in zwei Punkten geringfügig geändert (aus „die Art der angewendeten Gewinnaufteilung“ wurde „die gewählte Gewinnaufteilung“ und aus „muss so sein“ wurde „muss derart sein“). Diese rein formalen Änderungen haben auf die Auslegung der Vorschrift keinen Einfluss. Mit dem „Update 2010“ ist Art. 7 Abs. 4 entfallen, da er nach Auffassung der OECD mit dem „Functionally Separate Entity Approach“ nicht vereinbar ist (vgl. Art. 7 Rz. 41 OECD-MK 2010).

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5. Gewinnabgrenzung bei Einkaufstätigkeiten (Abs. 5) Unveränderter Wortlaut seit 1963. Art. 7 Abs. 5, welcher die Gewinnabgrenzung beim Einkauf von Gütern und Waren durch eine Betriebsstätte betrifft (vgl. Rz. 236 ff.), blieb von 1963–2008 unverändert. Die Vorschrift ist im Rahmen des „Updates 2010“ entfallen, da sie nach Auffassung der OECD nicht mit dem „Functionally Separate Entity Approach“ vereinbar ist (vgl. Art. 7 Rz. 43 OECD-MK 2010).

1 Vgl. OECD, Base Erosion and Profit Shifting Project, Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, Actions 8–10: 2015 Final Reports. 2 Vgl. OECD, Base Erosion and Profit Shifting Project, Preventing the Artificial Avoidance of Permanent Establishment Status, Action 7: 2015 Final Report, letzter Teil unter der Überschrift: Profit Attribution to PEs and Interaction with Action Points on Transfer Pricing: „The Conclusion of that work is that these changes do not require substantive modifications to the existing rules and guidance concerning the attribution of profits to a permanent establishment under article 7 but there is a need for additional guidance on how this rules of article 7 would apply to PEs resulting from the changes in this report, in particular for PEs outside the financial sector.“ 3 Vgl. OECD, Base Erosion and Profit Shifting (BEPS), Public Discussion Draft, BEPS Action 7, Additional Guidance on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 4 July – 5 September 2016, und dazu Kroppen/van der Ham, IWB 2017, 258 (263 ff.). 4 Vgl. OECD, Base Erosion and Profit Shifting (BEPS), Public Discussion Draft, BEPS Action 7, Additional Guidance on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22 June – 15 September 2017. 5 Vgl. OECD, Additional Guidance on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, BEPS Action 7 (März 2018). 6 Vgl. zu Einzelheiten Bendlinger, TPI 2018, 53 ff. 7 Vgl. dazu auch Kahle/Mödinger, IStR 2011, 821 ff.; Kahle/Mödinger, DStZ 2012, 802 (806); Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 262 ff.; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECDMA, 2012. 8 Vgl. auch Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 125 ff.

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Art. 7 (2008) Rz. 19

Unternehmensgewinne

6. Stetigkeitsgebot (Abs. 6) 19

Im Wesentlichen unveränderter Wortlaut seit 1963. Art. 7 Abs. 6 (vgl. Rz. 240 ff.) wurde in 1977 im Wortlaut geringfügig geändert: Aus „Bei Anwendung“ wurde „Bei der Anwendung“. Insoweit ergeben sich keine inhaltlichen Veränderungen. Art. 7 Abs. 6 wurde in 2010 gestrichen (vgl. Art. 7 Rz. 42 OECD-MK 2010). 7. Vorrang der Spezialartikel (Abs. 7)

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Unveränderter Wortlaut seit 1963. Art. 7 Abs. 7 (vgl. Rz. 244 ff.) blieb von 1963–2008 unverändert. Der Wortlaut der Vorschrift wurde in Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2010 beibehalten (vgl. Art. 7 Rz. 71 ff. OECD-MK 2010).

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht 21

Verhältnis zu Art. 5. Nach dem Betriebsstättenprinzip (vgl. Rz. 1 und 66 f.) können Unternehmensgewinne im anderen Vertragsstaat nur besteuert werden, wenn dort eine Betriebsstätte begründet wird. Unter welchen Voraussetzungen eine Betriebsstätte anzunehmen ist, regelt Art. 7 nicht. Die Definition der Betriebsstätte ergibt sich vielmehr aus Art. 5, welcher eine reine Definitionsnorm darstellt, ohne selbst eine Aussage über die Zuordnung bzw. Begrenzung von Besteuerungsrechten zu treffen. Art. 5 stellt folglich eine Ergänzung zu Art. 7 dar. Dies gilt auch nach der Anpassung des Art. 5 durch das OECD-MA 2017.1

22

Verhältnis zu Art. 6. Nach Art. 6 Abs. 4 gelten die Grundsätze des Art. 6 auch für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen eines Unternehmens. Infolgedessen geht das Belegenheitsprinzip des Art. 6 dem Betriebsstättenprinzip des Art. 7 vor (vgl. Art. 7 Rz. 61 OECD-MK 2010). Verfügt ein Unternehmen eines Vertragsstaats etwa über ein Grundstück im anderen Vertragsstaat, ohne dass dort eine Betriebsstätte nach Art. 5 begründet wird, ist durch die Anwendung des Art. 6 gewährleistet, dass der Quellenstaat unabhängig von der Nichterfüllung der Voraussetzungen einer Betriebsstätte die Einkünfte aus dem Grundstück besteuern kann.2 Ist unbewegliches Vermögen im anderen Vertragsstaat einer Betriebsstätte zuzurechnen, ist – aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Art. 6 Abs. 4 – auch in diesen Fällen das Belegenheitsprinzip anzuwenden (zu daraus resultierenden Fragen der Besteuerung von Personengesellschaften vgl. Rz. 55 ff.).3 Hinsichtlich der Vermeidung der Doppelbesteuerung in Bezug auf Einkünfte, die aus dem einer Betriebsstätte zuzuordnenden unbeweglichen Vermögen resultieren, sind folglich Art. 23A und 23B gesondert zu prüfen. Dies macht ggf. eine separierte Ermittlung der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen von den (sonstigen) Betriebsstätteneinkünften erforderlich. Soweit die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte nach dem einschlägigen DBA unter dem Vorbehalt einer Aktivitätsklausel steht, ist diese in Bezug auf das der Betriebsstätte zugeordnete unbewegliche Vermögen nicht anwendbar.4

23

Verhältnis zu Art. 8. Bei Art. 8 handelt es sich um eine spezielle Vorschrift im Hinblick auf Unternehmensgewinne aus dem Betrieb von Schiff- und Luftfahrt. Die Vorschrift geht Art. 7 vor.5

24

Verhältnis zu Art. 9. Der Grundsatz des Art. 7 Abs. 1 Satz 1, dass Gewinne eines Unternehmens nur in dessen Ansässigkeitsstaat besteuert werden können, gilt grundsätzlich auch für verbundene Unternehmen i.S.d. Art. 9 Abs. 1. Während sich allerdings Art. 7 hinsichtlich der Gewinnabgrenzung auf das Verhältnis zwischen Stammhaus und seiner rechtlich unselbständigen Betriebsstätte (vgl. Rz. 91) bzw. die Gewinnabgrenzung bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft (vgl. Rz. 68 ff.) bezieht, setzt Art. 9 mindestens zwei rechtlich selbständige Unternehmen (i.S. verschiedener Steuersubjekte) voraus, die miteinander verbunden sind. Art. 7 bezieht sich dagegen nur auf ein Steuersubjekt, das über mehrere rechtlich unselbständige Einheiten (in Form von Betriebsstätten) verfügt. Damit schließen sich Art. 7 und Art. 9 hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs gegenseitig aus. Beide Vorschriften haben indessen eine zentrale Gemeinsamkeit: Sie beziehen sich hinsichtlich des Maßstabes der internationalen Gewinnabgrenzung auf den Fremdvergleichsgrundsatz. Nach Auffassung der OECD ist dabei der Fremdvergleichsgrundsatz – bis auf wenige Ausnahmen – des Art. 7 und des Art. 9 gleich auszulegen (vgl. Rz. 100; vgl. auch Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 2008).

25

Verhältnis zu Art. 10, 11 und 12. Die Art. 10, 11 und 12 sehen für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren eine Beschränkung der Quellenbesteuerung vor. Die Vorschriften gehen gem. Art. 7 Abs. 7 dem Art. 7 1 2 3 4 5

Vgl. dazu Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1172 f.); Kahle/Braun, Ubg 2018, 365 ff. Vgl. Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 17. Vgl. BFH v. 23.2.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354. So auch Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 9; s. ferner Rauert, IStR 2012, 164 (165). Vgl. Art. 7 Abs. 7; BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 313.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 31 Art. 7 (2008)

grundsätzlich vor (Rz. 244). Nach dem sog. Betriebsstättenvorbehalt gilt dies jedoch nicht für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, die einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte tatsächlich zuzuordnen sind (vgl. Rz. 246). In diesem Fall ist Art. 7 anzuwenden.1 Unternehmensinterne Leistungsbeziehungen, welche auf Basis des Art. 7 Abs. 2 zwischen Stammhaus und der fiktiv als selbständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandelnden Betriebsstätte abgerechnet werden (insbesondere in Form „fiktiver“ Zinsen oder Lizenzgebühren), können keiner Quellenbesteuerung unterliegen (vgl. Rz. 13). Die Thematik des Verhältnisses von Art. 7 zu Art. 10, 11 und 12 stellt sich insbesondere bei Personengesellschaften (vgl. Rz. 79 ff.). Verhältnis zu Art. 13. Art. 13 Abs. 2 ergänzt Art. 7, in dem klargestellt wird, dass Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, welches einer Betriebsstätte zugeordnet ist, und Gewinne aus der Veräußerung der Betriebsstätte im Ganzen durch den Betriebsstättenstaat besteuert werden dürfen.

26

Verhältnis zu Art. 14. Der OECD-Steuerausschuss hat am 29.4.2000 – auf der Grundlage eines Berichts zu Art. 142 – beschlossen, Art. 14 im Rahmen des „Update 2000“ des OECD-MA zu streichen. Art. 14 Abs. 1 hatte in Bezug auf Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus einer sonstigen selbständigen Tätigkeit das Besteuerungsrecht grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen. Eine Ausnahme bestand für den Fall, dass die Tätigkeit in einer „festen Einrichtung“ ausgeübt wird.3 Insoweit bestand eine unmittelbare Parallele zum Betriebsstättenprinzip des Art. 7 Abs. 1; der wesentliche (rein terminologische) Unterschied bestand lediglich darin, dass Art. 7 Abs. 1 an das Vorliegen einer „Betriebsstätte“ anknüpft, während sich Art. 14 Abs. 1 auf eine „feste Geschäftseinrichtung“ bezog. Da nach Auffassung der OECD keine materiellen Unterschiede beabsichtigt waren und folglich Art. 7 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 letztlich zu gleichen Ergebnissen führten (vgl. Art. 5 Rz. 1.1 OECD-MK 2008), konnte Art. 14 entfallen. Mit der Streichung des Art. 14 wurde der Begriff „Unternehmen“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c im Hinblick auf die „Ausübung einer Geschäftstätigkeit“ neu definiert. Der Begriff der „Geschäftstätigkeit“ umfasst nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. h auch die „Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit“ (vgl. Rz. 51 ff.).4

27

Verhältnis zu Art. 21. Art. 21 Abs. 2 stellt klar, dass Art. 7 auch in Bezug auf andere Einkünfte gilt, wenn die diesen zugrunde liegenden Rechte oder Vermögenswerte einer Betriebsstätte zuzuordnen sind. Art. 21 Abs. 2 erfasst insbesondere Einkünfte aus Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren aus Drittstaaten oder dem Ansässigkeitsstaat, die über eine Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat bezogen werden, sowie für andere unter Art. 21 Abs. 1 fallende Einkünfte im Zusammenhang mit diesen Rechten und Vermögenswerten (z.B. Entschädigungen, Zuschüsse oder Zulagen). Art. 21 ist insbesondere bei der grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung (vgl. Rz. 57) und der Verpachtung eines Geschäftsbetriebs (vgl. Rz. 58) von Bedeutung.

28

Verhältnis zu Art. 22. Art. 22 Abs. 2 enthält eine Art. 7 Abs. 1 entsprechende Regelung für die Vermögensbesteuerung von beweglichem Vermögen einer Betriebsstätte. Das Besteuerungsrecht wird insoweit dem Betriebsstättenstaat zugewiesen.

29

Verhältnis zu Art. 23A und 23B. Art. 7 enthält das Recht des Betriebsstättenstaats, die der Betriebsstätte zuzurechnenden Unternehmensgewinne zu besteuern. Ob der Betriebsstättenstaat von diesem Besteuerungsrecht tatsächlich Gebrauch macht, ergibt sich aus seinem innerstaatlichen Recht. Hingegen lässt Art. 7 offen, auf welche Weise der Ansässigkeitsstaat die aus der Besteuerung von Betriebsstättengewinnen im anderen Vertragsstaat resultierende (rechtliche) Doppelbesteuerung5 vermeidet (vgl. Rz. 2). Dies ergibt sich vielmehr aus Art. 23A (Freistellungsmethode) und Art. 23B (Anrechnungsmethode). Bis auf wenige Ausnahmen6 sehen die DBA der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf Betriebsstättengewinne – häufig unter Anwendung einer Aktivitätsklausel7 – die Freistellungsmethode vor (zur Verlustverrechnung vgl. Rz. 34). Die Regelungen des Art. 7 Abs. 2–6 zur Betriebsstättengewinnabgrenzung gelten nicht nur im Betriebsstätten-, sondern auch im Ansässigkeitsstaat. Dies wird in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 klargestellt (vgl. Rz. 13).

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Verhältnis zu Art. 24. Art. 24 Abs. 3 ergänzt Art. 7. Denn nach dieser Vorschrift darf die Besteuerung einer Betriebsstätte im Quellenstaat nicht ungünstiger sein als die Besteuerung eines Unternehmens dieses Staats, das die gleiche Tätigkeit ausübt.8 Die Feststellung der Diskriminierung verlangt dabei einen hypothetischen

31

1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 3. Vgl. OECD, Issues Related to Article 14 of the Model Tax Convention, Paris 2000. Vgl. auch BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703. Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 11 f. Zum Begriff vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 3 ff. Vgl. etwa Art. 22 DBA-Vereinigte Arabische Emirate. Vgl. dazu Wassermeyer, IStR 2000, 65 ff.; Gebhardt/Quilitzsch, IStR 2011, 169 ff.; Holthaus, IStR 2003, 632 ff. Vgl. auch FG Düsseldorf v. 21.5.2015 – 8 K 2541/12 G, juris (rkr.).

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Art. 7 (2008) Rz. 31

Unternehmensgewinne

Vergleich zwischen der Besteuerung der Betriebsstätte und der Besteuerung eines vergleichbaren, rechtlich selbständigen Unternehmens.1 Erhebt vor diesem Hintergrund der Betriebsstättenstaat z.B. zusätzlich zur Ertragbesteuerung des Betriebsstättengewinns eine Quellensteuer auf Gewinnüberführungen der Betriebsstätte an das Stammhaus,2 ist dies zwar durch Art. 7 Abs. 1 gerechtfertigt; allerdings ist damit die insgesamt auf Ebene der Betriebsstätte erhobene Steuer höher als die Steuer eines vergleichbaren inländischen Unternehmens, sodass ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 3 vorliegt (vgl. zu Einzelheiten Art. 24 Rz. 83 ff.).3 Art. 24 ist auch im Rahmen der Auslegung des Art. 7 Abs. 2 zu beachten (vgl. Rz. 118). 2. Unionsrecht 32

Verhältnis zur EU-Schiedskonvention. Die EU-Schiedskonvention4 enthält Regelungen, welche die Mitgliedstaaten der EU gegenseitig verpflichten, im Falle von Einkünftekorrekturen die daraus resultierende Doppelbesteuerung durch ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren zu beseitigen. Die EU-Schiedskonvention ist auch in Bezug auf die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten anwendbar, wobei sie hinsichtlich des Gewinnabgrenzungsmaßstabs – analog Art. 7 Abs. 2 – auf die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und den Fremdvergleichsgrundsatz verweist. Dabei ist zu beachten, dass der Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 OECDMA 2010 – entgegen Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 – von Art. 4 Nr. 2 EU-Schiedskonvention abweicht.5 Konsequenzen sollten daraus nicht resultieren.6 Der wesentliche Vorteil der EU-Schiedskonvention besteht darin, dass diese eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Wege eines Verständigungs- bzw. Schiedsverfahrens vorsieht. Der Schutz der EU-Schiedskonvention geht damit über Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 und Art. 25 hinaus. Denn beide Vorschriften sehen keinen Einigungszwang der Vertragsstaaten im Hinblick auf eine Vermeidung der Doppelbesteuerung vor.7 In EU-Fällen empfiehlt es sich daher, unmittelbar ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren auf Basis der EU-Schiedskonvention zu beantragen, da insoweit klare Vorgaben zur Durchführung des Verfahrens bestehen8 und im Gegensatz zu Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 und Art. 25 die Vertragsstaaten verpflichtet sind, sich auf eine Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu einigen.

33

Betriebsstättengewinnabgrenzung und Unionsrecht. Unionsrechtlich stellt sich die Frage, ob die Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ausfüllenden innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (vgl. Rz. 37 ff.) gegen die Diskriminierungsverbote des AEUV verstoßen, soweit sie sich – wie § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG, § 16 Abs. 3a EStG und § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. der BsGaV – nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte beziehen. Dies ist aus unionsrechtlicher Sicht deswegen problematisch, weil einerseits ein Gewinn im Zeitpunkt der unternehmensinternen Lieferung oder Leistung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte realisiert und besteuert wird, ohne dass es tatsächlich zu einer Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen kommt.9 Andererseits führt eine unternehmensinterne Transaktion in einem rein inlandsbezogenen Sachverhalt zwischen Stammhaus und seiner Betriebsstätte mangels Rechtsgrundlage nicht zu einer Gewinnrealisierung. Infolgedessen liegt die Beschränkung der einschlägigen Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV auf der Hand.10 Der Gesetzgeber ist dieser unionsrechtlichen Problematik durch § 4g EStG entgegengetreten. Danach tritt auf Antrag bei der Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in eine Betriebsstätte in einem EU-Staat keine sofortige Gewinnrealisierung ein; vielmehr werden die stillen Reserven über einen Zeitraum von fünf Jahren „gestreckt“ besteuert. Nach den EuGH-Urteilen

1 2 3 4 5 6 7 8

9 10

Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 46. So z.B. die „Branch Profits Tax“ in den USA. Vgl. auch Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 17. Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gegenberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10. Vgl. Art. 4 EU-Schiedskonvention; BMF v. 9.10.2018 – IV B 2 - S 1304/17/10001 – DOK 2018/0785293, BStBl. I 2018, 1122, Tz. 11.1.2. Zu Einzelheiten vgl. auch Kempf/Gelsdorf, IStR 2012, 329 (333 f.). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn das entsprechende DBA eine Art. 25 Abs. 5 nachgebildete verpflichtende Schiedsverfahrens-Regelung enthält. Vgl. nur Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschaftsund Sozialausschuss über die Tätigkeit des gemeinsamen EU-Verrechnungspreisforums im Bereich der Unternehmensbesteuerung von Oktober 2002 bis Dezember 2003 und über den Vorschlag eines Verhaltenskodex zur effektiven Durchführung der Schiedskonvention v. 23.4.2004, KOM (2004) 297; BMF v. 9.10.2018 – IV B 2 - S 1304/17/10001 – DOK 2018/0785293, BStBl. I 2018, 1122, Tz. 10 ff. Vgl. dazu auch Wassermeyer, IStR 2004, 733 ff. Vgl. Schönfeld/Quilitzsch in W/A/D2, Rz. 12.26 m.w.N.; a.A. Musil, FR 2011, 545 (548 f.); Mitschke, IStR 2011, 294 ff.; Hruschka, DStR 2011, 2343 ff.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 34 Art. 7 (2008)

in den Rechtssachen „DMC“1 und „Verder LabTech“2 ist davon auszugehen, dass § 4g EStG den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht.3 Entsprechendes gilt für § 36 Abs. 5 EStG, wonach die im Rahmen einer Betriebsaufgabe realisierten stillen Reserven in einer § 4g EStG vergleichbaren Weise aufzuteilen sind. Ferner ist für Gewinnrealisierungen nach § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. § 16 Abs. 1 BsGaV § 4g EStG ebenfalls anzuwenden (§ 1 Abs. 5 Satz 6 AStG). Darüber hinaus wendet die Finanzverwaltung § 4g EStG im Billigkeitswege auch bei beschränkt steuerpflichtigen Personen an.4 Das Argument des EuGH in seinen Urteilen „DMC“ und „Verder LabTech“, dass die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch die Wahrung einer gerechten Aufteilung von Besteuerungsbefugnissen zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt sei, kann indessen – zumindest im Abkommensfall – nicht vollends überzeugen. Denn nach der Entscheidung des BFH v. 17.7.20085 steht dem Ansässigkeits- oder Betriebsstättenstaat auch nach der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht auf vor der Überführung gebildete stille Reserven zu. Daher stellt sich die Frage, ob der Rechtfertigungsgrund der Wahrung der Aufteilung von Besteuerungsbefugnissen einschlägig ist.6 Darüber hinaus ist die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 4g EStG auf EU-Sachverhalte problematisch, da die Grundfreiheiten auch für den europäischen Wirtschaftsraum gelten.7 Schließlich vermeidet § 4g EStG nur bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens die Sofortrealisierung der stillen Reserven, während das Umlaufvermögen von der Vorschrift nicht erfasst wird. Auch insofern bestehen unionsrechtliche Bedenken.8 Betriebsstättenverlustverrechnung und Unionsrecht. Die Freistellung (vgl. Rz. 30) der einer ausländischen Betriebsstätte im Abkommensfall zugerechneten Einkünfte erstreckt sich nicht nur auf Gewinne, sondern erfasst auch den Verlustfall. Damit sind nach der Symmetriethese des BFH Betriebsstättenverluste aus der inländischen Steuerbemessungsgrundlage auszunehmen.9 Eine solche Abkommensauslegung ist auch nach Auffassung des EuGH europarechtlich unbedenklich, wenn die Verluste im Betriebsstättenstaat in künftigen Steuerzeiträumen berücksichtigt werden können.10 Im Umkehrschluss sind damit Betriebsstättenverluste im Stammhausstaat abzugsfähig, wenn „endgültige Verluste“ der Betriebsstätte vorliegen. Konkrete Aussagen, wann ein Verlust endgültig ist, enthält das EuGH-Urt. in der Rechtssache Lidl Belgium indessen nicht. Eine Konkretisierung der Kriterien eines „endgültigen Betriebsstättenverlusts“ erfolgte allerdings im Rahmen der beiden BFH-Urt. v. 9.6.2010,11 welche im Ergebnis durch die EuGH-Entscheidung v. 21.2.2013 in der Rechtssache A Oy12 bestätigt wurden:13 – Nach dem ersten Urt. des BFH v. 9.6.201014 sind Verluste nicht „endgültig“, wenn sie im Betriebsstättenstaat aufgrund einer Verlustvortragsbeschränkung des innerstaatlichen Rechts nicht verwertet wer-

1 Vgl. EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20. Der EuGH hielt in dieser Entscheidung die in § 20 Abs. 6 UmwStG 1995 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 3–5 UmwStG 1995 eingeräumte Möglichkeit, eine auf nicht realisierte Wertzuwächse entfallende Steuer in fünf Jahresraten zu begleichen, für unionsrechtlich ausreichend, um einen Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV zu rechtfertigen. 2 Vgl. EuGH v. 21.5.2015 – C-657/13 – Verder LabTech, ECLI:EU:C:2015:331. Der EuGH billigte die durch die deutsche Finanzverwaltung im Billigkeitswege eingeräumte Möglichkeit zur Bildung eines über zehn Jahre aufzulösenden Merkpostens als verhältnismäßig und unionsrechtskonform. 3 Vgl. Schönfeld/Quilitzsch in W/A/D2, Rz. 12.28; Gosch, IWB 2014, 183 (188); Sydow, DB 2014, 265; Crezelius in Kirchhof18, § 4g EStG Rz. 9; Musil in H/H/R, § 4g EStG Anm. 211; Rasch/Wenzel, ISR 2015, 128 (132 ff.). S. ferner FG Köln v. 16.2.2016 – 10 K 2335/11, EFG 2016, 793 und dazu kritisch Ditz/Tcherveniachki, ISR 2016, 417; Rasch/ Wenzel, ISR 2015, 128 (132 ff.). 4 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 453 und 457. 5 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 6 Vgl. Schönfeld/Quilitzsch in W/A/D2, Rz. 12.29 m.w.N. 7 Vgl. Art. 31 EWR-Abkommen und zu Einzelheiten Schönfeld/Quilitzsch in W/A/D2, Rz. 12.30. 8 Vgl. Schönfeld/Quilitzsch in W/A/D2, Rz. 12.31 m.w.N. 9 Vgl. nur BFH v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630, belegt durch Nichtanwendungserlass v. des BMF 13.7.2009 – IV B 5 - S 2118 - a/07/10004 – DOK 2009/0407190, BStBl. I 2009, 835 und dazu Ditz/Plansky, IStR 2009, 661. 10 Vgl. EuGH v. 15.5.2008 – C-414/06 – Lidl Belgium, ECLI:EU:C:2008:278. 11 Zu Einzelheiten vgl. Pohl, IWB 2010, 626; Quilitzsch, DB 2010, 2757; Kessler/Philipp, IStR 2010, 865; Spengel/Matinaer, IStR 2010, 817; Richter, DB 2010, 2734; Schwenke, IStR 2010, 368; Heurung/Engel, GmbHR 2010, 1065. 12 Vgl. EuGH v. 21.2.2013 – C-123/11– A Oy, ECLI:EU:C:2013:84 = ISR 2013, 103 mit Anm. Müller. 13 Vgl. zu Einzelheiten Schönfeld/Quilitzsch in W/A/D2, R. 12.13 ff.; Ditz/Quilitzsch, IStR 2013, 242 (242 f.); a.A. Hruschka, DStR 2013, 396; Mitschke, IStR 2013, 209 (209 f.). 14 Vgl. BFH v. 9.6.2010 – I R 100/09, DB 2010, 1731.

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Art. 7 (2008) Rz. 34

Unternehmensgewinne

den können.1 Damit knüpft der BFH an das EuGH-Urt. v. 23.10.2008 in der Rechtssache Krankenheim Ruhesitz am Wannsee2 unmittelbar an. – Nach der zweiten Entscheidung des BFH v. 9.6.20103 sind Verluste endgültig, wenn sie im Betriebsstättenstaat aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden können. Als tatsächliche Gründe nennt der BFH die Umwandlung einer ausländischen Betriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft, deren entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung oder deren endgültige Aufgabe. In diesen Fällen unterstelle das Gesetz – in Anlehnung an § 2a Abs. 4 EStG a.F. – eine „Endgültigkeit“ der betreffenden Verluste. Gleiches müsste daher gelten, wenn in Fällen der Umwandlung, des Verkaufs oder der Aufgabe der Betriebsstätte eine zukünftige Verlustnutzung im Einklang mit dem ausländischen Steuerrecht definitiv ausgeschlossen ist.4 In diesen Fällen sei es geboten, die gemeinschaftsrechtlich grundsätzlich anerkannte Symmetriewirkung der abkommensrechtlichen Freistellung ausnahmsweise zu durchbrechen und eine Verlustnutzung beim inländischen Stammhaus zuzulassen. Zwar hat der BFH in seinem Urt. v. 22.2.20175 seine vorstehend dargestellte Rechtsauffassung unter Verweis auf die EuGH-Entscheidung v. 17.12.20156 aufgegeben. In dieser Entscheidung kam der EuGH – wie bereits in den Urteilen „Nordea Bank Danmark“7 und „Kommission/UK“8 angedeutet – zum Ergebnis, dass ausländische Betriebsstätten, deren Gewinne abkommensrechtlich von der inländischen Besteuerung freizustellen sind, grundsätzlich nicht mit inländischen Betriebsstätten vergleichbar sind. Infolgedessen sei bereits dem Grunde nach eine Verletzung der Grundfreiheiten ausgeschlossen.9 Allerdings zeigt das EuGHUrt. v. 12.6.2018 in der Rechtssache „Bevola und Jens W. Trock“,10 dass eine Abkehr von seiner durch die Rechtssache „Lidl Belgium“11 geprägten Rechtsprechung zur finalen Verlustberücksichtigung nicht gewollt war und der EuGH stattdessen an seiner bisherigen Rechtsprechung zur finalen Verlustberücksichtigung festhalten möchte.12 Daher wird der BFH zu seiner bisherigen Rechtsprechung zur finalen Verlustberücksichtigung zurückkehren müssen. Dies hat zur Folge, dass sich die abkommensrechtlich vorgesehene Freistellung im Rahmen der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens über § 7 Satz 1 GewStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) auf die Ermittlung des Gewerbeertrags auswirkt und die (finalen) Betriebsstättenverluste damit auch gewerbesteuerlich abziehbar sind.13 § 9 Nr. 3 GewStG, der als Konsequenz des Inlandsbezugs der Gewerbesteuer für ausländische Betriebsstättengewinne eine Kürzung des Gewerbeertrags vorsieht, kommt somit bereits aus systematischen Gründen nicht zur Anwendung und kann damit keine eigenständige Diskriminierung entfalten.14 Schließlich hat der BFH in zeitlicher Hinsicht klargestellt, dass es für den Verlustabzug im Stammhausstaat nur auf jenen Veranlagungszeitraum ankommen kann, in welchem die Verluste tatsächlich endgültig werden.15 3. Innerstaatliches Recht a) Beschränkung der Steuerpflicht 35

Verhältnis zur unbeschränkten Steuerpflicht. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 normiert für Unternehmensgewinne ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats („können nur in diesem Staat besteuert werden“). Dem anderen Vertragsstaat wird, soweit in seinem Hoheitsgebiet keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begründet wird, das Recht zur Besteuerung entzogen. Ob überhaupt und in welcher Höhe der Ansässigkeitsstaat von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch macht und folglich die Unternehmensgewinne tat1 Vgl. auch BFH v. 3.2.2010 – I R 23/09, BStBl. II 2010, 599. 2 Vgl. EuGH v. 23.10.2008 – C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, ECLI:EU:C: 2008:588 und dazu Ditz/Plansky, DB 2009, 1669 (1671 f.). 3 Vgl. BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744; Schönfeld/Quilitzsch in W/A/D2, Rz. 12.16. 4 So auch FG Nds. v. 16.6.2011 – 6 K 445/09, EFG 2011, 2088, bestätigt durch BFH v. 5.2.2014 – I R 48/11, BFHE 244, 371. 5 Vgl. BFH v. 22.2.2017 – I R 2/15, BStBl. II 2017, 709. 6 Vgl. EuGH v. 17.12.2015 – C-388/14 – Timac Agro, ECLI:EU:C:2015:829. 7 Vgl. EuGH v. 17.7.2014 – C-48/13 – Nordea Bank Danmark, ECLI:EU:C:2014:2087. 8 Vgl. EuGH v. 3.2.2015 – C-172/13 – Kommission/UK, ECLI:EU:C:2015:50. 9 Vgl. zu Einzelheiten Schönfeld/Quilitzsch in W/A/D2, Rz. 12.12; Heckerodt/Schulz, DStR 2018, 1457 (1460 ff.). 10 Vgl. EuGH v. 12.6.2018 – C-650/16 – Bevola und Jens W. Trock, ECLI:EU:C:2018:424. 11 Vgl. EuGH v. 15.5.2008 – C-414/06 – Lidl Belgium, ECLI:EU:C:2008:278. 12 Vgl. Kraft, NWB 2018, 2384 ff.; Kahle/Braun/Burger, FR 2018, 717 (722 ff.); Heckerodt/Schulz, DStR 2018, 1457 (1463); Heckerodt, IWB 2018, 521 (527 f.); Müller, ISR 2018, 281 ff. 13 Vgl. BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744. 14 Dazu kritisch Gebhardt/Quilitzsch, FR 2011, 359; Pohl, IWB 2010, 628. Siehe ferner Englisch, IStR 2008, 404; van Lishaut, FR 2009, 1030. 15 Vgl. BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, DB 2010, 1733 m.w.N.; Schönfeld/Quilitzsch in W/A/D2, Rz. 12.17; a.A. die Vorinstanz des FG Hamburg v. 18.11.2009 – 6 K 147/08, EFG 2010, 265; Ditz/Plansky, DB 2009, 1669 (1672).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 37 Art. 7 (2008)

sächlich besteuert, regelt alleine sein innerstaatliches Recht. Dies betrifft nach deutschem Verständnis insbesondere die Definition der unbeschränkten Steuerpflicht,1 den Umfang der Besteuerung,2 die Abgrenzung der steuerpflichtigen von den steuerfreien Einnahmen,3 die Definition der abzugsfähigen Betriebsausgaben4 sowie die weitere Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens.5 Die Abgrenzung der Steuerpflicht sowie die konkrete Ermittlung des steuerlichen Einkommens sind nicht Regelungsgegenstand des Art. 7, sie werden vielmehr durch das innerstaatliche Recht vorgegeben. Mit anderen Worten: Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 kodifiziert lediglich ein Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats auf Unternehmensgewinne, wobei sich Einzelheiten der Besteuerung hinsichtlich Steuerpflicht, Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens, Steuertarifs etc. aus dem innerstaatlichen Recht ergeben (vgl. Rz. 37). Diese werden durch Art. 7 nicht eingeschränkt.6 Verhältnis zur beschränkten Steuerpflicht. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 weist dem anderen Vertragsstaat ein Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne zu, wenn ein Unternehmen in diesem eine Betriebsstätte begründet. Die Vorschrift begrenzt die im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht vorgesehene Quellenbesteuerung7 in zweierlei Hinsicht: Einerseits steht dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht nur zu, soweit das Unternehmen in seinem Hoheitsgebiet die Tatbestandsvoraussetzungen einer Betriebsstätte gem. Art. 5 erfüllt. Infolgedessen reicht für ein Besteuerungsrecht des Quellenstaats die Begründung einer Betriebsstätte, wie sie im innerstaatlichen Recht definiert ist,8 nicht aus. Damit schränkt Art. 7 Abs. 1 die nach innerstaatlichem Recht vorgesehene beschränkte Steuerpflicht des Quellenstaats ein. Ein Vertragsstaat kann Unternehmensgewinne auch nicht besteuern, wenn zwar der abkommensrechtliche Betriebsstättenbegriff des Art. 5 erfüllt ist, jedoch keine Betriebsstätte nach innerstaatlichem Recht vorliegt.9 Andererseits beschränkt Art. 7 Abs. 1 Satz 2 das Besteuerungsrecht des Quellenstaats auf diejenigen Gewinne, die der Betriebsstätte „zuzurechnen“ sind (kein Attraktionsprinzip der Betriebsstätte, vgl. Rz. 86).

36

b) Self-executing-Wirkung der Gewinnabgrenzung Gewinnermittlung nach innerstaatlichem Recht. Im Rahmen der internationalen Unternehmensbesteuerung sind hinsichtlich der Bestimmung des Betriebsstättengewinns zwei Ebenen zu unterscheiden: die Gewinnermittlung und die Gewinnabgrenzung.10 Die Gewinnermittlung bezieht sich auf die Frage, ob steuerpflichtige Einkünfte – im Rahmen des Art. 7 Unternehmensgewinne – dem Grunde nach vorliegen, d.h., ob überhaupt eine Besteuerung eingreift, und falls ja, wie die entsprechenden Einkünfte der Höhe nach zu berechnen sind. Die Gewinnermittlung regelt damit, das „Ob, Wie und Wann der Besteuerung“11. Dabei richtet sich die Gewinnermittlung auch bei internationalen Sachverhalten immer und ausschließlich nach dem innerstaatlichen Recht des jeweiligen Vertragsstaats.12 Im deutschen Recht sind dabei insbesondere die folgenden steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu beachten:13 – Buchführungspflichten (§§ 140 ff. AO);14 – Methoden der Gewinnermittlung und Gewinnermittlungszeitraum (§§ 4 und 4a EStG); – Definition der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben (§ 3 sowie § 4 Abs. 4 und 5 EStG);

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12

13 14

Vgl. § 1 EStG und § 1 KStG sowie hinsichtlich der Definition der Gewerbesteuerpflicht § 2 GewStG. Vgl. etwa § 2 EStG und § 7 KStG. Vgl. etwa § 3 EStG und § 5 KStG. Vgl. etwa § 4 Abs. 4 und 5 EStG, § 12 EStG sowie §§ 8, 9 und 10 KStG. Vgl. §§ 4 ff. EStG und §§ 8 ff. KStG. Vgl. auch BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, BStBl. II 2000, 399. Nach deutschem Recht gem. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG sowie § 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Nach deutschem Recht gem. § 12 AO. Vgl. in diesem Zusammenhang auch BFH v. 20.7.2016 – I R 50/15, BStBl. II 2017, 230, wonach sich der in § 9 Nr. 3 GewStG verwendete Begriff der Betriebsstätte allein nach innerstaatlichem Recht bestimmt. A.A. FG Köln v. 7.5.2015 – 10 K 73/13, EFG 2015, 1558 und dazu kritisch Lüdicke, IStR 2015, 770; Kahlenberg, ISR 2015, 380 ff. Vgl. BFH v. 9.11.1988 – I R 335/83, BStBl. II 1989, 510; Andresen in W/A/D2, Rz. 4.1 ff.; Ditz, IStR 2005, 37 (38) m.w.N.; Kleineidam, IStR 2000, 577 (577 f.). Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 49. Vgl. BFH v. 9.11.1988 – I R 335/83, BStBl. II 1989, 510; v. 22.5.1991 – I R 32/90, BStBl. II 1992, 94; v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 134/07/10005 – DOK 2009/0300414, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004 – DOK 2011/0802578, BStBl. I 2011, 1278. Vgl. Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 1.13 ff. Zu den Buchführungspflichten einer Betriebsstätte ausführlich Rz. 119 ff.

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– Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze, soweit vorgesehen unter Berücksichtigung handelsrechtlicher GoB (§§ 5, 6 und 6a EStG); – Bildung steuerfreier Rücklagen gem. §§ 6 b–d EStG; – Abschreibungsvorschriften gem. §§ 7–7k EStG. Neben den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des EStG sind im Rahmen der Betriebsstättengewinnermittlung die Entstrickungsvorschriften gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG sowie § 16 Abs. 3a EStG zu beachten. Alle drei Vorschriften sehen beim Ausschluss oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland aus dem Gewinn, der Veräußerung oder der Nutzung von Wirtschaftsgütern eine Gewinnrealisierung vor (Ersatzrealisationstatbestand).1 Darüber hinaus wurde durch das AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.20132 der AOA in innerstaatliches Recht transformiert und infolgedessen der Anwendungsbereich des § 1 AStG auf Betriebsstättenfälle ausgeweitet. Dazu hat der Gesetzgeber mit Einführung der Fiktion von Geschäftsbeziehungen zwischen Betriebsstätten in § 1 Abs. 4 Nr. 2 AStG („anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen“) die Grundlage für § 1 Abs. 5 AStG gelegt, welche Einkünftekorrekturen vorsieht, wenn der Fremdvergleichsgrundsatz für unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht beachtet wird. Diesbezügliche Einzelheiten werden in § 1 Abs. 5 Sätze 3 ff. AStG sowie der BsGaV v. 13.10.2014 beschrieben. Die Transformation des AOA in innerstaatliches Recht in § 1 AStG war nicht sachgerecht, da offenkundig Regelungen zur Gewinnermittlung in- und ausländischer Betriebsstätten geschaffen werden sollten. Dies gilt z.B. für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern in der Stammhaus- oder Betriebsstättenbilanz, deren Bewertung sowie die Bestimmung des Eigen- und Fremdkapitals der Betriebsstätte. Solche Regelungen können in § 1 AStG als Korrekturvorschrift nicht normiert werden.3 Infolgedessen setzt der Gesetzgeber den AOA nur einseitig zugunsten der Finanzverwaltung um,4 was insbesondere im Rahmen der Gewinnermittlung bei im Inland beschränkt steuerpflichtigen Betriebsstätten nachteilig sein kann (vgl. Rz. 108).5 38

Gewinnabgrenzung nach Abkommensrecht. Von der Gewinnermittlung ist die Gewinnabgrenzung, auf welche sich Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Art. 7 Abs. 2–6 beziehen, zu trennen. Kernproblem im Rahmen der Gewinnabgrenzung ist, dass die Betriebsstätte aufgrund ihrer zivilrechtlichen Unselbständigkeit (vgl. Rz. 91) keinen originär eigenständigen Gewinn6 erwirtschaften kann. Ein Gewinn kann folglich nicht für die Betriebsstätte selbst, sondern nur für das Gesamtunternehmen als rechtliche und wirtschaftliche Einheit mehrerer betrieblicher Teileinheiten entstehen. Da allerdings ein internationales Einheitsunternehmen im Rahmen seiner Ertragbesteuerung dem Zugriff des Stammhaus- und des Betriebsstättenstaats unterliegt, ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit, diesen Gesamtgewinn auf die beteiligten Unternehmensteile aufzuteilen und somit den Stammhaus- bzw. Betriebsstättenerfolg zu quantifizieren (sog. Gewinnabgrenzung). Die besondere Schwierigkeit der Gewinnabgrenzung besteht dabei darin, für steuerliche Zwecke das rechtlich und wirtschaftlich Zusammengehörige aufzuteilen. Den der Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinnanteil möglichst präzise zu bemessen und somit den im Gesamtunternehmen auf Basis der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (vgl. Rz. 37) entstandenen Gewinn auf die betrieblichen Teileinheiten Stammhaus und Betriebsstätte für steuerliche Zwecke zu verteilen, ist die zentrale Aufgabe des Art. 7. Die Notwendigkeit einer Gewinnabgrenzung ergibt sich dabei erst dann, wenn eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 in einem der Vertragsstaaten vorliegt und demnach beide Steuerhoheiten hinsichtlich desselben Steuerpflichtigen über Besteuerungsrechte verfügen (vgl. Rz. 2). Insoweit ist die Gewinnabgrenzung ein der Feststellung, ob eine Betriebsstätte überhaupt vorliegt, nachgelagerter Tatbestand (vgl. Rz. 21).

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Self-executing-Wirkung für die Gewinnabgrenzung. Das konkrete, gem. Art. 57 Abs. 2 GG in das innerstaatliche Recht transformierte DBA ist ohne weiteren Rechtsakt unmittelbar anwendungsfähig und wirkt somit auf das jeweilige Steuerrechtsverhältnis direkt ein. Infolgedessen kommt den Normen eines DBA im Allgemeinen Self-executing-Wirkung zu.7 Allerdings bedeutet die prinzipielle Self-executing-Wirkung der 1 Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/A/D2, Rz. 6.35 ff. 2 Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 3 Vgl. Wassermeyer, IStR 2012, 277 (278 ff.); Schaumburg, ISR 2013, 197 (198 f.); Schnitger, IStR 2012, 633 (634 f.); Ditz, ISR 2013, 261 (262 f.). 4 Vgl. Schaumburg, ISR 2013, 197 (198); BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 20. 5 Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/A/D2, Rz. 6.127 f. 6 Soweit hier und im Folgenden von „Gewinn“ gesprochen wird, ist damit auch der Verlustfall als „negativer Gewinn“ gemeint. 7 Vgl. FG Nds. v. 14.5.1991 – VI 676/89, RIW 1991, 963 rkr.; Kluge, StuW 1975, 294 (296); Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 m.w.N.; a.A. Wassermeyer in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 25 (30).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 40 Art. 7 (2008)

DBA nicht, dass von allen Vorschriften des DBA tatsächlich Self-executing-Wirkung ausgeht. Vielmehr existieren – wie Art. 9 zeigt (vgl. Art. 9 Rz. 19) – Vorschriften, die als Ermächtigungsnorm zu qualifizieren sind und zu deren konkreter Umsetzung es einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage bedarf. Art. 7 in seiner Fassung des OECD-MA 2008 und des OECD-MA 2010 kommt Self-executing-Wirkung für den Bereich der Gewinnabgrenzung, nicht jedoch für die Ebene der Gewinnermittlung zu. Dies folgt aus einer grammatikalischen, teleologischen, systematischen und historischen Auslegung der Vorschrift, wobei dem Wortlaut des Art. 7 besondere Bedeutung zukommt.1 – Grammatikalische Auslegung: Nach Art. 7 Abs. 2 „werden“ die Gewinne der Betriebsstätte zugeordnet, die sie unter Annahme ihrer hypothetischen Selbständigkeit und Unabhängigkeit hätte erzielen können. Der Begriff „werden“2 bringt insoweit einen eindeutigen Gesetzesbefehl zum Ausdruck, nach dem die Gewinnabgrenzung unzweifelhaft von beiden Vertragsstaaten (vgl. Art. 7 Rz. 12 OECD-MK 2008) am Fremdvergleichsgrundsatz auszurichten ist. Insofern unterscheidet sich auch der Wortlaut der Vorschrift vom „dürfen“ des Art. 9 Abs. 1 (vgl. Art. 9 Rz. 19).3 – Teleologische Auslegung: Spricht bereits die grammatikalische Auslegung des Art. 7 Abs. 2 für dessen Self-executing-Wirkung, wird dieses Ergebnis im Rahmen der teleologischen Auslegung bekräftigt. Denn die Zielsetzung der DBA, die Vermeidung der Doppelbesteuerung, kann nur realisiert werden, wenn der im Betriebsstättenstaat der Quellenbesteuerung unterliegende Betriebsstättengewinn mit dem im Ansässigkeitsstaat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung freigestellten Gewinn (vgl. Rz. 30) korrespondiert. Vor diesem Hintergrund kann die Gewinnabgrenzung nicht den innerstaatlichen Vorschriften der Vertragsstaaten überlassen werden. Art. 7 Abs. 2 kommt somit nicht nur eine Schrankenwirkung in Bezug auf die Quantifizierung des Betriebsstättengewinns und einer damit einhergehenden Beschränkung des Quellenbesteuerungsrechts des Betriebsstättenstaats, sondern auch eine Verteilungsfunktion zu, die letztlich nur über eine Self-executing-Wirkung realisiert werden kann. Dies wird auch durch den Verweis auf Art. 23A und 23B durch das „Update 2010“ bekräftigt (vgl. Rz. 13). – Systematische Auslegung: Wassermeyer begründet die fehlende Self-executing-Wirkung mit dem systematischen Zusammenhang des Art. 7 Abs. 2 zu Art. 9 Abs. 1.4 Da von der letztgenannten Norm keine Self-executing-Wirkung ausgehe, könne eine solche auch von Art. 7 Abs. 2 nicht ausgehen. Vielmehr seien beide Vorschriften nur als Ermächtigungsnormen zu qualifizieren. In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, ob die Annahme eines Self-executing des Art. 7 Abs. 2 überhaupt zu einer steuerbegründenden Wirkung führt.5 Die Self-executing-Wirkung des Art. 7 kann sich nämlich nur auf die Ebene der Gewinnabgrenzung, nicht jedoch auf die der Gewinnermittlung (vgl. Rz. 37) beziehen. Insoweit beschränkt sich die Funktion des Art. 7 auf die Zuordnung des nach innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelten Unternehmensgewinns, ohne in die Ebene der Gewinnermittlung einzugreifen. Die Funktion des Art. 7 reduziert sich damit nicht auf die Beschränkung des Besteuerungsrechts des Betriebsstättenstaats, sondern fungiert als Maßstab zur Aufteilung des Unternehmensgesamtgewinns auf das Stammhaus und die Betriebsstätte. Insoweit ist Art. 7 für beide Vertragsstaaten bindend. – Genetische Auslegung: Der OECD-MK lehnt eine Self-executing-Wirkung des Art. 7 für die Ebene der Gewinnermittlung ab (vgl. Art. 7 Rz. 15 und 21 OECD-MK 2008). Insofern ist nach Auffassung der OECD z.B. die Frage der Gewinnrealisierung im Rahmen der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte – auch auf Basis des „Update 2010“ und im Hinblick auf den „Functionally Separate Entity Approach“ – alleine dem Geltungsbereich der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften vorbehalten. Vielmehr spricht sich der OECD-Steuerausschuss eindeutig für eine unmittelbare Geltungswirkung des Art. 7 für Zwecke der Gewinnabgrenzung aus (vgl. Art. 7 Rz. 11 und 12 OECD-MK 2008). Konsequenzen. Art. 7 dient im Zusammenspiel mit Art. 23A und 23B primär der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung, in dem kollidierende Besteuerungsansprüche der Vertragsstaaten im Hinblick auf Unternehmensgewinne gegeneinander abgegrenzt, die Besteuerungsrechte dem Grunde und der Höhe nach zugeordnet und die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat geregelt werden. Des Weiteren bildet Art. 7 eine Besteuerungsschranke, die den Steuerpflichtigen vor einer nicht fremdvergleichskonformen Gewinnzuordnung und somit vor einer überhöhten Besteuerung im Betriebsstättenstaat schützt. Dies ist jedoch nur gewährleistet, wenn sich die Vertragsstaaten auf einen verbindlichen Gewinnabgren1 Vgl. zu Einzelheiten auch Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 59 ff.; Ditz, IStR 2005, 37 (40 ff.). 2 Art. 7 Rz. 14 OECD-MK 2008 spricht von „zuzurechnen sind“. 3 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 315. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 315. 5 Kritisch auch Lang, SWI 2002, 86 (88).

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Art. 7 (2008) Rz. 40

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zungsmaßstab festlegen. Diese Zielsetzungen des Art. 7 können nur über eine Self-executing-Wirkung gewährleistet werden, wobei die Vorschrift für beide Vertragsstaaten bindend ist.1 Damit wird dem Betriebsstättenstaat abkommensrechtlich in der Höhe ein Besteuerungsrecht auf den insgesamt erzielten Unternehmensgewinn eingeräumt, den die Betriebsstätte als fiktiv selbständiges und unabhängiges Unternehmen erwirtschaftet hätte. Hierbei ist der Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 7 OECD-MA 2008 stringent umzusetzen (vgl. Rz. 112 ff.). Soweit ist dem Betriebsstättenstaat aber zunächst nur das Besteuerungsrecht für die nach Maßgabe des Fremdvergleichsgrundsatzes ermittelten Teilgewinne zugewiesen. Ob der Vertragsstaat dieses Besteuerungsrecht tatsächlich wahrnimmt und in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt dies geschieht, ergibt sich nicht aus Art. 7, sondern allein aus den innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (vgl. Rz. 37). Vor diesem Hintergrund ist nach Maßgabe der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu prüfen, ob ein Gewinn für das Gesamtunternehmen realisiert, mithin also ein Gewinnrealisierungstatbestand verwirklicht wurde oder nicht. Erst aus dem Zusammenwirken der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften und den Vorgaben des Art. 7 kann das tatsächliche Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaats ermittelt werden. Dieses dient einerseits als steuerliche Bemessungsgrundlage der beschränkten Steuerpflicht im Betriebsstättenstaat, und andererseits ist es der Betrag, den der Ansässigkeitsstaat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Rahmen der Anwendung der Freistellungsmethode zum Ansatz bringen muss. Ein Anwendungsvorrang der einen vor der anderen Ebene besteht dabei nicht.2 41

Innerstaatliche Ersatzrealisationstatbestände. Vor dem Hintergrund, dass Art. 7 lediglich auf Ebene der Gewinnabgrenzung Self-executing-Wirkung entfaltet, ist er im Bereich der Gewinnermittlung durch innerstaatliche Vorschriften auszufüllen. So wurden mit dem SEStEG v. 7.12.20063 in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG Entstrickungsvorschriften4 in Bezug auf die Überführung von Wirtschaftsgütern in das Ausland aufgenommen. Voraussetzung für die Anwendung der beiden Vorschriften ist „der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung des Wirtschaftsguts“.5 Sind diese Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, ist als Rechtsfolge der fiktiven Entnahme bzw. der fiktiven Veräußerung der gemeine Wert des Wirtschaftsguts anzusetzen.6 Darüber hinaus wurde die finale Betriebsaufgabe gesetzlich in § 16 Abs. 3a EStG kodifiziert.7 Nach dieser Vorschrift, die über § 8 Abs. 1 KStG auch bei Körperschaften Anwendung findet,8 wird bei einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter eines Betriebs oder Teilbetriebs eine Aufgabe des Gewerbebetriebs (Betriebsaufgabe) fingiert. § 16 Abs. 3a EStG regelt daher die Entstrickung von Betrieben und Teilbetrieben und geht infolgedessen als lex specialis § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG vor.

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Umsetzung des AOA in § 1 AStG. Nach zahlreichen (vergeblichen) Anläufen, die bis in den März 2012 zurückreichen, wurde mit dem AmtshilfeRLUmsG9 der AOA in innerstaatliches Recht übernommen. Bereits zu Beginn der gesetzgeberischen Bemühungen10 war damit das Ziel verbunden, den Anwendungsbereich des § 1 AStG auch auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung auszuweiten.11 Dazu wurde für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, mit der Fiktion von Geschäftsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte in § 1 Abs. 4 Nr. 2 AStG (sog. anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen) die Grundlage für § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG gelegt. § 1 Abs. 5 AStG sieht eine Einkünftekorrektur vor,12 wenn der Fremdvergleichsgrundsatz für unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht beachtet wird. Dabei ist die Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, es sei denn, die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen erfordert eine andere Behandlung.13 § 1 Abs. 5 AStG betrifft nur rechtlich unselbständige Betriebsstätten unabhängig von 1 Gl.A. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.266. 2 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 51 ff. 3 Vgl. Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 4 Zum Begriff vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.1. 5 Vgl: zu Einzelheiten Ditz in W/A/D2, Rz. 6.35 ff. 6 Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG; § 12 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 KStG. 7 Vgl. Kahle/Beinert, FR 2015, 585 (587); Seer in Kirchhof18, § 16 EStG Rz. 203, 226. 8 Vgl. von Freeden in Rödder/Herlinghaus/Neumann, § 12 KStG Rz. 33. 9 Vgl. Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG) v. 5.6.2013, BT-Drucks. 17/13722. 10 Vgl. Referentenentwurf des BMF, Entwurf eines JStG 2013, BR-Drucks. 302/12 v. 25.5.2012 und BT-Drucks. 17/10000 v. 19.6.2012. 11 Vgl. dazu auch von Goldacker, BB 2013, 87 ff.; Schnitger, IStR 2012, 633 ff.; Andresen/Busch, Ubg 2012, 451 ff.; Kahle, DStZ 2012, 691 (697 ff.); Wassermeyer, IStR 2012, 277 ff. 12 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 10. 13 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 6.

436

Ditz

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 44 Art. 7 (2008)

der Rechtsform des Unternehmens.1 Die Betriebsstättengewinnabgrenzung folgt dabei den von der OECD vorgegebenen zwei Stufen (vgl. Rz. 100 ff.).2 Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber begründet die Einführung des AOA in § 1 Abs. 4 und 5 AStG mit den Entwicklungen auf Ebene der OECD und der in 2010 erfolgten Anpassung des Art. 7 (vgl. Rz. 8).3 Infolgedessen ist der in § 1 Abs. 1 AStG definierte und in § 1 Abs. 3 AStG konkretisierte Fremdvergleichsgrundsatz auch für die Gewinnabgrenzung bei in- und ausländischen Betriebsstätten zu beachten. Es ist möglich, dass die Betriebsstätte einen Gewinn erzielt, obwohl das Gesamtunternehmen einen Verlust generiert oder umgekehrt die Betriebsstätte einen Verlust hinnehmen muss, obwohl das Unternehmen insgesamt Gewinne erzielt. Da es mit Ansatz des Fremdvergleichspreises zur Aufdeckung stiller Reserven kommen kann, soll dies nach Ansicht des Gesetzgebers durch Beibehaltung der Anwendbarkeit des § 4g EStG abgemildert werden (vgl. Rz. 33). Darüber hinaus geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich Differenzen zwischen der Summe der Einzelergebnisse verschiedener Betriebsstätten und dem Gesamtergebnis des Unternehmens im Laufe der Zeit ausgleichen. Als Nachweis für die fehlenden schuldrechtlichen Vereinbarungen werden Aufzeichnungen über die wirtschaftlichen Vorgänge und Protokolle als Ersatz anerkannt.4 Ebenfalls legt der Gesetzgeber fest, dass § 1 Abs. 5 AStG Vorrang vor DBA hat, die dem Art. 7 OECD-MA 2008 oder dem Art. 7 UN-MA (d.h. DBA ohne den AOA) entsprechen.5 Damit soll das deutsche Steueraufkommen gewahrt werden und gleichzeitig sollen unbesteuerte Einkünfte vermieden werden, da ältere DBA noch nicht den AOA enthalten. Mit § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG würden die Fälle völkerrechtskonform gelöst, in denen es zu internationalen Besteuerungskonflikten kommt. Hierbei treten die Regelungen des § 1 Abs. 5 Sätze 1–7 AStG zurück, wenn der andere Staat sein Besteuerungsrecht ausübt. Somit blieben die Besteuerungsrechte des anderen Staats gewahrt und eine Doppelbesteuerung würde vermieden.

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Unzutreffende Platzierung in § 1 AStG als Einkünftekorrekturvorschrift. Die Begründung zum Entwurf des dem AmtshilfeRLUmsG vorausgegangenen JStG 20136 beschreibt zutreffend die Tatsache, dass die OECD mit dem AOA die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten seit 2010 stringent (vgl. Rz. 8) an dem Fremdvergleichsgrundsatz ausrichtet. Das insoweit durch Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 bzw. in den darauf aufbauenden deutschen DBA vorgesehene Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne wird indessen durch innerstaatliches Recht bis zum VZ 2012 nicht vollständig ausgefüllt. Daher ist es – auch aus fiskalischen Gründen – nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber eine innerstaatliche Rechtsgrundlage zu schaffen wünschte, welche das in Art. 7 OECD-MA 2010 vorgesehene Besteuerungsrecht in innerstaatliches Recht transformiert. Die Umsetzung (allein) in § 1 AStG ist jedoch nicht sachgerecht; vielmehr handelt es sich bei der Gewinnermittlung der Betriebsstätte um einen Tatbestand der Gewinn- bzw. Unterschiedsbetragsermittlung (sowohl für in- als auch ausländische Betriebsstätten), welcher im EStG hätte geregelt werden müssen (vgl. Rz. 37).7 Auch die Finanzverwaltung spricht im Zusammenhang mit § 1 Abs. 5 AStG von der Betriebsstättengewinnermittlung8, qualifiziert hingegen § 1 AStG ausdrücklich als Einkünftekorrekturvorschrift „nur zugunsten des deutschen Steueraufkommens“.9 Beispielsweise hätte die Frage, ob Wirtschaftsgüter in der Gesamtunternehmensbilanz der Höhe nach anders als in der Stammhaus- bzw. Betriebsstättenbilanz bewertet werden können, im EStG geregelt werden müssen. § 1 AStG ist eine Einkünftekorrekturvorschrift,10 welche nur dann greift, wenn die deutsche Finanzverwaltung einkünfteerhöhende Korrekturen vornimmt. Folgende Fragen hätten mit Rücksicht auf ihre Bedeutung für die Gewinnermittlung durch Bilanzierung im EStG geregelt werden müssen: – Definition eines Ersatzrealisationstatbestands im Hinblick auf die „Abrechnung“ unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte;

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1 Vgl. Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum AmtshilfeRLUmsG v. 5.6.2013, BT-Drucks. 17/13722. 2 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 26 f. 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 1. 4 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 63. 5 Vgl. zu Einzelheiten aus Sicht der Finanzverwaltung BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 424 ff. 6 Vgl. BT-Drucks. 17/13033 v. 10.4.2013, 164. 7 Vgl. Ditz/Quilitzsch, DStR 2013, 1917 (1919); Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 132/3; Wassermeyer, IStR 2012, 277; Schnitger, IStR 2012, 633 (634); Kußmaul/Ruiner, BB 2012, 2025 (2028); Froitzheim, Steuerliche Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und deren Auswirkung auf die Gewinnabgrenzung, 2015, 276 f.; Richter/ Heyd, Ubg 2013, 418 (423). 8 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 8. 9 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 20. 10 So auch die Idee des § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG; BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/ 1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 10 u. 20.

Ditz

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Art. 7 (2008) Rz. 44

Unternehmensgewinne

– Regelungen zur bilanziellen Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Stammhaus bzw. zur Betriebsstätte; – Regelungen zur bilanziellen Ermittlung des Dotationskapitals der Betriebsstätte; – Anerkennung eines Betriebsausgabenabzugs fiktiver Leistungsentgelte bei in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen Betriebsstätten. 45

Einseitige Umsetzung des AOA zugunsten der Finanzverwaltung. Mit seiner Transformation in § 1 AStG setzt der deutsche Gesetzgeber den AOA nur einseitig zugunsten der deutschen Finanzverwaltung um.1 Denn § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG ist mit seinem Verweis auf § 1 Abs. 1 AStG unzweifelhaft als Einkünftekorrekturvorschrift konzipiert.2 Diese findet – entgegen der Entstrickungsvorschriften des § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG und des § 12 Abs. 1 KStG (vgl. Rz. 37)3 – auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung Anwendung, d.h. außerhalb der Bilanz. Die Anwendung dieser Einkünftekorrekturvorschrift setzt freilich voraus, dass Einkünfte überhaupt erwirtschaftet werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Tatbestandsvoraussetzung des § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG zu sehen, dass inländische Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder ausländische Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden. Jedoch fallen bei unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen tatsächlich keine Einkünfte an; vielmehr werden solche fingiert. So spricht auch die BsGaV von fiktiven Betriebseinnahmen und fiktiven Betriebsausgaben.4 Infolgedessen können erst aufgrund dieser Fiktion von Einkünften Einkünfte bestimmt und dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet und dann – soweit dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht Rechnung getragen wird – nach § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG korrigiert werden.5

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Öffnungsklausel des § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG. § 1 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 AStG enthält eine Öffnungsklausel, wonach eine Betriebsstätte nicht wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln ist, wenn die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen eine andere Behandlung erfordert.6 Aus diesem weiten Wortlaut könnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Anwendung des AOA in bestimmten, weder durch das Gesetz noch die BsGaV definierten Fällen, in seiner Anwendung beschränkt wird.7 Eine solche weitgehende Interpretation der Vorschrift ist indessen nicht sachgerecht. Denn bereits die Gesetzesbegründung verweist ausdrücklich auf die schon von der OECD definierten Grenzen einer uneingeschränkten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung. Diese betreffen insbesondere die Abrechnung unternehmensinterner Darlehensbeziehungen sowie Garantien, Bürgschaften und Patronate.8 Infolgedessen kann – nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift – § 1 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 AStG nicht als allgemeine Öffnungsklausel für eine Abweichung zum AOA qualifizieren; vielmehr kann dies nur für von der OECD anerkannte Ausnahmen gelten.

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Verhältnis zu den Entstrickungsvorschriften. Es stellt sich die Frage des Verhältnisses des § 1 Abs. 5 AStG zu § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG und § 16 Abs. 3a EStG. Diese Einkommensermittlungsvorschriften stehen unabhängig neben der Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 Abs. 5 AStG. Daran ändert der Verweis des § 1 Abs. 5 Satz 6 AStG auf § 4g EStG nichts.9 Damit ergibt sich hinsichtlich der Anwendung des § 1 Abs. 5 AStG Folgendes: Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG gilt seine Anwendung „unbeschadet anderer Vorschriften“. Dies hat zur Folge, dass der Anwendung der Vorschrift § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG und § 16 Abs. 3a EStG vorgehen.10 Dies wird auch von der Finanzverwaltung anerkannt.11 Rechtsgrundlage für die Entstrickung stiller Reserven bei der Überführung eines Wirtschaftsguts von einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte sind damit zunächst – ihre Anwendbarkeit vorausgesetzt – die all-

1 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 10 u. 20; Schnitger, IStR 2012, 633 (634 f.); Wassermeyer, IStR 2012, 277 (278 ff.); Schaumburg, ISR 2013, 197 (198); Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 132/3; Richter/Heyd, Ubg 2013, 418 (423); Kußmaul/Ruiner, BB 2012, 2025 (2027 f.). 2 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 10. 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 62. 4 Vgl. § 3 Abs. 2 BsGaV; BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 61. 5 Vgl. auch Schaumburg, ISR 2013, 197 (198); Schnitger, IStR 2012, 633 (634 f.); Wassermeyer, IStR 2012, 277 (278 ff.). 6 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 6. 7 Vgl. Melhem/Dombrowski, IStR 2015, 912 ff.; Froitzheim, Ubg 2015, 354 (357). 8 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 100 u. 103 f.; BT-Drucks. 17/13033, 85; § 16 Abs. 3 BsGaV. 9 Vgl. auch Gosch, IWB 2012, 779 (785). 10 Vgl. Schnitger, IStR 2012, 633 (638); Baldamus, IStR 2012, 317 (319); Kahle/Eichholz, StuB 2014, 867 (868); Schaumburg, ISR 2013, 197 (198); Richter/Heyd, Ubg 2013, 418 (423); Ditz/Quilitzsch, DStR 2013, 1917 (1919); Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 132/5; Neumann-Tomm, IStR 2015, 907 (911). 11 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 20.

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Ditz

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 49 Art. 7 (2008)

gemeinen Entstrickungsvorschriften.1 Erfolgt damit eine Entstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG oder § 16 Abs. 3a EStG auf der ersten Stufe der Unterschiedsbetragsermittlung, ist § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG nicht mehr anwendbar. Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG (bzw. § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG) sind allerdings (außerbilanzielle) Einkünftekorrekturen neben den Rechtsfolgen der Entstrickungsvorschriften durchzuführen, wenn die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. § 1 AStG zu weitergehenden Berichtigungen führt.2 § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG und die Schrankenwirkung des DBA. § 1 Abs. 5 AStG differenziert hinsichtlich der Anwendung des AOA nicht danach, ob das einschlägige DBA dem AOA des OECD-MA 2010 folgt oder auf der Fassung des Art. 7 aus 2008 beruht. Vielmehr ist die Vorschrift in § 1 Abs. 5 AStG in allen DBAund Nicht-DBA-Fällen anzuwenden. Damit greift § 1 Abs. 5 AStG auch in Bezug auf DBA, die nicht dem OECD-MA 2008 folgen. Die Finanzverwaltung differenziert in diesem Zusammenhang nach den OECDMitgliedstaaten und den Nichtmitgliedstaaten der OECD. Soweit mit OECD-Mitgliedstaaten ein Art. 7 OECD-MA 2008 folgendes DBA besteht, sei davon auszugehen, dass der andere OECD-Mitgliedstaat der in § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV vorgesehenen Anwendung des AOA folgt.3 Eine Rechtsgrundlage für eine solche Annahme ist indessen nicht ersichtlich, weicht doch der Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 von demjenigen des OECD-MA 2010 ab. Bei Nichtmitgliedstaaten der OECD geht die Finanzverwaltung demgegenüber davon aus, dass „im Regelfall“ der andere Staat der Anwendung des AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV nicht folgt. Dann seien die Grundsätze der (alten) VWG BS v. 24.12.19994 anzuwenden, und der Steuerpflichtige könne seine Steuererklärung unter Berücksichtigung des damaligen deutschen Abkommensverständnisses erstellen und beim Finanzamt einreichen.5 Auch insofern ist eine Rechtsgrundlage nicht erkennbar; sie könnte allenfalls in § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG gesehen werden, der jedoch einen entsprechenden Nachweis aus dem Ausland voraussetzt. In beiden Fällen besteht das Risiko, dass eine internationale Doppelbesteuerung entsteht, da die Grundsätze der Gewinnermittlung aus deutscher Sicht nicht mit der ausländischen Sichtweise harmonieren. Die Doppelbesteuerung kann dann nur über ein (oft zeitaufwendiges) Verständigungsverfahren vermieden werden.6 Der Gesetzgeber hat dieses Spannungsfeld wohl gesehen und infolgedessen in § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG einen (eigentlich selbstverständlichen) Vorrang des Abkommensrechts definiert. Danach ist eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 5 AStG nur möglich, wenn – ein DBA anzuwenden ist und – der Steuerpflichtige geltend macht, – dass dessen Regelungen den Grundsätzen des § 1 Abs. 5 Sätze 1–7 AStG widersprechen, – und der Steuerpflichtige nachweist, – dass der andere Staat sein Besteuerungsrecht entsprechend dem DBA ausübt und deshalb die Anwendung der Sätze 1–7 zu einer Doppelbesteuerung führen würde.

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Anwendung des AOA auf einzelne DBA. § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG enthält einen treaty override,7 in dem die Schrankenwirkung des einschlägigen DBA an einen Nachweis geknüpft ist, dass der andere Vertragsstaat sein Besteuerungsrecht entsprechend dem DBA ausübt und infolgedessen die Anwendung des AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG zu einer Doppelbesteuerung führt. Was die Anwendung des § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG betrifft, differenziert die Finanzverwaltung wie folgt: – In Bezug auf DBA mit OECD-Mitgliedstaaten geht die Finanzverwaltung davon aus, dass der andere Staat der Anwendung des AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG, der BsGaV und den VWG BsGa folgt.8 Infolgedessen hat der Steuerpflichtige seine Betriebsstätteneinkünfte gem. § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV zu erklären. Eine Anwendung des § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG bedarf es i.d.R. nicht, Ausnahmen können allerdings in Bezug auf die Abrechnung eines Gewinnaufschlags bei Dienstleistungen9 oder bei fiktiven Lizenzgebühren10 bestehen. – Bei Nichtmitgliedstaaten der OECD ist im Anwendungsbereich des Art. 7 OECD-MA 2008 und des Art. 7 UN-MA im Regelfall davon auszugehen, dass der andere Staat einer Anwendung des AOA gem.

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1 2 3 4 5 6 7

Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 20 u. 62. Zu Einzelheiten vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.133. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 427. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 430. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 428 u. 432. Zur Verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines solchen treaty override vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1. 8 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 427. 9 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 427. 10 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 429.

Ditz

439

Art. 7 (2008) Rz. 49

Unternehmensgewinne

§ 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV nicht folgt. Infolgedessen kann das Unternehmen in diesen Fällen die Betriebsstätteneinkünfte nach dem damaligen Abkommensverständnis und den VWG BS1 erklären.2 Mit der Abgabe der Steuererklärung sind auch die Steuererklärung und der entsprechende Steuerbescheid des anderen Staats vorzulegen. Liegen weder die ausländische Steuererklärung noch der ausländische Steuerbescheid vor, sind beide Unterlagen unverzüglich nachzureichen. Ferner soll der Steuerpflichtige in diesem Fall bei Abgabe seiner Steuererklärung auf die Anwendung des Art. 7 OECD-MA 2008 bzw. Art. 7 UN-MA hinweisen und die Höhe der Abweichung quantifizieren. Das Finanzamt soll dann klären, ob der andere Staat eine Besteuerung entsprechend dem OECD-Betriebsstättenbericht vorsieht oder es stellt eine entsprechende Anfrage an das BZSt.3 Die Regelungen der VWG BsGa sind hinsichtlich ihrer Rechtsgrundlage äußerst fraglich. Einerseits ist – aus praktischer Sicht – positiv zu sehen, dass die Finanzverwaltung das Abkommensverständnis des anderen Staats in die Anwendung des § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV „hineininterpretiert“. Andererseits führt dies zu einer in der Praxis kaum noch nachvollziehbaren Komplexität sowie zum Risiko einer internationalen Doppelbesteuerung, und zwar dann, wenn das Unternehmen aufgrund einer Vielzahl von Betriebsstättenfällen nicht auf einzelne Abkommensinterpretationen eingehen kann.

B. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1) Literatur: Becker, Die Besteuerung von Betriebsstätten, DB 1989, 10; Bendlinger, Die Betriebsstätte in der Praxis des Internationalen Steuerrechts, 3. Aufl., Wien 2016; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, BadenBaden 1986; Debatin, Das Betriebsstättenprinzip der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1989, 1692, 1739; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, 37; Ditz, Der „Authorised OECD-Approach“ wird Wirklichkeit, ISR 2013, 261; Ditz/Luckhaupt, Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – Neues Gewinnermittlungsrecht für Betriebsstätten, ISR 2015, 1; Froitzheim, Steuerliche Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und deren Auswirkung auf die Gewinnabgrenzung, Köln 2015; Gassner/Lang/Lechner, Die Betriebsstätte im Recht der DBA, Wien 1998; Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Neuwied/Kriftel 2000; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im Internationalen Steuerrecht, München 1982; Kempka, Gewinnrealisierung bei der Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, Frankfurt/M. 1995; Kleineidam, Gewinnermittlung bei Auslandsbetriebsstätten, IStR 1993, 349, 395; Kluge, Zur unmittelbaren Anwendung von DBA-Vorschriften bei der Gewinnermittlung, StuW 1975, 294; Korff, Abkommensrechtliche Besteuerungskonflikte beim Einsatz von Betriebsstätten in der internationalen Steuerplanung, Bremen 2011; Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 3. Aufl., München 2017; Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Herne 2016; Margerie, Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Lohmar/Köln 2016; Mitschke, Nochmals: Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zum BFH-Urteil – I R 77/06, FR 2008, 1149, FR 2009, 326; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA; Nowotny, Betriebsstättengewinnabgrenzung, Wien 2004; Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2010; Richter/ Heydt, Die Konkretisierung der Entstrickungsregelungen und Kodifizierung der finalen Betriebsaufgabe durch das Jahressteuergesetz 2010, Ubg 2011, 172; Wassermeyer, Über Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 OECD-MA, IStR 2010, 37; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, 2. Aufl., Köln 2018; Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 2015; Ziehr, Einkünftezurechnung im internationalen Einheitsunternehmen, Lohmar/Köln 2008.

I. Quellenbesteuerungsrecht des Betriebsstättenstaats (Abs. 1 Satz 1) 1. Regelungszweck 50

Zuordnung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 bildet die grundlegende Vorschrift im Hinblick auf die Zuordnung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen. Danach sind Gewinne eines Unternehmens, das eine in einem Vertragsstaat ansässige Person betreibt, grundsätzlich nur in deren Ansässigkeitsstaat zu besteuern (vgl. Rz. 65). Dies gilt selbst für den Fall, dass die Gewinne durch eine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat erwirtschaftet wurden. Einzelheiten der Besteuerung von Unternehmensgewinnen im Ansässigkeitsstaat regelt dessen innerstaatliches Recht (vgl. Rz. 35 und 37). Übt das in einem Vertragsstaat ansässige Unternehmen seine Tätigkeit allerdings im anderen Vertragsstaat

1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 2 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 430. 3 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 431.

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B. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1)

Rz. 53 Art. 7 (2008)

durch eine Betriebsstätte aus, sieht Art. 7 Abs. 1 Satz 1 ein Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne durch den anderen Vertragsstaat (Betriebsstättenstaat) vor (vgl. Rz. 66 f.). 2. Unternehmen Fehlende abkommensrechtliche Definition. Weder Art. 7 noch Art. 3 enthalten eine Definition des Begriffs „Unternehmen“.1 Vielmehr bestimmt Art. 3 Abs. 1 Buchst. c, welcher im Rahmen des „Update 2000“ (vgl. Rz. 27) aufgenommen wurde, lediglich, dass sich der Ausdruck „Unternehmen“ auf die „Ausübung einer Geschäftstätigkeit bezieht“. Der Begriff der „Geschäftstätigkeit“ bleibt indessen undefiniert; Art. 3 Abs. 1 Buchst. h stellt nur klar, dass der Begriff auch die Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit erfasst. Damit wird deutlich, dass die „Selbständigkeit“ ein wesentliches Merkmal der Geschäftstätigkeit und damit ein wesentliches Merkmal des Unternehmens darstellt (vgl. Rz. 53). Eindeutige Hinweise, was neben einer freiberuflichen und selbständigen Tätigkeit den Kernbereich der „Geschäftstätigkeit“ bildet, enthält das OECD-MA nicht.

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Abkommensautonome Auslegung. Aufgrund der fehlenden eindeutigen Definition des „Unternehmens“ im OECD-MA wird – auf Grundlage des Art. 3 Abs. 2 – sowohl im Schrifttum2 als auch von Finanzverwaltung3 die Auffassung vertreten, dass der Begriff des Unternehmens nach innerstaatlichem Recht auszulegen sei. Dies hat konsequenterweise zur Folge, dass auch Gewinne gewerblich geprägter Personengesellschaften von Art. 7 erfasst werden würden. Dieser Auffassung folgt der BFH mit einer überzeugenden Argumentation indessen nicht (vgl. Rz. 55).4 Denn abkommensrechtlich ausschlaggebend ist allein die tatsächlich verwirklichte Einkunftsart. So bestimmt Art. 3 Abs. 2 ausdrücklich, dass jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck nach innerstaatlichem Recht auszulegen ist. Eine Begriffsauslegung rein auf Basis innerstaatlichen Rechts hat demnach nur zu erfolgen, wenn das OECD-MA den entsprechenden Begriff selbst nicht definiert. Dies ist indessen beim Begriff des „Unternehmens“ nicht der Fall (vgl. Rz. 51).5 Zwar ist die Definition des Art. 3 Abs. 1 wenig konkret; gleichwohl existiert sie. Im Übrigen spricht für eine abkommensautonome Begriffsauslegung, dass sich die Aufteilung der Besteuerungsrechte in erster Linie an der Art der Einkunftserzielung ausrichtet und der systematischen Einordnung der Einkünfte im innerstaatlichen Recht insoweit nur eine Hilfsfunktion zukommen kann.6 Ferner würde eine rein an innerstaatlichem Recht orientierte Auslegung das Risiko fördern, dass das DBA durch die Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt wird und damit das angestrebte Ziel einer Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht realisiert werden kann. Im Ergebnis ist folglich der Betriff „Unternehmen“ aus dem Abkommen selbst auszulegen.7 Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des BFH.8

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Weite Auslegung. Der Begriff des Unternehmens ist weit auszulegen. Dies folgt aus der sehr allgemeinen Formulierung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c „Ausübung einer Geschäftstätigkeit“, wobei die englische Formulierung „any business“ noch deutlicher ist. Ferner weist auch der OECD-MK auf das weite Begriffsverständnis i.S. einer offenen Formulierung hin (vgl. Art. 3 Rz. 4 OECD-MK 2008). Schließlich hat auch die Integration des Art. 14 in Art. 7 im Rahmen des „Update 2000“ (vgl. Rz. 27) und die damit verbundene Konkretisierung der Geschäftstätigkeit als freiberufliche oder sonstige selbständige Tätigkeit in Art. 3 Abs. 1 Buchst. h zu einer Ausweitung des Unternehmensbegriffs geführt. Auf Basis einer abkommensautonomen Auslegung des Unternehmensbegriffs ist dieser durch folgende Merkmale geprägt: – Selbständigkeit: Aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. h wird deutlich, dass die Selbständigkeit ein wesentliches Merkmal des Unternehmens darstellt (vgl. Rz. 51). Die selbständige Tätigkeit ist im Übrigen auch ein zentrales Merkmal des betriebswirtschaftlichen Unternehmensbegriffs.9 Sie ist durch die Übernahme ei-

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1 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1. 2 Vgl. Wassermeyer, StuW 1990, 404 (406); Krabbe, IStR 2002, 147 (148); Schmidt/Dendorfer, IStR 2000, 46 (49); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA, Rz. 16; Wolff in Wassermeyer, Art. 7 DBA-USA Rz. 48; Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 25. 3 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1, letzter Abs. 4 Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165 m.w.N. 5 Vgl. auch Wassermeyer, IStR 2010, 37 (38). 6 Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550. 7 Gl.A. Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 29 ff.; Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 43 ff.; Vogel in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 41. 8 Vgl. BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BStBl. II 2012, 457; v. 12.10.2011 – I R 15/11, BFH/NV 2012, 640; v. 13.6.2012 – I R 41/11, BStBl. II 2012, 880. 9 Vgl. Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, München 2008, 30; Wittmann/Kern/Köhler/Küpper/v. Wysocki, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Stuttgart 1993, Stichwort „Unternehmens- und Betriebsgröße“.

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Art. 7 (2008) Rz. 53









Unternehmensgewinne

nes Unternehmensrisikos (Handeln auf eigene Rechnung) und einer Unternehmerinitiative (Handeln auf eigene Verantwortung) gekennzeichnet.1 Dadurch erfolgt auch eine Abgrenzung zur unselbständigen Tätigkeit gem. Art. 15 und 18. Auf Gewinn gerichtete Tätigkeit: Die Gewinnerzielungsabsicht kann bereits aus dem Wortsinn der „Geschäftstätigkeit“ abgeleitet werden. Im Übrigen ist es die ureigenste Zielsetzung eines Unternehmens, Gewinne zu erwirtschaften.2 Nachhaltigkeit: Dass ein Unternehmen nur dann vorliegt, wenn die entsprechende Tätigkeit mit einer gewissen Nachhaltigkeit ausgeübt wird, kann aus dem Wort „betrieben“ des Art. 3 Abs. 1 Buchst. d abgeleitet werden. Denn „betreiben“ enthält ein Element der Dauerhaftigkeit.3 Einmalige auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Handlungen werden folglich nicht von Art. 7 erfasst. Keine Vermögensverwaltung: Art. 3 Abs. 1 Buchst. c fordert die „Ausübung“ einer Geschäftstätigkeit. Damit muss ein aktives, d.h. positives Handeln vorliegen, um eine Unternehmenstätigkeit auszuüben. Infolgedessen kann bspw. die Überlassung von Kapital oder die Vermietung, Verpachtung oder Lizenzierung von Wirtschaftsgütern kein Unternehmen i.S.d. Art. 7 begründen. Insofern schließen sich die Anwendung des Art. 6, welcher sich auf Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen und damit insbesondere auf die Vermögensverwaltung von Immobilien bezieht, und Art. 7 gegenseitig aus (vgl. Rz. 22). Ferner wird die Vermietung und Verpachtung von beweglichem Vermögen nicht von Art. 7, sondern von Art. 21 erfasst (vgl. auch Art. 1 Rz. 50).4 Keine Land- und Forstwirtschaft: Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft werden im Grundsatz von Art. 6 Abs. 1 erfasst und können damit nicht Gegenstand eines Unternehmens sein.5 Besonderheiten gelten für den Bereich der Tierzucht, welche nur bei eigenem, engem Bodenbezug Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft darstellen kann. Damit sollten z.B. die Imkerei, die Fisch- oder Vogelzucht sowie die Massenzucht von Schweinen, Rindern etc. als Unternehmenstätigkeit zu qualifizieren sein.6 Greifen die Tiere hingegen auf natürliche Ressourcen des Bodens zurück (z.B. im Rahmen der Bodentierhaltung), kann es zu einer Anwendung des Art. 6 kommen. Letztlich sind die Gegebenheiten des Einzelfalls ausschlaggebend.

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Parallele zu § 15 Abs. 2 EStG. Die in der vorstehenden Rz. abgeleiteten Voraussetzungen eines Unternehmens zeigen, dass der Begriff abkommensautonom ausgelegt werden kann.7 Es ist allerdings offensichtlich, dass eine deutliche Parallele zur Definition des Gewerbebetriebs nach § 15 Abs. 2 EStG besteht. Danach setzt ein Gewerbebetrieb eine Gewinnermittlungsabsicht, eine Selbständigkeit, eine nachhaltige Tätigkeit sowie eine Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr voraus. Aufgrund der offensichtlichen Parallelen können daher diese Tatbestandsmerkmale des Gewerbebetriebes sowie ihre inhaltliche Konkretisierung durch die Rspr. hilfsweise für die abkommensrechtliche Definition des Unternehmens herangezogen werden (in diesem Sinne wohl auch Art. 3 Rz. 4 OECD-MK 2008). Sind die Tatbestandsvoraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit gem. § 15 Abs. 2 erfüllt, spricht daher vieles dafür, dass auch abkommensrechtlich von einem Unternehmen auszugehen ist.8 Im Gegensatz zu den gewerblichen Einkünften gem. § 15 Abs. 2 EStG werden durch Art. 7 allerdings auch Einkünfte aus freiberuflicher und selbständiger Tätigkeit erfasst (seit dem OECD-MA 2000, Rz. 27).

55

Gewerblich geprägte Personengesellschaft. Nach ständiger Rspr. des BFH und der ihr folgenden Auffassung der Finanzverwaltung vermittelt eine Personengesellschaft ihren Gesellschaftern (Mitunternehmern) jeweils eine Betriebsstätte (vgl. Rz. 69).9 Damit ist im Zusammenhang mit Personengesellschaften Art. 7 einschlägig, soweit durch diese eine Unternehmenstätigkeit ausgeübt wird. Auch in diesem Zusammenhang 1 Definition in Anlehnung an § 15 Abs. 2 EStG, vgl. etwa BFH v. 27.9.1988 – VIII R 193/83, BStBl. II 1989, 414; v. 31.7.1990 – I R 173/88, BStBl. II 1991, 66 m.w.N. 2 Vgl. Wöhe/v. Döring, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, München 2010, 10. 3 Vgl. Nowotny, Betriebsstättengewinnermittlung, 44; a.A. Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 64. 4 Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung qualifiziert die Vermögensverwaltung nicht als Unternehmensgewinn, vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1 u. 2.3.1. 5 Vgl. BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BStBl. II 2012, 457 und dazu kritisch Engel/Hilbert, IWB 2012, 316 ff.; BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.2. 6 Vgl. Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 64 m.w.N. 7 A.A. Wassermeyer, IStR 2010, 37 (38): „Die Auslegung des DBA aus sich selbst heraus versagt gewissermaßen.“ 8 So wohl auch BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165; v. 20.12.2017 – I R 98/15, BFHE 260, 169. 9 Vgl. BFH v. 12.10.2016, – I R 92/12, FR 2018, 319; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165 m.w.N. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.2 u. 2.2.3.

442

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B. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1)

Rz. 59 Art. 7 (2008)

ist der Begriff des Unternehmens rein abkommensrechtlich auszulegen, sodass die in Rz. 53 dargestellten Kriterien eines Unternehmens auch bei Personengesellschaften gelten. Daraus folgt, dass eine gewerblich geprägte Personengesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG kein Unternehmen darstellt, wenn sie lediglich eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausübt (vgl. auch Art. 1 Rz. 50).1 Denn insoweit greift Art. 6 Abs. 4, nach welchem Art. 6 gegenüber Art. 7 vorrangig anzuwenden ist (zur Behandlung von Sondervergütungen vgl. Rz. 79 f.). Dies entspricht mittlerweile auch der Auffassung der Finanzverwaltung.2 Gewerbliche Infektion. Ist eine Personengesellschaft teils freiberuflich, land- und forstwirtschaftlich oder vermögensverwaltend und teils gewerblich tätig, gilt die Tätigkeit der Personengesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG „in vollem Umfang“ als Gewerbebetrieb. Das Abkommensrecht kennt eine solche „Abfärbe- oder Infektionstheorie“ nicht (vgl. auch Art. 1 Rz. 50). Werden daher von einer Personengesellschaft erkennbar getrennt eine Unternehmenstätigkeit und eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausgeübt, sind diese getrennt voneinander zu beurteilen, sodass Art. 7 und Art. 6 nebeneinander Anwendung finden können.3 Nur für den Fall, dass zwischen den Tätigkeiten ein sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht und folglich diese nicht gesondert beurteilt werden können, kann die Gesamtbetätigung einheitlich unter Art. 7 subsumiert werden.4 Dies setzt freilich voraus, dass die Personengesellschaft die Voraussetzungen eines Unternehmens (vgl. Rz. 53) erfüllt. Einkünfte aus Vermögensverwaltung, die als Nebenerträge des unternehmerischen Bereichs anfallen, fallen unter Art. 7.

56

Betriebsaufspaltung. Die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung durch das Besitzunternehmen erzielten Einkünfte werden nicht von Art. 7 erfasst, wenn sie nicht über eine reine vermögensverwaltende Tätigkeit hinausgehen. Insoweit schlägt die nach ständiger Rspr. als Gewerbebetrieb zu qualifizierende Vermietungsoder Verpachtungstätigkeit des Besitzunternehmens nicht auf die Anwendung des Art. 7 durch.5 Ferner stellt sich die Frage, ob das Besitzunternehmen eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begründet, wovon i.d.R. aufgrund der rein vermögensverwaltenden Tätigkeit nicht auszugehen ist. Daher ist bei dem Besitzunternehmen in Bezug auf die Verpachtung von unbeweglichem Vermögen Art. 6 und in Bezug auf die Verpachtung beweglichen Vermögens Art. 21 einschlägig.6

57

Verpachtung eines Geschäftsbetriebs. Die Einkünfte aus der Verpachtung eines Betriebes können auch dann nicht unter Art. 7 subsumiert werden, wenn eine Betriebsaufgabe nicht erklärt wurde. Zwar führt eine solche gewerbliche Betriebsverpachtung ohne Betriebsaufgabeerklärung nach innerstaatlichem Recht zu Einkünften aus Gewerbebetrieb;7 aufgrund der abkommensautonomen Auslegung des Unternehmensbegriffs (vgl. Rz. 52 f.) liegen indessen keine Unternehmensgewinne vor, da es sich um eine vermögensverwaltende Tätigkeit handelt. Im Übrigen wird der verpachtete Betrieb i.d.R. keine Betriebsstätte nach Art. 5 begründen.8 Die entsprechenden Einkünfte werden daher von Art. 6 oder 21 erfasst.

58

Handel mit Wertpapieren oder Grundstücken. Soweit ein Steuerpflichtiger im Rahmen des An- und Verkaufs von Wirtschaftsgütern (insbesondere von Wertpapieren, Beteiligungen oder Immobilien) „wie ein Händler“ agiert, kann die entsprechende Tätigkeit unter Art. 7 fallen. Indizien dafür, dass eine solche Tätigkeit als Unternehmenstätigkeit zu qualifizieren ist, sind der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsetzung beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von entsprechenden Wirtschaftsgütern gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit und andere für eine rein private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen. Die insoweit im Hinblick auf die Definition gewerblicher Einkünfte gem. § 15 Abs. 2 ergangene Rspr. ist auch im Hinblick auf die Definition von Unternehmensgewinnen i.S.d. Art. 7 anwendbar (vgl. Rz. 54).9 Dies gilt auch, wenn die entsprechenden Tätigkeiten durch eine Personengesellschaft ausgeübt werden.

59

1 Ständige Rspr. des BFH, vgl. nur BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/ NV 2011, 1602 m.w.N. 2 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1 u. 2.3.3; noch a.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2- S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1. 3 So auch die Auffassung der Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/ 0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1. 4 So auch Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 86. 5 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1, zweiter Abs. nach Rz. 2.3.1; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 255.; Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.68; Prinz, FR 2012, 381 (383); a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 34. 6 Vgl. auch BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 Rz. 24. 7 Zum Wahlrecht der Erklärung einer Betriebsaufgabe im Rahmen der Betriebsverpachtung vgl. etwa Seer in Kirchhof18, § 16 EStG Rz. 241. 8 Vgl. auch BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602, Rz. 22. 9 So auch BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165.

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Art. 7 (2008) Rz. 60 60

Unternehmensgewinne

Rechtsformen und atypisch still Beteiligte. Art. 7 gilt rechtsformunabhängig (vgl. Rz. 64). Der Begriff des Unternehmens erfasst damit Einzelunternehmen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG), Kapitalgesellschaften (§ 8 Abs. 2 KStG) sowie Beteiligungen an Personengesellschaften (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Ferner zählen atypisch stille Gesellschaften, bei der die Rechtsstellung des stillen Gesellschafters derjenigen eines Kommanditisten entspricht1 zu den Unternehmen. Infolgedessen erzielen atypisch stille Beteiligte keine Dividenden i.S.d. Art. 10 oder Zinsen i.S.d. Art. 11, sondern Unternehmensgewinne (vgl. Art. 1 Rz. 92).2 Im Übrigen stellen auch Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigungen (EWIV), die nach deutschem Recht als offene Handelsgesellschaften (§ 1 EWIV-AG) behandelt werden, Unternehmen dar, soweit sie gewerbliche Einkünfte erzielen (vgl. Art. 1 Rz. 87).3 Zur Behandlung weiterer Rechtsformen vgl. Art. 1 Rz. 87 ff. 3. Gewinne eines Unternehmens

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Konkretisierung durch innerstaatliches Recht. Der Begriff „Gewinne“ ist weder in Art. 7 noch in anderen Vorschriften des OECD-MA definiert. Aus dem Zusammenhang der Abs. 2 und 3 des Art. 7 ergibt sich lediglich, dass der Begriff des Gewinns eine Saldogröße von Erträgen und Aufwendungen meint, ohne Einzelheiten zu konkretisieren. Diese ergeben sich vielmehr aus den innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (vgl. Rz. 37). Der Begriff des Gewinns erfasst dabei auch einen Verlust (verstanden als negativer Gewinn).4 Da jeder Vertragsstaat zur Ermittlung des Gewinns auf sein innerstaatliches Recht zurückgreift, kann es durchaus vorkommen, dass in einem Vertragsstaat der Betriebsstätte für Zwecke der Quantifizierung der steuerlichen Bemessungsgrundlage im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (vgl. Rz. 36) ein Gewinn zugewiesen wird und der andere Vertragsstaat im Hinblick auf eine Vermeidung der Doppelbesteuerung nach der Freistellungsmethode (vgl. Rz. 32) einen Verlust bestimmt. Das Abkommensrecht kann diese Problematik nicht lösen; sie ist vielmehr Konsequenz der Anwendung zweier aufeinander nicht abgestimmter Steuerrechtsordnungen, welche regelmäßig im Hinblick auf ihre Gewinnermittlungsvorschriften nicht deckungsgleich sind. Ferner enthält das OECD-MA an keiner Stelle eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, den im anderen Vertragsstaat ermittelten Gewinn seiner Besteuerung zugrunde zu legen. Denn Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 beziehen sich nur auf die Frage der Gewinnabgrenzung eines nach innerstaatlichem Recht ermittelten Gewinns (vgl. Rz. 38 f.).

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Folgen der Subsidiaritätsregel des Art. 7 Abs. 7. Der Anwendung innerstaatlichen Rechts werden durch Art. 7 Abs. 7 sowie durch die isolierende Betrachtungsweise5 Schranken gesetzt, was insbesondere bei der Gewinnermittlung von Personengesellschaften offensichtlich wird. So qualifizieren Sondervergütungen zwar nach deutschem innerstaatlichen Recht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG); abkommensrechtlich sind sie hingegen aufgrund des Art. 7 Abs. 7 regelmäßig als Zinsen (Art. 11) oder als Lizenzgebühren (Art. 12) zu behandeln.6 Der für Zinsen und Lizenzvergütungen in Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 3 niedergelegte Betriebsstättenvorbehalt greift in diesem Zusammenhang deshalb nicht, weil die diesen Sondervergütungen zugrunde liegenden Rechte oder Vermögenswerte nicht tatsächlich der von der Personengesellschaft begründeten Betriebsstätte zuzuordnen sind.7 Allerdings sind die in § 50d Abs. 9 und 10 EStG definierten treaty overrides zu beachten.8 Einzelheiten werden in Rz. 79 f. dargestellt. 4. Unternehmen eines Vertragsstaats

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Definition gem. Art. 3. Welchem Vertragsstaat das Unternehmen zuzurechnen ist, bestimmt Art. 3 Abs. 1 Buchst. d. Danach ist ein Unternehmen eines Vertragsstaats ein „Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird.“ Damit wird auf die Ansässigkeit der Person, die das Unternehmen betreibt, abgestellt und nicht etwa auf den Ort, an dem das Unternehmen betrieben wird. Ein Unternehmen wird von demjenigen „betrieben“, der tatsächlich über die Geschäftstätigkeit bestimmt, d.h. das Unternehmen führt oder seine Geschäftsleitung bestimmt. Dazu ist es nicht notwendig, dass der Steuerpflichtige das Tagesgeschäft des Unternehmens führt und in diesem Zusammenhang die aus dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr resultierenden Entscheidungen trifft. Vielmehr reicht die „tatsächliche Bestimmungs1 Vgl. BFH v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; Strobl/Schäfer, IStR 1993, 206 (210). 2 Vgl. BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1; Krabbe, IStR 1999, 591 ff.; Schmidt, IStR 1996, 213 ff. 3 Vgl. Bärwaldt in Beck’sches Handbuch der Personengesellschaften4, § 21 Rz. 100 ff. 4 Vgl. etwa BFH v. 11.3.2008 – I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161 m.w.N.; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 12.1.2011 – I R 35/10, BStBl. II 2011, 494; v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703. 5 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.214. 6 Vgl. BFH v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl. II 2009, 766; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. 7 Vgl. etwa BFH v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl. II 2009, 766; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 m.w.N. 8 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 5.

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B. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1)

Rz. 65 Art. 7 (2008)

macht“, welche regelmäßig bei der Person liegt, die das wirtschaftliche Risiko des Unternehmens trägt.1 Im Ergebnis wird folglich das Unternehmen von derjenigen, in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben, die das aus der unternehmerischen Tätigkeit resultierende wirtschaftliche Risiko trägt. Abkommensberechtigte Personen. Ein Unternehmen kann nur von einer Person betrieben werden, welche in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig ist. Damit kommt es darauf an, welche Person der „Unternehmer“ ist, welchem die entsprechenden Gewinne zuzurechnen sind. Vor diesem Hintergrund ergeben sich für die möglichen Rechtsformen (vgl. Rz. 60) eines Unternehmens folgende Konsequenzen: Betreibt eine natürliche Person ein Unternehmen, ist es ein Unternehmen des Vertragsstaats, in welchem die natürliche Person gem. Art. 4 Abs. 1 und 2 ansässig ist. Auf den Ort, an welchem das Unternehmen betrieben wird, oder den Ort der Geschäftsleitung des Unternehmens kommt es nicht an. Es handelt sich folglich auch dann um ein Unternehmen des Vertragsstaats, wenn die natürliche Person in diesem ansässig ist, jedoch die gesamte unternehmerische Tätigkeit im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird.2 Entscheidend ist vielmehr, wer die tatsächliche Bestimmungsmacht ausübt, die Geschäftsleitung bestellt und insbesondere das unternehmerische Risiko trägt (vgl. Rz. 63). In Bezug auf – nach deutschem Verständnis transparent zu behandelnde – Personengesellschaften folgt daraus, dass deren Unternehmen dort betrieben wird, wo der Gesellschafter der Personengesellschaft ansässig ist.3 Abkommensrechtlich wird daher das Unternehmen der Personengesellschaft als Unternehmen desjenigen Vertragsstaats qualifiziert, in dem der Gesellschafter der Personengesellschaft ansässig ist.4 Bei Personengesellschaften ist damit lediglich der Gesellschafter abkommensberechtigt i.S.d. Art. 1. Zwar handelt es sich bei Personengesellschaften um eine Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a; ihre Abkommensberechtigung scheitert am Merkmal der „Ansässigkeit“. Denn nach Art. 4 Abs. 1 sind nur solche Personen in einem Vertragsstaat ansässig, die hier selbst Einkommen- oder Körperschaftsteuersubjekt sind. Mithin ist dies bei transparent besteuerten Personengesellschaften nicht der Fall, denn Steuersubjekt ist hier nicht die Personengesellschaft selbst, sondern ihre Gesellschafter als Mitunternehmer (vgl. Rz. 68). Wird demgegenüber ein Unternehmen von einer Gesellschaft i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, d.h. einer juristischen Person oder einem Rechtsträger, der im Hinblick auf seine Besteuerung wie eine juristische Person behandelt wird, betrieben, wird auf die Ansässigkeit der Gesellschaft abgestellt (Art. 4 Abs. 1). Vor diesem Hintergrund gilt bei Kapitalgesellschaften als „Unternehmen eines Vertragsstaats“ die Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat.

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5. Ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats Grundregel. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 enthält die Grundregel, dass Gewinne eines Unternehmens ausschließlich („können nur“) im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens (vgl. Rz. 50) besteuert werden dürfen. Dieser Grundsatz gilt rechtsformunabhängig für Einzelunternehmen, Kapital- und Personengesellschaften (vgl. Rz. 60) und greift immer dann, wenn im anderen Vertragsstaat keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begründet wird. Ob sich im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens eine Betriebsstätte befindet, ist für dessen ausschließliches Besteuerungsrecht nicht maßgeblich.5 Mithin gibt es damit auch keine „betriebsstättenlose“ Unternehmensgewinne (kein sog. „Floating Income“).6 Fehlt es damit an einer Betriebsstätte im In- und Ausland, ist der gesamte Unternehmensgewinn stets dem Ansässigkeitsstaat zuzuordnen. Dies gilt auch im Anwendungsbereich des § 50d Abs. 10 EStG (vgl. Rz. 83). Im Übrigen wird das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats auch nicht eingeschränkt, wenn sich Betriebsstätten im anderen Vertragsstaat befinden und folglich diesem ein Besteuerungsrecht auf die Betriebsstättengewinne zusteht. In diesem Fall ergibt sich ein endgültiger Verlust des Besteuerungsrechts des Ansässigkeitsstaats nur dann, wenn die der Betriebsstätte in anderem Vertragsstaat zugeordneten Einkünfte nach Art. 23A von der Besteuerung freigestellt werden. Kommt hingegen die Anrechnungsmethode – z.B. aufgrund des § 20 Abs. 2 AStG oder einem abkommensrechtlichen Aktivitätsvorbehalt – zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der im anderen Vertragsstaat besteuerten Betriebsstätteneinkünfte zur Anwendung, bleibt das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats neben demjenigen des Betriebsstättenstaats bestehen. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 hat dann allerdings der Betriebsstättenstaat ein (vorrangiges) Besteuerungsrecht, während der Ansässigkeitsstaat unter Anrechnung der im anderen Ver1 Vgl. Vogel in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 43; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Anm. 126. 2 Vgl. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937. 3 Vgl. Toifl, Personengesellschaften im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 112 ff.; siehe ferner BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770. 4 Vgl. BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563 m.w.N.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.178 ff. 5 Vgl. Kramer, IStR 2010, 239 (240). 6 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398; v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770; FG München v. 31.5.2017 – 9 K 3041/15, IStR 2017, 749 – NZB BFH I B 62/17; Wassermeyer, IStR 2010, 37 (40 f.); Meretzki, IStR 2009, 217 (220 f.); kritisch Kahlenberg, ISR 2017, 421 ff.; Hagemann, IStR 2017, 849 ff.

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Art. 7 (2008) Rz. 65

Unternehmensgewinne

tragsstaat entrichteten Steuern sein Besteuerungsrecht wahrnimmt und die Doppelbesteuerung vermeidet. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 sieht das Recht des Ansässigkeitsstaats vor, Unternehmensgewinne zu besteuern. Ob er dieses wahrnimmt, ergibt sich aus seinem innerstaatlichen Recht (Rz. 37). Er ist nicht verpflichtet, sein Besteuerungsrecht tatsächlich auszuüben. 6. Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaats 66

Ausnahmeregel. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 sieht eine Ausnahme zum ausschließlichen Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats vor, wenn das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 ausübt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, steht (auch) dem Betriebsstättenstaat ein Besteuerungsrecht zu, allerdings nur auf solche Unternehmensgewinne, die der Betriebsstätte zugerechnet werden können. Aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 könnte dabei der (unzutreffende) Rückschluss gezogen werden, dass dem Betriebsstättenstaat nur auf Gewinne, die aus Tätigkeiten in diesem Staat erwirtschaftet wurden, ein Besteuerungsrecht zusteht. Mithin würden damit Gewinne aus Tätigkeiten im Ansässigkeitsstaat oder in einem Drittstaat nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können. Eine solche Auslegung der Vorschrift würde indessen nicht im Einklang mit dem in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 niedergelegten Zurechnungsprinzip stehen (vgl. Rz. 87). Nach dem Zurechnungsprinzip kommt es nicht auf den Ort der Tätigkeit, sondern ausschließlich darauf an, ob der Unternehmensgewinn der Tätigkeit der Betriebsstätte zugerechnet werden kann. Infolgedessen steht dem Betriebsstättenstaat auch ein Besteuerungsrecht auf Gewinne aus Tätigkeiten im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens oder in Drittstaaten zu, wenn diese der Betriebsstätte tatsächlich zugerechnet werden können.1

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Beweislastverteilung. Durch die Formulierung „es sei denn“ wird in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 unmissverständlich klargestellt, dass die Besteuerung durch den Betriebsstättenstaat eine Ausnahme zum ausschließlichen Besteuerungsrecht von Unternehmensgewinnen des Ansässigkeitsstaats (vgl. Rz. 65) darstellt. Für Fälle, in denen eine eindeutige Abgrenzung des Besteuerungsrechts auf Unternehmensgewinne zwischen Ansässigkeits- und (potenziellem) Betriebsstättenstaat nicht möglich ist, beinhaltet die Vorschrift damit eine Regelung zur Beweislastverteilung.2 Nach dieser steht dem Betriebsstättenstaat ein Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne nur zu, wenn nachgewiesen werden kann, dass erstens die Tatbestandsvoraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 erfüllt werden und zweitens präzise quantifiziert werden kann, welche Einkünfte dieser Betriebsstätte zuzurechnen sind. Die Beweislast geht zulasten desjenigen, der sich auf das Vorliegen einer Betriebsstätte bzw. auf die Zurechnung von Einkünften zu dieser beruft. Je nach Ausgestaltung des Einzelfalls kann dies der Steuerpflichtige oder die Finanzverwaltung sein. Beispiel: Ein in Österreich ansässiges Beratungsunternehmen im Bereich der IT ist im Rahmen eines zehnmonatigen Projektes in München tätig. In diesem Zusammenhang wurden Räumlichkeiten des inländischen Kunden sehr intensiv genutzt, sodass die deutsche Finanzverwaltung davon ausgeht, dass die Mitarbeiter des österreichischen Unternehmens die Verfügungsmacht über Räumlichkeiten in Deutschland hatten und folglich eine „Dienstleistungsbetriebsstätte“ anzunehmen sei. Einzelheiten des Sachverhaltes – insbesondere im Hinblick auf eine konkrete Verfügungsgewalt der österreichischen Mitarbeiter über inländische Räumlichkeiten – lassen sich nicht abschließend aufklären, obwohl das Unternehmen seinen Mitwirkungspflichten vollumfänglich nachkommt. In diesem Fall trifft die Beweislast die Finanzverwaltung, die sich auf die Begründung einer Betriebsstätte und die Zurechnung von Gewinnen zu dieser beruft. Da der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten gem. § 90 Abs. 2 und 3 AO nachgekommen ist, kommt eine Schätzung gem. § 162 AO nicht in Betracht. Im Ergebnis trägt damit die inländische Finanzverwaltung die Beweislast, sodass sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 zu ihren Ungunsten auswirkt.3

7. Einzelheiten zu Personengesellschaften a) Abkommensberechtigung 68

Keine Ansässigkeit. Wenngleich Personengesellschaften als „andere Personenvereinigung“ abkommensrechtliche „Person[en]“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a sind, können sie – trotz partieller Rechtsfähigkeit – nach deutschem Verständnis nicht in einem Vertragsstaat ansässig sein (vgl. Art. 1 Rz. 45 ff. und Rz. 64). Denn sie sind aufgrund ihrer in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorgesehenen transparenten Besteuerung kein Steuersubjekt; vielmehr unterliegen ihre Gesellschafter der Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht. Im Ergebnis ist die Personengesellschaft selbst nicht abkommensberechtigt. Daran ändert die eigene Steuerpflicht der Personengesellschaft bei der Gewerbesteuer nichts. Abkommensberechtigte Personen sind vielmehr ihre Ge1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 172; Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 65; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Anm. 229; Debatin, DB 1989, 1692 (1693). 2 Vgl. Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Anm. 168; Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 67; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 172. 3 Vgl. Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Anm. 168 f.

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B. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1)

Rz. 70 Art. 7 (2008)

sellschafter (als Mitunternehmer), soweit es sich bei diesen um natürliche oder juristische Personen handelt. Mangels Abkommensberechtigung können Personengesellschaften die abkommensrechtlich gewährte Entlastung von Quellensteuern (z.B. Art. 10 Abs. 2) nicht in Anspruch nehmen.1 Allerdings geht die deutsche Abkommenspolitik zunehmend dahin, die Ansässigkeit von Personengesellschaften und folglich ihre Abkommensberechtigung explizit in den DBA zu regeln.2 Daneben konzediert die deutsche Finanzverwaltung ausländischen Personengesellschaften, die in ihrem Sitzstaat der subjektiven Steuerpflicht unterliegen, eine Entlastungsberechtigung in eigener Person, wobei sie sich ausdrücklich auf den OECD-MK (vgl. Art. 1 Rz. 5 OECD-MK) und die dort verankerten Ergebnisse des sog. Partnership-Reports (vgl. Rz. 73) stützt.3 Betriebsstätte eines jeden Gesellschafters. Ob die Einkünfte des Gesellschafters einer Personengesellschaft unter Art. 7 oder eine andere Verteilungsnorm fallen, bestimmt sich zunächst nach den Voraussetzungen des Unternehmensbegriffs. Die hierfür gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c erforderliche „Ausübung einer Geschäftstätigkeit“ (Rz. 51 ff.) ist bezogen auf die Personengesellschaft zu beurteilen. Für das duale Verteilungssystem des Art. 74 kann eine Personengesellschaft wegen ihrer transparenten Besteuerung und der deshalb mangelnden Abkommensberechtigung nicht „Unternehmen ihres Sitzstaats“ sein. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d erfordert hierfür, dass das Unternehmen „von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird“. Da sich die subjektive Unternehmenszuordnung und mit ihr verbunden die Bestimmung des Wohnsitzstaats für Zwecke des Wohnsitzprinzips des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 auf eine „ansässige Person“ beziehen, kann nur auf die Gesellschafter abgestellt werden, soweit diese die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 erfüllen. Sie müssen das Unternehmen zudem „betreiben“, ohne dass das OECD-MA für diesen Begriff eine Definition bereithält. Für die Auslegung ist deshalb auf innerstaatliches Recht zurückzugreifen (Art. 3 Abs. 2). Im deutschen Steuerecht ist dieser Begriff zwar nicht definiert. Der Mitunternehmerbegriff weist jedoch eine weitestgehende Entsprechung mit der Zwecksetzung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. d auf, derjenigen ansässigen Person das Unternehmen zuzuordnen, die das wirtschaftliche Risiko trägt5 bzw. auf deren Rechnung die unternehmerische Tätigkeit ausgeübt wird.6 Im Übrigen regelt das OECD-MA Fragen der Einkünftezurechnung nicht.7 Die abkommensrechtliche Unternehmenszuordnung folgt dieser, dem innerstaatlichen Recht vorbehaltenen Einkünftezurechnung.8 Dementsprechend ist das Unternehmen der Personengesellschaft abkommensrechtlich den jeweiligen Mitunternehmern zuzuordnen. Es existieren jeweils so viele Unternehmen, wie Gesellschafter an der Personengesellschaft beteiligt sind,9 und zwar als „Unternehmen ihres (jeweiligen) Wohnsitzstaats“.

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Zurechnung der Betriebsstätte der Personengesellschaft. Die Anwendung des Betriebsstättenprinzips des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 erfordert die Ausübung der Unternehmenstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte. Betriebsstättenbegründung und -zurechnung folgen hierbei einer zweistufigen Prüfungsreihenfolge.10 Im Hinblick auf die Betriebsstättenbegründung sind die Voraussetzungen des Art. 5 auf Ebene der Personengesellschaft zu erfüllen. Weder begründen der statutarische Sitz einer Personengesellschaft – für sich genommen – noch die Beteiligung an einer Personengesellschaft eine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5. Als Regeltatbestand ist jedoch der Ort der Leitung einer Personengesellschaft stets Betriebsstätte (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a). Soweit die Personengesellschaft weitere feste Geschäftseinrichtungen außerhalb ihres Geschäftsleitungsstaats unterhält, ist deren Betriebsstättenqualität gesondert zu beurteilen. Dagegen ist eine Unterscheidung mehrerer Betriebsstätten im Geschäftsleitungsstaat abkommens-

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1 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2. 2 Vgl. Art. 4 Abs. 4 DBA-Algerien; Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 und Art. 4 Abs. 1 DBA-Belgien; Art. 4 Abs. 4 DBA-Finnland; Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c DBA-Frankreich; Art. II Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Griechenland; Art. 4 Abs. 4 DBA-Island; Abs. 2 Protokoll zum DBA-Italien; Art. 4 Abs. 4 DBA-Portugal; Art. 4 Abs. 4 DBA-Slowenien; Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e und f DBA-Spanien. 3 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2. Für diese grundsätzlich zu begrüßende Auffassung besteht jedoch keine Rechtsgrundlage, weil nicht die Personengesellschaft, sondern ihre Gesellschafter der beschränkten Steuerpflicht unterliegen und – für Zwecke des § 50d Abs. 4 EStG – als Gläubiger der quellensteuerpflichtigen Einnahmen anzusehen sind. Vgl. kritisch Wassermeyer, IStR 2011, 87. 4 Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 regelt das Wohnsitzprinzip, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Abs. 2 das Betriebsstättenprinzip, vgl. hierzu Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, 19.229. 5 Vgl. Vogel in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 43. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 24. 7 Vgl. BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 8 Vgl. Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 185 f. 9 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.2. 10 Vgl. Piltz, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, 80 f. und 154; Riemenschneider, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Beteiligungen inländischer Gesellschafter an ausländischen Personengesellschaften, 113 ff.

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Art. 7 (2008) Rz. 70

Unternehmensgewinne

rechtlich entbehrlich. Ferner sind Betriebsstätten eines anderweitigen Gesellschafterunternehmens keine solche der Personengesellschaft, die allen Gesellschaftern zurechenbar wären. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 bezieht sich auf die spezifische Geschäftstätigkeit des Unternehmensbegriffs (Rz. 69). Die das Unternehmen begründende Tätigkeit der Personengesellschaft wird nicht per se „durch“ eine Betriebsstätte des Gesellschafters ausgeübt, sie kann es aber. Es besteht keine Attraktivkraft einer anderweitigen Betriebsstätte des Gesellschafterunternehmens, d.h., Einkünfte der Personengesellschaft können nicht nur deshalb in einem Vertragsstaat besteuert werden, weil ein Gesellschafter dort für seine anderweitige Unternehmenstätigkeit eine Betriebsstätte unterhält. Im Hinblick auf die Zurechnung dieser Betriebsstätten zum „Unternehmen eines Vertragsstaats“ folgt die Zurechnung aufgrund des Transparenzprinzips unmittelbar der Unternehmenszuordnung. Die Betriebsstätten einer Personengesellschaft sind deshalb allen Gesellschaftern als eigene Betriebsstätte zuzuordnen.1 Daneben kann auch eine Mitunternehmerbetriebsstätte vorliegen. Durch die reine Verwaltung eines Gesellschafterdarlehens an die Personengesellschaft wird jedoch keine Mitunternehmerbetriebsstätte begründet.2 71

Keine Unterbetriebsstätten. Die Betriebsstätte einer Personengesellschaft ist dem Gesellschafter stets als eigene Betriebsstätte zuzurechnen. Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte einer Personengesellschaft ist nicht „Oberbetriebsstätte“ zu anderen Betriebsstätten außerhalb des Geschäftsleitungsstaats als deren „Unterbetriebsstätten“. Das Betriebsstättenprinzip ist streng quellenprinziporientiert, sodass eine Oberbetriebsstätte keine Attraktivkraft für Einkünfte anderer Betriebsstätten haben kann. Insofern besteht abkommensrechtlich kein Raum für die Existenz einer „Unterbetriebsstätte“.3 Dem steht es nicht entgegen, dass auch für Zwecke der Gewinnabgrenzung im Einheitsunternehmen einer Personengesellschaft zwischen Stammhaus und Betriebsstätte(n) unterschieden wird und der Geschäftsleitungsstaat (= Stammhausstaat) und der Wohnsitzstaat bei Personengesellschaften wegen der Unternehmenszuordnung zum jeweiligen Wohnsitzstaat des Gesellschafters voneinander abweichen können.4 Nichts anderes gilt für doppelstöckige Personengesellschaftsstrukturen, in denen eine Personengesellschaft als Obergesellschaft an einer anderen Personengesellschaft als Untergesellschaft beteiligt ist.5 Auch in diesem Fall werden die Betriebsstätten der Untergesellschaft den Gesellschaftern der Obergesellschaft unmittelbar als eigene Betriebsstätten zugerechnet.6 b) Qualifikationskonflikte im Hinblick auf die transparente Besteuerung

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Subjektive Qualifikationskonflikte. Ist eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Person an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt, stellt sich die Frage, ob die ausländische Gesellschaft nach innerstaatlichem Recht als Kapital- oder Personengesellschaft zu qualifizieren ist (sog. Subjektqualifikation). Nach Abkommensrecht ist dagegen die Frage zu beantworten, ob die ausländische Gesellschaft abkommensberechtigt ist und deshalb die Schutzwirkungen des Abkommens in eigener Person beanspruchen kann (zu Einzelheiten vgl. Art. 1 Rz. 46 ff.). Die Personengesellschaft wird hinsichtlich ihrer Steuersubjekteigenschaft international sehr unterschiedlich behandelt. So existieren einige Staaten, welche die Personengesellschaft – entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG – als transparent behandeln. Dies hat zur Folge, dass die Personengesellschaft allenfalls als Einkünfteermittlungssubjekt fungiert, nicht hingegen als eigenständiges Steuersubjekt. In diesem Transparenzmodell ist vielmehr der Gesellschafter der Personengesellschaft als Mitunternehmer Steuerpflichtiger. International werden Personengesellschaften indessen häufig nicht nach dem Transparenzgedanken besteuert, sondern als eigenständiges Steuersubjekt behandelt. Dies hat zur Folge, dass das sog. Trennungsprinzip greift, wonach die Besteuerung des Gesellschafters einerseits und seiner Gesellschaft andererseits strikt voneinander zu trennen sind. Schließlich existieren Staaten, in welchen ein Wahlrecht zwischen einer Anwendung des Transparenz- und des Trennungsprinzips besteht (z.B. das sog. „check the box“-Verfahren in den USA).7 Im internationalen Kontext werden damit nicht selten Personengesellschaften im Inland nach dem Transparenzprinzip besteuert, während in dem anderen Vertragsstaat die Gesellschaft als eigenständiges Steuersubjekt behandelt wird. Umgekehrt sind Fälle denkbar, in denen der ausländische Staat die Gesellschaft nach dem Transparenzgedanken besteuert, während aus deutscher Sicht eine ausländische Kapitalgesellschaft vorliegt. Damit können hinsichtlich der Besteuerung von Personengesellschaften im

1 Vgl. BFH v. 12.10.2016 – I R 92/12, FR 2018, 319; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165; BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.3. 2 Vgl. BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770. 3 Vgl. Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 1.9 f.; Lang in FS Wassermeyer, 709 ff.; a.A. Wolff, SWI 2004, 15. 4 Vgl. im Einzelnen Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 77 f. 5 Vgl. dazu BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691; FG Nürnberg – VII 90/2004, EFG 2007, 847 (rkr.). 6 Vgl. BFH v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631; v. 12.10.2016 – I R 92/12, BFHE 256, 32 = FR 2018, 319. 7 Vgl. dazu Flick, IStR 1998, 110 ff.

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Ditz

B. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1)

Rz. 73 Art. 7 (2008)

grenzüberschreitenden Kontext Steuersubjektqualifikationskonflikte entstehen, welche mit einer Minderoder Doppelbesteuerung verbunden sein können.1 Lösungsansatz der OECD. Die OECD hat zu den Fragen der Steuersubjektqualifikation im Rahmen der 73 internationalen Besteuerung von Personengesellschaften sowie zu weiteren Fragestellungen der abkommensrechtlichen Behandlung und Besteuerung von Personengesellschaften in 1999 einen umfangreichen Bericht vorgelegt (sog. „OECD-Partnership-Report 1999“2), der zu wesentlichen Änderungen des OECDMK und zur Neueinführung des Art. 23 Abs. 4 mit dem „Update 2000“ führte (vgl. zu Einzelheiten auch Art. 1 Rz. 57 f.). In dem OECD-Partnership-Report 1999 verfolgt die OECD einen fallbezogenen Ansatz, bei dem sie zwischen der Abkommensanwendung als Quellenstaat und der Abkommensanwendung als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters unterscheidet. Zur quellenstaatsbezogenen Abkommensanwendung vertritt die OECD die Auffassung, dass eine Personengesellschaft (in beiden Staaten!) als abkommensberechtigte Person zu behandeln ist, wenn sie in ihrem Sitzstaat als eigenständiges Steuersubjekt fungiert. Damit ist nach Ansicht der OECD die Behandlung der Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat ausschlaggebend, wobei es auf die Einordnung der Gesellschaft und die Einkünftezurechnung im Quellenstaat nicht ankommt. Im Ergebnis ist damit für die Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen die Abkommensqualifikation der Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat maßgeblich (vgl. Art. 1 Rz. 6.4 OECD-MK; Art. 4 Rz. 8.7 OECD-MK).3 Im Schrifttum wird diese Auffassung der OECD kritisch diskutiert: Einerseits wird die Ansicht der OECD im Hinblick auf eine abkommensrechtliche Entscheidungsharmonie und einer damit verbundenen Möglichkeit der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung befürwortet.4 Andererseits wird die Auffassung der OECD mit Hinweis auf eine fehlende Rechtsgrundlage und der Unbestimmtheit einer Abgrenzung zwischen Quellen- und Ansässigkeitsstaat abgelehnt.5 Trotz der im Schrifttum zur Auffassung der OECD vorgetragenen Kritik folgt die deutsche Finanzverwaltung weitestgehend der im OECD-Partnership-Report 1999 vorgeschlagenen Qualifikationsverkettung (vgl. zu Einzelheiten Art. 1 Rz. 62).6 Für die Abkommensanwendung als Ansässigkeitsstaat empfiehlt die OECD dagegen eine auf die Quellenstaatsbindung gerichtete einschränkende Auslegung des Art. 23A/B. Hiernach soll der Ausdruck „nach diesem Abkommen besteuert werden können“ für den Ansässigkeitsstaat dann als erfüllt anzusehen sein, wenn der Quellenstaat aufgrund seiner Abkommensanwendung zu dem Ergebnis kommt, sein Besteuerungsrecht bestünde (uneingeschränkt oder eingeschränkt) fort.7 Allerdings beschränkt sich dieser Lösungsansatz auf Fälle, in denen für den Qualifikationskonflikt unterschiedliches innerstaatliches Recht ursächlich ist (vgl. Art. 23A/B Rz. 32.3 OECD-MK). Sofern der Qualifikationskonflikt auf andere Ursachen zurückgeht (nämlich eine unterschiedliche Sachverhaltsinterpretation oder eine unterschiedliche Auslegung von Abkommensvorschriften) und zu Doppelbesteuerungen führt, lässt sich eine Auflösung dieses sog. positiven Qualifikationskonflikts nur über ein Verständigungsverfahren erlangen. Führen solche Qualifikationskonflikte dagegen zu einer Minder- oder Nichtbesteuerung (sog. negativer Qualifikationskonflikt), soll Art. 23A Abs. 4 zum Tragen kommen. Gemäß der Anpassung der Art. 23A Abs. 1 und Art. 23B Abs. 1 durch das OECD-MA 2017 soll die Freistellungsverpflichtung des Ansässigkeitsstaats nur ausdrücklich zurückgenommen werden, wenn die Besteuerung im Quellenstaat deshalb erfolgt, weil die betreffenden Einkünfte oder das Vermögen in diesem Staat als solche einer dort ansässigen Person behandelt werden.8 Im Übrigen hat sich die OECD im Zuge des BEPS-Projekts in Aktionspunkt 29 mit Qualifikationskonflikten hybrider Gesellschaften befasst und auf einzelnen Fallkonstellationen angepasste Korrespondenzregeln (sog. „linking rules“) vorgeschlagen. Diese knüpfen die steuerlichen Konsequenzen in einem Staat an die steuer-

1 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 484 ff.; Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.5 ff.; Berberich in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 695; BMF v. 26.9.2014 –– IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.3.1 u. 4.1.4. 2 Vgl. OECD, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Paris 1999, und hierzu ausführlich Gündisch, Personengesellschaften im DBA-Recht – Eine Analyse des OECD-Partnership-Reports, München 2004, 71 ff. 3 Vgl. OECD-Partnership-Report 1999, Rz. 53. 4 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 494. 5 Vgl. Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.15. 6 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2 und 4.1.3.3.1; siehe dazu auch Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 5.9; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 494. 7 Vgl. OECD-Partnership-Report 1999, Rz. 103 ff. 8 Vgl. Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1175 f.); Bendlinger, SWI 2018, 450 (456); siehe hierzu auch die Beispiele in Art. 23A/B Rz. 11.2 ff. OECD-MK 2017. 9 Vgl. OECD, Base Erosion and Profit Shifting Project, Neutralising the Effects of Hybrid Mismatch Arrangements, Action 2: 2015 Final Reports.

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Art. 7 (2008) Rz. 73

Unternehmensgewinne

liche Behandlung im anderen Staat und bestimmen die Rangfolge der Anwendung von Gegenmaßnahmen.1 74

Auffassung der Rechtsprechung. Nach Auffassung des BFH2 lässt sich – entgegen der Auffassung der OECD (vgl. Rz. 73) – abkommensrechtlich (präziser: aus dem DBA-Ungarn und DBA-Jugoslawien) keine Bindung des Ansässigkeitsstaats des Gesellschafters an die Steuersubjektqualifikation der Personengesellschaft im Quellenstaat entnehmen (vgl. zu Einzelheiten auch Art. 1 Rz. 59 ff.).3 Infolgedessen bestimmt sich die Steuersubjektqualifikation einer ausländischen Personengesellschaft rein aus Sicht des deutschen Steuerrechts;4 auf die Qualifikation der ausländischen Personengesellschaft als eigenständiges Steuersubjekt (d.h. Anwendung des Trennungsprinzips) im anderen Vertragsstaat kommt es hingegen nicht an (zum Rechtstypenvergleich vgl. Rz. 76). Denn die Frage, welcher Person steuerliche Einkünfte zuzurechnen sind, ergibt sich nicht aus dem Abkommensrecht, sondern aus dem innerstaatlichen Recht. Der BFH hat sich damit expressis verbis gegen die Auffassung des OECD-Partnership-Reports 1999 und die diesem folgende Literatur gewandt.5 Eine Bindungswirkung an die Steuersubjektqualifikation des Quellenstaats lässt sich folglich weder aus dem OECD-MA noch aus dem OECD-MK entnehmen:6 – Der Methodenartikel des Art. 23A verlangt im Ansässigkeitsstaat die Freistellung für Einkünfte, die „nach diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden“ können. Eine Bindungswirkung des Ansässigkeitsstaats an die Steuersubjektqualifikation im Quellenstaat lässt sich insoweit nicht entnehmen. – Ferner kann sich abkommensrechtlich ein Grundsatz, wonach die Personengesellschaft in beiden Vertragsstaaten einheitlich zu behandeln ist, nicht ableiten. Vielmehr widerspricht ein solches Konzept gerade dem Grundsatz der sog. „virtuellen Doppelbesteuerung“, welcher zugunsten einer erleichterten Steueradministration darauf abzielt, dass der jeweilige Vertragsstaat sich mit der Steuerrechtsordnung des jeweils anderen Vertragsstaats nicht auseinandersetzen muss. – Art. 3 Abs. 2 verweist ausdrücklich hinsichtlich der Klärung von im OECD-MA selbst nicht definierten Ausdrücken auf innerstaatliches Recht des Vertragsstaats. Dabei wird nicht zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat unterschieden. Auch Art. 23A Abs. 1 kann daran nichts ändern. – Der OECD-Partnership-Report 1999 stellt lediglich eine Hilfe für die Abkommensauslegung dar und ist weder für die Finanzgerichtsbarkeit noch für den Steuerpflichtigen bindend. Ferner kann der OECDPartnership-Report 1999 bzw. die darauf aufbauende Neufassung des OECD-MK 2010 erst in DBA angewandt werden, welche nach diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden (vgl. Rz. 105). In dem dem BFH-Urt. v. 25.5.20117 zugrunde liegenden Sachverhalt war dies indessen im Hinblick auf das DBA-Ungarn v. 27.10.1979 nicht der Fall. Damit bestätigt der BFH seine bisherige Rspr., wonach Änderungen des OECD-MA und des OECD-MK für die Auslegung bereits bestehender DBA ohne Einfluss sind.8 Der BFH hat sich in seiner Entscheidung v. 25.5.20119 eindeutig gegen eine Qualifikationsverkettung10 im Hinblick auf eine Bindung des Ansässigkeitsstaats des Gesellschafters an die Steuersubjektqualifikation des Sitzstaats der Personengesellschaft entschieden. Dies mag zwar nicht zu einer einheitlichen Auslegung des DBA in beiden Vertragsstaaten und damit zu einer aus praktischer Sicht wünschenswerten Vermeidung der Doppelbesteuerung führen; eine solche ist indessen durch die Rechtsgrundlagen des OECD-MA nicht gedeckt. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des BFH überzeugend.

75

Rechtstypenvergleich. Zur Beantwortung der Frage, ob die ausländische Gesellschaft für deutsche Besteuerungszwecke als Personengesellschaft oder als Körperschaft einzustufen ist, ist ein sog. Rechtstypenver-

1 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 97 f. und 1274 ff.; Staats, IStR 2014, 749 (750 f.). 2 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 und dazu im Einzelnen Prinz, FR 2012, 381 (382 ff.); v. 15.4.2015 – I R 73/13, BFH/NV 2015, 1674. 3 Die Frage der Behandlung eines Qualifikationskonflikts aufgrund unterschiedlicher Subjektqualifikationen noch offenlassend BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521 unter III.2.d); siehe ferner FG Hamburg v. 22.8.2006 – 7 K 134/03, EFG 2007, 96 unter 2.b)aa) und dazu die Revision des BFH v. 1.10.2008 – II R 73/06, BFH/NV 2009, 113. 4 So auch die Finanzverwaltung, vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 1.2. 5 Vgl. insbesondere Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 494; Schmidt, IStR 2010, 413 (426); Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 5.41 ff. 6 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 unter II.2.bb). 7 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 8 Vgl. auch BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. 9 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 10 Vgl. Rz. 105 und 109 OECD-Partnership-Report 1999; Art. 23 Rz. 32.3 und 32.5 OECD-MK 2008; BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.3.3.1.

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B. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1)

Rz. 78 Art. 7 (2008)

gleich durchzuführen (vgl. auch Art. 1 Rz. 41).1 Danach ist darauf abzustellen, ob die ausländische Gesellschaft einer inländischen Körperschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG oder einer sonstigen juristischen Person i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG gleicht.2 Damit ist eine ausländische Gesellschaft als Körperschaft einzuordnen, wenn sich bei einer Gesamtbetrachtung der einschlägigen ausländischen Bestimmungen und der getroffenen Vereinbarungen über die Organisation und die Struktur der Gesellschaft ergibt, dass diese rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen Körperschaft oder sonstigen juristischen Person gleicht. Für den Vergleich sind alle Elemente heranzuziehen, die nach deutschem Recht die wesentlichen Strukturmerkmale einer Körperschaft ausmachen (vgl. Art. 1 Rz. 41). Im Einzelnen vollzieht sich der Rechtstypenvergleich dabei in zwei Schritten:3 – In einem ersten Schritt werden die gesellschaftsrechtlichen Eigenschaften der ausländischen Gesellschaft nach dem für sie geltenden ausländischen Recht bestimmt. Dabei ist insbesondere auf solche zivilrechtliche Merkmale abzustellen, die eine Grenzbeziehung zwischen Personengesellschaft und Körperschaft ermöglichen. – In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob es eine inländische Gesellschaftsform gibt, welche vergleichbare Eigenschaften zu der ausländischen Gesellschaft aufweist. Insofern findet ein Rechtsvergleich zwischen ausländischem und deutschem Steuerrecht statt, wobei eine individuell-konkrete Betrachtung unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände des Einzelfalls (z.B. hinsichtlich des konkreten Gesellschaftsvertrags) durchzuführen ist.4 Ist das Ergebnis des Rechtstypenvergleichs, dass die ausländische Gesellschaft einer Personengesellschaft deutschen Rechts entspricht, wird die ausländische Gesellschaft für deutsche Besteuerungszwecke als (transparent besteuerte) Personengesellschaft behandelt. Dies gilt unabhängig von der Einordnung der Gesellschaft nach dem Gesellschafts- und Steuerrecht des anderen Vertragsstaats (vgl. Rz. 74).5 Transparente Besteuerung in beiden Vertragsstaaten. Wird die Personengesellschaft übereinstimmend in beiden Vertragsstaaten nach dem Transparenzprinzip behandelt und ist deshalb aus der Sicht keines Vertragsstaats als ansässige Person i.S.d. Art. 4 Abs. 1 einzustufen (vgl. auch Art. 1 Rz. 49), richten beide Vertragsstaaten ihre Abkommensanwendung auf die Gesellschafter der Personengesellschaft aus, sofern diese selbst abkommensberechtigt sind (vgl. Rz. 64 und 68). In diesem Fall ist auf den Gewinnanteil das Betriebsstättenprinzip anzuwenden, wenn die Personengesellschaft eine Unternehmenstätigkeit ausübt (vgl. Rz. 51 ff.) und die Voraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 erfüllt sind. Der Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter hat die Unternehmensgewinne – vorbehaltlich bestehender Aktivitätsvorbehalte und des § 20 Abs. 2 AStG – unter Progressionsvorbehalt freizustellen (vgl. Rz. 30 und 65).6 Hierbei beschränkt Deutschland innerstaatlich die Anwendung des Progressionsvorbehalts auf Nicht-EU/EWR-Staaten (§ 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG).

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Intransparente Besteuerung in beiden Vertragsstaaten. Wird die Personengesellschaft in beiden Vertragsstaaten als selbständiges Steuersubjekt eingeordnet, gelten die Grundsätze der Besteuerung von Körperschaften (vgl. auch Art. 1 Rz. 48). Damit werden Gewinne im Ansässigkeitsstaat der Personengesellschaft einer Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterworfen. Der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters hat hingegen nur im Falle der Gewinnausschüttung ein Besteuerungsrecht auf die entsprechenden Dividendeneinkünfte (Art. 10). Die Gesellschafter erzielen damit im Fall der Gewinnausschüttung Dividenden i.S.d. Art. 10, wobei die Doppelbesteuerung durch Freistellung bzw. Anrechnung der Quellensteuer vermieden werden kann. Ferner sind die Regelungen des innerstaatlichen Rechts für Gewinnausschüttungen zu beachten (Teileinkünfteverfahren bzw. § 8b KStG).

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Transparente und intransparente Besteuerung in den Vertragsstaaten. Wird die Personengesellschaft im ausländischen Vertragsstaat als selbständiges Steuersubjekt eingestuft, während sie nach deutschem Verständnis als Personengesellschaft qualifiziert ist, liegt ein Qualifikationskonflikt in Bezug auf die Steuersub-

78

1 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 1.2; v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411, Tz. IV. 2 Vgl. bereits RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RFHE 27, 79; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 16.12.1992 – I R 32/92, BStBl. II 1993, 399. 3 Zu Einzelheiten vgl. Ditz/Quilitzsch in W/A/D2, Rz. 3.2; Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.5 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 484 ff.; Berberich in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 692. 4 Vgl. BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411, Rz. V; BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 5 Vgl. Ditz/Quilitzsch in W/A/D2, Rz. 3.2; BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 1.2. 6 BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.1.2.

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Art. 7 (2008) Rz. 78

Unternehmensgewinne

jekteigenschaft vor (vgl. Rz. 72 und Art. 1 Rz. 55 ff.). In diesem Fall unterliegt die Personengesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat der Körperschaftsteuer, wobei bei einer Gewinnausschüttung i.d.R. eine (ggf. reduzierte) Quellensteuer erhoben wird. Aufgrund der in Deutschland vorzunehmenden transparenten Besteuerung der ausländischen Personengesellschaft werden die Gewinne im Zeitpunkt ihrer Entstehung in Deutschland – vorbehaltlich von Aktivitätsvorbehalten – von der Besteuerung freigestellt. Die Ausschüttung von Gewinnen stellt nach deutschem innerstaatlichem Recht einen nicht steuerbaren Vorgang dar (in Form einer Entnahme), sodass in diesem Fall keine Möglichkeit besteht, die ggf. im Ausland einbehaltene Quellensteuer anzurechnen.1 Eine Qualifikationsverkettung findet nicht statt.2 Wird die Personengesellschaft hingegen nur in Deutschland als dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters als selbständiges Steuersubjekt behandelt, kommt es hier nur dann zu einer Besteuerung, wenn Gewinne der ausländischen Gesellschaft ausgeschüttet werden. Die in Deutschland ansässigen Gesellschafter erzielen im Rahmen der Ausschüttungen Einkünfte i.S.d. Art. 21 Abs. 1,3 wobei Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters das alleinige Besteuerungsrecht hat. Die Gewinnausschüttungen fallen bei dieser Konstellation nicht unter Art. 10, da die ausschüttende Gesellschaft nach deutschem Verständnis keine im Ausland ansässige Gesellschaft ist. Einzelheiten der unterschiedlichen Behandlung einer Personengesellschaft in beiden Vertragsstaaten sind in Art. 1 Rz. 55 ff. dargestellt. c) Qualifikationskonflikte im Hinblick auf Sondervergütungen 79

Fehlende abkommensrechtliche Regelung. Auch im Hinblick auf die steuerliche Einordnung von Sondervergütungen kann es – trotz übereinstimmender Anwendung einer transparenten Besteuerung in beiden Vertragsstaaten – zwischen den Vertragsstaaten zu Qualifikationskonflikten kommen (vgl. auch Art. 1 Rz. 84 ff.). Dies insbesondere dann, wenn der ausländische Staat eine § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG entsprechende Vorschrift nicht kennt und z.B. Zahlungen für Leistungen eines inländischen Gesellschafters (z.B. in Bezug auf Zinsen für ein durch den Gesellschafter gewährtes Darlehen) als Betriebsausgaben anerkennt, während Deutschland als Ansässigkeitsstaat von einer Vergütung i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeht und die entsprechende Vergütung den Einkünften der ausländischen Personengesellschaft zuordnet. Nach innerstaatlichem Recht gehören Sondervergütungen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb und sind damit Bestandteil des Gesamtgewinns aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft. Mithin ist auch im Hinblick auf die Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften der Gesamtgewinn für die Anwendung des einschlägigen DBA nicht als Einheit zu betrachten, sondern in einen Gewinnanteil und Sondervergütungen aufzuteilen.4 Art. 7 enthält indessen – bis auf wenige Ausnahmen in der deutschen Abkommenspraxis5 – keine ausdrückliche Vorschrift, wie die Sondervergütungen, die häufig den ausländischen Steuerrechtsordnungen fremd sind, abkommensrechtlich zu behandeln sind.

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Rechtsprechung des BFH. In seiner früheren Rspr. ging der BFH davon aus, dass Sondervergütungen sowie Einkünfte aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen abkommensrechtlich als Gewinne eines Unternehmens i.S.d. Art. 7 qualifizieren und folglich im Betriebsstättenstaat der Personengesellschaft besteuert werden können.6 Seit seinem grundlegenden Urt. v. 27.2.19917 sind nach Auffassung des BFH wegen des Spezialitätsgrundsatzes (Art. 7 Abs. 7) Sondervergütungen isoliert zu subsumieren. Infolgedessen kommen vorrangig die Rechtsfolgen der spezielleren Verteilungsnormen für Zinsen (Art. 11), Lizenzgebühren (Art. 12), Einkünfte aus unselbständiger Arbeit (Art. 15) oder Pensionen (Art. 18)8 vor derjenigen des Betriebsstättenprinzips (Art. 7) als allgemeinere Verteilungsnorm zur Anwendung. Die Rechtsfolgen des Betriebsstättenprinzips greifen nur unter den Voraussetzungen der Betriebsstättenvorbehalte (Art. 11 Abs. 4, 1 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 4.1.4.1; Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 5.42. 2 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760. 3 Vgl. BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.2; Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 5.49; wohl a.A. Mensching, IStR 2008, 687 (689); Flick/Heinsen, IStR 2008, 781 (785); Lüdicke, StbJb 1997/1998, 449 (465). 4 Vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631; v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl. II 2009, 766; vgl. auch Kleineidam, RIW 2003, 734 (736 ff.); kritisch Debatin, DB 1992, 1181 ff.; Hemmelrath, IStR 1995, 570 (571 f.). 5 Vgl. Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Belarus; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Ghana; Art. 7 Abs. 6 Satz 2 DBA-Kasachstan; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Schweiz; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Singapur; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Tadschikistan; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Usbekistan. Vgl. zur Sonderregelung des DBA-Schweiz auch BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; Pohl, IWB 2012, 120 ff. 6 Vgl. z.B. BFH v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605. 7 Vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444. 8 Vgl. BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 556.

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B. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1)

Rz. 80 Art. 7 (2008)

Art. 12 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 2), die auf Art. 7 zurückverweisen, wenn die den Zinsen und Lizenzgebühren zugrunde liegenden Rechte oder Vermögenswerte (z.B. Darlehensforderungen, Rechte an immateriellen Wirtschaftsgütern) „tatsächlich“ zu der Betriebsstätte gehören. Dies ist indessen in Bezug auf Sondervergütungen nur in seltenen Ausnahmefällen der Fall. Im Einzelnen: – Im Hinblick auf Zinsen negiert der BFH eine tatsächliche Zugehörigkeit zur Betriebsstätte der Personengesellschaft für Forderungen aus Gesellschafterdarlehen.1 Denn die entsprechende Darlehensforderung steht zivilrechtlich nicht der Personengesellschaft, sondern deren Gesellschafter zu, wobei die Gesellschaft selbst eine Verbindlichkeit ausweist. Die von der Finanzverwaltung angenommene Unterscheidung zwischen Inbound- und Outbound-Fällen vollzieht der BFH dabei nicht. So hat der BFH zutreffend in seinem Urt. v. 17.10.20072 judiziert, dass Zinsen auch dann nicht den Betriebsstättengewinnen einer Personengesellschaft zuzuordnen sind, wenn sich die Personengesellschaft in Deutschland befindet. – Die Grundsätze, welche der BFH im Hinblick auf Zinsen als Sondervergütungen entwickelt hat, gelten analog für Lizenzgebühren.3 In diesem Sinne hat der BFH in seinem Urt. v. 8.9.20104 in Bezug auf den Outbound-Fall einer US-amerikanischen Personengesellschaft entschieden, dass die von dieser vereinnahmten Lizenzgebühren unter Art. 12 Abs. 1 DBA-USA 1989 (= Art. 12 Abs. 1 OECD-MA) fallen und folglich nur in den USA besteuert werden dürfen. Ausschlaggebend ist dabei, dass die den Lizenzgebühren zugrunde liegenden Rechte oder Vermögenswerte nur dann in der gebotenen tatsächlich-funktionalen Weise zu der Betriebsstätte der Personengesellschaft gehören, wenn sie aus Sicht dieser einen Aktivposten bilden. Maßgeblich für die abkommensrechtliche Gewinnzurechnung ist insofern, wo und von wo aus die Lizenzrechte verwaltet5 und vermarktet werden. Auch die in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG angeordnete Umqualifikation von Sondervergütungen in abkommensrechtliche Unternehmensgewinne ändert daran nach Auffassung des BFH nichts. Wie der BFH in seinem Urt. v. 8.9.2010 deutlich gemacht hat, eröffnet § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG i.d.F. JStG 20096 für Sondervergütungen lediglich den Anwendungsbereich des Unternehmensgewinnartikels und zwar einschließlich des sog. Spezialitätsgrundsatzes (Art. 7 Abs. 7), der wiederum vorrangig die Spezialartikel zum Tragen kommen lässt. Der Gesetzgeber hat mit dem AmtshilfeRLUmsG7 auf diese Rechtsprechung des BFH reagiert und § 50d Abs. 10 EStG grundlegend überarbeitet und insbesondere um die Sätze 2 und 3 ergänzt (vgl. dazu Rz. 81). – Vermietet oder verpachtet der Gesellschafter seiner ausländischen Personengesellschaft ein Grundstück, steht nach Art. 6 dem Belegenheitsstaat ein ausschließliches Besteuerungsrecht zu.8 Dies gilt gem. Art. 6 Abs. 4 auch dann, wenn das der Personengesellschaft zur Nutzung überlassene Grundstück zum Betriebsvermögen eines Unternehmens gehört. § 50d Abs. 10 EStG kann nicht dazu führen, dass die Mietoder Pachtentgelte des Gesellschafters in Deutschland besteuert werden dürfen, wenn das Grundstück im Ausland belegen ist. Denn in diesem Fall sind die Anwendungsvoraussetzungen des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG regelmäßig nicht erfüllt, weil sich der Belegenheitsstaat wegen Art. 6 Abs. 1 und 4 in seinem Besteuerungsrecht nicht gehindert sieht. Ob dieser von Unternehmensgewinnen oder Einkünften aus unbeweglichem Vermögen ausgeht, ist insofern unbeachtlich; ein Qualifikationskonflikt kann sich wegen des vorrangigen Belegenheitsprinzips insofern nicht ergeben. – Vergütungen für Tätigkeiten, welche die Personengesellschaft an ihren Gesellschafter für Dienste zugunsten der Gesellschaft entrichtet, fallen unter Art. 7 oder 15 (bzw. Art. 14, falls das einschlägige DBA eine entsprechende Regelung enthält).9 Dabei ist von Bedeutung, dass Art. 15 keine Rückverweisungsklausel enthält. Eine Zurechnung zur Betriebsstätte der Personengesellschaft und damit eine Qualifikation als Unternehmensgewinne i.S.d. Art. 7 lässt sich hingegen durch die Vereinbarung eines Vorabgewinns erreichen.10 Im Hinblick auf eine anderweitige selbständige – gewerbliche oder freiberufliche – Tätigkeit des Gesellschafters, in deren Rahmen Leistungen an die Personengesellschaft erbracht werden, 1 Vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 10.8.2006 – II R 59/05, BFH/NV 2006, 2326; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BFH/NV 2008, 869. 2 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BFH/NV 2008, 869; v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791. 3 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788; siehe auch Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.32; Piltz in Lüdicke, Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, Köln 2003, 137 (151). 4 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. 5 In diesem Sinne auch Wassermeyer, IStR 2010, 37 (41). 6 Vgl. Jahressteuergesetz 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 7 Vgl. Gesetz zum Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 8 Vgl. auch Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.43. 9 Vgl. BFH v. 21.7.1999 – I R 71/98, BStBl. II 2000, 336; Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.35. 10 Vgl. Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 111; Wassermeyer in FS Ruppe, 681 (690).

Ditz

453

Art. 7 (2008) Rz. 80

Unternehmensgewinne

kommt es für ein Besteuerungsrecht des Sitzstaats der Personengesellschaft darauf an, ob der Gesellschafter dort für diese Tätigkeit eine Betriebsstätte begründet. In Bezug auf Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz hat der BFH entschieden, dass Sondervergütungen für Managementleistungen, welche eine deutsche KG an ihren in der Schweiz ansässigen Kommanditisten entrichtet, einer in der Schweiz befindlichen Betriebsstätte des Kommanditisten und folglich nicht der deutschen KG zuzurechnen sind.1 Damit geht der BFH davon aus, dass Sondervergütungen auch einer Betriebsstätte des Gesellschafters einer Personengesellschaft zugeordnet werden können.2 – Pensionszahlungen an einen im Ausland ansässigen (ehemaligen) geschäftsführenden Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft fallen unter Art. 18 und nicht unter Art. 7. Daran ändert auch § 50d Abs. 10 EStG nichts.3 – Werden Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens veräußert, fallen die entsprechenden Einkünfte unter Art. 13.4 81

Bedeutung des § 50d Abs. 10 EStG. § 50d Abs. 10 EStG, der über § 7 Satz 6 GewStG auch für die Gewerbesteuer gilt, enthält für Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG eine als treaty override wirkende Sonderregelung, wonach für Abkommenszwecke Unternehmensgewinne fingiert werden, soweit abkommensrechtlich eine entsprechende Qualifikation nicht explizit vorgesehen ist. Die Vorschrift verfolgt die Zielsetzung, bei grenzüberschreitenden Sondervergütungen ein deutsches Besteuerungsrecht sicherzustellen. Dies gilt insbesondere für den Inbound-Fall, nach dem der BFH mit Urt. v. 17.10.20075 seine Rspr. zu Outbound-Sondervergütungen bestätigt hatte. Beispiel: Der in Großbritannien ansässige A ist an einer deutschen, gewerblich tätigen Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG (B KG) beteiligt. A gewährt der B KG ein Darlehen, welches mit einem Zinssatz von 5 % (fremdüblich) verzinst wird. Die Beteiligung an der B KG vermittelt A eine Betriebsstätte im Inland.6 Damit erzielt A der beschränkten Steuerpflicht unterliegende Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, 15 EStG). Das Besteuerungsrecht Deutschlands beschränkt sich auf den Gewinn, welcher der Betriebsstätte zuzurechnen ist. Für diesen auf die Betriebsstätte des A entfallenden Gewinn hat Deutschland nach Art. 7 Abs. 1 und 2 ein Besteuerungsrecht. Fraglich ist indessen, ob Deutschland auch ein Besteuerungsrecht an den von der B KG an A gezahlten Darlehenszinsen zusteht. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG gehören zu den (beschränkt steuerpflichtigen) Einkünften des A aus Gewerbebetrieb u.a. auch die Vergütungen für die Überlassung von Darlehen (Sondervergütungen). Mithin zählen die von A für die Überlassung des Darlehens erhobenen Zinsen zum Gewinn der B KG. Zwischen der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung7 war streitig, ob solche Sondervergütungen als Unternehmensgewinne i.S.v. Art. 7 angesehen werden konnten. Denn nach der Rechtsprechung sollen für Zwecke des Abkommensrecht vielmehr die speziellen Verteilungsnormen – hier Art. 11 für Zinsen – zur Anwendung kommen.8 In diesem Fall wäre Deutschland nicht berechtigt, die an A gezahlten Zinsen als Betriebsstättengewinn zu besteuern (Art. 11 Abs. 1). Insbesondere greift der Betriebsstättenvorbehalt gem. Art. 11 Abs. 3 nicht. Denn Art. 11 Abs. 3 fordert für die Anwendbarkeit des Betriebsstättenvorbehalts (und damit für die Besteuerung der Zinsen als Gewinn der deutschen Betriebsstätte) eine tatsächliche Zugehörigkeit der Darlehensforderung des A zur Betriebsstätte der B KG. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn die Darlehensforderung aus Sicht der Betriebsstätte einen Aktivposten bildet,9 was vorliegend aber gerade nicht der Fall ist. Lösung unter Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG: Um ein uneingeschränktes deutsches Besteuerungsrecht sicherzustellen, reagierte der Gesetzgeber im Rahmen des JStG 200910 mit der Einführung des § 50d Abs. 10 EStG, wonach – vereinfacht formuliert – die in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG vorgenommene Einordnung von Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte auf die Anwendung der DBA durchschlagen soll und die Einkünfte auch dort ausschließlich als Teil des Unternehmensgewinns i.S.v. Art. 7 Abs. 1 zu behandeln sind. Die an A gezahlten Sondervergütungen sollten demnach Teil des von der B KG erzielten und dem A anteilig zuzurechnenden Betriebsstättengewinns in Deutschland sein. Der BFH11 ging jedoch davon aus, dass Sondervergütungen nur dann der Betriebsstätte der B KG zugeordnet werden können, wenn auch die den Vergütungen zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter dieser Gesamthandsbetriebsstätte zuzuordnen sind. Dies wiederum nahm der Gesetzgeber im Jahre 2013 durch das Amts-

1 Vgl. BFH v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191; v. 7.12.2004 – VIII R 58/02, BStBl. II 2005, 390; v. 14.2.2006 – VIII R 40/03, BStBl. II 2008, 182; v. 14.3.2012 – X R 24/10, BStBl. II 2012, 498. 2 Zu Einzelheiten vgl. Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.36. 3 Vgl. BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 556; v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791. 4 Vgl. Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.44. 5 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. 6 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.3. 7 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. 8 Vgl. BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BFH/NV 2014, 614. 9 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356; v. 11.12.2013 – I R 4/13, BFH/NV 2014, 614. 10 Vgl. Jahressteuergesetz 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 11 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138.

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Ditz

B. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1)

Rz. 82 Art. 7 (2008)

hilfeRLUmsG1 zum Anlass, § 50d Abs. 10 EStG grundlegend zu überarbeiten und hierbei insbesondere um die Sätze 2 und 3 zu ergänzen.2 Nach Satz 2 soll die bereits durch § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG bestehende Fiktion auch für die „durch das Sonderbetriebsvermögen veranlassten Erträge und Aufwendungen“ gelten. In § 50d Abs. 10 Satz 3 EStG heißt es außerdem: „Die Vergütungen des Gesellschafters ist ungeachtet der Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung über die Zuordnung von Vermögenswerten zu einer Betriebsstätte derjenigen Betriebsstätte der Gesellschaft zuzurechnen, der der Aufwand für die der Vergütung zugrunde liegende Leistung zuzuordnen ist; die in Satz 2 genannten Erträge und Aufwendungen sind der Betriebsstätte zuzurechnen, der die Vergütung zuzuordnen ist.“ Im Ergebnis sollen damit Aufwand und Ertrag in der Sonderbetriebssphäre I ihrer gesamthänderischen Veranlassung folgen.3 Für das Beispiel bedeutet dies Folgendes: Da die B KG das von A ausgereichte Darlehen in ihrer inländischen Betriebsstätte nutzt, ist dieser Betriebsstätte gem. § 50d Abs. 10 Satz 3 Halbs. 1 EStG der Aufwand (die Darlehenszinsen) und damit korrespondierend auch die Sondervergütung des A zuzurechnen. Damit rechnen die Darlehenszinsen zum Unternehmensgewinn des A, für das Deutschland ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 in Anspruch nimmt.4 Sollte gleichzeitig auch Großbritannien ein Besteuerungsrecht geltend machen (gem. Art. 11 Abs. 1), kommt ggf. eine Anrechnung der britischen Steuer gem. § 50d Abs. 10 Satz 5 EStG in Deutschland in Betracht. Alternativ bleibt die Beantragung eines Verständigungsverfahrens. Offen ist, ob die in § 50d Abs. 10 Sätze 2 und 3 EStG vorgenommenen Zuordnungsfiktion auch vor Gericht standhalten wird. Schließlich hat der BFH5 betont, dass sich die abkommensrechtliche Zuordnung von Darlehensforderungen und Darlehensverbindlichkeiten zu einer Betriebsstätte allein unter den allgemeinen und wirtschaftlichen Verursachungs- und Veranlassungsgesichtspunkten beurteilt. Die von § 50d Abs. 10 Sätze 2 und 3 EStG angeordnete Zurechnung dürfte diesem Zuordnungsmaßstab aber regelmäßig nur in der Situation entsprechen, in der der im Ausland ansässige Mitunternehmer dort selber keine eigene Mitunternehmerbetriebsstätte unterhält.6 Schließlich ist auf die verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der rückwirkenden Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG7 sowie auf aus dem treaty override resultierenden völkerund verfassungsrechtlichen Probleme8 zu verweisen.

Bedeutung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG betrifft den Outbound-Fall, bei dem eine ausländische Personengesellschaft Sondervergütungen an einen im Inland ansässigen Gesellschafter zahlt. Hier soll in Fällen sog. negativer Qualifikationskonflikte, ohne dass das DBA eine sog. Switchover-Klausel enthält, die die Freistellung im Wohnsitzstaat von der tatsächlichen Besteuerung im Betriebsstättenstaat abhängig macht, der unilaterale Wechsel zur Anrechnungsmethode abgesichert werden. Beispiel: Der in Deutschland ansässige A ist an einer als Personengesellschaft zu qualifizierenden US-amerikanischen LLP (US-LLP) beteiligt. A gewährt der US-LLP ein Darlehen, welches mit 5 % (fremdüblich) verzinst wird. Die Beteiligung an der B KG vermittelt A eine Betriebsstätte im Inland.9 Für den Gewinn der Betriebsstätte haben die USA ein der Höhe nach unbeschränktes Quellenbesteuerungsrecht (Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2). In Deutschland ist der Betriebsstättengewinn von der Besteuerung freigestellt (Art. 23 Abs. 3 Buchst. a). Gemäß § 50d Abs. 10 EStG soll auch in Outbound-Konstellationen das mitunternehmerische Besteuerungskonzept gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG auf das Abkommensrecht durchschlagen.10 Demnach rechnen zum Betriebsstättengewinn der US-LLP auch die von der US-LLP als Sondervergütung gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG an A gezahlten Darlehenszinsen. Dies wird in § 50d Abs. 10 Satz 3 Halbs. 1 EStG ausdrücklich klargestellt, wonach die Darlehenszinsen der Betriebsstätte der US-LLP zuzurechnen sind.11 Es ist jedoch davon auszugehen, dass die USA die Sondervergütungen nicht dem Betriebsstättengewinn der US-LLP zuordnen, sondern eine Zinszahlung der US-LLP an A annehmen und deshalb Art. 11 zur Anwendung bringen werden. Danach steht das ausschließliche Besteuerungsrecht aber Deutschland zu (Art. 11 Abs. 1), sodass in den USA keine Besteuerung vorgenommen wird. Man kommt also zu dem Ergebnis, dass Deutschland die Sondervergütungen als Teil des Betriebsstättengewinns der US-LLP von der deutschen Besteuerung freistellt und die USA – da aus deren Sicht Art. 11 einschlägig ist – keine Besteuerung vornehmen. Die Sondervergütungen bleiben vorliegend aber nicht gänzlich unbesteuert. Denn nach der in Art. 23 Abs. 4 Buchst. b DBA-USA enthaltenen Rückfallklausel fällt der Besteuerungsanspruch an Deutschland zurück, wenn die USA das Abkommen so anwenden, dass sie diese Einkünfte von der Besteuerung ausnehmen. Infolgedessen würde Deutschland die Sondervergütungen uneingeschränkt besteuern. Aber: Selbst ohne die Spezialregelung des DBA USA käme man zu demselben Ergebnis. Denn im Fall von sog. Qualifikationskonflikten – und um einen solchen handelt es sich nach Auffassung der Finanzverwaltung vorliegend12 – greift auch die unilaterale Rückfallklausel gem. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1

1 Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 2 Vgl. dazu Ditz/Tcherveniachki, DB 2014, 203 ff. 3 Vgl. Hruschka, IStR 2013, 830 (832). 4 Vgl. auch BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 5.1.2. 5 Vgl. BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BFH/NV 2014, 614. 6 Vgl. BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BFH/NV 2014, 614. 7 Vgl. Gosch in Kirchhof18, § 50d EStG Rz. 49 m.w.N. 8 Vgl. Gosch in Kirchhof18, § 50d EStG Rz. 44c, 44a u. 25. 9 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.3. 10 Vgl. BT-Drucks. 16/11108, 23. 11 So auch BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 5.1.2. 12 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.1.2.4 Buchst. c und Tz. 5.1.3.2.

Ditz

455

82

Art. 7 (2008) Rz. 82

Unternehmensgewinne

EStG. Um eine Doppelfreistellung der Darlehenszinsen zu vermeiden, entfällt die Freistellung der Darlehenszinsen als Teil des Betriebsstättengewinns von A.1 § 50d Abs. 10 Satz 8 EStG lässt dies ausdrücklich zu. Es ist zweifelhaft, ob der als treaty override ausgestaltete § 50d Abs. 9 EStG mit dem Verfassungsrecht im Einklang steht.2

83

§ 50d Abs. 10 EStG und „Floating Income“. In Zusammenhang mit § 50d Abs. 10 EStG stellt sich auch die Frage, ob abkommensrechtlich sog. „Floating Income“ möglich ist, d.h. Unternehmensgewinne existieren, die abkommensrechtlich keiner Betriebsstätte zuzuordnen sind.3 Solche wären insbesondere dann denkbar, wenn der ausländische Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft über keine (eigene) Betriebsstätte verfügt, welcher die Sondervergütungen zugeordnet werden können. Würde man hier das Konzept eines „Floating Income“ anerkennen, hätte dies zur Folge, dass Sonderbetriebsvergütungen der deutschen, durch die Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätte zuzuordnen wären, um betriebsstättenlose Unternehmensgewinne zu vermeiden. Nach zutreffender BFH-Rspr. sind indessen betriebsstättenlose Unternehmensgewinne nicht möglich; vielmehr müssen diese stets einer Betriebsstätte zugerechnet werden (vgl. Rz. 65).4 Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 12 Satz 2 Nr. 1 AO, nach dem die Stätte der Geschäftsleitung immer eine Betriebsstätte darstellt.5 Jedes Unternehmen hat einen Ort der Geschäftsleitung; besteht keine Betriebsstätte, liegt dieser im Ansässigkeitsstaat.6 Ferner geht die Frage insbesondere dahin, ob ein (ausländischer) Gesellschafter der Personengesellschaft eine sog. Mitunternehmer-Betriebsstätte begründet (vgl. auch Rz. 68 f.).7 Hierbei gilt im Grundsatz, dass der einzelne Mitunternehmer für die jeweils in seinem Eigentum gehaltenen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens abkommensrechtlich selbständige Betriebsstättenzurechnungssubjekte darstellt.8

84

Abkommensrechtliche Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen zu einer inländischen Personengesellschaft. Soweit ein im Ausland ansässiger Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft Finanzierungsaufwendungen trägt, die in einem Veranlassungszusammenhang mit der inländischen Personengesellschaft stehen, qualifizieren diese als Sonderbetriebsausgaben und sind auch abkommensrechtlich der inländischen Mitunternehmerschaft zuzuordnen. Beispiel: Die C-BV, Niederlande, hält 100 % der Kommanditanteile an der inländischen C-GmbH & Co. KG, die im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von pharmazeutischen Produkten tätig ist. Eine Einlage der C-BV in die C-GmbH & Co. KG wird über ein Darlehen finanziert. Zweck der Einlage war es, der C-GmbH & Co. KG zu ermöglichen, ihrerseits Kapitaleinlagen und Anteilserwerbe bei ihren Tochtergesellschaften vorzunehmen sowie diesen Darlehen zu gewähren. Die C-GmbH & Co. KG passivierte die Verbindlichkeit aus dem gewährten Darlehen in einer Sonderbilanz der C-BV. Infolgedessen machte sie den daraus folgenden Zinsaufwand als Sonderbetriebsausgaben geltend. Die C-GmbH & Co. KG erwirtschaftet Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Die Gewinnermittlung der Mitunternehmerschaft erstreckt sich auch auf die positiven und negativen Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens sowie die Sonderbetriebseinnahmen und die Sonderbetriebsausgaben. Das Darlehen qualifiziert als Sonderbetriebsvermögen II, da die C-BV das Darlehen zur Begründung und Stärkung ihrer Beteiligung an der deutschen KG einsetzt. Die Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft kann sowohl dadurch gestärkt werden, dass das Wirtschaftsgut für das Unternehmen der Personengesellschaft vorteilhaft ist, als auch dadurch, dass es der Mitunternehmerstellung des Gesellschafters selbst dient.9 Die Einkünfte der C-BV aus dem Mitunternehmeranteil an der C-GmbH & Co. KG unterliegen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht (§ 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Die Zinszahlungen der C-BV stellen Sonderbetriebsausgaben im Zusammenhang mit dem Mitunternehmeranteil dar, die grundsätzlich steuerlich abzugsfähig sind. Dies gilt auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht. Soweit die Sonderbetriebsausgaben des beschränkt Steuerpflichtigen im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den inländischen Einkünften stehen, dürfen sie gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG von der Bemessungsgrundlage der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte abgezogen werden. Vor diesem Hintergrund sind die Zinsaufwendungen der C-BV als Sonderbetriebsausgaben steuerlich abzugsfähig, weil die C-BV die ihr verschafften 1 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 5.1.2. Bsp. 4 u. Tz. 5.1.3.2. 2 Vgl. BFH-Vorlagebeschluss v. 20.8.2014 – I R 86/12, DStR 2014, 2065. Die Verfassungswidrigkeit ebenfalls bejahend FG Münster v. 2.7.2014 – 12 K 2707/10 F, EFG 2014, 2043. Der BFH ließ die Frage im Revisionsverfahren ausdrücklich offen, vgl. BFH v. 21.1.2016 – I R 49/14, BStBl. II 2017, 107. 3 Vgl. dazu Meretzki, IStR 2009, 217 (220 ff.); Kramer, IStR 2010, 239 (240); Wassermeyer, IStR 2010, 241 (241 f.); Wassermeyer, IStR 2010, 37 (40 f.). 4 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398; Schauhoff/Idler, IStR 2008, 341 (342); Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 48; dazu kritisch Kahlenberg, ISR 2017, 421 ff.; Hagemann, IStR 2017, 849 ff. 5 Vgl. auch Wassermeyer, IStR 2010, 241 (241). 6 Vgl. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; v. 20.12.2017 – I R 98/15, BFHE 260, 169 m.w.N.; Töben, IStR 2017, 942 (945). 7 Vgl. BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770; FG München v. 31.5.2017 – 9 K 3041/15, IStR 2017, 749 und dazu kritisch Kahlenberg, ISR 2017, 421 ff.; Hagemann, IStR 2017, 849 ff.; siehe auch BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791; v. 25.6.2014 – I R 24/13, BStBl. II 2015, 141. 8 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788; Wassermeyer, IStR 2010, 37 (41); Häck, IStR 2011, 71 (73). 9 Vgl. BFH v. 12.10.2016 – I R 82/16, BFH/NV 2017, 685.

456

Ditz

B. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1)

Rz. 86 Art. 7 (2008)

Mittel in die C-GmbH & Co. KG zu dem Zweck eingelegt hat, es der C-GmbH & Co. KG zu ermöglichen, diese Mittel für eigene betriebliche Zwecke zu nutzen (Finanzierung und Erwerb von Tochtergesellschaften).1 Daraus folgt auch aus Sicht des BFH,2 dass die eingegangene Verbindlichkeit durch den Betrieb der C-GmbH & Co. KG veranlasst ist. Denn die konkrete „Verwendung der Darlehensvaluta“ ist nach Veranlassungsgrundsätzen maßgebend. Die C-BV verfolgte mit der Einlage der aus der eingegangenen Verbindlichkeit erhaltenen Darlehensmittel nicht mehr ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen, sondern stärkte allein ihre Beteiligung an der C-GmbH & Co. KG. Folglich gehört die Verbindlichkeit zum Sonderbetriebsvermögen II der C-BV. Die Sonderbetriebsausgaben der C-BV gehen auch nach Ansicht des BFH3 in die Bemessungsgrundlage der im Inland beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte ein (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.V.m. §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dies ist auch abkommensrechtlich „gedeckt“; denn gem. Art. 7 Abs. 2 sollen der Betriebsstätte diejenigen Einkünfte zugewiesen werden, die sie erzielt hätte, wenn sie sich als selbständiges Unternehmen mit gleichen oder ähnlichen Geschäften unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen befasste und Geschäfte wie ein unabhängiges Unternehmen tätigte (BFH v. 12.10.2016, a.a.O.). Daran ändert auch die Einführung des AOA in Art. 7 OECD-MA 2010 nichts.4 Die Finanzverwaltung trifft hierzu keine Aussage im BMF-Schr. v. 26.9.2014.5 Gleichwohl lehnen Vertreter der Finanzverwaltung einen Abzug der Refinanzierungsaufwendungen in der vorliegenden Konstellation ab.6 Dies wird damit begründet, dass mit Einführung des AOA die abkommensrechtliche Regelung gem. Art. 7 Abs. 3 OECD-MA, wonach die Zuordnung von Sonderbetriebsausgaben zur Betriebsstätte nach Veranlassungskriterien erfolgte, gestrichen wurde. Damit komme eine Zuordnung der Sonderbetriebsausgaben nach Veranlassungskriterien nicht mehr in Betracht. Darüber hinaus sei auch eine funktionale Zuordnung gem. § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG ebenfalls nicht möglich, weil der dort geregelte AOA keine Anwendung auf den Sonderbetriebsbereich findet (§ 1 Abs. 5 Satz 7 AStG). Infolgedessen seien das Refinanzierungsdarlehen und der damit verbundene Zinsaufwand nach zivilrechtlichen Grundsätzen dem Mitunternehmer (hier: C-BV) zuzuordnen. Ab dem VZ 2017 ist in Bezug auf den Beispielsfall § 4i EStG zu beachten. Diese Vorschrift sieht vor, dass Aufwendungen eines Unternehmers nicht als Sonderbetriebsausgaben abgezogen werden dürfen, soweit sie die Bemessungsgrundlage in einem anderen Staat gemindert haben. Damit soll insbesondere verhindert werden, dass der Refinanzierungsaufwand im Zusammenhang mit einem Mitunternehmeranteil „doppelt“ steuerlich abgezogen wird.7

Keine Anwendung des AOA. § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. der BsGaV ist in Bezug auf das Verhältnis einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) zu ihren Gesellschaftern (Mitunternehmern) nicht anzuwenden (§ 1 Abs. 5 Satz 7 AStG). Dies ist insofern sachgerecht, als ein Gesellschafter schuldrechtlich Beziehungen (z.B. Darlehens-, Pacht- oder Liefervertrag) mit „seiner“ Personengesellschaft abschließen kann. Auf diese schuldrechtlichen Beziehungen ist § 1 Abs. 1 AStG anwendbar. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AStG.8 Ob die weiteren Aspekte des in § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV niedergelegten AOA bei Personengesellschaften Anwendung finden (z.B. im Hinblick auf das Dotationskapital), ist umstritten.9

85

II. Umfang des Besteuerungsrechts des Betriebsstättenstaats (Abs. 1 Satz 2) 1. Regelungszweck Kein Attraktionsprinzip. Wird dem Betriebsstättenstaat das Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 zugewiesen, stellt sich in einem nächsten Schritt die Frage, wie dieses Besteuerungsrecht der Höhe nach zu quantifizieren ist. Einen ersten Anhaltspunkt gibt dazu Art. 7 Abs. 1 Satz 2. Danach können Unternehmensgewinne nur insoweit besteuert werden, „als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können.“ Infolgedessen erstreckt sich das Besteuerungsrecht des anderen Vertragsstaats weder auf den Gesamtgewinn des Unternehmens noch auf sämtliche Einkünfte des Unternehmens aus Quellen in diesem Staat. Das sog. Attraktionsprinzip findet demnach auf Abkommensebene keine Anwendung (vgl. Art. 7 Rz. 10 OECD-MK 2008).10 Infolgedessen hat der Betriebsstättenstaat nicht auf sämtliche Einkünfte des Unternehmens aus Quellen dieses Staats ein Besteuerungsrecht; vielmehr belässt Art. 7 Abs. 1 Satz 2 dem Betriebsstättenstaat lediglich ein Besteuerungsrecht auf Gewinne, die der Betriebsstätte tatsächlich „zuzurechnen“ sind.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Nitzschke, Ubg 2015, 523. Vgl. BFH v. 12.10.2016 – I R 92/12, BFH/NV 2017, 685. Vgl. BFH v. 12.10.2016 – I R 92/12, BFH/NV 2017, 685. Vgl. Wacker, IStR 2017, 278. Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV D 3-S 7279/14/10002 – DOK 2014/0847817, BStBl. I 2014, 1258. Vgl. Hruschka, IStR 2014, 792 und DStR 2014, 2426. Vgl. dazu Ditz/Quilitzsch, DStR 2017, 281 ff.; Prinz, DB 2018, 1615 ff. Vgl. zu Einzelheiten Ditz/Quilitzsch, DStR 2013, 1917 f.; Ditz/Tcherveniachki, DB 2014, 203 ff. Vgl. van Lishaut, BB 2018, 791 (793); Wacker, IStR 2017, 278 (287). Vgl. BFH v. 1.4.1997 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550. Zum Attraktionsprinzip im ehemaligen DBA-USA 1954 vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444.

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Art. 7 (2008) Rz. 87

Unternehmensgewinne

2. Zurechnungsprinzip 87

Umfang des Besteuerungsrechts des Betriebsstättenstaats. Nach dem in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 verankerten Zurechnungsprinzip kommt es nicht auf den Ort der unternehmerischen Tätigkeit, sondern ausschließlich darauf an, ob ein Unternehmensgewinn (verstanden als Saldo von Ertrag und Aufwand, vgl. Rz. 61) der Tätigkeit der im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte zuzurechnen ist. Daher steht dem Betriebsstättenstaat ein Besteuerungsrecht auch auf Gewinne aus Tätigkeiten im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens oder in Drittstaaten zu, wenn die daraus resultierenden Erträge und Aufwendungen der Betriebsstätte tatsächlich zugerechnet werden können. Was indessen unter „zuzurechnen“ konkret zu verstehen ist, bleibt in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 offen. Im Schrifttum wird die Frage durch Begriffe wie „Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit“1, „Zurechnungsprinzip“2, „Erwirtschaftungs- bzw. Verursachungsprinzip“3 und „Erwirtschaftungsprinzip“4 umschrieben. Der BFH spricht demgegenüber von einer „tatsächlichen Zurechnung“5, einer „tatsächlichen Zugehörigkeit“6 oder stellt darauf ab, ob die Einkünfte „nach dem Maßstab des Veranlassungszusammenhangs der Betriebsstätte wirtschaftlich zugehören“.7 Letztlich handelt es sich bei den genannten Begriffen um Konkretisierungen des Art. 7 Abs. 1 Satz 2, die ein Grundkonzept vorgeben, nach dem der Teilgewinn zu quantifizieren ist, den die Betriebsstätte – unter Beachtung der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (vgl. Rz. 37) – zum Gesamtgewinn des internationalen Einheitsunternehmens beigetragen hat. Diesen Anteil möglichst präzise zu bemessen und somit den im Gesamtunternehmen tatsächlich entstandenen Gewinn auf die betrieblichen Teileinheiten zu verteilen, ist die eigentliche und zentrale Aufgabe des Art. 7. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Zurechnungsprinzip den der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinn nicht auf den Unternehmensgesamtgewinn beschränkt. Vielmehr ist es z.B. auch denkbar, dass der Betriebsstätte Gewinne zugerechnet werden, obwohl das Gesamtunternehmen einen Verlust erwirtschaftet hat (vgl. Art. 7 Rz. 11 OECD-MK 2008). Mithin wird damit die Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht durch Art. 7 Abs. 1 Satz 2 eingeschränkt. Allerdings bestimmt Art. 7 Abs. 1 Satz 2 noch keinen konkreten Zurechnungsmaßstab, nach welchem der Gesamterfolg des Unternehmens den in den beiden Vertragsstaaten belegenen Unternehmenseinheiten „zuzurechnen“ ist; deutlich wird lediglich, dass die Gewinne unter Berücksichtigung eines wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhangs der Betriebsstätte zuzuordnen sind.8

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Zusammenhang zu Art. 7 Abs. 2. Ein Abgrenzungsmaßstab, welcher die Frage der „Zurechnung“ von Unternehmensgewinnen zur Betriebsstätte konkretisiert, ist nicht in Art. 7 Abs. 1, sondern in Art. 7 Abs. 2 niedergelegt. Danach sind der Betriebsstätte die Gewinne zuzurechnen, die sie als (fiktiv) selbständiges und unabhängiges Unternehmen erzielt hätte. Dieser zentrale Abgrenzungsmaßstab des „dealing at arm’s length“ ist als Konkretisierung des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 zu verstehen. Das Zurechnungsprinzip des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 steht somit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der in Art. 7 Abs. 2 dargestellten Gewinnabgrenzung nach Maßgabe des Fremdvergleichsgrundsatzes und kann daher nicht ohne Einbeziehung des Art. 7 Abs. 2 konkretisiert werden. Dies wird auch durch den klarstellenden Verweis des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 auf Art. 7 Abs. 2 im Rahmen des „Update 2010“ offensichtlich (vgl. Rz. 8). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Zurechnungsprinzip des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 die Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung gem. Art. 7 Abs. 2 nicht einschränkt (vgl. Art. 7 Rz. 11 OECD-MK 2008). Insbesondere steht Art. 7 Abs. 1 Satz 2 einer Zurechnung von Einkünften zu den (rechtlich unselbständigen) Unternehmensteilen (Stammhaus und Betriebsstätte) mit „unterschiedlichen Vorzeichen“ nicht entgegen. Infolgedessen ist es denkbar, dass der Betriebsstätte ein Gewinn (oder Verlust) „zuzurechnen“ ist, obwohl das Gesamtunternehmen einen Verlust (oder Gewinn) erwirtschaftet.9 Neben der Zuordnung von mit fremden Dritten realisierten Erträgen und Aufwendungen kann eine solche asymmetrische Zuordnung von Unternehmensergebnissen insbesondere auch Folge der „Verrechnung“ interner Leistungsbeziehungen sein.

1 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 463 und 778 f.; Kleineidam, IStR 1993, 349; Fink, RIW 1988, 43 (45). So auch die Finanzverwaltung in BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888, Tz. 2.2 und FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878, aufgehoben durch BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 556. 2 Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 68. 3 Brüninghaus in V/B/E, Verrechnungspreise4, L Rz. 69. 4 Debatin, DB 1989, 1739 (1740). 5 BFH v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444. Siehe ferner BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 Rz. 45; v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138 Rz. 19. 6 Vgl. BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770. 7 Vgl. BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770. 8 Vgl. BFH v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770 zum DBA-Thailand. 9 So auch Förster, IStR 2007, 398 (399).

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Art. 7 (2008)

Beweislastverteilung. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 steht dem Betriebsstättenstaat nur dann ein Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne zu, wenn nachgewiesen wird, dass im anderen Vertragsstaat die Voraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 erfüllt sind. Ferner setzt ein Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaats voraus, dass die der Betriebsstätte zuzurechnenden Unternehmensgewinne hinreichend bestimmbar sind. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 enthält folglich eine Beweislastregelung, welche die in Satz 1 enthaltene Beweislastregel im Hinblick auf das Bestehen einer Betriebsstätte ergänzt (vgl. Rz. 68).1

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2) Literatur: Andresen, Missverstandener Authorised OECD Approach bei inländischer Bankbetriebsstätte mit unterjährigen Verlusten, DB 2012, 879; Andresen/Busch, Betriebsstätten-Einkünfteabgrenzung: Steuerliche Untiefen bei der Transformierung des Authorised OECD Approaches in nationales Recht, Ubg 2012, 451; Bendlinger/Remberg/Kuckhoff, Anlagenerrichtungen im internationalen Steuerrecht – ein deutsch-österreichischer Praxisbericht, SWI 2002, 265; Bendlinger, Die Betriebsstätte in der Praxis des Internationalen Steuerrechts, 3. Aufl., Wien 2016; Bendlinger, „Additional Guidance“ der OECD zur Gewinnabgrenzung neuer Betriebsstätten nach BEPS-Aktionspunkt 7, TPI 2018, 53; Busch, Fiktive Transaktionen im Authorised OECD Approach, BB 2012, 2281; Debatin, Das Betriebsstättenprinzip der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1989, 1692 und 1739; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, 37; Ditz, Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem „Authorised OECD Approach“ – Eine kritische Analyse, ISR 2012, 48; Ditz, Der „Authorised OECD-Approach“ wird Wirklichkeit, ISR 2013, 261; Ditz, Gewinnermittlung bei Bau- und Montagebetriebsstätten nach den VWG BsGa, ISR 2017, 163; Ditz/Luckhaupt, Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – Neues Gewinnermittlungsrecht für Betriebsstätten, ISR 2015, 1; Ditz/Pinkernell, Betriebsstättenbegriff, Einkünftequalifikation und Gewinnabgrenzung beim Online-Vertrieb elektronischer Produkte (Teil I), FR 2001, 1193; Ditz/Quilitzsch, Die Änderungen im AStG durch das AmtshilfeRLUmsG – Quo vadis Außensteuergesetz?, DStR 2013, 1917; Ditz/Tcherveniachki, Zuordnung von Beteiligungen an KapGes. zur Betriebsstätte einer Holding-PersGes., DB 2015, 2897; Förster, Der OECD-Bericht zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns, IWB 3/2007, Fach 10, Gruppe 2, 1929, 1939 und 1947; Förster, Veröffentlichung der OECD zur Revision des Kommentars zu Artikel 7 OECD-Musterabkommen, IStR 2007, 398; Froitzheim, Steuerliche Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und deren Auswirkung auf die Gewinnabgrenzung, Köln 2015; Gierlich, Besteuerung von Montagebetriebsstätten des deutschen Anlagenbaus im Lichte des AOA, Freiburg 2017; Häck, Abkommensrechtliche Zuordnung von Beteiligungen zu Betriebsstätten nach BFH, OECD und Finanzverwaltung, ISR 2015, 113; Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Neuwied/Kriftel 2000; Heinsen, Die neuen Verwaltungsgrundsätze zur Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa) – Zehn wichtige Neuerungen, DB 2017, 85; Greier/Persch, Auswirkungen der Änderung des Art. 7 OECD-MA auf die Gewinnabgrenzung bei Bankbetriebsstätten, BB 2012, 1318; Hemmelrath/Kepper, Die Bedeutung des „Authorised OECD-Approach“ (AOA) für die deutsche Abkommenspraxis, IStR 2013, 37; Hruschka, Die Ent- und Verstrickung stiller Reserven nach dem SEStEG, StuB 2006, 584; Hruschka, Die Zuordnung von Beteiligungen zu Betriebsstätten von Personengesellschaften, IStR 2016, 437; Kahle/Kindich, Die finalen Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung als (vorläufiger) Abschluss der Umsetzung des „Authorised OECD Approach“, GmbHR 2017, 341; Kahle/ Mödinger, Betriebsstättenbesteuerung: Zur Anwendung und Umsetzung des Authorised OECD Approach, DStZ 2012, 802; Kleineidam, Gewinnermittlung bei Auslandsbetriebsstätten, IStR 1993, 349 und 395; Kleineidam, Rechtliche und organisatorische Voraussetzungen der Gewinnermittlung bei Auslandsbetriebsstätten, IStR 1993, 141; Kleineidam, Zur veranlassungsorientierten Steuerentstrickung bei grenzüberschreitenden Vorgängen im Unternehmensbereich, IStR 2000, 577; Kleineidam, Die abkommensrechtliche Behandlung von Erträgen aus Beteiligungen im ausländischen Betriebsstättenvermögen oder: Ist der Betriebsstättenvorbehalt gerechtfertigt?, IStR 2004, 1; Kraft/Dombrowski, Die praktische Umsetzung des „Authorized OECD Approach“ vor dem Hintergrund der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung, FR 2014, 1105; Kroppen, Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, 74; Kroppen, Betriebsstätte – Quo Vadis?, IWB 15/2005, Fach 10, Gruppe 2, 1865; Kroppen, Neue Rechtsentwicklungen bei der Betriebsstätte nach Abkommensrecht, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, Köln 2005; Kußmaul/Rainer/Delarber, Leistungsbeziehungen in internationalen Einheitsunternehmen mit Blick auf die Änderung des Art. 7 OECD-MA und die geplante Änderung des § 1 AStG, Ubg 2011, 837; Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 3. Aufl., München 2017; Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Herne 2016; Margerie, Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Lohmar/Köln 2016; Mitschke, Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zum BFH-Urt. v. 17.7.2009 – I R 77/06, FR 2008, 1144; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA; Nowotny, Betriebsstättengewinnermittlung – Die Zuordnung von Wirtschaftsgütern im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2004; Nientimp/Ludwig/Stein, Die finale Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) – Anwendung des Authorized OECD Approach in Deutschland, IWB 2014, 815; Prinz, Gesetzgeberische Wirrungen um Grundsätze der Betriebsstättenbesteuerung, DB 2009, 807; Schaumburg, Grenzüberschreitende Einkünftekorrektur bei Betriebsstätten – Verfassungs- und europarechtliche Aspekte, ISR 2013, 197; Schnitger, Die Einbeziehung des OECD-Kommentars in der Rechtsprechung des BFH, IStR 2002, 407; Schnitger, Änderungen des § 1 AStG und Umsetzung des AOA durch das JStG 2013, IStR 2012, 633; Schön, 1 Vgl. Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 81.

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Art. 7 (2008) Rz. 90

Unternehmensgewinne

Gewinnermittlung bei Betriebsstätten, in Lüdicke (Hrsg.), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, Köln 2007, 71; Vogel, Probleme der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2000, 103; van Lishaut, Dotationskapital bei Mitunternehmerschaften, BB 2018, 791; Wassermeyer, Betriebsstättengewinnermittlung nach „dealing at arm’s length“, SWI 2000, 497; Wassermeyer, Dealing-at-arm’s-length-Prinzip in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001, 25; Wassermeyer, Diskriminierungsfreie Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2004, 733; Wassermeyer, Grundsatzprobleme der Betriebsstättengewinnermittlung, SWI 2006, 254; Wassermeyer, Entstrickungsbesteuerung und EU-Recht, IStR 2011, 813; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Aufteilung von Unternehmensgewinnen zwischen den beteiligten Staaten, IStR 2012, 277; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, 2. Aufl., Köln 2018.

I. Regelungszweck 90

Gewinnabgrenzung der Höhe nach. Während Art. 7 Abs. 1 das Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaats an Unternehmensgewinnen dem Grunde nach bestimmt, regelt Art. 7 Abs. 2 mit dem Fremdvergleichsgrundsatz den Maßstab zur Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte bzw. zwischen mehreren Betriebsstätten der Höhe nach. Die Vorschrift ist als Konkretisierung des Zurechnungsprinzips des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 zu verstehen (vgl. Rz. 87 ff.). Art. 7 Abs. 2 bestimmt dazu als zentrales Prinzip (vgl. Art. 7 Rz. 11 OECD-MK 2008) den Fremdvergleichsgrundsatz („dealing at arm’s length“-Prinzip). Um dessen Anwendung im Hinblick auf die rechtliche Einheit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu ermöglichen, enthält die Vorschrift die sog. Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte (vgl. Rz. 93). Nach der sog. Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte sind das Stammhaus und die Betriebsstätte in diesem Zusammenhang als „völlig unabhängig“ zu behandeln (vgl. Rz. 94). Im Ergebnis enthält Art. 7 Abs. 2 zwei Fiktionen (Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte), welche die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes als maßgebendes Prinzip der internationalen Betriebsstättengewinnabgrenzung ermöglichen. Die Auslegung und Konkretisierung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte sowie die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Hinblick auf unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen ist seit jeher umstritten und Gegenstand langjähriger Diskussionen bei der OECD.

II. Reichweite der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte 1. Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte 91

Stellung der Betriebsstätte im Gesamtunternehmen. Weder die handelsrechtliche Zweigniederlassung (§ 13 HGB)1 noch die steuerliche Betriebsstätte (§ 12 AO und Art. 5) verfügen über eine eigene Rechtspersönlichkeit. Vielmehr stellen sie – je nach Umfang ihrer Tätigkeit – eine mehr oder weniger organisatorisch bzw. wirtschaftlich selbständige Einheit des Unternehmens dar.2 Ausgehend von ihrer zivilrechtlichen Unselbständigkeit bildet die Betriebsstätte mit dem Stammhaus (vgl. Rz. 4)3 demnach ein Einheitsunternehmen, das im Falle einer im Ausland belegenen Betriebsstätte als internationales Einheitsunternehmen bezeichnet wird. Von einem Einheitsunternehmen zu unterscheiden sind verbundene Unternehmen, die als zivilrechtlich voneinander getrennte Rechtssubjekte agieren und zivilrechtlich wirksame Verträge miteinander abschließen können (vgl. Rz. 24).

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Keine schuldrechtlichen Leistungsbeziehungen. Die Wertung der Betriebsstätte als rechtlich unselbständiger Unternehmensteil hat zur Folge, dass schuldrechtliche Leistungsbeziehungen zwischen dem Stammhaus und der Betriebsstätte nicht bestehen können.4 Nach Auffassung der Rspr. sind derartige „Verträge“ als „In-sich-Geschäfte“ zu qualifizieren und infolgedessen steuerrechtlich unbeachtlich.5 Allerdings konstatiert der BFH auch, dass Leistungen zwischen den Unternehmensteilen, z.B. in Form der Überführung von Wirtschaftsgütern oder der Erbringung von Dienstleistungen, grundsätzlich möglich seien (vgl. Rz. 152 ff.).6 Die unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen begründen jedoch keine zivilrechtlichen Forde1 Die handelsrechtliche Zweigniederlassung ist eine von der Hauptniederlassung räumlich getrennte, selbst nicht rechtsfähige Einrichtung, die mit einer gewissen personellen und organisatorischen Eigenständigkeit im Außenverhältnis wie ein selbständiges Unternehmen am Geschäftsverkehr teilnimmt, im Innenverhältnis gegenüber der Hauptniederlassung jedoch weisungsgebunden ist. Vgl. BGH v. 8.5.1972 – II ZR 155/69, NJW 1972, 1859; BayObLG v. 11.5.1979 – 1 Z 21/79, BB 1980, 335. 2 Vgl. BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785. 3 Die Finanzverwaltung spricht von dem „übrigen Unternehmen“, vgl. etwa BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 2. 4 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 3. 5 Vgl. BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 6 Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140 m.w.N.

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 96 Art. 7 (2008)

rungen und Verbindlichkeiten, sodass ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht möglich ist. Nur das Gesamtunternehmen selbst (in Form einer natürlichen oder juristischen Person als Unternehmensträger) kann Träger von Rechten und Pflichten sein und haftet für Schulden sowohl des Stammhauses als auch der Betriebsstätte. Eine Ausnahme gilt im Verhältnis eines Gesellschafters (Mitunternehmers) zu seiner Personengesellschaft: Zwar ist die Betriebsstätte der Personengesellschaft abkommensrechtlich dem jeweiligen Mitunternehmer zuzuordnen (vgl. Rz. 69); die Personengesellschaft stellt indessen ein eigenständiges Rechtssubjekt dar, welches mit seinem Gesellschafter Vertragsbeziehungen eingehen kann.1 Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Aufgrund der zivilrechtlichen Einheit zwischen Stammhaus 93 und Betriebsstätte ist eine Betriebsstättengewinnabgrenzung auf Basis der zivilrechtlichen Gegebenheiten nicht brauchbar. Denn zivilrechtlich kann nur das Gesamtunternehmen als solches Verbindlichkeiten und Forderungen eingehen; infolgedessen können nur für dieses Aufwendungen und Erträge entstehen. Ferner kann eine betriebliche Teileinheit kein selbständiges Eigentum an Vermögen erwerben. Daher ist nur ein Maßstab zur Betriebsstättengewinnabgrenzung geeignet, der – im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise – von der zivilrechtlichen Unselbständigkeit der Betriebsstätte abstrahiert. In diesem Zusammenhang gibt Art. 7 Abs. 2 zwei Fiktionen vor: Zum einen fingiert die Vorschrift, dass die Betriebsstätte ihre Tätigkeit als „selbständiges Unternehmen“ ausübt (sog. Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte). Diese Annahme stellt die Betriebsstätte auf eine mit einer Tochter-Kapitalgesellschaft vergleichbare Ebene und schafft somit die Voraussetzung, für Zwecke der Gewinnabgrenzung von einem Leistungsaustausch zwischen den betrieblichen Teileinheiten auszugehen, obwohl zivilrechtlich reine Innenumsätze vorliegen.2 Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Zum anderen sieht Art. 7 Abs. 2 vor, dass die als selbständiges Unternehmen zu behandelnde Betriebsstätte im Liefer- und Leistungsaustausch mit dem Stammhaus als „völlig unabhängig“ zu behandeln ist.3 Diese Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte entspricht in ihrem Aussagegehalt dem Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 Abs. 1 bei (rechtlich selbständigen) verbundenen Unternehmen (vgl. Art. 7 Rz. 14 OECD-MK 2008).4 Infolgedessen sind der Betriebsstätte diejenigen Gewinne zuzurechnen, die sie erzielt hätte, wenn „sie statt mit anderen Unternehmensteilen mit einem völlig fremden Unternehmen zu den Bedingungen und Preisen des freien Marktes in Geschäftsbeziehungen gestanden hätte“ (vgl. Art. 7 Rz. 14 OECD-MK 2008). Die Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sind demnach daraufhin zu untersuchen, ob sie im Verhältnis zwischen unabhängigen Dritten ebenso ausgestaltet und der Höhe nach „verrechnet“ worden wären (sog. Fremdvergleichspreis, vgl. Rz. 159 f.). Ferner ist zu prüfen, welche Erträge bzw. Aufwendungen bei einem Verhalten wie unter fremden Dritten bei dem Stammhaus oder seiner Betriebsstätte angefallen wären (vgl. Rz. 144 ff. und 148 ff.).

94

Verhältnis der Fiktionen zueinander. Die Fiktionen der Selbständigkeit und der Unabhängigkeit der Betriebsstätte stehen nicht selbständig nebeneinander, sondern sind in einem inneren Zusammenhang zu sehen. Letztlich ist die Fiktion der Selbständigkeit der Betriebsstätte notwendig, um in einem nächsten Schritt deren Unabhängigkeit gegenüber dem Stammhaus zu fingieren und somit – wie im Rahmen der Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen (vgl. Art. 9 Rz. 62 ff.) – die Voraussetzungen für die Durchführung eines Fremdvergleichs zu schaffen. Dagegen würde ohne die Unterstellung einer Selbständigkeit der Betriebsstätte ein Fremdvergleich scheitern, da die zivilrechtliche Einheit von Stammhaus und Betriebsstätte der Betrachtung zweier unabhängiger Marktpartner entgegenstehen würde.

95

Eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion. Die Frage, wie weit die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte – insbesondere im Hinblick auf die Erfassung und „Abrechnung“ unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen mit ihrem Stammhaus – reichen soll, ist umstritten. Im Wesentlichen wird dabei zwischen einer eingeschränkten und einer uneingeschränkten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes unterschieden (eingeschränkte versus uneingeschränkte Fiktion der Selbständigkeit der Betriebsstätte).5 Im Rahmen der Interpretation der Selbständigkeitsfiktion als nur eingeschränkte fiktive Verselbständigung der Betriebsstätte soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Betriebsstätte nur unselbständiger Teil des Gesamtunternehmens ist und Verträge zwischen den betrieblichen Teileinheiten nicht möglich sind.

96

1 Vgl. BFH v. 28.1.1976 – I R 84/74, BStBl. II 1976, 744; Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 14.20. 2 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 3. 3 A.A. Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 92, der die „doppelte Fiktion“ des Art. 7 Abs. 2 auf die Begriffe „selbständige“ und „Unternehmen“ bezieht. 4 Vgl. Wassermeyer, StbJb 1998/99, 157 (161). 5 Zu einer detaillierten Darstellung der Diskussion über die Reichweite der Selbständigkeitsfiktion vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 323 f.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.267.

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461

Art. 7 (2008) Rz. 96

Unternehmensgewinne

Demnach findet nach dieser Auffassung der Fremdvergleich dort „sein Ende“, wo Betriebsstätte und Stammhaus als zivilrechtliche Einheit nicht wie fremde Dritte miteinander verkehren können.1 Eine solche Auslegung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte führt letztlich dazu, dass ein fremdvergleichsorientiertes Entgelt, das i.d.R. eine Gewinnkomponente enthält, grundsätzlich nicht verrechnet werden darf.2 Ausnahmen werden allerdings für die Verrechnung bestimmter unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen eingeräumt. Dies gilt insbesondere für die unternehmensinterne Überführung von Wirtschaftsgütern, bei der prinzipiell ein Fremdvergleichspreis zu verrechnen sei.3 Schließlich ist nach Auffassung der OECD im Rahmen der eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte (sog. „Relevant Business Approach“) der Gewinn einer Betriebsstätte auf den im Rahmen einer bestimmten Geschäftstätigkeit durch das Gesamtunternehmen realisierten Gewinn beschränkt.4 97

Uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion. Auch im Hinblick auf die uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte, welche von der OECD als „Functionally Separate Entity Approach“ und „Authorised OECD Approach“ bezeichnet wird (vgl. Rz. 99 ff.), wird grundsätzlich anerkannt, dass es aufgrund der rechtlichen Einheit von Stammhaus und Betriebsstätte zwischen beiden keine Rechtsbeziehungen geben kann. Jedoch erfordere die Fiktion zweier selbständiger, unabhängiger Unternehmen, dass hinsichtlich der Gewinnabgrenzung die interne Liefer- und Leistungsverrechnung uneingeschränkt wie unter fremden Dritten zu erfolgen hat. Dementsprechend ist der Fremdvergleichsgrundsatz uneingeschränkt anzuwenden, sodass alle Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu Fremdvergleichspreisen abzurechnen sind.5 Mithin sind damit auch im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung die für verbundene Unternehmen geltenden Regelungen – insbesondere in Form der OECD-Leitlinien 2010 – anzuwenden. Diesem Rechtsverständnis folgt der in § 1 AStG und der BsGaV in innerstaatliches Recht aufgenommene AOA, der für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, anzuwenden ist (vgl. Rz. 41 ff.).6 2. Auffassung der OECD

98

OECD-MK 1994. Der OECD-MK wurde 1994 aufgrund eines Sonderberichts der OECD unter dem Titel „Attribution of Income to Permanent Establishments“ v. 26.11.19937 grundlegend überarbeitet und in dieser Fassung bis 2008 nicht wieder angepasst. Der Bericht beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Reichweite der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. In diesem Zusammenhang wird zunächst ein „Methodendualismus“ der OECD-Mitgliedstaaten konstatiert,8 wobei im Kern die Frage erörtert wird, inwieweit ein marktorientierter Preis bzw. bloße Aufwendungen für Leistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu verrechnen sind. Die OECD stellt dazu grundlegend fest, dass das in Art. 7 Abs. 2 kodifizierte Fremdvergleichsprinzip mit dem des Art. 9 für verbundene Unternehmen übereinstimmt.9 Eine solche Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte wird durch Art. 7 Rz. 12.1 OECD-MK 1994 unterstützt, nach der zwar unternehmensinterne Vereinbarungen keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt, jedoch derartige „Agreements“ steuerlich zu beachten sind, wenn sie den betrieblichen Funktionen Rechnung tragen und bei der Betriebsstätte und dem Stammhaus „spiegelbildlich“ angewandt werden. Hinsichtlich der Behandlung einzelner unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen schränkt der OECD-MK 1994 die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes jedoch deutlich ein:10

1 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.268; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 82; Wassermeyer, IStR 2004, 733 ff.; Ritter, JbFSt 1976/1977, 288 (301); Debatin, DB 1989, 1739 (1739); Debatin, BB 1992, 1181 (1184); Bendlinger, SWI 1997, 104 (106 f.). 2 Vgl. Neubauer, JbFSt 1976/1977, 312 (314); Debatin, DB 1989, 1739 (1740); Gundel in Fischer, Steuerplanung zwischen Abkommens- und nationalem Außensteuerrecht, Köln 1998, 121 (150 f.). 3 Vgl. für viele Fink, RIW 1988, 43 (48). 4 Vgl. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, Paris 2008, Part I, Rz. 61 f. 5 Vgl. Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 98; Kroppen, IStR 2005, 74 ff.; Gundel in Fischer, Steuerplanung zwischen Abkommens- und nationalem Außensteuerrecht, Köln 1998, 121 (135 f.); Kluge, StuW 1975, 294 (304 f.); Sieker, DB 1996, 110 (112 f.); IDW, WPg 1996, 365 (367 f.). 6 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 2 ff. 7 Vgl. OECD, Attribution of Income to Permanent Establishments, Paris 1993. Dieser Bericht wird im Schrifttum – trotz seiner Verabschiedung in 1993 – stets als OECD-Betriebsstättenbericht 1994 zitiert. 8 Zu einer Zusammenfassung des OECD-Betriebsstättenberichts 1994 vgl. Menck, IStR 1994, Beihefter V, 1; Loukota in Lang/Loukota/Lüthi, Die Weiterentwicklung des OECD-Musterabkommens, 53 (59 ff.); zur Kritik siehe Romyn, Intertax 1994, 470 ff.; Sieker, DB 1996, 110 (111 ff.). 9 Vgl. Art. 7 Rz. 11 OECD-MK 1994. 10 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 116 ff.; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 165 ff.

462

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 99 Art. 7 (2008)

– Grundsätzlich sind Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte mit einem „Verkaufspreis“, d.h. mit einem angemessenen Gewinnaufschlag, zu verrechnen, wenn das „Unternehmen im normalen Gang seiner Geschäftsführung“1 auch gegenüber einem Dritten einen solchen in Rechnung stellen würde.2 – Vor diesem Hintergrund ist nach dem OECD-MK 1994 zu Art. 7 die Überführung von Waren in Form von Fertigprodukten, Rohmaterialien oder Halbfertigfabrikaten in eine im anderen Vertragsstaat belegene Betriebsstätte grundsätzlich mit dem Fremdvergleichspreis zu verrechnen, wobei „ein nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs zu bemessender Gewinn“3 zu berücksichtigen sei. Analog sei auch bei der Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorzugehen, wobei zutreffend (vgl. Rz. 37 ff.) darauf hingewiesen wird, dass sich der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung nach innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften bestimmt.4 – Im Rahmen der Nutzungsüberlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern sind dagegen die tatsächlich entstandenen Kosten „ohne jeden Gewinn- oder Lizenzaufschlag“5 aufzuteilen. Eine unternehmensinterne Verrechnung von Lizenzgebühren ist daher im OECD-MK 1994 nicht vorgesehen. – Auch im Hinblick auf die zeitlich befristete Überlassung von materiellen Wirtschaftsgütern6 sowie für die Überlassung von Finanzmitteln bzw. die Erbringung von Finanzdienstleistungen7 ist eine bloße Kostenverrechnung (ohne Gewinnaufschlag) vorgesehen. Eine Ausnahme zu dieser Grundregel besteht lediglich für geld- und kreditwirtschaftliche Unternehmen, „weil die Gewährung und Entgegennahme von Krediten in engem Zusammenhang mit der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen steht.“8 – Erbringt ein Unternehmensteil Dienstleistungen, die „ganz oder teilweise Gegenstand des Unternehmens“ sind und existieren für deren Erbringung „standardisierte Entgelte“9, soll ein Fremdvergleichspreis verrechnet werden. Im Weiteren sind die zu verrechnenden Kosten ebenfalls um einen Gewinnaufschlag zu erhöhen, wenn eine von der Betriebsstätte an das Stammhaus und/oder an andere Betriebsstätten erbrachte Dienstleistungen deren „Haupttätigkeit“ darstellt und die entsprechenden Kosten einen „bedeutsamen Teil des Unternehmensaufwands“10 ausmachen. – Leistungen der Geschäftsführung sind nach Maßgabe des OECD-MK 1994 ebenfalls lediglich in Höhe der angefallenen Aufwendungen zu verrechnen.11 Die vorstehende Betrachtung macht offensichtlich, dass die OECD im OECD-MK 1994 von einer nur eingeschränkten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung ausgeht. Darüber hinaus trägt die OECD durch ambivalente Aussagen dazu bei, die aus der Betriebsstättengewinnabgrenzung resultierende Rechtsunsicherheit zu verstärken. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang nur auf die widersprüchliche Auslegung des Verhältnisses der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte zu Art. 7 Abs. 3 (vgl. Rz. 113 und 228) und die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe zu verweisen. Die Berücksichtigung innerbetrieblicher „Agreements“ bleibt ebenfalls völlig unklar. Die OECD begründet ihren Interpretationsansatz mit praktischen Gesichtspunkten,12 der zivilrechtlichen Einheit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte13 sowie dem Risiko künstlicher Gewinnverlagerungen.14 OECD-Betriebsstättenbericht 2008. Nachdem auch der auf Basis des OECD-Betriebsstättenberichts 1994 angepasste OECD-MK (vgl. Rz. 98) nicht zu einer einheitlichen Auslegung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte führte, hat die OECD das Thema der Betriebsstättengewinnabgrenzung bereits in 2001 erneut aufgegriffen und einen ersten Entwurf im Hinblick auf eine uneingeschränkte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung veröffentlicht.15 Die Arbeiten des 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Art. 7 Rz. 17.1 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 31 OECD-MK 2008. Vgl. ferner Art. 7 Rz. 17.2 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 32 OECD-MK 2008. Art. 7 Rz. 17.3 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 33 OECD-MK 2008. Vgl. Art. 7 Rz. 15 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 21 f. OECD-MK 2008. Ein derartiger Hinweis war in Art. 7 Rz. 17 OECD-MK 1977 noch nicht enthalten. Art. 7 Rz. 17.4 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 34 OECD-MK 2008. Vgl. Art. 7 Rz. 17.3 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 33 OECD-MK 2008. Vgl. Art. 7 Rz. 18 ff. OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 41 ff. OECD-MK 2008. Art. 7 Rz. 19 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 49 OECD-MK 2008. Art. 7 Rz. 17.5 OECD-MK 1994 (beide Zitate) und Art. 7 Rz. 35 OECD-MK 2008. Art. 7 Rz. 17.6 OECD-MK 1994 (beide Zitate) und Art. 7 Rz. 36 OECD-MK 2008. Vgl. Art. 7 Rz. 21 f. OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 38 OECD-MK 2008. Vgl. Art. 7 Rz. 17.4 und 21 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 34 und 38 OECD-MK 2008. Vgl. Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 1994. Vgl. Art. 7 Rz. 12.1 und 18 OECD-MK 1994. Vgl. OECD, Discussion Draft on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, Paris Februar 2001 und dazu Ditz, IStR 2005, 37 ff.

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99

Art. 7 (2008) Rz. 99

Unternehmensgewinne

OECD-Steuerausschusses mündeten – nach weiteren Berichtsentwürfen im Dezember 20061 und August 20072 – in einem konsolidierten OECD-Betriebsstättenbericht „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“, welcher am 17.7.2008 veröffentlicht wurde (kurz: OECD-Betriebsstättenbericht 2008).3 In diesem Bericht wurde der „Functionally Separate Entity Approach“ als „Authorised OECD Approach“ (AOA) definiert.4 Mit dem AOA hat der Steuerausschuss der OECD erstmals ein ganzheitliches Konzept zur Auslegung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung definiert, welcher über die Analyse der Betriebsstättengewinnabgrenzung i.S.d. Art. 7 im OECD-Betriebsstättenbericht 1994 (vgl. Rz. 98) hinausgeht. Kernthese ist eine uneingeschränkte Umsetzung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 2, wobei die Betriebsstättengewinnabgrenzung in zwei Stufen vorzunehmen ist (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 21 ff.).5 100

Stufe 1 des AOA. Im Rahmen der ersten Stufe der Betriebsstättengewinnabgrenzung ist – unter Berücksichtigung der Betriebsstätte als fiktiv eigen- und selbständiges Unternehmen – eine detaillierte Funktionsanalyse durchzuführen (vgl. Rz. 124 ff.).6 Im Rahmen dieser Funktionsanalyse, welche sich an die Vorgaben der OECD-Leitlinien 2010 (vgl. Art. 9 Rz. 68 f.) anlehnt, werden die von den einzelnen Unternehmensteilen ausgeübten Funktionen, von ihnen wahrgenommenen Risiken und von ihnen eingesetzten Wirtschaftsgüter sowie die daraus resultierenden unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen im Einzelnen analysiert.7 Den konkreten Maßstab für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern und Risiken bilden dabei die wesentlichen Personalfunktionen („Significant People Functions“), welche Grundlage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern (vgl. Rz. 127) und Risiken (vgl. Rz. 126) zu den unternehmerischen Teileinheiten bilden. Ferner wird in der ersten Stufe der Betriebsstättengewinnabgrenzung die Frage analysiert, in welcher Art und Weise Funktionen von der Betriebsstätte ausgeübt werden, z.B. als eigenständige Funktion der Betriebsstätte oder als Dienstleistung für einen anderen Unternehmensteil.8 Im Rahmen der Funktionsanalyse ist dabei auch zu analysieren, welche Auswirkungen von der Funktionsausübung der Betriebsstätte auf die Erwirtschaftung von Gewinnen ausgehen, d.h., ob es sich bei der entsprechenden Funktion um eine Neben- oder Unterstützungsfunktion oder um eine Hauptfunktion handelt. Im Einzelnen (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 23 ff.):9 – Zuordnung von Risiken: Während zwischen verbundenen Unternehmen Risiken über entsprechende vertragliche Vereinbarungen zugeordnet werden können, ist dies – aufgrund der zivilrechtlichen Einheit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte – im internationalen Einheitsunternehmen nicht möglich (vgl. Rz. 91). Für Zwecke der Gewinnabgrenzung sind daher die Risiken des Gesamtunternehmens (z.B. Absatz-, Markt-, Preis-, Lager-, Kredit-, Währungs- und Gewährleistungsrisiko) den betrieblichen Teileinheiten unter Berücksichtigung der wesentlichen Personalfunktionen zuzuordnen (vgl. Rz. 126).10 – Zuordnung von Wirtschaftsgütern: Die Zuordnung von Wirtschaftsgütern (vgl. Rz. 127 ff.) erfolgt auf Basis eines funktionalen Zusammenhangs.11 Während in Bezug auf materielle Wirtschaftsgüter i.d.R. der Ort der Nutzung entscheidend ist, ist die Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter davon abhängig, in welchem Unternehmensteil die wesentlichen Personalfunktionen im Hinblick auf das entspre-

1 Vgl. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments – Part I (General Considerations), II (Banks) and III (Global Trading), Paris Dezember 2006; vgl. dazu Förster, IStR 2007, 398 ff.; Bennett/Russo, ITPJ, September/October 2007, 279 ff. 2 Vgl. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments – Part IV (Insurance) – revised Public Discussion Draft, Paris August 2007; vgl. dazu Förster, IStR 2008, 800. 3 Vgl. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments v. 17.7.2008, Paris 2008. Vgl. dazu auch Kroppen in FS Herzig, 1072 ff.; Kosch, IStR 2010, 42 ff.; Bennett, ET 2008, 467 ff. 4 Zur Entwicklung des „Authorised OECD Approach“ vgl. auch Ditz, IStR 2002, 210 ff.; Förster/Naumann, IWB 2004, Fach 10, Gruppe 2, 1777 ff.; Russo, BIFD 2004, 479 ff.; Bennett/Dunahou, Intertax 2005, 51 ff.; Ditz, IStR 2005, 37 ff.; Russo, ITPJ 2005, 7 (10 ff.); Förster, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1929 ff.; Förster, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1939 ff.; Förster, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1947 ff.; Bennett/Russo, ITPJ 2007, 279 ff.; Kroppen in FS Herzig, 1071 ff.; Konrad, IStR 2003, 786 ff.; Ditz, ISR 2012, 48 ff. 5 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 85 ff.; Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 (82 f.). 6 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 86 ff. 7 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 86 ff. Siehe ferner Ditz, ISR 2012, 48 ff.; Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (759); Förster, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1929 (1930); Förster, IStR 2005, 617 (621 f.); Ditz, IStR 2005, 37 (38 f.). 8 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 89. 9 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 91. 10 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 97 u. 99 f. 11 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 101.

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 102 Art. 7 (2008)

chende immaterielle Wirtschaftsgut ausgeübt werden.1 Maßgeblich sind dabei die Entscheidung über das Entwicklungsrisiko und dessen Verwaltung.2 – Zuordnung von Dotationskapital: Der Zuordnung von Wirtschaftsgütern und Risiken zur Betriebsstätte ist ihre Dotation mit „freiem“ Kapital nachgelagert (vgl. Rz. 137 ff.).3 Die Zuordnung wesentlicher Personalfunktionen zur Betriebsstätte hat damit unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe ihres Dotationskapitals. In diesem Zusammenhang beschreibt der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 mehrere Methoden (einschließlich ihrer Vor- und Nachteile), auf Basis welcher das Dotationskapital der Betriebsstätte ermittelt werden kann. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Betriebsstätte über ausreichend Eigenkapital verfügen muss, um die ihr wahrgenommenen Funktionen, die ihr zugeordneten Wirtschaftsgüter und die von ihr übernommenen Risiken finanzieren zu können.4 Stufe 2 des AOA. Der AOA erkennt Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte an.5 Dies gilt nicht nur – wie bisher (vgl. Rz. 98) – in Bezug auf unternehmensinterne Warenlieferungen, sondern bezieht sich auf sämtliche, zwischen unabhängigen Dritten denkbaren Leistungsbeziehungen (wie z.B. Dienstleistungen sowie die Nutzungsüberlassung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern). Zur konkreten Bepreisung der unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen („Dealings“) kommen dabei die allgemeinen Verrechnungspreisgrundsätze, d.h. die Preisvergleichs-, die Wiederverkaufspreis- und die Kostenaufschlagsmethode sowie die geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden, zur Anwendung (vgl. Art. 9 Rz. 77 ff.). Dies gilt sowohl für die Überführung von materiellen6 und immateriellen7 Wirtschaftsgütern als auch für die Erbringung unternehmensinterner Dienstleistungen.8 Die noch im OECD-Betriebsstättenbericht 1994 bzw. im OECD-MK 1994 vorgesehene Beschränkung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Überführung von Wirtschaftsgütern wird damit im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 abgelehnt. Insofern kommt es zu einer uneingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke ihrer Gewinnabgrenzung, wobei die reine Belastung von Kosten nur noch in Ausnahmefällen vorgesehen ist.9

101

Bedeutung des OECD-Betriebsstättenberichts 2008. Der im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 dargestellte AOA beschreibt Einzelheiten der bevorzugten Interpretation des Art. 7 durch die OECD-Mitgliedstaaten.10 In diesem Zusammenhang wird insbesondere festgestellt, dass der AOA gegenüber der bisherigen Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte durch die OECD den deutlich besseren Interpretationsansatz darstellt. Diese Aussagen belegen die zentrale Rolle des AOA. Daher hat die OECD am 17.7.2008 beschlossen, den im Rahmen des AOA definierten „Functionally Separate Entity Approach“ in den OECD-MK 2008 aufzunehmen. In einem zweiten Schritt wurde Art. 7 und der OECD-MK durch das „Update 2010“ völlig neu gefasst. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit der im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 niedergelegte Interpretationsansatz auch im Hinblick auf bereits abgeschlossene DBA anzuwenden ist. Hierzu ist einerseits zu berücksichtigen, dass der OECD-MK 2008 (vgl. Rz. 103) an zahlreichen Stellen auf den OECD-Betriebsstättenbericht 2008 verweist. Dies spricht für eine Berücksichtigung des OECD-Betriebsstättenberichts 2008 im Hinblick auf die Auslegung bereits bestehender DBA. Andererseits kannten die Vertragsstaaten im (damaligen) Zeitpunkt des DBA-Abschlusses den OECD-Betriebsstättenbericht 2008 nicht und konnten daher seinen Interpretationsansatz nicht dem konkreten DBA zugrunde legen. Da der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 mit dem AOA erheblich von dem bis dahin bestehenden OECD-MK (insbesondere in der Fassung von 1994, vgl. Rz. 98) abweicht, kann er zur Auslegung bereits bestehender DBA folglich allenfalls insoweit herangezogen werden, als die dort beschriebenen Grundsätze klarstellender Natur sind.11 Dies ist indessen nur im Hinblick auf einige wenige Passagen der Fall. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 nur sehr bedingt im Hinblick auf die Auslegung bereits in 2008 bestehender DBA Anwendung finden kann. Dies zeigt auch die Tatsache, dass die Erkenntnisse des OECD-Betriebsstättenberichts 2008 (insbesondere in Form des AOA) nur sehr bedingt Eingang in das „Update 2008“ des OECD-MK gefunden haben (vgl. Rz. 103). In Bezug auf DBA,

102

1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 104 ff. u. 114 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 116. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 31. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 136 u. 141. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 207 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 229 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 235 ff. u. 241 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 251 ff. sowie die Nutzungsüberlassung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern. 9 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 232 ff. u. 246 ff. 10 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 6 u. 9. 11 A.A. Kosch, IStR 2010, 42 (45).

Ditz

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Art. 7 (2008) Rz. 102

Unternehmensgewinne

welche auf Basis des Art. 7 OECD-MA 2010 abgeschlossen werden, ist indessen der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 als „Auslegungshilfe“ uneingeschränkt heranzuziehen. Dies wird durch die Tatsache unterstützt, dass der OECD-MK 2010 in Bezug auf Detailfragen der Betriebsstättengewinnabgrenzung keine Einzelheiten regelt, sondern häufig auf den OECD-Betriebsstättenbericht 2008 verweist. 103

OECD-MK 2008. Zur Umsetzung des AOA hat die OECD einen zweistufigen Plan (sog. „Implementation Package“) verfolgt. So wurde neben der Entwicklung eines neu konzipierten Art. 7 OECD-MA 2010 parallel an einer Revision des OECD-MK gearbeitet. Die Arbeiten des OECD-Steuerausschusses mündeten in einem „Update 2008“ des OECD-MK, wobei lediglich solche Änderungen im Hinblick auf die Umsetzung des AOA aufgenommen wurden, welche mit dem existierenden OECD-MK (in der Fassung von 1994) in keinem Konflikt stehen.1 In den OECD-MK 2008 wurden folglich nur einige Aussagen des AOA aufgenommen, wobei im Ergebnis an einer nur eingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte festgehalten wird. Im Einzelnen wurden im OECD-MK 2008 gegenüber der Version aus 1994 (vgl. Rz. 98) folgende wesentliche Änderungen vorgenommen: – Art. 7 Rz. 11 OECD-MK 2008 stellt ausdrücklich klar, dass es zu einer inkongruenten Ergebniszurechnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte kommen kann. Infolgedessen kann der Betriebsstätte auch dann ein Gewinn (Verlust) zugeordnet werden, wenn das Gesamtunternehmen einen Verlust (Gewinn) erwirtschaftet (vgl. Rz. 87 f.). Insoweit handelt es sich um eine Klarstellung des OECD-MK. – In Art. 7 Rz. 16, 19 und 20 OECD-MK 2008 wurden konkrete Anforderungen im Hinblick auf die Betriebsstättenbuchführung und die Dokumentation der Betriebsstättengewinnabgrenzung aufgenommen.2 In diesem Zusammenhang wird klargestellt, dass die Dokumentation des Unternehmens von den Vertragsstaaten anzuerkennen ist, wenn sie den wirtschaftlichen Gehalt der unternehmensinternen Aktivität zutreffend abbildet und die Dokumentation nicht gegen die Prinzipien des AOA verstößt. Mithin ist damit auch nach dem OECD-MK 2008 die Funktionsanalyse Grundlage der Betriebsstättengewinnabgrenzung (vgl. Rz. 124 ff.). – Der OECD-MK 2008 betont in Rz. 19 f. die Bedeutung der Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung und verweist auf das zweistufige Verfahren des AOA des OECD-Betriebsstättenberichts (vgl. Rz. 100 f.).3 Im Übrigen knüpft der OECD-MK 2008 in Rz. 17 und 18 zu Art. 7 unmittelbar an die Vorgaben der OECD-Leitlinien 2010 zur Funktionsanalyse (Stufe 1) und der Bewertung interner Liefer- und Leistungsbeziehungen (Stufe 2) an. – Wenngleich die OECD im Hinblick auf die Anpassung des OECD-MK 2008 die Zielsetzung verfolgt, den AOA soweit als möglich umzusetzen, sind wesentliche Ausführungen des OECD-MK 1994 in Bezug auf die eingeschränkte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes (vgl. Rz. 98) beibehalten worden. Eine Streichung dieser Beschränkungen hätte – so die OECD – eine völlige Abkehrung von ihrer bisherigen Sichtweise bedeutet und wurde aus diesem Grund unterlassen. Infolgedessen bleiben die Ausführungen des OECD-MK 2008 weit hinter den Grundsätzen des AOA zurück. Infolgedessen kann in Bezug auf den OECD-MK 2008 nicht von einer Umsetzung des AOA ausgegangen werden. Die Bedeutung der OECD-Leitlinien 2010 beschränkt sich vielmehr auf den Bereich der Funktionsanalyse. Im Hinblick auf die Ermittlung der für unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen anzusetzenden „Vergütung“ kommt den OECD-Leitlinien 2010 (weiterhin) lediglich eine sehr untergeordnete Bedeutung zu. – In den OECD-MK 2008 wurden erstmalig konkrete Regelungen zur Bau- und Montagebetriebsstätte (vgl. Art. 7 Rz. 23–25 OECD-MK 2008) und zur Vertreterbetriebsstätte (vgl. Art. 7 Rz. 26 OECD-MK 2008) aufgenommen. – Die wohl umfangreichsten Änderungen des OECD-MK 2008 beziehen sich auf den Bereich der Verrechnung von Zinsaufwendungen (vgl. Art. 7 Rz. 41–50 OECD-MK 2008). Dabei hält die OECD an dem Verbot der Verrechnung von Zinsen für interne Kapitalüberlassungen fest (vgl. Art. 7 Rz. 41 f. OECD-MK 2008). Auch insoweit bleibt der OECD-MK 2008 hinter dem AOA zurück, der in Bezug auf Finanzierungsbetriebsstätten (sog. „Treasury Functions“) die Berücksichtigung von internen Zinsaufwendungen zulässt. Im Ergebnis ist auch der OECD-MK 2008 von einer nur eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte geprägt; der AOA wurde nicht stringent umgesetzt.

1 Vgl. OECD, The 2008 Update to the Model Tax Convention v. 18.7.2008, Paris 2008. Vgl. dazu z.B. Bendlinger, SWI 2008, 545 ff.; Russo, ET 2008, 459 ff.; Panayi, ET 2007, 452 ff. 2 Vgl. auch Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 39. 3 Vgl. Art. 7 Rz. 17 OECD-MK 2008 i.V.m. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 86 ff. u. 218 ff.

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 106 Art. 7 (2008)

OECD-MK 2010. Art. 7 wurde in der Fassung des „Update 2010“ völlig neu gefasst (vgl. Rz. 15). Hintergrund der Änderungen war eine Umsetzung des AOA, wodurch eine uneingeschränkte Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung umgesetzt wird (vgl. Rz. 99 ff.). Der im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 im Detail dargestellte „Functionally Separate Entity Approach“ wird im OECD-MK 2010 uneingeschränkt angewendet, wobei seine Grundsätze in einen neuerlichen OECD-Betriebsstättenbericht v. 22.7.2010 – nach einer redaktionellen Überarbeitung und einer Anpassung an die OECD-Verrechnungspreisleitlinie 2010 – übernommen wurden (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 7 u. 21 ff.). Seit 2010 basieren somit sowohl Art. 7 als auch der OECD-MK auf einer uneingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte nach dem AOA (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 5 ff. u. 21 ff.).

104

Zeitliche Anwendung des OECD-MK. Hinsichtlich der Frage, welche Fassung des OECD-MK für die Aus- 105 legung eines DBA heranzuziehen ist, verfolgt die OECD eine dynamische Auslegung: Danach soll auch ein neugefasster OECD-MK zur Auslegung bereits bestehender DBA herangezogen werden, da er den übereinstimmenden Willen der OECD-Mitgliedstaaten widerspiegelt (vgl. Einleitung Rz. 33–35 OECD-MK 2010). Auch die deutsche Finanzverwaltung scheint dieser Auffassung zu folgen.1 Wenngleich eine solche Heranziehung der jeweils aktuellsten Version des OECD-MK zur Auslegung eines DBA aus praktischen Gesichtspunkten durchaus sinnvoll ist, folgt der BFH dieser Auffassung nicht. Die Rspr. geht vielmehr davon aus, dass zur Auslegung eines DBA immer die Fassung des OECD-MK heranzuziehen ist, welche im Zeitpunkt des Abschlusses des DBA gültig war.2 Diese Sichtweise lässt sich mit völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätzen begründen, wobei lediglich Art. 31 Abs. 3 WVK für die Berücksichtigung von neueren Versionen des OECDMK sprechen könnte. Art. 31 Abs. 3 Buchst. a WVK setzt hingegen eine „spätere Übereinkunft“ zwischen den Vertragsstaaten voraus. Gerade eine solche liegt indessen beim OECD-MK nicht vor, da dieser nicht von den Vertragsstaaten selbst, sondern von den Finanzbehörden der Vertragsstaaten entwickelt wird.3 Art. 31 Abs. 3 Buchst. a WVK ist folglich kein taugliches Mittel zur Berücksichtigung späterer Kommentarversionen bei der Auslegung von bereits bestehenden DBA. Im Übrigen scheint auch Art. 31 Abs. 3 Buchst. b WVK nicht geeignet, eine dynamische Auslegung des OECD-MK zu rechtfertigen.4 Damit ist der Auffassung des BFH zu folgen, wonach die Version des OECD-MK als Hilfe für die Auslegung eines konkreten DBA heranzuziehen ist, welche beim Abschluss des entsprechenden DBA galt.5 Neueren Versionen des OECD-MK kann nur dann eine Bedeutung zukommen, wenn sie zur Klarstellung dienen oder weitergehende Erläuterungen enthalten. Vor diesem Hintergrund gilt in Bezug auf den OECD-MK 2008 Folgendes:6 – DBA, die nach Veröffentlichung des „Update 2008“ des OECD-MK (d.h. nach dem 18.7.2008) abgeschlossen oder revidiert wurden und auf Basis des Art. 7 OECD-MA 2008 basieren, sind unter Berücksichtigung des OECD-MK 2008 auszulegen. – Bereits abgeschlossene DBA sind auf Basis derjenigen Version des OECD-MK auszulegen, welcher bei Abschluss des DBA vorlag. Änderungen des OECD-MK 2008 sind allerdings zu berücksichtigen, wenn sie klarstellend sind bzw. zur weitergehenden Erläuterung dienen. – DBA, welche auf Basis des Art. 7 OECD-MA 2010 abgeschlossen wurden, sind auf Basis des OECD-MK 2010 auszulegen. 3. Auffassung der Finanzverwaltung Alte Rechtslage nach den VWG BS v. 24.12.1999. In Tz. 2.2 VWG BS7 folgt die Finanzverwaltung im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung dem Grundsatz des Fremdvergleichs. Die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte erfahre allerdings ihre Einschränkung in der zivilrechtlichen Einheit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte und in der Tatsache, dass „schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, wie z.B. Darlehens-, Miet- und Lizenzverträge, rechtlich nicht möglich sind.“8 Insofern 1 So zumindest Vertreter der Finanzverwaltung, vgl. Wichmann, IStR 2012, 711 (711 f.); Wichmann in Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, Köln 2009, 103 (104 f.); Wichmann, FR 2011, 1082 (1083); Greil/ Greil, StuW 2018, 184 (195). Vgl. im Übrigen auch Lampert, IStR 2012, 513 ff. 2 Vgl. etwa BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, FR 2011, 127; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 m.w.N.; v. 16.1.2014 – I R 30/12, BStBl. II 2014, 721 m.w.N.; v. 25.11.2015 – I R 50/14, BStBl. II 2017, 247 m.w.N.; a.A. Wichmann, IStR 2012, 711 (712); siehe ferner Schnitger, IStR 2002, 407; Pohl, RIW 2012, 677 (678 f.); Greil/Greil, StuW 2018, 184 (196). 3 A.A. Wichmann, FR 2011, 1082 (1083). 4 Kritisch auch Lang, IStR 2001, 536 (537) m.w.N. 5 A.A. Lampert, IStR 2012, 513 ff. 6 Vgl. auch Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 214 f. 7 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 8 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.2.

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Art. 7 (2008) Rz. 106

Unternehmensgewinne

seien Gewinne aus „Innentransaktionen“ nicht zu berücksichtigen. Während demnach die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische DBA-Betriebsstätte grundsätzlich mit dem Fremdvergleichspreis zu bewerten sei,1 seien unternehmensinterne Leistungen auf reiner Aufwandsbasis (d.h. ohne Gewinnaufschlag) zu verrechnen. Dies gilt insbesondere für Kosten der Werbung und Markterschließung, Zinsen und Finanzierungskosten, Geschäftsführungskosten sowie allgemeine Verwaltungskosten.2 Eine Ausnahme zu der nur eingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte gilt nach Ansicht der Finanzverwaltung allerdings bei Leistungen, die zur „ordentlichen Geschäftstätigkeit“ gehören.3 Ferner sei ein Fremdvergleichspreis anzusetzen, wenn die Erbringung von Dienstleistungen die Haupttätigkeit der Betriebsstätte darstellt.4 Im Ergebnis besteht somit auf Basis der VWG BS v. 24.12.1999 eine inhaltliche Parallele zur Auffassung der OECD im OECD-MK 1994 (vgl. Rz. 98), wonach ein Fremdvergleichspreis nur für bestimmte unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen (insbesondere die Überführung von Wirtschaftsgütern) zum Ansatz kommen soll.5 107

BMF v. 25.8.2009. Mit dem BMF v. 25.8.20096 wurden die VWG BS v. 24.12.19997 an die durch das SEStEG v. 7.12.20068 eingefügten Entstrickungsregelungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG angepasst und die insoweit veralteten Regelungen der VWG BS überarbeitet.9 Die wesentliche Änderung gegenüber den VWG BS v. 24.12.1999 besteht darin, dass im Hinblick auf die Überführung bzw. fingierte Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern an eine ausländische Betriebsstätte die Regelungen an § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG angepasst wurden. Infolgedessen geht die Finanzverwaltung nur im Hinblick auf die Überführung bzw. Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern an eine ausländische Betriebsstätte von einer stringenten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes aus. Der Bereich der Dienstleistungen ist hingegen weiterhin nur in Ausnahmefällen auf Basis von Fremdvergleichspreisen abzurechnen.

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Regelung des AOA in den VWG BsGa. Der AOA und infolgedessen die uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte wurde für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, in § 1 AStG aufgenommen (vgl. zu Einzelheiten Rz. 42). Im Anschluss hat das BMF von der Ermächtigung – mit Zustimmung des Bundesrats – in § 1 Abs. 6 AStG Gebrauch gemacht und die BsGaV v. 13.10.2014 verabschiedet.10 Die BsGaV stellt die Gewinnermittlung bei Betriebsstätten im internationalen Kontext – und damit auch die Entstrickungsbesteuerung – auf ein völlig neues Fundament. Dazu wird der AOA im Rahmen der Gewinnermittlung in- und ausländischer Betriebsstätten nach der BsGaV in zwei Stufen umgesetzt.11 Die Stufe 1 bezieht sich auf eine Funktions- und Risikoanalyse der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte als Teil der Gesamttätigkeit des Unternehmens (vgl. Rz. 100.12 In Stufe 2 der Betriebsstättengewinnermittlung werden dann – aufbauend auf der Funktions- und Risikoanalyse – die identifizierten unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes und unter Anwendung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien bewertet und „abgerechnet“ (vgl. Rz. 101).13 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es vertragliche i.S. von schuldrechtlichen Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht geben kann; vielmehr ist von einer Fiktion eines Leistungsaustauschs für steuerliche Zwecke auszugehen („anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen“ gem. § 1 Abs. 4 Nr. 2 AStG, vgl. Rz. 42).14 Einzelheiten zur Anwendung des in § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV niedergelegten AOA werden – aus Sicht der Finanzverwaltung – in den Verwaltungsgrundsätzen Betriebsstättengewinnaufteilung v. 22.12.201615 geregelt. Damit folgt die Finanzverwaltung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, der nach dem AOA vorgesehen und von der OECD im OECD-MA 2010 vorgegebenen uneingeschränkten Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für ihre Gewinnabgrenzung. Problematisch ist in diesem Zu1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.6.1. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.5.1 m.w.N. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.2. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.1.2. Zu Einzelheiten vgl. auch Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 131 ff. Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888 und dazu Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 ff. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. Vgl. Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. Vgl. dazu im Einzelnen Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 ff. Zu Einzelheiten vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.141 ff. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 26 f. Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 BsGaV; BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 26. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 27. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 3 ff. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182.

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 110 Art. 7 (2008)

sammenhang die in § 1 Abs. 5 AStG vorgesehene undifferenzierte Anwendung des AOA auf sämtliche DBAund Nicht-DBA-Fälle. Infolgedessen greift die Vorschrift auch in Bezug auf DBA, die nicht dem AOA des Art. 7 OECD-MA 2010 folgen (dies ist derzeit noch die weite Mehrheit der deutschen DBA). Es besteht das Risiko, dass in Bezug auf DBA, welche dem OECD-MA 2008 folgen, der andere Vertragsstaat die in § 1 Abs. 5 AStG vorgesehene Anwendung des AOA nicht anerkennt und infolgedessen eine internationale Doppelbesteuerung entsteht (vgl. Rz. 47 f.). Die Doppelbesteuerung kann dann nur über Verständigungs- oder Schiedsverfahren vermieden werden. Der Gesetzgeber hat diese Problematik erkannt und in § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG einen (eigentlich selbstverständlichen) Vorrang des Abkommensrechts definiert. Dieser enthält einen formalen „treaty override“, in dem die abkommensrechtliche Schrankenwirkung an einen Nachweis geknüpft ist, dass der andere Vertragsstaat sein Besteuerungsrecht entsprechend dem DBA ausübt und infolgedessen die Anwendung des AOA zu einer Doppelbesteuerung führt. Wie ein entsprechender Nachweis praktisch zu führen ist, bleibt offen. 4. Auffassung der Rechtsprechung Eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Während der BFH im Rahmen seiner – mittlerweile überholten1 – Rspr. zur finalen Entnahmetheorie2 die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte schlichtweg übergangen hat,3 setzt der BFH in seinem sog. „Warenschuldenurteil“ v. 21.1.19724 bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens durch den Ansatz von Marktpreisen den Fremdvergleichsgrundsatz uneingeschränkt um.5 Dabei weist der BFH zutreffend darauf hin, dass die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte ausschließlich auf Ebene der Gewinnabgrenzung Anwendung findet und die Ebene der Gewinnermittlung unberührt lässt (Rz. 37 ff.).6 Demgegenüber schränkt der BFH in seinem sog. „Zinsurteil“ v. 27.7.19657 die Fiktion der Selbständigkeit der Betriebsstätte in Bezug auf Finanzierungsleistungen und sonstigen Leistungen ein und lässt hier lediglich die Verrechnung von Aufwendungen zu. Diese Auffassung wird durch das BFH-Urt. v. 20.7.19888 bestätigt.9

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BFH-Urteil v. 17.7.2008. Der BFH konstatiert in seinen Urteilen v. 16.2.1996, welche zur Problematik der Zuordnung von Währungsverlusten bei der Umrechnung des Dotationskapitals der Betriebsstätte ergingen, unmissverständlich, dass das Abkommensrecht nur eine „eingeschränkte Selbständigkeit der Betriebsstätte“ fingiere.10 Der Begriff der „Einschränkung“ wird durch den BFH so verstanden, dass die Fiktion der Selbständigkeit lediglich einen Abgrenzungsmaßstab vorgibt, um das in den DBA angelegte Betriebsstättenprinzip durchführen zu können. Der Grundsatz des Fremdvergleichs fingiere allerdings nicht, die Betriebsstätte einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft gleichzustellen; vielmehr sei abkommensrechtlich lediglich eine wirtschaftliche Selbständigkeit der Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung anzunehmen.11 Im Übrigen ist das Urt. des BFH v. 17.7.200812 zu beachten.13 Danach soll Art. 7 Abs. 2 lediglich eine Aufteilung des Gewinns zwischen Stammhaus und Betriebsstätte „nach Verursachungsbeiträgen“ gewährleisten. Eine Anwendung des „Functionally Separate Entity Approach“ der OECD (vgl. Rz. 99 ff.), der Liefer-

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1 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 20.5.2009 – IV C 6-S 2134/07/10005 – DOK 2009/0300414, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004 – DOK 2011/0802578, BStBl. I 2011, 1278. 2 Vgl. BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760; v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113; v. 14.6.1988 – VIII R 387/83, BStBl. II 1989, 187. 3 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, IStR 2009, 115 (117); Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 143 ff. 4 Vgl. BFH v. 21.1.1972 – III R 57/71, BStBl. II 1972, 374. 5 Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/A/D2, Rz. 6.10 ff. 6 So auch BFH v. 13.1.1970 – I 32/65, BStBl. II 1970, 790; FG Hess. v. 12.7.1977 – IV 111/75, EFG 1977, 608 (rkr.). 7 Vgl. BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24 und dazu im Einzelnen Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 151 f. 8 Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 9 Vgl. auch BFH v. 18.9.1996 – I R 59/95, IStR 1997, 145; FG München v. 18.10.2010 – 13 K 2802/08, DStRE 2012, 142, rkr.; Nds. FG v. 10.1.2008 – 6 K 63/06, EFG 2008, 772, rkr.; FG Nürnberg v. 26.11.2004 – VII 90/2004, EFG 2007, 847, rkr. 10 Vgl. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 16.2.1996 – I R 46/95, BFH/NV 1997, 111. 11 So auch BFH v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690; v. 18.9.1996 – I R 59/95, IStR 1997, 145. 12 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005 – DOK 2009/0300414, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004 – DOK 2011/0802578, BStBl. I 2011, 1278. 13 Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/A/D2, Rz. 6.14 u. 6.22.

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Art. 7 (2008) Rz. 110

Unternehmensgewinne

und Leistungsbeziehungen zwischen den Unternehmensteilen fingiert, wird dabei – zumindest nach der Rechtslage des Urteilsfalls von 1995 – abgelehnt.1 Daraus indessen eine grundsätzliche Ablehnung des BFH einer Anwendung der Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte abzuleiten, ginge allerdings zu weit.2 Denn immerhin erkennt der BFH die Aufteilung des zukünftigen Veräußerungsgewinns zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes an; damit erkennt er auch die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke der Betriebsstättengewinnabgrenzung an, wobei er – mangels anderslautender innerstaatlicher Gewinnermittlungsvorschrift (i.S. eines Ersatzrealisationstatbestandes) – den Zeitpunkt der Realisierung dem späteren Außenumsatz zuordnet (vgl. Rz. 45). Der BFH stellt in seinem Urt. v. 17.7.2008 zutreffend fest, dass es an einer Rechtsgrundlage für eine Steuerentstrickung des in die ausländische Betriebsstätte überführten Wirtschaftsguts nach damaligem Recht (d.h. im VZ 1995) fehlt. Aus Art. 7 Abs. 2 kann – so der BFH – nichts anderes folgen. Denn dieser Vorschrift kommt in Bezug auf die Gewinnermittlung, d.h. die konkrete Frage einer Gewinnrealisierung, keine Self-executing-Wirkung zu (vgl. Rz. 37). Infolgedessen dienen Art. 7 Abs. 1 und 2 lediglich als „Besteuerungsschranke“, die den Steuerpflichtigen vor einer nicht fremdvergleichskonformen Gewinnzuordnung und somit vor einer überhöhten Besteuerung im Betriebsstättenstaat schützen sollen.3 Ob der Gesetzgeber dieses Besteuerungsrecht tatsächlich wahrnimmt und in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt dies geschieht, ergibt sich nicht aus dem Abkommensrecht, sondern aus den Gewinnermittlungsvorschriften des innerstaatlichen Rechts. 111

Noch keine Rechtsprechung zu § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV. Rechtsprechung zur neuen Rechtslage nach der Implementierung des AOA in innerstaatliches Recht (§ 1 Abs. 5 AStG und BsGaV) existiert noch nicht. 5. Eigene Auffassung

112

Uneingeschränkte Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Nach der hier vertretenen Auffassung ist Art. 7 bereits in seiner Fassung des OECD-MA 2008 i.S. einer uneingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und damit i.S. einer uneingeschränkten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auszulegen. Dies gilt indessen nur in Bezug auf die abkommensrechtliche Ebene der Gewinnabgrenzung. Wie bereits in Rz. 37 ff. im Einzelnen dargestellt, kommt Art. 7 für Zwecke der Gewinnermittlung keine Self-executing-Wirkung zu. Infolgedessen bedarf es zur Ausfüllung einer am Fremdvergleichsgrundsatz ausgerichteten Betriebsstättengewinnabgrenzung oder präziser zur Ausfüllung eines nach Art. 7 auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes definierten Besteuerungsrechts von Unternehmensgewinnen regelmäßig einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts, welche die Realisierung stiller Reserven oder eines Gewinnelements in Bezug auf unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen anordnet. Eine solche Rechtsgrundlage existiert im innerstaatlichen Recht mit der Aufnahme des AOA in § 1 Abs. 4 und 5 AStG erst für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen (vgl. zu Einzelheiten Rz. 42 ff.). Zuvor (und erst für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2005 enden4) ordneten die Entstrickungsvorschriften des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG sowie § 16 Abs. 3a EStG5 lediglich in Bezug auf die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte oder ein ausländisches Stammhaus eine Realisierung von stillen Reserven bei Ansatz des Fremdvergleichspreises an. Die uneingeschränkte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auch bereits in Bezug auf Art. 7 OECD-MA 2008 lässt sich wie folgt begründen:6

113

Keine Einschränkung des Art. 7 Abs. 2 durch Art. 7 Abs. 3. Sowohl das Schrifttum7 als auch zahlreiche Mitgliedstaaten der OECD8 stützen ihre eingeschränkte Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte auf Art. 7 Abs. 3. Da die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes in Art. 7 Abs. 2 ausdrück1 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, Rz. 47 f. Siehe dazu auch Ditz, IStR 2009, 115 (118); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (24 f.); a.A. Mitschke, FR 2008, 1144 (1146); Mitschke, FR 2009, 326 (328 f.). 2 A.A. Andresen, DB 2012, 879 (879). 3 Vgl. auch BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 21. 4 Vgl. § 52 Abs. 8b Satz 1 EStG; § 34 Abs. 8 Satz 2 KStG, jeweils i.d.F. v. 18.12.2013. Zu einer möglichen rückwirkenden Anwendung der Entstrickungsvorschriften vgl. Ditz in WAD2, Rz. 6.40 m.w.N. 5 Eingeführt durch das JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 6 Zu Einzelheiten vgl. auch Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 158 ff.; Kroppen in FS Herzig, 1085 ff.; Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 107 ff.; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 112 ff. 7 Vgl. etwa Ritter, JbFSt 1976/1977, 288 (300 f.); Köhler, RIW 1991, 1024 (1030); Bendlinger, SWI 1995, 303 (306); Weber/Werra in FS Ritter, 285 (299); Schmidt in Piltz/Schaumburg, Aufwand und Verluste bei Internationalen Steuersachverhalten, 1999, 53 (56). 8 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 52.

470

Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 116 Art. 7 (2008)

lich unter dem Vorbehalt des Art. 7 Abs. 3 steht, sei im Rahmen von unternehmensinternen Leistungsbeziehungen kein Fremdvergleichspreis anzusetzen, sondern lediglich eine Verrechnung der entstandenen Aufwendungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte vorzunehmen. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen: Zwar kann aus einer rein grammatikalischen Auslegung der Absätze 2 und 3 des Art. 7 die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die bloße Aufwandsverrechnung einer fremdvergleichskonformen Leistungsverrechnung vorgeht und infolgedessen die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes durch Art. 7 Abs. 3 eine Einschränkung erfährt. Eine solche Interpretation ist nicht sachgerecht und von der OECD nicht beabsichtigt (vgl. Art. 7 Rz. 27 ff. OECD-MK 2008).1 Dies zeigt die historische Entwicklung des Art. 7 Abs. 3.2 Daher ist Art. 7 Abs. 3 lediglich als Ergänzung und Konkretisierung der in Art. 7 Abs. 2 niedergelegten Grundregel einer Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu verstehen. Die Vorschrift soll klarstellen, dass die Zurechnung von Aufwand unabhängig von seinem Entstehungsort und von seiner tatsächlichen Verrechnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist (vgl. Rz. 225 ff.).3 Insofern wird durch die Vorschrift (lediglich) sichergestellt, dass wirtschaftlich für die Betriebsstätte entstandener Aufwand dieser zugerechnet wird, auch wenn der Aufwand nicht bei ihr, sondern beim Stammhaus oder in einer anderen Betriebsstätte entstanden ist. Dieser entspricht dem Veranlassungsprinzip. Gesamtheit des unternehmerischen Wertschöpfungsprozesses. Die bloße Aufwandszuordnung außerhalb der Überführung von Wirtschaftsgütern kann deswegen nicht überzeugen, weil letztlich alle betrieblichen Wertschöpfungsbereiche zur Erwirtschaftung des unternehmerischen Gesamtgewinns beitragen und somit bestimmte Funktionen nicht per se von einer Gewinnzuordnung ausgeklammert werden können. Denn auch Dienstleistungen und die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern verfügen über einen wertschöpfungsbringenden Charakter und sind damit i.d.R. nach außen genauso ertragswirksam wie die in eine ausländische Betriebsstätte überführten und durch diese vertriebenen Wirtschaftsgüter. Im Übrigen kann die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebentätigkeiten in Zusammenhang mit der Verrechnung unternehmensinterner Dienstleistungen nicht überzeugen. Denn aus dem Fremdvergleichsgrundsatz lassen sich keinerlei Rechtfertigungsgründe ableiten, welche die Verrechnung einer Gewinnkomponente innerhalb der Dienstleistungserbringung von der qualitativen bzw. quantitativen Einordnung der Tätigkeit des Gesamtunternehmens bzw. der Betriebsstätte abhängig machen. Vielmehr werden fremde Dritte i.d.R. auch sog. Nebenleistungen mit einem Fremdvergleichspreis abrechnen, sodass eine Unterscheidung zwischen Hauptund Nebentätigkeiten mit dem Grundsatz des Fremdvergleichs nicht vereinbar ist. Eine solche ist auch in § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. der BsGaV nicht vorgesehen.

114

Kein Abschluss von Verträgen. Die h.M. stützt die Einschränkung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte auch auf die zivilrechtliche Einheit des internationalen Einheitsunternehmens und auf die daraus folgende Tatsache, dass zwischen den betrieblichen Teileinheiten keine zivilrechtlich wirksamen Verträge abgeschlossen werden können.4 Abgesehen davon, dass auch für die Bereiche der Wirtschaftsgutüberführung und der Dienstleistungen der Haupttätigkeit keine Verträge abgeschlossen werden können und demnach ein Fremdvergleichspreis ebenfalls nicht in Betracht kommen dürfte, kann eine solche Argumentation nicht überzeugen, da die Fiktion der Selbständigkeit der Betriebsstätte im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise von der zivilrechtlichen Unternehmenseinheit abstrahiert (vgl. Rz. 93).

115

Ausweis fiktiver Gewinne. In einem engen Zusammenhang mit der fehlenden (rechtlichen) Möglichkeit des Abschlusses von Verträgen steht der Vorwurf, dass durch die Verrechnung von Fremdvergleichspreisen (einschließlich Gewinnelement) für Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ein nicht realisierter Gewinn fingiert und somit das Unternehmen „an sich selbst verdienen“ würde.5 Diese Auffassung verkennt die eigentliche Zielsetzung der Gewinnabgrenzung: Hier geht es nicht darum, einen für das Gesamtunternehmen nicht entstandenen Gewinn zu fingieren, sondern den auf Basis der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften und des Grundsatzes des Fremdvergleichs bestimmten Gewinn (vgl. Rz. 37 ff.) den betrieblichen Teileinheiten zuzuordnen. Dabei bleibt die Verrechnung unternehmensinterner Leistungsbeziehungen – außerhalb der Übertragung von Wirtschaftsgütern – auch im Rahmen einer uneingeschränkten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes für das Gesamtunternehmen immer erfolgsneutral. Denn den beim leistungsabgebenden Unternehmensteil ausgewiesenen Erträgen stehen in kor-

116

1 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 284 ff. 2 Vgl. dazu im Einzelnen Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 123 f. 3 Vgl. auch BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, DB 2003, 1147; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; FG Nds. v. 30.5.2000 – 9 K 228/95, EFG 2000, 941; a.A. FG Hess. v. 8.12.1983 – 5 K 248/81, EFG 1984, 367, nachgehend BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 4 Vgl. etwa Ritter, JbFSt 1076/1977, 288 (301 f.); Debatin, BB 1992, 1181 (1184); Wassermeyer, IStR 2005, 84 ff.; Wassermeyer, IStR 2004, 733 (733 f.). 5 Vgl. etwa Debatin, DB 1989, 1739 (1740); Köhler, RIW 1991, 1024 (1034).

Ditz

471

Art. 7 (2008) Rz. 116

Unternehmensgewinne

respondierender Höhe beim leistungsempfangenden Unternehmensteil entsprechende Aufwendungen gegenüber. Eine so verstandene Verrechnung von Fremdvergleichsentgelten kann allerdings dazu führen, dass ein Unternehmensteil einen Gewinn ausweist, während dem anderen Unternehmensteil Verluste zugerechnet werden (vgl. Rz. 88). Diese inkongruente Gewinnzuordnung ist der Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte immanent und wird sowohl von der OECD (vgl. Art. 7 Rz. 11 OECD-MK 2008) als auch von der Rspr.1 und der Literatur2 anerkannt. Ferner entspricht sie der relativen Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips im Rahmen des internationalen Steuerrechts, nach der die gesamte Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in eine in- und eine ausländische Komponente aufzuteilen ist.3 Dabei können sich durchaus eine positive Leistungsfähigkeit im einen Vertragsstaat und eine negative Leistungsfähigkeit im anderen Vertragsstaat ergeben. 117

Sinn und Zweck der DBA. Der Sinn und Zweck der DBA kann nur durch eine uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte realisiert werden. Dies zeigt der durch ambivalente und inkonsistente Aussagen geprägte OECD-MK 1994 (vgl. Rz. 98), welcher zu einer sehr unterschiedlichen Vorgehensweise im Hinblick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung in den OECD-Mitgliedstaaten geführt hat. Die Erfahrungen der OECD mit der eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte zeigen, dass sie zu einem erheblichen Doppelbesteuerungsrisiko führt und infolgedessen mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit für den Steuerpflichtigen verbunden ist.4 Beides führte letztlich zu den umfangreichen Arbeiten der OECD, die in den Betriebsstättenberichten 2008 (vgl. Rz. 99) und 2010 (vgl. Rz. 104) mündeten. Darüber hinaus kann nur auf Basis einer uneingeschränkten Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung eine verteilungsgerechte Abgrenzung von Besteuerungsrechten zwischen den Vertragsstaaten gewährleistet werden.5

118

Diskriminierungsverbot der Betriebsstätte. Schließlich ist im Zusammenhang mit der Auslegung des Art. 7 Abs. 2 das in Art. 24 Abs. 3 niedergelegte Diskriminierungsverbot der Betriebsstätte zu beachten (so auch Art. 7 Rz. 38 f. OECD-MK 2010). Danach darf die Besteuerung einer Betriebsstätte im Quellenstaat nicht ungünstiger sein als die Besteuerung eines Unternehmens dieses Staats, das die gleiche Tätigkeit ausübt. Die Feststellung der Diskriminierung verlangt dabei einen hypothetischen Vergleich zwischen der Besteuerung der Betriebsstätte und der Besteuerung eines vergleichbaren, rechtlich selbständigen Unternehmens (vgl. Art. 24 Rz. 83 ff.).6 Zieht man als hypothetisches Vergleichsunternehmen eine von einem ausländischen Unternehmen beherrschte inländische Tochterkapitalgesellschaft heran, ist bei dieser im Rahmen ihrer Einkünfteermittlung dem Grundsatz des Fremdvergleichs uneingeschränkt Rechnung zu tragen, während dies bei einer inländischen Betriebsstätte eines im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen nicht der Fall ist. Aus einer solchen rechtsformabhängigen Interpretation des Fremdvergleichsgrundsatzes werden i.d.R. unterschiedliche steuerliche Bemessungsgrundlagen resultieren, die letztlich zu einer höheren steuerlichen Belastung der Betriebsstätte führen können. Diese Diskriminierung der Betriebsstätte kann nur über eine rechtsformübergreifende, einheitliche Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes vermieden werden.

III. Bestimmung des Betriebsstättengewinns 1. Buchführung der Betriebsstätte 119

Vorrang der direkten Methode. Der Gewinn der Betriebsstätte war bereits nach bisheriger Auffassung der OECD (vgl. Art. 7 Rz. 52 OECD-MK 2008), der Finanzverwaltung7 und der Rspr.8 vorrangig nach der direkten Methode zu ermitteln (zur globalen Gewinnermittlungsmethode vgl. Rz. 229 ff.). Denn nur durch die direkte Methode lässt sich der Betriebsstättengewinn auf Basis einer eigenen Buchführung unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte bestimmen (vgl. Art. 7 Rz. 16 OECD-MK 2008).9 Dies 1 Vgl. BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24. 2 Vgl. Roth, StbJb 1997/98, 427 (434); Wassermeyer in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 25 (37); a.A. Debatin, DB 1989, 1739 (1743). 3 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 96 ff. 4 Vgl. auch Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 2. 5 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 167 ff. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 46. Siehe auch BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106. 7 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.3.1; Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 (82). 8 Vgl. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017 m.w.N. 9 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.3.1; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 631.

472

Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 121 Art. 7 (2008)

gilt umso mehr nach Ausweitung des § 1 AStG auf Betriebsstätten und die Implementierung des AOA in innerstaatliches Recht. Denn insoweit ist bereits nach innerstaatlichem Recht die Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln und die unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen mit ihrem Stammhaus zu identifizieren und fremdüblich abzurechnen (vgl. zu Einzelheiten Rz. 42 ff.). Infolgedessen ist im Ergebnis für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, die direkte Methode zur Betriebsstättengewinnermittlung im innerstaatlichen Recht vorgeschrieben; die globale Gewinnermittlungsmethode (vgl. Rz. 245 ff.) ist nicht zulässig. Die Praxis zeigt allerdings, dass die direkte Methode häufig gar nicht oder nicht mit zumutbarem Aufwand angewendet werden kann. Dies gilt insbesondere für den Fall nachträglich erkannter Betriebsstätten, für welche i.d.R. die zur Anwendung der direkten Methode notwendigen Einzelinformationen fehlen. Darüber hinaus ist auf die fortschreitende Tendenz der OECD zur „Aufweichung“ des Betriebsstättenbegriffs hinzuweisen.1 Diese bezieht sich auch auf eine Etablierung der sog. Dienstleistungsbetriebsstätte,2 welche die Fiktion einer Betriebsstätte als alternativen und subsidiären Ersatztatbestand zu Art. 5 Abs. 1 OECD-MA definiert. Wird insoweit abkommensrechtlich eine Betriebsstätte „fingiert“, welche gerade nicht hinsichtlich ihres Wertschöpfungs- bzw. Tätigkeitsumfangs ein „eigenständiges und unabhängiges“ Unternehmen darstellen kann, wird im Hinblick auf die Gewinnabgrenzung nach Art. 7 Abs. 2 von diesem ausgegangen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass sowohl hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen der Betriebsstätte als auch hinsichtlich ihrer Gewinnabgrenzung mit Fiktionen gearbeitet wird. Dass dies zu praktischen Anwendungsschwierigkeiten führt, liegt auf der Hand. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie der Gewinn einer Betriebsstätte, die über kein Personal verfügt (z.B. Server, Pipeline oder Automat) nach dem AOA bestimmt werden soll (vgl. Rz. 15).3 Buchführungspflicht bei ausländischen Betriebsstätten. Für den Fall eines im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Unternehmens mit einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte erfassen § 238 HGB sowie §§ 140 und 141 AO nicht nur die inländischen Einkünfte; beide Vorschriften beziehen sich vielmehr auf das Gesamtunternehmen, sodass die durch die ausländische Betriebsstätte realisierten Geschäftsvorfälle in der inländischen Buchführung (des Gesamtunternehmens) zu erfassen sind.4 Im deutschen Verfahrensrecht existieren – außerhalb der Verpflichtung zur Erstellung einer Hilfs- und Nebenrechnung gem. § 3 BsGaV (vgl. Rz. 122) – keine Vorschriften, die den unbeschränkt Steuerpflichtigen zur Erstellung einer gesonderten Betriebsstättenbuchführung verpflichten.5 Allerdings wird sich häufig eine Buchführungspflicht nach ausländischem Recht ergeben. In diesem Zusammenhang müssen die Ergebnisse der nach ausländischem Recht erstellten Betriebsstättenbuchführung in die Buchführung des inländischen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die inländische Besteuerung von Bedeutung sind (§ 146 Abs. 2 Satz 3 AO). Dabei sind sämtliche Positionen der ausländischen Betriebsstättenbuchführung – soweit erforderlich – an die inländischen steuerlichen Vorschriften anzupassen und die entsprechenden Anpassungen kenntlich zu machen (§ 146 Abs. 2 Satz 4 AO).6 Ferner ist – soweit notwendig – eine Währungsumrechnung durchzuführen (vgl. Rz. 188 ff.).

120

Inländische Betriebsstätten. Unterhält ein im Ausland ansässiges Unternehmen im Inland eine Betriebsstätte, besteht handelsrechtlich gem. §§ 238 ff. HGB eine Buchführungspflicht, wenn diese als Zweigniederlassung gem. § 13d HGB7 einzustufen ist. In diesem Fall besteht nach § 140 AO auch eine – daraus abgeleitete – steuerliche Buchführungspflicht.8 Eine nach ausländischem Recht ggf. ebenfalls bestehende Buchführungspflicht ist für die inländische Besteuerung ohne Bedeutung.9 Wird im Inland keine Zweigniederlassung i.S.d. § 13d HGB begründet, ergibt sich eine Buchführungspflicht, wenn die Größenmerkmale des § 141 AO überschritten werden. Die in der Vorschrift genannten Beträge beziehen sich auf die inländische Betriebsstätte und nicht auf das gesamte internationale Einheitsunternehmen.10

121

1 Vgl. zu Einzelheiten Kahle/Braun, Ubg 2018, 365 ff.; Kraft/Hentschel/Apler, Ubg 2017, 322; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1172 f.); Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 ff.; Reiser/Cortez, IStR 2013, 6 ff. 2 Vgl. auch Art. 5 Rz. 42.23 OECD-MK. 3 Vgl. dazu auch Melhem/Dombrowski, IStR 2015, 912 (916 ff.); Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1105 (1109); Nientimp/Ludwig/Stein, IWB 2014, 815 (817). 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.1.4.2; Busch in W/A/D2, Rz. 13.15 m.w.N. 5 Vgl. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 6 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.4.2; Busch in W/A/D2, Rz. 13.16. 7 Vgl. zum Begriff Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 49 f. m.w.N. 8 Vgl. zu Einzelheiten Busch in W/A/D2, Rz. 13.12. 9 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57. 10 Vgl. Busch in W/A/D2, Rz. 13.13.

Ditz

473

Art. 7 (2008) Rz. 122

Unternehmensgewinne

122

Erstellung einer Hilfs- und Nebenrechnung. Gemäß § 3 BsGaV ist das Ergebnis einer Betriebsstätte für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen,1 mittels einer Hilfs- und Nebenrechnung zu ermitteln.2 Dazu ist gem. § 3 Abs. 1 BsGaV zu Beginn eines Wirtschaftsjahrs eine Hilfs- und Nebenrechnung aufzustellen, während des Wirtschaftsjahrs fortzuschreiben und zum Ende des Wirtschaftsjahrs abzuschließen. Dies gilt gem. § 3 Abs. 5 BsGaV nicht für Betriebsstätten eines Unternehmens, die weder nach inländischem noch nach ausländischem Recht buchführungspflichtig sind und tatsächlich keine Bücher führen (z.B. Freiberufler). In diesem Fall ist das Ergebnis der Betriebsstätten anhand einer Einnahmenüberschussrechnung i.S.d. § 4 Abs. 3 EStG zu bestimmen.3 Die Hilfs- und Nebenrechnung beinhaltet gem. § 3 Abs. 2 BsGaV alle Bestandteile, die der Betriebsstätte aufgrund ihrer Personalfunktionen zuzuordnen sind.4 Allerdings gilt dies für Vermögenswerte nur, wenn sie von einem rechtlich selbständigen Unternehmen in der steuerlichen Gewinnermittlung erfasst würden. Die Einschränkung betrifft damit u.a. die Bilanzierungsverbote des § 5 Abs. 2–5 EStG. Beispielsweise können immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens aufgrund des Bilanzierungsverbots des § 5 Abs. 2 EStG in der Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte nur erfasst werden, wenn diese entgeltlich erworben wurden. Als entgeltlicher Erwerb gilt auch eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung.5 Infolgedessen wird die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte letztlich auch für bilanzielle Zwecke umgesetzt. Neben den Vermögenswerten beinhaltet die Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2–4 BsGaV das Dotationskapital, die übrigen Passivposten, die damit zusammenhängenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben sowie die fiktiven Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben.6 Nach den VWG BsGa ist die Hilfs- und Nebenrechnung nach inländischen Bilanzregeln laufend fortzuschreiben.7

123

Anzeigepflichten. Die Gründung einer Betriebsstätte ist sowohl im Inlands- (§ 138 Abs. 1 Satz 1 AO) als auch im Auslandsfall (§ 138 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AO) gegenüber der Gemeinde (Inlandsfall) bzw. dem zuständigen FA (Auslandsfall) anzuzeigen.8 Kommt ein Unternehmen seiner Anzeigepflicht gem. § 138 Abs. 2 AO vorsätzlich oder leichtfertig nicht nach, besteht nach Auffassung der Finanzverwaltung eine Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO, die – vorbehaltlich des § 378 AO – mit einer Geldbuße bis zu 5.000 Euro geahndet werden kann.9 2. Funktionsanalyse als Ausgangspunkt

124

Zentrale Stellung der Funktionsanalyse. Die Funktionsanalyse nimmt innerhalb der internationalen Einkünfteabgrenzung – unabhängig von der Rechtsform – eine zentrale Stellung ein (vgl. Art. 9 Rz. 67 f.). Insofern sieht § 1 Abs. 1 BsGaV zutreffend die Funktionsanalyse als Ausgangspunkt der Betriebsstättengewinnermittlung vor. Dies entspricht der Auffassung der OECD10 und der Finanzverwaltung11 (vgl. Rz. 199 für den Bereich der Produktion und Rz. 202 für den Bereich des Vertriebs). Ziel der Funktionsanalyse ist die detaillierte Untersuchung der von den betrieblichen Teileinheiten wahrgenommenen Funktionen (vor allem in Form der Personalfunktionen) und Risiken.12 Nach Auffassung der OECD soll die Funktionsanalyse dabei eng an den Vorgaben der OECD-Leitlinien 2010 für verbundene Unternehmen erfolgen (vgl. Art. 9 Rz. 36 ff. u. 68 f.; vgl. auch Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 2008).13 Hierbei steht nach Auffassung der OECD die Identifikation und Analyse der „wesentlichen Personalfunktionen“ im Vordergrund (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 23), d.h. die Frage, welche Personen in welchen betrieblichen Teileinheiten des Unternehmens welche Aktivitäten wahr1 Vgl. § 40 BsGaV. 2 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 51; zu Einzelheiten vgl. Busch in W/A/D2, Rz. 13.41 ff.; Kahle/Kindich, GmbHR 2017, 341 (345 ff.). 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 70. 4 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 58 bis 62; zu Einzelheiten vgl. Busch in W/A/D2, Rz. 13.44 ff. 5 Vgl. BR-Drucks. 401/14 v. 28.8.2014, 52; BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 59. 6 Vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 BsGaV. 7 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 52. 8 Vgl. zu Einzelheiten Busch in W/A/D2, Rz. 13.1 ff. 9 Zu Einzelheiten vgl. BMF v. 15.4.2010 – IV B 5 - S 1300/07/10087 – DOK 2009/0286671, BStBl. I 2010, 346; Busch in W/A/D2, Rz. 13.7. 10 Vgl. Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 2008; Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 86 u. 89 ff.; Art. 7 Rz. 21 OECD-MK 2010; OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 60 ff.; Kroppen in FS Herzig, 1071 (1075 ff.). 11 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 26; v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.3.1.; v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.5.1. 12 Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BsGaV. 13 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 87 f.

474

Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 126 Art. 7 (2008)

nehmen (vgl. Rz. 100; vgl. auch Art. 7 Rz. 91 OECD-MK 2008).1 Dies entspricht § 1 Abs. 2 Nr. 1 BsGaV, wonach der Betriebsstätte ausgehend von der Funktions- und Risikoanalyse Personalfunktionen zuzuordnen sind (vgl. Rz. 128). Der Begriff der Personalfunktion ist von zentraler Bedeutung, entscheidet er doch darüber, welche Wirtschaftsgüter, Vermögenswerte, Chancen und Risiken,2 welches Dotationskapital,3 welche Passivposten4 und welche Geschäftsvorfälle5 der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Gewinnabgrenzung der Höhe nach. Aus der Funktionsanalyse ergibt sich auch eine unmittelbare Konsequenz für die Frage der Gewinnabgrenzung der Höhe nach. Denn insbesondere die Bestimmung von Verrechnungspreisen für unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen (vgl. Rz. 159 ff.) hat sich maßgeblich an den von den betrieblichen Teileinheiten ausgeübten Funktionen und den ihnen zugeordneten Wirtschaftsgütern und Risiken auszurichten. Hintergrund einer solchen Vorgehensweise ist der dem Fremdvergleich immanente Grundsatz, dass der von einem unabhängigen Unternehmen für eine Leistung geforderte Preis umso höher ist, je mehr Funktionen und Risiken von diesem wahrgenommen bzw. je wertvollere Wirtschaftsgüter von diesem eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der Funktionsanalyse eine Unternehmenscharakterisierung vorzunehmen, wobei zwischen Routinefunktionen, strategischen Funktionen und „Mittelfunktionen“ unterschieden werden kann (vgl. Art. 9 Rz. 69). Im Ergebnis bilden damit der Umfang und die Art der wahrgenommenen Funktionen, die daraus resultierenden Risiken sowie der damit einhergehende Kapitaleinsatz die für die Bestimmung von Verrechnungspreisen für unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen determinierenden Faktoren. Darüber hinaus stellt der einer betrieblichen Teileinheit zugeordnete Gewinn – genauso wie der für eine Leistung entgoltene Verrechnungspreis – ein Äquivalent für die von der entsprechenden betrieblichen Teileinheit wahrgenommenen Funktionen und Risiken dar. Infolgedessen sind einer betrieblichen Teileinheit, die nur geringe Funktionsbeiträge zum gesamten Leistungserstellungsprozess leistet (z.B. sog. Routinefunktionen), geringere Gewinne zuzuordnen als einer betrieblichen Teileinheit, die einen wesentlichen Beitrag zur Gesamtwertschöpfung des Unternehmens leistet. Eine in diesem Verständnis verstandene Funktionsanalyse hat auch eine verteilungsgerechte Aufteilung von Besteuerungsrechten nach dem Äquivalenzprinzip zur Folge.6

125

Zuordnung von Risiken. Eine der wesentlichen Schwierigkeiten der Betriebsstättengewinnabgrenzung resultiert daraus, dass im Rahmen dieser zu berücksichtigende Risiken rechtlich nur für das Unternehmen insgesamt und nicht für einzelne betriebliche Teileinheiten entstehen können.7 Insofern kann die Zuordnung von Risiken nur losgelöst von der rechtlichen Risikoträgerschaft durch den Unternehmer im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und unter Berücksichtigung der ausgeübten Personalfunktionen8 (vgl. Rz. 128) erfolgen. Während zwischen verbundenen Unternehmen i.d.R.9 die vertraglichen Abreden Grundlage der Zuordnung von Risiken zwischen den Vertragsparteien bilden, kann eine solche Vorgehensweise aufgrund der zivilrechtlichen Einheit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (vgl. Rz. 92) nicht auf die Gewinnabgrenzung im internationalen Einheitsunternehmen übertragen werden. Auch die Forderung, im Rahmen der Erstellung von Eigenbelegen eine seitens des Steuerpflichtigen gewünschte Risikozuordnung zu dokumentieren,10 ist zu weitgehend. Die Zuordnung von Risiken zu den betrieblichen Teileinheiten hat sich vielmehr an funktionalen Gesichtspunkten, d.h. den ausgeübten Personalfunktionen, auszurichten. Der Betriebsstätte sind somit diejenigen Risiken zuzuordnen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den von ihr ausgeübten Funktionen stehen.11 Infolgedessen ist etwa im Hinblick auf die Produktionsfunktion zwischen abhängigen und unabhängigen Produktions-Betriebsstätten zu unterscheiden (vgl. Rz. 199 f.). Während der unabhängigen Produktions-Betriebsstätte z.B. das Auslastungsrisiko und das Beschaffungsrisiko zuzuordnen sind, können entsprechende Risiken einer abhängigen Produktions-Betriebsstätte nicht zugeordnet werden. Eine solche Zuordnung von Risiken nach funktionalen Gesichtspunkten ergibt sich aus dem Grundsatz des Fremdvergleichs. So ist davon auszugehen, dass fremde Dritte i.d.R. Risiken nur dann zu

126

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Förster, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1929 (1930). Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. §§ 4 ff. BsGaV. Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. §§ 12 f. BsGaV. Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 14 BsGaV. Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 9 BsGaV. Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.3. Vgl. dazu etwa Wassermeyer, IStR 2004, 733 ff. Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BsGaV. Im Übrigen kann sich eine Risikoverteilung auch aus gesetzlichen Vorschriften (z.B. Produkthaftung) ergeben. So Kroppen, IStR 2005, 74 (74) und Kroppen in FS Herzig 1071 (1086 ff.) mit der Forderung nach „Pro-FormaVerträgen“. 11 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 97 u. 99 f. unter Verweis auf die „wesentlichen Personalfunktionen“.

Ditz

475

Art. 7 (2008) Rz. 126

Unternehmensgewinne

tragen bereit sind, wenn sie über diese entscheiden und sie kontrollieren können.1 Die eigene Beeinflussung der Risiken ist allerdings nur möglich, wenn das entsprechende Unternehmen (Personal) die Funktion, aus der das Risiko resultiert, tatsächlich innehat. Darüber hinaus setzt die funktionale Zuordnung von Risiken nach Maßgabe der Möglichkeiten ihrer Beeinflussung den Einsatz von Entscheidungsträgern in der betreffenden betrieblichen Teileinheit voraus. Nur Menschen als Entscheidungsträger können letztlich auf identifizierte Risiken reagieren, Maßnahmen zu deren Vermeidung einleiten und sie somit beeinflussen. Vor diesem Hintergrund ist das Abstellen auf die „Personalfunktionen“ im Hinblick auf die Allokation von Risiken überzeugend (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 24).2 3. Zuordnung von Vermögenswerten 127

Auffassung der OECD. Während der OECD-MK 2008 (vgl. Rz. 103) nicht konkret auf die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte eingeht, beschäftigt sich der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 im Zusammenhang mit der Auslegung des AOA (vgl. Rz. 99 ff.) intensiv mit dieser Frage (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 25).3 Nach Auffassung der OECD ist im Rahmen der Zuordnung von Vermögenswerten („Assets“) das wirtschaftliche Eigentum entscheidend, wobei auf die durch die Betriebsstätte wahrgenommenen Funktionen und Risiken abzustellen ist.4 Diese funktionale Betrachtungsweise findet ihre Konkretisierung in den wesentlichen Mitarbeiterfunktionen (sog. „significant people functions“); dabei ist zwischen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern bzw. Vermögenswerten5 zu unterschieden:6 Materielle Wirtschaftsgüter sind i.d.R. derjenigen betrieblichen Teileinheit zuzuordnen, in der sie genutzt werden. Wird z.B. eine Maschine ausschließlich in der Betriebsstätte genutzt, soll sie dieser zugeordnet werden.7 Neben der ausschließlichen Zuordnung zu einem Unternehmensteil sind nach Auffassung der OECD eine Aufteilung des Eigentums an einem Wirtschaftsgut und folglich die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zu mehreren Unternehmensteilen zulässig (vgl. Rz. 162 und 178).8 Im Hinblick auf immaterielle Vermögenswerte unterscheidet die OECD zwischen selbst erstellten9 und erworbenen,10 ohne indessen wesentliche Unterschiede herauszuarbeiten. Bei selbst erstellten immateriellen Vermögenswerten ist entscheidend, in welchem Unternehmensteil die wesentlichen Personalfunktionen in Bezug auf das immaterielle Wirtschaftsgut ausgeübt werden. Die wesentlichen Personalfunktionen werden dabei als die aktive Entscheidung, das Entwicklungsrisiko des immateriellen Vermögenswerts zu tragen und dieses Risiko zu verwalten, definiert.11 Infolgedessen ist es denkbar, immaterielle Vermögenswerte, welche in einer Forschungsbetriebsstätte entwickelt werden, dem Stammhaus zuzuordnen, wenn in diesem die wesentlichen Entscheidungen im Hinblick auf die Entwicklung getroffen werden und die Betriebsstätte faktisch als reiner Auftragsentwickler oder -forscher agiert.12 Auf den Ort der Nutzung des immateriellen Vermögenswerts kommt es daher nicht an. Auch im Hinblick auf erworbene immaterielle Vermögenswerte sind die wesentlichen Personalfunktionen das maßgebliche Kriterium ihrer Zuordnung. Hierbei ist auf die Entscheidung über die Übernahme und die Verwaltung der im Zusammenhang mit dem Erwerb des immateriellen Vermögenswerts entstehenden Risiken abzustellen.13 Schließlich geht die OECD explizit auf marketingbezogene immaterielle Vermögenswerte („Marketing Intangibles“), wie z.B. den Firmennamen, ein Logo oder eine Marke, ein. Auch insoweit soll eine Zuordnung auf Basis der wesentlichen Personalfunktionen erfolgen, wobei der Schaffung und der Kontrolle von Strategien zur Markenpolitik, dem Schutz von Marken und Firmennamen und der Aufrechterhaltung des immateriellen Wirtschaftsguts besondere Bedeutung zukommt.

128

Zuordnung von Vermögenswerten nach der maßgeblichen Personalfunktion. Der Frage der Zuordnung von Vermögenswerten (d.h. gem. § 2 Abs. 6 Satz 1 BsGaV Wirtschaftsgüter und Vorteile)14 zu einer Betriebsstätte kommt im Rahmen der Gewinnabgrenzung eine erhebliche Bedeutung zu. Denn in diesem Zu1 Vgl. Rz. 9.23 OECD-Leitlinien 2010. 2 So § 1 Abs. 2 Nr. 2 BsGaV. 3 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 101und dazu auch Kroppen in FS Herzig, 1071 (1077 f.); Förster, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1929 (1931). 4 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 101. S. dazu auch Kaeser, ISR 2012, 63 (66). 5 Vgl. zur Begriffsabgrenzung Ditz in W/A/D2, Rz. 6.157 ff. 6 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 104 f. 7 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 104. 8 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 101. 9 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 105 ff. u. 114 ff. 10 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 123 ff. 11 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 105 u. 107. 12 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 118 u. 121. 13 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 125. 14 Vgl. dazu Ditz in W/A/D2, Rz. 6.157 ff.; Kußmaul/Delarber/Müller, IStR 2014, 466 (469).

476

Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 129 Art. 7 (2008)

sammenhang wird nicht nur das Betriebsvermögen der Betriebsstätte definiert, sondern auch über die Zuordnung der von den Vermögenswerten ausgehenden Ertrags- und Aufwandswirkungen entschieden. Darüber hinaus kann die Zuordnung von Vermögenswerten – insbesondere bei Personengesellschaften – Auswirkungen auf die Qualifikation der Einkunftsart haben. Im Rahmen der Zuordnung von Vermögenswerten scheidet das zivilrechtliche Eigentum als Kriterium aus, da die Betriebsstätte zivilrechtlich ein unselbständiger Teil des Gesamtunternehmens ist (vgl. Rz. 92).1 Maßgeblich ist vielmehr das wirtschaftliche Eigentum.2 Dieses ist anhand der maßgeblichen Personalfunktionen zu bestimmen.3 Je nach Art des Vermögenswerts wird die für die Zuordnung maßgebliche Personalfunktion durch die BsGaV bestimmt.4 Die jeweilige Zuordnungsregel wird allerdings durch Öffnungsklauseln eingeschränkt: Von der Zuordnung der Vermögenswerte mittels der grundsätzlich maßgeblichen Personalfunktion ist danach abzuweichen, wenn eine andere als die grundsätzlich maßgebliche Personalfunktion hinsichtlich ihrer Bedeutung eindeutig überwiegt. Aus der Begründung zu § 2 Abs. 5 BsGaV ergibt sich, dass mit „Bedeutung“ in erster Linie die wirtschaftliche Bedeutung gemeint ist. Die „Größe“ der wirtschaftlichen Bedeutung kann sowohl anhand von quantitativen als auch qualitativen Gesichtspunkten gemessen werden. Die konkrete Vorgehensweise soll vom jeweiligen Sachverhalt abhängig sein. § 2 Abs. 3 Satz 1 BsGaV definiert eine Personalfunktion als „eine Geschäftstätigkeit, die von eigenem Personal des Unternehmens für das Unternehmen ausgeübt wird.“ § 2 Abs. 3 Satz 2 BsGaV enthält eine beispielhafte Aufzählung von Geschäftstätigkeiten, jedoch ist diese nicht abschließend.5 Dazu gehören die Nutzung, die Anschaffung, die Herstellung, die Verwaltung, die Veräußerung, die Weiterentwicklung, der Schutz, die Risikosteuerung und die Entscheidung, Änderungen hinsichtlich von Chancen und Risiken vorzunehmen. § 4 BsGaV und die VWG BsGa, Rz. 71–75 regeln die Zuordnung von Personalfunktionen.6 Die Vorschrift entscheidet daher darüber, welchem Unternehmerteil materielle Wirtschaftsgüter,7 immaterielle Werte,8 Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnliche Vermögenswerte,9 sonstige Vermögenswerte10 sowie Geschäftsvorfälle11 zuzuordnen sind.12 Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BsGaV kommt es für die Zuordnung der Personalfunktion auf den Ort der Ausübung der Personalfunktion an. § 4 BsGaV regelt damit die in § 1 Abs. 5 AStG offene Frage nach dem maßgeblichen Zuordnungskriterium von Personalfunktionen. Der Verordnungsbegründung ist insoweit zuzustimmen, als mit dem örtlichen Bezug ein relativ einfaches Zuordnungskriterium für Personalfunktionen festgelegt wurde. Dabei kann eine Personalfunktion sowohl vom Stammhaus als auch von der Betriebsstätte ausgeübt werden, was dazu führen kann, dass sowohl dem Stammhaus als auch der Betriebsstätte dieselben Personalfunktionen zuzuordnen sind. Für die Möglichkeit der Ausübung von Personalfunktionen durch das Stammhaus oder die Betriebsstätte bzw. verschiedene Betriebsstätten desselben Stammhauses spricht auch § 6 Abs. 4 Satz 2 BsGaV, der explizit eine anteilige Zuordnung von immateriellen Werten zulässt. Eine anteilige Zuordnung von immateriellen Werten kann – entgegen der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung13 – nur erfolgen, wenn sowohl vom Stammhaus als auch von der Betriebsstätte dieselbe Personalfunktion ausgeübt wird.14 Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach der Rechtsprechung. Nach der Rechtsprechung des BFH zur Rechtslage vor Aufnahme des AOA in § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV (vgl. Rz. 109 f. sind – unter Berücksichtigung des Veranlassungsprinzips (i.S. einer tatsächlichen Zugehörigkeit) und seiner Konkretisierung durch den Fremdvergleichsgrundsatz15 – der Betriebsstätte die Wirtschaftsgüter zuzuordnen, die ihr in Bezug auf die von ihr ausgeübten Funktionen dienen.16 Zuordnungskriterium ist die Notwendigkeit eines Wirtschaftsguts für die von der Betriebsstätte ausgeübten Funktionen. Unter Berücksichtigung der funktionalen Betrachtungsweise sind nach Auffassung des BFH der Betriebsstätte insbesondere solche Wirtschafts1 Vgl. auch Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (151); Kaeser, ISR 2012, 63 (64 f.). 2 Vgl. auch Wassermeyer, IStR 2012, 277 (278 f.). 3 Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 BsGaV; BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 39. 4 Zu einem Überblick vgl. Haverkamp, ISR 2017, 33 (35). 5 Vgl. BR-Drucks. 401/14 v. 28.8.2014, 46. 6 Vgl. zu Einzelheiten Andresen in W/A/D2, Rz. 4.46 ff. 7 § 5 BsGaV. 8 § 6 BsGaV. 9 § 7 BsGaV. 10 § 8 BsGaV. 11 § 9 BsGaV. 12 Zu den Sonderproblemen bei „personallosen“ Betriebsstätten vgl. Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1105 (1109); Nientimp/Ludwig/Stein, IWB 2014, 815 (817). 13 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4 Abs. 1. 14 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 101. 15 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. 16 Vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 29.11.2000 – I R 84/99, HFR 2001, 1053.

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477

129

Art. 7 (2008) Rz. 129

Unternehmensgewinne

güter zuzuordnen, die ein selbständiger Gewerbebetrieb am gleichen Ort und unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen zur Erzielung eines vergleichbaren Geschäftserfolgs benötigt.1 Dies sind diejenigen Wirtschaftsgüter, die der Betriebsstätte tatsächlich dienen;2 mit anderen Worten: mit deren Hilfe der Betriebsstättengewinn erwirtschaftet wird.3 Unter Berücksichtigung dieser von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze ist nach Auffassung der Finanzverwaltung von einem funktionalen Zusammenhang mit der Betriebsstätte insbesondere für Wirtschaftsgüter auszugehen, die zur „ausschließlichen Verwertung und Nutzung durch die Betriebsstätte bestimmt sind.“4 Eine solche Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach dem Veranlassungsprinzip wird in den meisten Fällen dem Kriterium der maßgeblichen Personalfunktionen, wie es in § 2 Abs. 3 und 5 sowie §§ 5 ff. BsGaV definiert wird, entsprechen. Dies ist aber nicht sichergestellt,5 weil die Kriterien der „Verwertung und Nutzung“ einerseits und „wesentliche Personalfunktionen“ andererseits zu unterschiedlichen Zuordnungsentscheidungen führen können. Die Finanzverwaltung unterstellt hingegen, dass die Zuordnungsregeln der §§ 5 ff. BsGaV auch im Anwendungsbereich der Entstrickungsvorschriften gelten6 und infolgedessen das Veranlassungsprinzip (alte Rechtslage) und der AOA mit den maßgeblichen Personalfunktionen (neue Rechtslage) zu demselben Zuordnungsergebnis führen.7 Dies gilt z.B. für die Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter, bei welchen das „Nutzen“ und die „Entscheidungen über die Risiken“ durchaus bei unterschiedlichen Unternehmensteilen liegen können. 130

Zentralfunktion des Stammhauses. Eine zwingende Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Stammhaus steht im Widerspruch zum Veranlassungsprinzip8 und dem Prinzip der maßgeblichen Personalfunktionen.9 Infolgedessen kann es eine wie immer geartete Zentralfunktion des Stammhauses nicht geben, da die Funktionsaufteilung des Unternehmens in der Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen steht.10 Eine solche pauschale Zuordnungsregelung wird auch modernen Organisationsformen international agierender Unternehmen nicht gerecht. Dies gilt z.B. für ein Financial Treasury mit einem zentralen Management von Finanzmitteln oder für eine zentrale Verwaltung von Beteiligungen im Rahmen einer Holding-Betriebsstätte. Schließlich ist die von der Finanzverwaltung praktizierte Vorgehensweise nicht mit einer Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach den Grundsätzen der OECD vereinbar (vgl. Rz. 127).11

131

Zuordnung materieller Wirtschaftsgüter. Materielle Wirtschaftsgüter (z.B. Anlagevermögen, Roh-, Hilfsund Betriebsstoffe, unfertige Erzeugnisse und fertige Erzeugnisse) können i.d.R. auf der Grundlage eines funktionalen Zusammenhangs dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet werden. Damit sind materielle Wirtschaftsgüter i.d.R. dem Unternehmensteil zuzuordnen, in dem sie sich befinden und von dem sie genutzt werden.12 Dies entspricht der Auffassung der OECD im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 (vgl. Rz. 99) und § 5 Abs. 1 Satz 1 BsGaV, wonach bei materiellen Wirtschaftsgütern deren Nutzung die maßgebliche Personalfunktion ist.13 Es ist auch eine anteilige Zuordnung materieller Wirtschaftsgüter denkbar, z.B. wenn ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens (z.B. eine Maschine) in mehreren Unternehmensteilen regelmäßig genutzt wird.

132

Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter. Unter Berücksichtigung einer Zurechnung nach funktionalen Gesichtspunkten hat der BFH in seinem Urt. v. 8.9.201014 entschieden, dass für die Zuordnung von Markenrechten allein entscheidend ist, „wo und von wo aus die Lizenzrechte verwaltet und vermarktet“ werden. Damit stellt der BFH nicht auf die Nutzung der entsprechenden Markenrechte ab, sondern orientiert sich an markenrechtlichen („verwalten“) sowie marketingspezifischen („vermarkten“) Gesichtspunkten. Insoweit kann durchaus eine Parallele zur Auffassung der OECD gesehen werden, wonach immaterielle Wirtschaftsgüter auf Basis der „wesentlichen Personalfunktionen“ zuzuordnen sind (hier: verwaltungs- und vermark1 2 3 4 5 6 7

8 9 10 11 12 13 14

Vgl. BFH v. 21.1.1972 – III R 57/71, BStBl. II 1972, 374; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. Vgl. BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964. Vgl. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5-S 1341/07/10004 – DOK2009/0421117, BStBl. I 2009, 888, Tz. 2.4. Vgl. Kaeser, ISR 2012, 63 (67); Ditz, ISR 2013, 261 (264). Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 20. Die Finanzverwaltung vertritt allerdings in BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, die Auffassung, dass „im Grundsatz“ die Vorschriften des § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. §§ 5–8 BsGaV mit der Zuordnung nach einem funktionalen Zusammenhang übereinstimmen; vgl. dazu auch Hruschka, DStR 2014, 2421 (2425); Hruschka, IStR 2014, 785 (789 f.). Vgl. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. Gl.A. Kessler/Jehl, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1982; Breuninger in FS Schaumburg, 587 (606 f.). Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/A/D2, Rz. 6.281; Kahle/Kindich, GmbHR 2017, 341 (345). So auch Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (153). Vgl. Andresen in W/A/D2, Rz. 4.79 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 104. Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138.

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 134 Art. 7 (2008)

tungsspezifische Entscheidungen). Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass die Rspr. des BFH zur Konkretisierung eines Veranlassungszusammenhangs bzw. einer „tatsächlichen Zugehörigkeit“ bislang in keiner Entscheidung auf „wesentliche Personalfunktionen“ abgestellt hat. Nach neuer Rechtslage ist für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, die maßgebliche Personalfunktion bei der Zuordnung eines immateriellen Werts i.S.d. § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 i.V.m § 6 BsGaV dessen Schaffung oder Erwerb.1 Aus der Begründung des § 6 Abs. 2 BsGaV ergibt sich, dass bei der Festlegung der maßgeblichen Personalfunktion nicht nur auf Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten abzustellen ist, sondern auch sekundierende Tätigkeiten – z.B. die Gestaltung von Prüfanforderungen und Prüfverfahren, Datenanalysen, die Bestimmung von Entwicklungsphasen – mit in die Beurteilung einzufließen haben.2 In praxi wird wohl nur in Ausnahmefällen eine solche sekundierende Tätigkeit bedeutender als Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen zur Bestimmung der maßgeblichen Personalfunktion sein.3 Im Rahmen von immateriellen Werten lässt § 6 Abs. 4 BsGaV auch eine anteilige Zuordnung zu verschiedenen Betriebsstätten zu.4 Damit gibt die Finanzverwaltung ihre bisherige Auffassung, dass Wirtschaftsgüter entweder dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet werden müssen, hinsichtlich immaterieller Werte auf.5 Offen bleibt, anhand welcher Kriterien eine anteilige Zuordnung erfolgen soll.6 Zuordnung von unbeweglichem Vermögen. Unbewegliches Vermögen (insbesondere Grundstücke) sind regelmäßig dem Unternehmensteil zuzuordnen, der in dem Staat der Belegenheit des unbeweglichen Vermögens liegt. Dies auch deswegen, weil Art. 6 – anders als Art. 10, 11, 12, 13 und 21 – keine Rückverweisungsklausel auf Art. 7 enthält.7

133

Zuordnung von Beteiligungen. Der BFH wendet zutreffend im DBA-Fall für die Zuordnung von Beteiligungen das Kriterium des funktionalen Zusammenhangs bzw. der wirtschaftlichen Zugehörigkeit an:8 – Im BFH-Urt. v. 26.2.19929 ging es im Kern um die Frage, ob die Anteile an der Komplementär-GmbH einer inländischen GmbH & Co. KG dem (inländischen) Betriebsstättenvermögen des zugleich als Kommanditisten beteiligten Schweizer Gesellschafters für Zwecke des DBA-Schweiz zuzuordnen ist. Diese Frage wurde durch den BFH bejaht. Denn die Komplementär-GmbH übte fast ausschließlich die Geschäftsleitung der Personengesellschaft aus, sodass das Kriterium der tatsächlichen Zugehörigkeit erfüllt sei. – Im Urt. v. 17.12.200310 hat der BFH die Zuordnung von Beteiligungen an luxemburgischen Kapitalgesellschaften (in Form von Grundstücksbesitz- und Tankstellenbetriebsgesellschaften) zu einer luxemburgischen Betriebsstätte einer geschäftsleitenden Holding-GbR verneint. Denn der Holding-GbR kam im Urteilsfall lediglich die Funktion zu, die einzelnen Arbeitsabläufe zu kontrollieren und zu koordinieren und dadurch Synergieeffekte – insbesondere beim Wareneinkauf – zu nutzen. Ihre Aufgaben waren darüber hinaus die Wahrnehmung von Personalangelegenheiten, Fragen der Preispolitik, der Werbung, der Öffentlichkeitsarbeit, des Vertriebs sowie der Unternehmensstrategie. Darin sah der BFH lediglich eine unterstützende Tätigkeit für die Kapitalgesellschaften, was für eine Zuordnung zur luxemburgischen Holding-Betriebsstätte nicht ausreiche, da hierfür die Beteiligungen tatsächlich von der Betriebsstätte hätten genutzt werden und zu deren Ergebnis hätten beitragen müssen. Auch insoweit wurde die funktionale und tätigkeitsbezogene Betrachtungsweise bestätigt.11 Die Entscheidung zeigt, dass bloße Hilfstätigkeiten einer Betriebsstätte nicht genügen, um ihr Beteiligungen funktional zuzuordnen.12 Die Schlussfolgerung, dass Beteiligungen einer Holding-Betriebsstätte grundsätzlich nicht zugeordnet werden können, kann indessen aus der Entscheidung nicht abgeleitet werden.13 Bestätigt wurde hingegen der Grundsatz, dass rechtliche Zuordnungskriterien letztlich keine Rolle spielen.

134

1 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 85. Vgl. dazu Nientimp/Stein/Schwarz/Holinski, BB 2017, 407 ff. 2 Vgl. BR-Drucks. 401/14 v. 28.8.2014, 60 f. 3 Vgl. Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1105 (1110). 4 Vgl. Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1 (6); Kußmaul/Delarber/Müller, IStR 2014, 466 (470). 5 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.4 Abs. 1. 6 Vgl. Andresen in W/A/D2, Rz. 4.95 ff. 7 Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.56. 8 Vgl. auch Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (153 ff.); Kaeser, ISR 2012, 63 (64 ff.); Ditz/Tcherveniachki, DB 2015, 2897 (2898 ff.); Kraft/Hohage, DB 2017, 2565 ff.; Häck, ISR 2015, 113 (114 f.). 9 Vgl. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937. 10 Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. 11 Zur funktionalen Betrachtungsweise vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG Anm. 31 ff. und zu deren sinngemäßer Anwendung siehe Käbisch/Strunk in S/K/K, § 8 AStG Rz. 112; Häck, ISR 2015, 113 (115). 12 Vgl. auch Ditz/Tcherveniachki, DB 2015, 2897 (2901). 13 Vgl. dazu auch Blumers, DB 2007, 312 (314); Blumers, DB 2008, 1765 (1769).

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Art. 7 (2008) Rz. 134

Unternehmensgewinne

– In seiner Entscheidung v. 19.12.20071 hat der BFH eine Zuordnung von Vertriebskapitalgesellschaften zu einer ausländischen (Personengesellschafts-)Betriebsstätte abgelehnt, da diese in keiner Weise eine positive Auswirkung auf die von der niederländischen Personengesellschaft (rein für die Niederlande) ausgeübten Vertriebstätigkeiten hätten und die Beteiligungserträge deshalb auch nicht als Nebenerträge zu dem Gewinn aus der Betriebsstättentätigkeit anzusehen wären. Weiterhin ging der BFH davon aus, dass die niederländische Personengesellschaft keine geschäftsleitenden Holdingfunktionen ausübe und daher die Beteiligungen auch nicht unter Veranlassungsgesichtspunkten und ihrem Funktionszusammenhang der niederländischen Personengesellschaft hätten zugeordnet werden können. Während der BFH in seinem Urt. v. 17.12.20032 in einem obiter dictum noch generelle Zweifel geäußert hat, inwieweit Beteiligungen an Kapitalgesellschaften für abkommensrechtliche Zwecke einer geschäftsleitenden Holdingbetriebsstätte zugeordnet werden können, kann aus der Entscheidung v. 19.12.20073 die Schlussfolgerung gezogen werden, dass unter Veranlassungsgesichtspunkten Kapitalgesellschaftsbeteiligungen sehr wohl einer Betriebsstätte (auch in Form einer Personengesellschaft) funktional zuzuordnen sind, wenn diese eine geschäftsleitende Funktion wahrnimmt und dabei eine aktive Vermögensverwaltung ausübt.4 Dies sollte auch i.S.d. AOA (vgl. Rz. 99 ff.) der OECD sein, wonach die Zuordnung von Wirtschaftsgütern am Kriterium der „wesentlichen Personalfunktionen“ (vgl. Rz. 127) auszurichten ist. Werden demnach in einer geschäftsleitenden Holdingbetriebsstätte Entscheidungen im Hinblick auf Unternehmensbeteiligungen (strategisch und operativ) getroffen, können ihr auch die entsprechenden Beteiligungen zugeordnet werden. Entscheidend sind allerdings die Umstände des Einzelfalls. Das Kriterium für die Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten ist gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 BsGaV deren Nutzung.5 Da die eigentliche Nutzung dieser Vermögenswerte regelmäßig nicht festgestellt werden kann, kommt nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BsGaV der funktionale Zusammenhang zu einer Betriebsstätte zur Anwendung, der im Fall einer Beteiligung z.B. dann vorliegt, wenn die Beteiligung für die Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte von Nutzen ist.6 Die BsGaV steht damit grundsätzlich im Gleichklang zu der vom BFH entwickelten funktionalen Zuordnung.7 Dies sollte auch für den Nicht-DBA-Fall gelten.8 135

Zuordnung von Finanzmitteln. Finanzmittel, welche für den Geschäftsbetrieb einer Betriebsstätte notwendig sind und tatsächlich durch sie verwendet werden (bzw. verwendet werden sollen), sind regelmäßig der Betriebsstätte unter funktionalen Gesichtspunkten zuzuordnen. Finanzmittel, welche von einer Finanzierungs-Betriebsstätte verwaltet werden, sind dieser ebenfalls zuzuordnen. Dies entspricht der Zuordnung nach der maßgeblichen Personalfunktion der Nutzung gem. § 7 Abs. 1 BsGaV.

136

Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Personengesellschaften. Auch bei Personengesellschaften kommt es nach Auffassung des BFH nicht auf die rechtliche Zuordnung des Wirtschaftsguts, sondern nach dem Veranlassungsprinzip auf dessen tatsächliche, wirtschaftliche Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen der Betriebsstätte der Personengesellschaft an; auf § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG kann insoweit nicht abgestellt werden.9 Diese Ansicht ist indessen nicht zwingend: Im Gegensatz zu typischen internationalen Einheitsunternehmen (Stammhaus und Betriebsstätte) stellen Wirtschaftsgüter des zivilrechtlichen Gesamthandsvermögens der Personengesellschaft zivilrechtlich Gesellschaftsvermögen und steuerlich Betriebsvermögen der Personengesellschaft dar. Entgegen der Auffassung des BFH10 können Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens nur einer Betriebsstätte der Personengesellschaft, nicht jedoch einer Betriebsstätte eines einzelnen Mitunternehmers zugeordnet werden.11 Die Personengesellschaft ist – bezogen auf die Einkünfteerzielung, -qualifikation 1 2 3 4 5 6 7

8 9 10 11

Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. Vgl. auch Schönfeld, IStR 2008, 370 ff.; Ditz/Tcherveniachki, DB 2015, 2897 (2900 f.); Häck, ISR 2015, 113 (115); Hruschka, IStR 2016, 437 (439 f.). Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 102. Vgl. Ditz/Tcherveniachki, DB 2015, 2897 (2901); Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1 (5); Andresen in W/A/D2, Rz. 4.108; kritisch ggü. einer nutzungsbezogenen Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1105 (1110). Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 103; BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 29.11.2000 – I R 84/99, DStRE 2001, 600; v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; vgl. auch Häck, ISR 2015, 115 ff.; Ditz/Tcherveniachki, DB 2015, 2897 (2901); Kraft/Hohage, DB 2017, 2565 (2567). Vgl. dazu BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, ISR 2018, 271; Meretzki, ISR 2018, 271 (274). Vgl. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFHE 260, 209; hierzu ausführlich Kahlenberg, IStR 2018, 348 (350 ff.). Vgl. BFH v. 17.8.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. Vgl. Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 9.4.

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 138 Art. 7 (2008)

und Gewinnermittlung – nach innerstaatlichem Recht partielles Steuerrechtssubjekt.1 Dementsprechend ist steuerrechtlich keine Rechtsgrundlage ersichtlich, wonach ein Wirtschaftsgut des Gesamthandsvermögens einer Personengesellschaft vollständig oder anteilig dem Gesellschafterunternehmen „zuzuordnen“ ist. Dies hat der BFH für die Anwendung innerstaatlicher Rechtsnormen zur sog. „Bilanzierungskonkurrenz“ im Sonderbetriebsvermögen für Zwecke des § 2a EStG2 und für Zwecke des § 9 Nr. 2 GewStG3 ausdrücklich entschieden. Hiernach sind die abkommensrechtlichen Anforderungen an die tatsächliche Zugehörigkeit unbeachtlich. Schließlich entspricht es der ständigen Rspr. des BFH, dass das DBA Fragen der Gewinnermittlung nicht regelt (vgl. Rz. 37 ff.). Insofern ist die Gewinnermittlung der Personengesellschaft (einschließlich des ihr zuzuordnenden Betriebsvermögens) streng von der Gewinnermittlung des Gesellschafterunternehmens zu trennen. Handelsrechtlich sind damit Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens der Personengesellschaft nur dann bei dem Gesellschafterunternehmen zu aktivieren, wenn dieser wirtschaftlicher Eigentümer des Wirtschaftsguts ist. Dies gilt sowohl im Rahmen der Handels-4 als auch der Steuerbilanz.5 Im Übrigen ist § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. der BsGaV für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Personengesellschaften in Zusammenhang mit Geschäftsbeziehungen zwischen einem Gesellschafter und seiner Personengesellschaft oder zwischen dem Mitunternehmer und seiner Mitunternehmerschaft nicht anzuwenden.6 4. Zuordnung von Fremd- und Eigenkapital Bedeutung des Dotationskapitals. Zentrales Problem im Rahmen der Bestimmung der Kapitalstruktur ei- 137 ner Betriebsstätte ist die Ermittlung des Dotationskapitals. Als Dotationskapital der Betriebsstätte ist der Anteil am Eigenkapital des Gesamtunternehmens zu verstehen, welcher der Betriebsstätte zuzuordnen ist (Eigenkapital der Betriebsstätte). Rechnerisch bestimmt sich das Dotationskapital der Betriebsstätte aus der Differenz der Summe der Werte der der Betriebsstätte zugeordneten Wirtschaftsgüter abzüglich des ihr zugeordneten Fremdkapitals. Die Frage eines angemessenen Dotationskapitals ist folglich unmittelbar mit der Frage der Zuordnung von Fremdkapital zur Betriebsstätte verbunden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Bestimmung einer angemessenen Kapitalstruktur der Betriebsstätte in der Praxis nur schwer möglich ist.7 Auffassung der OECD. Während der OECD-MK 2008 keine wesentlichen Ausführungen zur Bestimmung 138 des Dotationskapitals der Betriebsstätte enthält,8 widmet sich der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 dieser Thematik in einem umfangreichen Kapitel (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 27).9 Als Grundsatz geht die OECD davon aus, dass der Betriebsstätte genügend Eigenkapital zugeordnet werden muss, damit diese die von ihr wahrgenommenen Funktionen und Risiken sowie die ihr zugeordneten Wirtschaftsgüter angemessen finanzieren kann.10 Die Dotation einer Betriebsstätte mit „freiem Kapital“ („Free Capital“) ist folglich der Zuordnung von Wirtschaftsgütern und Risiken nachgelagert. Mithin basiert sie damit im Wesentlichen auf der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 124 ff.). Hinsichtlich der Ermittlung des Dotationskapitals („freies Kapital“) der Betriebsstätte legt sich die OECD nicht auf eine einzige Methode fest, sondern beschreibt lediglich Prinzipien für seine Ermittlung. In diesem Zusammenhang wird zunächst die Kapitalaufteilungsmethode genannt, wonach das Eigenkapital im Verhältnis der zugeordneten Wirtschaftsgüter und der übernommenen Risiken zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufzuteilen ist.11 Ergibt sich demnach im Rahmen der Funktionsanalyse, dass der Betriebsstätte 10 % der Wirtschaftsgüter und/oder der Risiken des Gesamtunternehmens zuzuordnen sind, ist die Betriebsstätte mit 10 % des gesamten Eigenkapitals des Einheitsunternehmens zu dotieren. Die für die Praxis äußerst relevante Frage der Bewertung der Wirtschaftsgüter und Risiken lässt die OECD indessen weitgehend offen.12 Als weitere Alternative nennt der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 die Fremdvergleichsmethode zur Bestimmung des Dotationskapitals der Betriebsstätte. Danach ist das Dotati1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617. Vgl. BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605. Vgl. BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, BStBl. II 2000, 399. Vgl. § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB. Vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG; § 49 Abs. 2 Nr. 1 AO. Vgl. § 1 Abs. 5 Satz 7 AStG; siehe auch Hruschka, IStR 2016, 437 (438). Vgl. Andresen in W/A/D2, Rz. 4.145; Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 9.18. Art. 7 Rz. 45 OECD-MK 2008 enthält nur sehr oberflächliche Hinweise zur Ermittlung des „freien“ Kapitals. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 130 und insbesondere Rz. 149–206. Vgl. dazu auch Kroppen in FS Herzig, 1071 (1078 ff.); Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 204 ff. 10 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 136 u. 141. 11 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 155 ff. 12 Nach Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 143 f. soll der Ansatz der Buchwerte, der Verkehrswerte oder der historischen Anschaffungskosten möglich sein.

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Art. 7 (2008) Rz. 138

Unternehmensgewinne

onskapital der Betriebsstätte aus der Kapitalstruktur unabhängiger Unternehmen im Betriebsstättenstaat abzuleiten.1 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das Dotationskapital der Betriebsstätte nicht auf das Eigenkapital des Gesamtunternehmens beschränkt wird.2 Im Ergebnis sind die Verlautbarungen der OECD zur Bestimmung des Dotationskapitals der Betriebsstätte nicht überzeugend. Denn sie gewährleisten weder eine Rechtssicherheit noch eine international übereinstimmende Vorgehensweise zur Bestimmung der Kapitalstruktur der Betriebsstätte. Vielmehr zeigen die Ausführungen der OECD, dass es letztlich an einem konkreten Maßstab fehlt. 139

Differenzierung zwischen in- und ausländischen Betriebsstätten. Bis zum Wirksamwerden der BsGaV für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen, gab es keine konkreten Regelungen, wie das Dotationskapital einer Betriebsstätte zu bestimmen ist. Die VWG BS v. 24.12.1999 beschrieben die Kapitalspiegelmethode und den tatsächlichen Fremdvergleich als Methoden zur Bestimmung des Dotationskapitals,3 wobei es nach der Rechtsprechung des BFH dem Steuerpflichtigen freigestanden hat, mit welchem Dotationskapital er seine Betriebsstätte ausstattet.4 Diese Finanzierungsfreiheit des Steuerpflichtigen konnte nur insoweit beschränkt werden, als die unternehmerische Zuordnungsentscheidung missbräuchlich war. Mit der BsGaV wurden dann erstmalig detaillierte Regelungen zur Bestimmung des Dotationskapitals einer Betriebsstätte in das innerstaatliche Recht eingeführt. So sieht § 12 BsGaV bei inländischen Betriebsstätten die Anwendung der Kapitalaufteilungsmethode und § 13 BsGaV bei ausländischen Betriebsstätten die Mindestkapitalausstattungsmethode vor. Diese Regelungen gelten für alle DBA- und Nicht-DBA-Fälle, auch wenn das einschlägige DBA nicht eine Art. 7 OECD-MA 2010 entsprechende Vorschrift enthält.5 Die in der BsGaV vorgesehene Differenzierung zwischen in- und ausländischen Betriebsstätten fußt nicht auf dem AOA, sondern verfolgt fiskalische Interessen: Denn mit einer Höchstdotierung im Outbound-Fall bzw. einer Mindestdotierung im Inbound-Fall wird der einem inländischen Unternehmensteil zuzuordnende Finanzierungsaufwand minimiert.6 Sofern andere Staaten sich einer vergleichbaren Handhabe bedienen, sind Aufteilungskonflikte vorprogrammiert.7 Umstritten ist die Frage, ob die Vorschriften zur Bestimmung des Dotationskapitals auch bei Personengesellschaften Anwendung finden.8

140

Kapitalaufteilungsmethode bei inländischen Betriebsstätten. Nach § 12 Abs. 1 BsGaV ist das Dotationskapital bei inländischen Betriebsstätten nach der Kapitalaufteilungsmethode zu bestimmen. Danach ist der inländischen Betriebsstätte zum Beginn eines Wirtschaftsjahrs derjenige Anteil am Eigenkapital des Unternehmens zuzuordnen, der ihrem Anteil an den Vermögenswerten sowie den Chancen und Risiken im Verhältnis zum übrigen Unternehmen entspricht. Die Höhe des Eigenkapitals des ausländischen Unternehmens ist grundsätzlich nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln, wobei – unter bestimmten Voraussetzungen9 – aus Vereinfachungsgründen auf das eingezahlte Kapital zzgl. der Rücklagen und Gewinnvorträge und abzgl. der Verlustvorträge entsprechend der ausländischen Bilanz des Unternehmens abgestellt werden kann.10 Die für die Kapitalaufteilung maßgeblichen Vermögenswerte sollen mit Werten angesetzt werden, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und die die Chancen und Risiken berücksichtigen.11 Dies ist indessen nicht praktikabel. Daher ist es zu begrüßen, dass nach § 12 Abs. 3 BsGaV Buchwerte oder damit vergleichbare Werte aus den Unterlagen des ausländischen Unternehmens angesetzt werden können, wenn das Unternehmen glaubhaft macht, dass diese Bewertung zu einer Eigenkapitalquote führt, die sich bei einem Ansatz von Fremdvergleichswerten ergebe, oder dass Abweichungen durch Anpassungen ausgeglichen werden, sodass das Ergebnis nicht erheblich von einer Bewertung zu Fremdvergleichswerten abweicht. Nach § 12 Abs. 4 BsGaV soll die Kapitalaufteilungsmethode keine Anwendung finden, wenn das nach ihr bestimmte Dotationskapital dauerhaft zu Ergebnissen führt, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht bereit wäre hinzunehmen. Dies ist z.B. der Fall, wenn aufgrund eines hohen Zinsaufwands die inländische Betriebsstätte dauerhaft Verluste erwirtschaftet.12 Infolgedessen ist – aber nur, wenn das ausländische 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 163 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 168. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.5.1. Vgl. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; FG Nds. v. 10.11.1987 – I 265/82, EFG 1988, 221, nachgehend BFH v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690. Zur Anwendung von § 12 f. BsGaV auf Mitunternehmerschaften vgl. van Lishaut, BB 2018, 791 (791 ff.). Vgl. Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1105 (1110 ff.); Haverkamp in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 5.220 m.w.N. Vgl. Heinsen, DB 2017, 85 (87); Kelterborn/Konken, BB 2017, 2847 (2849). Vgl. dazu van Lishaut, BB 2018, 791 (793); Wacker, IStR 2017, 278 (287). Nach § 1 Abs. 5 Satz 7 AStG sollte dies zweifelhaft sein, auch wenn der Wortlaut der Vorschrift anders interpretiert werden kann. Vgl. dazu Andresen in W/A/D2, Rz. 4.147. Vgl. § 12 Abs. 2 BsGaV. Vgl. § 12 Abs. 3 BsGaV. Vgl. Andresen in W/A/D2, Rz. 6.149.

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 143 Art. 7 (2008)

Unternehmen, dessen Teil die Betriebsstätte ist, zu einer Unternehmensgruppe gehört, die einem Konzern i.S.d. § 18 AktG entspricht – das Dotationskapital der inländischen Betriebsstätte mit dem Anteil am Eigenkapital der konsolidierten Unternehmensgruppe anzusetzen, der sich aus dem Verhältnis der Vermögenswerte der inländischen Betriebsstätte zu den Vermögenswerten der konsolidierten Unternehmensgruppe ergibt (ermittelt gem. § 12 Abs. 1–3 BsGaV). Schließlich definiert § 12 Abs. 5 BsGaVeine Untergrenze für das Dotationskapital, in dem mindestens der Ansatz des Eigenkapitals gefordert wird, das in der Handelsbilanz der inländischen Betriebsstätte tatsächlich ausgewiesen ist. Insgesamt gilt: Die Bestimmung des Dotationskapitals bei inländischen Betriebsstätten ist sehr komplex und praktisch kaum leistbar. Mindestkapitalausstattungsmethode bei ausländischen Betriebsstätten. Nach § 13 Abs. 1 BsGaV ist einer ausländischen Betriebsstätte zum Beginn eines Wirtschaftsjahrs Dotationskapital nur zuzuordnen, soweit das Unternehmen glaubhaft macht, dass ein Dotationskapital in dieser Höhe aus betriebswirtschaftlichen Gründen erforderlich ist (Mindestkapitalausstattungsmethode). Der Ansatz eines höheren Dotationskapitals soll nur möglich sein, wenn dies im Einzelfall zu einem Ergebnis führt, das dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entspricht.1 Das Dotationskapital darf jedoch den Betrag nicht übersteigen, der sich gem. § 12 Abs. 1–3 BsGaV nach der Kapitalaufteilungsmethode ergibt.2 Der Bezug zum Fremdvergleichsgrundsatz verkennt, dass sich die Frage der Finanzierung mit Eigen- bzw. Fremdkapital zwischen selbständigen und unabhängigen Unternehmen nicht stellt, sondern nur im Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bzw. Stammhaus und seiner Betriebsstätte von Bedeutung ist (letztlich nur für steuerliche Zwecke). Insofern kann das Verhalten unabhängiger Unternehmen als Maßstab zur Ableitung einer angemessenen Finanzierung eines verbundenen Unternehmens bzw. einer Betriebsstätte nicht herangezogen werden. Letztlich bleibt nur der Vergleich mit der Finanzierungsentscheidung eines anderen Gesellschafters bzw. eines anderen Unternehmers. Ein solcher Vergleich würde allerdings aufgrund des fehlenden Interessengegensatzes gegen die Grundvoraussetzung des Fremdvergleichs, dem Vergleich mit dem Verhalten von unabhängigen Unternehmen, verstoßen. Schließlich gilt bei ausländischen Betriebsstätten Folgendes: Ein Dotationskapital, das den Betrag nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BsGaV übersteigt, darf einer ausländischen Betriebsstätte nur zugeordnet werden, soweit nichtsteuerliche Vorschriften des Staats, in dem die Betriebsstätte liegt, dies erfordern.3 Und: Einer ausländischen Betriebsstätte ist nach § 13 Abs. 4 BsGaV ungeachtet des § 13 Abs. 1–3 BsGaV höchstens das in einer ausländischen Handelsbilanz der ausländischen Betriebsstätte tatsächlich ausgewiesene Kapital als Dotationskapital zuzuordnen.4

141

Zuordnung von Passivposten. Nach § 14 Abs. 1 BsGaV sind der Betriebsstätte die übrigen Passivposten5 zuzuordnen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den der Betriebsstätte zugeordneten Vermögenswerten sowie mit den ihr zugeordneten Chancen und Risiken stehen. Diese direkte Zuordnung der Passiva (vor allem in Form von Verbindlichkeiten des Unternehmens) ist auf den Betrag begrenzt, der sich nach Abzug des Dotationskapitals von der Bilanzsumme der Betriebsstätte ergibt. Ein überschießender Betrag ist anteilig zu kürzen und dem übrigen Unternehmen (d.h. dem Stammhaus) oder der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen.6 Im Übrigen sieht § 14 Abs. 3 BsGaV eine weitere indirekte Zuordnung von Passivposten zur Betriebsstätte vor, wenn die Summe aus dem Dotationskapital und den direkt zugeordneten Passivposten dieser Betriebsstätte zusammen geringer ist als die Bilanzsumme.7 Da die tatsächliche Ermittlung der Passiva nur zum Tragen kommt, falls diese exakt der Höhe der Differenz zwischen Aktiva und Dotationskapital entspricht, wird bei anteiliger Kürzung oder Auffüllung der Passiva die uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte nicht stringent angewendet. Denn ein eigenständiges Unternehmen würde über faktisch zu ermittelnde Passiva verfügen, die sich aus der originären Geschäftstätigkeit ergeben.8

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Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen. Die Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen (ins- 143 besondere in Form von Fremdkapitalzinsen) folgt der Zuordnung der direkt zugeordneten Passivposten gem. § 14 Abs. 1 BsGaV.9 Sind die direkt zuordnungsfähigen Passivposten anteilig zu kürzen,10 so gilt dies auch für die Finanzierungsaufwendungen, die mit diesen direkt zuordnungsfähigen Passivposten in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Schließlich ist der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens ein Finanzierungsaufwand nur zuzuordnen, soweit dieser in einem unmittelbaren Zusam1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. § 13 Abs. 2 BsGaV. Vgl. hierzu kritisch Oestreicher/van der Ham/Andresen, IStR-Beih. 2014, 1 (17 f.). Vgl. § 13 Abs. 3 BsGaV. Zur Mindestkapitalausstattungsmethode kritisch Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1105 (1110 ff.). Zur Definition vgl. Andresen in W/A/D2, Rz. 4.167. Vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2 BsGaV. Vgl. zur Einzelheiten Andresen in W/A/D2, Rz. 4.171. Vgl. Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1105 (1112). Vgl. § 15 Abs. 1 BsGaV. Vgl. § 14 Abs. 2 BsGaV.

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Art. 7 (2008) Rz. 143

Unternehmensgewinne

menhang mit der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte steht.1 Das gleiche gilt für ausländische Betriebsstätten, wobei dieser mindestens der Anteil des Finanzierungsaufwands zuzuordnen ist, der ihrem Anteil an den Außenumsätzen des inländischen Unternehmens entspricht.2 Bei der Zuordnung von Finanzierungsaufwendungen ist zu berücksichtigen, dass nur die tatsächlich entstandenen (unternehmensexternen) Finanzierungsaufwendungen ohne Gewinnaufschlag zugeordnet werden. Die Verrechnung fiktiver Zinsen ist – auch in Bezug auf das Dotationskapital – nicht zulässig.3 5. Zuordnung von Geschäftsvorfällen des Unternehmens 144

Zuordnung von Außenerträgen und -aufwendungen. Nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs und unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte sind dieser diejenigen Geschäfte zuzuordnen, die durch sie tatsächlich ausgeführt wurden.4 Einzelheiten regelt § 9 BsGaV, der die Zuordnung von Geschäftsvorfällen des Unternehmens zur Betriebsstätte beschreibt. Zur Definition des „Geschäftsvorfalls“ verweist die Vorschrift auf § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AStG. Dies ist insofern unglücklich, als damit eigentlich die Geschäftsbeziehung zwischen nahestehenden Personen für Zwecke von Einkünftekorrekturen gem. § 1 Abs. 1 AStG definiert wird. § 9 BsGaV betrifft hingegen die Zuordnung von externen Geschäftsvorfällen des Unternehmens mit unabhängigen Dritten oder verbundenen Unternehmen (nahestehenden Personen), d.h., es geht um die Frage der Allokation von für das Unternehmen entstandenen (externen) Erträgen und Aufwendungen zur in- oder ausländischen Betriebsstätte oder dem Stammhaus. Diese Frage hat sich bereits vor dem AOA gestellt, da die Betriebsstättengewinnabgrenzung unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätten gem. Art. 7 Abs. 2 zwangsläufig eine Entscheidung darüber voraussetzt, welche Erträge und Aufwendungen des Gesamtunternehmens (Einheitsunternehmens) der Betriebstätte zuzuordnen sind.5 Grundlage dafür ist die tatsächliche Abwicklung des Geschäfts. Denn es liegt grundsätzlich in der Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen, welche Unternehmensteile er in die tatsächliche Durchführung eines Geschäftsvorfalls involviert.

145

Zuordnung nach dem Zustandekommen des Geschäftsvorfalls. Nach § 9 Abs. 1 BsGaV ist die für die Zuordnung von Erträgen und Aufwendungen aus externen Geschäftsvorfällen (mit unabhängigen Dritten oder verbundenen Unternehmen) maßgebliche Personalfunktion das Zustandekommen des Geschäftsvorfalls. Liegt demnach ein Geschäft im Funktionsbereich eines Unternehmensteils, ist dies als Anhaltspunkt zu werten, dass diesem auch der entsprechende Außenertrag zuzurechnen ist.6 Dabei hat sich die Orientierung an den Personalfunktionen immer an den tatsächlichen Verhältnissen zu orientieren, d.h., der Betriebsstätte kommt keine Attraktivkraft zu (vgl. Rz. 86 ff.). Ferner ist zu untersuchen, ob die betriebliche Teileinheit sachlich, personell und organisatorisch in der Lage ist, das entsprechende Geschäft auszuführen und abzuwickeln. Für die Zuordnung von Geschäften kommen darüber hinaus eine Reihe von Indizien in Betracht. Diese betreffen insbesondere die Frage, welcher Unternehmensteil das Geschäft ausgeführt und die dem Geschäft immanenten Risiken getragen hätte, wenn die Unternehmensteile selbständige und unabhängige Unternehmen gewesen wären, sowie die Frage, welcher Unternehmensteil das Geschäft angebahnt, die Verhandlungen zum Abschluss des Geschäfts geführt und den Vertrag abgeschlossen hat. Gegebenenfalls geben auch gesetzliche Vorschriften – insbesondere im Banken- und Versicherungsbereich – oder der Inhalt von Verträgen (z.B. Vereinbarungen hinsichtlich des anzuwendenden Rechts) Aufschluss über die Zuordnung von Geschäften.

146

Andere Zuordnungsregeln gem. § 9 Abs. 2 BsGaV. § 9 Abs. 2 Satz 1 BsGaV enthält eine Öffnungsklausel, welche die Zuordnung eines Geschäftsvorfalls zu einer anderen Betriebsstätte als derjenigen, in der das für das Zustandekommen des Geschäftsvorfalls verantwortliche Personal beschäftigt ist, erlaubt, wenn die Bedeutung einer in dieser anderen Betriebsstätte ausgeübten Personalfunktion eindeutig gegenüber der Bedeutung der Personalfunktion des Zustandekommens des Geschäftsvorfalls überwiegt. Bei diesen Personalfunktionen kann es sich gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 BsGaV insbesondere um die Verpflichtungen aus dem Geschäftsvorfall, dessen Verwaltung oder dessen Risikosteuerung handeln. Diese Aufzählung ist allerdings

1 2 3 4

Vgl. § 15 Abs. 4 BsGaV. Dazu kritisch Andresen in W/A/D2, Rz. 4.181. Vgl. zum alten Recht auch BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785. Vgl. BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Anm. 313; unklar dagegen BFH v. 18.9.1996 – I R 59/95, FR 1997, 236, nach dem es grundsätzlich ohne Bedeutung ist, „wo die Erträgnisse der Betriebsstätte erwirtschaftet werden.“ 5 Vgl. Andresen in W/A/D2, Rz. 4.121. 6 Insoweit kann auf die im Rahmen der Geschäftschancenlehre des BFH abgeleiteten Kriterien der Zuordnung von Geschäftschancen abgestellt werden; vgl. dazu BFH v. 13.11.1996 – I R 149/94, GmbHR 1997, 315; v. 12.6.1997 – I R 14/96, FR 1997, 773.

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Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 149 Art. 7 (2008)

nicht abschließend, sodass sich weitere Personalfunktionen ergeben können. In welchen Fällen eine andere Personalfunktion „eindeutig“ gegenüber der Bedeutung der Zuordnung nach dem Zustandekommen des Geschäftsvorfalls gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 BsGaV überwiegt, ist offen. Dazu geben weder die BsGaV noch deren Begründung eindeutige Hinweise.1 Klar sollte allerdings sein, dass die reine Verwaltung eines Geschäftsvorfalls nicht dazu geeignet ist, eine andere Zuordnungsentscheidung gem. § 9 Abs. 2 BsGaV zu rechtfertigen.2 Wird die andere Personalfunktion in mehreren Betriebsstätten wahrgenommen, ist der Geschäftsvorfall der Betriebsstätte zuzuordnen mit der größten Bedeutung für den Geschäftsvorfall. Im Übrigen sieht § 9 Abs. 4 Satz 1 BsGaV ein Wahlrecht für die Zuordnung von Geschäftsvorfällen vor, wenn keine eindeutige Zuordnung möglich ist. Beispiel: Die in Deutschland ansässige A-GmbH hat eine in Polen belegene Betriebsstätte. Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Deutschland schließt auf Anforderung der polnischen Betriebsstätte mit einem fremden Dritten einen Dienstleistungsvertrag ab. Die Dienstleistungen werden ausschließlich für diese Betriebsstätte erbracht. Maßgebliche Personalfunktion für das Zustandekommen des Geschäftsvorfalls (hier: Dienstleistungsvertrag) mit dem fremden Dritten und für die Übernahme der damit verbundenen Risiken sind grundsätzlich die Tätigkeiten, die für den Vertragsabschluss entscheidend sind (z.B. Auswahl des Auftragnehmers, Vertragsverhandlungen, Vertragsabschluss), sodass der Geschäftsvorfall gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 BsGaV grundsätzlich der Geschäftsleitungsbetriebsstätte in Deutschland zuzuordnen wäre. Gleichwohl hat die polnische Betriebsstätte die Dienstleistung nicht nur angefordert, was für den Abschluss des Vertrags ursächlich war. Vielmehr dient die Dienstleistung ausschließlich der polnischen Betriebsstätte, sodass im Ergebnis die Bedeutung der von der polnischen Betriebsstätte ausgeübten Personalfunktion die Bedeutung des formalen Vertragsabschlusses durch die Geschäftsleitungsbetriebsstätte nach § 9 Abs. 2 BsGaV überwiegt. Für die fiktive Dienstleistung des Vertragsabschlusses (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BsGaV) gegenüber der polnischen Betriebsstätte ist ein fremdüblicher Betrag anzusetzen (§ 16 Abs. 2 BsGaV).3

Analogie zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern. Die Zuordnung von Außenerträgen folgt der Zuordnung der diesen Erträgen zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter. Vor diesem Hintergrund hat die Zuordnung von Wirtschaftsgütern eine wesentliche und unmittelbare Konsequenz für die Zuordnung von Außenerträgen (vgl. Rz. 127 ff.).

147

Zuordnung von Außenaufwendungen der Rechtsprechung. Nach der Rspr. des BFH ist die Aufwandszuordnung im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung am Veranlassungsprinzip auszurichten. So hat der BFH in seinem Urt. v. 20.7.19884 einen „wirtschaftlichen Zusammenhang“ i.S.d. § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG angenommen, wenn die Aufwendungen durch die Betriebsstätte veranlasst sind. Insoweit seien der Betriebsstätte diejenigen Außenaufwendungen zuzuordnen, die „sowohl durch ihre Tätigkeit als auch durch ihre Existenz“5 veranlasst wurden, wobei es weder auf einen betriebsnotwendigen oder betriebswirtschaftlich notwendigen Veranlassungszusammenhang noch auf einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang ankomme. Ferner sei unerheblich, ob die Aufwendungen im Stammhaus oder in der Betriebsstätte angefallen sind und welcher Unternehmensteil die Aufwendungen tatsächlich trägt (vgl. Rz. 225 ff.). Diese Grundsätze gelten auch – so der BFH – vor dem Hintergrund der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 2. So sei für die Aufwandszuordnung entscheidend, dass die Betriebsstätte „Voraussetzung für das Entstehen von Aufwendungen“ ist und insofern eine „kausale Verknüpfung“ zwischen Aufwendungen und Betriebsstätte bestehe.6 Schließlich hat der BFH ausdrücklich konstatiert, dass die Gewinnabgrenzung gem. Art. 7 Abs. 2 an dem Veranlassungsprinzip auszurichten ist.7

148

Veranlassungsprinzip und Fremdvergleichsgrundsatz. Die Zuordnung von Außenaufwendungen zu den Unternehmensteilen hat sich an dem Fremdvergleichsgrundsatz gem. Art. 7 Abs. 2 auszurichten. Vor diesem Hintergrund ist im Hinblick auf die für das Gesamtunternehmen entstandenen Aufwendungen zu prüfen, ob ein selbständiges und unabhängiges Unternehmen unter vergleichbaren Verhältnissen bereit gewesen wäre, den Aufwand zu tragen. Dabei ist – auch nach der Implementierung des AOA in § 1 AStG und die BsGaV – darauf abzustellen, ob der Aufwand im betrieblichen Interesse des betroffenen Unternehmensteils liegt.8 Dies ist immer dann der Fall, wenn die Leistungen durch die Personalfunktion der Betriebsstätte zustande gekommen sind (§ 9 Abs. 1 BsGaV) und infolgedessen einen Vorteil der Betriebsstätte erwarten lassen und

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1 Vgl. auch Andresen in W/A/D2, Rz. 4.125. 2 Vgl. Begründung zu § 9 Abs. 2 Satz 2 BsGaV in BR-Drucks. 401/14 v. 10.10.2014, 70; siehe auch BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 80 u. 114. 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 114. 4 Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; siehe ferner BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BFH/NV 2000, 903. 5 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 6 Vgl. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 16.2.1996 – I R 46/95, BFH/NV 1997, 111 und die Vorinstanz des FG Münster v. 10.3.1995 – 9 K 5026/92, EFG 1996, 239. 7 Vgl. BFH v. 18.9.1996 – I R 59/95, FR 1997, 236; v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703 m.w.N. 8 Vgl. auch BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01, BStBl. I 2001, 796, Tz. 3.1 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Tz. 6.

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Art. 7 (2008) Rz. 149

Unternehmensgewinne

eigene Kosten ersparen.1 Insoweit besteht eine inhaltliche Parallele einer am Fremdvergleich orientierten Aufwandszuordnung mit einer solchen nach dem Veranlassungsprinzip.2 Vor diesem Hintergrund sind der Betriebsstätte nur dann leistungsbezogene Aufwendungen zuzuordnen, wenn sie aus der an das Unternehmen erbrachten Leistung einen Nutzen ziehen können. Für die Frage, ob ein leistungsbezogener Aufwand von Vorteil für die betriebliche Teileinheit ist, ist ausschließlich auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung abzustellen (sog. ex ante-Betrachtung). Dagegen ist der tatsächlich eingetretene Vorteil nur von untergeordneter Bedeutung, sodass grundsätzlich auch Aufwendungen im Zusammenhang mit Leistungen, die sich später als Fehlmaßnahmen herausstellen, der Betriebsstätte zuzuordnen sind, wenn im Zeitpunkt der Leistungserbringung ein Vorteil erwartet werden konnte. Vor diesem Hintergrund können Aufwendungen im Zusammenhang mit der Kontrolle der Betriebsstätte und Aufwendungen zur rechtlichen Organisation des Stammhauses nicht der Betriebsstätte zugeordnet werden. Denn diese Aufwendungen liegen nicht im eigenen betrieblichen Interesse der Betriebsstätte und wären bei ihr als selbständiges und unabhängiges Unternehmen nicht angefallen. 150

Aufteilung von Aufwendungen. Es sind Aufwendungen denkbar, die einen betrieblichen Nutzen beim Stammhaus und der Betriebsstätte auslösen. Die entsprechenden Leistungen betreffen häufig ein zentrales Management (z.B. Vorstand oder Geschäftsführung), administrative Leistungen, den Einkauf von Waren sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen oder die Forschung und Entwicklung. Derartige Leistungen sind durch beide Unternehmensteile (gemeinsam) veranlasst und demnach diesen gemeinsam zuzuordnen. Die entsprechenden Aufwendungen sind – unabhängig davon, wo sie angefallen sind und wer sie getragen hat (vgl. Rz. 148 und 225 ff.) – als originäre Aufwendungen des jeweiligen Unternehmensteils anzusehen; ein Leistungsaustausch (vgl. Rz. 152 ff.) findet zwischen den Unternehmensteilen nicht statt (vgl. Rz. 162). In diesen Fällen sind die entstandenen Aufwendungen (ohne Gewinnaufschlag) auf Basis eines angemessenen Schlüssels3 aufzuteilen. Eine reine Aufwandsaufteilung (ohne Gewinnaufschlag) ist indessen – insbesondere nach Einführung des AOA in § 1 AStG und die BsGaV – nur möglich, wenn die Leistungen im gleichgerichteten Interesse der betrieblichen Einheit empfangen werden, d.h., dass sie die Leistungen in wirtschaftlich gleicher Weise nutzen. Nicht erforderlich ist dagegen, dass die Unternehmensteile gemeinsam die Funktionen ausüben. Unternehmensteile, die Leistungen im Interesse anderer Unternehmensteile erbringen, ohne die Leistungen selbst zu nutzen oder zu verwerten, haben hingegen die insofern erbrachten Leistungen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz unter Berücksichtigung eines Gewinnaufschlages „abzurechnen“ (vgl. dazu Rz. 152 ff.).

151

Fremdübliche Abrechnung von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen. Eine reine Aufwandszuordnung (ohne Gewinnaufschlag) ist nicht möglich, wenn zwischen Stammhaus und Betriebsstätte eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG besteht (vgl. zu Einzelheiten Rz. 152 ff.). In diesen Fällen ist vielmehr ein fremdübliches Entgelt für die Leistungserbringung zu verrechnen. Ausweislich der Begründung der BsGaV stellen auch wirtschaftliche Vorgänge bei der Eröffnung einer Betriebsstätte oder bei deren Beendigung anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen dar. So ist nach den Vorgaben der BsGaV davon auszugehen, dass die Zuordnung von (Gründungs-)Aufwendungen zur Betriebsstätte nach dem Veranlassungsprinzip4 durch die Verrechnung entsprechender (Gründungs-)Dienstleistungen ersetzt wird.5 Die Abrechnung entsprechender Leistungen setzt dabei eine ausländische Betriebsstätte als fiktiven Vertragspartner voraus. Nach den VWG BsGa sollen jedoch (Gründungs-)Aufwendungen einer Betriebsstätte, die in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit ihrem Entstehen und im Hinblick auf ihre Tätigkeit anfallen, grundsätzlich dem Stammhaus zugeordnet werden, weil der Betriebsstätte vor ihrem Entstehen keine Personalfunktionen zugeordnet werden können.6 Dementsprechend soll die Zuordnung von Gründungskosten bei gescheiterten Betriebsstättengründungen nicht mehr möglich sein.7 Dienen (Gründungs-)Aufwendungen der Erzielung von im Inland nach DBA-Regelungen freigestellten Betriebsstätteneinkünften, so sind sie nach dem Veranlassungsprinzip im Inland nicht abziehbar.8 Weist das Unternehmen demgegenüber nach, dass (Gründungs-)Aufwendungen der Erbringung von anzuneh-

1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Tz. 6.2.2 (geändert durch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570). 2 Vgl. auch Andresen in W/A/D2, Rz. 4.124; Kahle/Kindich, GmbHR 2017, 341 (345). 3 Vgl. dazu Ditz, DB 2004, 1949 ff. 4 Vgl. dazu BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703. 5 Vgl. dazu auch Heinsen/Wendland, GmbHR 2014, 1033 (1037 f.). 6 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 66; siehe auch Schnorberger/Dust, BB 2015, 608 (608 f.). 7 A.A. BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703. 8 Vgl. BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566.

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 153 Art. 7 (2008)

menden schuldrechtlichen Beziehungen dienen, die für das übrige Unternehmen zu steuerpflichtigen Einkünften führen, sind sie insoweit beim Stammhaus abziehbar.1 6. Unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen a) Notwendigkeit der Berücksichtigung interner Liefer- und Leistungsbeziehungen Implikation des Fremdvergleichsgrundsatzes. Unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes sind die für das Gesamtunternehmen im Liefer- und Leistungsaustausch mit außenstehenden Dritten entstandenen Erträge und Aufwendungen (vgl. Rz. 144 ff.) den betrieblichen Teileinheiten zuzuordnen. Ferner sind anschließend die unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte im Rahmen der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 124 ff.; siehe auch Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 2008) zu identifizieren und nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs abzurechnen. Die Abrechnung von Verrechnungspreisen für diese unternehmensinternen Transaktionen muss keinen tatsächlichen Zahlungsmittelfluss bedingen. Vielmehr werden die auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes ermittelten Verrechnungspreise (vgl. Rz. 159 ff.) im Rahmen der Kostenstellenrechnung, im Rahmen von getrennten Buchführungskreisen der Unternehmensteile (vgl. Rz. 119 ff.) oder anhand der Hilfs- und Nebenrechnung (vgl. Rz. 122) ohne Zahlungsmittelfluss verrechnet. Prinzipiell ist jedoch auch denkbar, dass für das Stammhaus und für die Betriebsstätte separate Bankkonten existieren und der unternehmensinterne Leistungsaustausch entgeltlich vergütet wird.

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Abgrenzung zur veranlassungsgerechten Ertragszuordnung. Dem Grundsatz des Fremdvergleichs würde 153 nicht hinreichend Rechnung getragen werden, wenn unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen im Rahmen der Gewinnabgrenzung keine Berücksichtigung fänden (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 29). Denn in diesem Fall könnte jede betriebliche Teileinheit Leistungen einer anderen in Anspruch nehmen, ohne dass dieser Leistungsaustausch die jeweiligen betrieblichen Teilgewinne beeinflussen würde. Die Abrechnung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen war indessen bis zur Einführung des AOA in § 1 AStG (vgl. Rz. 42 ff.) umstritten. So wurde im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass die Gewinnabgrenzung bei einer ausländischen Betriebsstätte „gewissermaßen auf der Seite der Erlöse“2 stattfindet. Statt einer Abrechnung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen seien vielmehr die tatsächlich realisierten Erträge des Gesamtunternehmens nach Maßgabe der wirtschaftlichen Veranlassung unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes zwischen den betrieblichen Teileinheiten aufzuteilen.3 Dieser Auffassung folgt auch der BFH in seinem Urt. v. 17.7.20084 zur Rechtslage vor Einführung der Entstrickungsnormen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG) durch das SEStEG v. 7.12.2006.5 Eine solche Einschränkung der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes kann sich indessen nur aus den damaligen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts und nicht aus dem Abkommensrecht ergeben. Denn Art. 7 kommt Self-executing-Wirkung zu (vgl. Rz. 39), wobei die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte auf Ebene der Gewinnabgrenzung uneingeschränkt Anwendung finden muss (vgl. Rz. 112 ff.). Abkommensrechtlich bestehen keine Gründe, die einer Verrechnung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte entgegenstehen. Vielmehr ist es gerade der Grundsatz des Fremdvergleichs i.S.d. Art. 7 Abs. 2, der zwingend erfordert, dass solche Leistungsbeziehungen wie zwischen fremden Dritten abzurechnen sind (vgl. auch Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 2008). Im Übrigen steht das Verständnis des Fremdvergleichsgrundsatzes i.S. einer reinen Aufwands- und Ertragszuordnung nach Veranlassungsgesichtspunkten sowohl in seinem theoretischen Ansatz als auch in seiner praktischen Umsetzung vor dem Problem, dass bei jedem Akt der Ertragsrealisierung der entsprechende Ertrag auf seine partielle Veranlassung durch das Stammhaus bzw. die Betriebsstätte zu prüfen und entsprechend aufzuteilen ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich zunächst die Frage, wann überhaupt eine Innentransaktion zu einer „Einkünfteerzielung“6 eingesetzt wird und folglich dem leistungsausführenden Unternehmensteil ein Anteil an dem realisierten Außenertrag zuzurechnen ist. Folglich ist für jeden realisierten Ertrag bzw. Aufwand zu klären, ob, und falls ja, in welcher Höhe er durch das Stammhaus bzw. durch die Betriebsstätte mitveranlasst wurde. Diese Vorgehensweise scheitert in der Praxis regelmäßig an der kaum überwindbaren Problematik, bei jedem Realisati1 2 3 4

Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 67. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 244. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 242 ff. Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005 – DOK 2009/0300414, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004 – DOK 2011/0802578, BStBl. I 2011, 1278. Vgl. dazu auch Ditz, IStR 2009, 115 (118). 5 Vgl. Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 6 So Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA, Rz. 250 u. 287.

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Art. 7 (2008) Rz. 153

Unternehmensgewinne

onsakt die Ertragsbeiträge der betrieblichen Teileinheiten festzustellen und unter Beachtung eines Fremdvergleichs aufzuteilen.1 154

Definition der Leistungsbeziehung. Der Begriff der unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehung ist eng mit der Personalfunktion bzw. Funktion verbunden. Vor diesem Hintergrund sehen der AOA der OECD und § 1 BsGaV zutreffend eine detaillierte Funktions- und Risikoanalyse vor (vgl. Rz. 124 ff.). Es ist davon auszugehen, dass eine betriebliche Teileinheit im Innen- oder Außenverhältnis keine Leistung erbringen kann, wenn sie keine Funktion ausübt. Insoweit ist die Ausübung einer Funktion eine notwendige Voraussetzung für eine Leistungserbringung und somit für das Bestehen einer Leistungsbeziehung.2 Insoweit lässt sich i.d.R. von den durch einen Unternehmensteil ausgeübten Funktionen auf die von ihm erbrachten Leistungen schließen. Darüber hinaus setzt eine Liefer- oder Leistungsbeziehung eine „Beziehung“ zwischen zwei sich gegenüberstehenden Parteien voraus. Diese „Beziehung“ konkretisiert sich zwischen fremden Dritten in einer auf einen Leistungsaustausch gerichteten, schuldrechtlichen Vereinbarung. Dabei wird der Leistungserbringer im Rahmen einer eigenen erwerbswirtschaftlichen Motivation tätig. Demgegenüber erwartet der Leistungsempfänger für seine eigene unternehmerische Tätigkeit einen wirtschaftlichen Vorteil, z.B. in der Form einer Bedarfsdeckung. Für die erbrachte Leistung wird seitens des Leistungserbringers regelmäßig eine Gegenleistung des Leistungsempfängers erwartet, die i.d.R. in der Zahlung des vereinbarten Entgelts besteht. Insoweit stehen sich bei einer Leistungsbeziehung eine Leistung des Leistungserbringers und eine Gegenleistung des Leistungsempfängers korrespondierend gegenüber. Vor diesem Hintergrund kann unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes eine unternehmensinterne Liefer- oder Leistungsbeziehung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nur angenommen werden, wenn diese auch unter fremden Dritten denkbar wäre und somit einem – tatsächlichen oder hypothetischen – Fremdvergleich (vgl. Art. 9 Rz. 71 ff.) zugänglich ist.

155

Anzunehmende schuldrechtliche Beziehung gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG. § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG sieht – zugunsten der Finanzverwaltung – eine Einkünftekorrektur vor, wenn für eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG Bedingungen, insbesondere Verrechnungspreise, zugrunde gelegt werden, die einem Fremdvergleich nicht standhalten, und dadurch die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden (vgl. zu Einzelheiten Rz. 42 ff.). § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG definiert die anzunehmende schuldrechtliche Beziehung als „Geschäftsvorfälle zwischen einem Unternehmen eines Steuerpflichtigen und seiner in einem anderen Staat gelegenen Betriebsstätte“. Was unter „Geschäftsvorfällen“ zu verstehen ist, ergibt sich aus § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AStG, der damit „einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge“ meint. Infolgedessen wird der für eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung notwendige Geschäftsvorfall als wirtschaftlicher Vorgang definiert,3 wobei unklar bleibt, was darunter konkret zu verstehen ist.4 Ein „wirtschaftlicher Vorgang“ kann jeder in einem internationalen Einheitsunternehmen tatsächlich realisierte Prozess oder jedes in einem solchen tatsächlich entstandene Ereignis oder Geschehnis sein. Infolgedessen ist die anzunehmende schuldrechtliche Beziehung sehr weit gefasst; sie kann jeden Vorgang, Prozess, jedes Ereignis, jeden Hergang oder jedes Geschehnis zwischen einem Stammhaus und seiner Betriebsstätte betreffen. Durch diese weite Definition stellt der Gesetzgeber sicher, dass sämtliche nur denkbaren Beziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte im internationalen Kontext von § 1 Abs. 5 AStG erfasst werden. Dies ist insofern nicht sachgerecht, als jeglicher Bezug des „Geschäftsvorfalls“ bzw. des „wirtschaftlichen Vorgangs“ zum Fremdvergleichsgrundsatz fehlt. Zwar hat der Gesetzgeber versucht, durch § 1 Abs. 4 Satz 2 AStG einen solchen Bezug über den Verweis auf das Verhalten unabhängiger, ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter herzustellen. Aber: Die Vorschrift ist „unverständlich formuliert“5 und infolgedessen nicht geeignet, für die Praxis taugliche Hinweise einer Anwendung des Fremdvergleichs auf anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen zu geben.

156

Konkretisierung in § 16 Abs. 1 BsGaV. Nach § 16 Abs. 1 BsGaV liegt eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung vor, wenn wirtschaftliche Vorgänge festgestellt werden, die – zu einer Änderung der Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern, immateriellen Werten, Beteiligungen, Finanzanlagen oder ähnlichen Vermögenswerten, sonstigen Vermögenswerten, Geschäftsvor1 Insbesondere stellt sich auch die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die Summe der Fremdvergleichspreise der betrieblichen Einzelleistungen nicht dem tatsächlich realisierten Außenertrag entspricht. 2 Zur Definition der Funktion im Einzelnen vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 14–16; Ditz/Greinert in W/B, Rz. 7.18 ff. m.w.N. 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 165. 4 Vgl. Richter/Heyd, Ubg 2013, 418 (419); Schnitger, IStR 2012, 633 (637 f.); Ditz/Quilitzsch, DStR 2013, 1917 (1918). 5 Richter/Heyd, Ubg 2013, 418 (419).

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 158 Art. 7 (2008)

fällen des Unternehmens, Chancen und Risiken oder Sicherungsgeschäften führen (z.B. fiktiver Verkauf oder fiktive Nutzungsüberlassung) oder – durch schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen unabhängigen Unternehmen geregelt würden (z.B. fiktive Dienstleistungen) oder – zur Geltendmachung von Rechtspositionen zwischen unabhängigen Unternehmen führen würden.1 Eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist infolgedessen Ersatz für eine tatsächliche schuldrechtliche Beziehung, die auf Basis der Funktions- und Risikoanalyse vorliegen würde, wenn das Stammhaus und die Betriebsstätte selbständige und unabhängige Unternehmen wären. Infolgedessen kommen sämtliche zwischen selbständigen und unabhängigen Unternehmen denkbaren schuldrechtlichen Beziehungen nach dem Verständnis des § 16 Abs. 1 BsGaV auch als anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte in Betracht. Dazu gehören bspw.:2 – unternehmensinterne Erbringung von Dienstleistungen (das Stammhaus übt unterstützende Personalfunktionen für die Betriebsstätte aus);3 – unternehmensinterne Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern oder Vermögenswerten (ein dem Stammhaus zugeordneter Vermögenswert wird auch durch eine ausländische Betriebsstätte genutzt);4 – unternehmensinterne Überführung bzw. fiktive Veräußerung von Vermögenswerten (ein dem Stammhaus zugeordneter Vermögenswert wird infolge einer tatsächlichen Veränderung der Personalfunktion einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet);5 – unternehmensinterne Überführung von Warenbeständen des Umlaufvermögens (Warenbestände des Umlaufvermögens, die zunächst dem Stammhaus zuzuordnen waren, werden in eine ausländische Betriebsstätte überführt). Dokumentation. Aufgrund der Tatsache, dass anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen nicht in Verträgen dokumentiert werden können und im Übrigen die Finanzverwaltung im Hinblick auf Einkünftekorrekturen nach § 1 Abs. 1 und 5 AStG die Beweislast trägt, müssen für das Vorliegen einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung erhöhte Anforderungen gestellt werden. So müssen im Rahmen einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung wirtschaftlich wesentliche Risiken, Verantwortlichkeiten oder Vorteile überführt oder überlassen werden.6 Darüber hinaus sind anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte gem. § 3 Abs. 2 Satz 3 BsGaV in der Hilfs- und Nebenrechnung (vgl. Rz. 122) zu erfassen7 und durch die Funktionsanalyse und die in diesem Zusammenhang identifizierten Personalfunktionen zu begründen. Sie führen dort zu fiktiven Betriebseinnahmen und fiktiven Betriebsausgaben. Daher muss die Finanzverwaltung die Abrechnung anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen anerkennen, wenn ihre Dokumentation mit den Ergebnissen der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 124 ff.) im Einklang steht, die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen nicht von dem abweichen, was zwei ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter in einer vergleichbaren Situation vernünftigerweise vereinbart hätten und die anzunehmende schuldrechtliche Beziehung nicht die Grundsätze des OECD-Betriebsstättenberichts 2010 verletzt, indem z.B. ein Risiko unabhängig von der zugrunde liegenden Funktion übertragen wird.8

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Keine Auswirkungen auf die Quellenbesteuerung. Die Anerkennung und Abrechnung anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen beschränkt sich auf die Ebene der Gewinnabgrenzung und infolgedessen auf die Bestimmung des in- oder ausländischen Betriebsstättengewinns. Abkommensrechtlich betroffen sind daher Art. 7 sowie Art. 23A/B OECD-MA. Da Liefer- und Leistungsbeziehungen fingiert werden, können die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen nicht Gegenstand einer Quellenbesteuerung sein.9 Dies wird auch von der OECD so gesehen.10

158

1 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 166. 2 Vgl. BR-Drucks. 401/14 v. 28.8.2014, 87; BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 168. 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 171. 4 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 171. 5 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 169 f. 6 Vgl. auch Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 178; BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 165. 7 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 63. 8 Vgl. Art. 7 Rz. 26 OECD-MK 2010; gem. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 181 sollten dabei die Rz. 1.48–1.54 sowie 1.64–1.69 OECD-Leitlinien 2010 zur Anwendung kommen. 9 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 24. 10 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 203.

Ditz

489

Art. 7 (2008) Rz. 159

Unternehmensgewinne

b) Bewertung auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes 159

Ansatz eines Fremdvergleichspreises. Ausgehend vom Fremdvergleichsgrundsatz und unter Berücksichtigung einer uneingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte (vgl. Rz. 112 ff.) sind Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte grundsätzlich mit ihrem Fremdvergleichspreis zu verrechnen. Dies gilt – ohne Ausnahme – für jegliche Arten von Leistungsbeziehungen, wie z.B. der Überführung sowie der Nutzungsüberlassung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern, der Erbringung von Dienstleistungen etc. Eine Ausnahme besteht für die Umlage von Aufwendungen (vgl. Rz. 150 und 162) sowie die Nutzung finanzieller Mittel, für die grundsätzlich keine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung besteht.1 Die Bestimmung des Fremdvergleichspreises hat dabei ihren Ausgangspunkt in der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 100 und 124 ff.). Auf deren Grundlage sind die im Rahmen einer unternehmensinternen Liefer- oder Leistungsbeziehung von den betrieblichen Teileinheiten ausgeübten Funktionen, wahrgenommenen Risiken und eingesetzten Wirtschaftsgütern zu bewerten (vgl. Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 2008).

160

Anwendung der Grundsätze für verbundene Unternehmen. Die Ermittlung von Fremdvergleichspreisen für unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen ist identisch mit der korrespondierenden Problematik der Quantifizierung fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise für Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen rechtlich selbständigen, verbundenen Unternehmen. Insofern können sich aus der unterschiedlichen Rechtsform keine differierenden Maßstäbe hinsichtlich der Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes und einer an diesem ausgerichteten Verrechnungspreisbestimmung ergeben. Vor diesem Hintergrund bilden die im Rahmen der Gewinnabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen etablierten, international anerkannten Verrechnungspreismethoden (in Form der klassischen Verrechnungspreismethoden und der gewinnorientierten Methoden) die Grundlage zur Ermittlung von Verrechnungspreisen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (vgl. Art. 9 Rz. 77 ff.). Dabei ist auch im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu berücksichtigen, dass es den einen „richtigen“ Fremdvergleichspreis nicht gibt, sondern nur eine Bandbreite von Preisen ermittelt werden kann (sog. „Bandbreitenbetrachtung“, vgl. Art. 9 Rz. 70).

161

Gewinnrealisierung nach innerstaatlichem Recht. Art. 7 kommt für Zwecke der Gewinnermittlung keine Self-executing-Wirkung zu (vgl. Rz. 37 ff. und 112). Damit bedarf es zur Ausfüllung einer uneingeschränkten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Bewertung unternehmensinterner Lieferund Leistungsbeziehungen einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts, welche die Realisierung stiller Reserven oder die „Abrechnung“ eines Gewinnelements anordnet. Solche Rechtsgrundlagen existieren im deutschen innerstaatlichen Steuerrecht in § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG, § 12 Abs. 1 KStG, § 16 Abs. 3a EStG und – für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen – § 1 AStG und der BsGaV (vgl. Rz. 42).2 Eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG setzt voraus, dass für eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (vgl. Rz. 155 ff.) nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende Bedingungen (insbesondere Verrechnungspreise) zugrunde gelegt werden und dadurch die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden. Die Frage, was als „dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend“ anzusehen ist, ergibt sich insbesondere in Anwendung des § 1 Abs. 3 AStG, der den Fremdvergleichsgrundsatz im Hinblick auf die Bestimmung angemessener Verrechnungspreise konkretisiert.3 Dies läuft im Ergebnis auf die Anwendung der klassischen Verrechnungspreismethoden (Preisvergleichs-, Wiederverkaufspreis- und Kostenaufschlagsmethode) sowie der gewinnorientierten Methoden (geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode sowie geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode) hinaus. Dies ist insofern sachgerecht, als nach dem AOA die allgemeinen Verrechnungspreisgrundsätze, wie sie zwischen verbundenen Unternehmen gelten, auch im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung Anwendung finden sollen. Soweit § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG auf „Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise)“ verweist, bleibt unklar, was mit „Bedingungen“ außerhalb der Verrechnungspreise konkret gemeint ist. Denn entsprechende „Bedingungen“ können (vertraglich) zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht vereinbart werden.4 Infolgedessen kann sich die Fremdunüblichkeit in Bezug auf anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen nur auf die zum Ansatz kommenden Verrechnungspreise und nicht auf weitere Vertragsbedingungen (z.B. Zahlungsbedingungen, Sicherheiten) beziehen. Soweit die Finanzverwaltung in Bezug auf verbundene Unternehmen in diesem Zusammenhang eine andere Auffassung vertritt, ist diese im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung nicht

1 2 3 4

Vgl. § 16 Abs. 3 BsGaV und Andresen in W/A/D2, Rz. 4.201 zu den Ausnahmen. Zur Anwendungsreihenfolge der Vorschriften vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.133 u. 6.215. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 172. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 3.

490

Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 164 Art. 7 (2008)

anwendbar.1 Darüber hinaus hat auch der BFH in Bezug auf Art. 9 Abs. 1 entschieden, dass die Frage der Fremdvergleichskonformität sich nach dieser Vorschrift allein auf den Verrechnungspreis und nicht etwa auf weitere Bedingungen der Geschäftsbeziehung beziehen kann.2 Umlage von Aufwendungen. Innerhalb eines internationalen Einheitsunternehmens werden von zentraler Stelle aus (häufig durch das Stammhaus) Leistungen an verschiedene Unternehmensteile erbracht. Die betroffenen Leistungskategorien betreffen häufig die Erbringung von administrativen Dienstleistungen, den Einkauf von Wirtschaftsgütern, die EDV, Marketing bzw. Werbung sowie die Forschung und Entwicklung. Ferner ist häufig nur ein zentrales Management tätig, das alle Unternehmensteile leitet und koordiniert. Im Rahmen einer solchen „Kooperation“ der Unternehmensteile werden Leistungen in deren gemeinsamen Interesse und zu deren gemeinsamen Nutzen empfangen. Da die Leistungen zum Nutzen jeder betrieblichen Teileinheit erbracht werden, sind sie durch diese gemeinsam veranlasst und demnach nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs diesen gemeinsam zuzuordnen. Die entsprechenden Aufwendungen sind – unabhängig davon, wo sie angefallen sind und wer sie getragen hat (vgl. Rz. 225 ff.) – als originäre Aufwendungen des jeweiligen Unternehmensteils anzusehen (vgl. Rz. 150). Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, die entsprechenden Aufwendungen ohne Gewinnaufschlag zwischen den betrieblichen Teileinheiten aufzuteilen. Der Umlageschlüssel hat sich an dem tatsächlichen oder erwarteten Nutzen der betrieblichen Teileinheiten aus den empfangenen Leistungen auszurichten.3 Vorstehende Grundsätze finden im Übrigen auch nach der Umsetzung des AOA in innerstaatliches Recht auf Betriebsstätten Anwendung.4

162

c) Überführung von Wirtschaftsgütern Ansatz eines Fremdvergleichspreises. Auf Basis der uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist gem. Art. 7 Abs. 2 die Überführung eines Wirtschaftsguts (unabhängig davon, ob ein materielles oder immaterielles Wirtschaftsgut des Anlageoder Umlaufvermögens vorliegt) als fiktive Lieferung (sog. „Dealing“) zu werten, die mit dem Fremdvergleichspreis zu bewerten ist (vgl. Art. 7 Rz. 21 OECD-MK 2008).5 Von der Überführung eines Wirtschaftsguts ist auszugehen, wenn ein Wirtschaftsgut zunächst dem Stammhaus (oder einer anderen Betriebsstätte) und dann einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Die OECD spricht insofern von einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an dem Wirtschaftsgut vom Stammhaus in die Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 32 ff.).6 Mit der Bewertung des Wirtschaftsguts mit dem Fremdvergleichspreis (vgl. Rz. 159) gewährt Art. 7 Abs. 2 den Vertragsstaaten (z.B. dem Stammhaus bzw. Ansässigkeitsstaat) das Recht, stille Reserven aus einem Wirtschaftsgut (d.h. die Differenz zwischen seinem Marktund dem Buchwert) im Zeitpunkt seiner Überführung zu besteuern. Ob der Vertragsstaat dieses Besteuerungsrecht in Anspruch nimmt, kann sich indessen nur aus seinem innerstaatlichen Recht (vgl. Rz. 37 ff.) ergeben. Darüber hinaus folgt aus Art. 7 Abs. 2 die Verpflichtung des Vertragsstaats, in welchen das Wirtschaftsgut überführt wird (z.B. der Betriebsstättenstaat), den Fremdvergleichspreis des Wirtschaftsguts als dessen Anschaffungskosten anzuerkennen, d.h., für lokale Besteuerungszwecke das Wirtschaftsgut mit seinem Fremdvergleichspreis als Anschaffungskosten zu aktivieren und abzuschreiben (im Fall eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens) bzw. den Fremdvergleichspreis zur Bewertung des Wareneinsatzes (bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens) heranzuziehen (vgl. Rz. 170).

163

Entstrickung stiller Reserven nach innerstaatlichem Recht. Wird ein Wirtschaftsgut von einem inländischen Stammhaus in seine ausländische Betriebsstätte überführt, führt dies nach Auffassung der Finanzverwaltung zu einer Entstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG und § 12 Abs. 1 KStG.7 Wenngleich diese Auffassung der Finanzverwaltung aufgrund des unklaren Wortlauts der beiden Vorschriften umstritten ist, spricht das Telos der beiden Vorschriften für eine Realisierung der in dem Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven im Zeitpunkt seiner Überführung.8 Dies gilt sowohl für die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine DBA-Freistellungsbetriebsstätte als auch in eine Anrechnungsbetriebsstätte. Voraussetzung für die Steuerentstrickung ist freilich, dass das Wirtschaftsgut zunächst dem inländischen Stammhaus und dann der aus-

164

1 Vgl. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5-S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. 2 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; a.A. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5-S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. 3 Vgl. zu Einzelheiten Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 314 ff.; Ditz, DB 2004, 1949 ff.; Greil in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. VIII Anm. 13; Greil/Greil, ISR 2015, 67 (69). 4 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 5. 5 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 231. 6 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 229. 7 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 20. 8 Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/A/D2, Rz. 6.70 und 6.83.

Ditz

491

Art. 7 (2008) Rz. 164

Unternehmensgewinne

ländischen Betriebsstätte unter funktionalen Gesichtspunkten zuzuordnen ist (vgl. Rz. 127 ff.). Die Frage der funktionalen Zuordnung ist dabei auf Basis des Veranlassungsprinzips und einer daraus abgeleiteten funktionalen Betrachtungsweise abzuleiten, wobei hilfsweise – so auch die Vorgehensweise der Finanzverwaltung in den VWG BsGa1 – auch für Zwecke der Anwendung der Entstrickungsvorschriften auf die Grundsätze der Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach dem Kriterium der maßgeblichen Personalfunktion abgestellt werden kann (vgl. Rz. 128).2 Infolgedessen kommt eine „gewinnrealisierende“ Überführung eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens in die ausländische Betriebsstätte nicht in Betracht, wenn das Wirtschaftsgut der ausländischen Betriebsstätte lediglich (fiktiv) zur Nutzung überlassen wird oder wenn das Wirtschaftsgut der ausländischen Betriebsstätte zur Erbringung von Leistungen an das inländische Stammhaus beigestellt wird.3 Beispiel: Die in Deutschland ansässige A GmbH ist im Bereich der Entwicklung, der Herstellung und des Vertriebs von Elektromotoren tätig. Die A GmbH hat aus Kostengründen die Produktion von Komponenten zur Herstellung der Elektromotoren in eine Produktionsbetriebsstätte in Polen ausgelagert. Die polnische Produktionsbetriebsstätte ist ausschließlich für das deutsche Stammhaus der A GmbH tätig. Die von der Betriebsstätte hergestellten Komponenten werden vollumfänglich vom deutschen Stammhaus abgenommen und von diesem im Rahmen seiner eigenen Produktion verwendet. Infolgedessen besteht ein starkes wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis der polnischen Betriebsstätte zum deutschen Stammhaus, denn die Betriebsstätte ist auf die Nachfrage des Stammhauses angewiesen und – mangels eigener Vertriebsabteilung – selbst nicht in der Lage, eigene Marktchancen wahrzunehmen. Infolgedessen ist die Produktionsstätte als abhängige Produktionsbetriebsstätte (i.S. eines Lohnfertigers) zu qualifizieren.4 Sie erbringt an ihr Stammhaus Produktionsdienstleistungen, die nach der Preisvergleichsmethode (vorrangig) oder der Kostenaufschlagsmethode (nachrangig, aber die Regel) zu vergüten sind. Werden vom inländischen Stammhaus in die polnische Betriebsstätte Maschinen oder sonstige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens überführt und von dieser im Rahmen ihrer Produktionsfunktion genutzt, sind die in den Maschinen ruhenden stillen Reserven nicht zu realisieren. Denn die Maschinen und sonstigen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind – entgegen der Vermutungsregel des § 5 Abs. 1 BsGaV – nach § 5 Abs. 2 BsGaV weiterhin dem inländischen Stammhaus zuzuordnen.

165

Entstrickung zum gemeinen Wert. Die fiktive Entnahme des Wirtschaftsguts des Anlagevermögens (§ 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG) bzw. seine fiktive Veräußerung (§ 12 Abs. 1 KStG) ist mit dem gemeinen Wert zu bewerten.5 Der gemeine Wert entspricht regelmäßig dem Fremdvergleichspreis des Wirtschaftsguts,6 sodass für dessen Bestimmung auf die allgemein anerkannten Methoden zur Bestimmung von Verrechnungspreisen zurückgegriffen werden kann.7 Der Fremdvergleichspreis für das überführte Wirtschaftsgut ist im Zeitpunkt seiner Überführung zu bestimmen, wobei in der Regel die Preisvergleichsmethode oder die Kostenaufschlagsmethode Anwendung finden werden. Die Differenz aus dem so bestimmten gemeinen Wert/ Fremdvergleichspreis und dem Buchwert des Wirtschaftsguts ist im Zeitpunkt der Überführung des Wirtschaftsguts in die ausländische Betriebsstätte zu realisieren und zu besteuern. Die Rechtsgrundlage der Gewinnrealisierung ist § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG oder § 12 Abs. 1 KStG; § 1 Abs. 5 AStG findet hingegen keine Anwendung, da die Entstrickungsvorschriften § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 AStG vorgehen.8 Beispiel: Die in Deutschland ansässige A GmbH überführt eine Maschine in ihre österreichische Betriebsstätte. Die österreichische Betriebsstätte agiert als unabhängige Produktionsbetriebsstätte i.S. eines Eigenproduzenten und benötigt die Maschine zum Ausbau ihrer Kapazitäten. Die bereits im Stammhaus der A GmbH eingesetzte Maschine hat im Zeitpunkt ihrer Überführung einen fortgeführten Buchwert i.H.v. 100.000 t. Da der Fremdvergleichspreis der Maschine im Zeitpunkt ihrer Überführung nicht anhand der Preisvergleichsmethode bestimmt werden kann, kommt die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung. Infolgedessen ergibt sich der Fremdvergleichspreis der Maschine aus ihrem Restbuchwert zzgl. eines Gewinnaufschlags i.H.v. 5 % (ggf. sind auch die Transportkosten zur Überführung der Maschine in die österreichische Betriebsstätte zu berücksichtigen). Der relativ geringe Gewinnaufschlag liegt darin begründet, dass in der Maschine – wie häufig bei Produktionsmitteln – keine wesentlichen stillen Reserven enthalten sind. Der gemeine Wert bzw. Fremdvergleichspreis der Maschine beträgt damit 105.000 t, sodass es im Zeitpunkt der 1 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 20 u. 76 ff. 2 So auch die Finanzverwaltung in BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.4.1: „Wirtschaftsgüter einer Personengesellschaft sind Betriebsvermögen der im anderen Staat gelegenen Betriebsstätte der Personengesellschaft bzw. gehören tatsächlich zu der Betriebsstätte, wenn sie nach § 1 Abs. 5 AStG der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Die Grundzüge dieser Vorschrift stimmen in Grundzügen mit der Rechtsprechung zum funktionalen Zusammenhang überein […].“ 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 80 mit einem Beispiel zur Lohnfertigung. 4 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 80. 5 Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG und § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG. 6 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5-S 1341/07/10004 – DOK2009/0421117, BStBl. I 2009, 888, Tz. 2.2 Abs. 4; Ditz in W/A/D2, Rz. 6.80. 7 Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.175. 8 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 20; Ditz in W/A/D2, Rz. 6.133.

492

Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 167 Art. 7 (2008)

Überführung der Maschine zu einer Gewinnrealisierung in der Steuerbilanz der A GmbH gem. § 12 Abs. 1 KStG i.H.v. 5.000 t kommt. Dieser Gewinn kann durch einen passiven Ausgleichsposten gem. § 4g Abs. 1 EStG neutralisiert und im Wirtschaftsjahr der Überführung und in den folgenden vier Jahren zu jeweils 20 % (d.h. jährlich mit 1.000 t) aufgelöst werden. Infolgedessen erhöht sich der steuerpflichtige Gewinn der A GmbH im Inland durch die Auflösung des Ausgleichspostens um 1.000 t p.a. In der österreichischen Betriebsstätte ist die Maschine mit 105.000 t Anschaffungskosten zu aktivieren und über die Restnutzungsdauer abzuschreiben. Unterstellt man hierbei eine Restnutzungsdauer von fünf Jahren und eine lineare Abschreibung analog § 7 Abs. 1 EStG in Österreich, steht der Besteuerung eines Gewinns von 1.000 t im inländischen Stammhaus ein korrespondierender Aufwand von 1.000 t in der österreichischen Betriebsstätte gegenüber.

Steueraufschub durch einen Ausgleichsposten gem. § 4g EStG. § 4g Abs. 1 EStG lässt die Bildung eines Ausgleichspostens auf Antrag zu, wenn durch einen unbeschränkt Steuerpflichtigen ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens in eine Betriebsstätte in einem EU-Mitgliedstaat überführt und ein entsprechender Antrag gestellt wird. Der Ausgleichsposten ist dann im Jahr seiner Bildung und in den folgenden vier Wirtschaftsjahren zu je einem Fünftel gewinnerhöhend aufzulösen.1

166

Keine Entstrickung bei einer Nutzungsüberlassung des immateriellen Wirtschaftsguts. Voraussetzung für eine Entstrickung der stillen Reserven unter Zugrundelegung des gemeinen Werts/Fremdvergleichspreises eines immateriellen Wirtschaftsguts ist, dass dieses zunächst dem inländischen Stammhaus und der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG und des § 12 Abs. 1 KStG ist die Frage der Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern nach dem Veranlassungsprinzip und der daraus abgeleiteten funktionalen Betrachtungsweise vorzunehmen.2 Es ist (theoretisch) nicht sichergestellt, dass die Zuordnung eines immateriellen Wirtschaftsguts nach diesen Prinzipien nicht zu einem anderen Ergebnis führt, als dies nach den Vorgaben des § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. § 6 BsGaV der Fall ist.3 Allerdings vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass „im Grundsatz“ die Vorschriften des § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. §§ 5–8 BsGaV mit der Zuordnung nach einem funktionalen Zusammenhang übereinstimmen (vgl. Rz. 129).4 Damit sollten die Zuordnungsgrundsätze der Entstrickungsnormen (Veranlassungsprinzip) und der BsGaV (Personalfunktionen) nicht zu unterschiedlichen Zuordnungsentscheidungen führen. Infolgedessen kann auch im Anwendungsbereich der Entstrickungsvorschriften aus Vereinfachungsgründen auf das Kriterium der maßgeblichen Personalfunktionen zurückgegriffen werden. Ist danach nicht von einer Veränderung der Zuordnung des immateriellen Wirtschaftsguts auszugehen, kann es auch nicht zu einer Überführung des Wirtschaftsguts kommen. Vielmehr ist in diesen Fällen von einer bloßen (fiktiven) Nutzungsüberlassung des immateriellen Wirtschaftsguts auszugehen. Die Finanzverwaltung geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass in Zweifelsfällen eine Zuordnung eines immateriellen Vermögenswerts so vorzunehmen ist, dass dies zu keiner Aufdeckung von stillen Reserven führt. Insofern sollen aus einer fiktiven Veräußerung von immateriellen Wirtschaftsgütern resultierende erhebliche steuerliche Liquiditätsbelastungen vermieden werden.5

167

Beispiel: Die in den USA ansässige Automobil Inc. entwickelt, produziert und vermarktet Windschutzscheiben. In Deutschland unterhält sie eine Produktionsbetriebsstätte, die völlig unabhängig von ihrem Stammhaus in den USA agiert (Eigenproduzent). Um die Stoßfestigkeit der Windschutzschreiben zu verbessern, wurde ein neues Fertigungsverfahren entwickelt. Die Entwicklung dieses Verfahrens erfolgte durch erfahrene Mitarbeiter der F&E-Abteilung der deutschen Betriebsstätte. Das Entwicklungsteam wurde durch den Abteilungsleiter der Betriebsstätte geführt, wobei die Gesamtverantwortung für F&E bei dem US-amerikanischen Geschäftsführer der Automobil Inc. liegt. Die Patentierung des Fertigungsverfahrens wurde durch Mitarbeiter der Patentabteilung der Automobil Inc. in den USA beantragt. Das Patent wird hauptsächlich von der deutschen Produktionsbetriebsstätte genutzt. Daneben nutzt auch das Stammhaus in den USA das Patent. Bei dem Patent handelt es sich um ein immaterielles Wirtschaftsgut i.S.d. § 2 Abs. 6 BsGaV, das von der deutschen Produktionsbetriebsstätte der Automobil Inc. geschaffen wurde und damit gem. § 6 Abs. 1 BsGaV dieser zuzuordnen ist.6 Die Nutzung des Patents durch die Automobil Inc. ist von untergeordneter Bedeutung, sodass eine Zuordnung gem. § 6 Abs. 2 BsGaV oder eine anteilige Zuordnung gem. § 6 Abs. 4 BsGaV zum Vermögen der Automobil Inc. auszuschließen ist. Ein bilanzieller Ansatz des Patents scheidet jedoch gem. § 5 Abs. 2 EStG in der Bilanz der deutschen Betriebsstätte aus. Infolgedessen sind die Aufwendungen für die Entwicklung des Fertigungsverfahrens gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 BsGaV als Betriebsausgabe in der Betriebsstättenbuchführung zu erfassen. Die Nutzung des Patents durch das USamerikanische Stammhaus stellt eine fiktive Nutzungsüberlassung des Patents dar, die gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/A/D2, Rz. 6.87 ff. Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.53 ff. Vgl. Ditz, ISR 2013, 261 (264); Kahle/Eichholz/Kindich, Ubg 2016, 132 (142). Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK2014/0599097, BStBl. I 2014, 128, Tz. 2.2.4.1; Ditz in W/A/D2, Rz. 6.57. 5 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 99; Ditz in W/A/D2, Rz. 6.174. 6 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 86.

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Art. 7 (2008) Rz. 167

Unternehmensgewinne

über eine angemessene Lizenzgebühr zu erfassen ist. Dies führt bei der deutschen Produktionsstätte zu Betriebseinnahmen, die in ihrer Buchführung gem. § 12 Abs. 1 KStG und im Stammhaus der Automobil Inc. als Betriebsausgabe zu erfassen sind. Darüber hinaus sind die Leistungen der Patentabteilung der Automobil Inc. in den USA als anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen abzurechnen. Sie führen gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG und § 16 Abs. 1 Nr. 2 BsGaV in der deutschen Betriebsstätte zu fiktiven Betriebsausgaben. Denn mit der Durchführung der Patentierung des Fertigungsverfahrens erbringt das US-amerikanische Stammhaus eine Dienstleistung an ihre deutsche Betriebsstätte. Die Höhe des Entgelts kann gem. § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 AStG anhand der Kostenaufschlagsmethode bestimmt werden.

168

Keine Entstrickung bei einer Beistellung eines immateriellen Wirtschaftsguts. Nach § 6 Abs. 1 BsGaV sind immaterielle Wirtschaftsgüter nach der maßgeblichen Personalfunktion ihrer Schaffung oder ihres Erwerbs dem Stammhaus bzw. der Betriebsstätte zuzuordnen. Infolgedessen sind immaterielle Wirtschaftsgüter ausländischen Betriebsstätten, die Routinefunktionen gegenüber dem Stammhaus ausüben, die mit der Kostenaufschlagsmethode abgerechnet werden, in der Regel nicht zuzuordnen. Infolgedessen kann es daher in diesen Fällen – trotz Nutzung des immateriellen Wirtschaftsguts durch die ausländische Betriebsstätte – weder zu einer Überführung noch zu einer Nutzungsüberlassung des immateriellen Wirtschaftsguts vom inländischen Stammhaus in die ausländische Betriebsstätte kommen.1 Beispiel: Die polnische Produktionsbetriebsstätte der in Deutschland ansässigen Motoren GmbH stellt Komponenten für Elektromotoren her (Fortführung des Beispiels der Rz. 164). Die polnische Betriebsstätte agiert als abhängige Produktionsbetriebsstätte (Lohnfertiger) und übt infolgedessen Routineproduktionsfunktionen aus. Die zur Herstellung der Komponenten notwendigen Patente wurden durch das inländische Stammhaus der Motoren GmbH entwickelt und sind daher gem. § 6 Abs. 1 BsGaV dem inländischen Stammhaus zuzuordnen. Trotz der Nutzung der Patente durch die polnische Betriebsstätte kommt es weder zu deren Überführung noch zu deren Nutzungsüberlassung in die Betriebsstätte. Die Produktionsleistungen der Betriebsstätte sind anhand der Preisvergleichsmethode oder der Kostenaufschlagsmethode gegenüber dem Stammhaus abzurechnen.2

169

Anteilige Nutzung von immateriellen Wirtschaftsgütern. Die Überführung eines immateriellen Wirtschaftsguts und die damit einhergehende Aufdeckung stiller Reserven kann auch vermieden werden, wenn das immaterielle Wirtschaftsgut gem. § 6 Abs. 4 Satz 2 BsGaV anteilig dem Stammhaus und der Betriebsstätte zugeordnet wird. Dies ist indessen nur möglich, wenn das immaterielle Wirtschaftsgut nicht eindeutig einem Unternehmensteil zugeordnet werden kann.3 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn nicht festgestellt werden kann, ob die Personalfunktion des Stammhauses oder der Betriebsstätte hinsichtlich des Erwerbs oder der Schaffung des immateriellen Wirtschaftsguts überwiegt. Beispiel: Im deutschen Stammhaus der A GmbH wird ein neues Fertigungsverfahren entwickelt, das sowohl in der deutschen Produktionsstätte der A GmbH als auch in der niederländischen Produktionsbetriebsstätte (Eigenproduzent) genutzt werden soll. In die Entwicklung des neuen Fertigungsverfahrens ist Personal des deutschen Stammhauses und der niederländischen Betriebsstätte involviert. Die entsprechenden Kosten werden nach einem sachgerechten Schlüssel (erwarteter Umsatz aus der Nutzung des neuen Fertigungsverfahrens) seit Beginn der Entwicklungstätigkeiten zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufgeteilt. Infolgedessen ist das Fertigungsverfahren mit seiner Fertigstellung anteilig dem deutschen Stammhaus und der niederländischen Betriebsstätte zuzuordnen (§ 6 Abs. 4 Satz 2 BsGaV und BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 101). Zu einer Überführung oder Nutzungsüberlassung des Fertigungsverfahrens vom deutschen Stammhaus in die niederländische Betriebsstätte kommt es nicht.

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Verstrickung von Wirtschaftsgütern. Die sog. Verstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG stellt die Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts einer Einlage gleich.4 Die Bewertung dieser fiktiven Einlage erfolgt – unabhängig von der Bewertung des Wirtschaftsguts im Ausland – mit dem gemeinen Wert,5 d.h. dem Fremdvergleichspreis.6 Nach Auffassung des Gesetzgebers liegt eine „Begründung“ des deutschen Besteuerungsrechts vor, wenn ein Wirtschaftsgut aus einer Freistellungs-Betriebsstätte in das deutsche Stammhaus überführt wird.7 § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG führt damit – korrespondierend zu den Vorgaben des Art. 7 Abs. 2 (vgl. Rz. 163) – dazu, dass in ein in Deutschland belegenes Stammhaus bzw. in eine deutsche Betriebsstätte vom Ausland überführte Wirtschaftsgüter mit ihrem Fremdvergleichspreis zu aktivieren sind. Nach 1 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 80. 2 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 80. 3 Vgl. § 6 Abs. 4 Satz 1 BsGaV; BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 101. 4 Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/A/D2, Rz. 6.259 ff. 5 Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG; die ursprüngliche Intension des Gesetzgebers, im Rahmen der neuen Verstrickungsregeln eine Anknüpfung an den Wertansatz im Ausland vorzuschreiben, wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens fallengelassen. 6 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341 - 07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888, Tz. 2.2. 7 Zu weiteren denkbaren Fällen vgl. Frotscher in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 426; Förster, DB 2007, 72 (76).

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Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 171 Art. 7 (2008)

Auffassung der Finanzverwaltung ist die Verstrickungsregelung indessen nicht bei der Überführung aus einer Anrechnungs-Betriebsstätte (z.B. aus einem Nicht-DBA-Staat oder einem DBA-Staat bei Anwendung der Anrechnungsmethode) anzuwenden.1 Diese Tatsache wird im Schrifttum zutreffend als Systembruch kritisiert.2 Denn die Verstrickungsregelungen stellen – im Gegensatz zu den Entstrickungsregelungen (vgl. Rz. 41) – lediglich die „Begründung“, nicht aber die „Erstarkung“ des Besteuerungsrechts einer Einlage gleich. Dies führt dazu, dass Wirtschaftsgüter, welche aus Anrechnungs-Betriebsstätten überführt werden, mit dem Buchwert anzusetzen sind. Im Übrigen ergeben sich im Zusammenhang mit § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG zahlreiche Zweifelsfragen, die bislang nicht geklärt sind.3 So ist bspw. fraglich, wie bei der Überführung von selbstgeschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern aus einer ausländischen FreistellungsBetriebsstätte in das Inland zu verfahren ist. § 5 Abs. 2 EStG könnte in diesen Fällen einer Aktivierung im Inland entgegenstehen. Allerdings bedient sich der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG der Fiktion einer Einlage. Daher sollte konsequenterweise der für die Einlage von selbstgeschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern entwickelte Grundsatz gelten, wonach die Einlagevorschriften dem Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG vorgehen.4 Damit ist z.B. ein von einer ausländischen Betriebsstätte entwickeltes Patent, das in das inländische Stammhaus überführt wird, bei diesem mit dem Fremdvergleichspreis zu aktivieren und abzuschreiben. Die Aktivierung zum Fremdvergleichspreis ist dabei unabhängig von der Besteuerung (oder Nichtbesteuerung) des Vorgangs im Ausland. Ferner ist § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG nur einschlägig, wenn das Wirtschaftsgut des Anlage- oder Umlaufvermögens der inländischen Betriebsstätte oder dem inländischen Stammhaus zuzuordnen ist.5 Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine ausländische Personengesellschaft. Werden Wirtschaftsgüter eines im Inland ansässigen Mitunternehmers in seine ausländische Personengesellschaft unentgeltlich überführt, ist fraglich, ob die Buchwertverknüpfung des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. Satz 1 EStG greift. Voraussetzung für die in dieser Norm zwingend vorgesehene Buchwertfortführung ist, dass die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist.6 In diesem Zusammenhang vertritt der BFH7 die Auffassung, dass bei einer Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Personengesellschaft (DBA-Betriebsstätte mit Freistellungsmethode) die Besteuerung der stillen Reserven an dem entsprechenden Wirtschaftsgut sichergestellt ist. Dies spricht dafür, dass die unentgeltliche Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Personengesellschaft – auf Basis des BFH-Urt. v. 17.7.2008 – grundsätzlich erfolgsneutral erfolgen kann. Allerdings wurde durch das JStG 20108 in § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG ein zweiter Halbsatz eingefügt, welcher auf § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG verweist. Diese Vorschrift besagt (beispielhaft), dass ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts dann vorliegt, wenn das Wirtschaftsgut bisher einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen war und zukünftig einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Dies ist indessen gerade bei der Überführung eines Wirtschaftsguts von einem im Inland ansässigen Mitunternehmer in seine ausländische Personengesellschaft der Fall. Gleichwohl ist der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und des § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG umstritten.9 Unabhängig von den bestehenden Rechtsunsicherheiten geht die Finanzverwaltung davon aus, dass bei einer Überführung eines Wirtschaftsguts aus einem inländischen Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen einer ausländischen Personengesellschaft der Fremdvergleichspreis anzusetzen ist.10 Diese Vorgehensweise lässt sich dadurch rechtfertigen, dass bei einer Überführung eines Wirtschaftsguts in das Gesamthandsvermögen der ausländischen Personengesellschaft ein Rechtsträgerwechsel vorliegt. Darüber hinaus kann sich die Finanzverwaltung auf § 1 Abs. 1 AStG berufen, wenn im jeweiligen Einzelfall die Voraussetzungen einer Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG und einer Einkünfteminderung im Inland vorliegen. Bei1 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341 - 07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888, Tz. 2.6.2; Ehlermann/Müller, ISR 2013, 47 (48). 2 Vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1486); Ditz in W/A/D2, Rz. 6.264. 3 Zu Einzelheiten vgl. Ehlermann/Müller, ISR 2013, 47 ff.; Ditz in W/A/D2, Rz. 6.259 ff. 4 Vgl. nur BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 5 Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.266 mit einem Beispiel. 6 Vgl. § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG. 7 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 8 Vgl. JStG v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 9 Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.58; Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (157); Richter/Heydt, Ubg 2011, 172 (174 ff.); Musil, FR 2011, 545 (550) sowie Micker, IWB 2011, 714 ff.; Mitschke, FR 2011, 706; FG Köln v. 16.2.2016 – 10 K 2335/11, EFG 2016, 793, zu der Frage der verfassungsrechtlichen Rückwirkung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG und des § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG. 10 Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999 – IV B 4-S 1300-111/99, 1076, Tz. 2.6.4; v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005 – DOK 2009/0300414, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6-S 2134/10/10004 – DOK 2011/0802578, BStBl. I 2011, 1278; v. 25.8.2009 – IV B 5-S 1341/07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888.

Ditz

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171

Art. 7 (2008) Rz. 171

Unternehmensgewinne

de Voraussetzungen sollten im Rahmen der Überführung eines Wirtschaftsguts eines im Inland ansässigen Mitunternehmers in seine ausländische Personengesellschaft i.d.R. erfüllt sein. Wird ein Wirtschaftsgut aus dem Gesamthandsvermögen oder dem Sonderbetriebsvermögen einer inländischen Personengesellschaft unentgeltlich in das ausländische Betriebsvermögen des Gesellschafters überführt, gelten die vorstehend dargestellten Grundsätze korrespondierend. Die Finanzverwaltung weist ausdrücklich darauf hin, dass die Zuordnung von Wirtschaftsgütern in das Sonderbetriebsvermögen einer Personengesellschaft nicht Gegenstand des § 1 Abs. 5 AStG ist.1 d) Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern 172

Ansatz eines Fremdvergleichspreises. Unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte (vgl. Rz. 112 ff.) und des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. Art. 7 Abs. 2 ist die (fingierte) Nutzungsüberlassung eines materiellen oder immateriellen Wirtschaftsguts an eine ausländische Betriebsstätte auf Basis einer angemessenen Vergütung (i.d.R. in Form einer Lizenzgebühr) abzurechnen.2 Nach dem OECD-Betriebsstättenbericht 2008 ist die Art und Höhe der Vergütung davon abhängig, welchem Unternehmensteil das Wirtschaftsgut zuzuordnen ist und ob es übertragen oder überlassen wurde (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 32 f.).3 Die Funktionsanalyse könne dabei ergeben, dass das (immaterielle) Wirtschaftsgut der Betriebsstätte zuzuordnen ist und ihr folglich eine Vergütung in Form einer Lizenzgebühr zusteht.4 Hingegen kann – so die OECD – aus der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 100 und 124 ff.) aber auch folgen, dass die Betriebsstätte als Auftragsforscher oder -entwickler agiert und ihr infolgedessen eine kostenorientierte Vergütung zusteht.5 Im Übrigen könne die Nutzung eines immateriellen Wirtschaftsguts nach seiner Entwicklung unterschiedliche Formen annehmen: Zunächst ist denkbar, dass das immaterielle Wirtschaftsgut ausschließlich oder zu Teilen von einem anderen Betriebsteil genutzt wird. In diesem Fall stelle sich die grundlegende Frage, ob von einer Überführung oder einer Lizenzierung des Wirtschaftsguts auszugehen ist (vgl. Rz. 174).6 Darüber hinaus sei es möglich, dass das Wirtschaftsgut von verschiedenen betrieblichen Teileinheiten parallel genutzt wird. Hier sei zu prüfen, ob das Wirtschaftsgut den betrieblichen Teileinheiten anteilig zuzuordnen ist (vgl. Rz. 127) oder ob von einer Nutzungsüberlassung auszugehen sei.7

173

Nutzungsentstrickung nach innerstaatlichem Recht. Das in Art. 7 Abs. 2 niedergelegte Recht der Besteuerung einer fremdvergleichskonformen Vergütung für die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern bedarf einer Ausfüllung durch innerstaatliches Recht i.S. eines Ersatzrealisationstatbestands (vgl. Rz. 41). In diesem Zusammenhang werden gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG zwischen Stammhaus und Betriebsstätte eine fiktive Nutzungsüberlassung und bei Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG eine fiktive Nutzungsentnahme angenommen, die mit dem gemeinen Wert zu bewerten sind.8 Es kommt damit nach den Entstrickungsvorschriften zum Ansatz einer fremdüblichen Pacht- oder Lizenzgebühr, die zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte bzw. inländischer Betriebsstätte und ausländischem Stammhaus zu verrechnen ist. Neben den Entstrickungsvorschriften sieht auch § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. der BsGaV eine fremdübliche Pacht- oder Lizenzgebühr vor, wenn eine unternehmensinterne Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern oder Vermögenswerten als anzunehmende schuldrechtliche Beziehung qualifiziert. Die Entstrickungsvorschriften führen daher zum gleichen Ergebnis wie § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. der BsGaV, wobei sie den Vorschriften des AStG vorgehen.9 Beispiel 1: Die A GmbH hat in den Niederlanden eine Betriebsstätte. Ein Pkw des inländischen Stammhauses wird für drei Monate in der niederländischen Betriebsstätte der A GmbH und anschließend wieder im inländischen Stammhaus genutzt. Aufgrund der nur vorübergehenden Nutzung des Pkw in der niederländischen Betriebsstätte kommt es nicht zu einer Überführung des Pkw; vielmehr wird der Pkw vom inländischen Stammhaus in die niederländische Betriebsstätte zur Nutzung überlassen. Entsprechend ist eine fremdübliche Miet- oder Pachtgebühr für den Pkw zum Ansatz zu bringen, die auf Basis der Kostenaufschlagsmethode bestimmt werden kann.10 Beispiel 2: Ein im inländischen Stammhaus entwickeltes Patent wird sowohl durch das inländische Stammhaus als auch durch die italienische Betriebsstätte genutzt. Aufgrund der gleichzeitigen Nutzung des Patents sowohl im inländischen Stammhaus als auch in der italienischen Betriebsstätte kommt es nicht zu einer Zuordnung des Patents zur 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 18. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 238; Ditz, ISR 2012, 48 (50 f.). Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 236. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 235. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 236. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 238 f. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 241 f. Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.247. Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/A/D2, Rz. 6.135. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 78.

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Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 174 Art. 7 (2008)

italienischen Betriebsstätte (§ 6 Abs. 1 BsGaV). Vielmehr ist das Patent weiterhin dem inländischen Stammhaus zuzuordnen und der italienischen Betriebsstätte (fiktiv) zu lizenzieren. Die fremdübliche Lizenzgebühr für die Nutzungsüberlassung des Patents kann auf Basis der Preisvergleichsmethode oder gewinnorientiert bestimmt werden.1

Abgrenzung der Nutzungsüberlassung von der Überführung. Es stellt sich die Frage, in welchen Fällen ein Wirtschaftsgut in die Betriebsstätte überführt und in welchen es lediglich zur Nutzung überlassen wird. Dies ist letztlich eine Frage der Zuordnung des Wirtschaftsguts. Wird dieses der ausländischen Betriebsstätte zugeordnet, kommt es zu einer Überführung des Wirtschaftsguts. Dabei wird – für Zwecke der Entstrickungsvorschriften – auf den funktionalen Zusammenhang mit der Betriebsstätte abgestellt, der insbesondere dann gegeben ist, wenn das Wirtschaftsgut zur ausschließlichen Verwertung und Nutzung durch die Betriebsstätte bestimmt ist.2 Damit führt eine dauerhafte Nutzung zu einer Überführung des betreffenden Wirtschaftsguts vom inländischen Stammhaus in die ausländische Betriebsstätte.3 Hingegen soll – nach der Gesetzesbegründung zur Einführung der Entstrickungsvorschriften4 – von einer (fiktiven) Nutzungsüberlassung eines Wirtschaftsguts an die ausländische Betriebsstätte auszugehen sein, wenn die Überlassung wie unter fremden Dritten aufgrund eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Rechtsverhältnisses erfolgt wäre. Damit ist aus Sicht des Gesetzgebers hinsichtlich der Frage der Abgrenzung zwischen Nutzungsüberlassung und Überführung auf das wirtschaftliche Eigentum abzustellen.5 Vor diesem Hintergrund kann nur – auf den Einzelfall bezogen – aus den tatsächlichen Verhältnissen der Überlassung von Wirtschaftsgütern abgeleitet werden, ob eine Überführung oder eine Nutzungsüberlassung an die ausländische Betriebsstätte anzunehmen ist.6 Anhaltspunkte einer Unterscheidung zwischen Übertragung und Nutzungsüberlassung können dabei aus der Rechtsprechung zur Unterscheidung zwischen der Veräußerung und der Lizenzierung von Rechten zwischen rechtlich selbständigen Personen abgeleitet werden. Danach ist darauf abzustellen, ob die Rechte und Pflichten aus dem Wirtschaftsgut in das Vermögen des Nutzungsberechtigten übergehen.7 Als maßgebliches Differenzierungsmerkmal gilt die Dauer der Überlassung des Wirtschaftsguts.8 Demnach ist eine Rechtsübertragung insbesondere dann anzunehmen, wenn das Nutzungsrecht der Nutzungsberechtigten zeitlich unbefristet überlassen wird, d.h. bei ihm endgültig verbleibt, oder sich das überlassene Recht während der Dauer seiner Nutzung in seinem wirtschaftlichen Wert erschöpft.9 Vor allem das temporäre Moment sowie die Ausschließlichkeit der Überlassung können daher als Kriterium einer Unterscheidung zwischen Übertragung eines Wirtschaftsguts und dessen Nutzungsüberlassung an die ausländische Betriebsstätte herangezogen werden. So spricht die langfristige sowie ausschließliche Nutzung eines Wirtschaftsguts in der Betriebsstätte für dessen Übertragung (dauerhafter Nutzungswechsel).10 Ist dagegen nur eine vorübergehende Nutzung des Wirtschaftsguts durch die Betriebsstätte vorgesehen (vorübergehender Nutzungswechsel)11 bzw. ist bei der Übertragung des Wirtschaftsguts noch nicht abzusehen, wie lange es in der Betriebsstätte zum Einsatz kommt, sollte von einer Nutzungsüberlassung ausgegangen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch unter fremden Dritten Miet-, Pacht- oder Lizenzverträge mit sehr langen Laufzeiten abgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund besteht hier seitens des Steuerpflichtigen ein gewisser Ermessensspielraum; die Finanzverwaltung geht in Zweifelsfällen von einer Zuordnung aus, die nicht zu einer Aufdeckung von stillen Reserven führt, solange die Zuordnung den Regelungen der BsGaV nicht widerspricht.12 In jedem Fall ist die entsprechende Entscheidung zu dokumentieren. Dies gilt auch bei einem häufigen Nutzungswechsel (z.B. wenn ein Wirtschaftsgut abwechselnd in verschiedenen Betriebsstätten genutzt wird).13 Beispiel 1: Die A GmbH mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Düsseldorf, ist auf dem Gebiet des Design, der Herstellung und des Vertriebs von hochpreisigen Textilien tätig. Die Textilien werden im Stammhaus der A GmbH in Düsseldorf entworfen, durch Lohnfertiger in Asien hergestellt und unter der Marke „AB“ über Boutiquen der A GmbH im In- und Ausland vertrieben. Im Zusammenhang mit der Marke „AB“ investiert die A GmbH jährlich Millionenbeträge

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.248 f. Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.53 ff. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 278; Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 327. Vgl. BT-Drucks. 16/2710, 28. So auch Looks in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 984. Zum Grundsatz der tatsächlichen Zugehörigkeit vgl. auch BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385. Vgl. BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101. Vgl. BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367 m.w.N. Vgl. BFH v. 27.2.1996 – III R 64/74, BStBl. II 1976, 529. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 77. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 78. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 99. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 79.

Ditz

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Art. 7 (2008) Rz. 174

Unternehmensgewinne

in Marketing, Werbung und zahlreiche „Events“, um die Marke in den in- und ausländischen Verbraucherkreisen bekannt zu machen. Die entsprechende Marketingabteilung ist dabei im Düsseldorfer Stammhaus angesiedelt. Die A GmbH verfügt u.a. über mehrere Boutiquen in Österreich. Die Boutiquen, die nach österreichischem Recht und auf Basis des Art. 5 DBA-Österreich als Betriebsstätten behandelt werden, wurden in 2008 gegründet und haben in den ersten drei Jahren, d.h. bis einschließlich 2010, Verluste erwirtschaftet. Erst in 2011 konnten die Boutiquen Gewinne erzielen. Die österreichischen Boutiquen verfügen jeweils über eine eigene Buchführung, auf deren Basis die Einkünfte der jeweiligen Boutique ermittelt werden. Die Boutiquen bestellen bei den vom Stammhaus vorgegebenen Lohnfertigern regelmäßig selbst die Ware. Darüber hinaus betreiben die Boutiquen Werbung (z.B. in einschlägigen österreichischen Zeitschriften) und organisieren Modeschauen in Wien. Sie verfügen über speziell ausgebildetes Personal, welches die qualitativ hochwertigen Textilien an – in der Regel sehr wohlhabende – Kunden in Österreich vertreibt. Die Marke „AB“ ist als sog. EU-Marke markenrechtlich auf den Namen der A GmbH in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten geschützt. Die Markenverwaltung erfolgt alleine durch das Düsseldorfer Stammhaus. Die Marke „AB“ wird sowohl durch das Stammhaus der A GmbH als auch durch deren inländischen und ausländischen Betriebsstätten genutzt. Damit wird die Marke „AB“ nicht ausschließlich durch eine österreichische Betriebsstätte genutzt. Daher ist nach den vorstehenden Grundsätzen davon auszugehen, dass die Überlassung der Marke „AB“ unter fremden Dritten auf Grundlage eines Lizenzvertrags erfolgt wäre.1 Im Ergebnis kommt damit eine Überführung der Marke „AB“ in die österreichischen Betriebsstätten nicht in Betracht. Vielmehr liegt eine „Nutzungsüberlassung“ vor. Dafür spricht auch das BFH-Urt. v. 8.9.2010.2 Danach ist es für die Zuordnung von Lizenzrechten ausschlaggebend, wo und von wo aus die Lizenzrechte verwaltet und vermarktet werden. Im vorliegenden Betriebsprüfungsfall wird die Marke „AB“ von der Marketingabteilung der A GmbH in Düsseldorf verwaltet und vermarktet. Dieses Ergebnis sollte auch nach den Regelungen des § 6 BsGaV gelten, wobei als maßgebliche Personalfunktionen für die Zuordnung von immateriellen Vermögenswerten deren Schaffung oder der Erwerb gelten.3 Beispiel 2: Ein in Deutschland ansässiges Speditionsunternehmen hat seinen Fuhrpark teilweise von Deutschland in eine Zweigniederlassung in den Niederlanden verlagert. Von der Zweigniederlassung werden neben der Erbringung von Speditions- und Frachtleistungen auch Transportcontainer an Endkunden vermietet. Aufgrund eines Lieferengpasses des (externen) Containerlieferanten konnte die niederländische Zweigniederlassung erst verspätet eigene Transportcontainer anschaffen. Daher stellt das deutsche Stammhaus der Zweigniederlassung 100 Container für einen befristeten Zeitraum von sieben Monaten zur Vermietung an die Endkunden zur Verfügung. In diesem Fall liegt eine bloße Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens des deutschen Stammhauses an die niederländische Zweigniederlassung vor.4 Der Fremdvergleichspreis der Nutzungsüberlassung (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG oder § 12 Abs. 1 KStG) kann auf Basis der Kostenaufschlagsmethode bestimmt werden (AfA und Instandhaltungskosten der Container zzgl. 5 % Gewinnaufschlag). Beispiel 3: Ein Pkw wird nicht auf Dauer, sondern nur für vier Monate für betriebliche Zwecke der ausländischen Betriebsstätte verwendet. Danach wird der Pkw wieder im Inland durch das Stammhaus genutzt. Da die Nutzung des Pkw nur vorübergehend in die Betriebsstätte wechselt und absehbar ist, dass der Pkw in Zukunft wieder durch das Stammhaus genutzt wird, ist keine Änderung der Zuordnung vorzunehmen. Es ist von einer fiktiven Nutzungsüberlassung an die Betriebsstätte auszugehen, die mit einem Fremdvergleichspreis zu vergüten ist.5 Beispiel 4: Der Pkw wird über das Jahr abwechselnd in verschiedenen Betriebsstätten genutzt, auf Dauer jedoch überwiegend durch das inländische Stammhaus. In diesem Fall liegt ein häufiger Nutzungswechsel vor, d.h., mehr als zweimal innerhalb eines Kalenderjahrs wird ein Wirtschaftsgut von verschiedenen Betriebsstätten genutzt, wobei eine überwiegende Nutzung durch das Stammhaus erfolgt. In diesen Fällen ist nach Auffassung der Finanzverwaltung anhand einer Prognose zu entscheiden, welchem Unternehmensteil das Wirtschaftsgut zuzuordnen ist. Dabei ist die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts zu berücksichtigen.6 Dadurch wird vermieden, dass dauerhaft fiktive Veräußerungen anzunehmen sind, die dazu führen, dass die vorhandenen stillen Reserven jeweils festgestellt und versteuert werden müssten. In diesen Fällen ist seitens des Stammhauses eine fiktive Nutzungsvergütung, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht, abzurechnen.7

175

Fehlende Rechtsgrundlage für eine Nutzungsverstrickung. Da § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG lediglich auf die Begründung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns „aus der Veräußerung“, nicht aber des Gewinns „aus der Nutzung“8 eines Wirtschaftsguts abstellt, kann für die Überlassung von Wirtschaftsgütern von einem ausländischen Stammhaus an seine inländische Betriebsstätte bzw. von einer ausländischen Betriebsstätte an das inländische Stammhaus kein fiktives Nutzungsentgelt abgezogen werden.9 Der Gesetzgeber wollte es wohl nicht zulassen, dass durch die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern an das inländische Stammhaus oder eine inländische Betriebsstätte Aufwand durch den Ansatz eines fikti1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 29. Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFH/NV 2011, 138. Vgl. auch BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 85 ff. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 78. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 78. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 79 und 44. Vgl. auch § 16 Abs. 2 BsGaV. So jedoch § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG. Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.129; Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 (767).

498

Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 178 Art. 7 (2008)

ven Nutzungsentgeltes generiert wird. Diese Vorgehensweise ist indessen abkommensrechtlich nicht gedeckt. Denn nach Art. 7 Abs. 2 besteht ein Besteuerungsrecht Deutschlands nur im Hinblick auf den Unternehmensgewinn, wie er durch das Stammhaus bzw. die Betriebsstätte als selbständiges und unabhängiges Unternehmen erwirtschaftet worden wäre. In diesem Fall wäre indessen ein entsprechender Aufwand aus der Nutzung der entsprechenden Wirtschaftsgüter entstanden, welcher den Gewinn gemindert hätte. Infolgedessen sind bereits aus abkommensrechtlichen Gründen (fingierte) Nutzungsentgelte für die Überlassung von Wirtschaftsgütern abzuziehen.1 In Zweifelsfällen keine Aufdeckung von stillen Reserven. In Bezug auf immaterielle Vermögenswerte erkennt die Finanzverwaltung an, dass deren fiktive Veräußerung bzw. Entstrickung zu erheblichen steuerlichen Liquiditätsbelastungen führen kann. Dies vor allem deswegen, weil solche Vermögenswerte in der Regel nach einem hypothetischen Fremdvergleich nach § 1 Abs. 3 Satz 8 f. AStG zu bewerten sind, wobei auch die Gewinnaussichten eines Geschäftsvorfalls zu berücksichtigen sind. Um solche, die Existenz eines Unternehmens ggf. gefährdende Realisierungsvorgänge nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV zu vermeiden, soll – so die Finanzverwaltung unter Verweis auf § 6 Abs. 4 BsGaV2 – der Steuerpflichtige „in Zweifelsfällen“ eine Zuordnung des immateriellen Vermögenswerts vornehmen, die zu keiner Aufdeckung von stillen Reserven führt, solange die Zuordnung § 6 Abs. 1–3 BsGaV nicht widerspricht. Dies gilt insbesondere auch bei Funktionsverlagerungen, bei denen die widerlegbare Vermutung besteht, dass von einer Lizenzierung auszugehen ist.3

176

e) Gemeinsame Nutzung von Wirtschaftsgütern Relevante Wirtschaftsgüter. Es kann vorkommen, dass Wirtschaftsgüter nicht durch eine betriebliche Teileinheit allein, sondern durch mehrere betriebliche Teileinheiten gemeinsam genutzt werden. Dies gilt insbesondere für Wirtschaftsgüter, die mehreren oder allen Unternehmensteilen gemeinsam dienen bzw. von ihnen gemeinsam genutzt werden, wie z.B. ein derivativer Geschäfts- oder Firmenwert, ein von allen Unternehmensteilen entwickeltes und genutztes immaterielles Wirtschaftsgut (z.B. Marken oder Patente) oder bestimmte Wirtschaftsgüter einer zentralen Rechnungslegungsabteilung (wie z.B. ERP-Software). Außerdem sind Wirtschaftsgüter betroffen, die in einem regel- oder unregelmäßigen Turnus von mehreren betrieblichen Teileinheiten eingesetzt werden (z.B. Baumaschinen, welche in mehreren Betriebsstätten eingesetzt werden).

177

Anteilige Zuordnung von Wirtschaftsgütern. Derartige Wirtschaftsgüter werden im gemeinsamen Inte- 178 resse der betroffenen Unternehmensteile genutzt, sodass die daraus resultierenden Aufwendungen unter diesen aufzuteilen sind (vgl. Rz. 150 und 162). Es kommt damit nicht zu unternehmensinternen Leistungsbeziehungen; vielmehr liegen originäre Aufwendungen der jeweiligen Unternehmensteile vor. In diesem Zusammenhang weist die OECD explizit darauf hin, dass ein (wirtschaftliches) Miteigentum an einem Wirtschaftsgut von mehreren betrieblichen Teileinheiten zulässig ist.4 Dieser Auffassung folgt § 6 Abs. 4 BsGaV, wonach bei immateriellen Vermögenswerten auch eine anteilige Zuordnung zu verschiedenen Betriebsstätten zulässig ist.5 Damit gibt die Finanzverwaltung ihre bisherige Auffassung, dass Wirtschaftsgüter entweder dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet werden müssen, hinsichtlich immaterieller Vermögenswerte auf.6 Offen bleibt, anhand welcher Kriterien eine anteilige Zuordnung erfolgen soll. Dazu geben auch die VWG BsGa keine Auskunft. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn sich aufgrund einer Veränderung der Nutzungsverhältnisse während eines Wirtschaftsjahrs der „Schlüssel“ für die Zuordnung des immateriellen Werts zum Stammhaus und der Betriebsstätte verändert. Kann es dann zu anteiligen Entstrickungen kommen? Vor diesem Hintergrund ist die anteilige Zuordnung von immateriellen Vermögenswerten eher der Ausnahmefall. Denn alternativ kann der immaterielle Wert von dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet und eine Nutzungsüberlassung verrechnet werden (vgl. dazu Rz. 172 ff.).7 Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist eine anteilige Zuordnung bei materiellen Wirtschaftsgütern nicht möglich.8

1 So auch die Finanzverwaltung in BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 11 u. 21. Zu Einzelheiten mit einem Beispiel vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.127 ff. u. 6.131. 2 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 99. 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 100 mit Verweis auf Tz. 2.4.2 VWG Funktionsverlagerung. 4 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 101, 236 und 246. Siehe ferner Rz. 8.6 OECD-Leitlinien 2010. 5 Vgl. Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1 (6); Kußmaul/Delarber/Müller, IStR 2014, 466 (470); § 6 Abs. 4 BsGaV. 6 Zur alten Rechtslage vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4 Abs. 1. 7 Vgl. Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1 (6). 8 Vgl. BR-Drucks. 401/14 v. 28.8.2014, 59 f.; BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 83; Ditz in W/A/D2, Rz. 6.167.

Ditz

499

Art. 7 (2008) Rz. 179

Unternehmensgewinne

f) Erbringung von Dienstleistungen 179

Fremdvergleichspreis versus Aufwandsverrechnung. Nach bisheriger Auffassung der OECD im OECDMK 1994 und 2008 war die Verrechnung von Dienstleistungen auf Basis eines Fremdvergleichspreises nur in Ausnahmefällen – insbesondere bei Dienstleistungen der Haupttätigkeit der Betriebsstätte – vorgesehen (vgl. Rz. 98). Grundsätzlich seien im Hinblick auf unternehmensinterne Dienstleistungen vielmehr die entstandenen Aufwendungen zu verrechnen bzw. aufzuteilen (vgl. Art. 7 Rz. 35 OECD-MK 2008). Diese Sichtweise verfolgt die OECD im AOA (vgl. Rz. 99 ff.) nicht mehr. Hier geht die OECD – analog den Vorgaben der OECD-Leitlinien 2010 – davon aus, dass auch im Hinblick auf die Erbringung von Dienstleistungen grundsätzlich ein Fremdvergleichspreis zu verrechnen sei. Ausnahmen bestehen nur insoweit, als eine Kostenumlage unter Berücksichtigung der Grundsätze des Kapitels VII OECD-Leitlinien 2010 Anwendung findet (vgl. Rz. 150 und 162).1 Darüber hinaus ist nach Auffassung der OECD eine Aufwandsverrechnung auch in den Fällen möglich, wenn sich ein Fremdvergleichsentgelt nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermitteln lässt.2

180

Gewinnrealisierung nach innerstaatlichem Recht. Unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. Art. 7 Abs. 2 ist eine Abgrenzung der Verrechnung eines Fremdvergleichsentgelts (einschließlich Gewinnelement) einerseits und einer bloßen Aufwandsverrechnung (ohne Gewinnelement) andererseits nach dem Kriterium des gemeinsamen Interessens bzw. Nutzens vorzunehmen. Infolgedessen sind nur Aufwendungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu verrechnen bzw. aufzuteilen, wenn die entsprechende Leistung im gemeinsamen Interesse und zum gemeinsamen Nutzen beider Unternehmensteile erbracht wird (vgl. Rz. 150 und 162). Dies gilt bspw. bei Aufwendungen für Geschäftsführung, allgemeine Verwaltung,3 Werbung und Markterschließung.4 Darüber hinaus können von einer Aufwandsumlage auch alle weiter denkbaren Leistungskategorien (z.B. auch Forschung und Entwicklung) betroffen sein, wenn diese im gemeinsamen Interesse der betroffenen Unternehmensteile empfangen oder erbracht werden. Denn in diesen Fällen ist auch zwischen fremden Dritten denkbar, Leistungen ohne Gewinnelement auf reiner Aufwandsbasis zu verrechnen (vgl. Rz. 150). Ist das Kriterium der Erbringung von Leistungen im gemeinsamen Interesse und im gemeinsamen Nutzen von Stammhaus und Betriebsstätte indessen nicht erfüllt, ist die entsprechende Leistung grundsätzlich auf Basis eines Fremdvergleichspreises (d.h. unter Berücksichtigung eines Gewinnelements) zu verrechnen. Dies gilt insbesondere für den weiten Bereich gewerblicher Dienstleistungen,5 welche typischerweise auf Basis der Kostenaufschlagsmethode unter Berücksichtigung eines Gewinnaufschlags (vgl. Art. 9 Rz. 130) verrechnet wird. Wenngleich in diesem Zusammenhang die Entstrickungsvorschriften des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG nicht einschlägig sind,6 liegt eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AStG i.V.m. § 16 Abs. 1 BsGaV vor, die fremdüblich abzurechnen ist (vgl. zu Einzelheiten Rz. 159 ff.). Infolgedessen sieht auch das innerstaatliche Recht – zumindest für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen – eine Gewinnrealisierung in Bezug auf unternehmensinterne Dienstleistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte vor.

181

Betriebsausgabenabzug von Dienstleistungsentgelten. Art. 7 Abs. 2 fungiert als Rechtsgrundlage dafür, auf Basis eines Fremdvergleichspreises an ein inländisches Stammhaus oder eine inländische Betriebsstätte abgerechnete Dienstleistungen als Betriebsausgabe zu akzeptieren. Denn das Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne ist auf den unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte ermittelten Betriebsstättengewinn begrenzt, d.h., es darf maximal derjenige Betriebsstättengewinn einer Besteuerung unterworfen werden, welcher unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte erzielt worden wäre. Insofern sind entsprechende Dienstleistungsgebühren gewinnmindernd zu berücksichtigen (zu einer korrespondierenden Thematik bei der Verrechnung von Nutzungsentgelten vgl. Rz. 175). g) Gewährung von Darlehen

182

Reine Aufwandsverrechnung. Sowohl nach Auffassung der OECD als auch nach § 16 Abs. 3 BsGaV ist die Verrechnung fiktiver Zinsen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte – auch in Bezug auf das Dotationskapital – nicht zulässig.7 Einzelheiten sind in Rz. 143 dargestellt. 1 2 3 4 5

Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 255. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 256 mit Verweis auf Rz. 7.37 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. dazu BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.4.2. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.2.1. Gewerbliche Dienstleistungen betreffen insbesondere die Lohnfertigung, die Auftragsentwicklung und Forschung, die Tätigkeit von Handelsvertretern, Maklern und Spediteuren, die Baubetreuung und Instandhaltung. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.1.1 u. 3.1.3. 6 Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 6.77. 7 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 174.

500

Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 186 Art. 7 (2008)

h) Funktionsverlagerungen Anwendbarkeit der Funktionsverlagerungsbesteuerung bei Betriebsstätten. Mit der Implementierung des AOA in § 1 AStG (vgl. Rz. 42) sind die Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen,1 auch für Betriebsstätten anwendbar.2 Denn § 1 Abs. 5 Satz 1 EStG verweist ausdrücklich auf eine entsprechende Anwendung der Abs. 1, 3 und 4 der Vorschrift, sodass auch die in § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG und der FVerlV geregelte Funktionsverlagerung erfasst wird. Werden daher die Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung zwischen einem inländischen Stammhaus und seiner ausländischen Betriebsstätte oder einer inländischen Betriebsstätte und ihrem ausländischen Stammhaus erfüllt,3 ist die Funktion als Ganzes (Transferpaket) zu bewerten. Infolgedessen kommt es zu einer Gewinnrealisierung aufgrund einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung. Die konkreten Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung ergeben sich aus der FVerlV, die auch im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem AOA Anwendung findet. Dies gilt indessen nicht, soweit die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen eine andere Behandlung erfordert.4 Infolgedessen kann z.B. die Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Sätze 11 und 12 AStG im internationalen Einheitsunternehmen (Stammhaus und Betriebsstätte) keine Anwendung finden, da die Vereinbarung entsprechender Preisanpassungsklauseln zivilrechtlich zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht möglich ist. Demgegenüber sind die EscapeKlauseln des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG auch bei Betriebsstätten anwendbar.

183

Verhältnis zu den Entstrickungsvorschriften. Soweit die Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte erfüllt sind, gehen deren Rechtsfolgen (Bewertung der Funktion als Ganzes i.S. eines Transferpakets) über die Rechtsfolgen des § 4 Abs. 1 Sätze 3 f. EStG und des § 12 Abs. 1 KStG hinaus, sodass deren Anwendung durch § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 9 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AStG verdrängt wird. Sind daher die Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung erfüllt, bedarf es keiner Anwendung der Entstrickungsvorschriften des EStG und des KStG; vielmehr ist hier ausschließlich § 1 AStG einschlägig.

184

Keine Anwendung der Funktionsverlagerungsbesteuerung bis 2012. Vor Einführung des AOA in § 1 AStG bestand keine Rechtsgrundlage zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen bei Betriebsstätten. Denn § 1 AStG war vor der Implementierung des AOA in diese Vorschrift nicht im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte anwendbar.5 Wurden daher vor Anwendung des neuen Rechts im Rahmen einer Funktionsverlagerung Wirtschaftsgüter in eine ausländische Betriebsstätte oder ein ausländisches Stammhaus überführt bzw. zur Nutzung überlassen, konnten allenfalls die allgemeinen Entstrickungsvorschriften (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 f. EStG, § 16 Abs. 3a EStG und § 12 Abs. 1 KStG) Anwendung finden.6 Für die Realisierung eines funktionsbezogenen Geschäfts- oder Firmenwerts im Rahmen einer Transferpaketbewertung fehlte die Rechtsgrundlage. Eine solche ergibt sich mit § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 9 AStG erst für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen.7

185

Funktionsverlagerungen ins Inland. Nach Auffassung der Finanzverwaltung gelten die Grundsätze des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG und der FVerlV auch für Funktionsverlagerungen ins Inland.8 Werden daher Funktionen von einer ausländischen Betriebsstätte in ihr inländisches Stammhaus oder von einem ausländischen Stammhaus in seine inländische Betriebsstätte verlagert, ist ebenfalls ein Transferpaket zu bewerten und im Rahmen einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG abzurechnen. Das Transferpaket ist dann – vergleichbar einer Kaufpreisallokation („Purchase Price Allocation“) – den ins Inland überführten Wirtschaftsgütern und sonstigen Vermögenswerten zuzuordnen. Soweit Wirtschaftsgüter im Transferpaket enthalten sind, kommt es zu einer fingierten Einlage gem. § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG, soweit die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Soweit das Transferpaket Vermögenswerte enthält (insbesondere in Bezug auf den funktionsbezogenen Geschäfts- oder Firmenwert) ist § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG mangels Wirtschaftsguts nicht einschlägig, sodass der auf diesen Teil des Transferpakets entfallende Betrag eine fiktive Betriebsausgabe darstellt.

186

1 Vgl. § 21 Abs. 20 Satz 3 AStG. 2 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 100; Kahle/ Eichholz/Kindich, Ubg 2016, 132 (142); Schnitger, IStR 2012, 638; Baldamus, IStR 2012, 319. 3 Vgl. dazu im Einzelnen Ditz in W/A/D2, Rz. 6.302 ff. 4 Vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG. 5 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 894; Kaminski/Strunk, DB 2008, 2501 (2502); Kahle/Franke, IStR 209, 411. 6 A.A. Kahle/Eichholz/Kindich, Ubg 2016, 132 (142). 7 Vgl. § 21 Abs. 20 Satz 3 AStG. 8 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5-S 1341/08/10003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774.

Ditz

501

Art. 7 (2008) Rz. 187 187

Unternehmensgewinne

Keine Regelungen zu Funktionsverlagerungen. Weder im OECD-MK 2008 bzw. 2010 zu Art. 7 OECDMA noch im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 sind Regelungen zur Besteuerung der Verlagerung von Funktionen in eine Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat dargestellt. Vor diesem Hintergrund sind nach Auffassung der OECD im Zusammenhang mit Funktionsverlagerungen die allgemeinen Grundsätze zu beachten, d.h., auch bei Funktionsverlagerungen ist – im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse und unter Berücksichtigung der maßgeblichen Personalfunktionen – zu prüfen, welche Wirtschaftsgüter in die Betriebsstätte überführt bzw. ihr zur Nutzung überlassen und welche Dienstleistungen an die Betriebsstätte erbracht werden. Sind die entsprechenden unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen (anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen) identifiziert, sind sie einzeln unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze zu bewerten und abzurechnen. Infolgedessen fehlt eine abkommensrechtliche Grundlage zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach dem Transferpaket. Im Übrigen führt der Übergang einer Funktion nach den OECD-Leitlinien nicht zu einer Gesamtbewertung im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen. Vielmehr setzt eine solche die Übertragung einer „Business Unit“ voraus. Eine solche entspricht allerdings dem deutschen Begriff des Teilbetriebs, sodass eine Gesamtbewertung im Rahmen einer Funktionsverlagerung, in deren Rahmen ein Teilbetrieb (und damit keine „Business Unit“) übertragen wird, von den OECD-Leitlinien nicht vorgesehen ist (vgl. Art. 9 Rz. 136).1 7. Währungsumrechnung

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Anwendung Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung. Nach § 146 Abs. 2 Satz 1 AO sind Bücher und sonstige Aufzeichnungen über Geschäftsvorfälle (einschließlich aller ausländischen Betriebsstätten) im Inland zu führen. Eine Ausnahme besteht für ausländische Betriebsstätten nur, wenn für sie nach ausländischem Recht eine Buchführungspflicht besteht und diese tatsächlich erfüllt wird (§ 146 Abs. 2 Satz 2 AO). In diesem Fall kann das nach ausländischem Recht und in ausländischer Währung ausgewiesene Betriebsstättenergebnis in die Buchführung des inländischen Unternehmens einbezogen werden, sodass sich die Frage der Währungsumrechnung stellt.2 Nach der Rspr. des BFH hat die Währungsumrechnung – mangels spezifischer steuerlicher Regelungen3 – auf Basis der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung zu erfolgen,4 namentlich dem Grundsatz der Einzelbewertung, dem Realisations-, dem Anschaffungskosten-, dem Imparitäts-, dem Niederstwert- und dem Stichtagsprinzip. Diese Grundsätze müssen auch beachtet werden, wenn ein ausländisches Betriebsstättenergebnis für inländische Zwecke in Euro umgerechnet wird.5 Darüber hinaus gelten diese allgemeinen Grundsätze auch für die Hilfs- und Nebenrechnung, die gem. § 3 BsGaV für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen,6 zu erstellen ist (vgl. Rz. 122).

189

Grundsatz der Zeitbezugsmethode. Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung sind die einzelnen Geschäftsvorfälle und die insoweit zu erfassenden Wirtschaftsgüter, Aufwendungen und Erträge jeweils mit ihrem spezifischen Währungskurs umzurechnen.7 Vor diesem Hintergrund gilt die Zeitbezugsmethode im Grundsatz als die theoretisch „richtige“ Methode zur Währungsumrechnung.8 Nach der Zeitbezugsmethode ist jeder einzelne Geschäftsvorfall mit dem jeweils gültigen Währungskurs umzurechnen (sog. Grundsatz der geschäftsvorfallbezogenen Umrechnung).9 Dies bedeutet – auch in der Hilfs- und Nebenrechnung gem. § 3 BsGaV (vgl. Rz. 122) – unter Berücksichtigung des Realisations- und Anschaffungskostenprinzips, dass jede Bilanzposition auf Basis ihres historischen Kurses umzurechnen und dann unter Berücksichtigung des Niederstwert- und Imparitätsprinzips fortzuschreiben ist. Nach dem BilMoG10 ist § 256a HGB zur Währungsumrechnung zu berücksichtigen, wonach für die Erstbewertung jeder Ansatz gewählt werden kann, der den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung entspricht. Für die daran anschließende Folgebewertung ist dann zu jedem Bilanzstichtag der Devisen-Kassa-Mittelkurs (Stichtagskurs) he1 Vgl. Rz. 9.93 OECD-Leitlinien 2010; vgl. auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 31.1. 2 Zur Thematik der Währungsumrechnung bei einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens vgl. Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 8.2. 3 Auch der OECD-MK zu Art. 7 und der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 enthalten keine Vorgaben zur Währungsumrechnung. 4 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 5 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57. 6 Vgl. § 40 BsGaV. 7 Vgl. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128 mit Verweis auf § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB. 8 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.8.1. 9 Vgl. Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 8.8. 10 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102.

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 191 Art. 7 (2008)

ranzuziehen. Kommt es im Rahmen der Zeitbezugsmethode zu umrechnungsbedingten Erfolgsauswirkungen1, sind diese nach h.M.2 erfolgswirksam auszuweisen. In diesem Zusammenhang ist zwischen Kursänderungs- und Umschichtungsdifferenzen zu unterscheiden.3 Kursänderungsdifferenzen liegen vor, wenn aufgrund von Währungsschwankungen bei der Folgebewertung von Bilanzpositionen Vermögensänderungen entstehen. Praktischer Anwendungsfall sind hier insbesondere währungsbedingte Teilwertabschreibungen, welche nicht nur bei Nominalgütern von Bedeutung sind, sondern auch Sachgüter betreffen können, deren Anschaffungskosten bzw. Teilwert in Euro umgerechnet wurde. Umschichtungsdifferenzen können entstehen, wenn neu angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter mit ihrem Stichtagskurs und damit im Zusammenhang stehende Vermögensabgänge mit abweichenden historischen Wechselkursen umgerechnet werden (z.B. Realisierung einer Forderung unter Berücksichtigung eines Materialaufwands). Im Rahmen der Zeitbezugsmethode kann – aus Praktikabilitäts- und Wesentlichkeitsgründen – von dem Realisations- bzw. Anschaffungskostenprinzip bei unwesentlichen Wechselkursschwankungen abgewichen werden. In diesen Fällen können Forderungen aus Lieferungen oder Leistungen, Vorräte und sonstiges Umlaufvermögen mit dem Stichtags- oder Jahresdurchschnittskurs umgerechnet werden.4 Stichtagskursmethode aus Vereinfachungsgründen. Die Zeitbezugsmethode, nach welcher jeder einzelne Geschäftsvorfall mit dem maßgebenden Tageskurs umgerechnet wird, ist kaum praxistauglich. Deshalb lässt die Finanzverwaltung – auch nach Aufnahme des AOA in § 1 AStG und die BsGaV – die Anwendung der Stichtagskursmethode zu, nach welcher sämtliche Abschlusspositionen einheitlich mit dem Stichtagskurs umzurechnen sind. Da diese überschlägige Vorgehensweise indessen i.d.R. mit einer Verletzung des Einzelbewertungs-, des Realisations- und des Anschaffungskostenprinzips einhergeht,5 wird diese Methode nur akzeptiert, wenn keine wesentlichen Kursschwankungen zwischen den Stichtagen bestehen.6 Ist diese Voraussetzung erfüllt, wobei es an einer eindeutigen Abgrenzung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Abweichungen fehlt, ist es nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht zu beanstanden, wenn der Gewinn der Betriebsstätte mit dem Stichtagskurs umgerechnet wird.7 Alternativ kann der Jahresdurchschnittskurs zur Umrechnung des Betriebsstättenergebnisses herangezogen werden.8 Steuerliche Konsequenz einer so verstandenen Stichtagskursmethode ist, dass währungsbedingte Umrechnungsdifferenzen in Höhe der Eigenkapitalveränderung entstehen können, die sich aufgrund einer Wechselkursveränderung zwischen den Abschlussstichtagen ergibt. Diese Umrechnungsdifferenz bleibt indessen nach h.M. bis zur Beendung des Betriebsstättenengagements (z.B. Auflösung, Verkauf oder Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft) erfolgsneutral.9 Infolgedessen werden Währungsdifferenzen erst bei Rückführung des Dotationskapitals erfolgswirksam. Laufende Währungsergebnisse können folglich bei der Stichtagskursmethode nicht entstehen.10

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Zuordnung von Währungsverlusten zur Betriebsstätte. Nach der Rspr. des BFH11 und der Auffassung der Finanzverwaltung12 sind umrechnungsbedingte Währungsverluste der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen.13 Begründet wird dies damit, dass der Währungsverlust durch die Existenz der ausländischen Betriebsstätte verursacht sei und folglich das Schicksal der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte teilen müsse. Die Währungsumrechnung sei Bestandteil der nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelten Betriebsstätteneinkünfte, die nicht nur die aus der eigentlichen Geschäftstätigkeit der auslän-

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1 Zu Einzelheiten der Anwendung der Zeitbezugsmethode vgl. auch Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 8.8; Looks in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 1043. 2 Vgl. Kleineidam, Rechnungslegung bei Auslandsbeziehungen nach Handels- und Steuerrecht, 184; Ziehr, IStR 2009, 261 (262) m.w.N. 3 Vgl. Ziehr, IStR 2009, 261 (263) m.w.N. 4 Vgl. Ziehr, IStR 2009, 261 (262) m.w.N. 5 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; Kleineidam, Rechnungslegung bei Auslandsbeziehungen nach Handels- und Steuerrecht, 182. 6 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 7 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 55; v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.8.1. 8 Vgl. Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 8.8. 9 Vgl. Ziehr, IStR 2009, 261 (263) m.w.N. 10 Vgl. Ziehr, IStR 2009, 261 (263). 11 Vgl. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 16.2.1996 – I R 46/95, BFH/NV 1997, 111; v. 18.9.1996 – I R 69/95, BFH/NV 1997, 408. Siehe ferner FG München v. 8.8.1994 – 15 K 3521/88, IStR 1995, 287; FG Münster v. 10.3.1995 FG – 9 K 5026/92, EFG 1996, 239 (rkr.); FG Hamburg v. 26.4.1995 – VII 101/92, EFG 1995, 870, nachgehend BFH v. 18.9.1996 – I R 69/95, BFH/NV 1997, 408; FG Nds. v. 15.8.1996 – XII (IV) 781/93, EFG 1997, 532 (rkr.); BFH v. 2.12.2015 – I R 13/14, BStBl. II 2016, 927. 12 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.8.1. 13 So auch Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 8.7 u. 8.10; Hruschka, IStR 2008, 500 (504); Kumpf/Roth, DB 2000, 787 (790); Malinski, IStR 2000, 499 (502).

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Unternehmensgewinne

dischen Betriebsstätte erwirtschafteten Einkünfte, sondern auch Währungsverluste zu erfassen habe.1 Diese These würde ferner dadurch unterstützt, dass Art. 13 Abs. 2 für Gewinne aus der Veräußerung der ausländischen Betriebsstätte das Besteuerungsrecht dem Betriebsstättenstaat zuweist und für in diesem Zusammenhang entstehende Währungsverluste nichts anderes gelten könne. Ohne Bedeutung für die Zuordnung von Währungsverlusten zur ausländischen Betriebsstätte sei hingegen, dass die Währungsverluste aufgrund der in ausländischer Währung aufgestellten Betriebsstättenbuchführung im Ausland gar nicht erfasst werden können und folglich ins steuerliche „Niemandsland“ fallen. 192

Zuordnung von Währungsverlusten zum Stammhaus. Die h.M. verkennt – wie auch der EuGH in der Rechtssache „Deutsche Shell“ zutreffend bestätigt2 – die abkommensrechtlichen Grundlagen der Betriebsstättengewinnabgrenzung. Denn auf Basis der Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte und unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes sind umrechnungsbedingte Währungsverluste nicht der ausländischen Betriebsstätte, sondern dem inländischen Stammhaus zuzurechnen. Denn die Betriebsstätte hätte sie, wäre sie ein selbständiges und unabhängiges Unternehmen, nicht erwirtschaftet; folglich können sie auch in der Betriebsstättenbuchführung nicht enthalten sein.3 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass bei Währungsverlusten ein Veranlassungszusammenhang auch mit dem inländischen Stammhaus besteht. Wäre die Betriebsstätte ein selbständiges und unabhängiges Unternehmen, würde sich die Frage der Währungsumrechnung gar nicht stellen. Mithin ist die Währungsumrechnung nur aufgrund deutscher Gewinnermittlungsvorschriften durchzuführen, sodass insoweit eine Veranlassung auch durch das inländische Stammhaus gegeben ist. Art. 7 Abs. 1 sieht indessen nur dann eine Zurechnung von Gewinnen bzw. Verlusten zur Betriebsstätte vor, wenn die Zugehörigkeit der Einkünfte zur Betriebsstätte positiv feststeht. Bestehen dagegen Zweifel an der Einkünftezurechnung zur ausländischen Betriebsstätte, bleibt das ausschließliche Besteuerungsrecht im Ansässigkeitsstaat (vgl. Rz. 89). Im Übrigen begründet nach der Entscheidung des EuGH v. 28.2.2008 in der Rechtssache „Deutsche Shell“4 der Ausschluss der auf das Dotationskapital einer ausländischen Betriebsstätte erlittenen Währungsverluste bei der Besteuerung des inländischen Stammhauses eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.5 Insoweit wendet sich der EuGH sowohl gegen die Rspr. des BFH als auch gegen die Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. Rz. 191), wonach umrechnungsbedingte Währungsverluste grundsätzlich der ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich das EuGH-Urt. in der Rechtssache „Deutsche Shell“ sachverhaltsmäßig auf Währungsverluste bei der Liquidation einer ausländischen Betriebsstätte aus der Umrechnung des Betriebsstättendotationskapitals bezieht. Währungsverluste auf das Dotationskapital einer ausländischen Betriebsstätte sind indessen auch dann europarechtlich beim inländischen Stammhaus zu berücksichtigen, wenn die Betriebsstätte nicht liquidiert wird.6 8. Gründung der Betriebsstätte

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Arten von Gründungskosten. Im Vorfeld der Gründung einer Betriebsstätte entstehen häufig Aufwendungen beim Stammhaus, die mit der Tätigkeit der später begründeten Betriebsstätte im Zusammenhang stehen. Dies betrifft einerseits sämtliche Aufwendungen zur Gründung der Betriebsstätte, welche sich häufig auf die wirtschaftliche und rechtliche Beratung im Zusammenhang mit der Begründung der Betriebsstätte beziehen (z.B. Aufwendungen für Unternehmensberater, Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Ingenieure sowie Genehmigungs- und Anmeldegebühren). Andererseits können davon Aufwendungen zur Vorbereitung des wirtschaftlichen Engagements in der ausländischen Betriebsstätte betroffen sein, wie z.B. Aufwendungen für Marktbeobachtung und -forschung, Werbe- und Marketingmaßnahmen, Außendienstmitarbeiter, Informationsbeschaffung, Kosten für die Beschaffung von Personal, Prüfung von Handlungsalternativen, Betriebsanlagen etc.7 Sowohl Gründungsaufwendungen als auch Aufwendungen für vorbereitende Maßnahmen werden regelmäßig nicht die Voraussetzungen eines (immateriellen) Wirtschaftsguts

1 Vgl. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 2.12.2015 – I R 13/14, BStBl. II 2016, 927. 2 Vgl. EuGH v. 28.2.2008 – C-293/06 – Deutsche Shell, ECLI:EU:C:2008:129. 3 Gl.A. Pering, DB 1986, 2299 (2300); Uhrmann, DB 1990, 2037; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung, 249; a.A. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128, der von einer „eingeschränkten Selbständigkeit der Betriebsstätte“ für Zwecke der Gewinnabgrenzung ausgeht. 4 Vgl. EuGH v. 28.2.2008 – C-293/06 – Deutsche Shell, ECLI:EU:C:2008:129. Vgl. dazu auch Ditz/Schönfeld, DB 2008, 1455; Hruschka, IStR 2008, 500 ff.; Looks in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 1057; Ziehr, IStR 2009, 261 ff. 5 Zur Anwendung des Urt. aus Sicht der Finanzverwaltung vgl. BMF v. 23.11.2009 – IV B 5 - S 2118 - a/07/10011 – DOK 2009/0759198, BStBl. I 2009, 1332. 6 Vgl. Ditz/Schönfeld, DB 2008, 1455 ff. 7 Zur Definition der Gründungskosten vgl. auch Looks in Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 1069 ff.

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 195 Art. 7 (2008)

erfüllen.1 Infolgedessen können diese Aufwendungen nicht Gegenstand einer unternehmensinternen Überführung eines Wirtschaftsguts (Rz. 163 ff.) sein. Vielmehr handelt es sich um zeitlich vorgelagerte Aufwendungen, deren betriebswirtschaftliche Vorteile – ggf. neben dem Stammhaus – auch der Betriebsstätte zugutekommen. In diesem Zusammenhang stellt die Begründung zu § 3 Abs. 4 Satz 3 BsGaV aber klar, dass auch wirtschaftliche Vorgänge bei der Eröffnung einer Betriebsstätte anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen darstellen. So ist nach der BsGaV davon auszugehen, dass Gründungsaufwendungen zur Betriebsstätte nach dem Veranlassungsprinzip durch die Verrechnung entsprechender Dienstleistungen ersetzt werden.2 Mit der Begründung der Betriebsstätte erbringt daher das Stammhaus eine Leistung an die Betriebsstätte, die nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG i.V.m. § 16 Abs. 1 BsGaV eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung darstellt. Diese ist als unternehmensinterne Dienstleistung anhand der Kostenaufschlagsmethode, d.h. Gründungskosten zzgl. eines angemessenen Gewinnaufschlags, abzurechnen.3 Handelt es sich um Drittaufwand, ist der Ansatz eines Gewinnaufschlags nicht sachgerecht. Zuordnung zum Stammhaus. Die OECD sagt zur Behandlung von Aufwendungen, die mit der Begrün- 194 dung der Betriebsstätte in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, nichts aus. Vielmehr wird insoweit auf das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten verwiesen.4 Nach Auffassung der Rspr.5 und der wohl h.M. der Literatur6 sind Aufwendungen, die bei der Errichtung der Betriebsstätte entstehen, aufgrund ihres Veranlassungszusammenhangs bereits der Betriebsstätte zuzuordnen. Dieser Auffassung ist indessen nicht zu folgen; vielmehr sind die entsprechenden Aufwendungen dem Stammhaus zuzuordnen. Denn ein Aufwand, der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen vor Begründung der Betriebsstätte entsteht, kann nicht der Betriebsstätte zugeordnet werden. Der (Gründungs-)Aufwand ist stattdessen – mangels Anknüpfungspunkt einer beschränkten Steuerpflicht im Ausland vor Begründung der Betriebsstätte – dem Stammhaus zuzurechnen.7 Dies folgt auch aus Art. 7 Abs. 2 Satz 1, der ausdrücklich eine Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat voraussetzt. Dementsprechend sind Aufwendungen, die vor der Begründung einer Betriebsstätte, aber in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit ihrem Entstehen und hinsichtlich ihrer Tätigkeit anfallen (sog. Vorlaufkosten), dem Stammhaus zuzuordnen, da einer Betriebsstätte vor ihrem Entstehen keine Personalfunktionen zugeordnet werden können.8 Kommt es zu einer tatsächlichen Begründung einer Betriebsstätte im Ausland, sind die beim Stammhaus entstandenen und hier bereits als Betriebsausgaben geltend gemachten Gründungskosten als unternehmensinterne Dienstleistungen an die ausländische Betriebsstätte abzurechnen. Denn insofern liegt eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG i.V.m. § 16 Abs. 1 BsGaV vor. Diese anzunehmende schuldrechtliche Beziehung ist in der ersten Hilfs- und Nebenrechnung (vgl. Rz. 122) für die Betriebsstätte zu erfassen (§ 3 Abs. 4 Satz 1 BsGaV).9 Kommt es indessen nicht zur Gründung einer Betriebsstätte im Ausland und handelt es sich insoweit um vergebliche Gründungskosten, kann keine Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG vorliegen. Denn es fehlt schlichtweg an einem (fiktiven) Vertragspartner des inländischen Stammhauses im Ausland.10 Dies zeigt umso mehr, dass mit Aufnahme des AOA in § 1 AStG die Gründungskosten, die nicht zu einer Betriebsstätte im Ausland führen, Betriebsausgaben des inländischen Stammhauses verbleiben müssen. 9. Schließung der Betriebsstätte Schließung einer inländischen Betriebsstätte. Wird eine Betriebsstätte veräußert, in eine Tochterkapitalgesellschaft eingebracht, stillgelegt oder in den anderen Vertragsstaat verlegt, räumen Art. 7 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 2 dem Betriebsstättenstaat das Recht zu einer Besteuerung der in den entsprechenden Wirtschaftsgütern vorhandenen stillen Reserven ein. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob über-

1 Zur Diskussion, ob Gründungsaufwendungen ggf. Geschäftschancen darstellen können, vgl. auch Buciek in Piltz/ Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 61. 2 Vgl. dazu auch Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1 (9); Heinsen/Wendland, GmbHR 2014, 1033 (1037 f.). 3 Vgl. auch Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 7.7 u. 7.10. 4 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 259. 5 Vgl. BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703; v. 20.5.2015 – I R 75/14, BFH/NV 2015, 1687; v. 20.7.1973 – VI R 198/69, BStBl. II 1973, 732; v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566. 6 Vgl. die Nachweise in BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.35 m.w.N. 7 Zu Einzelheiten vgl. Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 7.7 ff. 8 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 66. 9 Vgl. dazu Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 7.10; Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1 (9); Wassermeyer, IStR 2015, 37; Heinsen/Wendland, GmbHR 2014, 1033 (1037 f.); Gierlich/Philipp, DB 2015, 459. 10 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 66 f.

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Unternehmensgewinne

haupt und wenn ja, in welcher Höhe dieses abkommensrechtliche Besteuerungsrecht durch innerstaatliches Recht ausgefüllt wird. Dazu Folgendes: – Veräußerung einer inländischen Betriebsstätte: Wird eine inländische Betriebsstätte im Ganzen veräußert, führt dies zu einer beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 16 EStG. Der insoweit zu realisierende Veräußerungsgewinn darf sich indessen nur auf stille Reserven aus der inländischen Betriebsstätte zugeordneten Wirtschaftsgütern (vgl. Rz. 127 ff.) beziehen. Werden die Betriebsbzw. Teilbetriebsvoraussetzungen des § 16 EStG nicht erfüllt, ist der Veräußerungsgewinn als laufender Gewinn zu realisieren und zu besteuern.1 – Aufgabe der Betriebsstätte: Wird eine inländische Betriebsstätte beendet, werden die Voraussetzungen einer Betriebsaufgabe im Ganzen gem. § 16 Abs. 3 EStG i.d.R. nicht erfüllt werden. Denn eine Betriebsaufgabe liegt nur vor, wenn aufgrund eines Entschlusses des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, die bisher in diesem Betrieb entfaltete gewerbliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang entweder insgesamt in das Privatvermögen überführt bzw. anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt oder insgesamt einzeln an verschiedene Erwerber veräußert werden und dadurch der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens (verstanden als gesamtes Einheitsunternehmen) zu bestehen aufhört.2 Werden im Zusammenhang mit der Schließung der Betriebsstätte Wirtschaftsgüter veräußert, unterliegt der daraus resultierende und der inländischen Betriebsstätte zuzuordnende Gewinn der beschränkten Steuerpflicht. Werden hingegen Wirtschaftsgüter in das ausländische Stammhaus oder eine andere ausländische Betriebsstätte überführt, kommt es zu einer Realisierung der stillen Reserven (vgl. Rz. 163 ff.). – Umwandlung in eine Tochterkapitalgesellschaft: Soweit eine inländische Betriebsstätte in eine Tochterkapitalgesellschaft eingebracht wird, entscheidet sich nach innerstaatlichem Umwandlungssteuerrecht, ob die Einbringung gewinnrealisierend zu erfolgen hat oder auf Basis einer Fortführung der Buchwerte erfolgsneutral ist. Die Finanzverwaltung geht in diesem Zusammenhang grundsätzlich von einem gewinnrealisierenden, tauschähnlichen Vorgang aus.3 Im Übrigen ist in Bezug auf den jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 20 UmwStG erfüllt sind. – Verlegung ins Ausland: Wird die inländische Betriebsstätte eingestellt und im Ausland (d.h. in ihrem Stammhaus oder in einer anderen Betriebsstätte) fortgeführt, liegt eine Betriebsverlegung vor. In seiner alten und mittlerweile überholten Rspr. ist der BFH in diesem Zusammenhang im DBA-Fall von einer Betriebs- bzw. Teilbetriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 3 EStG ausgegangen (sog. finale Betriebsaufgabe).4 Diese Rspr. hat der BFH in 2009 aufgegeben.5 Ab dem VZ 2006 sind im Zusammenhang mit einer Betriebsverlegung § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG zu beachten (vgl. Rz. 41). Darüber hinaus wurde mit dem JStG 20106 § 16 Abs. 3a EStG eingeführt. Danach steht einer Aufgabe des Gewerbebetriebs der Ausschluss oder die Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter des Betriebs oder Teilbetriebs gleich. Im Ergebnis wurde damit die finale Betriebsaufgabetheorie aus der alten Rspr. des BFH gesetzlich kodifiziert.7 196

Schließung einer ausländischen Betriebsstätte. Wird die ausländische Betriebsstätte eines im Inland ansässigen Unternehmers verkauft, in eine Tochterkapitalgesellschaft eingebracht, eingestellt oder ins Inland verlegt, hat der ausländische Vertragsstaat gem. Art. 7 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 2 das Besteuerungsrecht auf stille Reserven, die in den der Betriebsstätte zugeordneten Wirtschaftsgütern enthalten sind. Die Besteuerungsfolgen im Ausland ergeben sich nach den dort anzuwendenden innerstaatlichen Vorschriften. Werden im Zusammenhang mit der Schließung der ausländischen Betriebsstätte Wirtschaftsgüter in das inländische Stammhaus oder eine andere inländische Betriebsstätte überführt, gelten die Grundsätze der Steuerverstrickung (vgl. Rz. 170).

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Abschluss der Hilfs- und Nebenrechnung. Wird eine Betriebsstätte beendet, so ist zu diesem Zeitpunkt gem. § 3 Abs. 4 Satz 2 BsGaV die Hilfs- und Nebenrechnung abzuschließen. Dies bedeutet, dass die Gewinnermittlung der in- oder ausländischen Betriebsstätte abgeschlossen wird und infolgedessen die Hilfsund Nebenrechnung die zum Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsstätte ihr zuzuordnenden VermögensVgl. Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 7.15. Vgl. BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019 m.w.N. Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 – S 1341/07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888, Tz. 2.10. Vgl. BFH v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76. Vgl. BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019; v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH NV 2010, 432, belegt durch Nichtanwendungserlass des BMF v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004 – DOK 2011/0802578, BStBl. I 2011, 1278. Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/A/D2, Rz. 6.100 f. 6 Vgl. JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 7 Vgl. zu Einzelheiten des § 16 Abs. 3a EStG Ditz in W/A/D2, Rz. 6.99 ff.

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 199 Art. 7 (2008)

werte, Dotationskapital und Passivposten auszuweisen hat. Kommt es zu einer Überführung von Wirtschaftsgütern mit Beendigung der Betriebsstätte in das Ausland, ist dies in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen (§ 3 Abs. 4 Satz 3 BsGaV). Denn insoweit kommt es zu einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung i.S.d. § 16 Abs. 1 BsGaV. Alle noch vorhandenen Wirtschaftsgüter und Passivposten der Betriebsstätte gelten fiktiv als an das Stammhaus zu Fremdvergleichswerten veräußert (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV), der fiktive Veräußerungserlös ist gem. § 3 Abs. 4 Satz 2 BsGaV in der Hilfs- und Nebenrechnung zu erfassen.1 Zuordnung von nachträglichen Einkünften. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch nach Schließung der Betriebsstätte durch sie veranlasste Einkünfte in Form von nachträglichen Aufwendungen oder Erträgen entstehen (z.B. Ausfall von Forderungen oder nachträglicher Eingang von Forderungen, welche zuvor teilwertberichtigt wurden). Die OECD2 gibt keine konkreten Hinweise, wie mit nachträglichen Betriebsstätteneinkünften umzugehen ist. Sind nachträgliche Erträge oder Aufwendungen bereits im Zeitpunkt der Beendigung der Betriebsstätte absehbar, sind diese – ggf. als Forderungen oder als Verbindlichkeiten – in der Hilfsund Nebenrechnung der Betriebsstätte auszuweisen.3 Insofern wird sichergestellt, dass sämtliche Erträge und Aufwendungen, die nach den maßgeblichen Personalfunktionen der (in- oder ausländischen) Betriebsstätte zuzuordnen sind, in der Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte ausgewiesen und infolgedessen dieser zugeordnet werden. Einkünfte, die nach Beendigung der Betriebsstätte und nach Abschluss der Hilfs- und Nebenrechnung entstehen, aber in der Hilfs- und Nebenrechnung nicht ausgewiesen waren, sind dann dem Stammhaus zuzuordnen.4 Nach Auffassung der Rspr.5 zur alten Rechtslage, d.h. vor Einführung des AOA in § 1 AStG (vgl. Rz. 43 ff.), sind nachträgliche Betriebsstätteneinkünfte der Betriebsstätte zuzuordnen, da sie durch diese veranlasst sind. Diese Auffassung kann indessen nicht überzeugen, da es an einem der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Steuersubjekt „Betriebsstätte“ fehlt, welchem abkommensrechtlich Einkünfte zugeordnet werden können. Vor diesem Hintergrund sind Aufwendungen und Erträge, die zwar durch die Betriebsstätte veranlasst sind, aber erst nach ihrer Schließung anfallen, immer dem Stammhaus zuzuordnen.6 Denn mit Einstellung der Betriebsstätte liegt kein Steuersubjekt mehr vor, bei welchem nachträgliche Aufwendungen und Erträge besteuert werden können.

198

IV. Betrachtung einzelner Betriebsstättentatbestände 1. Produktionsbetriebsstätten Funktionsanalyse. Ausgangspunkt der Betriebsstättengewinnabgrenzung ist gem. § 1 Abs. 1 BsGaV die Durchführung einer Funktions- und Risikoanalyse (vgl. Rz. 100 und 124 ff.). In Bezug auf die Produktion wird im Rahmen der Funktionsanalyse zwischen dem Eigenproduzenten und dem Lohnfertiger unterschieden (vgl. Art. 9 Rz. 103 ff.). Eines der maßgeblichen Differenzierungskriterien sind die durch die Produktionsgesellschaft getragenen Risiken, welche regelmäßig in einem Lohnfertigungsvertrag festgehalten werden. Der Abschluss eines solchen Vertrags mit einer einhergehenden eindeutigen Zuordnung von Risiken ist indessen zwischen Stammhaus und Betriebsstätten nicht möglich (vgl. Rz. 91 f.).7 Vielmehr sind im Rahmen der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte in einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise deren ausgeübte (Personal-)Funktionen und wahrgenommenen Risiken zu analysieren. Unter Berücksichtigung der wahrgenommenen Personalfunktionen (vgl. Rz. 126) ist im Rahmen der Funktionsanalyse zwischen Betriebsstätten, die im Wesentlichen nur für das Stammhaus tätig sind (sog. abhängige Produktionsbetriebsstätten), und Betriebsstätten, die ohne Einschaltung des Stammhauses selbständig die hergestellten Produkte vertreiben und damit autonom am Markt agieren (sog. unabhängige Produktionsbetriebsstätten), zu unterscheiden. Beide Betriebsstättentypen zeichnen sich durch das folgende Funktionsprofil aus:

1 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 68 f. 2 Nach Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 259 ist die Frage der Behandlung von nachträglichen Betriebsstätteneinkünften nach dem innerstaatlichen Recht zu prüfen. 3 Vgl. Haverkamp, ISR 2017, 33 (38). 4 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 69. 5 Vgl. BFH v. 20.5.2015 – I R 75/14, BFH/NV 2016, 1687; v. 28.10.2008 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019; v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH NV 2010, 432; siehe dazu auch Nichtanwendungserlass des BMF v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004 – DOK 2011/0802578, BStBl. I 2011, 1278. 6 Vgl. Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 7.2 ff. 7 A.A. Kroppen in FS Herzig, 1071 (1088).

Ditz

507

199

Art. 7 (2008) Rz. 199

Unternehmensgewinne

Abhängige Produktionsbetriebsstätte

Unabhängige Produktionsbetriebsstätte

Forschung, Forschungsrisiko



+

Produktionsmanagement



+

Entwicklungskompetenz



+

Produktanpassungen



+

Eigentumserwerb an Vorprodukten, Rohstoffen

+/–

+

Rohstoff- und Vorproduktlager

+/–

+

Fertigungsvorbereitende Funktionen

Fertigungsfunktionen Produktionsplanung, Mengendisposition



+

Zuordnung von Produktionsanlagen

+/–

+

Zuordnung von Patenten, Know-how



+

Disposition über Fertigungsverfahren



+

Qualitätskontrolle



+



+

+/–

+

(Halb-)Fertigproduktlager, Lagerrisiko Produkthaftung Nachgelagerte Funktionen Vermarktung der Produkte



+

Absatzmengenrisiko, Absatzpreisrisiko



+

Zuordnung von Marken Garantieleistungen



+

+/–

+

+/–

+

Administrative Funktionen Verwaltungsaktivitäten

200

Gewinnabgrenzung bei abhängigen Produktionsbetriebsstätten. Die abhängige Produktionsbetriebsstätte ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht in der Lage ist, eigene Erträge am Markt zu realisieren. Stattdessen werden die von ihr hergestellten Produkte ausschließlich oder im Wesentlichen vom Stammhaus abgenommen und von diesem an Unternehmensexterne vertrieben bzw. im Rahmen einer eigenen Produktion verwendet. Folglich besteht ein starkes wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis der Betriebsstätte zum Stammhaus; denn die Betriebsstätte ist auf die Nachfrage des Stammhauses angewiesen und selbst nicht in der Lage, eigene Marktchancen wahrzunehmen. Es ist folglich davon auszugehen, dass die abhängige Produktionsbetriebsstätte an ihr Stammhaus Produktionsdienstleistungen erbringt (vgl. Rz. 179 f.). Der für die Dienstleistung unter Berücksichtigung einer Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte abzurechnende Fremdvergleichspreis kann auf Basis der Preisvergleichsmethode oder der Kostenaufschlagsmethode bestimmt werden. Ferner ist davon auszugehen, dass immaterielle Vermögenswerte i.d.R. dem Stammhaus zuzuordnen sind, da hier die entsprechenden Personalfunktionen ausgeübt werden (vgl. Rz. 132).

201

Gewinnabgrenzung bei unabhängigen Produktionsbetriebsstätten. Soweit die Produktionsbetriebsstätte über weitreichende Entscheidungskompetenzen im Hinblick auf die Produktpolitik verfügt, Forschung und Entwicklung betreibt und darüber hinaus in Eigenregie die von ihr hergestellten Produkte vermarktet, liegt eine unabhängige Produktionsbetriebsstätte vor. Werden durch die Produktionsbetriebsstätte die von ihr hergestellten Wirtschaftsgüter in das Stammhaus überführt, ist insoweit ein Fremdvergleichspreis anzusetzen (vgl. Rz. 163 f.). Zur Bestimmung des Fremdvergleichspreises kann dabei auf die von der OECD anerkannten Verrechnungspreismethoden (vgl. Art. 9 Rz. 76 ff.) zurückgegriffen werden. Soweit die Produktionsbetriebsstätte die von ihr hergestellten Produkte auch an Externe vermarktet, sind die daraus resultierenden Erträge ihr zuzuordnen (vgl. Rz. 144 f.). Immaterielle Vermögenswerte sind nach den maßgeblichen Personalfunk508

Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 203 Art. 7 (2008)

tionen i.d.R. der Betriebsstätte zuzuordnen oder von dieser vom Stammhaus (fiktiv) zu lizenzieren (vgl. Rz. 132). 2. Vertriebsbetriebsstätten Funktionsanalyse. Im Rahmen der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 100 und 124 ff.) werden bei verbundenen Unternehmen mit dem Vertrags- bzw. Eigenhändler, dem Kommissionär und dem Handelsvertreter drei unterschiedliche rechtliche Gestaltungsalternativen diskutiert (vgl. Art. 9 Rz. 108 ff.). In Bezug auf das Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist diese Unterscheidung aufgrund der zivilrechtlichen Einheitlichkeit (vgl. Rz. 91 f.) nicht möglich. Infolge dessen kann im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte keine Unterscheidung zwischen Handlungen im eigenen oder fremden Namen bzw. auf eigene oder fremde Rechnung vorgenommen werden.1 Hinsichtlich der Einordnung einer im Vertrieb tätigen Betriebsstätte ist im Rahmen der Funktionsanalyse vielmehr zwischen einer funktionsschwachen und einer funktionsstarken Vertriebsbetriebsstätte zu unterscheiden. Beiden Ausprägungsformen einer Vertriebsfunktion bei Betriebsstätten liegen (idealtypisch) die folgende Funktions- und Risikozuordnung zugrunde: Funktionsschwache Vertriebsbetriebsstätte

Funktionsstarke Vertriebsbetriebsstätte



+

Ausstellung von Waren

+/–

+

Werbung und Kontaktpflege

+/–

+

Pre-Sales Services

+/–

+



+

+

+

Vertrags- und Preisverhandlungen

+/–

+

Vertragsabschluss

+/–

+

202

Vertriebsvorbereitende Funktionen Marktforschung und -beobachtung

Preispolitik Vertriebsfunktionen Kundenakquisition

Auftragsbearbeitung

+

+

Lagerhaltung/Vorratsrisiko



+

Logistik/Transport



+

Gewährleistung/Gewährleistungsrisiko



+

After Sales Services



+

Forderungsausfallrisiko



+

Fakturierung

+

+

Sonstige verwaltungsbezogene Funktionen (Controlling, Personal, Rechnungswesen etc.)

+

+

Nachgelagerte Funktionen

Administrative Funktionen

Gewinnabgrenzung bei funktionsschwachen Vertriebsbetriebsstätten. Vertriebsbetriebsstätten, die hinsichtlich ihrer Vertriebspolitik, ihrer Organisation und ihres Handlungsspielraums gegenüber dem Kunden sehr eng an das Stammhaus angebunden sind, üben Routinefunktionen aus.2 Routinefunktionen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nur mit geringen Entscheidungsbefugnissen verbunden sind, nur in geringem Umfang (insbesondere immaterielle) Wirtschaftsgüter bzw. Vermögenswerte eingesetzt und ferner nur 1 Wohl a.A. Art. 7 Rz. 19 OECD-MK 2008, wo von einer als „Agenten“ tätigen Betriebsstätte gesprochen wird. Siehe ferner Kroppen in FS Herzig, 1071 (1088). 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2 Buchst. a.

Ditz

509

203

Art. 7 (2008) Rz. 203

Unternehmensgewinne

geringe Risiken wahrgenommen werden (vgl. Art. 9 Rz. 68). Gewöhnlicherweise werden ihnen keine Verluste, sondern regelmäßig nur geringe, dafür aber stabile Gewinne zugeordnet. Ist eine Vertriebsbetriebsstätte daher als funktionsschwach und damit als Routineunternehmen einzuordnen, ist ihre Vergütung i.d.R. auf Basis der Kostenaufschlagsmethode oder der Transactional Net Margin Method zu ermitteln (vgl. Art. 9 Rz. 84 ff. u. 109 ff.). 204

Gewinnabgrenzung bei funktionsstarken Vertriebsbetriebsstätten. Bei der funktionsstarken Vertriebsbetriebsstätte ist davon auszugehen, dass sie das wirtschaftliche Eigentum an den von ihr vertriebenen Waren begründet. Infolgedessen sind ihr auch die aus der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums an den Waren resultierenden Lager- und Absatzrisiken sowie das Risiko des zufälligen Untergangs zuzuordnen. Ferner verfügt die funktionsstarke Vertriebsbetriebsstätte i.d.R. über weitgehende Dispositionsbefugnisse hinsichtlich der Ausgestaltung ihrer Vertriebspolitik. Diese betreffen bspw. die Bestimmung der Preispolitik, die Auswahl von lokalen Vertriebspartnern sowie die Durchführung eigener Werbekampagnen bzw. eigener Marktforschung. Die der Vertriebsbetriebsstätte zugeordneten Risiken korrespondieren dabei mit ihren Personalfunktionen (vgl. Rz. 126). So ist davon auszugehen, dass ihr neben den Vorrats-, Gewährleistungs- und Auslastungsrisiken des Vertriebs auch das Forderungsausfallrisiko zuzuordnen ist. Ein wesentliches Risiko ist dabei das Risiko zurückgehender Umsätze, die bei gleichbleibenden Fixkosten zu Verlusten führen können. Werden Waren des Stammhauses in die funktionsstarke Vertriebsbetriebsstätte überführt, können die entsprechenden Preise auf Basis der Preisvergleichsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 78 f.), der Wiederverkaufspreismethode (vgl. Art. 9 Rz. 81 ff.) oder der TNMM (vgl. Art. 9 Rz. 92 ff.) bestimmt werden. Die Höhe der angemessenen Gewinnmarge der Vertriebsbetriebsstätte ist dabei vom Umfang der von ihr übernommenen Funktionen und Risiken sowie von weiteren Faktoren (z.B. der Existenz von Hersteller- oder Handelsmarken, Marktverhältnissen im lokalen Markt, Kostensituation der Vertriebsbetriebsstätte) abhängig (vgl. Art. 9 Rz. 110 ff.). 3. Vertreterbetriebsstätten

205

Auffassung der OECD. Im Rahmen des „Update 2008“ wurde in Art. 7 Rz. 26 OECD-MK erstmalig eine Regelung zur Gewinnabgrenzung bei Vertreterbetriebsstätten (Art. 5 Abs. 5 und 6) aufgenommen. Danach sind die allgemeinen Grundsätze der Gewinnabgrenzung – insbesondere im Hinblick auf die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes – auch bei Vertreterbetriebsstätten anzuwenden.1 Vor diesem Hintergrund sind auch bei Vertreterbetriebsstätten in einem ersten Schritt die Funktionen und Risiken zu analysieren, die der Vertreter sowohl für eigene Rechnung als auch für das vertretene Unternehmen wahrnimmt (sog. Funktionsanalyse, vgl. Rz. 100 und 124 ff.). In diesem Zusammenhang sind der Vertreterbetriebsstätte als „fiktive Betriebsstätte“2 nach Auffassung der OECD die Wirtschaftsgüter und Risiken zuzuordnen, die sich auf die Funktionen beziehen, die der Vertreter für das Unternehmen wahrnimmt, insbesondere sind die wesentlichen Personalfunktionen zu analysieren, welche der Vertreter für das Unternehmen (präziser: für die Betriebsstätte des Unternehmens) ausübt. Der der Vertreterbetriebsstätte zugeordnete Gewinn oder Verlust soll unabhängig von der Vergütung des Vertreters sein.3 Die OECD spricht sich demnach gegen die „Nullsummen-Theorie“4 aus.5 Dies heißt allerdings nicht, dass eine Vertreterbetriebsstätte nach Auffassung der OECD per se ein Gewinn zuzurechnen ist. Denn auch nach ihrer Auffassung kann auf Basis der Funktionsanalyse die Schlussfolgerung zu ziehen sein, dass die Vertreterbetriebsstätte ein Nullergebnis oder einen sehr geringen Gewinn auszuweisen hat.6

206

Konsequenzen des BEPS-Projekts. Die OECD hat im OECD-MA 2017 die Definition der Betriebsstätte in Art. 5 Abs. 4, 5 und 6 angepasst (vgl. Rz. 15).7 Die entsprechenden Änderungen betrafen insbesondere die Ausweitung der Tatbestandsvoraussetzungen der Vertreterbetriebsstätte. Infolgedessen hat das „Inclusive 1 Das Konzept der Vertreterbetriebsstätte ist international sehr umstritten. Aufgrund systematischer und praktischer Unzulänglichkeiten wird auch die Abschaffung des Konzepts gefordert. Vgl. Andresen in W/A/D2, Rz. 11.347 ff.; Ditz, SWI 2017, 282 ff.; Bendlinger, IStR 2016, 914 (922); Wassermeyer, SWI 2010, 505 (512); Bendlinger, ÖStZ 2010, 140 (145). 2 Vgl. Loukota, SWI 2017, 70; Ditz, SWI 2017, 282 (283). 3 Zu Einzelheiten vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 263 ff., worauf Art. 7 Rz. 26 OECD-MK 2008 unmittelbar verweist. 4 Vgl. dazu Andresen in W/A/D2, Rz. 11.391; Ditz/Bärsch, IStR 2013, 411 (412 ff.); kritisch Oestreicher/van der Ham/ Andresen, IStR, Beihefter zu Heft 4/2014, 1 (2 ff.). 5 Der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 setzt sich in Part I, Rz. 271 im Einzelnen mit der „Nullsummen-Theorie“ auseinander. Zu einer kritischen Würdigung vgl. auch Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 133 ff. 6 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 264. 7 Vgl. dazu auch Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1172 f.) m.w.N.; Kahle/Braun, Ubg 2018, 365 ff. m.w.N.; van der Ham/Retzer, ISR 2017, 131 ff.; Kahle/Braun/Burger, FR 2018, 717 ff.

510

Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 207 Art. 7 (2008)

Framework on BEPS“ der OECD Einzelheiten zur Gewinnabgrenzung für Vertreterbetriebsstätten nach Anpassung des Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA 2017 veröffentlicht.1 Liegt eine Vertreterbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2017 vor, sind ihr – so die OECD – die Rechte und Pflichten aus den geschlossenen Kundenverträgen zuzuordnen. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass sämtliche damit zusammenhängende Gewinne der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Vielmehr richte sich die Zuordnung von Gewinnen nach Art. 7 OECD-MA 2017.2 Dieser Grundsatz soll im Übrigen auch Anwendung finden, wenn das jeweilige DBA den AOA nicht umgesetzt hat.3 Begründet die Tätigkeit eines abhängigen Vertreters („intermediary“) eine Vertreterbetriebsstätte, sind die ausgeübten Funktionen zwei Steuersubjekten zuzuordnen (sog. „Two Taxpayer Approach“). Einerseits dem abhängigen Vertreter selbst und andererseits der Betriebsstätte des in einem anderen Staat ansässigen Unternehmens.4 Sind der abhängige Vertreter im Quellenstaat und das Unternehmen nahestehend, sind sowohl Art. 7 als auch Art. 9 für die Besteuerungsrechte relevant. Denn nach Maßgabe des Art. 7 erfolgt die Einkünfteabgrenzung zu der Vertreterbetriebsstätte, wohingegen Art. 9 eine Korrektur der Verrechnungspreise der nahestehenden Unternehmen ermöglicht. Eine Reihenfolge der Anwendung sehen die Leitlinien nicht vor. Vielmehr betonen sie lediglich, dass die Anwendung von Art. 7 und Art. 9 nicht in einer doppelten Besteuerung im Quellenstaat resultieren darf.5 Die OECD erkennt an, dass der „Two Taxpayer Approach“ mit einem erheblichen administrativen Befolgungsaufwand für Steuerpflichtige und Finanzverwaltungen verbunden ist. Es ist den Staaten überlassen, innerstaatliche Maßnahmen zu ergreifen, diese administrativen Aufwendungen zu minimieren, ohne den Ansatz zu unterlaufen. Gleichwohl weist die OECD auch darauf hin, dass einige Staaten die Besteuerung nur auf Ebene des Vertreters durchführen, wenngleich die Steuerbelastung sich sowohl aus den Funktionen des Vertreters als auch aus jenen der Betriebsstätte ergibt.6 Obgleich die Leitlinien zur Gewinnabgrenzung von Betriebsstätten eine Reihe an Anwendungsbeispielen umfassen, sind sie für die Praxis nicht tauglich. Es verbleibt daher auf internationaler Ebene eine erhebliche Rechtsunsicherheit.7 Vorgaben des § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV. Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, sieht § 1 Abs. 5 Satz 5 AStG vor, dass der AOA auch in Bezug auf Vertreterbetriebsstätten Anwendung findet. Diese Vorgabe wird in § 39 Abs. 1 BsGaV konkretisiert und regelt, dass die Vorschriften der BsGaV auch für ständige Vertreter i.S.d. § 13 AO anzuwenden sind. Infolgedessen sind auch für Vertreterbetriebsstätten die allgemeinen Vorgaben der BsGaV zu beachten (vgl. dazu Rz. 108 f.), insbesondere ist auch eine Hilfs- und Nebenrechnung (vgl. Rz. 122) für die Gewinnermittlung der Vertreterbetriebsstätte gem. § 3 BsGaV zu erstellen. Darin sind Vermögenswerte, Geschäftsvorfälle des Unternehmens, Chancen und Risiken etc. nach dem allgemeinen Grundsatz der Personalfunktionen zwischen Stammhaus und Vertreterbetriebsstätte zuzuordnen.8 Aufbauend auf einer Funktions- und Risikoanalyse gem. § 1 Abs. 1 und 2 BsGaV sind dann anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen zwischen Stammhaus und Vertreterbetriebsstätte zu identifizieren und nach dem Fremdvergleichsgrundsatz „abzurechnen“. Die Praxis zeigt indessen, dass die Umsetzung der uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte bei Vertreterbetriebsstätten und infolgedessen die Anwendung des AOA nicht möglich sind.9 Aufgrund der Vielzahl von Fiktionen im Konzept der Definition und Gewinnermittlung ist das Konzept der Vertreterbetriebsstätte nicht praxistauglich.10 Es ist nach praktikablen Lösungen zur Gewinnermittlung bei Vertreterbetriebsstätten zu suchen. Eine solche besteht in der Nullsummentheorie, die auch zu einer wertschöpfungsbezogenen Zuordnung von Besteuerungsrechten führt. Im Einzelnen:

1 Vgl. OECD, Additional Guidance on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, BEPS Action 7 (März 2018). Vgl. dazu auch Bendlinger, TPI 2018, 53 f.; Kahle/Braun/Burger, FR 2018, 717 (721). 2 Vgl. OECD, Additional Guidance on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, BEPS Action 7 (März 2018), Rz. 30 ff.; siehe auch Bendlinger, TPI 2018, 53 (56). 3 Gleichwohl betont die OECD, dass die Leitlinien zur Gewinnabgrenzung von Betriebsstätten nicht beabsichtigen, Staaten, die den AOA weder in ihren DBA noch innerstaatlich umgesetzt haben, zu einer Anwendung des AOA zu bewegen. 4 Vgl. OECD, Additional Guidance on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, BEPS Action 7 (März 2018), Rz. 33. 5 Vgl. OECD, Additional Guidance on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, BEPS Action 7 (März 2018), Rz. 34 f.; siehe auch Bendlinger, TPI 2018, 53 (56 f.). 6 Vgl. OECD, Additional Guidance on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, BEPS Action 7 (März 2018), Rz. 34 f.; siehe auch Bendlinger, TPI 2018, 53 (57). 7 So auch Kahle/Braun/Burger, FR 2018, 717 (722); Bendlinger, TPI 2018, 53 (61 f.). 8 Vgl. zu Einzelheiten Andresen in W/A/D2, Rz. 11.363 ff. 9 Vgl. auch Frotscher, Ubg 2017, 590 (597); Ditz/Bärsch, IStR 2013, 411 (414 f.). 10 Vgl. zu Einzelheiten Ditz, SWI 2017, 282 ff. m.w.N.; Frotscher, Ubg 2017, 590 ff.; van der Ham/Retzer, ISR 2017, 131 (134 ff.).

Ditz

511

207

Art. 7 (2008) Rz. 208

Unternehmensgewinne

208

Kritische Würdigung des AOA bei Vertreterbetriebsstätten. Ausgangspunkt einer Betriebsstättengewinnermittlung nach dem AOA ist eine Analyse der durch die Unternehmensteile ausgeübten Funktionen (vgl. Rz. 124 ff.).1 Dabei sind nach Auffassung der OECD nach dem „Two Taxpayer Approach“ die Besteuerungsebene des Vertreters (unbeschränkte Steuerpflicht) einerseits und die des vertretenen Unternehmens und seiner Vertreterbetriebsstätte (beschränkte Steuerpflicht) andererseits zu unterscheiden.2 Die Vertreterbetriebsstätte weist die Besonderheit auf, dass es sich bei ihr – im Gegensatz zu einer Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA – um ein fiktives Rechtsinstitut handelt, d.h., sie kann selbst keine operativen Funktionen ausüben. Der Vertreterbetriebsstätte sind nach Ansicht der OECD und nach § 39 Abs. 2 BsGaV daher „fiktiv“ Funktionen zuzuordnen, wobei die Personalfunktionen, die vom Personal des Vertreters für den Vertretenen ausgeübt werden, als eigene Personalfunktionen des Vertreters und damit als eigene Personalfunktionen der Vertreterbetriebsstätte zu behandeln sind.3 Anders als im Fall einer Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 1 ist bei der Vertreterbetriebsstätte auf die vom Vertreter ausgeübten Personalfunktionen abzustellen. Deren Analyse bezieht sich insbesondere darauf, welche Fähigkeiten und Erfahrungen das Personal des Vertreters aufweist und ob die für die Übernahme und das Management von Risiken relevanten Funktionen durch den Vertreter für das vertretene Unternehmen ausgeübt werden. Schließlich beinhaltet der AOA auch bei Vertreterbetriebsstätten die Fiktion, dass für Zwecke der Gewinnabgrenzung unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und (Vertreter-)Betriebsstätte anzuerkennen und mit einem Fremdvergleichspreis zu vergüten sind. Die OECD spricht insofern von „Dealings“, wobei nicht definiert wird, ob und welche Arten von unternehmensinternen Dealings zwischen den vertretenen Unternehmen und der Vertreterbetriebsstätte möglich sind. Im Ergebnis ist die Definition und Gewinnermittlung der Vertreterbetriebsstätte durch zahlreiche Fiktionen geprägt: 1. Fiktion einer Betriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA/Art. 5 Abs. 5 und 7 UN-MA; 2. Fiktion der (fingierten) Betriebsstätte als selbständiges und unabhängiges Unternehmen für Zwecke ihrer Gewinnermittlung nach dem AOA; 3. Fiktion, dass im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse die vom Vertreter ausgeübten Funktionen und Risiken der Vertreterbetriebsstätte des vertretenen Unternehmens (Prinzipals) zuzuordnen sind; 4. Fiktion von unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen dem Stammhaus des vertretenen Unternehmens und seiner Vertreterbetriebsstätte. Dass vor dem Hintergrund einer solchen Vielzahl von Fiktionen das Konzept der Besteuerung und Gewinnermittlung von Vertreterbetriebsstätten praktisch zum Scheitern verurteilt ist, liegt auf der Hand. So zeigt die Praxis, dass sowohl die nationalen wie internationalen Finanzbehörden als auch die Unternehmen und ihre Berater mit dem Konzept überfordert sind. Dies zeigt auch die derzeitige Diskussion bei der OECD, in welcher nach Ausweitung der Definition der Vertreterbetriebsstätte in Aktionspunkt 7 bislang ohne Erfolg nach praktikablen Lösungen zur Gewinnermittlung bei Vertreterbetriebsstätten nach dem AOA gesucht wird. Die bislang vorgeschlagenen Lösungsansätze sind kaum praktisch anzuwenden und lassen den internationalen Finanzbehörden einen erheblichen Interpretationsspielraum in den Fragen, ob eine Vertreterbetriebsstätte vorliegt und wie ihr Gewinn zu bestimmen ist. Dieser wird dazu führen, dass vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer über das Rechtsinstitut der Vertreterbetriebsstätte ungerechtfertigte exzessive Quellensteuern auf Vertriebsgewinne erheben werden.4 Die OECD hat es verpasst, die Vertreterbetriebsstätte grundsätzlich in Frage zu stellen und das Konzept abzuschaffen. Dies wurde bereits in der deutschsprachigen Literatur mehrfach gefordert.5 Sie ist dagegen zur Stärkung von Quellenbesteuerungsrechten einen anderen Weg gegangen. Die erheblichen Probleme bei der Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen der Vertreterbetriebsstätte sowie bei ihrer Gewinnermittlung zeigen allerdings, dass diese Entscheidung falsch war. Darüber hinaus bleibt auch die Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung der Zuordnung von Waren, Forderungen aus Lieferung und Leistung und Umsätzen zur Vertreterbetriebsstätte unbeantwortet.

209

Berücksichtigung der Wertschöpfung. Neben der Vermeidung der internationalen Doppel- und Nichtbesteuerung besteht der Sinn und Zweck eines DBA in der Abgrenzung nebeneinander bestehender Besteuerungsrechte der Vertragsstaaten. Die Abgrenzung nationaler Besteuerungsrechte und somit die Zuord1 Vgl. § 1 Abs. 1 BsGaV. 2 Vgl. OECD, Additional Guidance on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, BEPS Action 7 (März 2018), Rz. 33 ff. 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 421. 4 Kritisch auch Bendlinger, IStR 2016, 914 (921). 5 Vgl. Ditz, SWI 2017, 282 ff.; Bendlinger, ÖStZ 2010, 145; Wassermeyer, SWI 2010, 505 (512); Görl in Strunk/Wassermeyer/Kaminski, Unternehmensteuerrecht und internationales Steuerrecht, 2006, 124; Mitterlehner, SWI 2013, 492; Bendlinger, IStR 2016, 914 (922).

512

Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 210 Art. 7 (2008)

nung des Gesamtgewinns des Unternehmens auf die nationalen Steuerhoheiten haben der Maxime einer Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Vertragsstaaten Rechnung zu tragen.1 Dabei kann es nicht um eine richtige, sondern nur um eine praktikable und von den Staaten als fair akzeptierte Aufteilung des Gewinns gehen.2 Denn auch die wirtschaftswissenschaftliche Forderung hat bislang keine theoretisch exakte Lösung für das Problem der internationalen Gewinnabgrenzung entwickeln können.3 Allerdings besteht hinsichtlich einer verteilungsgerechten Abgrenzung nationaler Besteuerungsrechte international ein Konsens darüber, dass eine solche unter Beachtung der in den jeweiligen Vertragsstaaten erwirtschafteten Wertschöpfung vorzunehmen ist.4 Auch die OECD hebt im Rahmen des BEPS-Projekts mehrfach die Bedeutung der Erbringung wirtschaftlicher Wertschöpfung als Maßstab einer verteilungsgerechten Abgrenzung von Besteuerungsrechten auf Gewinne hervor.5 Ein internationaler Konsens besteht auch darüber, dass die durch die einzelnen Unternehmensteile erwirtschaftete Wertschöpfung durch die wahrgenommenen Funktionen und Risiken, die eingesetzten Wirtschaftsgüter sowie die Entscheidungsbefugnisse der in den einzelnen Unternehmensteilen agierenden Mitarbeiter konkretisiert wird. Ausgangspunkt des AOA ist folgerichtig eine detaillierte Funktionsanalyse der durch die Unternehmensteile ausgeübten Funktionen (Stufe 1 des AOA).6 Beschränktes Funktionsprofil der Vertreterbetriebsstätte. Unter Berücksichtigung einer wertschöpfungsorientierten Besteuerung macht der „Two Taxpayer Approach“ (vgl. Rz. 221) keinen Sinn: Wird die Wertschöpfung bereits adäquat im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht des Vertreters besteuert (was immer dann der Fall ist, wenn der Vertreter angemessen vergütet wird), bleibt für eine Besteuerung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht des Vertretenen (Prinzipals) im Quellenstaat kein Raum.7 Schließlich ist im Hinblick auf die Funktionsanalyse der Vertreterbetriebsstätte von zentraler Bedeutung, welche wirtschaftliche Bedeutung die Tätigkeiten des Vertreters für den Erfolg des vertretenen Unternehmens hat. In Bezug auf die Erbringung einer Geschäftsbesorgungs- und damit einer Vermittlungsleistung der Vertreterbetriebsstätte ist die im Schrifttum artikulierte Auffassung, dass der Vertreterbetriebsstätte Wirtschaftsgüter und Risiken (verbunden mit einem entsprechenden Ergebnisausweis) zuzuordnen sind, abzulehnen.8 Der Vertreterbetriebsstätte ist kein wirtschaftliches Eigentum an den zu vertreibenden Waren und an den Kundenforderungen zuzuordnen. Dieses wird vielmehr unmittelbar vom vertretenen Unternehmen (Prinzipal) auf den Kunden übertragen, ohne dass der Vertreter diesbezüglich Funktionen für das vertretene Unternehmen wahrnimmt. Das Risiko des zufälligen Untergangs der Waren, das Absatz- und Preisrisiko, das Forderungsausfallrisiko und das Gewährleistungsrisiko werden damit von dem Stammhaus getragen und sind folglich auch diesem zuzuordnen. Mithin erbringt die Vertreterbetriebsstätte im Rahmen ihrer Geschäftsvermittlung eine Dienstleistung, die in der Regel als Routinefunktion einzustufen ist.9 Die wirtschaftliche Bedeutung für den Erfolg des vertretenen Unternehmens ist gering. Dies zeigt die Tatsache, dass die Einordnung einer Vertriebsgesellschaft als Strategieträger den Ausnahmefall bildet. Im Rahmen der Gewinnabgrenzung ist folglich zu beachten, dass es sich bei der Vertreterbetriebsstätte um eine (funktionsschwache) Dienstleistungsbetriebsstätte handelt, der lediglich ein (geringes) Dienstleistungsrisiko, keinesfalls aber ein allgemeines Produktrisiko in Form eines Markt- und Absatzrisikos zuzuordnen ist. Dies hat zur Folge, dass die aus den Warenverkäufen originär entstehenden Einkünfte dem Stammhaus zuzuordnen sind. Insofern können sich keine unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Vertreterbetriebsstätte ergeben; denn damit würde die Vertreterbetriebsstätte als fiktive Betriebsstätte ohne eigene Funktionen wie ein Eigenhändler behandelt werden. Der Vertreterbetriebsstätte steht vielmehr nur ein für ihre erbrachten Dienstleistungen entsprechender Gewinn zu. Dieser ist als Saldo aus den der Vertreterbetriebsstätte zugeordneten Erträgen und Aufwendungen, welche im Zusammenhang mit der Dienstleistung stehen, zu bestimmen. Unter Berücksichtigung ihrer reinen Dienstleistungsfunktion ist der Vertreterbetriebsstätte damit lediglich ein angemessener Anteil der aus der Warenlieferung realisierten Erträge als Provision für die erbrachte Vermittlungsleistung zuzuordnen, ohne dass sie am Liefergewinn des Prinzipals partizipiert. Daher sind keine Wa1 Vgl. etwa Vogel, DStJG 1985, 21 f.; Vogel in Kirchhof/Offerhaus/Schöberle (Hrsg.), Steuerrecht, Verfassungsrecht, Finanzpolitik, FS für Klein, Köln 1994, 361 (372); Kleineidam in Klein/Stihl/Wassermeyer, Unternehmensteuern, Festschrift für Flick, Köln 1997, 857 (865 f.); Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 6.57; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, 100 f. 2 Vgl. Schreiber, StuW 2004, 221. 3 Vgl. zu Einzelheiten Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 2003, 80 ff. 4 Vgl. OECD, Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting v. 19.7.2013, 13 f. 5 Vgl. etwa OECD, Countering Harmful Tax Practices More Effectively Taking into Account Transparency and Substance, Action 5 – 2015 Final Report v. 5.10.2015, 9; OECD, Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, Actions 8–10 – 2015 Final Reports v. 5.10.2015, 9. 6 Vgl. zu Einzelheiten Andresen in W/A/D2, Rz. 4.13 ff. 7 So auch Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 203/2. 8 Vgl. Loukota, SWI 2017, 70 (73). 9 So explizit auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.2.

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210

Art. 7 (2008) Rz. 210

Unternehmensgewinne

renbestände in einer (möglichen) Bilanz der Vertreterbetriebsstätte auszuweisen.1 Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach dem Vertreter „nur ein Dienstleistungsentgelt für die Verwaltung der Risiken zusteht.“2 Daher wird in vielen Fällen – so die Finanzverwaltung – der Vertreterbetriebsstätte kein Ergebnis zuzuordnen sein, sodass auch im Anwendungsbereich des AOA die Nullsummentheorie gültig ist.3 Dafür spricht auch, dass eine Vertreterbetriebsstätte bereits nach ihrer Definition gem. Art. 5 Abs. 5 und 6 eine Abhängigkeit von dem vertretenen Unternehmen (Prinzipal) voraussetzt. Infolgedessen kann es nicht sachgerecht sein, die Vertreterbetriebsstätte (fiktiv) wie einen Eigenhändler zu behandeln, welchem die Residualgröße aus der Vermittlungsprovision, die im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht des Vertreters besteuert wird, und dem Eigenhandelsgewinn zuzuordnen ist.4 Der Nullsummentheorie kann freilich entgegengehalten werden, dass damit der Anwendungsbereich der Vertreterbetriebsstätte sehr stark eingeengt wird und sich im Ergebnis nur noch auf Sachverhalte, in denen der Vertreter als Angestellter des vertretenen Unternehmens (Geschäftsherrn) agiert, beschränkt.5 Dies ist indessen vor dem Hintergrund sachgerecht, als in der Regel die durch den Vertreter erbrachte Wertschöpfung bereits im Rahmen seiner unbeschränkten Steuerpflicht im Quellenstaat besteuert wird. Wird der Vertreter fremdvergleichskonform vergütet, deckt diese Steuerpflicht die im Quellenstaat tatsächlich erbrachte Wertschöpfung ab.6 211

Beweislastregelung des Art. 7 Abs. 1. Durch die Formulierung „es sei denn“ wird in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA/UN-MA unmissverständlich klargestellt, dass die Besteuerung durch den Betriebsstättenstaat eine Ausnahme zum ausschließlichen Besteuerungsrecht von Unternehmensgewinnen des Ansässigkeitsstaats darstellt. Für Fälle, in denen eine eindeutige Abgrenzung des Besteuerungsrechts auf Unternehmensgewinne zwischen Ansässigkeits- und Betriebsstättenstaat nicht möglich ist, beinhaltet die Vorschrift damit auch eine Regelung zur Beweislastverteilung (vgl. Rz. 68). Ist daher unklar, ob im Quellenstaat die Voraussetzungen einer Vertreterbetriebsstätte erfüllt sind und/oder welche Gewinne der Vertreterbetriebsstätte zuzurechnen sind, so geht dies zu Lasten desjenigen, der sich auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Vertreterbetriebsstätte bzw. die Zurechnung von Einkünften zu ihr beruft. 4. Bau- und Montagebetriebsstätten

212

Auffassung der OECD. Obwohl sich der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 (vgl. Rz. 102) an keiner Stelle mit der Bau- und Montagebetriebsstätte befasst, wurden in Art. 7 Rz. 23–25 OECD-MK im Rahmen des „Update 2008“ erstmals Hinweise zur Gewinnabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten aufgenommen. In diesem Zusammenhang stellt die OECD zunächst klar, dass ihre Gewinnabgrenzung mit „besonderen Problemen“ verbunden sei (vgl. Art. 7 Rz. 23 OECD-MK 2008). Diese beziehen sich insbesondere – so die OECD – auf die Frage der Zuordnung von Gewinnen aus Komponenten und Warenlieferungen sowie der Erbringung spezifischer Dienstleistungen (wie z.B. Planung, Erstellung von Entwürfen, Zeichnen von Plänen oder technische Beratung). Nach den allgemeinen Grundsätzen geht die OECD davon aus, dass aus diesen Tätigkeiten resultierende Einkünfte nur dann einer Betriebsstätte zuzurechnen sind, wenn die entsprechenden Tätigkeiten tatsächlich von ihr ausgeübt werden (vgl. Art. 7 Rz. 24 OECD-MK 2008 und Art. 7 Rz. 36 OECD-MK 2017). Weitergehende Ausführungen im Hinblick auf die konkrete Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei Bau- und Montagebetriebsstätten enthält der OECD-MK nicht.

213

Sonderregelungen der §§ 30–34 BsGaV. Grundsätzlich sind auf eine Bau- und Montagebetriebsstätte die allgemeinen Grundsätze der §§ 1–17 BsGaV anzuwenden.7 Allerdings weisen Bau- und Montagebetriebsstätten die Besonderheiten auf, dass einerseits ihre Dauer i.d.R. eine relativ kurzfristige, d.h. vorübergehende, ist; andererseits besteht eine sehr starke wirtschaftliche Verzahnung mit dem Stammhaus.8 Diese Besonderheiten 1 Einem solchen Verständnis der Gewinnermittlung bei Vertreterbetriebsstätten folgend vgl. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.101; Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 Rz. 191 ff.; Runge in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 2001, 131 (134); Görl in Strunk/Wassermeyer/Kaminski, Unternehmensteuerrecht und internationales Steuerrecht, 2006, 113 (121); Sieker, BB 1996, 981 (984 ff.); Hey, RIW 194, 889 (891); a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 309; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 133 ff.; Oestreicher/van der Ham/Andresen, IStR, Beihefter zu Heft 4/2014, 5; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 796 f. 2 BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 423. 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 422; Haverkamp, ISR 2017, 33 (39). 4 A.A. Loukota, SWI 2017, 70 ff. 5 Vgl. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.102; Andresen in W/A/D2, Rz. 11.391 ff.; Bendlinger, Die Betriebsstätte in der Praxis des internationalen Steuerrechts3, 391. 6 Vgl. Kroppen in G/K/G/K, Art. 5 OECD-MA Rz. 203/2. 7 Vgl. § 30 BsGaV. 8 Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 11.1 f.

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 214 Art. 7 (2008)

wirken sich auf die Einkünfteabgrenzung zwischen Stammhaus und Bau- und Montagebetriebsstätte aus. Infolgedessen sehen die BsGaV in §§ 30–34 BsGaV und die VWG BsGa in Rz. 341 ff. zu Recht Sonderregelungen für die Ermittlung des Gewinns bei Bau- und Montagebetriebsstätten vor, die international nicht anerkannt sind.1 Funktionsanalyse. Die Ermittlung des Gewinns einer Bau- und Montagebetriebsstätte hat – nach den allgemeinen Regeln (vgl. Rz. 124 ff.) – auf Basis einer Funktions- und Risikoanalyse der Betriebsstätte zu erfolgen. Der Begriff der Personalfunktion ist auch im Zusammenhang mit der Gewinnermittlung bei Bauund Montagebetriebsstätten von zentraler Bedeutung, entscheidet er doch darüber, welche Vermögenswerte, Chancen und Risiken (insbesondere in Form des Bau- und Montagevertrags2), welches Dotationskapital, welche Passivposten und welche Geschäftsvorfälle der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Die Veränderung von Personalfunktionen zwischen der Bau- und Montagebetriebsstätte und dem Stammhaus (übriges Bauund Montageunternehmen) kann daher z.B. die Überführung von Vermögenswerten verbunden mit entsprechenden Gewinnrealisierungen nach sich ziehen. § 2 Abs. 3 BsGaV definiert eine Personalfunktion als eine Geschäftstätigkeit, die von eigenem Personal des Unternehmens für das Unternehmen ausgeübt wird. Im Hinblick auf die im Rahmen von Bauausführungen und Montagen ausgeübten Geschäftstätigkeiten können dabei folgende Personalfunktionen identifiziert werden.3 Auftragsgewinnung: – Angebotserstellung; – Führen der Vertragsverhandlungen. Baufinanzierung und -versicherung: – Organisation der Finanzierung des Projekts (eigene Finanzierung sowie Entwicklung von Finanzierungsgestaltungen für den Auftraggeber); – Versicherung des Projekts (einschließlich der Besorgung von Exportkreditversicherungen, wie z.B. Hermes-Versicherungen). Bauplanung/Engineering: – Zurverfügungstellung von Prozesstechnologie; – Projektplanung (Erstellung eines technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Konzepts für die Auftragsdurchführung); – Erstellung eines Plans für die Auftragsdurchführung (sog. „Engineering“4); – Auswahl geeigneter Subunternehmer, Lieferanten und sonstiger Projektpartner im Betriebsstättenstaat. Materialbeschaffung/Anschaffung: – Erwerb oder eigene Entwicklung des notwendigen Know-how zur Auftragsdurchführung; – eigene Herstellung oder externer Einkauf der für das Projekt notwendigen Materialien; – Lagerung; – Transport. Bauausführung und Montage: – Bauausführung und Montage im engeren Sinne (einschließlich Inbetriebnahme des Bauwerks oder der Anlage); – Einbau des sog. „local content“, d.h. von Teilen, die unmittelbar im Betriebsstättenstaat eingekauft, gefertigt oder vom Auftraggeber beigestellt werden; – Bau- oder Montageüberwachung (ggf. auch von Subunternehmern); – kaufmännische und technische Koordination des Projekts; – technische, rechtliche oder steuerliche Beratung vor Ort; – Lieferung spezifischer Software; – Gewährung von Lizenzen; – Probebetrieb des Bauwerks oder der Anlage;

1 Zum deutschen „Alleingang“ vgl. Bendlinger, TPI 2017, 58 (65 f.). 2 Vgl. § 31 Abs. 4 BsGaV; BMF v. 22.12.2016 – IV B 5-S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 353 ff. 3 Vgl. auch Freudenberg/Stein/Trost, ISR 2016, 159 (161 ff.); Hentschel/Kraft, IStR 2015, 193 f. 4 Zur steuerlichen Behandlung des „Engineering“ im Einzelnen vgl. Sonntag, IStR 1996, 463 ff.; Dubberke, IStR 1998, 662 ff.

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Art. 7 (2008) Rz. 214

Unternehmensgewinne

– Nachbesserung von Mängeln, die bei Abnahme des Bauwerks oder der Anlage identifiziert wurden; – Schulung und Training von Personal des Auftraggebers im Betriebsstättenstaat. After Sales Management: – Entwicklung von Schulungs- und Trainingsunterlagen; – Bearbeitung von Mängelrügen nach Abnahme des Bauwerks oder der Anlage; – technische Assistenz zur Optimierung des Produktionsprozesses. 215

Zuordnung von Vermögensarten. Die allgemeinen Zuordnungsregeln der BsGaV (vgl. Rz. 127 ff.) gelten auch bei Bau- und Montagebetriebsstätten, sodass auch hier die Vermögenswerte den Personalfunktionen „folgen“. Allerdings erfordert die Zuordnung von Vermögenswerten zu einer Bau- und Montagebetriebsstätte neben deren in §§ 4–8 BsGaV definierten maßgeblichen Personalfunktionen eine „zusätzliche“ Personalfunktion hinsichtlich der Anschaffung, Herstellung, Veräußerung oder Verwertung.1 Infolgedessen wird die Zuordnung von Vermögenswerten zur Bau- und Montagegesellschaft nach Auffassung der Finanzverwaltung auf Ausnahmefälle begrenzt.2 Es kommt i.d.R. zu keiner Anschaffung von Vermögenswerten durch die Bauund Montagebetriebsstätte, sondern nur zu einer Nutzung der vom übrigen Unternehmen (Stammhaus) angeschafften oder hergestellten Vermögenswerte über einen begrenzten Zeitraum.3 Wenngleich die Rechtsgrundlage und wirtschaftliche Begründung einer zusätzlichen Personalfunktion aus der BsGaV nicht deutlich wird, führt diese Annahme dazu, dass Vermögenswerte fast regelmäßig dem übrigen Unternehmen (Stammhaus) zuzuordnen sind und es infolgedessen bei einer Nutzung des entsprechenden Vermögenswerts durch die Bau- und Montagebetriebsstätte nicht zu Entstrickungs- oder Verstrickungsthemen kommt. Dies ist einerseits aus praktischer Sicht zu begrüßen, führt es doch zu einer Erleichterung der Gewinnermittlung bei Bau- und Montagebetriebsstätten, da sich das Ent- und Verstrickungsthema nicht stellt. Ob die ausländischen Finanzbehörden diesen Ansatz, der letztlich zu einer Minderung der Kostenbasis führt, akzeptieren, ist mehr als fraglich. Dass daraus das Risiko einer internationalen Doppelbesteuerung erwächst, ist offensichtlich.4

216

Zuordnung des Bau- und Montagevertrags. Ein Bau- und Montagevertrag kann sowohl als Werkvertrag als auch als Projektvertrag ausgestaltet sein und verschiedene Leistungselemente wie Planung, Konstruktion, Materiallieferung, Bau- bzw. Montageüberwachung oder Schulungen beinhalten.5 Die Zuordnung des Bauund Montagevertrags ist für die Gewinnabgrenzung bedeutsam, da eine Vielzahl der Geschäftsvorfälle in einem direkten Zusammenhang mit dem Vertrag steht. Bei dem Bau- und Montagevertrag handelt es sich um einen Geschäftsvorfall mit einem fremden Dritten, dessen Zuordnung grundsätzlich nach § 9 BsGaV erfolgt, wonach das Zustandekommen des Geschäftsvorfalls als maßgebliche Personalfunktion gilt.6 Davon abweichend wird der Bau- oder Montagevertrag gem. § 31 Abs. 4 Satz 1 BsGaV grundsätzlich dem Stammhaus zugeordnet. Dies ist insofern sachgerecht, als Bau- und Montagebetriebsstätten regelmäßig zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht bestanden haben und daher eine Zuordnung bei der Bau- und Montagebetriebsstätte ausscheidet. Vielmehr ist es in praxi häufig so, dass das Management des übrigen Unternehmens (Stammhaus) den Vertrag aushandelt. Dies kann im Einzelfall jedoch anders sein.7

217

Erbringung von reinen Routinetätigkeiten durch die Bau- und Montagebetriebsstätte. § 32 Abs. 1 BsGaV geht (widerlegbar) davon aus, dass eine Bau- und Montagebetriebsstätte grundsätzlich Routinetätigkeiten (Dienstleistungen) an das übrige Unternehmen (Stammhaus) erbringt.8 Von einer Routinetätigkeit ist nach Auffassung der Finanzverwaltung auszugehen, wenn die Bau- und Montagebetriebsstätte lediglich die eigentlichen Bau- und Montagearbeiten erbringt, auch wenn diese technisch schwierig und anspruchsvoll sind, während die eigentliche Wertschöpfung im übrigen Unternehmen (Stammhaus) erfolgt. Eine solche kategorische Einordung der Bau- und Montagebetriebsstätte als (fiktives) Routineunternehmen kann nicht überzeugen. Vielmehr ist in Bezug auf jede Bau- und Montagebetriebsstätte zu prüfen, ob sie die Voraussetzungen einer Routinefunktion erfüllt oder nicht.9

1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. § 31 Abs. 1 und 3 BsGaV. Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/A/D2, Rz. 11.305 ff. Vgl. BR-Drucks. 401/14 v. 28.8.2014, 125 ff. Kritisch auch Bendlinger, TPI 2017, 58 (65). Vgl. BR-Drucks. 401/14 v. 28.8.2014, 127. Vgl. § 31 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 9 BsGaV. Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/A/D2, Rz. 11.308 ff. Vgl. BR-Drucks. 401/14 v. 28.8.2014, 129. Zur Definition der Routinefunktion s. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4-S 1341-1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.2.10.2. 9 Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 11.313.

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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 221 Art. 7 (2008)

Anwendung kostenorientierter Verrechnungspreismethoden. Zur Ermittlung des angemessenen Verrech- 218 nungspreises für die fiktiven Dienstleistungen der Bau- und Montagebetriebsstätte sieht die Finanzverwaltung im Regelfall gem. § 32 Abs. 1 Satz 1 BsGaV die Kostenaufschlagsmethode und die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode vor.1 Die der Bau- und Montagebetriebsstätte zuzuordnenden Gewinne erhöhen sich folglich proportional zu den zugeordneten Kosten.2 Dementsprechend schafft die Finanzverwaltung Regeln, die die Zuordnung von Kosten zur Bau- und Montagebetriebsstätte möglichst gering halten.3 Dabei sind nach § 32 Abs. 2 BsGaV diese Leistungsbündel (z.B. unterschiedliche Gewerke, Bauüberwachung, Projektsteuerung) als einheitliche, fiktive Dienstleistung zu verrechnen.4 Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode. Nach § 33 Abs. 1 BsGaV sind unter bestimmten Voraussetzungen die Verrechnungspreise für die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen zwischen der Bau- und Montagebetriebsstätte und ihrem Stammhaus (übriges Unternehmen) nicht nach einer kostenorientierten Verrechnungspreismethode, sondern nach der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode zu bestimmen. Voraussetzung ist, dass die Personalfunktionen, die jeweils sowohl von der Bau- und Montagebetriebsstätte als auch dem übrigen Unternehmen im Hinblick auf die Erfüllung des Bau- oder Montagevertrags ausgeübt werden, keine Routinetätigkeit darstellen und dazu führen, dass jeweils vergleichbare Chancen und Risiken zuzuordnen sind (erste Alternative), oder für die Erfüllung des Bau- oder Montagevertrags sowohl von der Bau- und Montagebetriebsstätte als auch vom übrigen Unternehmen einzigartige immaterielle Werte selbst entwickelt oder erworben werden (zweite Alternative). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode anzuwenden, d.h., es besteht kein Wahlrecht, sondern eine Pflicht zur Anwendung dieser Methodik. Dies ist insofern sachgerecht, als die Bau- und Montagebetriebsstätte in diesen Fällen keine Routinetätigkeiten, sondern wertschöpfungsstarke Tätigkeiten ausübt.5

219

Inhalt der Hilfs- und Nebenrechnung. Wird die Bau- und Montagebetriebsstätte gem. § 32 Abs. 1 BsGaV als Routineunternehmen qualifiziert und infolgedessen eine kostenorientierte Verrechnungspreismethode angewendet, sind die Vermögenswerte des Bau- und Montageunternehmens i.d.R. dem übrigen Unternehmen (Stammhaus) zuzuordnen.6 Infolgedessen sind in der Hilfs- und Nebenrechnung (vgl. Rz. 122) der Bau- und Montagebetriebsstätte i.d.R. nur Geldpositionen enthalten, insbesondere Forderungen gegenüber dem übrigen Unternehmen (Stammhaus) für die erbrachten Leistungen, Verbindlichkeiten gegenüber externen Lieferanten und den der Bau- und Montagebetriebsstätte zugeordneten Mitarbeitern etc.7 Darüber hinaus hat die Bau- und Montagebetriebsstätte Rückstellungen für Gewährleistungen zu bilden, da sie die Kosten für Mängel, die aus ihren ausgeübten Personalfunktionen resultieren, selber tragen muss. Übt die Bau- und Montagebetriebsstätte nur Routinefunktionen aus, kann für Zwecke der Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung der Bau- und Montagebetriebsstätte auf die Kosten- und Leistungsrechnung für das Bauund Montageprojekt zurückgegriffen werden.8 Bei Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode wird dies jedoch regelmäßig nicht ausreichen. Denn hierzu ist neben einer separaten Kostenerfassung auch eine konkrete Bestimmung der dem Projekt zugeordneten Umsätze notwendig. Dies kann über eine Kostenträgerrechnung erfolgen, die üblicherweise die wesentlichen Informationen für die Hilfsund Nebenrechnung enthält.

220

5. Geschäftsleitungsbetriebsstätten Anwendung der Kostenaufschlagsmethode. Eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte9 erbringt i.d.R. ein Sammelsurium von Leistungen an andere Unternehmensteile. Insofern liegen unternehmensinterne Leistungsbeziehungen vor. Neben der eigentlichen Geschäftsführung oder -leitung10 können sich diese auch auf weitere Leistungskategorien beziehen, wie z.B. Controlling, Beteiligungsverwaltung, Innenrevision, Steuer- und Rechtsberatung, EDV, Marketing, Markenpflege sowie Verwaltung von Marken- und Patentrechten.11 Hinsichtlich der Frage der fremdvergleichskonformen Abrechnung interner Leistungsbeziehungen gelten dabei 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. BR-Drucks. 401/14 v. 28.8.2014, 128. Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 11.320 ff. Vgl. Kahle/Kindich, Ubg 2015, 595 (602). Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 11.317 ff. Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 11.331 ff. Vgl. Ditz in W/A/D2, Rz. 11.305 ff. Vgl. auch Neumann-Tomm, IWB 2015, 166 (172). Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 369. Unter einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte ist hier eine Stätte der Geschäftsleitung gem. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO bzw. der Ort der Leitung gem. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a gemeint. 10 Beide Begriffe werden synonym verwendet; vgl. Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 11.1. 11 Vgl. Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.107.

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221

Art. 7 (2008) Rz. 221

Unternehmensgewinne

die allgemeinen Grundsätze für Dienstleistungen (vgl. Rz. 179 f.). Danach ist abkommensrechtlich eine fremdübliche, d.h. eine den durch die Geschäftsleitungsbetriebsstätte wahrgenommenen Funktionen und Risiken entsprechende Vergütung abzurechnen. Da die Preisvergleichsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 79 ff.) in Bezug auf Geschäftsleitungstätigkeiten regelmäßig nicht anwendbar ist, läuft dies auf die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 85) hinaus.1 222

Kontroll- und Koordinierungsstellen. Kontroll- und Koordinierungsstellen sind Betriebsstätten, welche verbundene Unternehmen einer Unternehmensgruppe überwachen und deren Tätigkeiten koordinieren. Typische Funktionen von Kontroll- und Koordinierungsstellen sind, das Rechnungswesen und die Berichterstattung von Konzerngesellschaften zu überwachen und zu koordinieren, deren Jahresabschlüsse zu konsolidieren, den Einkauf, die Produktion, das Marketing und/oder weitere betriebliche Funktionen zu koordinieren, Leitlinien der Konzernspitze an örtliche Gegebenheiten anzupassen und vor Ort umzusetzen sowie weitere verwaltungsbezogene Dienstleistungen zu erbringen.2 Der wesentliche Unterschied zur Geschäftsleitungsbetriebsstätte besteht damit darin, dass Kontroll- und Koordinierungsstellen keine geschäftsleitenden Funktionen i.S. der Steuerung von Unternehmensteilen oder verbundenen Unternehmen einer Unternehmensgruppe ausüben. Der Gewinn einer Kontroll- und Koordinierungsstelle ist auf Basis der Kostenaufschlagsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 85 ff.) zu ermitteln ist. Einzelheiten zur Abrechnung von Dienstleistungen sind im Einzelnen in Rz. 179 f. dargestellt.

V. Dokumentationspflichten 223

Dokumentationspflichten. Der OECD-MK zu Art. 7 erwähnt nur am Rande die Notwendigkeit der Dokumentation der Betriebsstättengewinnabgrenzung (vgl. Art. 7 Rz. 16 OECD-MK 2008). In diesem Zusammenhang verweist er auf den OECD-Betriebsstättenbericht 2008, der sich insbesondere mit der Dokumentation unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen beschäftigt (vgl. Rz. 157). Allerdings kann sich weder aus Art. 7 noch aus dem OECD-MK eine Dokumentationspflicht ergeben. Die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen ergeben sich vielmehr aus dem innerstaatlichen Recht. So regeln § 90 Abs. 3 AO und die GAufzV v. 12.7.20173 Dokumentationspflichten des Steuerpflichtigen im Rahmen der internationalen Gewinnabgrenzung, welche sich auch auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung beziehen. Wesentlicher Bestandteil der Dokumentation ist die Hilfs- und Nebenrechnung gem. § 3 BsGaV.4

224

Beweislast. Art. 7 enthält bereits selbst eine Beweislastregelung hinsichtlich der Besteuerung von Unternehmensgewinnen (vgl. Rz. 67 u. 89). Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Finanzverwaltung die Beweislast i.S. einer objektiven Feststellungslast für Tatsachen trägt, die einen Steueranspruch begründen.5 Infolgedessen trägt die Finanzverwaltung die Beweislast für Einkünftekorrekturen i.S. einer Erhöhung der inländischen Einkünfte eines im Inland belegenen Stammhauses oder einer im Inland belegenen Betriebsstätte, z.B. aufgrund einer nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz Rechnung tragenden Gewinnabgrenzung. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass entsprechende Einkünftekorrekturen eine Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht voraussetzen (vgl. Rz. 37 ff.). Erfüllt der Steuerpflichtige seine Dokumentationspflichten gem. § 90 Abs. 3 AO nicht, wird im Übrigen gem. § 162 Abs. 3 Satz 1 AO widerlegbar vermutet, dass die inländischen Einkünfte höher sind als die bislang erklärten. Dies führt zu einer faktischen Umkehr der Beweislast zulasten des Steuerpflichtigen, welche im Widerspruch zu den allgemeinen verfahrensrechtlichen Beweislastregeln einerseits und dem Amtsermittlungsgrundsatz andererseits steht.6

D. Veranlassungsgerechte Aufwandszuordnung (Abs. 3) I. Regelungszweck 225

Regelung zur Aufwandszuordnung. Art. 7 Abs. 3 stellt klar, dass die Zuordnung von Aufwendungen zum Stammhaus oder der Betriebsstätte unabhängig von ihrem Entstehungsort und unabhängig von ihrer tatsächlichen Verrechnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist (vgl. Rz. 226). Infolgedessen ist Art. 7 Abs. 3 als Ergänzung und Konkretisierung der in Art. 7 Abs. 2 niedergelegten Grundregel einer Betriebs1 2 3 4 5 6

Vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 3.1.2 u. 4.4.4. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.4.1. GAufzV v. 12.7.2017, BGBl. I 2017, 2367. Zu Einzelheiten vgl. Busch in W/A/D2, Rz. 13.41 ff. Vgl. nur BFH v. 11.7.2006 – VIII R 67/04, BStBl. II 2007, 553 m.w.N. Vgl. auch Moebus, BB 2003, 1413 (1414); Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2010, Beihefter zu Heft 20, 37 (39).

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D. Veranlassungsgerechte Aufwandszuordnung (Abs. 3)

Rz. 228 Art. 7 (2008)

stättengewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu verstehen. Art. 7 Abs. 3 schränkt die Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 2 nicht ein (vgl. Rz. 113 und 228). Dennoch wurde Abs. 3 des Art. 7 im Rahmen des „Update 2010“ des OECD-MA gestrichen (Rz. 16).

II. Entstehungslandunabhängige Aufwandszuordnung Veranlassungsgerechte Aufwandszuordnung. Nach Art. 7 Abs. 3 ist die Zuordnung von Aufwendungen unabhängig von ihrem Entstehungsort und von ihrer tatsächlichen Verrechnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (sog. „entstehungslandunabhängige Aufwandszuordnung“1).2 Durch die Vorschrift wird sichergestellt, dass wirtschaftlich für die Betriebsstätte entstandener Aufwand dieser zugeordnet wird (vgl. Rz. 148 und 162), auch wenn der Aufwand nicht bei ihr, sondern beim Stammhaus oder in einer anderen Betriebsstätte (auch in einem Drittstaat) entstanden ist. Dies entspricht dem Fremdvergleichsgrundsatz, da auch ein selbständiges und unabhängiges Unternehmen diese Aufwendungen hätte tragen müssen. Der Umstand, dass die Aufwendungen durch einen anderen Unternehmensteil geleistet wurden, hat demnach bei der Aufwandszuordnung keine Bedeutung. Dies entspricht auch der Zuordnung von Aufwendungen nach § 9 BsGaV (vgl. Rz. 148 ff.).

226

Zuordnung von Aufwendungen der Höhe nach. Art. 7 Abs. 3 gibt keinen Hinweis darauf, in welcher Höhe interne Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu verrechnen sind.3 Vor diesem Hintergrund ist die Frage, ob ein Fremdvergleichspreis mit einer angemessenen Gewinnmarge oder die entstandenen Aufwendungen zu verrechnen sind, allein nach Art. 7 Abs. 2 und dem Fremdvergleichsgrundsatz zu beurteilen. Die Abrechnung eines Fremdvergleichspreises unter Berücksichtigung einer Gewinnmarge kommt dabei nur in Betracht, wenn zwischen Stammhaus und Betriebsstätte eine interne Leistungsbeziehung („Dealing“) bzw. eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG i.V.m. § 16 BsGaV besteht (vgl. Rz. 154). Werden hingegen Leistungen im gemeinsamen Interesse und gemeinsamen Nutzen mehrerer Unternehmensteile erbracht oder empfangen, ist eine reine Aufwandsumlage (ohne Gewinnaufschlag) verpflichtend. Dies kann z.B. – wie von Art. 7 Abs. 3 beispielhaft genannt – bei Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungskosten der Fall sein. Denn diese Funktionen werden i.d.R. im gemeinsamen Interesse und zum gemeinsamen Nutzen des Stammhauses und der Betriebsstätte ausgeübt, sodass eine reine Aufwandsumlage angemessen ist (vgl. Rz. 162). Darüber hinaus sind – unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 9 BsGaV – durch die Betriebsstätte veranlasste Aufwendungen dieser zuzuordnen (vgl. Rz. 148 ff.).

227

III. Verhältnis zu Art. 7 Abs. 2 Keine Einschränkung des Art. 7 Abs. 2 durch Art. 7 Abs. 3. Das Verhältnis zwischen Art. 7 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 ist umstritten. Teile der Literatur gehen davon aus, dass ein Widerspruch zwischen den beiden Absätzen des Art. 7 besteht, da einerseits die Betriebsstätte als ein selbständiges Unternehmen fingiert werde und andererseits als Teil des Gesamtunternehmens zu behandeln sei.4 Demgegenüber besteht nach Auffassung der OECD5 keine grundsätzliche Divergenz zwischen den beiden Absätzen; vielmehr enthalte Art. 7 Abs. 3 eine Regel für die „Ermittlung der Gewinne der Betriebsstätte“, in dem bestimmte Ausgaben bei dieser zum Abzug zugelassen werden, während Art. 7 Abs. 2 verlange, dass die so ermittelten Gewinne den Gewinnen entsprechen, die ein selbständiges und unabhängiges Unternehmen erzielt hätte. Im Schrifttum wird aus dieser Aussage die Schlussfolgerung gezogen, der Konflikt zwischen Abs. 2 und 3 des Art. 7 sei dadurch zu lösen, dass Art. 7 Abs. 3 als Gewinnermittlungsvorschrift zu deklarieren und insoweit einer – gegenüber der Gewinnabgrenzung des Art. 7 Abs. 2 – unterschiedlichen Ebene zuzuordnen sei.6 Eine solche Interpretation des Art. 7 Abs. 3 ist nicht sachgerecht. Denn auch diese Vorschrift betrifft die Ebene der Gewinnabgrenzung 1 Kumpf, StbJb 1988/89, 399 (408). 2 So auch BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, FR 2003, 842; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; FG Nds. v. 30.5.2000 – 9 K 228/95, EFG 2000, 941; a.A. FG Hess. v. 8.12.1983 – 5 K 248/81, EFG 1984, 367, nachgehend BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. I 1989, 140. 3 Vgl. Art. 7 Rz. 21 f. OECD-MK 2008, nach dem Art. 7 Abs. 3 die Verrechnung eines Gewinnaufschlags nicht ausschließt. Siehe dazu auch Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Anm. 504 u. 516. 4 Vgl. Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, 213; Schmidt in Piltz/Schaumburg, Aufwand und Verluste bei internationalen Steuersachverhalten, 53 (56); Lechner in Gassner/Lang/Lechner, Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 181 (186). 5 Vgl. dazu Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 284 ff. 6 Vgl. Bendlinger, SWI 1995, 303 (306); Bendlinger, SWI 1997, 104 (107 f.); Schmidt in Piltz/Schaumburg, Aufwand und Verluste bei internationalen Steuersachverhalten, 53 (56).

Ditz

519

228

Art. 7 (2008) Rz. 228

Unternehmensgewinne

(Self-executing-Wirkung des Art. 7 auf Ebene der Gewinnabgrenzung, vgl. Rz. 37 ff.) und lässt die Ebene der Gewinnermittlung unberührt. Ob eine steuerlich abzugsfähige Betriebsausgabe vorliegt und zu welchem Zeitpunkt bzw. in welcher Höhe eine solche gewinnmindernd zu berücksichtigen ist, regelt alleine das innerstaatliche Recht.1 Im Übrigen kann aus einer rein grammatikalischen Auslegung der Abs. 2 und 3 des Art. 7 die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die bloße Aufwandsverrechnung einer fremdvergleichskonformen Leistungsverrechnung vorgeht und infolgedessen die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes durch Art. 7 Abs. 3 eine Einschränkung erfährt. Eine solche Auslegung ist indessen nicht sachgerecht (vgl. Rz. 113).

E. Globale Gewinnaufteilungsmethode (Abs. 4) I. Regelungszweck 229

Aufteilung des Gesamtgewinns. Nach Art. 7 Abs. 4 schließt es Abs. 2 der Vorschrift nicht aus, „die einer Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinne durch Aufteilung der Gesamtgewinne des Unternehmens auf seine einzelnen Teile zu ermitteln“, soweit diese Vorgehensweise in den Vertragsstaaten „üblich ist“. Insoweit wird die transaktionsbezogene Betrachtungsweise des Fremdvergleichsgrundsatzes verlassen und – alternativ zur Gewinnabgrenzung im Rahmen einer Betriebsstättenbuchführung bzw. Hilfs- und Nebenrechnung (vgl. Rz. 119 ff.) – eine Gewinnallokation nach der globalen Gewinnaufteilungsmethode2 (auch als „indirekte Methode“ bezeichnet)3 zugelassen. Danach ist in einem ersten Schritt der Gesamtgewinn des internationalen Einheitsunternehmens zu ermitteln und daran anschließend in einem zweiten Schritt auf Basis eines angemessenen Aufteilungsschlüssels auf das Stammhaus und die Betriebsstätte aufzuteilen. Voraussetzung für die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode ist gem. Art. 7 Abs. 4 Halbs. 2, dass deren Ergebnis mit den Grundsätzen des Art. 7 – insbesondere mit dem Fremdvergleichsgrundsatz des Abs. 2 – „übereinstimmt“. Art. 7 Abs. 4 wurde im Rahmen des „Update 2010“ des OECD-MA gestrichen, da er nach Auffassung der OECD mit dem „Functionally Separate Entity Approach“ nicht vereinbar ist (vgl. Rz. 17).

II. Anwendungsvoraussetzungen der globalen Gewinnaufteilungsmethode 230

Vorrang der direkten Methode. Nicht zuletzt aufgrund der praktischen und theoretischen Unzulänglichkeit der globalen Gewinnaufteilungsmethode (vgl. Rz. 231 ff.) ist nach Auffassung der Finanzverwaltung,4 der Rspr.5 und der OECD (vgl. Art. 7 Rz. 25 OECD-MK 2008) der direkten Methode gegenüber der globalen Gewinnaufteilungsmethode der Vorzug zu geben (vgl. Rz. 119).6 Die globale Gewinnaufteilungsmethode, nach welcher der Gesamtgewinn des internationalen Einheitsunternehmens anhand eines angemessenen Verteilungsschlüssels auf das Stammhaus und die Betriebsstätte aufzuteilen ist, ist nur anwendbar, wenn die Unternehmensteile gleiche oder vergleichbare Funktionen ausüben. Denn nur in diesem Fall wird es möglich sein, einen geeigneten Aufteilungsschlüssel zu finden, der die Funktionen und die damit einhergehenden Wertschöpfungsbeiträge der Unternehmensteile angemessen berücksichtigt. Die globale Gewinnaufteilungsmethode kommt daher nur bei homogenen Betriebsstrukturen in Betracht, was insbesondere bei Bank- und Versicherungsbetriebsstätten üblicherweise der Fall ist. Im Übrigen kommt der globalen Gewinnaufteilungsmethode in den Fällen eine praktische Relevanz zu, in denen erst im Nachhinein – z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung – Betriebsstättensachverhalte aufgedeckt werden. 1 Vgl. etwa § 4 Abs. 5 EStG. 2 Auch die OECD spricht von der „global formulary appartionment method“, vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 295. 3 Der Begriff der indirekten Methode ist insoweit missverständlich, da er auch im Zusammenhang mit der Abrechnung von Leistungen im Rahmen einer Umlage verwendet wird (vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4-S 1341-14/99, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1). Art. 7 Abs. 4 bezieht sich hingegen auf eine Aufteilung des durch das internationale Einheitsunternehmen erwirtschafteten Gesamtgewinns auf das Stammhaus und der Betriebsstätte und entspricht damit der globalen Gewinnaufteilungsmethode. Das BMF-Schr. v. 30.12.1999 – IV B 4-S 1341-14/99, BStBl. I 1999, 1122 wird zum 31.12.2018 durch das BMF-Schr. v. 5.7.2018 – IV B 5 - S 1341/0:003 – DOK 2018/0513090, BStBl. I 2018, 743 aufgehoben. Für die Prüfung der Einkünfteabgrenzung durch Umlageverträge zwischen verbundenen Unternehmen gelten für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2018 beginnen, die Grundsätze des Kapitels VIII der OECD-Leitlinien. 4 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888, Tz. 2.3. 5 Vgl. etwa BFH v. 27.7.1965 – I 110/63, BStBl. III 1966, 24; v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785; v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. 6 Vgl. zu einer kritischen Würdigung Ditz, FR 2015, 115 (119).

520

Ditz

E. Globale Gewinnaufteilungsmethode (Abs. 4)

Rz. 234 Art. 7 (2008)

Vereinbarkeit mit innerstaatlichem Recht. Das Kriterium der Üblichkeit ist weit auszulegen, d.h., die globale Gewinnaufteilungsmethode muss in dem Vertragsstaat nicht als ausschließliche Methode angewendet werden, sondern es reicht aus, wenn sich hierauf eine Akzeptanz – auch in Bezug auf bestimmte Betriebsstättentypen – findet.1 Es muss allerdings eine Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht existieren, auf Basis derer die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode zulässig ist. Eine solche ist indessen im deutschen innerstaatlichen Recht nicht ersichtlich; sie könnte allenfalls in den Schätzungsbefugnissen der Finanzverwaltung gem. § 162 AO gesehen werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, der AOA in § 1 Abs. 4 und 5 AStG aufgenommen wurde. Dieser sieht regelmäßig eine Gewinnermittlung unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte anhand einer eigenen Betriebsstättenbuchführung bzw. Hilfs- oder Nebenrechnung gem. § 3 BsGaV vor. Infolgedessen ist die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode durch innerstaatliches Recht nicht gedeckt. Dies gilt selbst für die Rechtslage vor Implementierung des AOA in innerstaatliches Recht; denn hier sahen bereits § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG gesetzlich eine Realisierung stiller Reserven im Zusammenhang mit der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte vor (vgl. Rz. 41). Eine solche kommt hingegen im Rahmen der Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode nicht zum Tragen, denn bei ihrer Anwendung bleiben unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen gänzlich unberücksichtigt.

231

Übereinstimmung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz. Als weitere Voraussetzung verlangt Art. 7 Abs. 4, dass das Ergebnis der globalen Gewinnaufteilungsmethode mit dem Fremdvergleichsgrundsatz „übereinstimmt“. Es ist fraglich, ob die globale Gewinnaufteilungsmethode überhaupt zu einem dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Betriebsstättenergebnis führen kann.2 Die methodischen Unterschiede zwischen der Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz und einer pauschalen Gewinnaufteilung nach Schlüsselgrößen haben zur Folge, dass nur in Ausnahmefällen – und dann rein zufällig – beide Methoden zu identischen Ergebnissen führen. Dies zeigt bereits die Tatsache, dass es im Rahmen einer Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu einer inkongruenten Ergebniszuordnung kommen kann (vgl. Rz. 86). Eine solche ist dagegen im Rahmen der globalen Gewinnaufteilungsmethode methodisch ausgeschlossen. Hier ist es unmöglich, einem Unternehmensteil einen positiven und einem anderen Unternehmensteil einen negativen Anteil am Gesamtgewinn des internationalen Einheitsunternehmens zuzuordnen. Im Ergebnis kann daher die Forderung des Art. 7 Abs. 4 Halbs. 2 einer am Grundsatz des Fremdvergleichs ausgerichteten Ergebnisallokation nicht überzeugen. Nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Übereinstimmung mit dem Grundsatz des Fremdvergleichs wurde daher Art. 7 Abs. 4 im Rahmen des „Update 2010“ gestrichen (vgl. Rz. 17).3

232

III. Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode Methodische Vorgehensweise. Der globalen Gewinnaufteilungsmethode liegt ein Verfahren in zwei Schritten zugrunde: Zunächst wird der für das internationale Einheitsunternehmen insgesamt realisierte Gewinn nach den innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften des jeweiligen Vertragsstaats bestimmt. Daran anschließend wird dieser anhand einer angemessenen Schlüsselgröße auf das Stammhaus und die Betriebsstätte verteilt. Es stellt sich damit weder die Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern, Verbindlichkeiten, Aufwendungen und Erträge zur Betriebsstätte noch die Frage der Abrechnung unternehmensinterner Lieferund Leistungsbeziehungen. Diese sind für die Gewinnallokation auf Basis der globalen Gewinnaufteilungsmethode unmaßgeblich. Damit ist sie für eine veranlassungsgerechte Gewinnabgrenzung unter Berücksichtigung der Wertschöpfungsbeiträge der einzelnen Unternehmensteile nur sehr bedingt tauglich.4 Bereits wegen dieser konzeptionellen Schwäche ist der direkten Methode der Vorzug einzuräumen (vgl. Rz. 119).

233

Ermittlung des Gesamtgewinns des Unternehmens. Ausgangspunkt der Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode ist die Ermittlung des Gesamtgewinns des Unternehmens. Die Ermittlung des Gesamtgewinns hat auf Basis der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu erfolgen (vgl. Rz. 37 ff.), sodass der Gesamtgewinn letztlich zweifach (nämlich aus Sicht des jeweiligen Vertragsstaats) zu ermitteln ist.5 Eine solche Gewinnermittlung wird i.d.R. für das Stammhaus vorliegen, denn unter Berücksichtigung des Welteinkommensprinzips sind hier sowohl das Stammhaus- als auch das Betriebsstättenergebnis im

234

1 2 3 4

Vgl. Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 242. Vgl. auch Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 295 f. So auch Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 406 f. Zu den konzeptionellen Schwächen der globalen Gewinnaufteilungsmethode vgl. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 634 ff. 5 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 104.

Ditz

521

Art. 7 (2008) Rz. 234

Unternehmensgewinne

Rahmen der Buchführungspflicht zu erfassen. Aus Sicht des Betriebsstättenstaats entstehen hier erhebliche praktische Anwendungsprobleme, da nach inländischen Gewinnermittlungsvorschriften das (Gesamt-)Ergebnis eines ausländischen Unternehmens zu bestimmen ist.1 235

Aufteilungsschlüssel. Neben der praktisch sehr aufwendigen (zweifachen) Ermittlung des Gesamtgewinns des Unternehmens besteht das Hauptproblem der globalen Gewinnaufteilungsmethode in der Bestimmung eines angemessenen Verteilungsschlüssels. Vergleichbar zur Problematik der Bestimmung eines angemessenen Umlageschlüssels bei Konzernumlagen (vgl. Art. 9 Rz. 101) und der Aufteilung von Gemeinkosten gibt es hier nicht den „richtigen“ Verteilungsschlüssel. Vielmehr muss sich dieser an den Gegebenheiten des Einzelfalles ausrichten, wobei die von den Unternehmensteilen wahrgenommenen Funktionen und Risiken wesentlichen Einfluss haben sollten. Die OECD nennt drei Hauptgruppen von möglichen Verteilungsschlüsseln, namentlich den Umsatz (oder die erwirtschaftete Provision), die Personalaufwendungen sowie das den Unternehmensteilen zugeordnete Betriebsvermögen (vgl. Art. 7 Rz. 54 OECD-MK 2008). Darüber hinaus sind allerdings noch weitere Schlüsselgrößen, wie z.B. die Gesamtkosten, der Materialeinsatz, F&E-Aufwendungen, denkbar. Ferner ist es möglich, verschiedene Schlüsselgrößen miteinander zu kombinieren. Insofern bestehen erhebliche Ermessensspielräume.

F. Gewinnabgrenzung bei Einkaufstätigkeiten (Abs. 5) I. Regelungszweck 236

Sonderregelung bei Einkaufstätigkeiten. Nach Art. 7 Abs. 5 soll einer Betriebsstätte aufgrund „des bloßen Einkaufs von Gütern oder Waren für das Unternehmen“ kein Gewinn zugerechnet werden. Die Vorschrift stellt folglich eine Ausnahmeregelung zum allgemeinen Grundsatz der Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz dar. Betriebswirtschaftlich ist dies nicht nachvollziehbar, stellt die Einkaufstätigkeit doch eine (ggf. sehr wertschöpfungsstarke)2 betriebliche Funktion dar, welcher unter Berücksichtigung des Fremdvergleichs Gewinne zuzuordnen wären. Art. 7 Abs. 5 soll der Exportförderung dienen und verfolgt damit wirtschaftspolitische Ziele.3 Aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem Fremdvergleichsgrundsatz wurde die Vorschrift im Rahmen des „Update 2010“ zu Recht gestrichen. Sie ist auch nicht mit dem AOA des § 1 AStG und der BsGaV vereinbar.

II. Keine Gewinnzurechnung zu Einkaufstätigkeiten 237

Zusammenhang zu Art. 5 Abs. 4 Buchst. d. Art. 7 Abs. 5 steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 4 Buchst. d.4 Danach stellt eine Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter und Waren einzukaufen, keine Betriebsstätte dar. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 5 Abs. 4 Buchst. d erfüllt, scheidet allerdings die Anwendung des Art. 7 zwangsläufig aus, da es an einer – das Besteuerungsrecht des Quellenstaats i.S.d. Art. 7 Abs. 1 begründenden – Betriebsstätte fehlt. Demnach kann sich Art. 7 Abs. 5 nur auf solche Betriebsstätten beziehen, die neben der Ausübung anderer Tätigkeiten den Einkauf von Waren und Gütern als weitere Funktion übernehmen (vgl. Art. 7 Rz. 57 OECD-MK 2008). Der Einkauf von Gütern oder Waren muss sich dabei auf das Unternehmen selbst beziehen, d.h., die entsprechenden Güter und Waren müssen für den eigenen Bedarf des Unternehmens bestimmt sein, unabhängig davon, ob sie zum Handel oder für einen eigenen Herstellungsprozess eingesetzt werden. Der Begriff „Güter oder Waren“ bezieht sich dabei nur auf bewegliche Sachen. Nicht erfasst werden Rechte, Dienstleistungen, der Herstellungsprozess und die Finanzierung.5

238

Rechtsfolge. Als Rechtsfolge des Art. 7 Abs. 5 sind der Betriebsstätte aus Einkaufstätigkeiten „keine Gewinne zuzurechnen“. Vielmehr wird nach der Grundregel des Art. 7 Abs. 1 das Besteuerungsrecht für diese „Einkaufsgewinne“ dem Ansässigkeitsstaat zugeordnet. Um dies zu gewährleisten, ist der Gewinn für die Einkaufstätigkeit aus dem Gesamtergebnis der Betriebsstätte auszusondern, sodass letztlich eine buchungstechnische Trennung des Einkaufsbereichs von den übrigen Betriebsstättenaktivitäten notwendig wird. Dies ist mit erheblichen praktischen Problemen verbunden, da sich i.d.R. der der Einkaufstätigkeit zuzuordnende 1 Vgl. auch Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 236; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 191; Ditz, FR 2015, 115 (116). 2 Z.B. im Einzel-, Groß- oder Versandhandel. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 347. 4 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 147. 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 349.

522

Ditz

G. Stetigkeitsgebot (Abs. 6)

Rz. 242 Art. 7 (2008)

Gewinn einer Betriebsstätte nicht isolieren lässt. Insoweit erfordert Art. 7 Abs. 5 quasi eine Gewinnabgrenzung im Rahmen der Gewinnabgrenzung, indem der Einkaufsgewinn aus dem Betriebsstättengewinn zu isolieren und dem Stammhaus zuzuordnen ist. Dies ist praktisch nicht leistbar. Unvereinbarkeit mit dem Fremdvergleichsgrundsatz. Führt bereits die praktische Umsetzung des Art. 7 Abs. 5 zu erheblichen Problemen, kann die Vorschrift auch in theoretischer Hinsicht nicht überzeugen.1 Dies deswegen, weil sie dem Grundsatz des Fremdvergleichs widerspricht und somit mit der grundsätzlichen Systematik der Gewinnabgrenzung gem. Art. 7 nicht vereinbar ist.2 Nach dem Fremdvergleichsgrundsatz ist vielmehr unzweifelhaft auch für die Ausübung der Einkaufsfunktion ein angemessenes, den wahrgenommenen Funktionen und Risiken entsprechendes Entgelt anzusetzen. Im Übrigen trägt auch die Funktion des Einkaufs – wie jede andere betriebliche Funktion – als Teil des unternehmerischen Wertschöpfungsprozesses zur Generierung von Gewinnen bei, sodass die aus ihr resultierenden Gewinnwirkungen nach Art. 7 Abs. 1 der Betriebsstätte zuzurechnen sind, soweit diese die Einkaufsfunktion wahrnimmt. Vor diesem Hintergrund bleibt für Art. 7 Abs. 5 kein Raum, sodass die Vorschrift zutreffend durch das „Update 2010“ des OECD-MA gestrichen wurde. Art. 7 ist auch nicht mit § 1 Abs. 5 AStG und den Vorschriften der BsGaV vereinbar. Er ist daher durch innerstaatliches Recht nicht „gedeckt“.

239

G. Stetigkeitsgebot (Abs. 6) I. Regelungszweck Stetigkeit im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung. Art. 7 Abs. 6 regelt das sog. „Stetigkeitsgebot der internationalen Betriebsstättengewinnabgrenzung“. Danach sind bei der Anwendung der Gewinnabgrenzungsvorschriften des Art. 7 „die der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinne jedes Jahr auf dieselbe Art zu ermitteln, es sei denn, dass ausreichende Gründe dafür bestehen, anders zu verfahren.“ Weder das Unternehmen noch die Finanzbehörden dürfen daher von einer einmal gewählten Gewinnabgrenzungsmethodik ohne rechtfertigenden Grund abweichen. Dabei bezieht sich Art. 7 Abs. 6 nur auf die Ebene der Gewinnabgrenzung und nicht auf diejenige der Gewinnermittlung. Letztere ergibt sich aus rein innerstaatlichem Recht (vgl. Rz. 37 ff.).

240

II. Beibehaltung der Gewinnabgrenzungsmethodik Eingeschränkte Auslegung. In Teilen des Schrifttums wird Art. 7 Abs. 6 so verstanden, dass er allein die Methodik der Gewinnabgrenzung als solche betrifft.3 Insoweit würde die Vorschrift lediglich einen unbegründeten Wechsel von der Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Art. 7 Abs. 2) zur globalen Gewinnaufteilungsmethode (Art. 7 Abs. 4) und vice versa verbieten. Demgegenüber sei es nicht erforderlich, im Zeitablauf innerhalb der gewählten Gewinnabgrenzungsmethode nach denselben Kriterien und Prinzipien zu verfahren. Ob auch die OECD eine solche enge Auslegung des Art. 7 Abs. 6 verfolgt, bleibt unklar; vielmehr wird lediglich klargestellt, dass von einer einmal angewandten Methodik nicht auf eine andere übergegangen werden darf, nur weil die andere Methodik zu einem günstigeren Ergebnis führt (vgl. Art. 7 Rz. 58 OECD-MK 2008).

241

Weitergehende Auslegung. Der Wortlaut des Art. 7 Abs. 6 lässt eine weitergehende Auslegung des Stetigkeitsgebots zu.4 Bei einer solchen Interpretation haben nicht nur die Auswahl der Gewinnabgrenzungsmethode selbst, sondern auch die innerhalb der gewählten Gewinnabgrenzungsmethode angewandten Prinzipien einer Kontinuität zu folgen. Dabei sind sowohl eine formelle (z.B. im Rahmen der Dokumentation) als auch eine materielle Stetigkeit (z.B. im Zusammenhang mit den angewandten Verrechnungspreismethoden, dem Aufteilungsschlüssel bei der Aufwandsumlage etc.) zu wahren. Dieser Auslegung des Art. 7 Abs. 6 ist zu folgen. Denn aufgrund der theoretischen und praktischen Unzulänglichkeiten der globalen Gewinnaufteilungsmethode des Art. 7 Abs. 4 kommt es in praxi regelmäßig nicht vor, dass von der direkten auf die indirekte Methode übergegangen wird. Dies gilt umso mehr, als die Methode nicht durch innerstaatliches Recht gedeckt ist. Eine enge Auslegung (vgl. Rz. 241) des Art. 7 Abs. 6 würde infolgedessen dazu führen, dass

242

1 Vgl. auch Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 298. 2 Ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 347; Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 259; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Anm. 642; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 153. 3 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 160. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 351; Kroppen in G/K/G/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 278; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Anm. 670.

Ditz

523

Art. 7 (2008) Rz. 242

Unternehmensgewinne

der Vorschrift in praxi keine Bedeutung zukommt. Gleichwohl ist zu konstatieren, dass Art. 7 Abs. 6 in der deutschen Abkommenspraxis häufig dann nicht aufgenommen wird, wenn es an einer in Art. 7 Abs. 4 nachgebildeten Vorschrift fehlt.1 243

Ausreichende Gründe für einen Methodenwechsel. Ein Methodenwechsel ist nach Art. 7 Abs. 6 zugelassen, wenn für ihn „ausreichende Gründe“ sprechen. Wann diese Voraussetzung erfüllt ist, bleibt offen. Die OECD nimmt nur insofern eine Konkretisierung vor, als ein jährlicher Wechsel der Gewinnabgrenzungsmethode mit dem Ziel, ein günstigeres steuerliches Ergebnis zu erzielen, nicht möglich ist (vgl. Art. 7 Rz. 58 OECD-MK 2008). Darüber hinaus sollten ausreichende Gründe für einen Methodenwechsel dann bestehen, wenn sog. „good business reasons“ vorliegen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn sich das Funktions- und Risikoprofil der betrieblichen Teileinheiten, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder die unternehmerische Strategie verändert haben.

H. Vorrang der Spezialartikel (Abs. 7) I. Regelungszweck 244

Spezialitätsprinzip. Art. 7 Abs. 7 regelt das sog. „Spezialitätsprinzip“. Danach greift Art. 7 nicht bei Einkünften, die in anderen Artikeln des Abkommens behandelt sind. Hintergrund der Regelung ist die Tatsache, dass auch in anderen Artikeln des OECD-MA geregelte Einkunftsarten (Art. 6,2 Art. 8, Art. 10–13 sowie Art. 15–21) Unternehmensgewinne (vgl. Rz. 61 f.) darstellen können. Die Rechtsfolge des Art. 7 Abs. 7 ist, dass die abkommensrechtlichen Spezialvorschriften vorgehen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass zahlreiche Spezialvorschriften „Zurückverweisungsklauseln“ enthalten (sog. „Betriebsstättenvorbehalt“ in Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 2). Diese Rückverweisung gilt allerdings nur für Einkünfte im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern, die „tatsächlich zu einer Betriebsstätte gehören.“ Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, bleibt es bei einer (reinen) Anwendung des Spezialartikels. Art. 7 Abs. 7 wurde im Rahmen des „Update 2010“ des OECD-MA nicht angepasst, sondern entspricht nunmehr Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2010. Die Vorschrift ist insbesondere im Hinblick auf die Besteuerung von Sondervergütungen von Bedeutung (Rz. 104 ff.).

II. Verhältnis zu den Rückverweisungsklauseln 245

Gewinne eines Unternehmens. Der Begriff des „Gewinns“ eines Unternehmens ergibt sich nach innerstaatlichem Recht (vgl. Rz. 61 f.). Danach werden sieben Einkunftsarten unterschieden, wobei der Grundsatz der Subsidiarität der Überschusseinkünfte gegenüber den betrieblichen Einkunftsarten zu beachten ist.3 Das OECD-MA kennt demgegenüber vierzehn Einkunftsarten,4 wobei das Spezialitätsprinzip des Art. 7 Abs. 7 und jenes des Art. 6 Abs. 4 zu beachten sind. Danach geht die Rechtsfolge des jeweiligen Spezialartikels der allgemeineren Regelung vor, soweit nicht ein Betriebsstättenvorbehalt (Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 2) greift. Dem Spezialitätsprinzip kommt dabei erhebliche praktische Bedeutung zu, da in anderen Spezialartikeln geregelte Einkunftsarten (insbesondere Dividenden, Lizenzgebühren und Zinsen) Unternehmensgewinne darstellen können und sich folglich Abgrenzungsprobleme ergeben.5 Dies insbesondere deswegen, weil Art. 7 Abs. 1 Satz 1 dem Ansässigkeitsstaat ein ausschließliches Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne zuweist, falls im anderen Vertragsstaat keine Betriebsstätte begründet wird. Würde infolgedessen Art. 7 den Spezialartikeln in allen Fällen vorgehen, würde das in diesen vorgesehene Besteuerungsrecht des Quellenstaats ins Leere laufen, soweit keine Betriebsstätte besteht.6 Infolgedessen bezweckt Art. 7 Abs. 7 eine der isolierenden Betrachtungsweise i.S.d. § 49 Abs. 2 EStG vergleichbare Zielsetzung.

246

Bedeutung der Betriebsstättenvorbehalte. Art. 7 Abs. 7 ist in einem engen Zusammenhang mit Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 2 zu sehen. Nach dem in diesen Vorschriften niedergelegten Betriebsstättenvorbehalt sind dennoch die Rechtsfolgen des Art. 7 zu ziehen, wenn die den Ein1 Vgl. die DBA mit Australien, Brasilien, Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Iran, Irland, Korea, Luxemburg, Malaysia, Marokko, den Niederlanden, Österreich, Singapur, Südafrika, Thailand und Ungarn. 2 Insoweit ist die Spezialklausel des Art. 6 Abs. 4 zu beachten. 3 Vgl. § 20 Abs. 3, § 21 Abs. 3, § 22 Nr. 1 und 3, § 23 Abs. 2 EStG. 4 Vgl. Art. 6–8, 10–13 u. 15–21. 5 Vgl. dazu auch Kaeser, ISR 2012, 63 (64 ff.). 6 Vgl. BFH v. 10.8.2006 – I R 59/05, BStBl. II 2009, 758 Rz. 71.

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J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 250 Art. 7 (2008)

künften zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte tatsächlich zuzuordnen sind. Die Anwendung eines Betriebsstättenvorbehalts setzt damit voraus, dass das entsprechende Wirtschaftsgut unter funktionalen Gesichtspunkten und unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes der Betriebsstätte zuzuordnen ist (vgl. Rz. 129 ff.). Die Anwendung des Betriebsstättenvorbehalts sowie die damit verbundene Reichweite des Art. 7 Abs. 7 sind insbesondere bei der Besteuerung von Sondervergütungen im Zusammenhang mit Personengesellschaften von Bedeutung (zu Einzelheiten vgl. Rz. 79 f.). Anwendung des Betriebsstättenvorbehalts im Ansässigkeitsstaat. Bis zum Urt. des BFH v. 7.8.20021 war nahezu unbestritten, dass Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren unter der Voraussetzung des Betriebsstättenvorbehalts (Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 2) nicht nur im Quellenstaat die Rechtsfolgen des Betriebsstättenprinzips, sondern auch im Ansässigkeitsstaat die Freistellung auslösen.2 Im Rahmen eines obiter dictum warf der BFH seinerzeit die explizit offengelassene Frage auf, ob für Zwecke des Methodenartikels die spezialgeregelten Einkünfte stets als Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren und ungeachtet der Betriebsstättenvorbehalte eben nicht als Betriebsstättengewinne mit der Folge zu behandeln sind, dass sie von der Freistellungsverpflichtung des Ansässigkeitsstaats für Betriebsstätteneinkünfte (vgl. Rz. 30) nicht erfasst werden. Mit Urt. v. 24.8.20113 hat der BFH nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass er die aus seiner Rspr. abgeleitete Beurteilung4 nicht teilt. Damit lösen Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren unter den Voraussetzungen der Betriebsstättenvorbehalte die Freistellung im Ansässigkeitsstaat aus.5

247

I. Deutsches Muster-DBA Deutsches Muster-DBA. Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen Muster-DBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.

248

J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Belgien entspricht mit Ausnahme des Abs. 4 dem OECDMA 2008. Die in Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008 vorgesehene Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode (vgl. Rz. 229 ff.) ist im DBA-Belgien nicht enthalten. Stattdessen ist nach Art. 7 Abs. 4 DBA-Belgien der Betriebsstätte ein „üblicher Gewinn“, der von einem ähnlichen Unternehmen unter Berücksichtigung gleicher oder ähnlicher Tätigkeiten unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen erzielt werden würde, zuzurechnen. Voraussetzung zur Anwendung einer solchen Methodik ist allerdings, dass eine ordnungsmäßige Buchführung oder andere Beweisunterlagen im Hinblick auf die Ermittlung des Betriebsstättengewinns fehlen. Darüber hinaus enthält das Schlussprotokoll zum DBA-Belgien zu Art. 7 Abs. 4 eine Sonderregelung für Versicherungsunternehmen, die allerdings nur unter den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 DBA-Belgien greift. Bei Versicherungsbetriebsstätten kann demnach die indirekte Methode Anwendung finden, wenn die in Art. 7 Abs. 4 DBA-Belgien genannten Unterlagen fehlen. In diesem Fall müssen sich allerdings die beiden Staaten auf das anzuwendende Verfahren einigen.

249

2. Konsequenzen Anwendung der Gewinnvergleichsmethode. Fehlen zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns eine ordnungsmäßige Buchführung oder andere Beweisunterlagen, lässt es Art. 7 Abs. 4 DBA-Belgien zu, den Betriebsstättengewinn auf Basis der Gewinnvergleichsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 99 f.) zu bestimmen. Die Ge1 Vgl. BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848. 2 Vgl. etwa Grotherr in G/K/G/K, Art. 23 A/B OECD-MA Rz. 80; Schmidt/Blöchle in S/K/K, Art. 23 A/B OECD-MA Rz. 56 u. 114. 3 Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, IStR 2011, 925. 4 Vgl. dazu im Einzelnen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 160 und Art. 10 OECD-MA Rz. 139; Wassermeyer in W/A/D2, Rz. 9.13. 5 Zu Einzelheiten vgl. Ditz/Liebchen, IStR 2012, 449 ff.

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Art. 7 (2008) Rz. 250

Unternehmensgewinne

winnvergleichsmethode geht nicht geschäftsvorfallbezogen vor; vielmehr bestimmt sich der einer Betriebsstätte zuzuordnende Gewinn durch einen Vergleich mit den „üblichen“ Gewinnen, die ähnliche Unternehmen aus gleichen oder ähnlichen Tätigkeiten unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen erzielen. Diese werden häufig auf Basis einer Datenbankanalyse (vgl. Art. 9 Rz. 94) bestimmt, wobei eine Vergleichbarkeit der Verhältnisse zu wahren ist. Die Gewinnvergleichsmethode führt im Ergebnis zu einer Sollgewinnbesteuerung, welche von der OECD abgelehnt wird (vgl. Art. 9 Rz. 97). Nach innerstaatlichem Recht läuft die Gewinnvergleichsmethode auf eine Schätzung gem. § 162 Abs. 3 AO hinaus, da in den in Art. 7 Abs. 4 DBABelgien genannten Fällen der Steuerpflichtige i.d.R. gegen seine Mitwirkungspflichten gem. § 90 Abs. 2 und 3 AO verstoßen haben wird.1 251

Anwendung von § 1 Abs. 5 AStG. Wenngleich Art. 7 Abs. 2 DBA-Belgien den AOA nicht vorsieht, hat der Steuerpflichtige die Betriebsstättengewinnabgrenzung gem. § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV vorzunehmen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der andere Vertragsstaat sein Besteuerungsrecht entsprechend dem DBA ausübt (§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG) und infolgedessen die Anwendung des AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG zu einer Doppelbesteuerung führt (vgl. Rz. 48 f.). Diese Handhabe entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung. Diese geht davon aus, dass in Abkommen, in denen der Wortlaut Art. 7 OECD-MA 2008 entspricht, der andere OECD-Mitgliedstaat den AOA anerkennt und die Interpretation der Regelung dem OECD-Betriebsstättenbericht folgt.2 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

252

Anwendung der Freistellungsmethode. Gewinne, welche einer in Belgien belegenen Betriebsstätte gem. Art. 7 DBA-Belgien zuzuordnen sind, sind in Deutschland von der Besteuerung unter Progressionsvorbehalt befreit (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Belgien). Ein Aktivitätsvorbehalt besteht nicht.

II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA 253

Übereinstimmung mit Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-China entspricht Art. 7 OECD-MA 2008. Im Rahmen des Protokolls zu Art. 7 DBA-China äußern die Vertragsstaaten ihre Bereitschaft, sich in Auslegungsund Anwendungsfragen dieses Artikels auf den Kommentar zum OECD-MK 2008 zu beziehen. 2. Konsequenzen

254

Keine Anwendung von § 1 Abs. 5 AStG. Der OECD-MK 2008, auf den das DBA-China explizit verweist, geht von einer nur eingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion des Art. 7 aus (vgl. Rz. 103). Infolgedessen gelten die Grundsätze des AOA nicht und eine unternehmensinterne Abrechnung von Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist nicht möglich. Dies gilt insbesondere für unternehmensinterne Dienstleistungen sowie Nutzungsüberlassungen. Die Realisierung von stillen Reserven bei der Überführung von Wirtschaftsgütern ist hingegen zulässig (vgl. Rz. 98 ff.). Wenngleich Art. 7 Abs. 2 DBAChina den AOA nicht vorsieht, hat der Steuerpflichtige grundsätzlich die Betriebsstättengewinnabgrenzung gem. § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV (d.h. dem AOA) vorzunehmen. Da das Protokoll zu Art. 7 DBA-China jedoch explizit die Auslegung der Vorschrift nach dem OECD-MK vorschreibt, wird die Anwendung von § 1 AStG abkommensrechtlich gesperrt (§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG). Da das DBA-China (Protokollregelung) insoweit klar ist, bedarf es keiner weiteren Nachweise durch den Steuerpflichtigen. Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung.3 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

255

Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in China belegenen Betriebsstätte nach Art. 7 DBA-China zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-China unter Progressionsvorbehalt steuerbefreit. Etwas anderes gilt nur, wenn nicht eine Steueranrechnung nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. b DBA-China in Betracht kommt. Hiernach werden Steuern auf Dividendenerträge aus Beteiligungen, deren Kapital zu weniger als 25 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört, sowie Zinsen, Lizenzgebühren, Einkünfte, die nach Art. 13 Abs. 4 und 5 in China besteuert werden können, Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen und Einkünfte, die nach Art. 17 besteuert werden 1 Vgl. auch Kempf/Gelsdorf, IStR 2012, 329 (333). 2 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 427. 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 430.

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J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 256 Art. 7 (2008)

können, auf die deutsche Steuer angerechnet. Die Freistellung der Einkünfte gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-China steht gem. Buchst. c unter dem Aktivitätsvorbehalt, der für die Bestimmung der aktiven Tätigkeiten auf § 8 Abs. 1–6 AStG verweist. Dieser gilt für freigestellte Einkünfte aus Art. 7, Art. 10, Art. 6 Abs. 4 und Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2.

III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 4 DBA-Frankreich enthält gegenüber Art. 7 OECD-MA 2008 erhebliche Abweichungen. Im Einzelnen: – Das DBA-Frankreich enthält keine Definition des Begriffs „Unternehmen“. Aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang des Art. 4 DBA-Frankreich folgt jedoch, dass sich der Begriff „Unternehmen“ nur auf gewerblich tätige Unternehmen bezieht. Was indessen unter „gewerblichen Unternehmen“ zu verstehen ist, lässt das DBA-Frankreich offen. Unzweifelhaft ist nur, dass Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft von Art. 3 DBA-Frankreich und die selbständige Arbeit von Art. 12 DBA-Frankreich erfasst werden. Hinsichtlich der Definition gewerblicher Unternehmensgewinne kann daher auf § 15 Abs. 2 EStG und die dazu ergangene Rspr. zurückgegriffen werden (vgl. Rz. 54). – Art. 4 Abs. 3 DBA-Frankreich betrifft die Besteuerung von Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften.1 In diesem Zusammenhang wird klargestellt, dass die bloße Beteiligung an einer Personengesellschaft noch kein Besteuerungsrecht gem. Art. 4 DBA-Frankreich zur Folge hat. Vielmehr ist erforderlich, dass die Personengesellschaft über eine Betriebsstätte verfügt und infolgedessen nur in Höhe des Anteils des Mitunternehmers an den auf die Betriebsstätte entfallenden Gewinnen ein Besteuerungsrecht begründet wird. – Art. 4 Abs. 4 DBA-Frankreich macht deutlich, dass Art. 4 Abs. 1–3 DBA-Frankreich nur auf Einkünfte anzuwenden ist, die durch die laufende gewerbliche Tätigkeit in der Betriebsstätte („Verwaltung und Nutznießung“), durch eine Vermietung der Betriebsstätte oder durch jede weitere Nutzung der Betriebsstätte erwirtschaftet werden. Im Ergebnis folgt aus Art. 4 Abs. 4 DBA-Frankreich, dass jede Art der Nutzung der Betriebsstätte als Betriebsstätteneinkünfte zu qualifizieren ist.2 Diese Beschreibung von Betriebsstätteneinkünften ist sehr ungewöhnlich: So werden mit der Umschreibung „durch unmittelbare Verwaltung und Nutznießung […] erzielten Einkünfte“ die Einkünfte aus einer unmittelbaren gewerblichen Tätigkeit umschrieben. Erfasst werden dabei z.B. Produktions-, Vertriebs- oder Dienstleistungstätigkeiten. Außergewöhnlich ist ferner, dass auch die Vermietung und Verpachtung einer Betriebsstätte explizit als gewerbliche Unternehmenstätigkeit angesehen wird (vgl. Rz. 58). – Art. 4 Abs. 5 DBA-Frankreich entspricht inhaltlich Art. 7 Abs. 5 OECD-MA, wobei im Wortlaut Unterschiede bestehen. – Art. 4 Abs. 6 DBA-Frankreich regelt Einzelheiten der Betriebsstättengewinnabgrenzung. Danach soll zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns grundsätzlich von ihrem Bilanzergebnis ausgegangen werden. Damit soll der direkten Methode, d.h. der Selbständigkeitsfiktion und dem Fremdvergleichsgrundsatz gem. Art. 4 Abs. 2 DBA-Frankreich der Vorrang eingeräumt werden (vgl. Rz. 121).3 Im Rahmen der Anwendung der direkten Methode werden dabei die „zurechenbaren Ausgaben“ einschließlich eines „Anteils an den Generalunkosten des Unternehmens“ berücksichtigt. Die Begriffe „Ausgaben“ sowie „Generalunkosten“ sind unglücklich gewählt. Gemeint sind wohl – dem Grundsatz der Pagatorik der steuerlichen Gewinnermittlung folgend – Aufwendungen, wobei mit „Generalunkosten“ allgemeine Gemeinkosten des Unternehmens erfasst werden sollen, welche den Unternehmensteilen i.S. einer Aufwandsumlage zuzuordnen sind (vgl. Rz. 150). „In besonderen Fällen“ lässt es Art. 4 Abs. 6 DBA-Frankreich zu, den Betriebsstättengewinn auf Basis der globalen Gewinnaufteilungsmethode zu ermitteln (als typischer Anwendungsfall werden Versicherungsunternehmen genannt). Der Begriff „in besonderen Fällen“ ist dabei eng auszulegen, da die globale Gewinnaufteilungsmethode gegen den Fremdvergleichsgrundsatz verstößt und nur in Ausnahmefällen Anwendung finden darf (vgl. Rz. 230 ff.). – Nach Art. 4 Abs. 7 DBA-Frankreich gilt Art. 4 DBA-Frankreich auch für die Gewerbesteuer, die nach einer anderen Bemessungsgrundlage als dem gewerblichen Gewinn erhoben wird. Gemeint ist – aus deutscher Sicht – die Gewerbekapitalsteuer, welche indessen praktisch keine Rolle mehr spielt. 1 In einer Verständigungsregelung ist klargestellt, dass zu Personengesellschaften auch Arbeitsgemeinschaften gehören, vgl. BMF v. 19.7.1974 – IV C 1 - S 1301 - FrKr - 13/74, BStBl. I 1974, 510. 2 Vgl. Kramer in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Frankreich Rz. 71. 3 Vgl. auch Kempf/Gelsdorf, IStR 2012, 329 (332).

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Art. 7 (2008) Rz. 256

Unternehmensgewinne

– Art. 4 Abs. 8 DBA-Frankreich verpflichtet die Vertragsstaaten, ein Verständigungsverfahren zu führen, wenn eine ordnungsgemäße Buchführung der Betriebsstätte nicht vorhanden ist. – Art. 4 Abs. 9 DBA-Frankreich entspricht inhaltlich Art. 7 Abs. 7 OECD-MA 2008, wobei ein deutlich komplizierterer Wortlaut gewählt wurde. Die Vorschrift stellt klar, dass die speziellen Verteilungsnormen neben Art. 4 DBA-Frankreich Anwendung finden können. Im Übrigen verbietet Art. 4 Abs. 9 DBAFrankreich die Attraktionskraft der Betriebsstätte (vgl. Rz. 86).1 2. Konsequenzen 257

Im Wesentlichen keine abweichenden Besteuerungsgrundsätze. Wenngleich sich Art. 4 DBA-Frankreich von seinem Aufbau und Wortlaut erheblich von Art. 7 OECD-MA 2008 unterscheidet, definiert er keine gegenüber dem OECD-MA abweichenden Besteuerungsgrundsätze von Unternehmensgewinnen. Hervorzuheben ist allerdings die ungewöhnliche und vom OECD-MA 2008 abweichende Definition der gewerblichen Einkünfte nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Frankreich.

258

Anwendung von § 1 Abs. 5 AStG. Wenngleich Art. 7 DBA-Frankreich den AOA nicht vorsieht, hat der Steuerpflichtige die Betriebsstättengewinnabgrenzung gem. § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV vorzunehmen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der andere Vertragsstaat sein Besteuerungsrecht entsprechend dem DBA ausübt (§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG) und infolgedessen die Anwendung des AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG zu einer Doppelbesteuerung führt (vgl. Rz. 48 f.). Diese Handhabe entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung. Diese geht davon aus, dass in Abkommen, in denen der Wortlaut Art. 7 OECD-MA 2008 entspricht, der andere OECD-Mitgliedstaat den AOA anerkennt und die Interpretation der Regelung dem OECD-Betriebsstättenbericht folgt.2 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

259

Anwendung der Freistellungsmethode. Gewinne, die einer in Frankreich belegenen Betriebsstätte zuzuordnen sind, werden in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freigestellt (Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA-Frankreich). Von der Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt werden auch Betriebsstättengewinne erfasst, welche in Deutschland ansässigen Mitunternehmern einer französischen Personengesellschaft zuzuordnen sind (Art. 4 Abs. 3 DBA-Frankreich). Einen Aktivitätsvorbehalt enthält das DBA-Frankreich nicht. Durch das Zusatzabkommen vom 31.3.2015 wurde eine Switch-over-Klausel in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d DBA-Frankreich aufgenommen, nach der sich Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen vorbehält, von der im Buchst. a vorgesehenen Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode überzugehen. Der Wechsel zur Anrechnungsmethode soll für Unternehmensgewinne (Art. 4) und Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Art. 12) gelten und ist nur dann möglich, wenn Deutschland gegenüber Frankreich auf diplomatischem Wege andere Einkünfte notifiziert. Es ist der Vorschrift nicht zu entnehmen, für welche Fälle sich Deutschland dieses Recht vorbehält.3

IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA 260

Übereinstimmung mit Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Großbritannien i.d.F. des Änderungsprotokolls v. 17.3.2014 entspricht im Wesentlichen Art. 7 OECD-MA 2010. Das Änderungsprotokoll ist ab dem 1.1.2016 anwendbar. Art. 7 DBA-Großbritannien i.d.F. des Abkommens v. 30.3.2010 entspricht Art. 7 OECD-MA 2008, deren Abs. 2 den AOA nicht vorsieht. 2. Konsequenzen

261

Anwendung einer uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Art. 7 Abs. 2 DBAGroßbritannien i.d.F. des Änderungsprotokolls v. 17.3.2014 entspricht weitgehend dem Art. 7 Abs. 2 OECDMA 2010 und damit dem in § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV umgesetzten AOA. Korrigiert ein Vertragsstaat die Gewinnzurechnung zu einer Betriebsstätte im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 DBA-Großbritannien i.d.F. des Änderungsprotokolls v. 17.3.2014, sieht Abs. 3 eine korrespondierende Berichtigung im anderen Vertragsstaat vor, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Andernfalls werden sich die Vertragsstaaten im Wege des Verständigungsverfahrens bemühen, eine Doppelbesteuerung zu beseitigen. 1 Vgl. auch Kramer in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Frankreich Rz. 112. 2 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 427. 3 Vgl. auch Kramer in Wassermeyer, Art. 20 DBA-Frankreich Rz. 42a.

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J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 265 Art. 7 (2008)

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in Großbritannien belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland von der Besteuerung unter Progressionsvorbehalt freizustellen (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Großbritannien). Die Freistellungsmethode findet allerdings nur Anwendung, wenn die Betriebsstätte aktive Einkünfte i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG erwirtschaftet. Ist dies nicht der Fall, ist die Doppelbesteuerung auf Basis der Anrechnungsmethode zu vermeiden (Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA-Großbritannien). Darüber hinaus ist die sog. Switch-over-Klausel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DBA-Großbritannien zu beachten.

262

V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Indien entspricht – mit Ausnahme seiner Abs. 3 und 4 – den Vorgaben des Art. 7 OECD-MA 2008. Im Einzelnen ergeben sich die folgenden Abweichungen: – In Art. 7 Abs. 3 DBA-Indien wird im Hinblick auf die Abzugsfähigkeit von der Betriebsstätte zugeordneten Aufwendungen auf die Regelungen des innerstaatlichen Rechts verwiesen. Insoweit ergibt sich gegenüber der Auslegung des Art. 7 OECD-MA 2008 – zumindest nach deutschem Verständnis – keine Abweichung, da im Hinblick auf den Abzug von Betriebsausgaben der Betriebsstätte die innerstaatlichen Rechtsvorschriften grundsätzlich zu beachten sind (vgl. Rz. 37).1 In diesem Zusammenhang sind indessen auch die Regelungen des Protokolls zu Art. 7 DBA-Indien zu beachten. Danach dürfen die der Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 3 DBA-Indien zugeordneten Aufwendungen des Stammhauses in keinem Fall niedriger sein als die nach dem indischen Income Tax Act zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des DBAIndien zulässigen Abzüge. Ferner wird im Protokoll klargestellt, dass aus unternehmensinternen Transaktionen resultierende Lizenzgebühren für die Nutzung von Patenten oder anderen Rechten, Provisionen für besondere Dienstleistungen oder Geschäftsleitung und Zinsen nicht abgezogen werden dürfen. Abzugsfähig sind nur die tatsächlich entstandenen Aufwendungen. Insofern wird der Fremdvergleichsgrundsatz eingeschränkt; § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG und § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. der BsGaV sind daher im Hinblick auf den Ansatz „fiktiver“ Lizenzgebühren nicht anwendbar (vgl. Rz. 173). – Art. 7 Abs. 4 DBA-Indien weicht insoweit von Art. 7 Abs. 4 OECD-MA ab, als die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode nur gestattet wird, wenn der Betriebsstättengewinn nicht auf Basis der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte nach Art. 7 Abs. 2 DBA-Indien bestimmt werden kann oder dies mit unzumutbaren Schwierigkeiten verbunden ist. In diesen Fällen soll auch eine „angemessene Schätzung“ des Betriebsstättengewinns möglich sein. Damit kommt es auf die „Üblichkeit der Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode in einem der Vertragsstaaten“ (so Art. 7 Abs. 4 OECD-MA; vgl. Rz. 231) nicht an; vielmehr wird auf rein praktische Gesichtspunkte (Unmöglichkeit bzw. unzumutbare Schwierigkeiten bei Anwendung der direkten Methode) abgestellt.

263

Protokoll zum DBA-Indien. Das Protokoll zu Art. 7 DBA-Indien enthält zahlreiche Ausführungen im Hinblick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung. So wird zunächst klargestellt, dass Gewinne einer Bauund Montagebetriebsstätte nur dann zugeordnet werden dürfen, wenn die entsprechende Tätigkeit tatsächlich durch die Bau- und Montagebetriebsstätte ausgeübt wird. Werden daher Maschinen oder Ausrüstungen vom Stammhaus oder einer anderen Betriebsstätte des Unternehmens geliefert, kann ein entsprechender Liefergewinn der Bau- und Montagebetriebsstätte nicht zugerechnet werden. Ferner dürfen Einkünfte aus Planungs-, Projekt-, Bau- oder Forschungstätigkeiten sowie aus technischen Dienstleistungen, die vom Stammhaus erbracht werden, nicht der Betriebsstätte zugerechnet werden. Im Übrigen enthält das Protokoll zu Art. 7 DBA-Indien eine Regelung hinsichtlich der Zuordnung von Umsätzen zur Betriebsstätte (vgl. Rz. 144).

264

2. Konsequenzen Keine wesentlichen Abweichungen. Art. 7 DBA-Indien entspricht – trotz seiner Abweichungen gegenüber Art. 7 OECD-MA in seinen Abs. 3 und 4 – den Grundsätzen der Abgrenzung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen gem. Art. 7 OECD-MA 2008. Die Abweichungen in Art. 7 Abs. 3 und 4 DBA-Indien haben keine wesentlichen praktischen Konsequenzen. Es sind allerdings die zusätzlichen Regelungen des Protokolls zum DBA-Indien zu beachten. Entsprechen diese nicht dem AOA des § 1 Abs. 5 AStG i.V.m.

1 Dies gilt z.B. im Hinblick auf die abzugsfähigen Betriebsausgaben.

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265

Art. 7 (2008) Rz. 265

Unternehmensgewinne

der BsGaV, sperrt das DBA-Indien die Anwendung dieser Vorschriften. Ein zusätzlicher Nachweis ist nicht zu erbringen (§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG). Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung.1 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung 266

Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in Indien belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Indien). Die Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen wird allerdings nur dann auf Basis der Freistellungsmethode vermieden, wenn die indische Betriebsstätte ausschließlich oder fast ausschließlich aktiven Tätigkeiten nachgeht (Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DBA-Indien). Aktive Tätigkeiten sind die in Indien ausgeübte Herstellung und der Verkauf von Gütern oder Waren, die technische Beratung, technische Dienstleistungen sowie Bank- und Versicherungsgeschäfte. Wird ein entsprechender Nachweis aktiver Tätigkeiten nicht erbracht, ist die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode zu vermeiden.

VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA 267

Übereinstimmung mit Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Italien entspricht Art. 7 OECD-MA 2008. Das Protokoll zu Art. 7 DBA-Italien enthält klarstellende Hinweise zur Gewinnabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten. Hier wird insbesondere klargestellt, dass Liefergewinne demjenigen Unternehmensteil zuzuordnen sind, der die Lieferungen ausgeübt hat. 2. Konsequenzen

268

Anwendung von § 1 Abs. 5 AStG. Wenngleich Art. 7 Abs. 2 DBA-Italien den AOA nicht vorsieht, hat der Steuerpflichtige die Betriebsstättengewinnabgrenzung gem. § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV vorzunehmen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der andere Vertragsstaat sein Besteuerungsrecht entsprechend dem DBA ausübt (§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG) und infolgedessen die Anwendung des AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG zu einer Doppelbesteuerung führt (vgl. Rz. 48 f.). Diese Handhabe entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung. Diese geht davon aus, dass in Abkommen, in denen der Wortlaut Art. 7 OECD-MA 2008 entspricht, der andere OECD-Mitgliedstaat den AOA anerkennt und die Interpretation der Regelung dem OECD-Betriebsstättenbericht folgt.2 Im Übrigen hat Italien den AOA innerstaatlich umgesetzt.3 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

269

Anwendung der Freistellungsmethode. Gewinne, die einer italienischen Betriebsstätte zugeordnet werden, werden in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freigestellt (Art. 24 Abs. 3 Buchst. a DBA-Italien). Einen Aktivitätsvorbehalt enthält das DBA-Italien nicht.

VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 270

Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Japan entspricht im Wesentlichen dem OECD-MA 2010. 2. Konsequenzen

271

Anwendung einer uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Art. 7 Abs. 2 DBA-Japan entspricht weitgehend dem Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 und fußt damit in seinem Wortlaut auf dem AOA. Korrigiert ein Vertragsstaat die Gewinnzurechnung zu einer Betriebsstätte im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 DBA-Japan, sieht Abs. 3 eine korrespondierende Berichtigung im anderen Vertragsstaat vor, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Andernfalls werden sich die Vertragsstaaten im Wege des Verständigungsverfahrens bemühen, eine Doppelbesteuerung zu beseitigen.4 1 2 3 4

Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 430. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 427. Vgl. Mayr, IStR 2016, 519 (520 f.). Vgl. auch Stuffer/Schrepfer in Wassermeyer, Art. 7 DBA-Japan Rz. 3 ff.

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J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 278 Art. 7 (2008)

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Gewinne, die einer in Japan belegenen Betriebsstätte zuzuordnen sind, werden in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freigestellt (Art. 22 Abs. 2 Buchst. a und b DBA-Japan). Für die Freistellung von Gewinnen i.S.d. Art. 7 ist eine Aktivitätsklausel nach Art. 22 Abs. 2 Buchst. d DBA-Japan zu beachten. Eine Freistellung erfolgt nur, soweit die Einkünfte durch Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Gütern oder Waren, Erforschung und Gewinnung natürlicher Ressourcen, Bank- und Versicherungsgeschäfte, Handel oder Erbringung von Dienstleistungen erzielt werden oder soweit sie wirtschaftlich diesen Tätigkeiten zuzurechnen sind und ein dem Geschäftszweck angemessen eingerichteter Geschäftsbetrieb besteht.1

272

VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA Übereinstimmung mit Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Kanada entspricht dem OECD-MA 2008.

273

2. Konsequenzen Anwendung von § 1 Abs. 5 AStG. Wenngleich Art. 7 Abs. 2 DBA-Kanada den AOA nicht vorsieht, hat der Steuerpflichtige die Betriebsstättengewinnabgrenzung gem. § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV vorzunehmen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der andere Vertragsstaat sein Besteuerungsrecht entsprechend dem DBA ausübt (§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG) und infolgedessen die Anwendung des AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG zu einer Doppelbesteuerung führt (vgl. Rz. 48 f.). Diese Handhabe entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung. Diese geht davon aus, dass in Abkommen, in denen der Wortlaut Art. 7 OECD-MA 2008 entspricht, der andere OECD-Mitgliedstaat den AOA anerkennt und die Interpretation der Regelung dem OECD-Betriebsstättenbericht folgt.2

274

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in Kanada belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen (Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Kanada). Die Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen wird allerdings nur dann auf Basis der Freistellungsmethode vermieden, wenn die kanadische Betriebsstätte ausschließlich oder fast ausschließlich einer aktiven Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG nachgeht (Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Kanada). Wird ein solcher Nachweis aktiver Tätigkeiten nicht erbracht, ist die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode zu vermeiden.

275

IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA 2010. Art. 7 DBA-Luxemburg 2012 entspricht – trotz mitunter abweichendem Wortlaut – inhaltlich Art. 7 OECD-MA 2010. Damit handelt es sich bei dem DBA-Luxemburg 2012 um ein DBA, welches in seinem Wortlaut auf dem AOA fußt (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 15 ff.).

276

2. Konsequenzen Anwendung einer uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Wenngleich sich Art. 7 DBA-Luxemburg 2012 in seinem Wortlaut von Art. 7 OECD-MA 2010 unterscheidet, enthält er im Kern – insbesondere im Hinblick auf die Regelungen in Art. 7 Abs. 2 und 3 DBA-Luxemburg 2012 – keine von Art. 7 OECD-MA 2010 abweichenden Grundsätze. Hinsichtlich der Auslegung von Art. 7 DBA-Luxemburg 2012 kann daher auf die Kommentierung des Art. 7 OECD-MA 2010 verwiesen werden. Mithin ist die Anwendung des AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. der BsGaV abkommensrechtlich gedeckt.

277

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in Luxemburg belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung 1 Vgl. auch Stuffer/Schrepfer in Wassermeyer, Art. 22 DBA-Japan Rz. 50 ff. 2 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 427.

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278

Art. 7 (2008) Rz. 278

Unternehmensgewinne

freizustellen (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a und d DBA-Luxemburg 2012). Die Anwendung der Freistellungsmethode setzt allerdings voraus, dass die Betriebsstätteneinkünfte in Luxemburg „tatsächlich“ besteuert werden (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012). Darüber hinaus setzt die Vermeidung der Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen nach der Freistellungsmethode voraus, dass die in Luxemburg belegene Betriebsstätte ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG erzielt. Können beide Voraussetzungen nicht erfüllt werden, ist die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode zu vermeiden.

X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA 279

Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Niederlande 2012 entspricht – trotz mitunter abweichendem Wortlaut – inhaltlich Art. 7 OECD-MA 2010. Damit handelt es sich bei dem DBA-Niederlande 2012 um ein DBA, welches in seinem Wortlaut auf dem AOA fußt (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 15 ff.). Im Übrigen enthält Art. 7 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012 eine Regelung, wonach das internationale Betriebsstättenprinzip aufgehoben wird, wenn ein Unternehmen in Deutschland oder den Niederlanden ansässig ist und in dem zum anderen Vertragsstaat gehörenden Teil eines grenzüberschreitenden Gewerbegebiets eine feste Geschäftseinrichtung unterhält.1 Schließlich betrifft Art. 7 Abs. 5 DBA-Niederlande 2012 den Fall der Verlegung einer in einem grenzüberschreitenden Gewerbegebiet befindlichen festen Geschäftseinrichtungen eines Unternehmens mit einem damit einhergehenden Wechsel des Besteuerungsrechts auf den anderen Vertragsstaat.2 2. Konsequenzen

280

Anwendung einer uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Wenngleich sich Art. 7 DBA-Niederlande 2012 in seinem Wortlaut von Art. 7 OECD-MA 2010 unterscheidet, enthält er im Kern – insbesondere im Hinblick auf die Regelungen in Art. 7 Abs. 2 und 3 DBA-Niederlande 2012 – keine von Art. 7 OECD-MA 2010 abweichenden Grundsätze.3 Hinsichtlich der Auslegung von Art. 7 DBA-Niederlande 2012 kann daher auf die Kommentierung des Art. 7 OECD-MA 2010 verwiesen werden. Mithin ist die Anwendung des AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. der BsGaV abkommensrechtlich gedeckt. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

281

Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in den Niederlanden belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a und d DBA-Niederlande 2012). Die Anwendung der Freistellungsmethode setzt allerdings voraus, dass die Betriebsstätteneinkünfte in den Niederlanden „tatsächlich“ besteuert werden (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Niederlande 2012).4 Darüber hinaus setzt die Vermeidung der Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen nach der Freistellungsmethode voraus, dass die in den Niederlanden belegene Betriebsstätte ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG erzielt. Können beide Voraussetzungen nicht erfüllt werden, ist die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode zu vermeiden.

XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA 282

Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Österreich entspricht dem OECD-MA 2008. Darüber hinaus wird in Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich klargestellt, dass sich Art. 7 DBA-Österreich auch auf Einkünfte aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft bezieht. Handelt es sich in insoweit noch um eine Klarstellung, führt Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich ferner aus, dass sich die Vorschrift auch auf Sondervergütungen, die ein Gesellschafter einer Personengesellschaft von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft, für die Gewährung von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezieht, erstreckt, wenn diese Vergütungen nach dem Steuerrecht des Vertragsstaats, in dem die Betriebsstätte gelegen 1 2 3 4

Zu Einzelheiten vgl. Mick in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Niederlande Rz. 68 ff. Zu Einzelheiten vgl. Mick in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Niederlande Rz. 74 ff. Vgl. auch Böing/Prang, BB 2012, 2211 (2213). Zu dieser sog. Subject-to-tax-Klausel vgl. auch Kessler/Arnold, IStR 2012, 519 (521).

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J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 287 Art. 7 (2008)

ist, den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden. Infolgedessen sind – entgegen den allgemeinen Grundsätzen (vgl. Rz. 79 f.) – Sondervergütungen eines in Österreich ansässigen Mitunternehmers an einer deutschen Mitunternehmerschaft den (deutschen) Betriebsstättengewinnen zuzuordnen. Im Ergebnis ist daher die Erfassung von Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG durch Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich gedeckt.1 2. Konsequenzen Besteuerung von Sondervergütungen. Auf Basis des Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich steht Deutschland auf Sondervergütungen, welche eine inländische Personengesellschaft an einen in Österreich ansässigen Gesellschafter (Mitunternehmer) entrichtet, ein Besteuerungsrecht zu. Damit wird die in § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorgesehene Besteuerung von Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte abkommensrechtlich ausgefüllt. Gäbe es diese Sonderregelung nicht, wären die Sondervergütungen nicht unter Art. 7 DBA-Österreich, sondern unter die spezielle Verteilungsnorm zu subsumieren (vgl. Rz. 79 f.). Ist der Gesellschafter (Mitunternehmer) in Deutschland ansässig und die Personengesellschaft in Österreich belegen, ist nach Auffassung der Finanzverwaltung zu prüfen, ob die Vergütungen nach österreichischem Recht tatsächlich dem Betriebsstättengewinn des Gesellschafters zugerechnet und folglich dort besteuert werden. Ist dies nicht der Fall, tritt – so die Finanzverwaltung – ein negativer Qualifikationskonflikt ein, sodass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG greift und infolgedessen die Einkünfte nicht von der deutschen Besteuerung freizustellen sind.2

283

Gewinnabgrenzung bei Vertreterbetriebsstätten. Im Übrigen ist von praktischer Bedeutung, dass Ziff. 2 des Protokolls zu Art. 5 DBA-Österreich eine Regelung zur Gewinnabgrenzung bei Vertreterbetriebsstätten enthält. Danach besteht zwischen beiden Staaten Einverständnis, dass im Fall verbundener Unternehmen keines dieser Unternehmen als Vertreterbetriebsstätte eines anderen verbundenen Unternehmens (vgl. Art. 9 Rz. 44 ff.) behandelt wird, wenn die jeweils ausgeübten Funktionen durch Ansatz angemessener Verrechnungspreise, einschließlich eines angemessenen Gewinns, abgegolten werden. Diese Regelung gilt nur für verbundene Unternehmen. Allerdings ist nicht verständlich, warum zwischen unabhängigen Unternehmen etwas anderes gelten soll. Denn in diesem Fall ist die vereinbarte Vergütung zwingend fremdvergleichskonform, sodass die Protokollregelung ebenfalls einschlägig sein müsste. Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle sind nicht erkennbar.

284

Anwendung von § 1 Abs. 5 AStG. Wenngleich Art. 7 Abs. 2 DBA-Österreich den AOA nicht vorsieht, hat der Steuerpflichtige die Betriebsstättengewinnabgrenzung gem. § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV vorzunehmen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der andere Vertragsstaat sein Besteuerungsrecht entsprechend dem DBA ausübt (§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG) und infolgedessen die Anwendung des AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG zu einer Doppelbesteuerung führt (vgl. Rz. 48 f.). Diese Handhabe entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung. Diese geht davon aus, dass in Abkommen, in denen der Wortlaut Art. 7 OECD-MA 2008 entspricht, der andere OECD-Mitgliedstaat den AOA anerkennt und die Interpretation der Regelung dem OECD-Betriebsstättenbericht folgt.3 Gleichwohl hat Österreich weder den AOA innerstaatlich umgesetzt, noch wurde er in die österreichischen DBA übernommen.4

285

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode. Gewinne, die einer in Österreich belegenen Betriebsstätte zugeordnet werden, werden in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freigestellt (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a und c DBA-Österreich). Einen Aktivitätsvorbehalt enthält das DBA-Österreich nicht.

286

XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Russland entspricht dem OECD-MA 2008. Eine Ausnahme bildet lediglich Art. 7 Abs. 4 DBA-Russland, der die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode (vgl. Rz. 229 ff.) nicht an deren „Üblichkeit“ (vgl. Rz. 231) in den Vertragsstaaten knüpft; vielmehr wird vorausgesetzt, dass eine Betriebsstättengewinnabgrenzung auf Basis der Selbständigkeitsfiktion des Art. 7 Abs. 2 DBA-Russland unmöglich oder mit unzumutbaren Schwierigkeiten verbunden ist. Im Hin1 2 3 4

Vgl. auch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 5.2. Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 5.2. Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 427. Vgl. Bendlinger, TPI 2/2017, 1 (9).

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287

Art. 7 (2008) Rz. 287

Unternehmensgewinne

blick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung sind im Übrigen die Ausführungen des Protokolls zu Art. 7 DBA-Russland zur Bau- und Montagebetriebsstätte zu beachten. Danach sind insbesondere Liefergewinne dem Unternehmensteil zuzurechnen, welcher für den Einkauf der Materialien verantwortlich ist. 2. Konsequenzen 288

Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode. Aus dem gegenüber dem OECD-MA 2008 geringfügig abweichenden Wortlaut des Art. 7 Abs. 4 DBA-Russland im Hinblick auf die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode ergeben sich keine Konsequenzen. Vielmehr bleibt es dabei, dass die Methode nur in (seltenen) Ausnahmefällen Anwendung finden kann (vgl. Rz. 230 ff.).

289

Keine Anwendung von § 1 Abs. 5 AStG. Der OECD-MK 2008 geht von einer nur eingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion des Art. 7 aus (vgl. Rz. 103). Infolgedessen gelten die Grundsätze des AOA nicht und eine unternehmensinterne Abrechnung von Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist nicht möglich. Dies gilt insbesondere für unternehmensinterne Dienstleistungen sowie Nutzungsüberlassungen. Die Realisierung von stillen Reserven bei der Überführung von Wirtschaftsgütern ist hingegen zulässig (vgl. Rz. 98 ff.). Wenngleich Art. 7 Abs. 2 DBA-Russland den AOA nicht vorsieht, hat der Steuerpflichtige grundsätzlich die Betriebsstättengewinnabgrenzung gem. § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV (d.h. dem AOA) vorzunehmen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der andere Vertragsstaat sein Besteuerungsrecht entsprechend dem DBA ausübt (§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG) und infolgedessen die Anwendung des AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG zu einer Doppelbesteuerung führt (vgl. Rz. 48 f.). Jedoch weist die Finanzverwaltung darauf hin, dass in Fällen, in denen die anzuwendende Regelung im konkret geltenden DBA mit einem Nicht-Mitgliedstaat der OECD dem Wortlaut des Art. 7 OECD-MA 2008 entspricht, im Regelfall davon auszugehen ist, dass der andere Staat der Handhabung nach § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. der BsGaV nicht folgt. Aufgrund dessen kann das Unternehmen dann seine Betriebsstätteneinkünfte entsprechend dem damaligen Abkommensverständnis erklären.1 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

290

Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in Russland belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland von der Besteuerung unter Progressionsvorbehalt freizustellen (Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Russland). Die Freistellungsmethode findet allerdings nur Anwendung, wenn die russische Betriebsstätte ausschließlich oder fast ausschließlich Bruttoerträge aus einer aktiven Tätigkeit gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG erwirtschaftet. Ist dies nicht der Fall, ist die Doppelbesteuerung auf Basis der Anrechnungsmethode zu vermeiden (Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Russland).

XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA 291

Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Schweiz entspricht dem OECD-MA 2008. Darüber hinaus wird in Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz klargestellt, dass sich Art. 7 DBA-Schweiz auch auf Einkünfte aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft bezieht. Handelt es sich in insoweit noch um eine Klarstellung, führt Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz ferner aus, dass sich die Vorschrift auch auf Sondervergütungen, die ein Gesellschafter einer Personengesellschaft von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft, für die Gewährung von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezieht, erstreckt, wenn diese Vergütungen nach dem Steuerrecht des Vertragsstaats, in dem die Betriebsstätte gelegen ist, den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden. Infolgedessen sind damit – entgegen den allgemeinen Grundsätzen (vgl. Rz. 79 f.) – Sondervergütungen eines in der Schweiz ansässigen Mitunternehmers an einer deutschen Mitunternehmerschaft den (deutschen) Betriebsstättengewinnen zuzuordnen. Im Ergebnis ist daher die Erfassung von Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG durch Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz gedeckt.2 2. Konsequenzen

292

Besteuerung von Sondervergütungen. Auf Basis des Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz steht Deutschland auf Sondervergütungen, welche eine inländische Personengesellschaft an einen in der Schweiz ansässigen Gesellschafter (Mitunternehmer) entrichtet, ein Besteuerungsrecht zu. Damit wird die in § 15 Abs. 1 Nr. 2 1 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 430. 2 Vgl. auch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 5.2.

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J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 297 Art. 7 (2008)

EStG vorgesehene Besteuerung von Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte abkommensrechtlich ausgefüllt. Gäbe es diese Sonderregelung nicht, wären die entsprechenden Sondervergütungen nicht unter Art. 7 DBA-Schweiz, sondern unter die spezielle Verteilungsnorm zu subsumieren (vgl. Rz. 79 f.). Ist der Gesellschafter (Mitunternehmer) in Deutschland ansässig und die Personengesellschaft in der Schweiz belegen, ist nach Auffassung der Finanzverwaltung zu prüfen, ob die Vergütungen nach Schweizer Recht tatsächlich den Betriebsstättengewinn des Gesellschafters zugerechnet und folglich dort besteuert werden. Ist dies nicht der Fall, tritt – so die Finanzverwaltung – ein negativer Qualifikationskonflikt ein, sodass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG greift und infolgedessen die Einkünfte nicht von der deutschen Besteuerung freizustellen sind.1 Im Übrigen enthält Art. 7 Abs. 2 DBA-Schweiz keinen Vorbehalt im Hinblick auf eine Aufwandsverrechnung nach Art. 7 Abs. 3 DBA-Schweiz, wobei sich aufgrund des (hier fehlenden) Verweises ohnehin keine Einschränkung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA ergibt (vgl. Rz. 113). Anwendung von § 1 Abs. 5 AStG. Wenngleich Art. 7 Abs. 2 DBA-Schweiz den AOA nicht vorsieht, hat der Steuerpflichtige die Betriebsstättengewinnabgrenzung gem. § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV vorzunehmen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der andere Vertragsstaat sein Besteuerungsrecht entsprechend dem DBA ausübt (§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG) und infolgedessen die Anwendung des AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG zu einer Doppelbesteuerung führt (vgl. Rz. 48 f.). Diese Handhabe entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung. Diese geht davon aus, dass in Abkommen, in denen der Wortlaut Art. 7 OECD-MA 2008 entspricht, der andere OECD-Mitgliedstaat den AOA anerkennt und die Interpretation der Regelung dem OECD-Betriebsstättenbericht folgt.2

293

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in der Schweiz belegenen Be- 294 triebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz). Die Anwendung der Freistellungsmethode setzt allerdings voraus, dass die Gewinne aus einer eigenen Tätigkeit der Betriebsstätte stammen, d.h. die entsprechenden Gewinne müssen der Betriebsstätte nach Art. 7 Abs. 2 DBA-Schweiz zuzuordnen sein. Ferner erstreckt sich die Freistellung von Gewinnen in Deutschland nur auf aktive Tätigkeiten, d.h. die Gewinne müssen nachweislich durch die Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Gegenständen, das Aufsuchen und die Gewinnung von Bodenschätzen, Bank- und Versicherungsgeschäfte, Handel oder der Erbringung von Dienstleistungen unter Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr erzielt werden (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz). Die Erwirtschaftung der Gewinne aus einer aktiven Tätigkeit der in der Schweiz belegenen Betriebsstätte muss durch den Steuerpflichtigen nachgewiesen werden. Dies gilt auch bei einer Beteiligung an einer Schweizer Personengesellschaft, wobei für die Anwendung des Aktivitätsvorbehalts auf die Verhältnisse der Personengesellschaft abzustellen ist.3

XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA Kein Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008. Art. 7 DBA-Spanien 2011 entspricht dem OECD-MA 2008, wobei Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008 (Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode, zu Einzelheiten vgl. Rz. 229 ff.) nicht in das DBA-Spanien 2011 übernommen wurde.

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2. Konsequenzen Keine Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode. Da das DBA-Spanien 2011 keine Art. 7 296 Abs. 4 OECD-MA 2008 vergleichbare Regelung enthält, kann die globale Gewinnaufteilungsmethode durch die Vertragsstaaten zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns keine Anwendung finden. Die globale Gewinnaufteilungsmethode kann nur in solchen Fällen akzeptiert werden, in denen ihr Ergebnis genau dem auf Basis der direkten Methode (vgl. Rz. 119) bestimmten Betriebsstättengewinn entspricht. Anwendung von § 1 Abs. 5 AStG. Wenngleich Art. 7 Abs. 2 DBA-Spanien den AOA nicht vorsieht, hat der Steuerpflichtige die Betriebsstättengewinnabgrenzung gem. § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV vorzunehmen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der andere Vertragsstaat sein Besteuerungsrecht entsprechend dem DBA ausübt (§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG) und infolgedessen die Anwendung des 1 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 5.2. 2 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 427. 3 Vgl. Scherer in Wassermeyer, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 65.

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Art. 7 (2008) Rz. 297

Unternehmensgewinne

AOA gem. § 1 Abs. 5 AStG zu einer Doppelbesteuerung führt (vgl. Rz. 48 f.). Diese Handhabe entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung. Diese geht davon aus, dass in Abkommen, in denen der Wortlaut Art. 7 OECD-MA 2008 entspricht, der andere OECD-Mitgliedstaat den AOA anerkennt und die Interpretation der Regelung dem OECD-Betriebsstättenbericht folgt.1 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung 298

Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in Spanien belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen (Art. 22 Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien 2011). Die Freistellung der spanischen Betriebsstättengewinne in Deutschland setzt allerdings voraus, dass die Betriebsstättengewinne in Spanien „tatsächlich“ besteuert werden. Nach der Subject-to-Tax-Klausel des Art. 22 Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien 2011 reicht infolgedessen das bloße Recht auf Besteuerung für die Anwendung der Freistellungsmethode nicht aus. Darüber hinaus enthält Art. 22 Abs. 2 Buchst. c DBA-Spanien 2011 einen Aktivitätsvorbehalt, welcher die Freistellung spanischer Betriebsstättengewinne in Deutschland nur für Bruttoerträge vorsieht, die ausschließlich oder fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten gem. § 8 Abs. 1 AStG erwirtschaftet werden. Kann der Nachweis solcher aktiven Tätigkeiten der in Spanien belegenen Betriebsstätte nicht geführt werden, ist die Doppelbesteuerung auf Basis der Anrechnungsmethode zu vermeiden.

XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA 299

Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-USA entspricht im Kern dem OECD-MA 2008. Es ergeben sich allerdings zwei wesentliche Ausnahmen: Einerseits bezieht sich die Vorschrift nicht auf „Gewinne eines Unternehmens“, sondern auf „gewerbliche Gewinne eines Unternehmens“, wobei Art. 7 Abs. 7 DBAUSA eine Definition der „gewerblichen Gewinne“ bestimmt. Der Begriff umfasst Einkünfte aus freiberuflicher oder sonstiger selbständiger Tätigkeit. Darüber hinaus werden Einkünfte aus der Vermietung beweglicher Sachen und der Vermietung oder Lizenzerteilung im Fall von kinematografischen Filmen oder Werken auf Film, Tonband oder einem anderen Reproduktionsträger für Rundfunk oder Fernsehsendungen erfasst. Die Definition der gewerblichen Gewinne in Art. 7 Abs. 7 DBA-USA schränkt infolgedessen den Anwendungsbereich des Art. 12 DBA-USA zugunsten von Art. 7 DBA-USA ein.2 Andererseits geht Nr. 7 des Protokolls zu Art. 7 DBA-USA im Hinblick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung von einer Anwendung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien unter Berücksichtigung der unterschiedlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten eines Einheitsunternehmens vor. Im Ergebnis sind daher nach dem Protokoll des DBA-USA die Grundsätze des AOA (vgl. Rz. 99 ff.) anzuwenden.3 Einzelheiten ergeben sich aus der Kommentierung zu Art. 7 OECD-MA 2010. 2. Konsequenzen

300

Uneingeschränkte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Das DBA-USA enthält in seinem Protokoll Regelungen, wonach der Grundsatz des Fremdvergleichs im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung uneingeschränkt anzuwenden ist. Im Rahmen des Art. 7 DBA-USA ist infolgedessen der AOA anzuwenden (zu Einzelheiten wird auf Art. 7 (2017) Rz. 21 ff. verwiesen). Hinsichtlich der Definition der „gewerblichen Gewinne“ in Art. 7 Abs. 7 DBA-USA sind die Abgrenzungsfragen zu Art. 12 Abs. 2 DBA-USA zu beachten. Unterschiedliche Folgen ergeben sich hieraus allerdings nicht, weil Art. 12 DBA-USA – im Übrigen wie Art. 7 DBA-USA – eine Besteuerung von Lizenzgebühren im Quellenstaat nur bei Bestehen einer Betriebsstätte gestatten.4 Ansonsten gelten hinsichtlich der Definition der „gewerblichen Gewinne eines Unternehmens“ die allgemeinen Grundsätze (vgl. Rz. 51 ff.). 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

301

Anwendung der Freistellungsmethode. Gewinne, die einer in den USA belegenen Betriebsstätte zuzuordnen sind, werden in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freigestellt (Art. 23 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA). Einen Aktivitätsvorbehalt enthält das DBA-USA in Bezug auf Betriebsstättengewinne nicht. 1 2 3 4

Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 427. Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 7 DBA-USA Rz. 1 u. 262 ff. zu Einzelheiten. Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 7 DBA-USA Rz. 186 ff. Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 7 DBA-USA Rz. 262.

536

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Artikel 7 (2017) Unternehmensgewinne (1) 1Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats können nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. 2Übt das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit auf diese Weise aus, so können die Gewinne, die der Betriebsstätte gemäß den Bestimmungen von Absatz 2 zuzurechnen sind, in dem anderen Staat besteuert werden. (2) Für die Zwecke dieses Artikels und des Artikels [23A] [23B] sind die Gewinne, die in jedem Vertragsstaat einer in Absatz 1 genannten Betriebsstätte zuzurechnen sind, diejenigen Gewinne, die die Betriebsstätte, insbesondere aus ihren Innenbeziehungen mit anderen Teilen des Unternehmens, voraussichtlich erzielt hätte, wenn sie die gleichen oder ähnliche Tätigkeiten unter den gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges und unabhängiges Unternehmen ausgeübt hätte, unter Berücksichtigung der vom Unternehmen durch die Betriebsstätte und die anderen Teile des Unternehmens ausgeübten Funktionen, genutzten Vermögenswerte und übernommenen Risiken. (3) 1Wenn ein Vertragsstaat die Gewinne, die der Betriebsstätte eines Unternehmens eines der Vertragsstaaten zuzurechnen sind, in Übereinstimmung mit Absatz 2 berichtigt und dem entsprechend Gewinne des Unternehmens besteuert, die bereits im anderen Staat besteuert wurden, wird der andere Staat, soweit dies zur Vermeidung der Doppelbesteuerung dieser Gewinne erforderlich ist, eine entsprechende Änderung der auf diese Gewinne erhobenen Steuer vornehmen. 2Zur Ermittlung dieser Berichtigung konsultieren sich die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten bei Bedarf. (4) Gehören zu den Gewinnen Einkünfte, die in anderen Artikeln dieses Abkommens behandelt werden, so werden die Bestimmungen jener Artikel durch die Bestimmungen dieses Artikels nicht berührt. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . B. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1) . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Quellenbesteuerungsrecht des Betriebsstättenstaats (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . III. Umfang des Besteuerungsrechts des Betriebsstättenstaats (Abs. 1 Satz 2) . . . . C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2) . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Gewinnabgrenzung nach dem „Authorised OECD Approach“ . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgehensweise des „Functionally Separate Entity Approach“ . . . . . . . . . . . . . .

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1

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1 4 5 8 8 9 12 15 15

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19 19

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21

2. Funktionsanalyse unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebstätte (Stufe 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Stufe 2) . . . . . . . . . . 4. Würdigung des „Authorised OECD Approach“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Korrespondierende Gewinnberichtigung (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermeidung der Doppelbesteuerung (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestandsvoraussetzungen einer Gegenkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Durchführung einer Gegenkorrektur . . . . . 4. Alternativer Wortlaut des Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konsultationsverfahren (Abs. 3 Satz 2) . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsultationen zwischen den Vertragsstaaten E. Vorrang der Spezialartikel (Abs. 4) . . . . . . F. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . . . G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . . . . . . . . . .

23 31 39 47 47 47 49 53 56 57 57 58 59 60 61

OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: https://doi.org/10.1787/20745419.

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Art. 7 (2017) Rz. 1

Unternehmensgewinne

KOMMENTIERUNG ZU ART. 7 (2017) A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und Zweck 1

Grundlegende Überarbeitung des Art. 7 im Rahmen des „Update 2010“. Der OECD-Rat hat am 22.7.2010 im Rahmen des „Update 2010“ weitreichende Änderungen des Art. 7 beschlossen. Im Kern betreffen die Änderungen der Vorschrift eine uneingeschränkte Anwendung und Umsetzung der Unabhängigkeits- und Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke ihrer Gewinnabgrenzung nach dem sog. „Functionally Separate Entity Approach“ (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 6 ff.). Wenngleich in diesem Zusammenhang Art. 7 Abs. 2 grundlegend überarbeitet, Art. 7 Abs. 3 i.S. einer korrespondierenden Gewinnberichtigung völlig neu konzipiert und Art. 7 Abs. 4–6 ersatzlos gestrichen wurden, blieb der eigentliche Sinn und Zweck des Art. 7 unangetastet (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 1 ff.). Seit 2010 wurde Art. 7 nicht mehr angepasst. Art. 7 OECD-MA 2017 entspricht daher der Fassung in 2010.

2

Definition des Betriebsstättenprinzips. Art. 7 OECD-MA 2017 regelt – wie Art. 7 OECD-MA 2008 – die Abgrenzung von Besteuerungsrechten im Hinblick auf Unternehmensgewinne. So können nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA 2017 Gewinne eines Unternehmens grundsätzlich nur im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers besteuert werden. Der andere Vertragsstaat hat nach dem sog. Betriebsstättenprinzip auf Unternehmensgewinne nur dann ein Besteuerungsrecht, wenn hier eine Betriebsstätte des Unternehmers i.S.d. Art. 5 begründet wird (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 1 und 2). Steht dem anderen Vertragsstaat aufgrund der Begründung einer Betriebsstätte das Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne zu, regelt Art. 7 Abs. 1 Satz 2, dass sich dieses auf Gewinne, die der Betriebsstätte „zuzurechnen“ sind, beschränkt (sog. Zurechnungsprinzip, vgl. Art. 7 (2008) Rz. 86 ff.). Nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017, auf welchen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2017 unmittelbar verweist, sind der Betriebsstätte die Gewinne „zuzurechnen“, die sie als selbständiges und von ihrem Stammhaus unabhängiges Unternehmen unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes hätte erzielen können. Infolgedessen sind im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem sog. AOA („AOA“, vgl. Rz. 20 ff. und Art. 7 (2008) Rz. 99 ff.) die von der Betriebsstätte ausgeübten Funktionen, die von ihr übernommenen Risiken sowie die von ihr genutzten Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen. Nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 erstreckt sich das Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaats ausdrücklich auch auf Gewinne aus sog. „Innenbeziehungen“ zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 152 ff.). Die wesentliche Änderung des Art. 7 OECD-MA 2017 gegenüber seiner Fassung in 2008 bezieht sich damit auf die in seinem (völlig neu konzipierten) Abs. 2 niedergelegte uneingeschränkte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes für Zwecke der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte.1

3

Art. 7 Abs. 3 als Gegenberichtigungsnorm. Während Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 den Fremdvergleichsgrundsatz als Maßstab der Betriebsstättengewinnabgrenzung definiert, verpflichtet Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017 den jeweils anderen Vertragsstaat zu einer korrespondierenden Gegenberichtigung, wenn der eine Vertragsstaat im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 die Betriebsstättengewinnabgrenzung korrigiert hat und der entsprechende (Mehr-)Gewinn besteuert wurde. Folglich beinhaltet Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017 eine Regelung zur Vermeidung der (rechtlichen) Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen in den beiden Vertragsstaaten. Denn nach Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017 hat eine Einkünfte erhöhende Korrektur im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung eine korrespondierende Einkünfte mindernde Berichtigung im anderen Vertragsstaat zur Folge. Eine Gegenberichtigung hat im anderen Vertragsstaat allerdings nur dann zu erfolgen, wenn die Erstberichtigung auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes und unter Berücksichtigung der Unabhängigkeits- und Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte i.S.d. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 erfolgt. Zur Ermittlung der Gegenberichtigung sind die beiden Vertragsstaaten – bei Bedarf – verpflichtet, sich zu konsultieren.

II. Aufbau der Vorschrift 4

Vierstufiger Aufbau. Art. 7 ist in seiner Fassung des OECD-MA 2017 vierstufig aufgebaut: Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA 2017 statuiert das sog. Betriebsstättenprinzip, wonach das Recht zur Besteuerung von Unternehmensgewinnen grundsätzlich beim Ansässigkeitsstaat liegt und dem anderen Vertragsstaat ein Besteuerungsrecht nur für den Fall des Bestehens einer Betriebsstätte zusteht. Das Besteuerungsrecht des Be1 Vgl. Ditz, ISR 2013, 261 ff.; Andresen in W/A/D2, Rz. 5.10 ff.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 7 Art. 7 (2017)

triebsstättenstaats bezieht sich aber nur auf diejenigen Unternehmensgewinne, die der Betriebsstätte „zuzurechnen“ sind. Damit stellt sich die Frage der Betriebsstättengewinnabgrenzung, welche nach Maßgabe des in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 niedergelegten „dealing at arm’s length“-Prinzips unter Berücksichtigung einer uneingeschränkten Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte zu erfolgen hat. Nimmt ein Vertragsstaat an der Betriebsstättengewinnabgrenzung (Einkünfte erhöhende) Berichtigungen vor und besteuert er diese, verpflichtet Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017 den anderen Vertragsstaat zu einer korrespondierenden Gewinnberichtigung, sofern die Erstberichtigung unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 erfolgte. Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2017 regelt schließlich das sog. Spezialitätsprinzip, wonach die in anderen Vorschriften des OECD-MA getroffenen Regelungen Art. 7 vorgehen. Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2017 entspricht Art. 7 Abs. 7 OECD-MA 2008.

III. Rechtsentwicklung Historische Entwicklung des Art. 7. Die historische Entwicklung der einzelnen Absätze des Art. 7 ist im Einzelnen in Rz. 7 ff. zu Art. 7 (2008) dargestellt.

5

Bedeutung des OECD-Betriebsstättenberichts 2008. Die auf eine konsistente Auslegung der Selbstän- 6 digkeitsfiktion der Betriebsstätte (Art. 7 Abs. 2) und damit auf eine Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen ausgerichteten Arbeiten der OECD mündeten in einem Betriebsstättenbericht 2008 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 99). So hat der OECD-Rat am 17.7.2008 dem „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ zugestimmt und beschlossen, die Grundsätze des sog. „Functionally Separate Entity Approach“ zukünftig als AOA umzusetzen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 99 ff.). Dabei wurde zur Implementierung des AOA ein zweistufiger Ansatz verfolgt.1 So wurde in einer ersten Stufe der OECD-MK zu Art. 7 im Rahmen eines „Update 2008“ insoweit an den AOA angepasst, als die Ergebnisse des OECD-Betriebsstättenberichts 2008 nicht im Widerspruch zu der bereits bestehenden Musterkommentierung zu Art. 7 OECD-MA standen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 103). In einer zweiten Stufe wurden dann zur vollständigen Umsetzung des AOA Art. 7 und der OECD-MK zu Art. 7 im Rahmen des „Update 2010“ neu konzipiert. Die am 22.7.2010 durch die OECD beschlossene und von ihr veröffentlichte Neufassung des Art. 7 und seiner Musterkommentierung gehen zurück auf Entwürfe vom 7.7.2008,2 vom 24.11.20093 sowie vom 21.5.2010.4 Die in 2010 durch die OECD verabschiedete Neufassung des Art. 7, die der Fassung des Art. 7 im OECD-MA 2017 entspricht, wurde durch die Bundesrepublik Deutschland bislang in den DBA mit Australien, Irland, Japan, Liechtenstein, Luxemburg, Niederlande, Norwegen und dem Vereinigten Königreich umgesetzt.5 OECD-Betriebsstättenbericht 2010. Zeitgleich mit der Verabschiedung des „Update 2010“ des OECD-MA und des OECD-MK zu Art. 7 wurde am 22.7.2010 der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 veröffentlicht.6 Der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 beschreibt Einzelheiten der Anwendung und Umsetzung des nunmehr in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 eindeutig niedergelegten AOA. Infolgedessen wird der AOA im OECD-MK 2017 zu Art. 7 nur überblickartig dargestellt und im Hinblick auf seine Konkretisierung wird auf den OECD-Betriebsstättenbericht 2010 verwiesen (vgl. Art. 7 Rz. 9 und 23 OECD-MK 2017). Der OECDBetriebsstättenbericht 2010 stellt eine Aktualisierung des OECD-Betriebsstättenberichts 2008 dar (vgl. Art. 7 Rz. 8 OECD-MK 2017). Er enthält gegenüber seiner Fassung aus 2008 keine neuen Kernaussagen, sondern wurde lediglich an den neuen Wortlaut des Art. 7 OECD-MA 2017 angepasst. Daneben wurden die Verweise auf die OECD-Leitlinien sowie den OECD-MK aktualisiert. Mithin entspricht damit auch der Aufbau des OECD-Betriebsstättenberichts 2010 der Fassung aus 2008. Gestrichen wurden allerdings die Ausführungen zu Art. 7 Abs. 3–5 OECD-MA 2008 sowie die detaillierte Gegenüberstellung des „Relevant Business Activity Approach“ und des „Functionally Separate Entity Approach“.7 Vielmehr wird nur der – nunmehr aus Sicht 1 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 8. 2 Vgl. OECD, Discussion-Draft on a New Article 7 (Business-Profits) of the OECD Model Tax Convention as of 7 Jul. 2008. Vgl. dazu auch Bobbett/Jones, BIT 2010, 20 ff. 3 Vgl. OECD, Revised Discussion-Draft on a New Article 7 of the OECD Model Tax Convention as of 7 Nov. 2009. 4 Vgl. OECD, Draft 2010 Update of the OECD Model Tax Convention as of 21 May 2010. Zur Entwicklung der Entwurfsfassungen des Art. 7 OECD-MA 2010 im Einzelnen vgl. Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 248 ff. 5 Vgl. zu einem Überblick Andresen in W/A/D2, Rz. 5.70. 6 Vgl. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments as of 22 Jul. 2010. Vgl. dazu Andresen in W/A/D2, Rz. 5.15 ff.; Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 ff.; Kußmaul/Ruiner/Delarber, Ubg 2011, 837 (840 ff.). 7 Vgl. dazu Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 23 ff.

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7

Art. 7 (2017) Rz. 7

Unternehmensgewinne

der OECD unzweifelhaft in Art. 7 Abs. 1 und 2 OECD-MA 2017 geregelte – „Functionally Separate Entity Approach“ dargestellt. Danach sind die Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktionen der Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 93 ff.) zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns uneingeschränkt anzuwenden. Die Betriebsstättengewinnabgrenzung erfolgt dabei in zwei Stufen (vgl. Rz. 20 ff. sowie Art. 7 (2008) Rz. 100 f.).

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht 8

Keine Änderungen gegenüber dem OECD-MA 2008. Im Hinblick auf das Verhältnis des Art. 7 OECDMA 2017 zu den anderen abkommensrechtlichen Vorschriften ergeben sich gegenüber dem OECD-MA 2008 keine Besonderheiten. Eine Ausnahme besteht lediglich darin, dass in dem Einleitungssatz des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 nunmehr explizit der Anwendungsbereich der Vorschrift festgelegt wird: „Für Zwecke dieses Artikels und Art. 23A und 23B“. Durch diese Ergänzung wird einerseits klargestellt, dass die Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht nur für den Betriebsstättenstaat, sondern auch für den Ansässigkeitsstaat zum Zwecke der Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung findet (vgl. Art. 7 Rz. 18 und 27 OECD-MK 2017). Andererseits wird durch die Ergänzung deutlich, dass sich der Anwendungsbereich des Art. 7 nicht auf die weiteren Verteilungsnormen – insbesondere nicht auf Art. 11 und 12 – erstreckt. Eine Quellenbesteuerung auf (fingierte) unternehmensinterne Leistungsbeziehungen ist damit ausgeschlossen (vgl. Art. 7 Rz. 28 OECD-MK 2017).1 Im Übrigen gelten die Ausführungen zum OECD-MA 2008 (Art. 7 Rz. 21–31 OECD-MK 2008). 2. EU-Recht

9

Verhältnis zur EU-Schiedskonvention. Die EU-Schiedskonvention, welche die EU-Mitgliedstaaten gegenseitig verpflichtet, im Falle von Einkünftekorrekturen die daraus resultierende Doppelbesteuerung durch ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren zu beseitigen, ist auch in Bezug auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung anwendbar.2 In diesem Zusammenhang verweist Art. 4 Nr. 2 EU-Schiedskonvention – analog zu Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 – auf die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und den Fremdvergleichsgrundsatz als wesentliche Prinzipien der Betriebsstättengewinnabgrenzung. Der Wortlaut des Art. 4 Nr. 2 EUSchiedskonvention entspricht demjenigen des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Einkünftekorrekturen eines Vertragsstaats der EU auf Basis des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 – und damit auf Basis des AOA – von Art. 4 Nr. 2 EU-Schiedskonvention gedeckt sind. Sollte nach einer solchen Einkünftekorrektur ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren auf Basis der EU-Schiedskonvention durchgeführt werden, stellt sich ferner die Frage, wie mit dem unterschiedlichen Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 einerseits und des Art. 4 Nr. 2 EU-Schiedskonvention andererseits umzugehen ist. Da auch Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 und infolgedessen – aufgrund des identischen Wortlauts – auch Art. 4 Nr. 2 EU-Schiedskonvention auf Basis einer uneingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und des Fremdvergleichsgrundsatzes für Zwecke der Betriebsstättengewinnabgrenzung auszulegen sind (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 112 ff.), sollten sich insoweit keine besonderen Konsequenzen ergeben.3 Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 interne Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu identifizieren und mit dem Fremdvergleichsgrundsatz zu bewerten sind (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 152 ff.). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Schutz der EU-Schiedskonvention über denjenigen des Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017 und Art. 25 hinausgeht. In EU-Fällen empfiehlt es sich daher, unmittelbar ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren auf Basis der EU-Schiedskonvention zu beantragen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 32).

10

Betriebsstättengewinnabgrenzung und EU-Recht. Europarechtlich geht im Hinblick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung die Frage dahin, ob die Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 OECD-MA 2017 ausfüllenden, innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 37) gegen die Diskriminierungsverbote des AEUV verstoßen, soweit sie sich – wie § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG und § 1 Abs. 5 AStG i.V.m. der BsGaV (vgl. Rz. 14 und Art. 7 (2008) Rz. 42 ff.) – nur auf grenzüberschreitende

1 In Art. 7 Rz. 29 OECD-MK 2017 wird erwähnt, dass manche Staaten die Anwendung des Art. 7 Abs. 2 nicht auf Art. 7 und 23A/B beschränken wollen. So seien auch Quellensteuerregelungen auf fingierte Liefer- und Leistungsbeziehungen denkbar, wobei in diesen Fällen eine gesonderte Regelung in das DBA aufzunehmen ist. 2 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gegenberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10, Art. 4; BMF v. 9.10.2018 – IV B 2 – S 1304/17/10001, BStBl. I 2018, 1122, Rz. 11.1.2. 3 Vgl. auch Kempf/Gelsdorf, IStR 2012, 329 (333 f.).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 14 Art. 7 (2017)

Sachverhalte beziehen.1 In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass Entstrickungsregelungen, welche das in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 im Hinblick auf die Realisierung stiller Reserven bei „Internal Dealings“ vorgegebene Besteuerungsrecht umsetzen, gegen die europarechtlichen Grundfreiheiten (insbesondere gegen die Niederlassungsfreiheit i.S.d. Art. 49 AEUV) verstoßen. Denn vergleichbare inländische Vorgänge unterliegen regelmäßig keiner Besteuerung (zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 33).2 Gewinnermittlungsvorschriften, welche das in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 auf Basis des AOA vorgesehene Besteuerungsrecht stiller Reserven im Zeitpunkt der Überführung von Wirtschaftsgütern bzw. der Durchführung von sonstigen Leistungen im innerstaatlichen Recht ausfüllen, können infolgedessen gegen EU-Recht verstoßen. Innerhalb der EU muss damit der AOA im Hinblick auf die Realisierung von Gewinnen im Rahmen unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte unter Berücksichtigung der EU-rechtlichen Vorgaben angewendet werden.3 Das EU-Recht kann die Anwendung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 einschränken. So ist eine sog. aufgeschobene Besteuerung geboten, welche im innerstaatlichen Recht in Bezug auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in § 4g EStG vorgesehen ist (Art. 7 (2008) Rz. 33 und Rz. 166). Betriebsstättenverlustverrechnung und EU-Recht. Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Art. 7 und der Betriebsstättenverlustverrechnung ist auf Rz. 34 der Kommentierung zu Art. 7 (2008) zu verweisen.

11

3. Innerstaatliches Recht Verhältnis zur unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht. Im Hinblick auf die Beschränkung der Steuerpflicht gelten die in Rz. 35 f. zu Art. 7 (2008) dargestellten Grundsätze entsprechend.

12

Verhältnis zum innerstaatlichen Gewinnermittlungsrecht. Der OECD-MK 2017 zu Art. 7 stellt zutreffend fest, dass die Ebene der Gewinnermittlung (Art. 7 (2008) Rz. 32 ff.) in den Regelungsbereich des innerstaatlichen Rechts fällt (vgl. Art. 7 Rz. 30 f. OECD-MK 2017). Infolgedessen ist die Frage, ob überhaupt und falls ja, in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt ein Vertragsstaat das in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 auf Unternehmensgewinne vorgesehene Beteuerungsrecht – insbesondere im Hinblick auf unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen – tatsächlich wahrnimmt, ausschließlich Sache seines innerstaatlichen Rechts. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der Tatsache, dass Art. 7 OECD-MA 2017 lediglich auf Ebene der Gewinnabgrenzung Self Executing Wirkung entfaltet (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 39 f.), kann Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 (präziser: die dieser Vorschrift nachgebildete einschlägige Abkommensnorm) nicht als Rechtsgrundlage für die Realisierung von Gewinnen aus unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte fungieren.4

13

Aufnahme des AOA in § 1 AStG. Mit dem AmtshilfeRLUmsG5 wurde der AOA in innerstaatliches Recht, konkret in § 1 Abs. 4 und 5 AStG, implementiert. Einzelheiten des AOA sind in der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) konkretisiert. Darüber hinaus sind die Entstrickungsvorschriften des § 4 Abs. 1 Satz 3 ff. EStG, des § 12 Abs. 1 KStG sowie des § 15 Abs. 3a EStG zu beachten. Unter Berücksichtigung dieser Vorschriften muss man davon ausgehen, dass der in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 vorgesehene AOA für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, in innerstaatliches Recht umgesetzt wurde. Infolgedessen füllt das innerstaatliche Recht das in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 vorgesehene Recht der Besteuerung von Unternehmensgewinnen – insbesondere im Hinblick auf unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte – uneingeschränkt aus. Dies gilt auch für die Gewinnabgrenzung zwischen einem Unternehmen des Gesellschafters (Mitunternehmer) und seiner Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft). In diesen Fällen ist in der Regel § 1 Abs. 1 AStG unmittelbar einschlägig (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 85).6 Einzelheiten zur Transformation des AOA in innerstaatliches Recht sind in der Kommentierung zu Art. 7 (2008) Rz. 45 ff. dargestellt.

14

1 Vgl. zu Einzelheiten Schönfeld/Quilitzsch in W/A/D2, Rz. 12.26 ff. 2 Vgl. auch Schönfeld/Quilitzsch in W/A/D2, Rz. 12.26; Wassermeyer, IStR 2012, 277 (281); Andresen, DB 2012, 879 (885); Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 ff.; Körner, IStR 2012, 1 (4 f.); a.A. Mitschke, IStR 2012, 6 ff. 3 Vgl. auch Kofler/van Thiel, ET 2011, 327 (329 ff.). 4 Vgl. Ditz in Raupach/Pohl/Ditz/Spatscheck/Weggenmann, Praxis des Internationalen Steuerrechts 2012, 185; Ditz/ Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 (106). 5 Vgl. Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften v. 5.6.2013, BT-Drucks. 17/13722. 6 Vgl. Ditz/Quilitzsch, DStR 2013, 1917 (1917 f.); Ditz in W/A/D2, Rz. 6.251 ff.

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Art. 7 (2017) Rz. 15

Unternehmensgewinne

B. Betriebsstättenprinzip (Abs. 1) Ausgewählte Literatur: Bendlinger, Die Betriebsstätte in der Praxis des Internationalen Steuerrechts, 3. Aufl., Wien 2016; Ditz, Der „Authorised OECD-Approach“ wird Wirklichkeit, ISR 2013, 261; Ditz/Luckhaupt, Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – Neues Gewinnermittlungsrecht für Betriebsstätten, ISR 2015, 1; Froitzheim, Steuerliche Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und deren Auswirkung auf die Gewinnabgrenzung, Köln 2015; Kahle/Mödinger, Die Neufassung des Art. 7 OECD-MA im Rahmen der Aktualisierung des OECD-MA 2010, IStR 2010, 757; Kahle/ Mödinger, Betriebsstättenbesteuerung: Zur Anwendung und Umsetzung des Authorised OECD Approach, DStZ 2012, 802; Kußmaul/Ruiner/Delarber, Leistungsbeziehungen in internationalen Einheitsunternehmen mit Blick auf die Änderung des Art. 7 OECD-MA und die geplante Änderung des § 1 AStG, Ubg 2011, 837; Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 3. Aufl., München 2017; Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Herne 2016; Margerie, Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Lohmar/Köln 2016; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2010; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, 2. Aufl., Köln 2018; Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 2015.

I. Regelungszweck 15

Zuordnung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA 2017 sind Gewinne eines Unternehmens, das eine in einem Vertragsstaat ansässige Person betreibt, grundsätzlich nur in deren Ansässigkeitsstaat zu besteuern. Übt das in einem Vertragsstaat ansässige Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine Betriebsstätte aus, sieht die Vorschrift ein Besteuerungsrecht durch den anderen Vertragsstaat, d.h. den Betriebsstättenstaat, vor. Insofern hat sich der Regelungszweck des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA 2017 gegenüber seiner Fassung von 2008 nicht verändert (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 50 ff.).

II. Quellenbesteuerungsrecht des Betriebsstättenstaats (Abs. 1 Satz 1) 16

Anwendung der Grundsätze des OECD-MA 2008. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA 2017 entspricht dem Wortlaut des OECD-MA 2008. Insofern kann im Hinblick auf den Regelungszweck der Vorschrift, ihren verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffen (insbesondere „Unternehmen“, „Gewinne eines Unternehmens“ und „Unternehmen eines Vertragsstaats“) sowie ihren Rechtsfolgen auf die Kommentierung zu Art. 7 OECD-MA 2008 verwiesen werden (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 50 ff.). Gleiches gilt im Übrigen auch im Hinblick auf die Grundsätze der Besteuerung von Personengesellschaften (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 68 ff.).

III. Umfang des Besteuerungsrechts des Betriebsstättenstaats (Abs. 1 Satz 2) 17

Konkretisierung des Zurechnungsprinzips durch den Fremdvergleichsgrundsatz. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2017 regelt das sog. Zurechnungsprinzip (zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 86 ff.). Danach können Unternehmensgewinne in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn sie „der Betriebsstätte gem. den Bestimmungen von Abs. 2 zuzurechnen sind“. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2017 unterscheidet sich damit von seiner bisherigen Fassung des OECD-MA 2008 durch den expliziten Verweis auf Art. 7 Abs. 2.1 Dadurch wird klargestellt, dass die Zurechnung von Gewinnen zu einer Betriebsstätte unter Berücksichtigung der Unabhängigkeits- und Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte bzw. des Fremdvergleichsgrundsatzes zu erfolgen hat.2 Im Ergebnis wird dadurch ein direkter Bezug des Art. 7 Abs. 1 zu Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 hergestellt. Daraus ergeben sich im Wesentlichen zwei Konsequenzen. Aus dem Verweis des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2017 auf Art. 7 Abs. 2 wird einerseits klargestellt, dass der Gesamtgewinn des Unternehmens die Höhe des der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinns nicht begrenzt (vgl. Art. 7 Rz. 17 OECD-MK 2017). Infolgedessen kann einer Betriebsstätte z.B. auch dann ein Gewinn unter Berücksichtigung ihrer Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion zugerechnet werden, wenn das Gesamtunternehmen Verluste erwirtschaftet hat. Dieser Grundsatz einer inkongruenten Gewinnzurechnung gilt indessen bereits in Bezug auf das OECD-MA 2008 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 87 und Rz. 116; so auch Art. 7 Rz. 11 OECDMK 2008). Andererseits wird durch den Verweis auf den Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 7 Abs. 2 OECDMA 2017 dem Attraktionsprinzip – wie bereits im OECD-MA 2008 (Art. 7 (2008) Rz. 86) – eine klare Absage erteilt (vgl. Art. 7 Rz. 12 OECD-MK 2017). 1 Vgl. Andresen in W/A/D2, Rz. 5.5. 2 Vgl. auch Kußmaul/Ruiner/Delarber, Ubg 2011, 837 (840).

542

Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 19 Art. 7 (2017)

Anwendung der Grundsätze des OECD-MA 2008. Im Ergebnis resultieren aus der Anpassung des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2017 gegenüber dem OECD-MA 2008 keine Unterschiede. Vielmehr waren die Ablehnung des Attraktionsprinzips sowie der Grundsatz der inkongruenten Gewinnzurechnung bereits im Rahmen des OECD-MA 2008 zu beachten (Art. 7 (2008) Rz. 88). Darüber hinaus statuiert Art. 7 Abs. 1 OECD-MA 2017 eine Beweislastregel im Hinblick auf das Besteuerungsrecht von Unternehmensgewinnen (zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 67 und 91).

18

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2) Literatur: Andresen, Missverstandener „Authorised OECD Approach“ bei inländischer Bankbetriebsstätte mit mehrjährigen Verlusten, DB 2012, 879; Andresen/Busch, Betriebsstätten-Einkünfteabgrenzung: Steuerliche Untiefen bei der Transformierung des Authorised OECD Approaches in nationales Recht, Ubg 2012, 451; Bendlinger, „Additional Guidance“ der OECD zur Gewinnabgrenzung neuer Betriebsstätten nach BEPS-Aktionspunkt 7, TPI 2018, 53; Bendlinger, Die Betriebsstätte in der Praxis des Internationalen Steuerrechts, 3. Aufl., Wien 2016; Bennett, The Attribution of Profits to Permanent Establishments: The 2008 Commentary on Article 7 of the OECD-Model Convention, ET 2008, 467; Bennett/Russo, OECD-Projekt on Attribution of Profits to Permanent Establishments: An Update, ITPJ 2007, 279; Bennett/Russo, Discussion-Draft on a New Article 7 of the OECD-Model Convention, ITPJ 2009, 73; Busch, Fiktive Transaktionen im Authorised OECD Approach, BB 2012, 2281; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, 37; Ditz, Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem „Authorised OECD Approach“ – Eine kritische Analyse, ISR 2012, 48; Ditz, Der „Authorised OECD-Approach“ wird Wirklichkeit, ISR 2013, 261; Ditz, Gewinnermittlung bei Bau- und Montagebetriebsstätten nach den VWG BsGa, ISR 2017, 163; Ditz/Luckhaupt, Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – Neues Gewinnermittlungsrecht für Betriebsstätten, ISR 2015, 1; Ditz/Quilitzsch, Die Änderungen im AStG durch das AmtshilfeRLUmsG – Quo vadis Außensteuergesetz?, DStR 2013, 1917; Förster, Der OECD-Bericht zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns, IWB 3/2007, Fach 10, Gruppe 2, 1929, 1939 und 1947; Förster, Veröffentlichung der OECD zur Revision des Kommentars zu Art. 7 OECD-Musterabkommen, IStR 2007, 398; Förster, Der OECD-Bericht zur Gewinnermittlung bei Versicherungsbetriebsstätten, IStR 2008, 800; Förster/Naumann/Rosenberg, Generalthema II des IFA-Kongresses 2006 in Amsterdam: Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, IStR 2005, 617; Froitzheim, Steuerliche Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und deren Auswirkung auf die Gewinnabgrenzung, Köln 2015; Haverkamp, Zur finalen Fassung der Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung, ISR 2017, 33; Heinsen, Die neuen Verwaltungsgrundsätze zur Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa) – Zehn wichtige Neuerungen, DB 2017, 85; Hemmelrath/Kepper, Die Bedeutung des „Authorised OECD Approach“ (AOA) für die deutsche Abkommenspraxis, IStR 2013, 37; Kaeser, Betriebsstättenvorbehalte und AOA: Der Begriff der „tatsächlichen Zugehörigkeit“ nach dem OECD-MK 2010, ISR 2012, 63; Kahle, Modernisierung und Vereinfachung des Unternehmensteuerrechts, DStZ 2012, 691; Kahle/Kindich, Die finalen Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung als (vorläufiger) Abschluss der Umsetzung des „Authorised OECD Approach“, GmbHR 2017, 341; Kahle/Mödinger, Die Neufassung des Art. 7 OECD-MA im Rahmen der Aktualisierung des OECD-MA 2010, IStR 2010, 757; Kahle/Mödinger, Erfolgs- und Vermögensabgrenzung bei ausländischen Betriebsstätten, DB 2011, 2338; Kahle/Mödinger, Betriebsstättenbesteuerung: Zur Anwendung und Umsetzung des Authorised OECD Approach, DStZ 2012, 802; Kofler/van Thiel, The „Authorised OECD Approach“ and EU Tax Law, ET 2011, 327; Konrad, Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zu Stammhaus und Betriebsstätte nach dem Functionally Separate Entity-Ansatz, IStR 2003, 786; Kroppen, Neue Rechtsentwicklungen bei der Betriebsstätte nach Abkommensrecht, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, Köln 2005; Kroppen, Der „Authorised OECD Approach“ zur Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, in Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010; Kußmaul/Ruiner/Delarber, Leistungsbeziehungen im internationalen Einheitsunternehmen mit Blick auf die Änderung des Art. 7 OECD-MA und die geplante Änderung des § 1 AStG, Ubg 2011, 837; Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 3. Aufl., München 2017; Lübbehüsen/Kahle, Brennpunkte der Besteuerung von Betriebsstätten, Herne 2016; Margerie, Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Lohmar/Köln 2016; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA; Oosterhoff, The True Importance of Significant People Functions, ITPJ 2008, 68; Russo, The 2008 OECD-Model: An Overview, ET 2008, 459; Schnitger, Änderungen des § 1 AStG und Umsetzung des AOA durch das JStG 2013, IStR 2012, 633; Schaumburg, Grenzüberschreitende Einkünftekorrektur bei Betriebsstätten – Verfassungs- und europarechtliche Aspekte, ISR 2013, 197; Wassermeyer, Entstrickungsbesteuerung und EU-Recht, IStR 2011, 813; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Aufteilung von Unternehmensgewinnen zwischen den beteiligten Staaten, IStR 2012, 277; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, 2. Aufl., Köln 2017; Wilke, Die geplanten Änderungen in § 1 AStG, IWB 2012, 271.

I. Regelungszweck Gewinnabgrenzung der Höhe nach. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 regelt mit dem Fremdvergleichsgrundsatz den zentralen Maßstab der Betriebsstättengewinnabgrenzung. Insoweit ergeben sich gegenüber dem

Ditz

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19

Art. 7 (2017) Rz. 19

Unternehmensgewinne

OECD-MA 2008 keine Unterschiede, sodass auf die Kommentierung zu Art. 7 OECD-MA 2008 verwiesen werden kann (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 90). 20

Änderungen gegenüber dem OECD-MA 2008. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 wurde neu konzipiert. Dies war aus Sicht der OECD notwendig, um bereits im Abkommenstext die uneingeschränkte Umsetzung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke ihrer Gewinnabgrenzung nach dem sog. „Functionally Separate Entity Approach“ unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen. Die wesentlichen Änderungen des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 sind in der Kommentierung zu Art. 7 (2008) Rz. 13 im Einzelnen dargestellt.

II. Gewinnabgrenzung nach dem „Authorised OECD Approach“ 1. Vorgehensweise des „Functionally Separate Entity Approach“ 21

Zweistufige Betriebsstättengewinnabgrenzung. Der bereits im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 entwickelte „Functionally Separate Entity Approach“ fußt in seinem Kern auf einer uneingeschränkten Umsetzung der Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte im Rahmen der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 112 ff.). Dabei vollzieht sich die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte in zwei Schritten (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 99 ff.).1 In einer ersten Stufe (vgl. Rz. 23 ff.) wird eine detaillierte Funktionsanalyse durchgeführt, wobei das Stammhaus und seine Betriebsstätte (fiktiv) als eigen- und selbständige Unternehmen behandelt werden. Im Rahmen dieser Funktionsanalyse, welche sich an die Vorgaben der OECD-Leitlinien anlehnt, werden die von den Unternehmensteilen bei einer unterstellten (fiktiven) Selbständigkeit und Unabhängigkeit ausgeübten Funktionen, die von ihnen wahrgenommenen Risiken und die von ihnen eingesetzten Wirtschaftsgüter sowie die daraus resultierenden unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen im Einzelnen analysiert (vgl. Art. 7 Rz. 21 OECD-MK 2017). In einer zweiten Stufe (Rz. 31 ff.) werden sodann die zwischen den Unternehmensteilen identifizierten Innentransaktionen auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes bewertet. Dabei kommen die in den OECD-Leitlinien dargestellten Verrechnungspreisgrundsätze zur Anwendung (vgl. Art. 7 Rz. 22 OECD-MK 2017).

22

Umsetzung in innerstaatliches Recht. Der AOA wurde mit dem AmtshilfeRLUmsG2 für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, in innerstaatliches Recht übernommen. Dazu wurde § 1 AStG in den Abs. 3 und 5 ergänzt und darüber hinaus wurden Einzelheiten in der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) geregelt. Die Finanzverwaltung hat schließlich ihre Interpretation des in § 1 AStG und der BsGaV niedergelegten AOA in einem neuen BMF-Schr. v. 22.12.2016 (VWG BsGa)3 zusammengefasst. Die Aufnahme des AOA in § 1 AStG und der BsGaV ist in der Kommentierung zu Art. 7 (2008) Rz. 42 ff. im Einzelnen dargestellt. 2. Funktionsanalyse unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebstätte (Stufe 1)

23

Funktionsanalyse. Im Rahmen der Funktionsanalyse werden die von dem Stammhaus und der Betriebsstätte wahrgenommenen Funktionen und Risiken, die von ihnen eingesetzten Wirtschaftsgüter sowie ihre Kapitalausstattung im Einzelnen analysiert und die daraus resultierenden unternehmensinternen Lieferund Leistungsbeziehungen identifiziert (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 124 ff.).4 Im Rahmen der Funktionsanalyse sind die beteiligten Unternehmensteile (Stammhaus und Betriebsstätte) als fiktiv selbständige und unabhängige Unternehmen zu behandeln. Vor diesem Hintergrund sollen – so die OECD – die für die Funktionsanalyse bei verbundenen Unternehmen in den OECD-Leitlinien dargestellten Grundsätze Anwendung finden.5 Ziel der Funktionsanalyse ist eine gewissenhafte und detaillierte6 Analyse der durch die Unternehmensteile ausgeübten Funktionen, wobei auch die entsprechende Funktionsausprägung (Routineunternehmen versus Strategieträgerschaft) zu untersuchen ist.7 So ist einerseits denkbar, dass die Betriebsstätte weitgehend autonom und eigenständig von ihrem Stammhaus Funktionen wahrnimmt (Strategieträger) oder andererseits lediglich als Dienstleister für einen anderen Unternehmensteil agiert (Routinefunktionen). Die 1 Vgl. Art. 7 Rz. 29 OECD-MK 2017; Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 10. 2 Vgl. Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG) v. 5.6.2013, BT-Drucks. 17/13722. 3 Vgl. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182. 4 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 60 ff.; Andresen in W/A/D2, Rz. 5.17 ff.; Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (759); Kroppen in FS Herzig, 1071 (1075 ff.). 5 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 60 mit Verweis auf Rz. 1.42 ff. OECD-Leitlinien 2010. 6 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 67. 7 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 60.

544

Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 25 Art. 7 (2017)

insoweit vorzunehmende Klassifizierung der Betriebsstätte in abhängig oder unabhängig hat unmittelbare Auswirkungen auf die Identifikation und Bewertung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen (zu einem Beispiel bei Produktions- und Vertriebsbetriebsstätten vgl. Art. 7 (2008) Rz. 196 ff.).1 Im Rahmen der Funktionsanalyse ist daher nach dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 auch zu untersuchen, welche Auswirkungen von der Funktionsausübung der Betriebsstätte auf die Erwirtschaftung von Gewinnen ausgehen, d.h., ob es sich bei den entsprechenden Funktionen um eine Neben- oder Unterstützungsfunktion oder um eine Hauptfunktion handelt. Darüber hinaus steht die Identifikation der wesentlichen Personalfunktionen („Significant People Functions“) im Zentrum der Funktionsanalyse.2 Denn nach Auffassung der OECD bilden die wesentlichen Personalfunktionen die Grundlage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern (vgl. Rz. 25 und Art. 7 (2008) Rz. 127 ff.) und Risiken (vgl. Rz. 24 und Art. 7 (2008) Rz. 126) zu den unternehmerischen Teileinheiten. Die Analyse von Personalfunktionen bezieht sich insbesondere darauf, welche Personen in welchen Teilen des Unternehmens welche Tätigkeiten ausüben bzw. welche Verantwortungsbereiche übernehmen. Die Personalfunktionen können sich dabei auf rein unterstützende und vorbereitende Tätigkeiten sowie auf übergeordnete und wesentliche Funktionen, welche die Übernahme von Risiken implizieren, beziehen.3 Korrespondierend zur Auffassung der OECD sieht § 1 Abs. 1 BsGaV im ersten Schritt des AOA eine Funktionsanalyse vor, in welcher die Personalfunktionen zu bestimmen und zuzuordnen sind (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 124 ff.). Zuordnung von Risiken. Aufgrund der zivilrechtlichen Einheit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte können – im Gegensatz zu verbundenen Unternehmen – Risiken zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht auf Basis vertraglicher Vereinbarungen zugeordnet werden (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 126). Infolgedessen sind nach Ansicht der OECD im Betriebsstättenbericht 2010 die Risiken des Gesamtunternehmens – genannt werden etwa Vorrats-, Kredit-, Währungs-, Zins-, Markt-, Produkt- und Gewährleistungsrisiken – unter Berücksichtigung der wesentlichen Personalfunktionen zuzuordnen.4 Dies entspricht dem innerstaatlichen Recht in § 1 Abs. 2 Nr. 1 BsGaV. Einem Unternehmensteil sind daher solche Risiken zuzuordnen, für welche das Personal der Betriebsstätte verantwortlich ist.5 Mithin hat sich die Zuordnung von Risiken zu den betrieblichen Teileinheiten an den von ihnen ausgeübten Funktionen auszurichten (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 126). Werden vor diesem Hintergrund vom Stammhaus hergestellte Produkte zum Vertrieb in die Betriebsstätte geliefert, sind der Betriebsstätte i.d.R. die aus der Vorratshaltung resultierenden Inventarrisiken sowie das aus möglichen Forderungsausfällen resultierende Inkassorisiko zuzuordnen.6 Die der Betriebsstätte zuzuordnenden Risiken haben nach Auffassung der OECD Auswirkungen auf das ihr zuzuordnende Dotationskapital („Capital follows Risk“)7 sowie auf die Ermittlung eines angemessenen Fremdvergleichspreises im Rahmen der Stufe 2 des AOA (Rz. 31 ff.).

24

Zuordnung von Vermögenswerten. Der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 beschäftigt sich intensiv mit 25 der Frage der Zuordnung von Vermögenswerten8 zu den betrieblichen Teileinheiten.9 Da in diesem Zusammenhang das zivilrechtliche Eigentum als Kriterium nicht tauglich ist, soll das Konzept des wirtschaftlichen Eigentums („Economic Ownership“) Anwendung finden.10 Das wirtschaftliche Eigentum wird als „equivalent of ownership for income tax purposes by a separate enterprise, with the attendant benefits and burdens (e.g. the right to the income attributable to the ownership of the asset, such as royalties; the right to depreciate a depreciable asset; and the potential exposure to gains or losses from the appreciation or depreciation of the asset)“ definiert.11 Infolgedessen sollen die aus einem Vermögenswert resultierenden Einnahmen und Ausgaben derjenigen betrieblichen Teileinheit zugeordnet werden, die auch die Chancen und Risiken aus der Wertänderung eines Wirtschaftsgutes trägt.12 Im Rahmen der Zuordnung von Vermögenswerten kommt es darauf an, welche betriebliche Teileinheit die maßgeblichen Personalfunktionen (sog. „Significant People Functions“) ausübt. Was konkret unter diesen maßgeblichen Personalfunktionen zu verstehen ist, lässt die OECD offen. Einzelheiten sind in der BsGaV und den VWG BsGa geregelt (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 128 m.w.N.). Auf Basis der maßgeblichen Personalfunktionen ist innerhalb der ersten Stufe der Gewinnabgren1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 61. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 62. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 62. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 70. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 68. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 23–25. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 71. Vgl. zum Begriff Ditz in W/A/D2, Rz. 6.157 ff.; Kußmaul/Delarber/Müller, IStR 2014, 466 (469). Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 72 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 18 ff. und 73. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 14 Fn. 4. Vgl. Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (760).

Ditz

545

Art. 7 (2017) Rz. 25

Unternehmensgewinne

zung zu analysieren, ob das Wirtschaftsgut einer betrieblichen Teileinheit (alleiniges wirtschaftliches Eigentum) oder mehreren betrieblichen Teileinheiten gemeinsam (gemeinschaftliches wirtschaftliches Eigentum) zuzuordnen ist (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 177 f.). Darüber hinaus ist denkbar, dass das wirtschaftliche Eigentum an dem Wirtschaftsgut nicht der betrieblichen Teileinheit zuzuordnen ist, sondern diese das Wirtschaftsgut dem wirtschaftlichen Eigentümer zur Nutzung überlassen wird (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 172 ff.).1 Insoweit sind Abgrenzungsprobleme nicht auszuschließen. 26

Zuordnung materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter. Für die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums an Wirtschaftsgütern ist nach Auffassung der OECD zwischen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern zu unterscheiden, wobei der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 in Bezug auf immaterielle Wirtschaftsgüter wiederum zwischen marketingbezogenen und betrieblichen immateriellen Wirtschaftsgütern differenziert. Im Einzelnen: – Materielle Wirtschaftsgüter sind i.d.R. demjenigen Unternehmensteil zuzuordnen, in dem sie genutzt werden. Wird z.B. eine Maschine ausschließlich in der Betriebsstätte genutzt, soll sie dieser zugeordnet werden. Damit ist der Ort der Nutzung nach Auffassung der OECD das entscheidende Merkmal für die Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern.2 Dies entspricht § 5 Abs. 1 BsGaV (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 131). Die OECD lässt dabei auch eine anteilige Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu den betrieblichen Teileinheiten zu.3 – Im Hinblick auf selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte ist entscheidend, in welchem Unternehmensteil die maßgeblichen Personalfunktionen in Bezug auf den immateriellen Vermögenswert ausgeübt werden. Die maßgeblichen Personalfunktionen werden als die aktive Entscheidung, das Entwicklungsrisiko des immateriellen Vermögenswerts zu tragen und dieses Risiko zu verwalten, definiert.4 Infolgedessen sollen etwa immaterielle Vermögenswerte, welche in einer Forschungsbetriebsstätte entwickelt werden, dem Stammhaus zuzuordnen sein, wenn in diesem die wesentlichen Entwicklungsentscheidungen getroffen werden und die Betriebsstätte damit faktisch als reiner Auftragsentwickler agiert.5 Auf den Ort der Nutzung des immateriellen Vermögenswerts kommt es daher nicht an. Im innerstaatlichen Recht sind Einzelheiten in § 6 BsGaV geregelt (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 132). – Das Kriterium der maßgeblichen Personalfunktionen ist nach Ansicht der OECD auch im Hinblick auf die Zuordnung von erworbenen immateriellen Vermögenswerten maßgeblich. Hierbei ist auf die Entscheidung zur Übernahme und die Verwaltung der im Zusammenhang mit dem Erwerb des immateriellen Vermögenswerts entstehenden Risiken abzustellen.6 – Schließlich nennt der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 marketingbezogene immaterielle Vermögenswerte, wie z.B. den Firmennamen, ein Logo oder eine Marke. Auch insoweit soll eine Zuordnung auf Basis der maßgeblichen Personalfunktionen erfolgen, wobei der Schaffung und der Kontrolle von Strategien zur Markenpolitik, dem Schutz von Marken- und Firmennamen und der Aufrechterhaltung des immateriellen Vermögenswerts besondere Bedeutung zukommt.7 Nach § 6 Abs. 1 BsGaV ist die maßgebliche Personalfunktion bei der Zuordnung eines immateriellen Vermögenswerts dessen Schaffung oder Erwerb.8 Die BsGaV und die deutsche Finanzverwaltung folgen daher grundsätzlich der OECD, wobei wesentlich detailliertere Regelungen getroffen werden, als von der OECD vorgegeben (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 132).

27

Kapitalausstattung der Betriebsstätte. Der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 widmet der Bestimmung des Dotationskapitals der Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 137 ff.) ein umfangreiches Kapitel.9 Als Grundsatz geht die OECD davon aus, dass der Betriebsstätte genügend Eigenkapital zuzuordnen ist, damit diese die von ihr wahrgenommenen Funktionen und Risiken sowie die ihr zugeordneten Wirtschaftsgüter angemessen finanzieren kann.10 Die Dotation einer Betriebsstätte mit „freiem Kapital“ ist folglich der Zuordnung von Wirtschaftsgütern und Risiken nachgelagert. Mithin basiert sie damit im Wesentlichen auf der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 23 sowie Art. 7 (2008) Rz. 124). Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Kapitalausstattung der Betriebsstätte geht die OECD davon aus, dass alle betrieblichen Teileinheiten über die1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 72; siehe ferner Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 75. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 72. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 85. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 87 und 90. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 92 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 96 f. Vgl. auch BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Rz. 85. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 99 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 107.

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Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 28 Art. 7 (2017)

selbe Kreditwürdigkeit verfügen.1 Die Verrechnung von unternehmensinternen Darlehen und Garantien wird von der OECD nicht zugelassen,2 sodass insofern ein Unterschied zur Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen besteht (vgl. Art. 9 Rz. 118). Dies entspricht gem. § 16 Abs. 3 BsGaV dem innerstaatlichen Recht (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 143 und Rz. 182). Im Hinblick auf die Ermittlung des „freien Kapitals“ (verstanden als Dotationskapital der Betriebsstätte) legt sich die OECD nicht auf eine einzige Methode fest, sondern beschreibt lediglich verschiedene Methoden mit ihren Vor- und Nachteilen.3 Im Einzelnen werden die folgenden Methoden dargestellt: – Kapitalaufteilungsmethode:4 Nach der Kapitalaufteilungsmethode wird das Eigenkapital des Gesamtunternehmens im Verhältnis der zugeordneten Vermögenswerte und der übernommenen Risiken zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufgeteilt. Die für die Praxis äußerst relevante Frage der Bewertung der Vermögenswerte und (vor allem) der Risiken lässt die OECD indessen weitgehend offen. – Wirtschaftliche Kapitalaufteilungsmethode:5 Nach der wirtschaftlichen Kapitalaufteilungsmethode bestimmt sich die Kapitalausstattung der Betriebsstätte auf Basis unternehmensinterner Risikomodelle. Nach Auffassung der OECD entspricht diese Methode dem AOA, wobei sie jedoch (zu Recht) praktische Anwendungsprobleme sieht. – Fremdvergleichsmethode:6 Nach dieser Methode ist der Betriebsstätte das Eigenkapital zuzuordnen, welches sie als unabhängiges Unternehmen unter vergleichbaren Bedingungen ausweisen würde. Allerdings räumt selbst der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 Probleme ein, die sich im Hinblick auf die Bestimmung einer solchen „fremdüblichen“ Eigenkapitalausstattung ergeben.7 Die OECD verkennt insoweit, dass die Ermittlung eines angemessenen Dotationskapitals der Betriebsstätte einem Fremdvergleich nicht zugänglich ist (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 141). – „safe haven“-Methode:8 Nach dieser Methode wird die angemessene Ausstattung einer Betriebsstätte mit Eigenkapital an der Mindestkapitalausstattung eines vergleichbaren Unternehmens abgeleitet (insbesondere unter Berücksichtigung regulatorischer Vorgaben im Bankensektor). – Unterkapitalisierung des Gesamtunternehmens:9 Schließlich befasst sich die OECD im Rahmen der Kapitalzuordnung mit dem Problem einer Unterkapitalisierung des Gesamtunternehmens. In diesem Fall führe die bloße Aufteilung des Eigenkapitals des Gesamtunternehmens nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Daher schlägt die OECD vor, zunächst das Eigenkapital des Gesamtunternehmens auf ein „fremdübliches“ Niveau anzupassen, um es daran anschließend auf die betrieblichen Teileinheiten aufzuteilen.10 Der deutsche Gesetzgeber hat aus den vorstehend dargestellten, von der OECD vorgeschlagenen Methoden zur Bestimmung des Dotationskapitals ein „Cherry Picking“ betrieben und in den §§ 12 und 13 BsGaV für in- und ausländische Betriebsstätten differenzierende Regelungen geschaffen. Einzelheiten dazu sind in der Kommentierung zu Art. 7 (2008) Rz. 139 ff. dargestellt. Zuordnung von externen Finanzierungsaufwendungen. Nach Auffassung der OECD sind externe Finanzierungsaufwendungen – wie auch in §§ 14 Abs. 1 und 15 Abs. 2 BsGaV geregelt (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 139) – zwischen den betrieblichen Teileinheiten aufzuteilen. Dabei stellt die OECD heraus, dass verschiedene Methoden zur Aufteilung von Finanzierungsaufwendungen grundsätzlich denkbar sind, soweit sie sich am Fremdvergleichsgrundsatz orientieren.11 Erwähnt wird in diesem Zusammenhang zunächst der sog. „Tracing Approach“, nach welchem die externen Quellen der der Betriebsstätte zugeordneten Finanzmittel zurückverfolgt werden. Die durch diese externen Mittel veranlassten Zinsen sind der Betriebsstätte zuzuordnen. Der ebenfalls von der OECD genannte „Functionality Approach“ geht demgegenüber von einer Aufteilung des für das Gesamtunternehmen entstandenen Zinsaufwandes aufgrund eines angemessenen Schlüssels aus.12 Einzelheiten sind in der Kommentierung zu Art. 7 (2008) Rz. 143 dargestellt.

1 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 99. 2 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 101 und 103. 3 In Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 147 gesteht die OECD in diesem Zusammenhang offen ein, dass es nicht möglich war, einen internationalen Konsens im Hinblick auf eine angemessene Bestimmung des der Betriebsstätte zuzuordnen Eigenkapitals zu finden. 4 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 121 ff. 5 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 128. 6 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 129 ff. 7 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 132. 8 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 135 ff. 9 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 140 ff. 10 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 143. 11 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 150. 12 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 154 ff.

Ditz

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Art. 7 (2017) Rz. 29

Unternehmensgewinne

29

Anerkennung von Innentransaktionen. Eine der zentralen Aussagen des AOA ist, dass für Zwecke der Gewinnabgrenzung unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte anzuerkennen und mit einem Fremdvergleichspreis zu vergüten sind.1 Die OECD spricht insofern von „Dealings“ zwischen Stammhaus und Betriebsstätte2 und § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen. Die OECD erkennt an, dass es zwischen Stammhaus und seiner Betriebsstätte zu einem Liefer- und Leistungsaustausch wie zwischen unabhängigen, rechtlich selbständigen Unternehmen kommen kann. Entsprechende Innentransaktionen sind folglich unmittelbarer Ausfluss der Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 152 ff.).3 Die Anerkennung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen beschränkt sich indessen auf die Anwendung des Art. 7 und des Art. 23A/B; auf die weiteren Vorschriften des OECD-MA haben sie keine Auswirkungen (vgl. Art. 7 Rz. 28 und 29 OECD-MK 2017). Die Erhebung von Quellensteuer auf unternehmensinterne Leistungsverhältnisse (insbesondere auf fiktive Lizenzzahlungen) ist daher nach Auffassung der OECD nicht möglich.4 Im Übrigen sind an ihre steuerliche Anerkennung – mangels schuldrechtlicher Verträge5 – weitergehende Anforderungen zu stellen. So müssen im Rahmen eines „Dealing“ wirtschaftlich wesentliche Risiken, Verantwortlichkeiten und Vorteile zwischen den Unternehmensteilen transferiert werden.6 Innentransaktionen sind ferner buchhalterisch zu dokumentieren, wobei nach dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 die interne Korrespondenz bzw. weitere Kommunikationsunterlagen als Dokumentationsgrundlagen herangezogen werden können.7 Dabei sollen die Finanzbehörden der Vertragsstaaten unternehmensinterne Transaktionen anerkennen, wenn ihre Dokumentation mit den Ergebnissen der Funktionsanalyse im Einklang steht, die Dokumentation der Innentransaktion nicht von dem abweicht, was unabhängige Unternehmen in einer vergleichbaren Situation vernünftigerweise vereinbart hätten und die dokumentierte Innentransaktion die Grundsätze des OECD-Betriebsstättenberichts 2010 nicht verletzt, indem z.B. ein Risiko unabhängig von der zugrunde liegenden Funktion übertragen wird (vgl. Art. 7 Rz. 26 OECD-MK 2017).8

30

Umsetzung in innerstaatliches Recht. Die Stufe 1 des AOA wurde für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, in § 1 Abs. 5 AStG und für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2013 beginnen, in der BsGaV umgesetzt. Einzelheiten ergeben sich aus der Kommentierung zu Art. 7 (2008) Rz. 42 ff. 3. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Stufe 2)

31

Anwendung der OECD-Leitlinien 2010. Die im Rahmen der Funktionsanalyse identifizierten unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen sind unter Berücksichtigung der Grundsätze der OECDLeitlinien 2010 fremdvergleichskonform zu vergüten.9 Zur Bestimmung einer fremdvergleichskonformen Vergütung ist eine detaillierte Vergleichbarkeitsanalyse vorzunehmen.10 In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Art und die Charakteristika der zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter oder Dienstleistungen, die Funktionsanalyse, die Vertragsbedingungen, die wirtschaftlichen Rahmenumstände sowie die Geschäftsstrategien zu berücksichtigen.11 Zur konkreten Bepreisung der unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen kommen die klassischen Verrechnungspreismethoden (d.h. die Preisvergleichs-, die Wiederverkaufspreis- und die Kostenaufschlagsmethode) sowie die geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden (d.h. die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode sowie die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode) in Betracht (vgl. Art. 9 Rz. 93 ff.). Die noch im OECD-MK 2008 zu Art. 7 vorgesehene Beschränkung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Überführung von Wirtschaftsgütern (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 98 u. 103) wird damit von der OECD ab 2010 abgelehnt. Insofern kommt es zu einer uneingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke ihrer Gewinnabgrenzung. Dies entspricht den Vorgaben des innerstaatlichen Rechts gem. § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 161).

32

Transaktionen bei materiellen Wirtschaftsgütern. Wird das wirtschaftliche Eigentum an einem Wirtschaftsgut, welches zunächst dem Stammhaus zugeordnet war, auf die Betriebsstätte überführt, liegt nach 1 2 3 4 5 6 7 8

Zur Anerkennung von sog. „Dealings“ im Einzelnen vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 172. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 14. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 172. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 203. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 279. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 178. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 179. Gemäß Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 181 sollen dabei die Rz. 1.48–1.54 sowie 1.64–1.69 OECDLeitlinien 2010 zur Anwendung kommen. 9 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 183. 10 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 189 ff. mit Verweis auf die OECD-Leitlinien 2010. 11 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 190.

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Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 33 Art. 7 (2017)

Auffassung der OECD eine mit dem Fremdvergleichspreis zu bewertende unternehmensinterne Transaktion vor.1 Da die Überführung des wirtschaftlichen Eigentums auf Basis von schuldrechtlichen Verträgen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht erfolgen kann, kommt es – so die OECD – auf die Übertragung der aus dem Wirtschaftsgut resultierenden Risiken und des insoweit übergehenden Nutzens an.2 Wenngleich die OECD in ihrem Betriebsstättenbericht 2010 die konkreten steuerlichen Konsequenzen des Ansatzes des Fremdvergleichspreises im Rahmen der Überführung von materiellen Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte nicht konkretisiert, ist davon auszugehen, dass sie insoweit dem Stammhausstaat ein Besteuerungsrecht auf die im Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven zugesteht. Im Übrigen bildet der Fremdvergleichspreis die Basis zur Bewertung von Abschreibungen, welche die Betriebsstätte im Hinblick auf das überführte Wirtschaftsgut zum Ansatz bringt. Dabei sind allerdings die innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu berücksichtigen.3 Neben der Überführung von Wirtschaftsgütern in die ausländische Betriebsstätte hält die OECD auch eine anteilige Zuordnung des Wirtschaftsguts zum Stammhaus und der Betriebsstätte – unter Berücksichtigung der Grundsätze für Kostenumlagen – für möglich. Diese Alternative kommt insbesondere in den Fällen zum Tragen, in welchen Wirtschaftsgüter gemeinsam von verschiedenen Unternehmensteilen entwickelt oder genutzt werden.4 Schließlich ist auch der Ansatz einer (fiktiven) Miet-, Pacht- oder Lizenzgebühr im Rahmen der Nutzung von materiellen Wirtschaftsgütern durch die ausländische Betriebsstätte denkbar. Dies setzt allerdings voraus, dass das wirtschaftliche Eigentum an dem entsprechenden Wirtschaftsgut nicht auf die Betriebsstätte übergeht (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 172). Zu Einzelheiten der Überführung und Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 163 ff. und Rz. 172 ff. Transaktionen bei immateriellen Vermögenswerten. Auch bei unternehmensinternen Transaktionen in Bezug auf immaterielle Vermögenswerte ist nach Auffassung der OECD der Fremdvergleichsgrundsatz uneingeschränkt anzuwenden, d.h., die durch einen Unternehmensteil im Zusammenhang mit der Entwicklung oder dem Erwerb eines immateriellen Vermögenswerts wahrgenommenen Funktionen und Risiken sind im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung durch eine fremdvergleichskonforme Vergütung abzugelten.5 Was die konkrete Ermittlung einer fremdvergleichskonformen Vergütung betrifft, enthält der OECDBetriebsstättenbericht 2010 keine Vorgaben; vielmehr wird auf die Kap. VI („Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschaftsgüter“), Kap. VII („Verrechnungspreise bei konzerninternen Dienstleistungen“) sowie Kap. VIII („Kostenumlagevereinbarungen“) der OECD-Leitlinien 2010 verwiesen. Damit sind auch im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung die Grundsätze für verbundene Unternehmen anzuwenden. In diesem Zusammenhang weist die OECD zutreffend darauf hin, dass Verträge (insbesondere Lizenzverträge6) zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht abgeschlossen werden können. Im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung ist infolgedessen von entscheidender Bedeutung, welchem Unternehmensteil der immaterielle Vermögenswert unter Berücksichtigung der maßgeblichen Personalfunktionen zuzuordnen ist.7 So kann das wirtschaftliche Eigentum an dem immateriellen Vermögenswert einem Unternehmensteil alleine oder mehreren Unternehmensteilen zusammen zuzuordnen sein. Die OECD lässt es damit – wie § 6 Abs. 4 Satz 2 BsGaV (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 169) – zu, immaterielle Vermögenswerte mehreren Unternehmensteilen zuzuordnen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 172 ff.).8 Ist ein immaterieller Vermögenswert mehreren Unternehmensteilen zuzuordnen, sind die Grundsätze der Kostenumlage zu beachten.9 Daneben ist – so der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 – denkbar, dass das wirtschaftliche Eigentum an einem immateriellen Vermögenswert von einem Unternehmensteil auf einen anderen überführt wird. Ist dies der Fall, ist der Marktpreis („fair market value“) anzusetzen, sodass dem Vertragsstaat das Recht eingeräumt wird, die in dem immateriellen Vermögenswert ruhenden stillen Reserven zu besteuern.10 Darüber hinaus ist ein Lizenzverhältnis zwischen den Unternehmensteilen anzunehmen, wenn ein solches auch zwischen unabhängigen Unternehmen vereinbart worden wäre.11 Die insofern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte abzurechnende Lizenzgebühr kann keinen Quellenbesteuerungstatbestand auslösen (vgl. Rz. 29).12 Schließlich kann die Betriebsstätte auch als sog. Auftragsforscher oder -entwickler für das Stammhaus tätig werden, wobei die ent1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 195 f. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 195. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 196. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 197 f. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 200 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 203. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 210. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 201. Vgl. Kap. VIII OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 208. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 209. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 203.

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Art. 7 (2017) Rz. 33

Unternehmensgewinne

sprechende Dienstleistung i.d.R. auf Basis der Kostenaufschlagsmethode zu bestimmen ist.1 Zu Einzelheiten vgl. Art. 7 (2008) Rz. 163 ff. und Rz. 172 ff. 34

Umlagevereinbarungen. Wenngleich zwischen Stammhaus und Betriebsstätte keine Verträge abgeschlossen werden können (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 93), können nach dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 die Grundsätze der Kostenumlage, wie sie in Kap. VIII OECD-Leitlinien 2010 dargestellt werden, auch im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte Anwendung finden (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 150 und 179).2 Die Anerkennung einer Kostenumlage setzt eine entsprechende Dokumentation voraus.3

35

Erbringung von unternehmensinternen Dienstleistungen. In Bezug auf die unternehmensinterne Erbringung von Dienstleistungen stellt der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 – im Gegensatz zum OECD-MK 2008 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 103) – klar, dass auch insofern der Fremdvergleichsgrundsatz uneingeschränkt zur Anwendung kommen soll (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 179). Infolgedessen sind unternehmensinterne Dienstleistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte grundsätzlich auf Basis eines Fremdvergleichspreises (d.h. einschließlich Gewinnelement) zu verrechnen.4 Dies entspricht den Vorgaben des § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 180).

36

Gründung und Schließung der Betriebsstätte. Obwohl sich der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 in einem eigenen (aber kurzen) Kapitel mit den Folgen der Gründung und der Schließung einer Betriebsstätte beschäftigt, lässt er die daraus resultierenden Konsequenzen für die Betriebsstättengewinnabgrenzung ausdrücklich offen. Vielmehr verweist die OECD insofern auf das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 193 ff.).5

37

Dokumentation. Wenngleich die Frage der Dokumentation der Abrechnung unternehmensinterner Lieferungen und Leistungen eine wesentliche praktische Frage der Anwendung des AOA darstellt, sind die Ausführungen zu dieser Thematik im OECD-Betriebsstättenbericht 2010 sehr spärlich.6 So wird im Wesentlichen auf Kap. V OECD-Leitlinien 2010 verwiesen, in welchem die Frage der Dokumentation angemessener Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen im Einzelnen dargestellt wird (vgl. Art. 9 Rz. 141). Insofern verkennt die OECD, dass die Identifikation und Ausgestaltung von (schuldrechtlichen) Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen i.d.R. über Verträge dokumentiert werden kann, was indessen bei unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht möglich ist. Insofern unterscheidet sich die Gewinnabgrenzung im internationalen Einheitsunternehmen von derjenigen zwischen verbundenen Unternehmen gem. Art. 9. Wie mit diesen Unterschieden umzugehen ist, wird von der OECD nicht weiter ausgeführt (zu den Dokumentationspflichten vgl. Art. 7 (2008) Rz. 157 u. 223 f.). Auch die BsGaV enthält dazu keine Details, so dass letztlich die in der GAufzV v. 12.7.2017 dargestellten Dokumentationspflichten auch bei Betriebsstätten gelten.

38

Umsetzung der Stufe 2 des AOA in innerstaatliches Recht. § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG sieht eine Einkünftekorrektur vor, wenn für eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG Bedingungen zugrunde gelegt werden, die nicht einem Fremdvergleich entsprechen. Die anzunehmende schuldrechtliche Beziehung wird in § 16 Abs. 1 BsGaV definiert. Liegt eine solche vor, ist zwingend ein Fremdvergleichspreis, der in § 1 Abs. 3 AStG konkretisiert wird, zum Ansatz zu bringen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 161). Infolgedessen wurde die Stufe 2 des AOA uneingeschränkt für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2012 beginnen, in innerstaatliches Recht übernommen. 4. Würdigung des „Authorised OECD Approach“

39

Grenzen des Fremdvergleichsgrundsatzes. Obwohl – nicht zuletzt auf Basis des Art. 7 und des Art. 9 – ein breiter internationaler Konsens darüber besteht, dass die internationale Gewinnabgrenzung im Allgemeinen sowie die Gewinnabgrenzung im internationalen Einheitsunternehmen im Speziellen grundsätzlich am Fremdvergleichsgrundsatz auszurichten ist, wird der Grundsatz des Fremdvergleichs als Maßstab einer internationalen Gewinnabgrenzung in jüngster Zeit zunehmend infrage gestellt. Die hierzu angeführten Gründe beziehen sich regelmäßig auf die nicht zu verleugnenden Grenzen, die einer Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz anhaften (vgl. zu Einzelheiten Art. 9 Rz. 64). Diese resultieren insbesondere daraus, dass zur Umsetzung des „dealing at arm’s length“-Prinzips – außerhalb einer bloßen Aufwandsumlage – Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte identifiziert 1 2 3 4 5 6

Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 201 mit Verweis auf Rz. 7.4.1 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 211 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 214 mit Verweis auf Kap. VIII OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 216. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 223. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 224 ff.

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Ditz

C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)

Rz. 41 Art. 7 (2017)

und bewertet werden müssen. Wenngleich oftmals festgestellt werden kann, dass zwischen beiden Unternehmensteilen ein Leistungsaustausch stattfindet, ist es im Einzelnen meist sehr schwierig, eine entsprechende Leistungsbeziehung zu isolieren und – falls eine solche bestimmt werden konnte – diese mit einem Fremdvergleichspreis zu bewerten. Dies gilt insbesondere für stark verflochtene und integrierte Unternehmen, bei denen einzelne Leistungsbeziehungen zwischen den Unternehmensteilen so eng miteinander verbunden sind oder zeitlich so dicht aufeinanderfolgen, dass eine isolierte Beurteilung der einzelnen Leistungsbeziehungen nicht möglich ist. Darüber hinaus kommt bei der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte hinzu, dass zwischen beiden Unternehmensteilen keine Verträge abgeschlossen werden können. Während zwischen verbundenen Unternehmen die abgeschlossenen Verträge die Grundlage einer Dokumentation hinsichtlich der Art und Weise von Liefer- und Leistungsbeziehungen bilden, ist dies zwischen Stammhaus und Betriebsstätte gerade nicht möglich. Die Unterscheidung, ob insoweit z.B. eine Überführung eines Wirtschaftsgutes oder dessen Nutzungsüberlassung vorliegt oder von einem gemeinsamen (wirtschaftlichen) Eigentum an dem Wirtschaftsgut auszugehen ist, stößt insofern an erhebliche (praktische) Grenzen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 172 ff.). Mit diesen Grenzen setzt sich die OECD nur sehr vage auseinander. Dies überrascht insofern, als auf Ebene der EU – nicht zuletzt aufgrund der mit der Verrechnungspreisermittlung und -dokumentation verbundenen Rechtsunsicherheiten und der daraus resultierenden Gefahr einer internationalen Doppelbesteuerung – das Konzept einer gemeinsamen konsolidierten körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage (GKKB) verfolgt wird (vgl. Art. 9 Rz. 65 und 100). Das Konzept der Aufteilung eines konsolidierten Gruppenergebnisses anhand von Schlüsselgrößen macht die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes und damit die Bestimmung von Verrechnungspreisen für interne Lieferungen und Leistungen überflüssig. Denn mit diesem Konzept wird vermieden, dass Zwischengewinne aus gruppeninternen Geschäftsbeziehungen zu ermitteln und zu versteuern sind. Während auf Ebene der EU eine globale Gewinnaufteilungsmethode diskutiert und auf Basis eines Richtlinienentwurfs zur GKKB v. 16.3.20111 und eines neuen Vorschlags v. 25.10.20162 ebendiese konkret vorgesehen ist,3 geht die OECD im Hinblick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung einen entgegengesetzten Weg, den Fremdvergleichsgrundsatz weiter zu stärken. Eine Abstimmung wäre hier wünschenswert gewesen. Probleme der globalen Gewinnaufteilungsmethode. Folgt man der These, dass die Anwendung des Fremd- 40 vergleichsgrundsatzes im Hinblick auf die Bewertung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung – insbesondere aus praktischen Gründen – nicht unproblematisch ist, stellt sich die Frage nach den methodischen Alternativen. Eine solche besteht – analog zur GKKB (vgl. Rz. 40) – in der Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode.4 Es darf allerdings nicht verkannt werden, dass auch die globale Gewinnaufteilungsmethode mit erheblichen Problemen verbunden ist (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 229 ff.). Diese betreffen insbesondere die Möglichkeit, die den Gewinn des Gesamtunternehmens verursachenden wirtschaftlichen Faktoren zu identifizieren, zu gewichten und zu einem verursachungsgerechten Aufteilungsschlüssel zusammenzufassen. Ferner sind die Ermittlung des weltweit erzielten Gesamtgewinns sowie die internationale Abstimmung einer Schlüsselgröße nicht unproblematisch. Denn nur bei internationaler Einigkeit über diese Größen ist letztlich eine kongruente Gewinnabgrenzung und somit die Vermeidung einer internationalen Doppelbesteuerung gewährleistet. Allerdings zeigt bereits der am 16.3.2011 von der Europäischen Kommission vorgelegte Richtlinienentwurf zur GKKB, dass die zwischenstaatliche Einigung auf eine bestimmte Schlüsselgröße ein kaum überwindbares Hindernis darstellt. Ferner erscheint auch die Festlegung international harmonisierter Gewinnermittlungsvorschriften zur Sicherstellung einer kongruenten Gewinnabgrenzung in den beteiligten Staaten illusorisch. Vor diesem Hintergrund sprechen die mit einer zweifachen weltweiten Buchführungspflicht einhergehenden rechtlichen wie auch pragmatischen Probleme gegen die Etablierung der globalen Gewinnabgrenzungsmethode als Standardmethode zur Betriebsstättengewinnabgrenzung. Konsistente Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Vor dem Hintergrund der theoretischen Unzulänglichkeiten und praktischen Anwendungsprobleme der globalen Gewinnaufteilungsmethode (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 229 ff.) ist es nur konsequent von der OECD, (weiterhin) im Fremdvergleichsgrundsatz den zentralen Maßstab zur Gewinnabgrenzung zu sehen. Dabei ist es grundsätzlich begrüßenswert, dass die OECD mit dem AOA ihre bisherige inkonsistente und widersprüchliche Auslegung des Art. 7 Abs. 2 (vgl. 1 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB), KOM (2011), 121 final. 2 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine Gemeinsame KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage v. 25.10.2016, COM (2016), 685 final; Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage v. 25.10.2016, COM (2016), 683. 3 Vgl. zu Einzelheiten Spengel/Stutzenberger, IStR 2018, 37 ff.; Haase/Nürnberg, Ubg 2018, 29 ff. 4 So auch Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 296.

Ditz

551

41

Art. 7 (2017) Rz. 41

Unternehmensgewinne

Art. 7 (2008) Rz. 98 ff.) aufgegeben und sich einer uneingeschränkten Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für ihre Gewinnabgrenzung angeschlossen hat (vgl. Rz. 19 f.). Allerdings kann der im OECD-MK 2017 und im OECD-Betriebsstättenbericht 2010 dargestellte und in § 1 Abs. 5 AStG und der BsGaV in innerstaatliches Recht überführte AOA nicht in allen Einzelheiten überzeugen. 42

Funktionsanalyse als erste Stufe des AOA. Der AOA geht zutreffend in seiner ersten Stufe davon aus, dass die Grundlage der Betriebsstättengewinnabgrenzung eine detaillierte Funktions- und Risikoanalyse der betroffenen Unternehmensteile bildet (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 124 ff.). Im Rahmen der Funktionsanalyse sind die von der Betriebsstätte bzw. ihrem Stammhaus wahrgenommenen Funktionen und Risiken zu analysieren und eine Einordnung in Neben- oder Unterstützungsfunktionen (nach deutschem Begriffsverständnis: Routinefunktionen1) und Hauptfunktionen (nach deutschem Begriffsverständnis: Strategieträger bzw. Entrepreneur2) vorzunehmen. Ist eine solche Funktionscharakterisierung sinnvoll und international üblich (vgl. Art. 9 Rz. 69), führt die OECD im Rahmen des AOA mit den maßgeblichen Personalfunktionen („Significant People Functions“) ein neues Kriterium ein,3 welches die Grundlage der Zuordnung von Risiken und Wirtschaftsgütern zu den unternehmerischen Teileinheiten darstellt. Die Bestimmung und Abgrenzung maßgeblicher Personalfunktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist jedoch häufig nicht eindeutig möglich.4 Dies wird besonders offensichtlich, wenn Führungspersonal eines Unternehmens für beide Unternehmensteile tätig wird, sodass sich hier die Frage stellt, welchem Unternehmensteil die von diesen Personen ausgeübten Funktionen und getroffenen Entscheidungen konkret zuzuordnen sind. Dies offenbart im Übrigen ein Problem, welches sich durchgängig durch die beiden Betriebsstättenberichte der OECD aus 2008 und 2010 durchzieht: Die Ausführungen sind i.d.R. sehr allgemein und vage gehalten und infolgedessen für die Praxis häufig nur wenig tauglich. Im Ergebnis wird der Eindruck erweckt, dass fast alle denkbaren Handlungs-, Zuordnungs- und Abrechnungsalternativen möglich sind, wenn sie nur wirtschaftlich begründbar und dokumentierbar sind. Dies gilt auch für die Regelungen der BsGaV. Die Betriebsstättengewinnabgrenzung wird folglich weitgehend in das Ermessen des Steuerpflichtigen gelegt, wobei seine Herangehensweise von den Finanzbehörden zu akzeptieren ist, wenn sie im Einzelnen wirtschaftlich begründbar ist. Der Ermessensspielraum des Steuerpflichtigen wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass Risiken dem Unternehmensteil nicht völlig frei zugeordnet werden können, sondern der Funktionszuordnung folgen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 125). Insofern handelt es sich um eine zutreffende Objektivierung der Betriebsstättengewinnabgrenzung, können doch Verträge zwischen den einzelnen Unternehmensteilen nicht abgeschlossen und folglich auf ihrer Basis Risiken nicht zugeordnet werden.5

43

Anerkennung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen. Unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und des Fremdvergleichsgrundsatzes ist es nur konsequent, nach Art. 7 Abs. 2 unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen anzuerkennen und abzurechnen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 152 ff.). Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die OECD-Betriebsstättenberichte 2008 und 2010 im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung solcher unternehmensinterner Transaktionen sehr vage bleiben. Dies zeigt bereits das Beispiel möglicher unternehmensinterner Transaktionen im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern. Hier stellt sich einerseits die Frage der Abgrenzung der Überführung eines Wirtschaftsguts von seiner Nutzungsüberlassung. Andererseits ist – so die OECD – denkbar, dass das Wirtschaftsgut gleichzeitig mehreren Unternehmensteilen zugeordnet wird (vgl. Rz. 33 f. und Art. 7 (2008) Rz. 172 ff.). Damit offenbaren sich dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang z.B. mit der Entwicklung immaterieller Wirtschaftsgüter mehrere Handlungsalternativen. So kann die Entwicklung immaterieller Wirtschaftsgüter durch ein Kostenumlageverfahren organisiert und die insoweit entstehenden immateriellen Wirtschaftsgüter allen Unternehmensteilen (anteilig) zugeordnet werden. Darüber hinaus ist denkbar, dass das immaterielle Wirtschaftsgut durch einen Unternehmensteil alleine entwickelt und nach seiner Entwicklung in andere Unternehmensteile überführt bzw. an diese zur Nutzung überlassen wird. Da auch unter fremden Dritten insofern unterschiedliche Varianten umgesetzt werden können, liegt es letztlich im Ermessen des Steuerpflichtigen, das für ihn günstigste Modell auszuwählen. Dies gilt auch für die BsGaV.

44

Zuordnung von Vermögenswerten. Nach Auffassung der OECD sind Vermögenswerte unter Berücksichtigung des Kriteriums der maßgeblichen Personalfunktionen den Unternehmensteilen zuzuordnen. § 1 Abs. 5 AStG und die BsGaV folgen diesem Konzept (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 128). In einem unmittelbaren Zusammenhang zur Frage der Zuordnung von Vermögenswerten steht auch die Frage der Abgrenzungskri1 2 3 4

Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2 Buchst. a. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2 Buchst. b. Vgl. auch Kaeser, ISR 2012, 63 (67). Kritisch auch Kroppen in FS Herzig, 1071 (1089); Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 298; Schön in Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 71 (99); Kahle/Mödinger, DStZ 2012, 802 (807 f.). 5 A.A. Kroppen in FS Herzig, 1071 (1088) mit der Forderung der Anerkennung von sog. „Pro-Forma-Verträgen“.

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Ditz

D. Korrespondierende Gewinnberichtigung (Abs. 3)

Rz. 47 Art. 7 (2017)

terien, nach welchen – wie von der OECD vorgesehen – Vermögenswerte mehreren Unternehmensteilen gleichzeitig zuzuordnen sind bzw. in welchen Fällen von der Überführung eines Vermögenswerts oder seiner Nutzungsüberlassung auszugehen ist (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 163 ff. und Rz. 172 ff.). Diese wesentlichen Abgrenzungsfragen werden von der OECD nur allgemein dahin gehend beantwortet, dass auf das Verhalten zwischen unabhängigen Unternehmen abzustellen sei. Unter unabhängigen Unternehmen sind indessen auch längerfristige Nutzungsüberlassungsverträge denkbar, sodass dem Steuerpflichtigen ein erheblicher Ermessensspielraum verbleibt, ob von einer anteiligen Zuordnung des Wirtschaftsgutes, seiner Überführung oder einer Nutzungsüberlassung auszugehen ist. Die Ermessensentscheidung des Steuerpflichtigen ist dabei von der Finanzverwaltung anzuerkennen, wenn sie nicht im Widerspruch zu den von den Unternehmensteilen ausgeübten Funktionen steht. Kapitalausstattung der Betriebsstätte. Im Hinblick auf die Frage der angemessenen Ausstattung der Betriebsstätte mit Dotationskapital verkennt die OECD, dass diese Frage nicht auf Basis eines Fremdvergleichs beantwortet werden kann. Im Ergebnis sind damit die Verlautbarungen der OECD zur Bestimmung des Dotationskapitals der Betriebsstätte nicht überzeugend. Sie gewährleisten weder eine Rechtssicherheit noch eine international übereinstimmende Vorgehensweise. Vielmehr vermitteln die Ausführungen des OECD-Berichts 2010 in diesem Zusammenhang eine Scheingenauigkeit, ohne auf das eigentliche Problem hinzuweisen, dass die Frage der angemessenen Finanzierung einer Betriebsstätte einem Fremdvergleich nicht zugänglich ist (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 137 ff.).1

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Dokumentation. Ein wesentliches Problem der Betriebsstättengewinnabgrenzung besteht – im Gegensatz zur Gewinnabgrenzung bei verbundenen Unternehmen – darin, dass zwischen Stammhaus und Betriebsstätte keine Verträge abgeschlossen werden können (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 92). Wie stattdessen, d.h. ohne Verträge, unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen im Einzelnen nachzuweisen und zu dokumentieren sind, bleibt im OECD-Betriebsstättenbericht 2010 und der BsGaV bzw. der GAufzV offen. Dies ist insofern unbefriedigend, als die Dokumentation unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen und die darauf aufbauende Ermittlung von Fremdvergleichspreisen regelmäßig im Fokus der Finanzbehörden – insbesondere im Rahmen von Außenprüfungen – stehen. Vor diesem Hintergrund wäre zu wünschen gewesen, dass die OECD hier genauere Vorgaben macht. Dies nicht zuletzt deswegen, weil hier vielfältige Ausgestaltungsformen bestehen, welche zu sehr unterschiedlichen steuerlichen Konsequenzen führen können. Hinzuweisen ist nur auf die problematische Abgrenzung der Überführung bzw. Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern bzw. ihre anteilige Zuordnung zum Stammhaus und zur Betriebsstätte. Da hier eine Dokumentation über Verträge ausscheidet, kann ausschließlich über rein wirtschaftliche Argumente eine Dokumentation geführt werden (insbesondere unter Berücksichtigung des Funktionsprofils der Unternehmensteile), welche regelmäßig in Außenprüfungen streitanfällig ist. Mangels anderweitiger Vorgaben haben die Finanzbehörden hier die Dokumentation des Steuerpflichtigen grundsätzlich anzuerkennen, soweit sie nicht im Widerspruch zu den von den betrieblichen Teileinheiten ausgeübten Funktionen und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen steht.

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D. Korrespondierende Gewinnberichtigung (Abs. 3) Literatur: Kahle/Mödinger, Die Neufassung des Art. 7 OECD-MA im Rahmen der Aktualisierung des OECD-MA 2017, IStR 2010, 757; Kahle/Mödinger, Vermeidung von Doppelbesteuerung im Bereich der Unternehmensgewinne nach Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017, IStR 2011, 821; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2010.

I. Vermeidung der Doppelbesteuerung (Abs. 3 Satz 1) 1. Regelungszweck Gegenberichtigungsnorm. Für den Fall, dass ein Vertragsstaat unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 den der Betriebsstätte zugeordneten Gewinn korrigiert und diese Gewinnkorrektur besteuert, ist der andere Staat nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 verpflichtet, eine Gegenkorrektur vorzunehmen. Die Gewinnkorrektur kann durch den Ansässigkeits- oder den Betriebsstättenstaat erfolgen. Art. 7 Abs. 3 OECD-MA, der durch das „Update 2010“ neu in das OECD-MA aufgenommen wurde, enthält damit einen dem Art. 9 Abs. 2 entsprechenden Mechanismus (vgl. Art. 9 1 Vgl. dazu auch Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 364 ff.

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47

Art. 7 (2017) Rz. 47

Unternehmensgewinne

Rz. 142 ff.), der der Vermeidung der Doppelbesteuerung dient.1 Dieser ist insbesondere – so die OECD – deswegen notwendig, weil der in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 niedergelegte und im OECD-Betriebsstättenbericht 2010 konkretisierte Fremdvergleichsgrundsatz für Zwecke der Betriebsstättengewinnabgrenzung durch die Vertragsstaaten häufig unterschiedlich interpretiert wird und infolgedessen das Risiko einer Doppelbesteuerung entstehen kann (vgl. Art. 7 Rz. 44 und 48 OECD-MK 2017). 48

Beispiel des OECD-MK 2017. Die OECD konkretisiert die Wirkungsweise des Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017 an mehreren Beispielen: Wird z.B. ein Wirtschaftsgut vom Ansässigkeitsstaat des Unternehmens (Stammhaus) in eine im anderen Vertragsstaat belegene Betriebsstätte überführt, liegt eine unternehmensinterne Lieferbeziehung vor (vgl. Rz. 32 f. und Art. 7 (2008) Rz. 163 ff.). Entspricht die Bewertung des überführten Wirtschaftsguts dem Fremdvergleichsgrundsatz und wurden dabei die Grundsätze des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 und des OECD-Betriebsstättenberichts 2010 beachtet, soll in beiden Vertragsstaaten keine Gewinnkorrektur vorgenommen werden können (vgl. Art. 7 Rz. 47 und 51 OECD-MK 2017). Wird im Rahmen der Bewertung des überführten Wirtschaftsgutes indessen dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht Rechnung getragen, ist jeder Vertragsstaat zu einer Gewinnkorrektur berechtigt (vgl. Art. 7 Rz. 53 OECD-MK 2017). Dies setzt freilich eine entsprechende Einkünftekorrekturvorschrift des innerstaatlichen Rechts voraus (z.B. § 1 Abs. 5 AStG). Wird der Verrechnungspreis für das überführte Wirtschaftsgut z.B. zu gering angesetzt, d.h., er unterschreitet die Bandbreite angemessener Fremdvergleichspreise, darf der Ansässigkeitsstaat des Unternehmers eine Gewinnkorrektur durchführen. Erfolgt die Gewinnkorrektur dem Grunde und der Höhe nach unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes, ist in diesem Fall gem. Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017 der andere Vertragsstaat verpflichtet, eine korrespondierende Gegenkorrektur durchzuführen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift hat die Gegenkorrektur allerdings nur insoweit zu erfolgen, als dies „zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Gewinne erforderlich ist (vgl. Art. 7 Rz. 55 OECD-MK 2017).“ Diese Verpflichtung zur korrespondierenden Gegenkorrektur des anderen Vertragsstaats gilt allerdings nur, wenn dieser die Gewinnkorrektur dem Grunde und der Höhe nach anerkennt (vgl. Art. 7 Rz. 59 OECD-MK 2017). Sollte dies nicht der Fall sein, kann die entstehende Doppelbesteuerung nur durch ein Verständigungs- oder Schiedsverfahren nach Art. 25 oder – innerhalb der EU – auf Basis der EU-Schiedskonvention2 vermieden werden (vgl. Art. 7 Rz. 56 OECD-MK 2017). 2. Tatbestandsvoraussetzungen einer Gegenkorrektur

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Gewinnberichtigung und Besteuerung. Als Rechtsfolge einer Gewinnkorrektur durch einen Vertragsstaat fordert Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 die direkte Gegenkorrektur des anderen Vertragsstaats, soweit die Erstkorrektur unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes (vgl. Rz. 31 ff.) erfolgte. Voraussetzung für eine Gegenberichtigung ist, dass der eine Vertragsstaat Gewinne in Übereinstimmung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz zugerechnet und besteuert hat, und diese Gewinne auch im anderen Vertragsstaat besteuert wurden. Aus dem Wortlaut „berichtigt und dementsprechend Gewinne des Unternehmens besteuert“ folgt, dass die Gewinnkorrektur in dem Vertragsstaat nicht nur durchgeführt wurde, sondern auch der Besteuerung unterlag. Im anderen Vertragsstaat kann daher ein Nachweis über die entsprechende Einkünftekorrektur (z.B. in Form eines geänderten Steuerbescheides oder eines Prüfungsberichtes) vorgelegt werden. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 setzt allerdings nicht voraus, dass die aus der Erstberichtigung entstehende Steuermehrbelastung tatsächlich gezahlt wurde. Vielmehr ist von einem „besteuert“ auch dann auszugehen, wenn die Gewinnkorrektur zu keiner unmittelbaren Steuerzahlungsverpflichtung führt. Dies ist etwa bei Einkünftekorrekturen der Fall, welche mit laufenden Verlusten des Unternehmens verrechnet werden oder wenn die Einkünftekorrektur zu einer Verminderung eines Verlustvortrages führt. Auch in diesen Fällen ist ein Nachweis über die Berichtigung und Besteuerung der Gewinne durch einen Vertragsstaat zu erbringen. Dies unterscheidet Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 vom Verständigungsverfahren gem. Art. 25, das bereits bei einer drohenden Doppelbesteuerung beantragt werden kann. Dies ist insofern sachgerecht, als eine Verpflichtung durch eine Gegenkorrektur eines Vertragsstaats – ohne Verständigung zwischen den Vertragsstaaten – nur dann verpflichtend angenommen werden kann, wenn die Gewinnkorrektur in Steuerbescheiden umgesetzt und infolgedessen entsprechend dokumentiert werden kann.

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Besteuerung im anderen Vertragsstaat. Neben einer Berichtigung und Besteuerung von Gewinnen im Vertragsstaat, welcher die Gewinnkorrektur durchführt, setzt Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 voraus, dass der korrigierte Gewinn im anderen Vertragsstaat ebenfalls einer Steuer unterworfen wurde („die bereits im anderen Staat besteuert wurden“). Dies festzustellen ist praktisch häufig nicht einfach, da i.d.R. 1 Vgl. Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (762); Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 262 f. 2 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gegenberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10.

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Ditz

D. Korrespondierende Gewinnberichtigung (Abs. 3)

Rz. 53 Art. 7 (2017)

entsprechende Unterlagen, aus welchen die Besteuerung der Gewinne im anderen Vertragsstaat unmittelbar hervorgeht, nicht vorliegen. Der Wortlaut des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 ist insoweit allerdings eindeutig, sodass der Nachweis einer Besteuerung nicht vermieden werden kann (z.B. durch einen ausländischen Steuerbescheid). Erforderlich ist dabei im anderen Vertragsstaat lediglich eine Besteuerung dem Grunde nach, d.h., die Vorschrift verlangt weder eine bestimmte Höhe der Besteuerung noch eine Subsumtion der Einkünfte unter die gleiche Einkunftsart. Vielmehr ist entscheidend, dass die Einkünfte in beiden Vertragsstaaten einer Ertragsbesteuerung unterliegen. Einer Steuerzahlungsverpflichtung bedarf es dabei nicht, sodass Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 greift, wenn z.B. eine Steuerzahlung aufgrund einer Verlustsituation ausbliebe. Gewinnberichtigung nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 sieht die Pflicht zu einer Gegenkorrektur nur für den Fall vor, dass die Erstberichtigung eines Vertragsstaats auf eine Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes, wie er in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 und dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 definiert ist, basiert. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 soll damit die Doppelbesteuerung im Hinblick auf eine unterschiedliche Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung durch die Vertragsstaaten vermeiden (vgl. Art. 7 Rz. 45 OECD-MK 2017). Die Vorschrift greift nicht, wenn sich die Doppelbesteuerung aufgrund unterschiedlicher Regelungen des innerstaatlichen Steuerrechts ergibt (vgl. Art. 7 Rz. 66 OECD-MK 2017). Wird bspw. eine unternehmensinterne Liefer- oder Leistungsbeziehung abgerechnet, deren entsprechender Aufwand in einem der Vertragsstaaten nach innerstaatlichem Recht als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe1 zu behandeln ist, kann die daraus resultierende Doppelbesteuerung nicht auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017 vermieden werden. Vielmehr ist eine solche Doppelbesteuerung durch den Steuerpflichtigen zu akzeptieren und zu tragen.

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Einigung der Vertragsstaaten. Das wesentliche Problem einer Gegenkorrektur gem. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 besteht in der Praxis darin, dass der andere Vertragsstaat die Erstberichtigung dem Grunde und der Höhe nach anerkennen muss. Ist damit eine Erstberichtigung durch einen Vertragsstaat – eine innerstaatliche Rechtsgrundlage für die entsprechende Einkünftekorrektur vorausgesetzt – ohne Weiteres möglich, würde der andere Vertragsstaat die Verpflichtung zur Gegenkorrektur nur anerkennen, wenn er der Erstberichtigung dem Grunde und der Höhe nach unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes folgt. Rein praktisch gesprochen wird dabei die Gegenberichtigung nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 vom zuständigen FA geprüft und dann – soweit sie anerkannt wird – umgesetzt. Einer Einigung zwischen den Vertragsstaaten bedarf es insoweit nicht; eine solche ist auch nicht durch den Wortlaut der Vorschrift gedeckt. Erkennt der andere Vertragsstaat die Gewinnkorrektur nicht an, ist ein Verständigungs- oder Schiedsverfahren nach Art. 25 oder – in EU-Fällen – der EU-Schiedskonvention2 durchzuführen.

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Beispiel:3 Der Steuerpflichtige bewertet ein vom Stammhaus in die ausländische Betriebsstätte überführtes Wirtschaftsgut mit 100. Die Finanzverwaltung des Ansässigkeitsstaats bestimmt die Bandbreite fremdvergleichskonformer Werte für das Wirtschaftsgut mit 110–150 und nimmt eine Gewinnkorrektur i.H.v. 20 auf einen fremdvergleichskonformen Wert des Wirtschaftsgutes von 120 vor. Demgegenüber hält die Finanzverwaltung des Betriebsstättenstaats eine Bandbreite von Werten zwischen 80 und 120 für angemessen. Nimmt daher der Ansässigkeitsstaat eine Gewinnkorrektur auf einen Wert von 120 vor, so ist der Betriebsstättenstaat gem. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 zu einer entsprechenden Gegenkorrektur auf 120 verpflichtet. Nimmt die Finanzverwaltung des Ansässigkeitsstaats hingegen eine Gewinnkorrektur auf 150 vor (oberes Ende der Bandbreite), würde dieser Wert nicht innerhalb der durch den Betriebsstättenstaat anerkannten Bandbreite (80–120) liegen. In diesem Fall ließe sich die Doppelbesteuerung nur über ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren vermeiden.

3. Durchführung einer Gegenkorrektur Verpflichtung zur Gegenkorrektur. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 verpflichtet den anderen Vertragsstaat zur Gegenkorrektur, wenn die Erstberichtigung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gemäß dem Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2017 erfolgt (vgl. Art. 7 Rz. 59 OECD-MK 2017). Die Verpflichtung zur Gegenkorrektur durch den anderen Vertragsstaat setzt damit seine Anerkennung der Erstberichtigung voraus (vgl. Rz. 52). Zur Durchführung der Gegenkorrektur bestimmt Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 keine konkrete Vorgehensweise. Aus dem Wortlaut der Vorschrift geht allerdings hervor, dass sich die Gegenberichtigung auf die „auf diese Gewinne erhobene Steuer“ auswirken muss. Damit ist einerseits denkbar, dass die Veranlagung im Vertragsstaat der Gegenberichtigung zu ändern ist, d.h.

1 Vgl. etwa § 4 Abs. 5 EStG nach deutschem Verständnis. 2 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gegenberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10. 3 Vgl. Art. 7 Rz. 55 f. OECD-MK 2017; Kahle/Mödinger, IStR 2011, 821 (822).

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Art. 7 (2017) Rz. 53

Unternehmensgewinne

die steuerliche Bemessungsgrundlage – betragsmäßig i.H. der Erstkorrektur – zu mindern ist. In diesem Fall kommt es zu einer spiegelbildlichen Maßnahme in Bezug auf die Erstberichtigung, sodass der Gewinnkorrektur in einem Vertragsstaat (Gewinnerhöhung) eine korrespondierende Gegenkorrektur im anderen Vertragsstaat (Gewinnminderung) gegenübersteht. Andererseits ist es auch möglich, die durch die Erstberichtigung eintretende Doppelbesteuerung durch eine entsprechende Anpassung der Steuerlast zu beseitigen. Dies kann z.B. auf eine Steueranrechnung hinauslaufen, wonach die durch die Gewinnkorrektur ausgelöste Steuernachzahlung im anderen Vertragsstaat angerechnet wird. Welche der beiden Alternativen zur Anwendung kommt, hängt letztlich vom innerstaatlichen Recht des Vertragsstaats ab. Nach deutschem Verständnis wird insofern vieles für eine korrespondierende Gegenkorrektur der steuerlichen Bemessungsgrundlage sprechen. 54

Verfahrensrechtliche Behandlung. Im Hinblick auf die Durchführung der Gegenberichtigung durch den anderen Vertragsstaat stellt sich die Frage, auf Basis welcher materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschrift er diese durchzuführen hat. Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Regelung stellt Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 die Rechtsgrundlage der Gegenberichtigung dar. Insoweit kommt Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 eine Self Executing Wirkung zu; einer zusätzlichen Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht bedarf es nicht. Hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Rechtsgrundlage einer Gegenkorrektur kommen nach deutschem Verständnis § 164 Abs. 2 AO und § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Im Übrigen sind die Billigkeitsvorschriften der §§ 163 und 227 AO, § 34c Abs. 5 EStG sowie § 175a AO zu beachten. Die letztgenannte Vorschrift setzt eine Verständigungsvereinbarung oder einen Schiedsspruch eines Schiedsgerichts voraus, welche im Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 nicht vorliegen. Lediglich wenn nach Art. 7 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA 2017 ein Verständigungsverfahren (i.V.m. Art. 25) durchgeführt wurde, ist im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017 eine Anwendung des § 175a AO denkbar. Infolgedessen müssen Steuerpflichtige, um verfahrensrechtlich eine Gegenberichtigung bei bestandskräftigen Steuerbescheiden zu erhalten, auf das Zustandekommen einer Verständigungsvereinbarung drängen, um in den Anwendungsbereich des § 175a AO zu gelangen.

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Sekundäre Berichtigung. Sekundärberichtigungen i.S.v. Folgeberichtigungen, wie sie bei Art. 9 Abs. 2 OECD-MA 2017 von Bedeutung sind (vgl. Art. 9 Rz. 149) spielen im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017 keine Rolle (vgl. Art. 7 Rz. 61 OECD-MK 2017). 4. Alternativer Wortlaut des Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017

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Verpflichtung zur Durchführung eines Verständigungsverfahrens. Art. 7 Rz. 68 OECD-MK 2017 enthält einen alternativen Formulierungsvorschlag des Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017. Der wesentliche Unterschied zum Standardwortlaut des Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2017 besteht darin, dass für den Fall, dass der andere Vertragsstaat der Erstberichtigung nicht zustimmt, zwingend ein Verständigungsverfahren einzuleiten ist.1 Nach Auffassung der OECD sind in einem entsprechenden Verständigungsverfahren die Vertragsparteien – im Gegensatz zu Art. 25 Abs. 1 – verpflichtet, die Doppelbesteuerung zu vermeiden (vgl. Art. 7 Rz. 69 OECD-MK 2017).

II. Konsultationsverfahren (Abs. 3 Satz 2) 1. Regelungszweck 57

Vermeidung der Doppelbesteuerung. Ausgehend von einer fremdvergleichskonformen Erstberichtigung durch einen Vertragsstaat fordert Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2017 zunächst die unmittelbare Gegenkorrektur durch den anderen Vertragsstaat. Geht der andere Vertragsstaat indessen davon aus, dass die Erstberichtigung einem Fremdvergleich nicht entspricht, eröffnet Art. 7 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA 2017 die Möglichkeit, ein Konsultationsverfahren zu führen. Zweck eines solchen ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch eine detaillierte Prüfung der Finanzbehörden der beiden Vertragsstaaten und einer anschließenden Verhandlung mit dem Ziel, die Doppelbesteuerung zu beseitigen. Die Konsultation entspricht dabei regelmäßig einem Verständigungsverfahren nach Art. 25. Dieses ist durch den Steuerpflichtigen zu beantragen und bildet den Rahmen für eine mögliche Einigung, wobei kein Einigungszwang zwischen den Vertragsstaaten besteht. Eine Ausnahme besteht nur für den Fall, dass das einschlägige DBA ein obligatorisches Schiedsverfahren vorsieht bzw. die EU-Schiedskonvention2 einschlägig ist.

1 Vgl. auch Kahle/Mödinger, IStR 2011, 821 (823); Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 267. 2 Vgl. Übereinkommen Nr. 40/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10.

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 61 Art. 7 (2017)

2. Konsultationen zwischen den Vertragsstaaten Keine Pflicht zur Konsultation. Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA 2017 werden die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten „bei Bedarf“ einander konsultieren. Damit besteht keine Pflicht zur Konsultation zwischen den Vertragsstaaten; mithin hat der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf Einleitung eines Konsultationsverfahrens. Die Vertragsstaaten haben allerdings ein Verständigungsverfahren zu führen, wenn dieses durch den Steuerpflichtigen beantragt wird (Art. 25).

58

E. Vorrang der Spezialartikel (Abs. 4) Keine Änderungen gegenüber dem OECD-MA 2008. Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2017 entspricht Art. 7 Abs. 7 OECD-MA 2008. Insoweit ergeben sich durch das „Update 2010“ keine Änderungen, sodass auf die Kommentierung zu Art. 7 (2008) Rz. 244 ff. verwiesen werden kann.

59

F. Deutsches Muster-DBA Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches MusterDBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen Muster-DBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten Die DBA Deutschlands sind bei Art. 7 (2008) Rz. 249 ff. erläutert.

61

Ditz

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Artikel 8 (2014) Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt (1) Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. (2) Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. (3) Befindet sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung eines Unternehmens der See- oder Binnenschifffahrt an Bord eines Schiffes, so gilt er als in dem Vertragsstaat gelegen, in dem der Heimathafen des Schiffes liegt, oder, wenn kein Heimathafen vorhanden ist, in dem Vertragsstaat, in dem die Person ansässig ist, die das Schiff betreibt. (4) Absatz 1 gilt auch für Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Spezialvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsstättenprinzip . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . 1. Seeschifffahrt/Luftfahrt und Binnenschifffahrt (Abs. 1 und 2) . . . . . . . . . . . 2. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes (Abs. 3) . . . . . . . . . . 3. Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Abs. 1) . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . II. Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen . III. Internationaler Verkehr . . . . . . . . . . . . IV. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung . . . . V. Gewinn aus dem Betrieb . . . . . . . . . . . VI. Mischbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Personengesellschaften/Partenreedereien . . C. Binnenschifffahrt (Abs. 2) . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . II. Betrieb von Binnenschiffen . . . . . . . . . . III. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung . . . . IV. Gewinn aus dem Betrieb . . . . . . . . . . . V. Mischbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . D. Sonderfall: Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . II. Heimathafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonderfall: Fehlender Heimathafen . . . . . E. Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 1 2 5 8 8 10 12 14 14 19 24 24 25 37 44 47 49 54 58 58 59 60 61 62 63

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II. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . IV. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . V. Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . VI. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . VII. Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . VIII. Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . IX. Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . X. Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . .

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Art. 8 (2014) 2. 3. XI. 1. 2. 3. XII. 1. 2. 3. XIII. 1. 2. 3. XIV. 1. 2. 3. XV. 1. 2. 3. XVI. 1.

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA 2014 . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . Sonstige relevante DBA . . . . . . . . . . Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA 2014 b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . 2. Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA 2014

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b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . Hongkong . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA 2014 b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . Liberia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA 2014 b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . Malta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA 2014 b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . Insel Man . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA 2014 b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . Norwegen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA 2014 b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . Singapur . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA 2014 b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . Zypern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA 2014 b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung .

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OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: http://dx.doi.org/10.1787/mtc_cond-2014-en.

KOMMENTIERUNG ZU ART. 8 (2014) Ausgewählte Literatur: Kofler, Article 8 OECD Model: Time for a Change?, in Maisto, Taxation of Shipping and Air Transport in Domestic Law, EU Law and Tax Treaties, Amsterdam 2017, 129; Kreutziger, Internationale Besteuerungsprobleme bei Schifffahrtsunternehmen, in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, Herne 2011, 1381; Kreutziger, Festlegung des Mittelpunkts der geschäftlichen Oberleitung eines Schifffahrtsunternehmens, DStR 1998, 1122; Laub, Das neue Schifffahrts-DBA mit Hongkong – Anwendung auf Containermanager und deutsche Containerfonds, IStR 2005, 223; Lippek, Die internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, in Institut für Ausländisches und Internationales Finanz- und Steuerwesen, Hamburg 1985; Maisto, The History of Article 8 of the OECD Model Treaty on Taxation of Shipping and Air Transport, in Kirchhof u.a., FS Vogel, Heidelberg 2000, 1017; Offenbach, Die Gewinnermittlung bei Handelsschiffen im internationalen Verkehr, DStZ 1999, 283; Rabe/Bahnsen, Seehandelsrecht, 5. Aufl., München 2018; Rauert, Das Schifffahrts-DBA mit Hongkong – eine neue Sicht, IStR 2012, 244; Rauert, Das neue DBA-Zypern aus Sicht der Schifffahrt – ein Überblick, IStR 2012, 164; Richelle, Place of Effective Management versus Residence, in Maisto, Taxation of Shipping and Air Transport in Domestic Law, EU Law and Tax Treaties, Amsterdam 2017, 105; Sasseville, Historical Background of Proposed Changes to Articles 8 and 15 (3) OECD Model, in Maisto, Taxation of Shipping and Air Transport in Domestic Law, EU Law and Tax Treaties, Amsterdam 2017, 73; Schaps/Abraham, Seerecht, 4. Aufl., Berlin 1978; Wolter, Internationale Besteuerungsprobleme bei Luftfahrtunternehmen, in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, Herne 2011, 1353.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 4 Art. 8 (2014)

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck 1. Spezialvorschrift Geschäftsleitungsstaat. Art. 8 OECD-MA 2014 weist dem Vertragsstaat das alleinige Besteuerungsrecht für 1 die Ergebnisse aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie aus dem Betrieb von Binnenschiffen zu, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Als Spezialvorschrift geht die Regelung dem für Unternehmenseinkünfte i.Ü. geltenden Art. 7 vor (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 23). Das Besteuerungsrecht des Geschäftsleitungsstaats ist insoweit ausschließlich („können nur“). Dieser besteuert die Einkünfte – abkommensrechtlich uneingeschränkt – nach seinem innerstaatlichen Recht, der Methodenartikel findet keine Anwendung. Art. 8 regelt somit abschließend die Besteuerungsfolge im Ansässigkeitsstaat. Das Recht des Ansässigkeitsstaats, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 45 ff.). Die Anwendung eines DBA setzt naturgemäß die Ansässigkeit des Unternehmens in einem der beiden Vertragsstaaten voraus; es findet daher insgesamt keine Anwendung, wenn sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung zwar in einem der beiden Vertragsstaaten befindet, das Unternehmen aber in keinem der beiden Vertragsstaaten ansässig ist (Art. 1). Ohne den Schutz eines DBA werden die Einkünfte des Unternehmens in diesen Fällen ggf. in beiden Staaten nach deren innerstaatlichem Recht besteuert – anknüpfend bspw. an die Existenz einer (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte oder ausgehende Frachten bzw. Passagen. 2. Betriebsstättenprinzip Konkretisierung und Vereinfachung. Das Betriebsstättenprinzip des Art. 7 wird durch die Spezialvorschrift in Art. 8 OECD-MA 2014 nicht suspendiert. Vielmehr konkretisiert die Regelung das Betriebsstättenprinzip dahin, dass Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr und/oder von Binnenschiffen nur einer Betriebsstätte, nämlich der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zugeordnet werden. Auf diese Weise wird das OECD-MA 2014 der Organisation der internationalen Schifffahrt/Luftfahrt gerecht, deren Unternehmen weltweit operieren, dabei in zahlreichen Staaten Betriebsstätten unterhalten und deren Seeschiffe/Luftfahrzeuge auf ihren Reisen oft mehrere ausländische Häfen/Flughäfen in unterschiedlichen Staaten nacheinander anlaufen bzw. anfliegen.1 Insofern trägt die Konkretisierung des Betriebsstättenprinzips in Art. 8 auch erheblich zur Vereinfachung bei. Ihr Zweck dient daher vor allem der Praktikabilität. Neben der Aufsplitterung der Besteuerungsrechte soll durch Art. 8 die Besteuerung allein durch den Vertragsstaat, in dem sich der Sitz des Unternehmens befindet, ohne Anknüpfung an die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit vermieden werden.2 Damit wird zugleich die Verlagerung von Einkünften in Niedrigsteuerländer verhindert, in denen die maßgebliche wirtschaftliche Tätigkeit tatsächlich nicht ausgeübt wird.3

2

Inhärenz möglicher Nichtbesteuerung. Dem Geschäftsleitungsprinzip des Art. 8 inhärent ist die mögliche Nichtbesteuerung entsprechender Einkünfte, wenn der Geschäftsleitungsstaat nicht zugleich der Ansässigkeitsstaat des Unternehmens ist und aufgrund seines innerstaatlichen Rechts an einer Besteuerung dieser Gewinne ganz oder teilweise gehindert ist.4

3

Beispiel: Eine Reederei-KG (KG) mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat A erzielt ausschließlich Einkünfte i.S. des Art. 8, u.a. mittels einer Betriebsstätte im Staat B. Im Staat B ist die natürliche Person X ansässig, die an der KG mitunternehmerisch beteiligt ist. Zwischen den Staaten A und B ist ein DBA entsprechend dem OECDMA 2014 bzw. der DE-VG vereinbart. Demzufolge steht nach Art. 8 dem Geschäftsleitungsstaat A das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Beteiligungseinkünfte von X zu. Staat A wird sein Besteuerungsrecht indes nur in dem Um-

4

1 Vgl. Lippek, Die internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 14; Richelle, Place of Effective Management versus Residence, in Maisto, Taxation of Shipping and Air Transport in Domestic Law, EU Law and Tax Treaties, Amsterdam 2017, 117; International Chamber of Shipping (ICS) v. 11.10.2012, The United Nations Model Double Taxation Convention between Developed and Developing Countries, Rz. 9 f.: „In today’s world of advanced computing capabilities, the issue is not so much the complexity of the calculation, but rather the multitude of widely divergent and irreconcilable tax systems through which ships may routinely pass. (Individual ships may call perhaps 20 or 30 different nations during a year, and ships operated by a single company may call at as many as 100 different nations a year, or even 150 nations over a longer period.). […] ICS believes that it is currently inconceivable that up to 150 different countries would be able to agree on the method of computation and allocation of taxes on the profits from the operation of ships by a company“. 2 Vgl. Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Anm. 6. 3 Vgl. Kreutziger/Krings in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA 2014 Rz. 2. 4 Vgl. Kofler in Reimer/Rust, Klaus Vogel on Double Taxation Conventions4, Art. 8 Rz. 9.

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Art. 8 (2014) Rz. 4

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

fang wahrnehmen können, in dem er nach seinem innerstaatlichen Recht Besteuerungsansprüche reklamieren kann. Wenn X im Staat A nach dessen nationalem Recht lediglich mit seinen Einkünften aus Quellen des Staats A beschränkt steuerpflichtig ist (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), bleibt der (anteilige) Gewinn der Betriebsstätte im Staat B ggf. unversteuert (wenngleich dieser Gewinn ggf. im Staat B dem Progressionsvorbehalt unterliegt). Denn Staat B ist (auch) an einer Besteuerung derjenigen Gewinne abkommensrechtlich gehindert, die der in seinem Territorium gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen sind. In dieser Konstellation geht mit dem Geschäftsleitungsprinzip eine Nichtbesteuerung einher, die bspw. durch Einräumung eines subsidiären Besteuerungsrechts zugunsten des Ansässigkeitsstaats und/oder mittels einer Subject-to-Tax- bzw. Switch-over-Klausel vermieden werden könnte (vgl. Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz, Rz. 142).

II. Aufbau der Vorschrift 5

Besteuerung durch den Geschäftsleitungsstaat. In seinem Abs. 1 regelt Art. 8, dass Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr nur durch den Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung besteuert werden können. Sodann bestimmt Abs. 2, dass auch Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, nur in dem Vertragsstaat besteuert werden dürfen, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Im Gegensatz zur Seeschifffahrt und Luftfahrt (Art. 8 Abs. 1) hat der Geschäftsleitungsstaat des Unternehmens das Besteuerungsrecht für entsprechende Gewinne somit auch dann, wenn die Binnenschifffahrt nicht im internationalen Verkehr betrieben wird.

6

Sonderfall: Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes. Abs. 3 des Art. 8 regelt den Sonderfall, dass sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung eines Unternehmens an Bord eines Schiffes befindet. Danach hat das Besteuerungsrecht der Vertragsstaat, in dem der Heimathafen des Schiffes gelegen ist, oder, mangels Heimathafen, der Ansässigkeitsstaat der Person, die das Schiff betreibt.

7

Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle. Das OECD-MA 2014 trägt in Abs. 4 des Art. 8 dem Umstand klarstellend Rechnung, dass die Unternehmen der Seeschifffahrt und Luftfahrt bisweilen in unterschiedlichen Erscheinungsformen miteinander kooperieren. Für die (anteiligen) Ergebnisse aus Beteiligungen an derartigen Zusammenschlüssen hat danach das Besteuerungsrecht der Vertragsstaat, in dem der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des an dem Pool, der Betriebsgemeinschaft oder der internationalen Betriebsstelle beteiligten Unternehmens gelegen ist.

III. Rechtsentwicklung 1. Seeschifffahrt/Luftfahrt und Binnenschifffahrt (Abs. 1 und 2) 8

Keine Änderungen. Art. 8 Abs. 1 i.d.F. des OECD-MA 19631 hat durch die OECD-MA 1977, 1992, 2000, 2010 und 2014 keine Änderungen erfahren (vgl. nachfolgend Rz. 9).2

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Neufassung durch das „Update 2017“. Im Zuge des „Update 2017“ ist Art. 8 vollständig überarbeitet worden. Während bisher Einkünfte aus dem Betrieb von See-/Binnenschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr nur durch den Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung besteuert werden konnten, hat nunmehr der Ansässigkeitsstaat des Unternehmens das ausschließliche Besteuerungsrecht (Abs. 1). Die bisherigen Abs. 2 und 3 wurde im Rahmen der Neufassung ersatzlos gestrichen. Abs. 2 regelt nunmehr die bisher in Abs. 4 behandelte Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle – auch insoweit hat nunmehr der Ansässigkeitsstaat des Unternehmens, das an dem Pool o.Ä. beteiligt ist, das alleinige Besteuerungsrecht (vgl. i.Ü. Art. 8 (2017) Rz. 16 ff.). 2. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes (Abs. 3)

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OECD-MA 1977. Mit dem OECD-MA 1977 wurde Abs. 3 des Art. 8 geringfügig verändert: Die Fassung des OECD-MA 1963 lautete im letzten Halbs.: „in dem Vertragsstaat, in dem die Person, die das Schiff betreibt, ansässig ist“. Seither heißt es: „in dem Vertragsstaat, in dem die Person ansässig ist, die das Schiff betreibt“. Eine inhaltliche Veränderung ist mit der Überholung in der Formulierung jedoch nicht verbunden (vgl. nachfolgend Rz. 11).

1 Vgl. zur Entstehungsgeschichte von Art. 8 OECD-MA Maisto in FS Vogel, 1017 ff. 2 Vgl. zur veränderten Interpretation des Orts der tatsächlichen Geschäftsleitung gem. Art. 8 Rz. 16 OECD-MK 1963 (nunmehr Art. 8 Rz. 22 OECD-MK bzw. Art. 8 Rz. 21 OECD-MK 2014) nach dem „Update 2000“ die Darstellung in Rz. 38 ff.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 17 Art. 8 (2014)

Neufassung durch das „Update 2017“. Mit der Umstellung auf das Wohnsitzprinzip wurde die Sonderregelung des Orts der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines See- oder Binnenschiffes im Regelungsbereich des Art. 8 OECD-MA 2017 hinfällig. Im Zuge des „Update 2017“ hat die OECD den bisherigen Art. 8 Abs. 3 daher ersatzlos gestrichen.

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3. Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle (Abs. 4) OECD-MA 1977. Mit dem OECD-MA 1977 wurde Art. 8 um Abs. 4 ergänzt. Abs. 4 hat insbesondere klarstellende Funktion (vgl. Rz. 67). Bis zum „Update 2017“ (vgl. nachfolgend Rz. 13) hatte der Art. 8 keine weiteren Änderungen erfahren.

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Neufassung durch das „Update 2017“. Im Zuge des „Update 2017“ hat die OECD den bisherigen Abs. 4 an das Wohnsitzprinzip des neu gefassten Art. 8 Abs. 1 angepasst. Die Regelung ist durch die ersatzlose Streichung der bisherigen Abs. 2 und 3 des Art. 8 nunmehr in konzeptionell geänderter Fassung in Abs. 2 verortet.

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IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht Verhältnis zu Art. 6. Infolge der entsprechenden Anwendung von Art. 7 Abs. 4 (vgl. Rz. 15) fallen Einkünfte eines Unternehmens i.S. des Art. 8 aus der Vermietung unbeweglichen Vermögens nicht unter Art. 8, sondern unter die speziellere Vorschrift des Art. 6.1 Dient das unbewegliche Vermögen hingegen dem Betrieb i.S.d. Art. 8 – wie bspw. eine Reparaturhalle, Werft, Wartungs- und Abstellhalle –, folgt aus Art. 8 das Besteuerungsrecht des Staats der tatsächlichen Geschäftsleitung. Wird ein zunächst eigengenutztes Grundstück veräußert, hat der Belegenheitsstaat das Besteuerungsrecht auf Basis der historischen Anschaffungskosten.2 Aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 sind Schiffe und Luftfahrzeuge vom Anwendungsbereich des Art. 6 ausgenommen; das gilt auch für den Fall ihrer amtlichen Registrierung.

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Verhältnis zu Art. 7. Die Spezialnorm Art. 8 geht dem Art. 7 vor (Rz. 1 und Art. 7 (2008) Rz. 23). Nicht 15 Art. 8, sondern Art. 7 gilt indes für Unternehmensgewinne, wenn das Seeschiff bzw. Luftfahrzeug nicht im internationalen Verkehr i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e betrieben wird und die Gewinne auch nicht aus dem Betrieb eines Binnenschiffs stammen. Der Regelungsbereich des Art. 8 OECD-MA 2014 setzt insbesondere voraus, dass sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in einem der beiden Vertragsstaaten befindet. Andernfalls findet im Verhältnis der beiden Vertragsstaaten zueinander das Betriebsstättenprinzip bzw. Art. 7 Anwendung (Rz. 37). Für das Verhältnis zu anderen Einkunftsarten und den für sie geltenden Verteilungsnormen gilt Art. 7 Abs. 4 entsprechend.3 Zur Abgrenzung bei Unternehmen, die neben anderen gewerblichen Hauptaktivitäten Seeschiffe und/oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffe betreiben (sog. Mischbetriebe, Rz. 49) wird auf die ausführliche Darstellung in Rz. 50 ff. verwiesen. Beispiel: Eine Reederei-AG mit Sitz im Staat A und tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat B betreibt Seeschiffe im internationalen Verkehr. Im Staat C unterhält die Reederei eine Betriebsstätte, die für sie das Personalmanagement (sog. „Crewing“) übernimmt. Im Verhältnis der beiden Staaten A und C zueinander findet nicht Art. 8, sondern Art. 7 Anwendung, da sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in keinem der beiden Staaten befindet. Das Besteuerungsrecht für den Gewinn der Betriebsstätte im Verhältnis der Staaten A und C hat somit Staat C.

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Verhältnis zu Art. 10 und 11. Die Besteuerung von Dividenden- und Zinseinkünften eines Betreibers von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr bzw. von Binnenschiffen bestimmt sich grundsätzlich nach den speziellen Vorschriften der Art. 10 und Art. 11. Von diesem Grundsatz gibt es insbesondere folgende Ausnahmen: Sind die Dividenden oder Zinsen einer ausländischen Betriebsstätte eines Reeders bzw. Luftfahrtunternehmens zuzurechnen, richtet sich die Besteuerung nach Art. 7 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 25, 246, Art. 10 Rz. 190 ff., Art. 11 Rz. 86 ff. [Betriebsstättenvorbehalt]). Art. 8 und nicht Art. 10 oder 11 bzw. 7 ist anzuwenden, wenn die Kapitalerträge im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem Betrieb i.S.d. Art. 8 stehen bzw. integraler Bestandteil eines solchen Betriebs sind (vgl. Art. 8 Rz. 14 OECDMK). Danach fallen z.B. laufende Zinsen aus Betriebsmittelkonten wie aus Geldanlagen für Eventualver-

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1 Nicht jedoch Kaimauern. Sie unterliegen als Betriebsvorrichtungen (vgl. Halaczinsky in Rössler/Troll, § 68 BewG Rz. 153) der Regelung in Art. 13 Abs. 3 OECD-MA 2014, vgl. Rz. 18. 2 Vgl. Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 38; Kempf/Wolter in G/K/G/K (2008), Art. 8 OECD-MA Rz. 12, wonach bis zur Veräußerung des Grundstücks geltend gemachte Abschreibungen im Geschäftsleitungsstaat rückgängig zu machen sind. 3 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 10.

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Art. 8 (2014) Rz. 17

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

pflichtungen in den Regelungsbereich des Art. 8. Für Zinsen aus vorgehaltenen liquiden Mitteln z.B. zum Erwerb bzw. zur Herstellung eines bestimmten Seeschiffs, Binnenschiffs oder Luftfahrzeugs oder eines konkreten Lagergebäudes gilt dies gleichermaßen. Nicht ausreichend soll sein, dass der Betrieb des Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr bzw. des Binnenschiffs ursprünglich vorgesehen war, wenn das betreffende Fahrzeug nicht entsprechend eingesetzt wird.1 Kommt es später tatsächlich nicht zur Indienststellung des bestellten Schiffes bzw. Luftfahrzeugs durch das investierende Unternehmen – gleich aus welchem Grund; bspw. infolge Insolvenz der Werft, Veräußerung des Bauvertrages durch den Besteller des Schiffes bzw. Luftfahrzeugs –, sollen insgesamt keine Einkünfte i.S.d. Art. 8 vorliegen2 (vgl. Rz. 30 f.) und Art. 7 findet Anwendung. Unter Art. 11 und nicht unter Art. 8 fallen Zinsen aus „Wiederbeschaffungsrücklagen“ für die Anschaffung eines Nachfolgeschiffes/-luftfahrzeugs, solange keine vertraglichen Neubauverpflichtungen bestehen. Nicht anwendbar ist Art. 8 außerdem auf Zinseinkünfte aus der kurzfristigen Anlage nicht betriebsnotwendiger Mittel (vgl. Art. 8 Rz. 14 OECD-MK). 18

Verhältnis zu Art. 13. Nicht Art. 8, sondern der speziellere Art. 13 findet Anwendung auf Gewinne aus der Veräußerung von im internationalen Verkehr betriebenen Seeschiffen und Luftfahrzeugen, von Binnenschiffen sowie von beweglichem Vermögen, das dem Betrieb dieser Fahrzeuge dient. Jedoch enthält Art. 13 Abs. 3 OECD-MA 2014 eine Parallelregelung zu Art. 8 OECD-MA 2014, nach der der Geschäftsleitungsstaat auch insoweit das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht („können nur“) hat. In den Regelungsbereich von Art. 13 Abs. 3 fällt auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe einer Beteiligung an einer Personengesellschaft, soweit der Gewinn auf den Betrieb eines Seeschiffes oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr bzw. auf den Betrieb eines Binnenschiffs entfällt.3 Gleiches gilt für den (anteiligen) Aufgabegewinn dieser Personengesellschaft. 2. Innerstaatliches Recht

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Ertragsteuern. Nach deutschem innerstaatlichem Steuerrecht werden mit dem Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen und/oder Luftfahrzeugen Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Form von Dienstleistungen erzielt. Der Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen löst ggf. ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d Nr. 2 Buchst. c EStG aus, soweit die Einkünfte aus Beförderungen zwischen ausländischen oder von ausländischen zu inländischen Häfen stammen (einschließlich der Einkünfte aus anderen mit solchen Beförderungen zusammenhängenden, sich auf das Ausland erstreckenden Beförderungsleistungen). Unbeachtlich ist insoweit, ob im Ausland eine Betriebsstätte besteht. Wenn eine solche besteht, können auch durch sie und durch einen im Ausland tätigen ständigen Vertreter ausländische Einkünfte begründet werden. Ausländische Einkünfte werden beim Betrieb von Binnenschiffen bei Existenz einer Betriebsstätte im Ausland oder durch einen im Ausland tätigen ständigen Vertreter ausgelöst (§ 34d Nr. 2 Buchst. a EStG). Der Gewerbesteuer unterliegen die erzielten Einkünfte nur, wenn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird und die Einkünfte dieser Betriebsstätte zuzurechnen sind (vgl. Rz. 22).

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„Tonnagesteuer“ gem. § 5a EStG – Überblick. Mit dem „Gesetz zur Anpassung der technischen und steuerlichen Bedingungen in der Seeschifffahrt an den internationalen Standard“ (Seeschifffahrtsanpassungsgesetz) vom 9.9.19984 wurde in Deutschland mit Wirkung vom 1.1.1999 die Gewinnermittlung nach der Tonnage (sog. „Tonnagesteuer“, § 5a EStG) eingeführt.5 Danach können Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland, die ein Handelsschiff im internationalen Verkehr betreiben, ihren Gewinn auf unwiderruflichen Antrag abweichend von den §§ 4 Abs. 1, 5 EStG nach der in ihrem Betrieb geführten Tonnage ermitteln. Ein Betrieb von Handelsschiffen liegt bei jeder Tätigkeit vor, die durch den Zweck, Personen und Güter per Schiff 1 2 3 4 5

Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875. Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875. Wegner/Piorreck in S/K/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 33. Vgl. BGBl. I 1998, 2860 = BStBl. I 1998, 1158. Vgl. BT-Drucks. 13/8023; BMF v. 12.6.2002 – IV A 6 - S 2133a – 11/02, BStBl. I 2002, 614, geändert durch BMF v. 31.10.2008 – IV C 6-S 2133-a/07/10001 – DOK 2008/0103644, BStBl. I 2008, 956 und v. 10.9.2013 – IV C 6-S 2133-a/09/10001:001 – DOK 2013/0835296, BStBl. I 2013, 1152 (eine konsolidierte Fassung sämtlicher Änderungen dieses BMF-Schr. findet sich in OFD Frankfurt am Main v. 8.1.2014, S 2133a A-1-St 210, juris); Hildesheim, DStZ 1999, 283; Rubbens/Stevens, IStR 2000, 1; inzwischen ist die pauschale Besteuerung von Einkünften aus der internationalen Handelsschifffahrt europäischer Standard. Entsprechende Regelungen existieren in Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien, Zypern. Die entsprechenden Regelungen im Ausland gehen teils erheblich über den Anwendungsbereich des § 5a EStG hinaus. Bspw. umfasst die „Tonnagesteuer“ in Dänemark auch Schiffe der Küstenwache, Offshore-Versorgungsschiffe, Schiffe für die Montage, Reparatur und Demontage von Windmühlen, Pipeline- und Kabelverlegungsschiffe, Eismanagementschiffe und Quartierschiffe (vgl. http://europa. eu/rapid/press-release_IP-18-6107_de.htm).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 21 Art. 8 (2014)

zu befördern, ausgelöst wird.1 Unmaßgeblich ist, ob die Tätigkeit unmittelbar oder nur mittelbar (wie z.B. bei Reparaturen, Ballastfahrten und Leerfahrten) der Beförderung von Personen oder Gütern dient.2 Mit der Regelung werden die üblichen Formen der Handelsschifffahrt erfasst, insbesondere Ausrüster nach § 477 HGB, Zeit-, Reise oder Slotvercharterung3 eigener oder bareboat gecharterter Schiffe.4 An die Gewinnermittlung nach der Tonnage ist das Unternehmen zehn Jahre gebunden. In wirtschaftlich guten Zeiten bewirkt die Tonnagesteuer eine effektive Steuerentlastung, hingegen wirkt sie insbesondere in Krisen5 vielfach zum Nachteil der Steuerpflichtigen, da realisierte Verluste steuerlich nicht durchschlagen. Weil es sich um eine Gewinnermittlungsvorschrift handelt, und – anders als bspw. im Tonnagesteuerregime der Republik Zypern6 – Dividenden nicht privilegiert sind, wird ihre Entlastungswirkung auf Ebene des (letzten) Anteilseigners teils zunichte gemacht, wenn Kapitalgesellschaften Betreiber von Handelsschiffen nach § 5a EStG bzw. an entsprechenden Unternehmen – ggf. auch mittelbar über Beteiligungen an Personengesellschaften – beteiligt sind. „Tonnagesteuer“ gem. § 5a EStG – wesentliche Voraussetzungen. Voraussetzung für die Anwendung der Tonnagebesteuerung ist insbesondere, dass die Bereederung im Inland vorgenommen wird. Die Bereederung umfasst die allgemeine Geschäftsbesorgung des Betriebs in kommerzieller, technischer und personeller Hinsicht.7 Das Gesetz verlangt nicht, dass die Bereederung ausschließlich im Inland ausgeübt wird.8 Demzufolge können Tätigkeiten teilweise auch aus dem Ausland vorgenommen werden. Ob das Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, ist ggf. im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung qualitativer und quantitativer Merkmale zu ermitteln. Entscheidend ist, ob die für den Betrieb des Schiffes wesentlichen Bereederungstätigkeiten9 im Inland erledigt werden, wobei je nach Schiffstyp und Aufgabenbereich ggf. auch einzelne der Tätigkeiten im Einzelfall als weniger gewichtig eingestuft werden und daher für die Tonnagebesteuerung unschädlich im Ausland durchgeführt werden können.10 Der BFH verlangt für die Anwendung der Tonnagesteuer u.a. die Absicht des Steuerpflichtigen zum langfristigen Betrieb von Handelsschiffen.11 Daran soll es insbesondere fehlen, wenn eine Einschiffsgesellschaft ihr Schiff bereits vor seiner Indienststellung veräußert hat. Wird der schuldrechtliche Vertrag über die Veräußerung nach der Indienststellung, aber innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt geschlossen, zu dem erstmals alle übrigen Voraussetzungen des § 5a EStG vorlagen („Jahresfrist“), spricht nach Auffassung des BFH eine widerlegliche Vermutung dafür, dass die Einschiffsgesellschaft schon zu Beginn der Jahresfrist nicht die erforderliche Absicht zum langfristigen Betrieb von Handelsschiffen hatte und der Einsatz des Schiffes daher nicht im Rahmen eines Betriebs von Handelsschiffen i.S.d. § 5a EStG erfolgte.12 Im Ausland ansässige Personen können in den Genuss der deutschen Tonnagesteuer nur dann kommen, wenn im DBA zwischen ihrem Ansässigkeitsstaat und Deutschland Art. 8 Abs. 1 OECD-MA 2014 bzw. Art. 8 Abs. 1 DE-VG inhaltsgleich übernommen wurde und Deutschland als Geschäftsleitungsstaat das Besteuerungsrecht für die entsprechenden (anteiligen) Gewinne hat (Rz. 23). Der Gewinn aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags gem. § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG ist als laufender Gewinn i.S. von Art. 8 Abs. 1 OECD-MA zu qualifizieren.13 Das Besteuerungsrecht bei einer Veräußerung eines Mitunternehmer(teil)anteils bestimmt sich nach der hier vertretenen Auffassung dagegen stets nach Art. 13 Abs. 3 OECD-MA.14 So oder so hat der Geschäftsleitungsstaat insoweit das Besteuerungsrecht, wenn das betreffende DBA Art. 8 Abs. 1 bzw. Art. 13 Abs. 3 OECD-MA 2014 entspricht. Ein Steuerinländer kann von der heimischen Tonnagesteuer nur Gebrauch machen, wenn – neben dem Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 5a EStG – der Ort der Geschäftsleitung seines Unternehmens im Inland gelegen ist. In der Praxis folgt der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung einer Schiffs1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Vgl. BFH v. 11.4.1990 – I R 163/87, BStBl. II 1990, 783 zu § 34c Abs. 4 EStG. Vgl. BFH v. 11.4.1990 – I R 163/87, BStBl. II 1990, 783 zu § 34c Abs. 4 EStG. Zu den Begriffen vgl. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Anm. 443. Vgl. BT-Drucks. 13/8023. Vgl. zum sog. „Aufliegen“ Rz. 27. Vgl. Havarias, HANSA International Maritime Journal 2011, 94 f. (95). BMF v. 12.6.2002 – IV A 6-S 2133a-11/02, BStBl. I 2002, 614. Nach Auffassung der FinVerw (BMF v. 12.6.2002 – IV A 6-S 2133a-11/02, BStBl. I 2002, 614, Tz. 2) muss die Bereederung „zumindest fast ausschließlich tatsächlich im Inland durchgeführt werden“; gl.A. FG Schl.-Holst. v. 22.4.2010 – 3 K 66/08, EFG 2010, 1482 (rkr.). Vgl. hierzu BMF v. 12.6.2002 – IV A 6-S 2133a-11/02, BStBl. I 2002, 614, Tz. 1, sowie Kreutziger in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1381 (1402). Vgl. FG Schl.-Holst. v. 22.4.2010 – 3 K 66/08, EFG 2010, 1482 (rkr.). Vgl. BFH v. 26.9.2013 – IV R 46/10, BStBl. II 2014, 253. Vgl. BFH v. 26.9.2013 – IV R 46/10, BStBl. II 2014, 253. Vgl. FG Hamburg v. 8.8.2012 – 2 K 221/11, EFG 2012, 2272; ausdrücklich offengelassen durch BFH v. 13.11.2013 – I R 67/12, BStBl. II 2014, 172. Vgl. Gosch in BFH/PR 2014, 109.

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Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

gesellschaft vielfach dem Ort, an dem die Bereederung bzw. deren wesentlicher Teil durchgeführt wird (vgl. Rz. 44 f.).1 Dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gleichgestellt sind Seeschiffe, die im Wj. überwiegend in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind und in diesem Wj. überwiegend außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer (offshore) zum Schleppen, Bergen oder zur Aufsuchung von Bodenschätzen eingesetzt werden (§ 5a Abs. 2 Satz 5 EStG). 22

Gewerbesteuer – Kürzung für Unternehmen der Seeschifffahrt gem. § 9 Nr. 3 Satz 2 bis 5 GewStG. Deutsche Reeder, die ihren Gewinn weitgehend nicht im Inland erzielen ohne im Ausland Betriebsstätten zu unterhalten, denen der Gewinn zuzurechnen wäre, würden systemwidrig mit Gewerbesteuer belastet, sollte der volle Gewerbeertrag ihres Unternehmens der Gewerbesteuer unterliegen. Die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 Satz 2-5 GewStG verhindert eine solche Belastung mit Gewerbesteuer, soweit diese auf den Teil des inländischen Gewerbeertrags entfällt, der durch den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erzielt wird, d.h. im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See.2 Der nicht der Gewerbesteuer unterliegende Anteil des Gewerbeertrags beträgt danach 80 % des gesamten Gewerbeertrags3 des Schifffahrtsunternehmens.4 Nach zutreffender Auffassung des BFH ist ein „nach § 5a EStG ermittelter Gewinn“ i.S. des § 7 Satz 3 GewStG nur der Gewinn, der nach § 5a Abs. 1 EStG nach der Tonnage berechnet wird. Ungeachtet der Verortung der Hinzurechnungsregelung in § 5a Abs. 4 EStG wird dieser Gewinn nicht der Gewinnermittlung nach der Tonnage, sondern der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich zugeordnet. Dieser Gewinn unterfällt daher dem Anwendungsbereich des § 7 Satz 1 GewStG mit der weiteren Folge, dass die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG zu beachten ist.5

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Beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 EStG.6 Im Ausland ansässige Betreiber von Schiffen und Luftfahrzeugen sind mit ihren gewerblichen inländischen Einkünften nach der allgemeinen Regelung in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt steuerpflichtig, wenn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist; das fahrende Schiff bildet indes keine feste Geschäftseinrichtung i.S.d. § 12 AO und somit keine Betriebsstätte.7 Oft haben Unternehmen, die einen dt. Hafen anlaufen, also hier Güter löschen und laden sowie gegen Entgelt transportieren, im Inland weder eine Betriebsstätte noch einen ständigen Vertreter. Um einen Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung im Inland auch in diesen Fällen zu haben, unterliegen der beschränkten Steuerpflicht ferner Einkünfte, die durch den Betrieb eigener oder gecharterter Seeschiffe oder Luftfahrzeuge aus Beförderungen ausgehender Frachten bzw. Passagen – also zwischen inländischen und von inländischen zu ausländischen Häfen – erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit solchen Beförderungen zusammenhängenden, sich auf das Inland erstreckenden Beförderungsleistungen (z.B. Zubringerdienste), § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG. Nicht erfasst werden danach Beförderungen eingehender Frachten bzw. Passagen, also von ausländischen zu inländischen Häfen, und von inländischen Häfen zur freien See.8 Zu den inländischen Einkünften gehören darüber hinaus die Einkünfte eines ausländischen Unternehmens aus einem Pool-Abkommen oder einer internationalen Betriebsgemeinschaft, bei denen ein Unternehmen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland die Beförderung durchführt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG). Nach § 49 Abs. 4 EStG sind die vorgenannten inländischen Einkünfte steuerfrei, wenn das Betreiberunternehmen seine Geschäftsleitung im Ausland hat und die Gegenseitigkeit mit dem anderen Staat verbürgt ist,9 und ferner das BMVI die Steuerbefreiung für verkehrspolitisch unbedenklich hält. So können unerwünschte Freistellungen von Schiffen unter sog. „Billigflaggen“ (z.B. An-

1 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. 2 Auf die Binnenschifffahrt findet die Regelung keine Anwendung, vgl. BFH v. 10.8.2016 – I R 60/14, BStBl II 2017, 534 = ISR 2017, 6 mit Anm. Rauert. 3 Zur Ermittlung des Kürzungsbetrages vgl. OFD Kiel v. 16.6.1999 – G-1425 A – St 141/S-2283a A - St 132, FR 1999, 866. 4 Hierbei handelt es sich nicht um eine steuerliche Subvention für dt. Reeder, vielmehr beseitigt § 9 Nr. 3 Satz 2-5 GewStG eine ohne diese Norm entstehende systemwidrige Belastung inländischer Schifffahrtsunternehmen mit Gewerbesteuer, vgl. Roser in Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 3 GewStG Rz. 20 ff. 5 Vgl. BFH v. 25.10.2018 – IV R 35/16, v. 25.10.2018 – IV R 40/16, v. 25.10.2018 – IV R 41/16, juris. 6 Vgl. zur Besteuerung der inländischen Einkünfte nichtansässiger Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen aus nationalem Verkehr auch BMF v. 18.5.1993 – IV C 5 - S 1300 - 64/93, IStR 1993, 377 sowie FinMin Nds. v. 28.6.1993 – S 1301-589-33 2, RIW 1993, 695. 7 Vgl. BFH v. 3.2.1974 – I R 219/71, BStBl. II 1974, 361; v. 9.10.1974 – 128/73, BStBl. II 1975, 203; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert bzw. ergänzt durch BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 S 1341/12/10001 – 03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, Tz. 4.5.1. 8 Vgl. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Anm. 410. 9 Vgl. BMF v. 17.1.2018 – IV B 2-S 1301/07/10017-09 – DOK 2018/0042503, BStBl. I 2018, 239.

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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Abs. 1)

Rz. 25 Art. 8 (2014)

tigua und Barbuda, Liberia, Marshallinseln)1 verhindert werden. Die im Inland steuerpflichtigen inländischen Einkünfte werden pauschal mit 5 % der für die Beförderung vereinbarten Entgelte ermittelt (§ 49 Abs. 3 S. 1, 2 EStG), nicht jedoch die Pooleinkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG und auch nicht, soweit das dt. Besteuerungsrecht nach dem einschlägigen DBA ohne Begrenzung des Steuersatzes aufrecht erhalten bleibt (§ 49 Abs. 3 S. 3 EStG). Jedenfalls in Verlustfällen ist die pauschale Gewinnermittlung nach § 49 Abs. 3 EStG nicht mit dem Diskriminierungsverbot nach Art. 24 Abs. 3 OECD-MA und EU-Recht zu vereinbaren2 und das nach den allgemeinen Regelungen ermittelte negative Ergebnis anzusetzen.3 Die Tonnagesteuer (§ 5a EStG) tritt hinter der spezielleren Regelung in § 49 Abs. 3 EStG zurück4 und kommt nur in den in § 49 Abs. 3 S. 3 EStG genannten Fällen – dt. Besteuerungsrecht bleibt nach DBA unbegrenzt aufrecht erhalten und/oder bei Pooleinkünften i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG – und nur für Einkünfte in Betracht, die aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gem. § 5a Abs. 2 EStG stammen.

B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Abs. 1) I. Regelungszweck Besteuerung durch den Geschäftsleitungsstaat. Die Vorschrift soll vor allem der Vereinfachung dienen. Für die Ergebnisse aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr hat nach Art. 8 Abs. 1 OECD-MA 2014 der Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens als Quellenstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht (vgl. Rz. 1). Abweichend vom OECDMA 2014 wird in einigen DBA nicht auf den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung, sondern auf den Ansässigkeitsstaat des Unternehmens abgestellt (Art. 8 Rz. 2 OECD-MK 2014).5 Soweit das Unternehmen über den genuinen Betrieb nach Art. 8 Abs. 1 (vgl. hierzu die Darstellung in Rz. 30) hinaus noch andere gewerbliche Haupttätigkeiten ausübt, gilt nicht die spezielle Regelung des Art. 8, sondern das Betriebsstättenprinzip bzw. Art. 7 (vgl. Rz. 15).

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II. Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen Begriff. Der Ausdruck „Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen“ ist im Abkommensrecht nicht definiert. Seine Auslegung bestimmt sich somit nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaats, sofern es den Begriff in einer spezifischen Bedeutung verwendet und nicht gewichtige Gründe für eine abweichende Auslegung sprechen (Art. 3 Abs. 2).6 Bei der Auslegung haben Sinn und Zweck des Art. 8 (vgl. Rz. 2) stets Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht. Eine vom innerstaatlichen Recht abweichende Auslegung ist daher nur geboten, wenn andernfalls der Sinn und Zweck der Vorschrift ins Leere zu laufen droht. Ein anderes Verständnis würde ohne hinreichenden Grund die Gefahr fördern, dass das Abkommen in den einzelnen Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt wird, und damit der im Grundsatz angestrebten Entscheidungsharmonie7 entgegenwirken. Im deutschen Recht finden sich insbesondere in den §§ 5a, 34d Nr. 2 Buchst. c EStG, § 34c EStG 19798 Regelungen, die zur Auslegung des Begriffs herangezogen werden können. Dabei ist jedoch insbesondere zu berücksichtigen, dass die §§ 5a EStG, 34c Abs. 4 EStG 19799 Subventionscharakter10 haben.

1 Vgl. zur Flaggenstruktur der dt. Handelsflotte https://www.reederverband.de/fileadmin/vdr/images/Daten_und_ Fakten/infopool2018/downloads/pdf/en/10-Flag-structure-in-the-German-merchant-fleet.pdf. 2 Vgl. Gosch in Kirchhof17, § 49 EStG Rz. 20; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 237; BFH v. 22.4.1998 – I R 54/96, IStR 1998, 504 ff.; a.A. FG Hamburg v. 20.7.1999 – II 299/97, EFG 1999, 1230. Die dagegen gerichtete Revision war unbegründet, weil nach Ansicht des BFH ausl. jur. Personen kein Grundrechtsschutz zusteht, BFH v. 24.1.2001 – I R 81/99, BStBl. II 2001, 290; die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG nicht angenommen, vgl. BVerfG v. 8.11.2001 – 1 BVR 722/01, n.v. 3 Vgl. BMF v. 18.5.1993 – IV C 5 - S 1300 - 64/93, IStR 1993, 377; FinMin Nds. v. 28.6.1993 – S 1301-589-33 2, RIW 1993, 695. 4 Vgl. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 100; Lieber in H/H/R, § 49 EStG Anm. 413. 5 Vgl. die Übersicht bei Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MARz. 35. 6 Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 110 ff. 7 S. hierzu Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 113 ff. 8 BStBl. I 1979, 379 (420) zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 9 BStBl. I 1979, 379 (420) zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 10 Vgl. BT-Drucks. 13/7480, 202 zu § 34c Abs. 4 EStG 1979; BFH v. 20.11.2006 – VIII R 33/05, BStBl. II 2007, 261 zu § 5a EStG: „Subventionsvorschrift im Gewand einer pauschalierenden Gewinnermittlungsvorschrift.“

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Art. 8 (2014) Rz. 26

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

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Schiff. Ein Schiff im Rechtssinn ist ein schwimmfähiger Hohlkörper von nicht ganz unbedeutender Größe, der fähig und bestimmt ist, auf oder auch unter dem Wasser fortbewegt zu werden und dabei Personen oder Sachen zu tragen, einerlei, ob er sich durch Eigen- oder Fremdantrieb fortbewegt.1 Unter einem Schiff i.S.d. Art. 8 ist danach jedes auf oder unter dem Wasser schwimmende Transportmittel anzusehen;2 dazu gehören auch selbstschwimmende Kunststoffbehälter zum Transport von Flüssigkeiten.3 Keine Schiffe i.S.d. Vorschrift sind z.B. Schwimmbagger, Schwimmkräne, Bergungsschiffe, dem Fischfang dienende Schiffe – es sei denn, sie werden ausnahmsweise zum Transport eingesetzt – sowie Schiffe zum Aufsuchen von Bodenschätzen, zur Vermessung von Energielagerstätten oder zum Verbrennen von Chemikalien auf hoher See.4 Nach Art. 8 Rz. 18 des OECD-MK ist es den Vertragsparteien jedoch unbenommen, durch zweiseitige Vereinbarungen auch Gewinne bspw. aus dem Betrieb von Schiffen, die für den Fischfang, für Baggerarbeiten oder für den Schleppdienst auf Hoher See eingesetzt sind, in den Anwendungsbereich des Artikels einzubeziehen.5 Weshalb Hochseeschlepper nur bei ausdrücklicher Vereinbarung in den Regelungsbereich des Art. 8 fallen sollen, ist indes nicht einsichtig, dienen sie doch stets auch dem Transport bzw. der Beförderung;6 Hochseeschlepper sind nach der hier vertretenen Auffassung daher grundsätzlich Schiffe i.S.d. Norm.7 Nicht Transportzwecken dient die Hafenassistenz. Auf Hafenschlepper findet Art. 8 daher regelmäßig keine Anwendung. Schwieriger ist die Abgrenzung bei sog. Offshore-Installationsschiffen. Ihr Einsatz enthält mit dem Transport von Windturbinen und deren Errichtung auf Hoher See regelmäßig zwei Bestandteile. Wenn es sich dabei um eine einheitliche Leistung handelt und die Beförderung nicht im Vordergrund steht, dürfte Art. 8 diese Schiffe wohl nicht umfassen.8 Reine Wohn-, Lager-, Restaurant- und Museumsschiffe, die dauerhaft nicht zur Fortbewegung bestimmt und an Land festgemacht sind, sowie Pontons und Schwimmdocks sind nach der obigen Definition hingegen keine Schiffe i.S.d. Art. 8.9

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Seeschiff. Ob ein Schiff ein Seeschiff ist, bestimmt sich mangels abkommensrechtlicher Regelung nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaats, für Deutschland nach dem Seerecht. § 1 FlaggRG10 bezeichnet u.a. als Seeschiff alle Kauffahrteischiffe und sonstigen zur Seefahrt11 bestimmten Schiffe. Von demselben Begriff geht die SchRegO12 aus; denn nach deren § 3 Abs. 2 werden in das Seeschiffsregister „die Kauffahrteischiffe und andere zur Seefahrt bestimmten Schiffe (Seeschiffe)“ eingetragen. Die Eintragung eines Schiffes in das deutsche Seeschiffsregister indiziert deshalb seine Eigenschaft als Seeschiff. Erforderlich ist ferner, dass das Seeschiff zum Einsatz in der Seeschifffahrt geeignet und bestimmt ist und tatsächlich auch zu diesem Zweck verwendet wird,13 also insbesondere zu mehr als der Hälfte der tatsächlichen Reisetage des gesamten Wirtschaftsjahres in der Seefahrt eingesetzt wird. Dabei gelten auch Wartezeiten des Schiffes im betriebsbereiten Zustand wie das sog. „warme“ Aufliegen14 in Häfen oder auf Reeden in Ho1 Vgl. Schaps-Abraham, Das Seerecht4, Vor § 476 Rz. 1, 5. 2 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 12; Rolf in G/K/G/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 7; a.A. BFH v. 21.9.1955 – V 106/55 U, BStBl. III 1955, 358 (359); Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Anm. 36, sowie Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 16 (jeweils m.w.N.), wonach unter einem Schiff i.S.d. Art. 8 jedes auf dem Wasser schwimmende Fahrzeug ohne Rücksicht darauf anzusehen ist, welchem Verwendungszweck es dient und ob sich das Schiff mit eigener oder fremder Kraft bewegt. Danach scheiden nicht Transportzwecken dienende Fahrzeuge ggf. erst über das Erfordernis des internationalen Verkehrs („Beförderung“) aus dem Regelungsbereich der Vorschrift aus. In der Praxis ist diese Divergenz ggf. von Bedeutung, wenn Abkommen entgegen Art. 8 nicht einen Betrieb im internationalen Verkehr voraussetzen, vgl. z.B. Art. 7 DBA-Luxemburg a.F. und Art. 7 DBA-Niederlande a.F. 3 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 12. 4 Vgl. BFH v. 28.3.1984 – I S 17/83, BStBl. II 1984, 566 f. zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 5 Vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert bzw. ergänzt durch BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 – 03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, Tz. 4.5.3, wonach Baggerarbeiten und Schleppdienste unter die Schifffahrtseinkünfte nur fallen, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde. 6 Vgl. das zu § 34c EStG 1979 ergangene BFH-Urt. v. 11.4.1990 – I R 163/87, BStBl. II 1990, 783; a.A. Krabbe in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Dänemark Rz. 18. 7 A.A. offenbar Art. 8 Rz. 18 OECD-MK; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076 geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 und BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 – S 1341/07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. 2009, 888, Tz. 4.5.3. 8 Vgl. BFH v. 28.3.1984 – I S 17/83, BStBl. II 1984, 566 f. zu § 34c Abs. 4 EStG 1979; vgl. auch Voß, HANSA International Maritime Journal 2012, 89 zu § 5a EStG. 9 Vgl. Bahnsen in Rabe/Bahnsen, Seehandelsrecht5, Vor § 476 Rz. 8 m.w.N. 10 BGBl. I 1994, 3140, zuletzt geändert durch Gesetz v. 18.7.2016, BGBl. I 2016, 1666. 11 Vgl. § 1 FlRV, BGBl. I 1990, 1389, zuletzt geändert durch Gesetz v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 202. 12 BGBl. I 1994, 1133, zuletzt geändert durch Gesetz v. 5.7.2017, BGBl. I 2017, 2208. 13 Vgl. BFH v. 2.9.1971 – V R 8/67, BStBl. II 1972, 45. 14 Im Gegensatz zum sog. „kalten“ Aufliegen hat das Schiff beim „warmen“ Aufliegen noch eine Mindestbesatzung an Bord. Weil sich das Schiff beim warmen Aufliegen im betriebsbereiten Zustand befindet, kann es kurzfristig

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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Abs. 1)

Rz. 29 Art. 8 (2014)

heitsgewässern nicht als Reisezeiten.1 Fahrten zu und von den Einsatzorten wie bspw. in der Schleppschifffahrt sind den jeweiligen Einsätzen zuzuordnen.2 Seefahrt findet nach § 1 FlRV3 jenseits der Festlands- und Inselküstenlinie bei mittlerem Hochwasser (Küste), der Verbindungslinie der Molenköpfe von Häfen an der Küste (Häfen) oder der seewärtigen Begrenzung der Binnenwasserstraßen oder Mündungen von Flüssen, die keine Binnenwasserstraßen sind, (Flussmündungen) statt. Seeschiffe können gelegentlich auch Binnenwasserstraßen (z.B. die Elbe bis zum Hamburger Hafen, die Weser bis Bremen, den Rhein bis Duisburg) und Binnenschiffe auch Seegewässer befahren, ohne dadurch ihre Eigenschaft als See- oder Binnenschiff zu verlieren.4 Bedeutung erlangt diese Unterscheidung abkommensrechtlich, wenn ein DBA ausdrücklich nur die Seeschifffahrt, nicht aber die Binnenschifffahrt regelt,5 sowie in Fällen, in denen Seeschiffe nicht grenzüberschreitend verkehren, wie z.B. in der Küstenschifffahrt (Kabotage). Küstenschifffahrt ist die Beförderung von Fahrgästen oder Gütern von einem inländischen Ort zu einem anderen inländischen Ort unter Benutzung des Seeweges, § 1 KüSchV;6 sie ist daher Seeschifffahrt auch dann, wenn sie mit Binnenschiffen betrieben wird.7 Regelt ein DBA nur die internationale Schifffahrt und nicht ausdrücklich auch die Binnenschifffahrt entsprechend Art. 8 Abs. 2 OECD-MA 2014, fällt der Betrieb von Binnenschiffen im internationalen Verkehr in den Anwendungsbereich des Art. 8, nicht hingegen der Betrieb von Binnenschiffen im rein nationalen Verkehr (insoweit gilt das Betriebsstättenprinzip des Art. 7).8 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die deutsche Übersetzung der Begriffe „shipping“ bzw. „ships“ in Art. 8 OECD-MA jedenfalls vor dem „Update 2017“9 stets „Seeschifffahrt“ bzw. „Seeschiffe“ lautete, während „boats engaged in inland waterways transport“ in Art. 8 stets mit „Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen“ übersetzt worden ist bzw. wird; die OECD differenziert hingegen nicht zwischen den Begriffen „ship“ und „boat“ (vgl. Art. 8 Rz. 16 OECD-MK).10 Sofern Deutschland Anwenderstaat ist und das entsprechende DBA die Binnenschifffahrt in Art. 8 nicht ausdrücklich regelt,11 beschränkt sich dessen Anwendungsbereich aufgrund des ausdrücklichen Wortlauts in der offiziellen Übersetzung auf die Seeschifffahrt und Luftfahrt im internationalen Verkehr, und die Binnenschifffahrt fällt in den Anwendungsbereich des Art. 7.12 Beispiel: Ein im dt. Seeschiffsregister eingetragener Hochseeschlepper befindet sich im Wj. an 150 Tagen auf Schleppfahrten außerhalb deutscher Hoheitsgewässer, i.Ü. im Hamburger Hafen für Schleppdienste innerhalb der deutschen Hoheitsgewässer (100 Tage) und liegend auf neue Order wartend (restliche Zeit). Das Schleppschiff ist zum Einsatz in der Seeschifffahrt geeignet und bestimmt und es wird im Wj. auch tatsächlich zu diesem Zweck verwendet, da es gemessen an den tatsächlichen Reisetagen (250) überwiegend seewärts der Grenzen des § 1 FlRV eingesetzt wird.13 Das Schleppschiff ist daher ein Seeschiff i.S.d. Art. 8 Abs. 1. Anwendung findet die Norm jedoch nur dann, wenn und soweit es auch im internationalen Verkehr eingesetzt wird (vgl. insoweit die Darstellung in Rz. 37).

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Luftfahrzeuge. Luftfahrzeuge sind alle Fahrzeuge, die sich im Luftraum fortbewegen. Nach der Definition in § 1 Abs. 2 LuftVG14 umfasst der Begriff „Flugzeuge, Drehflügler, Luftschiffe, Segelflugzeuge, Motorsegler, Frei- und Fesselballone, Rettungsfallschirme, Flugmodelle, Luftsportgeräte und sonstige für die Benutzung

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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

wieder in Fahrt gesetzt werden. Die FinVerw. begreift die Zeiten des „warmen“ Aufliegens regelmäßig als Betriebstage i.S.d. § 5a Abs. 1 S. 2 EStG (str.). Jedenfalls die Zeiten des „kalten“ Aufliegens sind wie die Zeiten des Umbaus oder der Großreparatur (vgl. BMF v. 12.6.2002 – IV A 6 - S 2133a - 11/02, BStBl. I 2002, 614, Tz. 4) keine Betriebstage i.S.v. § 5a Abs. 1 S. 2 EStG; Seeger in Schmidt37, § 5a EStG Rz. 17. I.E. ebenso OFD Hamburg v. 24.10.2001 – S 2377 – 103/01 St 323 zu § 41a Abs. 4 EStG 1997, wonach Wartezeiten im betriebsbereiten Zustand anteilig auf inländische und auf Einsätze außerhalb deutscher Hoheitsgewässer zu verteilen sind; wohl a.A. BMF v. 12.6.2002 – IV A 6 - S 2133a - 11/02, BStBl. I 2002, 614, Tz. 5. Vgl. OFD Hamburg v. 24.10.2001 – S 2377 – 103/01 St 323 zu § 41a Abs. 4 EStG 1997. Vgl. FlRV v. 4.7.1990, BGBl. I 1990, 1389, zuletzt geändert durch Gesetz v. 29.3.2017, BGBl. I 2017, 626. Vgl. Nöll/Wiegand/Wiegand in Staudinger (Aug. 2009), § 1 SchiffsRG Rz. 13. Vgl. Übersicht bei Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 35. Vgl. VO über die Küstenschifffahrt v. 5.7.2002, BGBl. I 2002, 2555, zuletzt geändert durch Gesetz v. 29.03.2017, BGBl. I 2017, 626. Vgl. Bahnsen in Bahnsen/Rabe, Seehandelsrecht5, Einf. 32 m.w.N. Art. 8 Rz. 16 OECD-MK 2017; vgl. Sasseville, Historical Background of Proposed Changes to Articles 8 and 15 (3) OECD Model, in Maisto, Taxation of Shipping and Air Transport in Domestic Law, EU Law and Tax Treaties, 73 (101 f.); Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1173). Siehe zur inoffiziellen deutschen Übersetzung zum Update 2017 Art. 8 (2017) Rz. 1 ff. Eine offizielle deutsche Übersetzung des OECD-MA 2017 lag bei Redaktionsschluss dieser Auflage nicht vor. Art. 8 Rz. 16 OECD-MK 2017; vgl. Sasseville, Historical Background of Proposed Changes to Articles 8 and 15 (3) OECD Model, in Maisto, Taxation of Shipping and Air Transport in Domestic Law, EU Law and Tax Treaties, 73 (102). Vgl. Übersicht bei Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 35. Vgl. z.B. Art. 8 DBA-Japan (Rz. 95c). Vgl. das zu § 34c EStG 1979 ergangene Urteil des BFH v. 11.4.1990 – I R 163/87, BStBl. II 1990, 783. RGBl. I 1922, 681, zuletzt geändert durch Gesetz v. 20.7.2017, BGBl. I 2017, 2808.

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Art. 8 (2014) Rz. 29

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

des Luftraums bestimmte Geräte, sofern sie in Höhen von mehr als dreißig Metern über Grund oder Wasser betrieben werden können. Raumfahrzeuge, Raketen und ähnliche Flugkörper gelten als Luftfahrzeuge, solange sie sich im Luftraum befinden“. Ebenfalls als Luftfahrzeuge gelten unbemannte Fluggeräte einschließlich ihrer Kontrollstation, die nicht zu Zwecken des Sports oder der Freizeitgestaltung betrieben werden (unbemannte Luftfahrtsysteme). Nicht zu den Luftfahrzeugen i.S.d. Art. 8 gehören Fesselballone, Fallschirme, Flugmodelle sowie Sportflugzeuge, da sie üblicherweise nicht zur Beförderung im internationalen Verkehr eingesetzt werden. Luftkissenboote (Hovercrafts) werden von der Verkehrsanschauung als Schiffe angesehen. Obwohl sie über dem Boden bzw. dem Wasser schweben, gehören sie daher nicht zu den Luftfahrzeugen i.S.d. Norm. 30

Betrieb. Der Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr i.S.d. Art. 8 Abs. 1 umfasst die Beförderung von Personen und/oder Gütern sowie sämtliche mit dieser Beförderung i.Z. stehenden Hilfs- und Nebentätigkeiten. Gewinne nach Art. 8 müssen zumindest mittelbare Folge des Betriebs eines Seeschiffes oder Luftfahrzeuges im internationalen Verkehr sein. Aus dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 („aus dem Betrieb“) bzw. aus der Auslegung des Begriffs „aus dem Betrieb“ unter Zuhilfenahme nationalen Rechts1 folgert der BFH, dass die Norm nicht nur eine Begrenzung auf bestimmte Tätigkeiten vorsieht, sondern dass diese auch – zumindest zeitweilig – durchgeführt werden müssen.2 Gewinne stammen nach jener Ansicht deshalb nur dann „aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen“, wenn es tatsächlich zum Betrieb eines Seeschiffes oder Luftfahrzeuges kommt, d.h. die Haupttätigkeit muss (irgendwann) ausgeübt werden bzw. worden sein.3 Scheitert die Indienststellung – gleich aus welchem Grund – fallen die Unternehmensgewinne in den Regelungsbereich des Art. 7.

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Scheitern der Indienststellung – eigene Auffassung. Die vorstehend skizzierte Auffassung des BFH (vgl. Rz. 30) ist jedoch weder zwingend4 noch überzeugend: Die Frage, wann ein Betrieb i.S.d. Art. 8 beginnt oder endet, bestimmt sich nach dem Recht des Anwenderstaats. Soweit dt. Steuerrecht Anwendung findet, ist es unstreitig, dass Einzelunternehmer bei endgültiger Entscheidung zur Betriebseröffnung Einkünfte „aus“ Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bereits mit den ersten vorbereitenden Maßnahmen erzielen, die mit dem Betrieb im unmittelbaren Zusammenhang stehen.5 Auch bei Mitunternehmerschaften ist nicht erforderlich, dass die PersG bereits eine werbende Tätigkeit aufgenommen hat, die Vorbereitung hierfür genügt, sofern der Gewerbebetrieb gemeinsam begonnen wird und die gemeinsame Betätigung alle Merkmale eines Gewerbebetriebs erfüllt.6 Anders verhält es sich hingegen bei der GewSt, die an die werbende Tätigkeit eines Unternehmens anknüpft.7 Schließlich irrt der BFH, wenn er in der Rspr. zu § 34c Abs. 4 EStG 19798, wonach „ein begünstigtes Hilfsgeschäft ein begünstigtes Hauptgeschäft erfordert“9, die also insbesondere auf dem Subventionscharakter10 der Vorschrift fußt, eine Vorgabe nationalen Rechts für seine Entscheidung sieht. Das Privileg, das der Gesetzgeber dt. Reedern mit § 34c Abs. 4 EStG 197911 zu gewähren bereit war, verfolgte das Ziel, Wettbewerbsnachteile gegenüber der Konkurrenz in Staaten mit sog. „Billigflaggen“ auszugleichen bzw. die dt. Flagge zu stärken, indem einer Ausflaggung in jene Flaggen entgegengewirkt werden sollte.12 Dieses Ziel wird naturgemäß nur erreicht, wenn es auch zur Infahrtsetzung des Schiffes kommt; m.a.W. besteht für eine Subvention keine Rechtfertigung, wenn der mit ihr verfolgte Zweck nicht mehr erreicht werden kann.13 Weshalb jene Rspr. aber für die abkommensrechtliche Qualifikation von Einkünften maßgeblich sein soll, ist nicht einsichtig. Nach der hier vertretenen Auffassung findet deshalb Art. 8 auch dann Anwendung, wenn der Betrieb eines Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ur1 Vgl. BFH v. 14.11.1983 – IV R 74/80, BStBl. II 1984, 155 zu § 34c Abs. 4 EStG 1979; vgl. auch BFH v. 26.9.2013 – IV R 46/10, BStBl. II 2014, 253 zu § 5a EStG 2002. 2 Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875. 3 Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875. 4 Vgl. BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; FG Nds. v. 11.3.1998 – II-582/94 (rkr.), n.v.; a.A. BFH v. 14.3.1989 – I R 39/85, BStBl. II 1989, 599. 5 Vgl. z.B. Wacker in Schmidt37, § 15 EStG Rz. 129 m.w.N. 6 Vgl. z.B. Wacker in Schmidt37, § 15 EStG Rz. 195 m.w.N. 7 Vgl. z.B. BFH v. 5.3.1998 – IV R 23/97, BStBl. II 1998, 745; v. 30.8.2012 – IV R 54/10, DB 2012, 243; R 2.5 Abs. 1 GewStR 2009; vgl. auch H 2.5 Abs. 1 GewStH 2016 – Veräußerung des Schiffs einer Einschiffsgesellschaft vor seiner Indienststellung. 8 BStBl. I 1979, 379 (420) zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 9 BFH v. 14.11.1983 – IV R 74/80, BStBl. II 1984, 155 (158). 10 Vgl. BT-Drucks. 13/7480, 202. 11 BStBl. I 1979, 379 (420) zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 12 Vgl. z.B. Probst in H/H/R, § 49 EStG Anm. 128 (Stand: Juli 1998). 13 Vgl. BFH v. 26.9.2013 – IV R 46/10, BStBl. II 2014, 253 sowie v. 26.9.2013 – IV R 45/11, BStBl. II 2015, 296 zu § 5a EStG, der als „Lenkungsnorm mit Subventionscharakter“ nur den langfristig angelegten, nicht aber den vorübergehenden Betrieb von Handelsschiffen umfasst.

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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Abs. 1)

Rz. 33 Art. 8 (2014)

sprünglich vorgesehen war, es später aber – warum auch immer – nicht zum Einsatz des nämlichen Fahrzeugs kommt.1 War der Betrieb gem. Art. 8 dagegen gar nicht erst beabsichtigt, findet Art. 8 keine Anwendung. Hier wie dort ist dies eine Tatfrage, maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls. Der Verkauf des Bauvertrages über ein Seeschiff oder Luftfahrzeug mit der Folge, dass es zur Indienststellung durch das bestellende Unternehmen nicht mehr kommt, kann prima facie gegen eine Absicht zum Betrieb i.S.d. Art. 8 sprechen.2 Ist Deutschland Anwenderstaat, muss es sich beim „Betrieb“ um eine Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG handeln; nicht ausreichend ist eine nur gewerbliche Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Erforderlich ist somit insbesondere eine selbständige nachhaltige und mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübte Betätigung, die auf den Einsatz eines Seeschiffes oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ausgerichtet ist und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Erscheinungsformen des Betriebs. Für die Anwendung des Art. 8 ist nicht Voraussetzung, dass der Betrei- 32 ber auch Eigentümer des Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs ist. Etwas missverständlich ist deshalb Art. 8 Rz. 19 OECD-MK, wonach „eigene“ Schiffe oder Luftfahrzeuge („belonging to them“) betrieben werden müssen. Tatsächlich kommt es im Regelungsbereich des Art. 8 nicht auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse an; auch der in der Praxis (insbesondere im Liniendienst) häufig anzutreffende Betrieb gecharterter, gemieteter oder geleaster Seeschiffe bzw. Luftfahrzeuge fällt in den Regelungsbereich der Vorschrift (vgl. Art. 8 Rz. 4 OECD-MK). Umgekehrt werden von der Spezialregelung auch die Gewinne aus der Vercharterung des Seeschiffes (sog. „Trampschifffahrt“) und/oder des Luftfahrzeugs (sog. „wet lease“) erfasst, wenn das Fahrzeug vollständig ausgerüstet und bemannt überlassen wird (vgl. Art. 8 Rz. 5 OECD-MK; unabhängig von der Nutzung durch den Charterer)3. Deshalb gehört insbesondere die Vercharterung im Wege der Time Charter,4 der Reisecharter5 und der Slot Charter6 zum Betrieb eines Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs i.S.d. Norm. Nicht erforderlich für die Anwendung von Art. 8 ist, dass der Vercharterer ein eigenes Seeschiff bzw. Luftfahrzeug vollständig ausgerüstet und bemannt überlässt. Vielmehr fallen auch die Gewinne eines Vercharterers aus der Überlassung eines vollständig ausgerüsteten und bemannten Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs, das dieser bareboat (leer) eingechartert hat, in den Regelungsbereich der Vorschrift. Auf Seiten des Charterers ist zu differenzieren: Verwendet der Charterer das Schiff bzw. Luftfahrzeug für eigene Transportzwecke – bspw. zur Beförderung von Erzen zur Weiterverarbeitung durch sein Unternehmen – ist er kein Betreiber i.S.d. Art. 8. Wenn er das Schiff bzw. Luftfahrzeug dagegen verwendet, um für ein anderes (Konzern-) Unternehmen einen Transport auszuführen, unterliegen die aus der Beförderung erzielten Gewinne Art. 8. Dabei ist es gleichgültig, ob der Charterer das Schiff bzw. Luftfahrzeug bareboat oder ausgerüstet einchartert.7 Deshalb kann auch ein Unternehmen, das die Überlassung einer festen Kapazität an Frachtraum erwirbt – bei Schiffen zumeist in Form von Containerstellplätzen – und über diese Kapazität eigens Frachtverträge abschließt, aus dieser Tätigkeit Einkünfte gem. Art. 8 erzielen.8 Ein Seeschiff bzw. Luftfahrzeug kann somit mehrere Betreiber i.S.d. Art. 8 haben.9 Leervermietung. Die Leervermietung von Seeschiffen (sog. „Bareboat-Charter“) bzw. Luftfahrzeugen (sog. „dry lease“) stellt hingegen keinen Betrieb i.S.d. Regelung dar. Daraus erzielte Gewinne werden als Unternehmenseinkünfte grundsätzlich von Art. 7 erfasst (vgl. Art. 8 Rz. 5 OECD-MK), sofern die Vermietung gewerblich ist; andernfalls gilt Art. 21 (vgl. Art. 21 Rz. 17 ff.). Nach älteren Abkommen, die in Übereinstimmung mit der bis zum Jahr 1992 geltenden Fassung des OECD-MA geschlossen wurden, sind die Erträge aus der Bareboat-Charter als Mieteinkünfte aus gewerblichen Ausrüstungen Lizenzgebühren.10 Von Art. 8 und nicht von Art. 7 erfasst wird aus Vereinfachungsgründen hingegen die nur gelegentliche Leervermietung von Fahrzeugen des i.Ü. Seeschifffahrt bzw. Luftfahrt im internationalen Verkehr betreibenden Unternehmens (vgl. Art. 8 Rz. 5 OECD-MK). In Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DE-VG ist dies ausdrücklich klargestellt (vgl. Art. 8 1 A.A. Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Anm. 12, der die BFH-Auffassung zusammenfassend wiedergibt, ohne ihr weitergehende Substanz zu verleihen. 2 Für die Anwendung des § 5a EStG hat der BFH entschieden, dass im Fall einer Veräußerung eines Schiffes vor dem Zeitpunkt, zu dem erstmals alle übrigen Voraussetzungen des § 5a EStG vorliegen, unwiderlegbar feststeht, dass es an der Absicht zum langfristigen Betrieb von Handelsschiffen i.S.d. § 5a EStG fehlt; gleiches soll gelten, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits feststeht, dass das Schiff innerhalb des folgenden Jahres veräußert werden soll und es auch innerhalb dieser Frist veräußert wird, BFH v. 26.9.2013 – IV R 46/10, BStBl. II 2014, 253. 3 Vgl. BMF v. 3.5.2018 – IV B 2-S 1300/08/10027 – DOK 2018/0353235, BStBl. I 2018, 643, Rz. 350. 4 Zum Begriff vgl. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Anm. 443. 5 Zum Begriff vgl. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Anm. 443. 6 Zum Begriff vgl. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Anm. 443. 7 A.A. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Anm. 443, wonach beim Charterer insbesondere bei der Reise- und Slot Charter kein Betrieb i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG gegeben ist. 8 Vgl. Wolter in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1353 (1368). 9 Vgl. BFH v. 7.12.1989 – IV R 86/88, BStBl. II 1990, 433. 10 Vgl. hierzu Görl in Vogel2, Art. 8 OECD-MA Rz. 32.

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Art. 8 (2014) Rz. 33

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

DE-VG Rz. 41). Wann eine Leervermietung noch gelegentlich ist, hängt von ihrer Dauer und wirtschaftlichen Bedeutung für das Unternehmen ab.1 Eine pauschale Einordnung der Leervercharterung, die sich allein an der Laufzeit des Bareboat-Chartervertrages orientiert,2 trägt zwar zur Vereinfachung bei, sie dürfte jedoch in vielen Fällen zu unsachgerechten Ergebnissen führen. Maßgeblich sind auch hier stets die Umstände des Einzelfalls, wozu insbesondere die Anzahl der insgesamt betriebenen Schiffe bzw. Luftfahrzeuge des Unternehmens gehört. So ist es z.B. von Bedeutung, ob das Unternehmen sein einziges Schiff bzw. Luftfahrzeug über einen Zeitraum von zwei Jahren überwiegend leer verchartert (kein Art. 8), oder dieses Schiff zu einer größeren Flotte des Unternehmens gehört (Anwendung von Art. 8 in Abhängigkeit von der Flottengröße grds. möglich). Eine Leervercharterung kann in Krisenzeiten für das Unternehmen an Bedeutung gewinnen, wenn Schiffe der Unternehmensflotte z.B. mangels Beschäftigung aufliegen. Für die abkommensrechtliche Qualifikation der Einkünfte aus der Leervercharterung dürfte es dennoch unbeachtlich sein, ob die übrigen Schiffe in Beschäftigung sind oder aufliegen, so dass die allein durch das Aufliegen bedingte zunehmende Bedeutung der Leervercharterung nicht zu einer anderen Verteilung des Besteuerungsrechts führt. 34

Hilfs- und Nebengeschäfte – Grundsätze. Neben der Beförderung von Personen und/oder Gütern umfasst der Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen nach Art. 8 Abs. 1 sämtliche mit dieser Beförderung zusammenhängenden Hilfs- und Nebentätigkeiten. Die Beurteilung, ob eine Tätigkeit noch zum Betrieb von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr zählt oder als eigenständige Leistung unter eine andere Verteilungsnorm fällt, bereitet in der Praxis gelegentlich Schwierigkeiten. Für Zwecke der Abgrenzung ist von folgenden Definitionen auszugehen: Zu den Nebentätigkeiten gehören solche Geschäfte, die nicht den eigentlichen Zweck des Betriebs von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr ausmachen und sich auch nicht notwendig aus dem eigentlichen Geschäftsbetrieb ergeben, aber in seiner Folge vorkommen und nebenbei miterledigt werden (vgl. Art. 8 Rz. 4.2 OECD-MK).3 Hilfsgeschäfte sind solche Geschäfte, die der Geschäftsbetrieb üblicherweise mit sich bringt und die die Aufnahme, Fortführung und Abwicklung der Haupttätigkeit erst ermöglichen. Sie stehen in einer funktionalen Beziehung zum Hauptgeschäft und können diesem als Vorbereitungstätigkeiten auch zeitlich vorangehen, z.B. die Einstellung von Personal, das Anmieten von Geschäftsräumen, die Anschaffung von Maschinen und Material sowie die Anschaffung oder Herstellung von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen, die im internationalen Verkehr betrieben werden.4 Erforderlich für die Einordnung von Hilfs- und Nebengeschäften in den Regelungsbereich des Art. 8 ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr. Erfasst werden damit Geschäfte, die sich auf die Aufnahme, die Fortführung und die Abwicklung des Betriebs beziehen. Dabei sind nicht nur die Gewinne in den Anwendungsbereich des Art. 8 einbezogen, die durch den Einsatz des Schiffes bzw. Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr unmittelbar veranlasst sind, sondern auch Aufwendungen während der Ballast-, Leer- und Reparaturzeiten.5 Anwendung auf die Einkünfte aus Hilfs- und Nebentätigkeiten findet Art. 8 nach Auffassung des BFH jedoch stets nur dann, wenn das Seeschiff bzw. Luftfahrzeug auch tatsächlich – zumindest zeitweilig – in Dienst gestellt wird (vgl. Rz. 30).6 Entsprechende Erträge und Aufwendungen fallen danach nur dann unter Art. 8, wenn die Haupttätigkeit später auch ausgeübt wird.7 Wird das Seeschiff oder Luftfahrzeug unmittelbar nach Fertigstellung veräußert oder kommt es aus anderen Gründen nicht zur Ablieferung durch die Werft bzw. zum Einsatz des Seeschiffes im internationalen Verkehr durch den Besteller, so soll der erforderliche Zusammenhang des Hilfsgeschäfts zum Hauptgeschäft nach Auffassung des BFH fehlen.8 Die genannten Entscheidungen des BFH sind jedoch zu § 34c Abs. 4 EStG 19799 bzw. zu § 5a EStG ergangen und werden insbesondere mit dem Subventionscharakter der jeweiligen Norm begründet,10 so dass sie nach hier vertretener Auffassung für die Auslegung unmaßgeblich sind (vgl. insoweit die Darstellung in Rz. 31).11

1 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 17. 2 Vgl. Wegner/Piorreck in S/K/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 20, wonach eine Leervercharterung über eine Dauer von mehr als einem VZ als nicht mehr „gelegentlich“ angesehen werden dürfte. 3 Vgl. BFH v. 24.11.1983 – IV R 74/80, BStBl. II 1984, 155. 4 Vgl. BFH v. 24.11.1983 – IV R 74/80, BStBl. II 1984, 155. 5 Vgl. BFH v. 11.4.1990 – I R 163/87, BStBl. II 1990, 783 zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 6 Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875. 7 Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875. 8 Vgl. BFH v. 24.11.1983 – IV R 74/80, BStBl. II 1984, 155; vgl. auch BFH v. 26.9.2013 – IV R 45/11, BStBl. II 2015, 296 sowie v. 26.9.2013 – IV R 46/10, BStBl. 2014, 253 zu § 5a EStG. 9 BStBl. I 1979, 379 (420) zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 10 Vgl. BFH v. 24.11.1983 – IV R 74/80, BStBl. II 1984, 155 (158), wonach „ein begünstigtes Hilfsgeschäft ein begünstigtes Hauptgeschäft erfordert“. 11 A.A. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875.

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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Abs. 1)

Rz. 35 Art. 8 (2014)

Hilfs- und Nebengeschäfte – Beispiele. Zu den Geschäften, die in den Regelungsbereich des Art. 8 fallen, 35 zählt z.B. der Verkauf von Fahrkarten durch rechtlich unselbständige Agenturen des Betreibers von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr für eigene oder fremde Beförderungen (vgl. Art. 8 Rz. 8 OECD-MK).1 Hingegen erzielen Reisebüros, die vom Schifffahrts- bzw. Luftfahrtunternehmen rechtlich unabhängig sind, mit ihren Provisionen aus dem Verkauf von Fahrkarten stets Unternehmensgewinne i.S.d. Art. 7, und zwar auch dann, wenn das Reisebüro von einer Tochtergesellschaft des Schifffahrt- oder Luftfahrtunternehmens betrieben wird. Zu den Hilfs- und Nebentätigkeiten gehören außerdem die Leistungen durch Werbung und Reklame an Bord der Seeschiffe und Luftfahrzeuge für andere Unternehmen (vgl. Art. 8 Rz. 8.1 OECD-MK), ferner die internationale Beförderung durch ein anderes Unternehmen, z.B. bei Vereinbarungen über gemeinsame Codes (sog. „code-sharing“) oder bei Slot-Charterungen oder um einen früheren Beförderungstermin zu nutzen (vgl. Art. 8 Rz. 6 OECD-MK), der Landtransfer von Gütern vom Hafen bzw. Flughafen zu einem Lager (sog. Anschlusskabotage) und vice versa sowie der Bustransfer von Passagieren als Zubringer- oder Anschlussbeförderung (vgl. Art. 8 Rz. 6 OECD-MK). Art. 8 umfasst die landseitige Beförderung von Personen oder Gütern indes nur, wenn und soweit sie von dem Unternehmen übernommen wird, das auch die internationale Beförderung erbringt und es sich um reine Zubringerdienste handelt (s. Art. 8 Rz. 6 OECD-MK). Diese Leistungen gehören jedoch nur dann zum Betrieb von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr, wenn für sie kein besonderes Entgelt berechnet wird.2 Nicht erforderlich ist, dass das Unternehmen die Beförderung selbst erbringt. Von Art. 8 werden daher auch Gewinne eines Betreibers von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen aus der Bereitstellung einer solchen Beförderung durch andere Unternehmen (z.B. Bustransfer zum Flughafen oder zum Reiseziel) erfasst (vgl. Art. 8 Rz. 7 OECD-MK). Dieses andere Unternehmen erzielt aus der Beförderung freilich keinen Gewinn i.S.d. Art. 8, wenn die Leistung nicht in einem Zusammenhang mit einem eigenen Transport von Personen oder Gütern mit Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr steht (vgl. Art. 8 Rz. 7 OECD-MK). Deutschland behält sich seine Auffassung hinsichtlich der Anwendung des Artikels auf jene Einkünfte aus der Beförderung von Passagieren und Gütern vor.3 Der Betrieb von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen umfasst dagegen grundsätzlich nicht auch den Betrieb eines Lagers; entsprechende Einkünfte fallen vielmehr unter Art. 7. Hingegen wird die Lagerhaltung als Hilfsgeschäft eines Schifffahrtbzw. Luftfahrtunternehmens von Art. 8 umfasst, wenn das Lager allein der Zwischenlagerung der Fracht vor der Verladung auf das Schiff oder in das Luftfahrzeug bzw. nach Verladung und vor der Weiterbeförderung zum Empfänger dient und das Unternehmen für die Aufbewahrung kein gesondertes Entgelt berechnet. Hotels und sonstige Unterkünfte, die das Schifffahrts- oder Luftfahrtunternehmen für seine Passagiere und/oder die eigene Besatzung zur Unterbringung unmittelbar vor bzw. nach der Beförderung betreibt bzw. bereithält, stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb des Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs, so dass die entsprechenden Aufwendungen in den Regelungsbereich des Art. 8 fallen. Voraussetzung ist auch insoweit, dass das Unternehmen den Passagieren bzw. der Besatzung die Unterbringung nicht gesondert berechnet bzw. die Kosten im Preis für die Beförderung enthalten sind.4 Die gleichen Grundsätze gelten für Gastronomiebetriebe, Ladengeschäfte etc. an Bord von Schiffen.5 Entsprechende Tätigkeiten fallen nur dann in den Anwendungsbereich des Art. 8, wenn das Schifffahrtsunternehmen die Einrichtung selbst betreibt.6 Wird die Gastronomie hingegen von Fremdunternehmen betrieben, unterliegen deren Gewinne aus dem Betrieb der Einrichtung Art. 7.7 Die für die Überlassung der entsprechenden Bordbereiche erzielten Mieten und Pachten gehören beim Schifffahrtsunternehmen indes zum Gewinn aus dem Betrieb des Schiffes.8 Unter Art. 8 fallen ferner die Einkünfte aus den vielfältigen Bodendiensten, die von den Luftverkehrsgesellschaften i.Z.m. der Beförderung von Passagieren oder Frachtgut erbracht werden (sog. „ground-handling“).9 Nach den obigen Grundsätzen (vgl. Rz. 34) umfasst die Norm auch Kurs1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076, geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509 und BMF v. 24.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888, Tz. 4.5.3. 2 Vgl. FinMin Hess. v. 15.4.1969 – S-1301 – A, Handbuch des Außensteuerrechts 2002, 696 f. zu Containerleistungen. 3 Vgl. Bemerkungen zu Art. 8 Rz. 29 OECD-MK; zu Rechtsnatur und Begriff der „Bemerkungen“ s. Systematik Rz. 39). 4 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 16. 5 Vgl. zur Bordverpflegung bei Luftfahrtunternehmen Wolter in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1353 (1365 f.). 6 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 16. 7 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 16. 8 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 16; a.A. Wegner/Piorreck in S/K/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 22; Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 21. 9 Vgl. Wolter in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1353 (1369 f.).

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Art. 8 (2014) Rz. 35

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

gewinne und -verluste aus Währungsgeschäften sowie Leistungen von Schadensersatz, wenn sie mit dem Betrieb eines Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen – Beispiele: Gewinne/Verluste aus der Umrechnung von in Fremdwährung gezahlten Charterraten in die nationale Währung; Schadensersatzleistungen der Werft an die Reederei infolge verspäteter Ablieferung des – später in Dienst gestellten1 – Seeschiffes. Ferner fallen Fautfrachten, Leerfrachten und Liegegelder2 i.Z.m. dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr unter die Regelung. 36

Container. Insbesondere in der deutschen Handelsflotte zur See entfällt die meiste Tonnage auf Containerschiffe, sie bilden seit Jahren das mit Abstand größte Segment in der Seeschifffahrt.3 Mit dem Containertransport verbunden und ihm untergeordnet sind regelmäßig weitere Leistungen der Reedereien und Luftfahrtunternehmen, bspw. die Vermietung und die Gestellung von Containern. Entsprechende Gewinne eines Betreibers von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr aus diesen Tätigkeiten werden grds. vom Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 umfasst (s. Art. 8 Rz. 9 OECD-MK). Gleiches gilt für die Gewinne eines solchen Unternehmens aus der kurzfristigen Lagerung dieser Container (z.B. wenn es einem Kunden die Aufbewahrung eines beladenen Containers in einem Lagerhaus bis zur Auslieferung in Rechnung stellt) oder aus der Erhebung von Gebühren für die verspätete Rückgabe von Containern (s. Art. 8 Rz. 9 OECD-MK). In den Regelungsbereich der Norm fällt ferner der Landtransport der Container zum Hafen/Flughafen bzw. vom Hafen/Flughafen zum Abnehmer (s. Art. 8 Rz. 6 OECD-MK). Deutschland (wie auch Griechenland, Mexiko und die Türkei) behält sich indes seine Auffassung bzgl. der Anwendung des Artikels auf Einkünfte aus den vorstehenden Containerleistungen vor.4 Die DE-VG5 sowie die neueren dt. DBA (z.B. DBA-Großbritannien [78], DBA-Japan [95b], DBA-Luxemburg [112], DBA-Niederlande [122], DBA-Spanien [148], DBA-Zypern [193]) unterstellen die Gewinne aus der Nutzung oder Vermietung von Containern ausdrücklich Art. 8, wenn diese Tätigkeiten dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftahrzeugen im internationalen Verkehr (bzw. Binnenschiffen) zugerechnet werden können. Die Auffassung der dt. FinVerw zum Containerverkehr in der internationalen Seefahrt ist in inhaltsgleichen, immer noch gültigen Ländererlassen6 aus dem Jahr 1969 enthalten. Danach fallen insbesondere folgende Tätigkeiten unter die Regelung des Art. 8: (1) Die Gestellung von Containern und Spezialfahrgestellen („Trailer“) zur Beförderung in den Abgangsseehafenplatz und während des Überseetransports, (2) das Umladen der Container vom Spezialfahrgestell oder vom Eisenbahnwagen in das Seeschiff, (3) der Transport auf dem Seeschiff, (4) das Entladen der Container im Bestimmungshafen aus Spezialfahrgestellen oder Eisenbahnwaggons, (5) die Gestellung von Containern und Spezialfahrgestellen vom Eingangsseehafenplatz zum Inlandsempfänger sowie (6) alle mit dem Containerverkehr zusammenhängenden Leistungen, wenn für sie vom Reeder kein besonderes Entgelt erhoben wird. Die FinVerw stellt die Einordnung der vorstehenden Tätigkeiten unter den Art. 8 unter den Vorbehalt, dass auch der andere Vertragsstaat die Schifffahrtsklausel des Abkommens entsprechend auslegt, die Gegenseitigkeit also gewährleistet ist.7 Dieser Vorbehalt ist unzulässig, denn die abkommensrechtlichen Regelungen sind von den Vertragsstaaten autonom auszulegen (vgl. Systematik Rz. 95).8

III. Internationaler Verkehr 37

Begriff. Die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 setzt voraus, dass das Seeschiff oder Luftfahrzeug im internationalen Verkehr betrieben wird. Definiert ist der Begriff „internationaler Verkehr“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e. Darunter zu verstehen ist im Anwendungsbereich des OECD-MA 2014 (vgl. Rz. 39) – wenn der Zusammenhang nicht etwas anderes erfordert – jede Beförderung mit einem Seeschiff oder Luftfahrzeug, das von einem Unternehmen mit tatsächlicher Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat betrieben wird, es sei denn, das Seeschiff oder Luftfahrzeug wird ausschließlich zwischen Orten im anderen Vertragsstaat betrieben. In den Regelungsbereich des Art. 8 OECD-MA 2014 gelangt man somit nur dann, wenn sich die tatsächliche Geschäftsleitung des Unternehmens in einem der beiden Vertragsstaaten befindet (vgl. Rz. 15). Die Beförderung selbst muss definitionsgemäß nicht grenzüberschreitend sein; sie kann sich auf die Hoheitsgewässer 1 Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875; vgl. hierzu die kritischen Anmerkungen in Rz. 26. 2 Vgl. zu den Begriffen Lieber in H/H/R, § 49 Anm. 466. 3 Vgl. https://www.reederverband.de/fileadmin/vdr/images/Daten_und_Fakten/infopool2018/downloads/pdf/09-Schiffs typen-der-deutschen-Handelsflotte.pdf. 4 Vgl. Bemerkungen zu Art. 8 Rz. 29 OECD-MK; zu Rechtsnatur und Begriff der „Bemerkungen“ s. Systematik Rz. 39. 5 Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DE-VG. 6 FinMin Hess. v. 15.4.1969 – S-1301 – A, Handbuch des Außensteuerrechts 2002, 696 f. 7 FinMin Hess. v. 15.4.1969 – S-1301 – A, Handbuch des Außensteuerrechts 2002, 696 f. 8 Vgl. Kreutziger in Wassermeyer, § 8 OECD-MA Rz. 20 a.E.

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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Abs. 1)

Rz. 40 Art. 8 (2014)

bzw. den Luftraum des Geschäftsleitungsstaats bzw. eines Drittstaats beschränken. In Art. 3 Rz. 6 OECDMK wird hervorgehoben, dass der abkommensrechtliche Begriff des internationalen Verkehrs über die Bedeutung des gleichen Ausdrucks im allgemeinen Sprachgebrauch hinausgeht. Die Definition des Begriffs soll den Vertragsstaaten so ermöglichen, ihren reinen Binnenverkehr besteuern zu können und dem Geschäftsleitungsstaat darüber hinaus den internationalen Verkehr (vgl. Art. 3 Rz. 6 OECD-MK). Unter dem Begriff sind daher Beförderungsleistungen unter Einsatz eines Seeschiffes oder Luftfahrzeugs zwischen ausländischen Häfen bzw. Flughäfen oder zwischen inländischen und ausländischen Häfen bzw. Flughäfen zu verstehen.1 Ausreichend für die Anwendung des Art. 8 ist somit, dass der Betrieb des Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs grenzüberschreitend ist, d.h. die Seeschiffe oder Luftfahrzeuge müssen internationale Grenzen passieren.2 Abgrenzung. Die inländische Küstenschifffahrt ist nicht grenzüberschreitend und infolgedessen kein internationaler Verkehr, ebenso wenig Fahrten von Seeschiffen zwischen dt. Häfen oder diesen und der freien See. Schlepp- und Versorgerschiffe, die zwischen dem Festland und dem Offshore-Gebiet eingesetzt werden, werden daher insoweit nicht im internationalen Verkehr betrieben.3 Unbeachtlich für eine grenzüberschreitende Beförderung ist die Anzahl der angelaufenen Häfen bzw. angeflogenen Flughäfen.4 Ferner ist es nicht erforderlich, dass nach jedem Auslaufen bzw. Abflug eine Grenze überschritten wird. Eine Beförderung ist auch dann internationaler Verkehr, wenn während einer grenzüberschreitenden Reise verschiedene Orte eines Staats nacheinander berührt werden.5 Vom internationalen Verkehr umfasst wird auch die sog. Anschlusskabotage, d.h. die Beförderung von Personen und Gütern im Anschluss an die grenzüberschreitende Beförderung (Rz. 35).6 Wenn Seeschiffe (bspw. ein im Seeschiffsregister eingetragener Schlepper) nicht im internationalen Verkehr betrieben werden, findet ggf. Art. 8 Abs. 2 Anwendung (vgl. die Darstellung in Rz. 58), sonst Art. 7. Werden Luftfahrzeuge nicht im internationalen Verkehr betrieben, gilt stets Art. 7.

38

Abkommenspraxis nach dem „Update 2017“. Der Begriff des „internationalen Verkehrs“ ist nicht in sämt- 39 lichen von Deutschland abgeschlossenen Abkommen definiert.7 Im Schrifttum wird dazu bisher – soweit ersichtlich – unisono vertreten, dass der Definition im OECD-MA insoweit Allgemeingültigkeit zukommt.8 Folgt man dieser Auffassung, ist ggf. fraglich, ob die im Zuge des „Update 2017“ geänderte Definition des „internationalen Verkehrs“ (vgl. Art. 3 Rz. 46) Konsequenzen in Bezug auf jene Abkommen hat, die diesen Begriff nicht ausdrücklich definieren. Dies ist abzulehnen, da das „Update 2017“ insoweit nicht lediglich schriftlich festhält, was bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses übereinstimmende Meinung der Vertragsparteien war. Die Definition des „internationalen Verkehrs“ ist nach der Revision des OECD-MA durch das „Update 2017“ eine andere (vgl. Art. 8 (2017) Rz. 18, Art. 15 (2017) Rz. 127 f.). Nach hier vertretener Auffassung orientiert sich der Begriff in jenen Abkommen, die den „internationalen Verkehr“ nicht ausdrücklich definieren, deshalb an dem internationalen Maßstab, der zum Zeitpunkt ihres Abschlusses jeweils galt. Für entsprechende vor dem „Update 2017“ abgeschlossene Abkommen findet danach die Definition gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA 2014 (vgl. Art. 3 Rz. 46) weiterhin Anwendung. Exkurs: „Tonnagesteuer“ gem. § 5a EStG. Die abkommensrechtliche Definition des internationalen Verkehrs weicht von der nach deutschem innerstaatlichem Recht (§ 5a EStG, § 34c Abs. 4 EStG 19799) ab: Internationaler Verkehr ist nach § 5a Abs. 2 S. 1 EStG die Beförderung von Personen oder Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der Hohen See (§ 5a Abs. 2 S. 1 EStG). Beispiel: Ein Unternehmen mit tatsächlicher Geschäftsleitung in Deutschland betreibt einen Schlepper, der Schleppfahrten sowie gelegentliche Seehafenassistenz zwischen einem ausländischen Hafen und den Küstengewässern desselben Vertragsstaats (OECD-MA 2014) durchführt. Der Schlepper wird nach § 5a Abs. 2 S. 1 EStG im internationalen Verkehr betrieben, so dass die „Tonnagesteuer“ unter den weiteren Voraussetzungen des § 5a EStG Anwendung findet.10 Abkommensrechtlich wird der Schlepper hingegen nicht im internationalen Verkehr eingesetzt, selbst wenn die 1 Vgl. Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Anm. 47 m.w.N. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 35. 3 Vgl. Lippek, Die internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 21; vgl. insoweit Art. 20 Abs. 4 DBA-Norwegen (FN 187) sowie Art. 23 Abs. 4 DBA-Dänemark. 4 Vgl. Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, DBA Schweiz-Deutschland, B 8.1 Rz. 1. 5 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 20. 6 Vgl. FinMin Hess. v. 18.6.1996 – S-1302 A – 32 – II B 31, Praktiker-Handbuch Außensteuerrecht 2003, Band I, 1234 f.; Kempf/Wolter in G/K/G/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 32. 7 Vgl. die Aufzählung bei Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 54a. 8 Vgl. z.B. Strauß in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Griechenland Rz. 5; Wilden in G/K/G/K, DBA-Griechenland Rz. 23; Schwenke/Malinski in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Belgien Rz. 9; Erhard in F/W/K, Art. 8 Anm. 46. 9 BStBl. I 1979, 379 (420) zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 10 Vgl. zu Schleppschifffahrt und § 5a EStG auch Weiland in L/B/P, § 5a EStG Rz. 98.

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40

Art. 8 (2014) Rz. 40

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

Beförderung1 teilweise außerhalb des anderen Vertragsstaats stattfindet (s. Art. 3 Rz. 6.4 OECD-MK). Wenn Art. 8 wie hier vertreten auf Schleppfahrten im Grundsatz Anwendung findet (vgl. hierzu die Ausführungen in Rz. 26), steht im Bsp. Deutschland das Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Schleppdienst nach Art. 8 Abs. 2 zu (vgl. Art. 8 Rz. 16 OECD-MK).

41

Beispiel 1: Eine Luftverkehrsgesellschaft mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat X befördert Passagiere vom Staat X in den Staat Y. Auf seiner Route fliegt das Luftfahrzeug nacheinander zwei Flughäfen (Y1 und Y2) im Vertragsstaat Y an. Nach der Zwischenlandung (Y1) steigen weitere Passagiere für den Anschlussflug zum Flughafen Y2 zu. Die Beförderung auf der Route X nach Y2 ist internationaler Verkehr i.S.d. OECD-MA. Damit fallen die gesamten Flugentgelte – also auch für die Beförderung von Y1 nach Y2 – in den Regelungsbereich des Art. 8 (vgl. Art. 3 Rz. 6.2 f. OECD-MK).

42

Beispiel 2: Sachverhalt wie im Beispiel zuvor mit der Abwandlung, dass die Luftverkehrsgesellschaft zwar ihren Sitz im Staat X, jedoch ihre tatsächliche Geschäftsleitung im Staat Z hat. Die Beförderung von X nach Y ist i.S.d. zwischen X und Y abgeschlossenen Abkommens (OECD-MA 2014) kein internationaler Verkehr. Zwar ist der Betrieb des Luftfahrzeugs grenzüberschreitend; da die Gesellschaft aber weder im Staat X noch im Staat Y ihre Geschäftsleitung hat, findet nicht Art. 8, sondern Art. 7 Anwendung. Danach besteuert Staat X das Welteinkommen, Staat Y hat ggf. ein Betriebsstättenbesteuerungsrecht.2

43

Beispiel 3: Ein Luftfahrtunternehmen mit tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat X betreibt eine rechtlich unselbständige Agentur im Vertragsstaat Y zum Verkauf von Fahrkarten für Passagen zwischen den Staaten X und Y (Alt. 1) bzw. für Passagen, die sich auf Y (Alt. 2) beschränken. Zu Alt. 1: Das Besteuerungsrecht für die Gewinne der Agentur aus dem Verkauf der Fahrkarten hat nach Art. 8 Abs. 1 der Geschäftsleitungsstaat X (s. Art. 3 Rz. 6 OECD-MK). Zu Alt. 2: Die Beförderung ausschließlich im anderen Vertragsstaat ist kein internationaler Verkehr i.S.d. Art. 3 Nr. 1 Buchst. e (s. Art. 3 Rz. 6.4 OECD-MK); die Besteuerung der Gewinne der Agentur bestimmt sich insoweit nach dem Betriebsstättenprinzip des Art. 7. Verkauft die Agentur Fahrkarten für beide Reisen (X/Y und Y), muss sie ihren Gewinn ggf. entsprechend aufteilen.

IV. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung 44

Begriff. Der Begriff „Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung“ in Art. 8 ist identisch mit dem des Art. 4 Abs. 3 (vgl. Art. 4 Rz. 113 ff.). Während die Regelung in Art. 4 Abs. 3 aber Bedeutung nur für juristische Personen hat, gilt der Begriff in Art. 8 für sämtliche Unternehmensformen, also für Personenunternehmen (Einzelunternehmen und Personengesellschaften) wie für Körperschaften. In beiden Vorschriften ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung gemeint,3 also der Ort, „wo der für die Geschäftsleitung maßgebende Wille gebildet wird“4 und wo „die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende Geschäftsführertätigkeit entfalten“.5 Damit kommt es nicht auf den Ort an, an dem geschäftsleitende Anordnungen wirksam, sondern an dem sie gegeben werden6 bzw. an dem die Entscheidungen der laufenden Geschäftsführung (des sog. Tagesgeschäfts) getroffen werden. Nicht ausreichend ist ein Ort, von dem aus die Geschäftsleitung lediglich überwacht wird.7 Zum Tagesgeschäft gehören die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt, sowie die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft erforderlichen organisatorischen Maßnahmen.8 Einen – nicht abschließenden – Katalog von Tätigkeiten, die das Tagesgeschäft eines Seeschifffahrtsunternehmens kennzeichnen, enthält der sog. „Tonnagesteuererlass“.9 Maßgebend für die Beurteilung, wo sich die geschäftliche Oberleitung befindet, sind die in ihrer Bedeutung für die laufende Geschäftsführung zu gewichtenden tatsächlichen Verhältnisse. Wo sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, ist daher stets Tatfrage. Nicht zum Tagesgeschäft zählen die regelmäßig den Eigentümern vorbehaltene Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik sowie die Mitwirkung der Gesellschafter an ungewöhnlichen Maßnahmen bzw. an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung.10 Von der laufenden Geschäftsführung ist deshalb die Mitwirkung der Gesellschafter an einzelnen Geschäftsführungsentscheidungen zu unterscheiden, wobei es unerheblich ist, ob

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Vgl. das zu § 34c EStG 1979 ergangene Urteil des BFH v. 11.4.1990 – I R 163/87, BStBl. II 1990, 783. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 34. Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 26. Vgl. Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Anm. 58 ff. Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 266. Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 266. Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. Vgl. BMF v. 12.6.2002 – IV A 6 - S 2133a - 11/02, BStBl. I 2002, 614, geändert durch BMF v. 31.10.2008 – IV C 6 - S 2133-a/07/10001 – DOK 2008/0103644, BStBl. I 2008, 956 (eine konsolidierte Fassung sämtlicher Änderungen dieses BMF-Schr. findet sich in OFD Frankfurt am Main v. 8.1.2014 – S 2133a A-1-St 210, juris). 10 Vgl. BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175.

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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Abs. 1)

Rz. 46 Art. 8 (2014)

die Mitwirkung in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist oder nicht.1 Nach Art. 4 Rz. 24 OECD-MK 2014 ist der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der „Ort, an dem die grundlegenden Leitungs- und kaufmännischen Entscheidungen, die für die Führung der Geschäfte des Rechtsträgers notwendig sind, im Wesentlichen getroffen werden“. Eine Gesellschaft kann zwar mehrere Orte der Geschäftsleitung, aber immer nur einen Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung haben (s. Art. 4 Rz. 24 OECD-MK 2014). Ergänzend gilt seit dem „Update 2000“, dass ein Betriebsstättengewinn nach Art. 8 nur dann im Quellenstaat besteuert werden kann, wenn die Betriebsstätte zugleich den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des gesamten Unternehmens („whole enterprise“) bildet, das Seeschiffe und/oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt (Art. 8 Rz. 22 OECD-MK/Rz. 21 OECD-MK 2014; vgl. zu den Besonderheiten bei Mischbetrieben die Darstellung in Rz. 50). Vor dem „Update 2000“ hatte die entsprechende Passage im OECD-MK einen anderen Wortlaut:2 Es galt, dass „[i]n den – wahrscheinlich rein theoretischen – Fällen, in denen Schiffe oder Luftfahrzeuge des Unternehmens von einer Betriebsstätte betrieben werden, die nicht zugleich Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Gesamtunternehmens ist (z.B. Schiffe oder Luftfahrzeuge, die eine Betriebsstätte in Dienst gestellt und in ihre Bilanz aufgenommen hat), […] in Bezug auf den Betrieb der Schiffe oder Luftfahrzeuge angenommen werden [muss], dass sich die tatsächliche Geschäftsleitung […] in dem Vertragsstaat befindet, in dem die Betriebsstätte liegt.“ Nach diesem Wortlaut hat der Betriebsstättenstaat das exklusive Besteuerungsrecht so oder so, wenn die Schiffe oder Luftfahrzeuge von jener Betriebsstätte betrieben werden, einerlei, ob in diesem Staat der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des gesamten Unternehmens belegen ist. Der veränderte Wortlaut des OECD-MK spricht für eine unterschiedliche Interpretation mit entsprechender materieller Wirkung.3 Es ist deshalb davon auszugehen, dass das exklusive Besteuerungsrecht für Einkünfte einer Betriebsstätte, die in Eigenregie selbstständig und klar abgegrenzt vom Stammhaus Seeschiffe oder Luftfahrzeuge in Dienst stellt und die entsprechenden Leitungsaufgaben übernimmt, nach aktuellem OECD-Verständnis der Vertragsstaat hat, in dem der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Gesamtunternehmens belegen ist.4 Bedeutung hat diese Interpretation für Doppelbesteuerungsabkommen, die eine Art. 8 OECD-MA 2014 inhaltlich entsprechende Regelung enthalten und nach dem 28.4.2000 abgeschlossen wurden; für vor dem 29.4.2000 („Update 2000“) geschlossene Abkommen, gilt dagegen jene Auslegung gem. Art. 8 Rz. 16 OECD-MK 1963 bzw. Art. 8 Rz. 21 OECD-MA 1977.5 Personengesellschaft und Partenreederei. Bei Personengesellschaften oder Partenreedereien obliegt die Führung der Tagesgeschäfte den zur Vertretung befugten Personen, nicht notwendigerweise den Mitgesellschaftern bzw. Mitreedern. Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung kann sich daher in den Geschäftsräumen des (ausländischen) Managers oder Vertrags- bzw. Korrespondentreeders (§ 492 HGB) befinden, wenn die Mitgesellschafter bzw. Mitreeder nur fallweise und nicht ständig in das Tagesgeschäft eingreifen.6 Die in der dt. Praxis zahlreichen vor allem als Publikumsgesellschaften konzipierten Ein-Objekt-Gesellschaften in der Rechtsform der KapG & Co. KG haben ihren Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung regelmäßig nicht dort, wo der Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft die (ihm verbleibenden) Entscheidungen trifft, sondern in den Geschäftsräumen des (in- oder ausländischen) Managers bzw. Vertragsreeders, dem im Wesentlichen die typischen Aufgaben des Korrespondentreeders i.S.d. § 493 Abs. 2 HGB a.F. (in der vor dem 25.4.2013 geltenden Fassung) übertragen wurden.7

45

Beispiel: Eine Reedereigruppe betreibt Container- und Tankschiffe im internationalen Verkehr. Die Containerschifffahrt wird von Deutschland aus durch eine KG mit tatsächlicher Geschäftsleitung in Deutschland, die Tankschifffahrt durch eine Schwestergesellschaft der KG betrieben, eine dänische K/S8 mit tatsächlicher Geschäftsleitung in Dänemark. KG und K/S operieren voneinander unabhängig, jeweils selbständig und klar abgegrenzt von ihrer Obergesellschaft, einer in Deutschland ansässigen AG. Für die Einkünfte aus Dänemark hat Dänemark als Geschäftsleitungsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht. Das gleiche gilt unter i.Ü. unveränderten Bedingungen, wenn die AG nur mittelbar

46

1 Vgl. BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175. 2 Vgl. Art. 8 Rz. 16 OECD-MK 1963 in BMF, Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens, Bericht des Steuerausschusses der OECD 1963 = Art. 8 Rz. 21 OECD-MK 1977. 3 Vgl. Kofler in Reimer/Rust, Klaus Vogel on Double Tax Convention, Art. 8 Rz. 49; a.A. BFH v. 20.5.2015 – I R 68/14, BStBl. II 2016, 90 = IStR 2015, 932 mit Anm. Mössner; Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Anm. 56; Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 26 a.E. 4 A.A. BFH v. 20.5.2015 – I R 68/14, BStBl. II 2016, 90 = IStR 2015, 932 mit Anm. Mössner; Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Anm. 56; Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 26 a.E. 5 Vgl. BFH v. 11.7.2018 – I R 44/16, BFHE 262, 354 zum Einfluss einer Änderung des OECD-MK auf die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen. 6 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. 7 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. 8 Vergleichbar einer KG, vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert bzw. ergänzt durch BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 – 03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182 Tab. 1: Rechtsformen internationaler Unternehmen (außer Osteuropa), Dänemark.

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Art. 8 (2014) Rz. 46

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

über die KG an K/S beteiligt ist. Ist die Betriebsstätte in Dänemark dagegen nicht in eine K/S gekleidet, sondern eine Zweigniederlassung der KG oder AG, hat der Vertragsstaat das Besteuerungsrecht, in dem der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Gesamtunternehmens der KG bzw. der AG belegen ist1 – es ist dann Tatfrage, ob dieser Ort in Dänemark oder in Deutschland belegen ist.

V. Gewinn aus dem Betrieb 47

Begriff. Der Begriff „Gewinn“ ist abkommensrechtlich nicht definiert und somit nach innerstaatlichem Steuerrecht des Anwenderstaats auszulegen (Art. 3 Abs. 2). Grundsätzlich gehören zum „Gewinn“ i.S.d. Art. 8 sämtliche Erträge und Aufwendungen des Unternehmens, die mit dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr in engem sachlichen Zusammenhang stehen; also sowohl positive wie negative Einkünfte aus der Haupttätigkeit sowie aus allen Neben- und Hilfsgeschäften des Stammhauses sowie sämtlicher Betriebsstätten des Unternehmens (zum Erfordernis, dass das Schiff bzw. Luftfahrzeug auch tatsächlich zum Einsatz kommen muss,2 vgl. Rz. 30 f.). Der Gewinn nach Art. 8 umfasst ferner nachlaufende Gewinne und Verluste (bspw. aus Claims, Prozessen, dem Eingang wertberichtigter Forderungen, der Auflösung von Rückstellungen und dergl.) aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr.3 Sie müssen jedoch zeitlich auf den Betriebsveräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinn rückbezogen werden.4

48

Ermittlung. Nach dem Recht des Anwenderstaats bestimmen sich außerdem die Art der Ermittlung der Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen (z.B. Betriebsvermögensvergleich, Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, pauschale Gewinnermittlung nach der im Betrieb geführten Tonnage) bzw. Ansatz und Bewertung von Wirtschaftsgütern des Unternehmens, der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung sowie die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben. Die Anwendung des nationalen Rechts des Anwenderstaats ist somit im umfassenden Sinn zu verstehen.5

VI. Mischbetriebe 49

Begriff. Mit Mischbetrieben sind Unternehmen gemeint, die neben dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr mindestens eine andere gewerbliche Tätigkeit ausüben, die nicht – auch nicht als Hilfstätigkeit (s. hierzu Rz. 34 f.) – von Art. 8 erfasst wird.

50

Abgrenzung. Art. 8 OECD-MA 2014 verwendet nicht den Begriff „Unternehmen“, sondern stellt auf den „Betrieb“ von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie auf den „Betrieb“ von Schiffen ab, die der Binnenschifffahrt dienen. Daraus ergibt sich, dass die Bestimmung auch für Mischbetriebe gilt, soweit sie entsprechende Gewinne erzielen.6 Ob die Tätigkeit der Betriebsstätte selbst den genuinen Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr umfasst oder ob sie entsprechende Hilfstätigkeiten (vgl. Rz. 34 f.) für das Stammunternehmen erbringt, ist für die abkommensrechtliche Einordnung der Gewinne einerlei. Entscheidend für die Anwendung des Art. 8 ist im Hinblick auf die Tätigkeit einer Betriebsstätte, dass diese entweder im Verbund mit dem Stammunternehmen und ggf. weiteren Betriebsstätten oder selbständig und klar abgegrenzt vom übrigen Unternehmen Seeschifffahrt oder Luftfahrt im internationalen Verkehr bzw. Binnenschifffahrt betreibt (vgl. Art. 8 Rz. 20 OECD-MK 2014; s. hierzu Rz. 51). Wenn und soweit die Tätigkeit der Betriebsstätte in den Anwendungsbereich des Art. 8 fällt, ist ihr Ergebnis nach Auffassung der OECD in dem Vertragsstaat (vgl. Rz. 15) zu versteuern, in dem der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des (Gesamt-)Unternehmens belegen ist. Nur sofern jene Betriebsstätte zugleich die Geschäftsleitungsbetriebsstätte des Gesamtunternehmens darstellt, hat nach Auffassung der OECD der Quellenstaat das exklusive Besteuerungsrecht (vgl. Art. 8 Rz. 22 OECD-MK/Art. 8 Rz. 21 OECD-MK 2014; Rz. 44 a.E.). Bei Mischbetrieben kommt es danach im Hinblick auf Art. 8 stets auf den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Gesamtunternehmens an, das Schiffe oder Luftfahrzeuge betreibt (vgl. Rz. 44 a.E.). Soweit das Ergebnis im Quellenstaat aus anderen gewerblichen Haupttätigkeiten, wie bspw. dem Betrieb einer 1 A.A. BFH v. 20.5.2015 – I R 68/14, BStBl. II 2016, 90 = IStR 2015, 932 mit Anm. Mössner; Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Anm. 101; Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 26 a.E. Danach dürfte im Beispiel Rz. 39a Dänemark so oder so das Besteuerungsrecht für die der dortigen Betriebsstätte zuzuordnenden Einkünfte haben. 2 Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875. 3 Vgl. OFD Hannover v. 8.8.1986 – S 2293-114-StO 221, S 2293-137-StH 226, DStR 1987, 61 zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 4 Vgl. BFH v. 19.7.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897. 5 Vgl. Kempf/Wolter in G/K/G/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 77. 6 Vgl. Baranowski, INF 1972, 136 (143).

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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Abs. 1)

Rz. 53 Art. 8 (2014)

Werft oder eines Terminals, stammt, gilt das Betriebsstättenprinzip bzw. Art. 7.1 Das gilt auch für die Einkünfte, die ein Unternehmen, das Seeschifffahrt oder Luftfahrt im internationalen Verkehr betreibt, aus dem Inlandsverkehr erzielt. Finanzbehörde Hamburg v. 30.5.2018.2 Die dt. Finanzverwaltung ist der Auffassung, dass eine zum Be- 51 triebsvermögen eines Mitunternehmers gehörende Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft abkommensrechtlich ein von der eigenunternehmerischen Tätigkeit des Mitunternehmers gesondert zu beurteilendes Unternehmen darstelle.3 Infolgedessen seien die Voraussetzungen von Regelungen in den von Deutschland abgeschlossenen DBA, die dem Art. 8 OECD-MA 2014 entsprechen, bezogen auf die unternehmerische Tätigkeit des Mitunternehmers und auf die unternehmerische Tätigkeit der Mitunternehmerschaft jeweils gesondert zu beurteilen. Der Verlautbarung liegt folgender Fall zugrunde: Ein ausländisches Schifffahrtsunternehmen ist einziger Kommanditist einer GmbH & Co. KG („KG“) und Alleingesellschafter der am Ertrag nicht beteiligten Komplementärin. Über ihre inländische Betriebsstätte vertreibt die KG Transportkapazitäten auf den von ihrem Kommanditisten betriebenen Schiffen. Auf die Beteiligungseinkünfte des Kommanditisten sei Art. 7 anzuwenden. Eine Anwendung des Art. 8 scheitere daran, dass die Tätigkeit der KG abkommensrechtlich isoliert zu würdigen sei, d.h. ohne Rücksicht auf die Tätigkeit des an ihr beteiligten Schifffahrtsunternehmens. Denn auch im Abkommensrecht orientiere sich der Umfang des Unternehmens nach dem ertragsteuerlichen Unternehmensbegriff für Zwecke der Gewinnermittlung. Dagegen ist einzuwenden, dass Personengesellschaften auch im Kontext des Art. 8 als transparent zu behandeln sind. Daraus folgt, dass die Betriebsstätte der Personengesellschaft bzw. der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit ihren Mitunternehmern als eigene Betriebsstätte zuzurechnen ist.4 Für Zwecke auch der abkommensrechtlichen Qualifizierung der Einkünfte kann es deshalb keinen Unterschied machen, ob die inländische Betriebsstätte der im Ausland ansässigen Person in deren Eigenvermögen gehalten wird oder zum Gesamthandsvermögen einer in- oder ausländischen Personengesellschaft gehört. Daraus resultiert des Weiteren, dass die abkommensrechtliche Einordnung der Einkünfte an den individuellen Merkmalen des jeweiligen inländischen oder ausländischen Mitunternehmers auszurichten ist und infolgedessen im Vergleich der Mitunternehmer zueinander zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.5 Im Anwendungsbereich des Art. 8 OECD-MA 2014/2017 kommt der Tätigkeit eines Gesellschafters daher jene Reflexwirkung auf die Qualifikation der (anteiligen) Einkünfte der Personengesellschaft zu wie sie für Schifffahrts- und Luftfahrtunternehmen im Verhältnis Stammhaus und Betriebsstätte gilt (vgl. hierzu das Beispiel in Rz. 53). Die abkommensrechtliche Qualifikation der Beteiligungseinkünfte ist für jeden Mitunternehmer getrennt zu vorzunehmen. Aus dieser Perspektive widerspricht die Auffassung der FinVerw i.Ü. Art. 8 Rz. 20 f. OECD-MK bzw. Art. 8 Rz. 19 f. OECD-MK 2014, sie ignoriert überdies den Zweck des Art. 8, einer Fragmentierung der Besteuerungsrechte entgegenzuwirken (vgl. Rz. 2), womit Verwerfungen in der internationalen Steuerpraxis vorprogrammiert sein dürften. Beispiel: Eine Reederei mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat X betreibt im Staat Y eine Schiffswerft/Betriebsstätte. Für einen Großkunden übernimmt die Reederei u.a. den Seetransport von X nach Y und vice versa. Zu diesem Zweck befindet sich auf dem Gelände der Werft ein Verladekai, mit dessen Hilfe die Ladung vom Personal der Werft vom Seeschiff auf Eisenbahnwaggons und umgekehrt verladen wird. Soweit das Ergebnis der Betriebsstätte im Staat Y mit dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr zusammenhängt, ist es im Geschäftsleitungsstaat X zu berücksichtigen; der Quellenstaat Y besteuert allein das Ergebnis, das aus dem Betrieb der Werft resultiert, während bspw. die Abschreibungen auf den unternehmenseigenen Verladekai und die anteiligen Personalaufwendungen allein das steuerpflichtige Ergebnis im Staat X mindern können (vgl. Art. 8 Rz. 21 OECD-MK bzw. Art. 8 Rz. 20 OECD-MK 2014).

52

Beispiel: Eine Reederei mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat X unterhält im Staat Y eine Betriebsstätte, die das Personalmanagement (Crewing) für das Stammhaus sowie für fremde Dritte übernimmt. Soweit die Gewinne aus dem Crewing aus der Tätigkeit für das Stammhaus resultieren, hat der Geschäftsleitungsstaat X das Besteuerungsrecht aus Art. 8. Die aus dem Crewing für Fremde erzielten Gewinne besteuert hingegen der Betriebsstättenstaat Y, Art. 7 (Rz. 15).6

53

1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert bzw. ergänzt durch BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 – 03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, Tz. 4.5.3. 2 FBeh Hamburg v. 30.5.2018 – S 1301DNK – 2017/001 – 53, DStR 2018, 1973. 3 FBeh Hamburg v. 30.5.2018 – S 1301DNK – 2017/001 – 53, DStR 2018, 1973. 4 Vgl. BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFH/NV 2018, 684 (687). 5 Vgl. BFH v. 29.11.2017 – I R 58/15, BFH/NV 2018, 684 (687). 6 Vgl. aber DBA-Zypern, Rz. 217.

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Art. 8 (2014) Rz. 54

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

VII. Personengesellschaften/Partenreedereien 54

Abkommensschutz. Im Anwendungsbereich des Art. 8 bestehen für Schifffahrt- bzw. Luftfahrtunternehmen, die in der Rechtsform einer Personengesellschaft bzw. einer Partenreederei betrieben werden, im Grundsatz keine Besonderheiten: Das alleinige Besteuerungsrecht steht ebenfalls nur dem Vertragsstaat zu, in dem der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens gelegen ist. Voraussetzung für die Anwendung des Abkommens ist naturgemäß, dass entweder die Personengesellschaft bzw. Partenreederei oder der an ihr beteiligte Gesellschafter bzw. der Mitreeder persönlich abkommensberechtigt ist. Ist die Personengesellschaft oder Partenreederei als solche nicht abkommensberechtigt, findet Art. 8 nur Anwendung, wenn der – ggf. mittelbar über eine weitere Personengesellschaft oder Partenreederei beteiligte – Gesellschafter persönlich abkommensberechtigt ist. Infolgedessen ist auch im Regelungsbereich des Art. 8 der Abkommensschutz für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen.1 Wenn die PersG selbst nicht abkommensberechtigt ist, kann es unter Beteiligung von Drittstaaten zu Überschneidungen bei der Verteilung des Besteuerungsrechts kommen (vgl. die nachfolgenden Bsp. in Rz. 56 f.).2

55

Beispiel: An einer Ein-Schiffs-KG mit ausschließlicher Betriebsstätte, Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung in Deutschland sind als Gesellschafter die natürlichen Personen Ö, N und S beteiligt. Ö ist in Österreich ansässig, N in einem Nicht-DBA-Staat und S in Schweden; persönlich abkommensberechtigt sind somit nur Ö und S. Die KG verchartert ihr Seeschiff vollständig ausgerüstet und bemannt an eine Linienreederei, die es im internationalen Verkehr einsetzt. Mit ihren Beteiligungseinkünften aus der KG sind Ö, S und N im Inland nur beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Deutschland hat ein Besteuerungsrecht insoweit jedoch nur für die Einkünfte von Ö (Art. 8 DBA-Österreich) und N, nicht hingegen für die Einkünfte von S (Art. 8 DBA-Schweden). Während Österreich an der Besteuerung der anteiligen Gewinne von Ö abkommensrechtlich gehindert ist3, wird N seine Beteiligungseinkünfte i.d.R. auch in seinem Ansässigkeitsstaat – ggf. unter Anrechnung deutscher ESt – versteuern müssen. S versteuert seine Einkünfte aus der KG hingegen ausschließlich in seinem Ansässigkeitsstaat, da nach Art. 8 DBA-Schweden das alternative Wohnsitzprinzip Anwendung findet (vgl. Art. 8 Rz. 2 OECD-MK); Deutschland hat insoweit kein Besteuerungsrecht. Infolgedessen hat S anders als Ö und N auch keine Möglichkeit, von der deutschen Tonnagesteuer zu profitieren (Rz. 20; wobei die Vergünstigungen der dt. Tonnagesteuer für N infolge der Besteuerung im Wohnsitzstaat regelmäßig zunichte gemacht werden).

56

Beispiel: Die natürlichen Personen D (Ansässigkeitsstaat: Deutschland) und Ö (Ansässigkeitsstaat: Österreich) sind mitunternehmerisch an einer Holding-KG mit Sitz und (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte in Deutschland beteiligt. Die Holding-KG fungiert als Finanzholding, Beteiligungen bestehen an einer Schiffs-KG mit Sitz und Betriebsstätte in Deutschland sowie an einer Management-K/S (K/S) mit Sitz und Betriebsstätte in Dänemark4. Ausschließliche Tätigkeit der K/S ist die Bereederung des von der Schiffs-KG im internationalen Verkehr betriebenen Seeschiffs. Die (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte der K/S stellt zugleich den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der Schiffs-KG dar. Infolgedessen hat Dänemark das alleinige Besteuerungsrecht für die Beteiligungseinkünfte von D (Art. 8 DBA-Dänemark, vgl. Rz. 162 ff.). Ö ist in Deutschland mit seinen inländischen Einkünften (vgl. Rz. 23) beschränkt steuerpflichtig. Das Besteuerungsrecht Deutschlands ergibt sich insoweit aus Art. 7 DBA-Österreich; Art. 8 DBA-Österreich (vgl. Rz. 134 ff.) ist nicht anzuwenden, da im Verhältnis Deutschland zu Österreich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung nicht in einem der beiden Vertragsstaaten liegt und damit kein internationaler Verkehr i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e gegeben ist (Rz. 14, 37). Seinen anteiligen Gewinn aus der dänischen Betriebsstätte versteuert Ö hingegen in Dänemark, Art. 8 DBA Österreich-Dänemark.5

57

Beispiel: Sachverhalt wie im Bsp. zuvor (Rz. 56) mit folgender Abwandlung: Die tatsächliche Geschäftsleitung der KG befindet sich in Deutschland. Für die Beteiligungseinkünfte von D hat Deutschland das alleinige Besteuerungsrecht, Art. 8 DBA-Dänemark, vgl. Rz. 162 ff. Ö ist in Deutschland mit seinen inländischen Einkünften (vgl. Rz. 23) beschränkt steuerpflichtig. Das Besteuerungsrecht Deutschlands ergibt sich insoweit aus Art. 8 DBA-Österreich. Seinen anteiligen Gewinn aus der dänischen Betriebsstätte versteuert Ö hingegen in Dänemark, Art. 7 DBA Dänemark-Österreich.6 Art. 8 DBA Dänemark-Österreich7 ist nicht anzuwenden, da der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung nicht in einem der beiden Vertragsstaaten liegt und damit kein internationaler Verkehr i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e gegeben ist (Rz. 14, 37).

1 2 3 4

Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.1. Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 28; Wegner/Piorreck in S/K/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 41. Vgl. Österreichisches BMF v. 20.2.2003, E 12/3-IV/4/03, EAS 2235, SWI 2003, 156. Vergleichbar einer KG, vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert bzw. ergänzt durch BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 – 03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182 Tab. 1: Rechtsformen internationaler Unternehmen (außer Osteuropa), Dänemark. 5 https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/RegV/REGV_COO_2026_100_2_325227/COO_2026_100_2_358010.pdf; a.A. FBeh Hamburg v. 30.5.2018 – S 1301DNK – 2017/001 – 53, DStR 2018, 1973, wonach sich das Besteuerungsrecht Dänemarks nach Art. 7 DBA Dänemark-Österreich bestimmen soll. 6 https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/RegV/REGV_COO_2026_100_2_325227/COO_2026_100_2_358010.pdf. 7 https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/RegV/REGV_COO_2026_100_2_325227/COO_2026_100_2_358010.pdf.

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C. Binnenschifffahrt (Abs. 2)

Rz. 63 Art. 8 (2014)

C. Binnenschifffahrt (Abs. 2) I. Regelungszweck Besteuerung durch den Geschäftsleitungsstaat. Mit Abs. 2 erweitert Art. 8 OECD-MA 2014 seinen Anwendungsbereich auf die Binnenschifffahrt: auch die Gewinne aus der Beförderung auf Flüssen, Kanälen und Seen sind im Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung zu versteuern (vgl. Rz. 1, 24). Anders als Abs. 1 umfasst der Regelungsbereich des Abs. 2 nicht auch die Luftfahrt, denn insoweit bestehen regelmäßig keine Schwierigkeiten, den einzelnen Betriebsstätten ihren Gewinnanteil an der Beförderungsleistung des Unternehmens zuzurechnen. Infolgedessen muss hier keine Spezialnorm die Nachteile des Betriebsstättenprinzips vermeiden bzw. eine drohende Zersplitterung der Besteuerung (vgl. Rz. 2) beseitigen. Auf die Gewinne von Luftfahrtunternehmen aus dem bloßen Vertragsstaatenverkehr findet somit stets Art. 7 Anwendung.

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II. Betrieb von Binnenschiffen Abgrenzung zu Abs. 1. Im Unterschied zu Abs. 1 bezieht sich der Regelungsbereich des Abs. 2 nicht nur 59 auf die grenzüberschreitenden Beförderungen, sondern auch auf den Verkehr innerhalb eines Staats durch ein Unternehmen des anderen Staats (vgl. Art. 8 Rz. 16 OECD-MK). Somit hat der Geschäftsleitungsstaat das alleinige Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Betrieb der Binnenschifffahrt selbst dann, wenn die Schiffe ausschließlich auf den Binnengewässern des anderen Vertragsstaats verkehren. Im Übrigen entspricht die Regelung in Abs. 2 derjenigen, die für die Seeschifffahrt und Luftfahrt gilt, so dass auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann. Insbesondere gehören zum Betrieb der Binnenschifffahrt neben dem eigentlichen Transport von Personen und Gütern auch die hiermit zusammenhängenden Hilfs- und Nebentätigkeiten (vgl. Rz. 34 ff.). Auch sind die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse am Schiff unbeachtlich. In den Anwendungsbereich des Abs. 2 fallen auch die Beförderungsleistungen auf Binnengewässern und die damit zusammenhängenden Tätigkeiten (vgl. Rz. 34 ff.) der Schleppschifffahrt.1

III. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung Keine Besonderheiten. Für den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung eines Unternehmens der Binnenschifffahrt gelten die Ausführungen zu Abs. 1 entsprechend (vgl. Rz. 44).

60

IV. Gewinn aus dem Betrieb Keine Besonderheiten. Für den Gewinn aus dem Betrieb von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, gelten die Ausführungen zu Abs. 1 entsprechend (vgl. Rz. 47 f.).

61

V. Mischbetriebe Keine Besonderheiten. Für Unternehmen, die neben dem Betrieb von Binnenschiffen mindestens eine andere gewerbliche Tätigkeit ausüben, die nicht – auch nicht als Hilfs- oder Nebentätigkeit (vgl. Rz. 34 f.) – von Art. 8 erfasst wird, gelten die Ausführungen zu Abs. 1 entsprechend (vgl. Rz. 49 ff.).

62

VI. Personengesellschaften Keine Besonderheiten. Für Binnenschifffahrtsunternehmen, die in der Rechtsform einer Personengesellschaft betrieben werden, gelten die Ausführungen zu Abs. 1 entsprechend (vgl. Rz. 54 ff.).

1 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 24.

Rauert

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Art. 8 (2014) Rz. 64

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

D. Sonderfall: Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes (Abs. 3) I. Regelungszweck 64

Besteuerung durch den Heimathafenstaat. Art. 8 Abs. 3 OECD-MA 2014 regelt den Sonderfall, dass der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Schiffsunternehmens an Bord eines See- oder Binnenschiffes gelegen ist. In diesem Fall hat das uneingeschränkte Besteuerungsrecht der Staat, in dem der Heimathafen des Schiffes, an dessen Bord sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, liegt. Die Regelung hat in der heutigen Praxis nur noch sehr geringe Bedeutung. Ihr Hauptanwendungsbereich liegt in Konstellationen, in denen der (zivilrechtliche oder wirtschaftliche) Eigner des Schiffes in Personalunion auch dessen Kapitän ist, die vereinzelt noch in der Küstenschifffahrt anzutreffen sind. Die Norm basiert auf völkerrechtlichen Grundsätzen für die Rechtszuständigkeit bei Schiffen, wonach ein Schiff die Staatsangehörigkeit des Staats besitzt, dessen Flagge es führt.1 Daraus folgt für Abkommen, denen eine Art. 8 Abs. 3 entsprechende Regelung fehlt,2 dass die Geschäftsleitung an Bord des Schiffes als Geschäftsleitung im Flaggenstaat anzusehen ist.3 Für Unternehmen, die mehrere Schiffe betreiben, ist die Anwendung der Sonderregelung zwar theoretisch denkbar; in der Praxis befindet sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung dieser Unternehmen aber regelmäßig an Land. Anders als die Abs. 1 und 2 stellt Abs. 3 nicht auf den Betrieb, sondern auf das Unternehmen insgesamt ab. Deshalb findet Art. 8 keine Anwendung, wenn Gegenstand des Unternehmens nicht überwiegend der Betrieb der See- oder Binnenschifffahrt ist. Bei der Prüfung, welche Tätigkeit des Unternehmens überwiegt, können die jeweils erzielten Erträge nur indizielle Bedeutung haben.4

II. Heimathafen 65

Definition. Der Heimathafen eines Schiffes ist derjenige, von dem aus die Seefahrt bzw. Binnenfahrt mit dem Schiff tatsächlich betrieben wird, also regelmäßig der Hafen, in dem sich die gewerbliche Niederlassung des Betreibers befindet. Belanglos ist, ob vom Heimathafen aus die Reisen des Schiffes regelmäßig angetreten werden, was z.B. in der Trampschifffahrt zumeist nicht der Fall ist.5 Nach dt. Recht ist der Heimathafen regelmäßig identisch mit dem Registerhafen, da die Eintragung eines registrierpflichtigen Schiffes nach § 4 Abs. 1 SchRegO6 grundsätzlich im Register seines Heimathafens oder Heimatortes zu erfolgen hat. Hingegen kann der Eigner das Register frei wählen, wenn die Seeschifffahrt z.B. von einem ausländischen Hafen aus betrieben wird, § 4 Abs. 2 SchRegO.7 Die Eintragung begründet somit im Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 3 OECD-MA 2014 nur eine Vermutung, dass sich der Heimathafen auch tatsächlich am Ort des Registers befindet.

III. Sonderfall: Fehlender Heimathafen 66

Ansässigkeit des Betreibers. Es sind Fälle denkbar, in denen es an einem Heimathafen fehlt, z.B. bei einer Geschäftsleitung an Bord des Schiffes, oder der Heimathafen nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden kann. Wenngleich der Registerhafen bei fehlendem Heimathafen als sog. Wahlheimathafen anzusehen ist,8 bestimmt Art. 8 Abs. 3 OECD-MA 2014, dass der Ansässigkeitsstaat des Betreibers des Schifffahrtsunternehmens das uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Betrieb der See- bzw. Binnenschifffahrt hat. Der Begriff „ansässig“ bestimmt sich nach Art. 4, so dass es darauf ankommt, in welchem Staat der Betreiber auf Grund seines Wohnsitzes, seines ständigen Aufenthalts oder eines ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist (vgl. Art. 4 Rz. 22 ff.). Wird das Schiff von einer Personengesellschaft betrieben, folgt das Besteuerungsrecht der Ansässigkeit der Mitunternehmer, sofern nicht die Personengesellschaft selbst Steuersubjekt ist. Voraussetzung ist auch hier, dass der Gesellschafter persönlich abkommensberechtigt ist (vgl. Rz. 54). Ist die Personengesellschaft selbst Steuersubjekt, so kommt es auf deren Ansässigkeit an.

1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 60 m.w.N. Vgl. für die dt. Abkommenspraxis die Übersicht bei Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 62. Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 65. A.A. Schwenke/Straka in Wassermeyer, DBA-Belgien Art. 4 Rz. 35. Vgl. Bahnsen in Raabe/Bahnsen, Seehandelsrecht5, Vor § 476 Rz. 46. BGBl. I 1994, 1133, zuletzt geändert durch Gesetz v. 5.7.2017, BGBl. I 2017, 2208. BGBl. I 1994, 1133, zuletzt geändert durch Gesetz v. 5.7.2017, BGBl. I 2017, 2208. Vgl. Nachweise bei Bahnsen/Raabe, Seehandelsrecht5, Vor § 476 Rz. 47.

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E. Beteiligung an einem Pool o.Ä. (Abs. 4)

Rz. 69 Art. 8 (2014)

E. Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle (Abs. 4) I. Regelungszweck Klarstellungsfunktion. Gem. Art. 8 Abs. 4 OECD-MA 2014 findet die Regelung in Abs. 1 entsprechende Anwendung auf die (anteiligen) Gewinne eines Unternehmens aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle. Auch diese Gewinne bleiben im Allgemeinen der ausschließlichen Besteuerung des Vertragsstaats vorbehalten, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, das an dem Pool, der Betriebsgemeinschaft oder der internationalen Betriebsstelle beteiligt ist. Insoweit hat Abs. 4 lediglich klarstellende Bedeutung (vgl. Rz. 12). Es ist indes je nach Ausgestaltung der Kooperation denkbar, dass sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung eines Mitglieds an einem Pool o.Ä. in den Geschäftsräumen des (ausländischen) Managers des Pools o.Ä. befindet, wenn die Mitgesellschafter bzw. Mitreeder des Poolmitglieds nur fallweise und nicht ständig in das Tagesgeschäft eingreifen.1 Ein-Schiff-Gesellschaften haben ihren Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung deshalb ggf. in den Geschäftsräumen des (ausländischen) Poolmanagers, dem i.W. die typischen Aufgaben des Korrespondentreeders i.S.d. § 493 Abs. 2 HGB a.F. (Fassung vor dem 25.4.2013) übertragen wurden (vgl. Rz. 45).2 Art. 8 Abs. 4 umfasst ausdrücklich nur die Kooperationen von Unternehmen der Seeschifffahrt und Luftfahrt. Infolgedessen findet Art. 8 Abs. 2 OECD-MA 2014 ohne Rückgriff auf Abs. 4 unmittelbar Anwendung, wenn eine entsprechende Zusammenarbeit im Bereich der Binnenschifffahrt besteht.3

67

Beispiel: Eine Ein-Schiff-KG mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat X ist Mitglied eines sog. „Erlöspools“. Mit „Einnahmen- oder Erlöspool“ werden die in der Seefahrt üblichen Poolgemeinschaften bezeichnet, deren Hauptzweck nach der ihnen zugrunde liegenden Vereinbarung die Zentralisierung der Vermarktung der in dem Pool vereinten Seeschiffe ist, um den Poolmitgliedern eine wettbewerbsfähige Teilnahme am Markt zu ermöglichen. Kennzeichnend für einen Einnahmen- oder Erlöspool ist, dass die tatsächlich erzielten Chartereinnahmen der von der Vereinbarung umfassten Schiffe sowie bestimmte Kosten (z.B. Reisekosten/Hafengebühren der Schiffe, Vergütung des Poolsekretärs) zusammengefasst und den Mitgliedern des Pools nach Ablauf einer Abrechnungsperiode nach einem zuvor festgelegten Punktesystem zugewiesen werden, wobei sich die Anzahl der Punkte eines Poolmitglieds regelmäßig nach dem Ertragswert des eingesetzten Schiffes bestimmt, insbesondere nach dessen Alter, Größe und Technik. Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte (Ausgleichszahlungen) der Ein-Schiff-KG aus seiner Mitgliedschaft in jenem Pool steht nach Art. 8 Abs. 4 i.V.m. Art. 8 Abs. 1 auch insoweit dem Geschäftsleitungsstaat zu.

68

II. Begriffe Kooperationsformen. Die Begriffe „Pool“, „Betriebsgemeinschaft“ und „internationale Betriebsstelle“ kennzeichnen die verschiedenen Formen der internationalen Zusammenarbeit von Unternehmen der See- und Luftfahrt, die sich auf technischem wie auf wirtschaftlichem Gebiet vollziehen kann.4 Die Aufzählung der Kooperationsformen in Art. 8 Abs. 4 ist nicht abschließend, genannt sind nur die in der Praxis gängigen Bezeichnungen. Von der Regelung erfasst werden alle Formen der Zusammenarbeit im Sinne der genannten Kooperationen, abweichende Bezeichnungen bedeuten deshalb keine sachliche Abweichung vom OECDMA.5 Regelmäßig nicht von Art. 8 Abs. 4 OECD-MA 2014 erfasst wird hingegen die Zusammenarbeit in Handelsgesellschaften, wenn deren Zweck der originäre Betrieb eines Seeschiffes oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ist. Insoweit gilt Art. 8 Abs. 1 unmittelbar.6 So sind bspw. die in der Praxis typischen Eincharterungen von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen durch den Pool separat zu betrachten. In diesen Fällen liegt regelmäßig ein genuiner Betrieb von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen durch den Pool selbst vor, so dass insoweit Art. 8 Abs. 1 direkte Anwendung findet und für entsprechende Gewinne nicht der Geschäftsleitungsstaat des Poolmitglieds, sondern der des Pools das Besteuerungsrecht hat.

1 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; Wolter in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1353 (1370 f.). 2 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. 3 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 68. 4 Zur zivilrechtlichen Einordnung vgl. Klemme, Transportrecht 2004, 235; zum Einnahmenpool in der Seeschifffahrt vgl. Wichmann/Dißars, DStZ 2012, 446; zum Einnahmenpool im Versicherungsteuerrecht vgl. Kämper/Rauert, Ubg 2013, 109 sowie § 4 Nr. 11 VersStG. 5 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 69. 6 Vgl. Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 78.

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Art. 8 (2014) Rz. 70

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

F. Deutsches Muster-DBA 70

Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches MusterDBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen Muster-DBA gegenüber dem OECD-MA 2014 sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 71

Allgemeines. Der Vorrang der Spezialregelung vor Art. 7 DBA-Belgien ergibt sich – anders als im OECDMA 2014 und lediglich klarstellend – ausdrücklich aus der Einleitung in Art. 8 Abs. 1 DBA-Belgien; eine sachliche Abweichung vom OECD-MA 2014 ist damit jedoch nicht verbunden ist. Die in Art. 8 Abs. 3 OECD-MA 2014 enthaltene Regelung zum Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes findet sich mit Abweichungen in Art. 4 Abs. 4 DBA-Belgien wieder. Hingegen fehlt Art. 8 Abs. 4 OECDMA 2014 ganz. Über den Regelungsbereich des Art. 8 OECD-MA 2014 hinausgehend findet Art. 8 DBABelgien Anwendung auch auf den Eisenbahnbetrieb eines Vertragsstaats, der seine Tätigkeit auf das Hoheitsgebiet des anderen Staats ausdehnt.

72

Personengesellschaften. Das DBA-Belgien weist gegenüber dem OECD-MA 2014 die Besonderheit auf, dass es, dem nationalen Steuerrecht Belgiens folgend, die Personengesellschaft selbst als ansässige Personen fingiert und diese als abkommensberechtigt behandelt (vgl. Art. 1, Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 sowie Art. 4 Abs. 1). Davon unberührt ist nach Auffassung des BFH1 die Besteuerungszuordnung der vom Gesellschafter erwirtschafteten Gewinne.2 Danach hat Deutschland das Besteuerungsrecht insbesondere auch für den anteiligen Gewinn aus der Auflösung des Unterschiedsbetrags i.S.d. § 5a Abs. 4 EStG eines in Belgien ansässigen Mitunternehmers. 2. Konsequenzen

73

Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes. Der Sonderfall des Orts der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes ist abweichend vom OECD-MA 2014 nicht in Art. 8 DBA-Belgien, sondern in Art. 4 Abs. 4 DBA-Belgien geregelt. Anders als im OECD-MA 2014 kommt es auf den Heimathafen des Schiffes nicht an. Die Regelung stellt vielmehr allein auf die Ansässigkeit des „einzigen oder hauptsächlichen“ Unternehmers ab. Danach hat der Vertragsstaat das Besteuerungsrecht, in dem der („hauptsächliche“) Unternehmer ansässig ist, d.h. es kommt zu einer Rückverweisung auf Art. 4 Abs. 1 und 2 DBA-Belgien. Mit „Unternehmer“ ist die Person gemeint, auf deren Rechnung das Unternehmen betrieben wird, die also die Chancen und Risiken trägt.3 Wenn mehrere Personen diese Voraussetzung erfüllen, ist auf den „hauptsächlichen“ Unternehmer abzustellen, d.h. die Person mit den meisten Stimmrechten im Unternehmen.

74

Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle. Eine Art. 8 Abs. 4 OECD-MA 2014 entsprechende Regelung fehlt im DBA-Belgien. In Folge der nur klarstellenden Funktion der Regelung findet auf die Gewinne aus Beteiligungen an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle Abs. 1 daher unmittelbar Anwendung; eine sachliche Einschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 8 DBA-Belgien ist damit nicht verbunden.

75

Eisenbahnbetriebe. Auch für die Gewinne eines Eisenbahnbetriebs hat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht der Vertragsstaat, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet (Art. 8 Abs. 2 DBA-Belgien). Der Begriff Eisenbahnbetrieb umfasst jedes Unternehmen, das ein Schienenfahrzeug zur Beförderung von Personen und/oder Gütern betreibt. Nicht er1 BFH v. 13.11.2013 – I R 67/12, BStBl. II 2014, 172. 2 Vgl. Gosch in BFH/PR 2014, 109: ein Gleichklang von Abkommensberechtigung der Personengesellschaft und Zuordnung des Besteuerungsrechts hätte „einer entsprechenden und umfassenden Abkommensanordnung bedurft, wonach Deutschland auch, was die Besteuerung des Gesellschafters anbelangt, dem Trennungsprinzip zu folgen hätte. M.a.W. es hätte auch insofern einer Qualifikationsverkettung bedurft, die die Anwendung der nationalen, deutschen, auf dem Transparenzgedanken fußenden Sichtweise suspendiert.“ 3 Vgl. Schwenke/Straka in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Belgien Rz. 36.

584

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 82 Art. 8 (2014)

forderlich ist, dass die Eisenbahn im internationalen Verkehr betrieben wird. Somit hat der Vertragsstaat der tatsächlichen Geschäftsleitung das Recht zur uneingeschränkten Besteuerung der Gewinne aus dem Betrieb von Eisenbahnen auch dann, wenn diese ausschließlich zwischen Orten im anderen Vertragsstaat verkehren. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Belgien als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Belgien („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Belgiens als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 118).

76

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).

77

II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 Allgemeines. Mit Ausnahme der Regelungen zur Binnenschifffahrt stimmt das DBA-China1 inhaltlich mit Art. 8 OECD-MA 2014 bzw. Art. 8 DE-VG überein. Ergänzend zu Art. 8 OECD-MA 2014 regelt Art. 8 DBAChina die gelegentliche Vermietung von leeren Seeschiffen oder Luftfahrzeugen (Abs. 2 Buchst. a) und die Nutzung, Wartung oder Vermietung von Containern (Abs. 2 Buchst. b), wenn diese Nutzung, Wartung oder Vermietung mit dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr verbunden ist.

78

2. Konsequenzen Leervermietung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, Art. 8 Abs. 2 Buchst. a DBA-China. Nach dem klarstellenden Wortlaut der Vorschrift fallen Gewinne aus der Leervermietung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen in den Regelungsbereich des Artikels, wenn die Vermietung mit dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr verbunden ist. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 8 DBA-China auf Leervermietungen ist somit stets der originäre Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr. Nicht von Art. 8 DBA-China, sondern von Art. 7 bzw. 21 DBA-China erfasst werden dagegen die Gewinne aus der Leervermietung, wenn es sich insoweit nicht um eine untergeordnete Tätigkeit eines Unternehmens handelt, das Seeschiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt (vgl. Rz. 33).2

79

Nutzung, Wartung oder Vermietung von Containern, Art. 8 Abs. 2 Buchst. b DBA-China. Auch die Gewinne aus der Nutzung, Wartung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und zugehöriger Ausstattung für den Transport von Containern), die für den Transport von Gütern oder Waren eingesetzt werden, fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-China, wenn diese Tätigkeiten mit dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr verbunden sind. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion. Voraussetzung ist somit auch hier, dass die entsprechenden Gewinne aus einer untergeordneten Tätigkeit eines Unternehmens stammen, das (auch) Seeschiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt (s. Art. 8 Rz. 9 u. 10.1 OECD-MK). Von der Norm nicht umfasst sind daher reine Containerunternehmen. Im Übrigen ist es im Gegensatz zur Leervermietung (vgl. Rz. 79) unmaßgeblich, ob die Container nur gelegentlich oder dauerhaft vermietet bzw. genutzt werden.

80

Binnenschifffahrt. Der Betrieb der Binnenschifffahrt ist im Abkommen nicht ausdrücklich geregelt. Infolgedessen findet auf entsprechende Gewinne ggf. das Betriebsstättenprinzip des Art. 7 DBA-China Anwendung.

81

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung China als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-China („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht der Volksrepublik China als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 124). 1 In Hongkong ist das DBA-China nicht anwendbar, vgl. BMF v. 17.1.2019 – IV B 2 - S 1301/07/10017-10 – DOK 2019/0034103, juris. 2 Vgl. Art. 8 Rz. 5 OECD-MK.

Rauert

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82

Art. 8 (2014) Rz. 83 83

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).

III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 84

Allgemeines. Während Art. 6 Abs. 1 bis 3 DBA-Frankreich mit den Regelungen in Art. 8 OECD-MA 2014 inhaltlich uneingeschränkt übereinstimmen, enthält das Abkommen keine dem Art. 8 Abs. 4 OECDMA 2014 entsprechende ausdrückliche Bestimmung. Über den Wortlaut des OECD-MA 2014 hinausgehend bestimmt Art. 6 Abs. 4 DBA-Frankreich, dass die Abs. 1 und 2 entsprechend auf die Gewerbesteuer anzuwenden sind, die nach einer anderen Bemessungsgrundlage als dem gewerblichen Gewinn erhoben wird. 2. Konsequenzen

85

Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle. Wenngleich das DBA-Frankreich keine ausdrückliche Regelung i.S.d. Art. 8 Abs. 4 OECDMA 2014 enthält, findet auf die Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle Art. 6 Abs. 1 DBA-Frankreich entsprechende Anwendung (Rz. 67).1 Die Abweichung vom OECD-MA 2014 hat somit insoweit keine materiellen Konsequenzen.

86

Gewerbesteuer. Die Regelung in Art. 6 Abs. 4 DBA-Frankreich ist das Pendant zu Art. 4 Abs. 7 DBAFrankreich. Danach bestimmt sich das Besteuerungsrecht für die Gewerbesteuer auch dann nach dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung, wenn die Steuer nach einer anderen Bemessungsgrundlage als dem gewerblichen Gewinn erhoben wird. Aus deutscher Sicht hatte die Regelung Bedeutung für die längst abgeschaffte, ergebnisunabhängige Gewerbekapitalsteuer. Zwar gilt gem. § 7 S. 3 GewStG der nach § 5a EStG ermittelte und vom betrieblichen Ergebnis unabhängige Gewinn als Gewerbeertrag nach § 7 S. 1 GewStG; Art. 6 Abs. 4 DBA-Frankreich hat jedoch insoweit nur klarstellende Funktion. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

87

Frankreich als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Frankreich („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Frankreichs als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 131).

88

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).

IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 89

Allgemeines. Abweichend vom OECD-MA 2014 gilt für Art. 8 DBA-Großbritannien das Wohnsitzprinzip.2 Nicht ausdrücklich geregelt ist die Binnenschifffahrt. Klarstellend3 regelt Art. 8 Abs. 2 DBA-Großbritannien, dass auch Einkünfte aus der Vermietung von leeren Seeschiffen oder Luftfahrzeugen (Bareboat Charter) sowie aus der Nutzung, Wartung oder Vermietung von Containern, die für den Transport von Gütern oder Waren eingesetzt werden, in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen können. Weitgehend inhaltsgleich mit Art. 8 Abs. 4 OECD-MA 2014 bestimmt Art. 8 Abs. 3 DBA-Großbritannien, dass Abs. 1 auch für Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle gilt. Auf britischen Wunsch stellt Abs. 3 ergänzend zum OECD-MA 2014 klar, dass dies nur für den entsprechend der Beteiligung zuzurechnenden Anteil gilt.4

1 Vgl. BMF v. 5.11.2007 – IV B 6 - S 1301-FRA/0, BStBl. I 2007, 782 für die Luftfahrt. 2 Nach der Gesetzesbegründung bestimmt Art. 8 dagegen, dass „Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr abweichend vom Betriebsstättenprinzip nur in dem Staat besteuert werden dürfen, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, das die Schiffe oder Luftfahrzeuge betreibt“; vgl. BT-Drucks. 17/2254, 35. Insoweit handelt es sich offenbar um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers. 3 BT-Drucks. 17/2254, 35. 4 BT-Drucks. 17/2254, 35.

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 95 Art. 8 (2014)

2. Konsequenzen Sitz-/Ansässigkeitsstaat. In Übereinstimmung mit dem OECD-MA 2017 hat nach Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Großbritannien der Ansässigkeitsstaat der Person, die das Unternehmen betreibt, das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die vom Anwendungsbereich der Norm umfassten Einkünfte (vgl. Art. 8 (2017) Rz. 6). Diese von Art. 8 OECD-MA 2014 abweichende Verteilung lässt Art. 8 Rz. 2 OECD-MK 2014 ausdrücklich zu. Das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats wird durch die Begründung einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat ggf. selbst dann nicht beeinträchtigt, wenn sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens am Ort dieser Betriebsstätte befindet. Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens kann sich aber u.U. bei der Bestimmung der Ansässigkeit der das Unternehmen betreibenden Person gem. Art. 4 Abs. 1 DBA-Großbritannien auswirken (vgl. Art. 4 Abs. 3 DBA-Großbritannien). Befindet sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung eines Unternehmens der Seeschifffahrt an Bord eines Schiffes, gilt er nach Art. 4 Abs. 3 DBA-Großbritannien als in dem Vertragsstaat gelegen, zu dessen Territorium der Heimathafen des Schiffes gehört. Diese Fiktion entspricht Art. 8 Abs. 3 OECD-MA 2014, aufgrund des Wohnsitzprinzips des Art. 8 DBA-Großbritannien ist sie in Art. 4 verortet; anders als ihr Pendant im OECD-MA 2014 umfasst die Fiktion synchron zu Art. 8 DBA-Großbritannien nicht die Binnenschifffahrt.

90

Leervermietung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, Art. 8 Abs. 2 Buchst. a DBA-Großbritannien. Nach dem Wortlaut der Vorschrift fallen Gewinne aus der Leervermietung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen in den Regelungsbereich des Artikels, wenn die Vermietung zum Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehört. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 8 DBA-Großbritannien auf Leervermietungen ist somit stets der originäre Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr. Nach der Gesetzesbegründung hat die Regelung in Abs. 2 klarstellende Funktion.1 Nicht von Art. 8 DBA-Großbritannien, sondern von Art. 7 bzw. 21 DBA-Großbritannien erfasst werden dagegen die Gewinne aus der Leervermietung, wenn es sich insoweit nicht um eine untergeordnete Tätigkeit eines Unternehmens handelt, das Seeschiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt (vgl. Rz. 33).2

91

Nutzung, Wartung oder Vermietung von Containern, Art. 8 Abs. 2 Buchst. b DBA-Großbritannien. Auch die Gewinne aus der Nutzung, Wartung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und zugehöriger Ausstattung für den Transport von Containern), die für den Transport von Gütern oder Waren eingesetzt werden, fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-Großbritannien, wenn diese Tätigkeiten zum Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehören. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion.3 Voraussetzung ist somit auch hier, dass die entsprechenden Gewinne aus einer untergeordneten Tätigkeit eines Unternehmens stammen, das Seeschiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt (s. Art. 8 Rz. 9, 10.1 OECD-MK). Nicht vom Anwendungsbereich der Norm erfasst sind daher reine Containerunternehmen. I.Ü. ist es im Gegensatz zur Leervermietung unmaßgeblich, ob die Container nur gelegentlich oder dauerhaft vermietet bzw. genutzt werden.

92

Binnenschifffahrt. Mangels ausdrücklicher Regelung findet auf Gewinne aus dem Betrieb der Binnenschifffahrt Art. 7 DBA-Großbritannien Anwendung.

93

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Großbritannien als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Großbritannien („können nur“) hat Großbritannien als Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht, Deutschland als Quellenstaat hat die entsprechenden Einkünfte freizustellen; der Methodenartikel findet keine Anwendung.

94

Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland Wohnsitzstaat, hat es das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 DBA-Großbritannien; Großbritannien hat die Einkünfte freizustellen. Eines Rückgriffs auf den Methodenartikel bedarf es hierfür nicht.

95

1 BT-Drucks. 17/2254, 35; a.A. Bahns in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Großbritannien Rz. 17. 2 Vgl. Art. 8 Rz. 5 OECD-MK. 3 BT-Drucks. 17/2254, 35; a.A. Bahns in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Großbritannien Rz. 17.

Rauert

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Art. 8 (2014) Rz. 96

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 96

Allgemeines. Nicht geregelt im Art. 8 DBA-Indien ist die Binnenschifffahrt, da entsprechende Wirtschaftsbeziehungen – soweit ersichtlich – nicht bestehen. I.Ü. sind die Regelungen des Art. 8 OECD-MA 2014 wortgleich in Art. 8 DBA-Indien enthalten. Über den Wortlaut des Art. 8 OECD-MA 2014 hinausgehend regelt das Abkommen ausdrücklich die Behandlung von Zinsen auf Kapital (Art. 8 Abs. 3 DBA-Indien) sowie von Gewinnen aus der Verwendung, Wartung oder Vermietung von Containern (Abschn. 2 des Prot.). 2. Konsequenzen

97

Binnenschifffahrt. Der Betrieb der Binnenschifffahrt ist im Abkommen nicht ausdrücklich geregelt. Auf entsprechende Gewinne findet somit Art. 7 DBA-Indien Anwendung.

98

Zinsen gem. Art. 8 Abs. 3 DBA-Indien. Die ausdrückliche Regelung von „Zinsen auf Kapital“ in Art. 8 Abs. 3 DBA-Indien hat allein klarstellende Bedeutung (s. Art. 8 Rz. 14 OECD-MK).1 Von der Bestimmung unberührt bleiben insbesondere die allgemeinen Grundsätze (vgl. die ausführliche Darstellung in Rz. 17; Art. 8 Rz. 14 OECD-MK).

99

Verwendung, Wartung oder Vermietung von Containern gem. Abschn. 2 des Prot. Auch die Gewinne aus der Verwendung, Wartung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und zugehöriger Ausstattung für die Beförderung von Containern) im Zusammenhang mit dem Transport von Gütern oder Waren fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-Indien, wenn diese Tätigkeiten zum Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr gehören. Eine entsprechende Regelung ist in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b DBA-Großbritannien enthalten (vgl. insoweit die Darstellung in Rz. 92). Wenn jene Bestimmung allein klarstellende Funktion hat,2 kann für entsprechende Gewinne aus dem Betrieb von Luftfahrzeugen nichts anderes gelten.3 Deshalb kommt auch insoweit Art. 8 DBA-Indien zur Anwendung. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

100

Indien als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Indien („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Indiens als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 145).

101

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).

VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 102

Allgemeines. Die Binnenschifffahrt ist in Art. 8 DBA-Italien nicht geregelt. Im Übrigen sind die Regelungen des Art. 8 OECD-MA 2014 wortgleich in Art. 8 DBA-Italien enthalten. Über den Wortlaut des Art. 8 OECDMA 2014 hinausgehend umfasst der Regelungsbereich nach der ausdrücklichen Bestimmung in Prot. Nr. 6 zu Art. 8 DBA-Italien auch die Gewinne aus der Vermietung von Containern für die Beförderung von Gütern oder Waren im internationalen Verkehr. 2. Konsequenzen

103

Binnenschifffahrt. Da eine spezielle Regelung für die Binnenschifffahrt fehlt, findet auf entsprechende Gewinne Art. 7 DBA-Italien Anwendung.

104

Gewinne aus der Vermietung von Containern gem. Prot. Nr. 6 zu Art. 8 DBA-Italien. Das Prot. zum DBA-Italien unterstellt dem Regelungsbereich des Art. 8 DBA-Italien auch die Vermietung von Containern für die Beförderung von Gütern oder Waren im internationalen Verkehr und schließt nach der Denkschrift4 damit die Erhebung einer Abzugsteuer im Quellenstaat von dabei entstehenden Mieteinnahmen (Art. 12 DBA-Italien) aus. Für die Einordnung in den Anwendungsbereich des Art. 8 DBA-Italien ist es un1 2 3 4

A.A. Strauß in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Indien Rz. 30. Vgl. BT-Drucks. 17/2254, 35. Vgl. Wilden in G/K/G/K, Art. 9 DBA-Indien Rz. 16. BT-Drucks. Nr. 11/6532 v. 28.2.1990, 32.

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Rauert

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 110 Art. 8 (2014)

beachtlich, ob diese Tätigkeiten nicht nur gelegentlich ausgeübt werden bzw. sie nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb von (eigenen) Seeschiffen stehen; denn es ist anzunehmen, dass die Denkschrift,1 die jene Einkünfte ausdrücklich erwähnt, ggf. entsprechende Einschränkungen gemacht hätte. Die Verteilungsnorm gilt somit auch dann, wenn die Container-Vermietung einziger Gegenstand des Unternehmens ist.2 Erforderlich ist jedoch, dass die Container für die Beförderung von Gütern oder Waren im internationalen Verkehr vermietet werden. Insoweit wird auf die ausführliche Darstellung in Rz. 37 f. verwiesen. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Italien als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Italien („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Italiens als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 152).

105

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).

106

VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 Allgemeines. Abweichend vom OECD-MA 2014 und in Übereinstimmung mit dem OECD-MA 2017 bestimmt Art. 8 Abs. 1 DBA-Japan, dass Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr nur in dem Ansässigkeitsstaat des Unternehmens, das die Schiffe oder Luftfahrzeuge betreibt, besteuert werden dürfen. Eine Art. 8 Abs. 3 OECD-MA 2014 entsprechende Regelung fehlt im DBA-Japan. Nicht ausdrücklich geregelt ist die Binnenschifffahrt. Klarstellend regelt Art. 8 Abs. 2 DBA-Japan, dass auch Einkünfte aus der Vermietung von leeren Seeschiffen oder Luftfahrzeugen (Bareboat Charter) sowie aus der Nutzung, Unterhaltung oder Vermietung von Containern in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen können. Weitgehend inhaltsgleich mit Art. 8 Abs. 4 OECD-MA 2014 bestimmt Art. 8 Abs. 3 DBA-Japan, dass Abs. 1 der Regelung auch für Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle gilt.

107

2. Konsequenzen Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Die Gewinne eines Unternehmens aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr können nach Abs. 1 nur in dessen Ansässigkeitsstaat besteuert werden (vgl. die Ausführungen in Rz. 90).

108

Leervermietung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, Art. 8 Abs. 2 Buchst. a DBA-Japan. Nach dem Wortlaut der Vorschrift fallen Gewinne aus der Leervermietung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen in den Regelungsbereich des Artikels, wenn die Vermietung zum Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehört. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 8 DBA-Japan auf Leervermietungen ist somit stets der originäre Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr. Nicht von Art. 8 DBA-Japan, sondern von Art. 7 bzw. 20 DBA-Japan erfasst werden dagegen die Gewinne aus der Leervermietung, wenn es sich insoweit nicht um eine untergeordnete Tätigkeit eines Unternehmens handelt, das Seeschiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt (vgl. Rz. 33).3

109

Nutzung, Unterhaltung oder Vermietung von Containern, Art. 8 Abs. 2 Buchst. b DBA-Japan. Auch die Gewinne aus der Nutzung, Unterhaltung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und zugehöriger Ausstattung für den Transport von Containern), die für den Transport von Gütern oder Waren eingesetzt werden, fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-Japan, wenn diese Tätigkeiten zum Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehören. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion.4 Voraussetzung ist somit auch hier, dass die entsprechenden Gewinne aus einer untergeordneten Tätigkeit eines Unternehmens stammen, das Seeschiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt (s. Art. 8 Rz. 9 und 10.1 OECD-MK). Nicht vom Anwendungsbereich der Norm er-

110

1 2 3 4

BT-Drucks. Nr. 11/6532 v. 28.2.1990, 32. Vgl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Italien Rz. 35. Vgl. Art. 8 Rz. 5 OECD-MK. Vgl. z.B. BT-Drucks. 17/2254, 35 zur entsprechenden Regelung in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b DBA-Großbritannien.

Rauert

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Art. 8 (2014) Rz. 110

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

fasst sind daher reine Containerunternehmen. Im Übrigen ist es im Gegensatz zur Leervermietung unmaßgeblich, ob die Container nur gelegentlich oder dauerhaft vermietet bzw. genutzt werden. 111

Binnenschifffahrt. Der Betrieb der Binnenschifffahrt ist im Abkommen nicht ausdrücklich geregelt. Auf entsprechende Gewinne findet somit Art. 7 DBA-Japan Anwendung.

112

Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle, Art. 8 Abs. 3 DBA-Japan. Die Spezialnorm in den Abs. 1 und 2 gilt gem. Abs. 3 gleichermaßen für die entsprechenden Einkünfte aus der Mitgliedschaft an einem Pool o.Ä. Die Regelung hat Klarstellungsfunktion (Rz. 67). 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

113

Japan als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Japan hat Japan als Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht, Deutschland als Quellenstaat hat die betreffenden Einkünfte freizustellen; der Methodenartikel findet keine Anwendung.

114

Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland Wohnsitzstaat, hat es das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 DBA-Japan, Japan hat die Einkünfte freizustellen. Eines Rückgriffs auf den Methodenartikel bedarf es hierfür nicht.

VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 115

Allgemeines. Abweichend vom OECD-MA 2014 und entsprechend dem OECD-MA 2017 bestimmt sich das Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gem. Art. 8 Abs. 1 DBA-Kanada nach der Ansässigkeit der Person, die das Unternehmen betreibt. Eine Art. 8 Abs. 3 OECD-MA 2014 entsprechende Regelung ist in Art. 8 DBA-Kanada infolgedessen nicht enthalten. Anders als im OECD-MA 2014 regelt Art. 8 in Abs. 2 ausdrücklich die Gewinne aus der Benutzung oder Vermietung von Containern, die im internationalen Verkehr betrieben werden. Auch insoweit hat das Besteuerungsrecht der Staat, in dem die Person, die das Unternehmen betreibt, ansässig ist. Eine Art. 8 Abs. 2 OECD-MA 2014 entsprechende Regelung für den Betrieb der Binnenschifffahrt fehlt; jedoch enthält das Abkommen in Art. 8 Abs. 3 DBA-Kanada eine ausdrückliche Regelung für Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen in den Hoheitsgewässern des anderen Vertragsstaats zugunsten dieses Staats. Art. 8 Abs. 4 DBA-Kanada stimmt nahezu wortgleich mit Art. 8 Abs. 4 OECD-MA 2014 überein. 2. Konsequenzen

116

Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Die Gewinne eines Unternehmens aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr können nach Abs. 1 nur in dessen Sitz- bzw. Ansässigkeitsstaat besteuert werden (vgl. die Ausführungen in Rz. 90).

117

Benutzung und Vermietung von Containern im internationalen Verkehr gem. Art. 8 Abs. 2 DBA-Kanada. Für die Gewinne eines Unternehmens aus der Benutzung und Vermietung von Containern (einschließlich Trailerschiffen, Leichtern und ähnlichem Gerät für die Beförderung von Containern), die im internationalen Verkehr eingesetzt werden, hat der Vertragsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht, in dem die Person, die das Unternehmen betreibt, ansässig ist. Die Regelung entspricht inhaltlich Art. 8 Abs. 2 DBAUSA (vgl. daher insoweit die Darstellung in Rz. 158).

118

Vertragsstaatenverkehr mit Seeschiffen gem. Art. 8 Abs. 3 DBA-Kanada. Art. 8 Abs. 3 DBA-Kanada regelt den Betrieb von Seeschiffen in den Hoheitsgewässern des anderen Vertragsstaats, also insbesondere die Küstenschifffahrt, abweichend von Abs. 1: Die Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats aus der Fahrt eines Seeschiffes können „ungeachtet der Bestimmungen von Artikel 7“ des Abkommens in dem anderen Staat besteuert werden, wenn der Hauptzweck der Reise die Beförderung von Personen und/oder Gütern zwischen Orten innerhalb des anderen Vertragsstaats ist. Ob im anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte unterhalten wird, der der Gewinn aus den Fahrten des Seeschiffes zugerechnet werden kann, ist abkommensrechtlich unbeachtlich.1 Diese Regelung ermöglicht es den Vertragsstaaten, die Gewinne im an-

1 Die Vorgängerfassung vom 17.7.1981 des aktuellen DBA-Kanada entsprach in Art. 8 mit Ausnahme der nicht geregelten Binnenschifffahrt dem OECD-MA 2014, enthielt aber dennoch eine der heutigen Regelung in Art. 8 Abs. 3 DBA-Kanada entsprechende Bestimmung in Ziff. 2 des Prot. zu Art. 3 Abs. 1 Buchst. f und den Art. 5 und 8 DBAKanada. Danach stellten die in dem Vertragsstaat gelegenen Anlagestellen, die von entsprechenden Schiffen im Ver-

590

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 123 Art. 8 (2014)

deren Vertragsstaat ansässiger Betreiber aus der auf das Inland beschränkten Küstenschifffahrt zu besteuern.1 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Kanada als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 Abs. 1 DBA-Kanada („können nur“) hat Kanada als Wohnsitzstaat das alleinige Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 Abs. 1, 2 DBA-Kanada (vgl. Rz. 1); der Methodenartikel findet insoweit keine Anwendung. Für die Einkünfte i.S. des Art. 8 Abs. 3 DBA-Kanada hat der Quellenstaat nicht das ausschließliche Besteuerungsrecht („können“, nicht „können nur“). Kanada als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Gewinne nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Kanada durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus Deutschland bezogenen Einkünfte entfällt.2

119

Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland Wohnsitzstaat, hat es das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 Abs. 1, 2 DBA-Kanada, Kanada hat die Einkünfte freizustellen. Eines Rückgriffs auf den Methodenartikel bedarf es hierfür nicht. Eine Doppelbesteuerung der Einkünfte i.S. des Art. 8 Abs. 3 DBA-Kanada, für die Kanada Quellenstaat ist, vermeidet Deutschland als Wohnsitzstaat nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Kanada durch Anwendung der Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt.

120

IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 Allgemeines. Inhaltlich entspricht Art. 8 DBA-Luxemburg im Wesentlichen anderen neueren deutschen Abkommen dieser Art (vgl. z.B. DBA-Niederlande, Rz. 126, DBA-Spanien, Rz. 150) und orientiert sich in Aufbau und Wirkungsweise am OECD-MA 2014 und seinem Kommentar.3 In seinen Abs. 1, 2, 4 und 5 stimmt die Regelung nahezu wortwörtlich mit Art. 8 OECD-MA 2014 überein. Über den Wortlaut des OECDMA 2014 hinausgehend regelt Art. 8 Abs. 3 DBA-Luxemburg ausdrücklich die Verteilung der Einkünfte aus der gelegentlichen Leervercharterung von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie aus der untergeordneten Nutzung und Vermietung von Containern.

121

2. Konsequenzen Gelegentliche Leervermietung von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Luxemburg. Die Vorschrift bestimmt ausdrücklich, dass Gewinne aus der gelegentlichen Leervermietung von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen in den Regelungsbereich des Artikels fallen, wenn die Vermietung zum Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehört. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 8 DBA-Luxemburg auf Leervermietungen ist somit stets der originäre Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr bzw. von Binnenschiffen. Nach der Denkschrift hat die Regelung in Abs. 3 klarstellende Bedeutung.4 Deshalb wird insoweit auf die ausführliche Darstellung in Rz. 33 verwiesen.

122

Nutzung oder Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Luxemburg. Auch die Gewinne aus der Nutzung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und zugehöriger Ausstattung für den Transport von Containern) fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-Luxemburg, wenn diese Tätigkeiten zum Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehören. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion.5 Somit ist auch insoweit Voraussetzung, dass jene Gewinne aus einer untergeordneten Tätigkeit eines Unternehmens stammen, das Seeschiffe und/oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffe betreibt (Rz. 36 sowie Art. 8 Rz. 9 OECD-MK).

123

1 2 3 4 5

tragsstaatenverkehr regelmäßig benutzt werden, in diesem Staat gelegene Betriebsstätten des Unternehmens dar, das diese Schiffe betreibt. Vgl. W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Kanada Rz. 26. Vgl. W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Kanada Rz. 44. Vgl. BR-Drucks. 478/12, 1, 18. Vgl. BR-Drucks. 478/12; Art. 8 Rz. 5 OECD-MK. Vgl. BR-Drucks. 478/12, 19.

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Art. 8 (2014) Rz. 124

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung 124

Luxemburg als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge in Art. 8 DBA-Luxemburg („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Luxemburgs als Wohnsitzstaat, die Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 174).

125

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).

X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 126

Allgemeines. Inhaltlich entspricht Art. 8 DBA-Niederlande weitgehend anderen neueren deutschen Abkommen dieser Art (vgl. z.B. DBA-Luxemburg 2012, Rz. 121, DBA-Spanien 2011, Rz. 150) und orientiert sich in Aufbau und Wirkungsweise am OECD-MA 2014 und seinem Kommentar.1 In seinen Abs. 1, 2 und 4 Satz 1 stimmt die Regelung nahezu wortwörtlich mit Art. 8 OECD-MA 2014 überein. Über den Wortlaut des OECD-MA 2014 hinausgehend regelt Art. 8 Abs. 3 DBA-Niederlande ausdrücklich die Verteilung der Einkünfte aus der gelegentlichen Leervercharterung sowie aus der untergeordneten Nutzung und Vermietung von Containern. Abweichend vom OECD-MA 2014 enthält Art. 8 Abs. 4 Satz 2 DBA-Niederlande eine einschränkende Regelung für den Sonderfall des fehlenden Heimathafens bei Ansässigkeit des Betreibers des See- oder Binnenschiffes in beiden Vertragsstaaten. Der Wortlaut des Art. 8 Abs. 5 DBA-Niederlande erweitert den Anwendungsbereich der Regelung auf die internationale Zusammenarbeit in der Binnenschifffahrt. Eine Sonderbestimmung enthält ferner das Protokoll in Rz. VII für den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des niederländischen Luftfahrtunternehmens KLM N.V. 2. Konsequenzen

127

Gelegentliche Leervermietung von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Niederlande. Die Regelung ist inhaltlich mit Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Luxemburg identisch. Deshalb wird insoweit auf die Darstellung in Rz. 122 verwiesen. Nach der Denkschrift zum DBA-Niederlande hat die Regelung in Abs. 3 klarstellende Funktion.2 In der Denkschrift findet sich ferner der klarstellende Hinweis, dass die Rz. 5 des OECD-MK bei der Anwendung dieser Regelung zu beachten ist (vgl. Art. 8 Rz. 29 OECD-MK).3

128

Nutzung oder Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Niederlande. Die Regelung ist inhaltlich mit Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Luxemburg identisch. Deshalb wird insoweit auf die Darstellung in Rz. 123 verwiesen. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion.4 Lediglich klarstellend ist auch der Hinweis in der Denkschrift, dass die Rz. 9 des OECD-MK bei der Anwendung dieser Regelung zu beachten ist (vgl. Art. 8 Rz. 29 OECD-MK).5

129

Sonderfall: Fehlender Heimathafen und Doppelansässigkeit des Betreibers. Art. 8 Abs. 4 Satz 2 DBANiederlande schränkt die Anwendung von Art. 4 Abs. 2 DBA-Niederlande für den Sonderfall des fehlenden Heimathafens bei Ansässigkeit des Betreibers des See- oder Binnenschiffes in beiden Vertragsstaaten ein, indem sich die Ansässigkeit ausschließlich nach der Staatsangehörigkeit bzw. im Falle der Staatsangehörigkeit beider Vertragsstaaten dem gegenseitigen Einvernehmen dieser Staaten richtet (Art. 4 Abs. 2 Buchst. c und d DBA-Niederlande).6

130

Internationale Zusammenarbeit in der Binnenschifffahrt gem. Art. 8 Abs. 5 DBA-Niederlande. Über den Wortlaut des Art. 8 Abs. 4 OECD-MA 2014 hinausgehend findet die Regelung in Art. 8 Abs. 2 DBANiederlande nach Art. 8 Abs. 5 des Abkommens auch Anwendung auf die internationale Zusammenarbeit in der Binnenschifffahrt. Art. 8 Abs. 5 DBA-Niederlande hat wie Art. 8 Abs. 4 OECD-MA 2014 indes allein klarstellende Bedeutung (vgl. Rz. 67). 1 Vgl. BR-Drucks. 479/12, 1, 55. 2 Vgl. BR-Drucks. 479/12, 56; OECD-MK zu Art. 8 Ziff. 5; a.A. Engers/Stevens in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Niederlande Rz. 26, wonach die entsprechenden Gewinne „durch“ die ausdrückliche Regelung in Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Niederlande in den Anwendungsbereich von Art. 8 OECD-MA fallen. 3 Vgl. BR-Drucks. 479/12, 56. 4 Vgl. BR-Drucks. 479/12, 56. 5 Vgl. BR-Drucks. 479/12, 56. 6 Vgl. BR-Drucks. 479/12, 56.

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 135 Art. 8 (2014)

Ort der Geschäftsleitung der KLM N.V. gem. Prot. Nr. VII zu Art. 8, 13, 14 und 21 DBA-Niederlande. Auf „ausdrücklichen Wunsch“1 der Niederlande regelt das Prot. in Nr. VII den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der Koninklijke Luchtvaartmaatschappij N.V. (KLM N.V.) für Zwecke der Art. 8, 13, 14 und 21 DBA-Niederlande. Dieser gilt nach Abs. 1 der Protokollbestimmung als in den Niederlanden gelegen, solange die Niederlande nach ihrem DBA-Frankreich in Bezug auf das Unternehmen KLM N.V. ein ausschließliches Besteuerungsrecht haben. Nach Abs. 2 soll dies auch in allen Fällen gelten, in denen die Luftverkehrstätigkeit der bestehenden KLM N.V. vollständig oder im Wesentlichen von einer anderen Person fortgeführt würde. Diese Person gilt als in den Niederlanden ansässig.

131

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Niederlande als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge in Art. 8 DBA-Niederlande. („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht der Niederlande als Wohnsitzstaat, die Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 182).

132

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).

133

XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 Allgemeines. Mit Ausnahme von Abs. 3 entspricht Art. 8 DBA-Österreich wortwörtlich Art. 8 OECDMA 2014. Im Unterschied zu Art. 8 OECD-MA 2014 regelt Art. 8 Abs. 3 DBA-Österreich ausdrücklich die gelegentliche Vercharterung von Seeschiffen und Luftfahrzeugen sowie die Nutzung und Vermietung von Containern. Eine inhaltliche Abweichung vom OECD-MA 2014 ist damit nach der hier vertretenen Auffassung jedoch nicht verbunden (vgl. Art. 8 Rz. 5, 9 OECD-MK).2

134

2. Konsequenzen Einkünfte aus der gelegentlichen Vercharterung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Österreich. Vom Regelungsbereich des Art. 8 DBA-Österreich ausdrücklich erfasst wird auch die gelegentliche Vercharterung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, wenn diese Einkünfte den in Abs. 1 genannten Einkünften zugerechnet werden können. Nach dem Wortlaut der Norm fällt die nicht nur gelegentliche Vercharterung vollständig ausgerüsteter und bemannter Seeschiffe bzw. Luftfahrzeuge wie die nicht nur gelegentliche Leer-Vercharterung (Bareboat-Charter) nicht unter Art. 8. Bei wortgetreuer Auslegung würde danach bspw. für die insbesondere in Deutschland sehr bedeutsame Trampschifffahrt nicht Art. 8 DBA-Österreich, sondern Art. 7 DBA-Österreich Anwendung finden. Indes spricht die Vermutung für eine OECD-MA-konforme Auslegung, denn die abweichende Formulierung im DBA-Österreich steht bei ihrer Auslegung nicht in einem erkennbaren Gegensatz zum OECD-MA.3 Es sind nämlich keine Anhaltspunkte erkennbar, dass die Vertragsstaaten die abweichende Formulierung mit dem Ziel einer vom OECD-MA abweichenden Regelung vereinbart haben. Auch ist nicht ersichtlich, dass die abweichende Formulierung in der Absicht gewählt worden ist, Besonderheiten im Recht eines oder beider Vertragsstaaten berücksichtigen zu wollen. Deshalb gilt weiterhin die Vermutung, dass die Vertragsstaaten dem OECDMA folgen wollten.4 Die Vercharterung vollständig ausgerüsteter und bemannter Seeschiffe und/oder Luftfahrzeuge ist somit wie der Transport mit eigenen und/oder gecharterten Seeschiffen oder Luftfahrzeugen zu behandeln (vgl. Art. 8 Rz. 5 S. 1, 2 OECD-MK). Entgegen seinem weiter gefassten Wortlaut regelt Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Österreich daher allein die Verteilung des Besteuerungsrechts für Einkünfte aus der Vercharterung eines leeren Seeschiffes oder Luftfahrzeugs.5 Insoweit hat die Norm lediglich Klarstellungsfunktion, denn bereits nach Art. 8 Rz. 5 S. 3 OECD-MK gilt für Gewinne aus der gelegentlichen Vercharterung leerer Seeschiffe oder Luftfahrzeuge nicht Art. 7 OECD-MA, sondern Art. 8 OECD-MA, wenn es sich um die untergeordnete Tätigkeit eines Unternehmens handelt, das Seeschiffe bzw. Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt. In den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-Österreich fällt die gelegentliche Leer-Vercharterung somit überhaupt nur dann, wenn Seeschiffe und/oder Luftfahrzeuge im internationalen 1 2 3 4 5

Vgl. BR-Drucks. 479/12, 56. Wohl gl.A. Schuch/Fürnsinn in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Österreich Rz. 4 ff. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, OECD-MA 2014 vor Art. 1 Rz. 51. Vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 130. Gl.A. Schuch/Fürnsinn in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Österreich Rz. 4.

Rauert

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135

Art. 8 (2014) Rz. 135

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

Verkehr bzw. Binnenschiffe betrieben werden (vgl. auch zum Merkmal „gelegentlich“ die Darstellung in Rz. 33). 136

Einkünfte aus der Nutzung und Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Österreich. Vom Regelungsbereich des Art. 8 erfasst wird außerdem die Nutzung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailer und zugehöriger Ausstattung, die dem Transport der Container dient) i.R. eines Betriebs der Seeschifffahrt oder Luftfahrt im internationalen Verkehr oder der Binnenschifffahrt. Vgl. i.Ü. die Darstellung in Rz. 92. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

137

Österreich als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Österreich („dürfen nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Österreichs als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 190).

138

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).

XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 139

Allgemeines. Im Unterschied zum OECD-MA 2014 bzw. im Gleichklang mit dem OECD-MA 2017 bestimmt Art. 8 Abs. 1 DBA-Russland, dass Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie von Binnenschiffen nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können. Nach Art. 8 Abs. 2 DBA-Russland gilt Abs. 1 auch für die Einkünfte aus der Nutzung, Unterhaltung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und dazugehöriger Ausrüstung, die dem Transport der Container dient) i.Z. mit dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr bzw. von Binnenschiffen. 2. Konsequenzen

140

Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Vgl. die Darstellung in Rz. 90.

141

Nutzung, Unterhaltung oder Vermietung von Containern, Art. 8 Abs. 2 DBA-Russland. Der Sitz- bzw. Ansässigkeitsstaat hat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht außerdem für die Gewinne aus der Nutzung, Unterhaltung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und dazugehöriger Ausrüstung, die dem Transport der Container dient), sofern die Nutzung, Unterhaltung oder Vermietung dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffen zuzuordnen ist. Vgl. i.Ü. die Darstellung in Rz. 92. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

142

Russland als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Russland („können nur“) hat Russland als Ansässigkeitsstaat das alleinige Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 (vgl. Rz. 1); der Methodenartikel findet keine Anwendung.

143

Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland Wohnsitzstaat, hat es das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 DBA-Russland, Russland als Quellenstaat hat die Einkünfte freizustellen. Eines Rückgriffs auf den Methodenartikel bedarf es hierfür nicht.

XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 144

Allgemeines. Während Art. 8 Abs. 1, 2, 3, 4 Buchst. c DBA-Schweiz nahezu wörtlich Art. 8 OECDMA 2014 entsprechen, bestimmt Abs. 5 eine vom OECD-MA 2014 abweichende Verteilung des Besteuerungsrechts, wenn Personengesellschaften Betreiber i.S.d. Art. 8 Abs. 1 DBA-Schweiz sind. Die über den Wortlaut des OECD-MA 2014 hinausgehenden Regelungen in Art. 8 Abs. 4 Buchst. a und b DBA-Schweiz haben dagegen lediglich klarstellende Funktion. Abweichend von Art. 8 Abs. 4 OECD-MA 2014 gilt die Bestimmung in Art. 8 Abs. 4 Buchst. c DBA-Schweiz auch für die Binnenschifffahrt.

594

Rauert

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 148 Art. 8 (2014)

2. Konsequenzen Betrieb mit gecharterten oder gemieteten Fahrzeugen gem. Art. 8 Abs. 4 Buchst. a DBA-Schweiz. Art. 8 Abs. 4 Buchst. a DBA-Schweiz regelt klarstellend, dass der Unternehmer nicht zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer des Fahrzeuges sein muss, mit dem er sein Unternehmen betreibt. Betreiber eines Seeschiffes bzw. Luftfahrzeuges im internationalen Verkehr bzw. eines Binnenschiffes i.S.d. Art. 8 DBASchweiz kann daher sowohl der Vercharterer als auch der Charterer sein (Rz. 32).1

145

Tätigkeit von Agenturen gem. Art. 8 Abs. 4 Buchst. b DBA-Schweiz. Lediglich Klarstellungsfunktion hat 146 auch Art. 8 Abs. 4 Buchst. b DBA-Schweiz, wonach die Bestimmungen in Abs. 1 und 2 auch für Agenturen gelten, soweit deren Tätigkeit unmittelbar mit dem Betrieb der Schiff- oder Luftfahrt oder dem Zubringerdienst zusammenhängt. Der Begriff „Agentur“ ist abkommensrechtlich nicht definiert, so dass sich seine Bedeutung grundsätzlich nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaats richtet. Sowohl nach deutschem2 wie nach schweizerischem3 Handelsrecht handelt der Agent für fremde Rechnung. Seine Tätigkeit fällt jedoch nur dann in den Regelungsbereich von Art. 8 DBA-Schweiz, wenn sie unselbständiger Teil eines eigenen Betriebs der Schifffahrt bzw. Luftfahrt ist, andernfalls findet Art. 7 DBA-Schweiz Anwendung (vgl. insoweit die Darstellung in Rz. 35).4 Die Agenturtätigkeit umfasst sämtliche Hilfs- und Nebentätigkeiten, die unmittelbar mit der Transportleistung nach Abs. 1 und 2 zusammenhängen,5 also insbesondere den Fahrkartenverkauf, Transfer des Gepäcks, die Anschlusskabotage, Gestellung des Bordpersonals sowie den ausdrücklich erwähnten Zubringerdienst. Personengesellschaft als Betreiber, Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz. Die Bestimmung in Abs. 5 soll verhindern, dass eine Besteuerungslücke eintritt, wenn bei einem Unternehmen in der Rechtsform der Personengesellschaft der Ort der Leitung und der Wohnsitz des Teilhabers auseinanderfallen.6 Personengesellschaften werden sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland einkommensteuerlich transparent behandelt. Deshalb würden beim Auseinanderfallen von Geschäftsleitungsstaat einerseits und Ansässigkeitsstaat des Unternehmers andererseits ohne Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz ggf. „weiße Einkünfte“ entstehen, wenn der Geschäftsleitungsstaat aufgrund seines innerstaatlichen Rechts an der umfassenden Besteuerung des Gewinns aus einem Betrieb i.S.d. Art. 8 Abs. 1, 2 DBA-Schweiz gehindert ist.7

147

Beispiel: Die in der Schweiz ansässige Person X ist an einer KG mit tatsächlicher Geschäftsleitung in Deutschland beteiligt. Die KG betreibt ein Seeschiff im internationalen Verkehr, in der Schweiz unterhält sie eine Betriebsstätte. Zwar weist Art. 8 Abs. 1 DBA-Schweiz das alleinige und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Beteiligungseinkünfte von X dem Geschäftsleitungsstaat Deutschland zu. Infolge seiner beschränkten Steuerpflicht unterliegt X aber nur mit seinen inländischen Einkünften der deutschen Besteuerung (§ 49 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c EStG, vgl. insoweit die ausführliche Darstellung in Rz. 23), regelmäßig also nicht mit seinen anteiligen Einkünften aus ausländischen Betriebsstätten der Gesellschaft. Mithin bliebe ohne Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz der auf die Schweizer Betriebsstätte entfallende anteilige Gewinn der PersG unversteuert. Diese Besteuerungslücke schließt Abs. 5, indem er dem Ansässigkeitsstaat neben dem Geschäftsleitungsstaat das Besteuerungsrecht einräumt. Der Ansässigkeitsstaat hat eine Doppelbesteuerung durch Anwendung des Art. 24 DBA-Schweiz zu vermeiden (vgl. Rz. 148 f.).8

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Schweiz als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Schweiz („können nur“) und vorbehaltlich der Regelung in Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht der Schweiz als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 204). In den Fällen des Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz vermeidet die Schweiz als Wohnsitzstaat des Mitunternehmers eine Doppelbesteuerung der einer dt. Betriebsstätte zuzuordnenden (anteiligen) Beteiligungseinkünfte nach Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 DBA-Schweiz durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt.

1 2 3 4 5

Vgl. BFH v. 8.2.1995 – I R 42/94, BStBl. II 1995, 405 ff. Vgl. Hopt in Baumbach/Hopt38, § 18 HGB Rz. 33. Vgl. Art. 418a OR. Vgl. Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Anm. 101; Hardt in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 89. Vgl. Hardt in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 90; einschränkend Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Anm. 102. 6 Vgl. Botschaft des Bundesrates v. 20.10.1971, BBl. 1971 II, 1423. 7 Vgl. Baranowski, INF 1972, Gruppe 1, 696 (703 f.). 8 Vgl. Hardt in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 115 f.

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148

Art. 8 (2014) Rz. 149 149

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1). In den Fällen des Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz vermeidet Deutschland eine Doppelbesteuerung der einer aktiven Betriebsstätte in der Schweiz zuzurechnenden (anteiligen) Beteiligungsergebnisse nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Schweiz durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt, i.Ü. sind die in der Schweiz auf die Einkünfte i.S. des Art. 8 erhobenen Steuern nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz anzurechnen.1

XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 150

Allgemeines. Art. 8 DBA-Spanien entspricht inhaltlich weitgehend anderen neueren deutschen Abkommen dieser Art (vgl. z.B. DBA-Niederlande, Rz. 126, DBA-Luxemburg, Rz. 121) und orientiert sich in Aufbau und Wirkungsweise am OECD-MA 2014 und seinem Kommentar. In seinen Abs. 1, 2 und 4 stimmt die Regelung nahezu wortwörtlich mit Art. 8 OECD-MA 2014 überein. Nach Art 8 Abs. 5 DBA-Spanien umfasst der Regelungsbereich ausdrücklich auch die internationale Zusammenarbeit in der Binnenschifffahrt. Über den Wortlaut des OECD-MA 2014 hinausgehend regelt Art. 8 Abs. 3 DBA-Spanien explizit die Verteilung des Besteuerungsrechts für Einkünfte aus der gelegentlichen Leervercharterung sowie aus der untergeordneten Nutzung und Vermietung von Containern. 2. Konsequenzen

151

Internationale Zusammenarbeit. Im DBA-Spanien ist die internationale Zusammenarbeit über den Wortlaut des Art. 8 Abs. 4 OECD-MA 2014 hinausgehend auch für die Binnenschifffahrt ausdrücklich geregelt. Aufgrund ihrer Klarstellungsfunktion schlägt diese Fassung der Verteilungsnorm jedoch insoweit materiell nicht durch (vgl. Rz. 67).

152

Gelegentliche Leervermietung von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Spanien. Die Regelung ist inhaltlich mit Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Luxemburg identisch. Deshalb wird insoweit auf die Darstellung in Rz. 122 verwiesen. Nach der Denkschrift hat die Regelung in Abs. 3 klarstellende Funktion.2 Im Prot. wird in Nr. IV zu Art. 8 DBA-Spanien überdies klarstellend bestimmt, dass Art. 8 Rz. 5 OECD-MK bei der Anwendung dieser Regelung zu beachten ist (vgl. Art. 8 Rz. 29 OECD-MK).

153

Nutzung oder Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Spanien. Die Regelung ist inhaltlich mit Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Luxemburg identisch. Deshalb wird insoweit auf die Darstellung in Rz. 123 verwiesen. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion.3 Lediglich klarstellend ist auch die Protokollbestimmung in Nr. IV zu Art. 8 DBA-Spanien, wonach Art. 8 Rz. 9 OECD-MK bei der Anwendung dieser Regelung zu beachten ist (vgl. Art. 8 Rz. 29 OECD-MK). 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

154

Spanien als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Spanien („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Spaniens als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 209).

155

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).

XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA 2014 156

Allgemeines. Abweichend von Art. 8 OECD-MA 2014 und im Einklang mit OECD-MA 2017 bzw. dem US-MA hat der Ansässigkeitsstaat des Unternehmens das alleinige und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr (Art. 8 Abs. 1 DBA-USA). Nicht ausdrücklich geregelt ist der Betrieb von Binnenschiffen. In den Rege1 Vgl. Hardt in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 115. 2 Vgl. BR- Drucks. 528/11, 34; Art. 8 Rz. 5 OECD-MK. 3 Vgl. BR- Drucks. 528/11, 34.

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Rauert

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 163 Art. 8 (2014)

lungsbereich von Art. 8 DBA-USA fällt gem. ausdrücklicher Bestimmung dagegen die Benutzung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailerschiffen, Leichtern und ähnlichem Gerät für die Beförderung von Containern) im internationalen Verkehr (Art. 8 Abs. 2 DBA-USA). Art. 8 Abs. 3 DBA-USA ist das Pendant zu Art. 8 Abs. 4 OECD-MA 2014, gilt überdies aber auch für die Gewinne nach Abs. 2. 2. Konsequenzen Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Vgl. die Darstellung in Rz. 90.

157

Benutzung oder Vermietung von Containern im internationalen Verkehr gem. Art. 8 Abs. 2 DBA-USA. Die Regelung in Art. 8 Abs. 2 DBA-USA entspricht inhaltlich Art. 8 Abs. 3 US-MA. Sie folgt der Verteilung in Abs. 1, d.h. auch die Einkünfte aus der Benutzung oder Vermietung von Containern im internationalen Verkehr besteuert ausschließlich der Vertragsstaat, in dem das Unternehmen ansässig ist. Unbeachtlich ist, ob die Benutzung oder Vermietung von Containern i.Z.m. dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen erfolgt. Insbesondere muss die Benutzung oder Vermietung von Containern nicht dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen untergeordnet sein. Art. 8 Abs. 2 DBA-USA gilt daher auch für reine Containerunternehmen.1 Anwendung findet Abs. 2 jedoch nur, wenn und insoweit die Container im internationalen Verkehr benutzt werden, d.h. mit einem Seeschiff oder Luftfahrzeug grenzüberschreitend befördert werden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-USA). Wie beim Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen umfasst der Anwendungsbereich der Vorschrift auch Neben- und Hilfstätigkeiten, die mit der Benutzung oder Vermietung von Containern im Zusammenhang stehen (vgl. Rz. 34 f.). Hingegen ist unklar, ob auch der der grenzüberschreitenden Beförderung vorangehende bzw. folgende Landtransport der Container zum Regelungsbereich des Art. 8 Abs. 2 DBA-USA gehört. Nach Art. 8 Rz. 6 ff. OECD-MK ist dies zu bejahen, Deutschland hat sich seine Auffassung zu dieser Auslegung jedoch vorbehalten (s. Art. 8 Rz. 29 OECD-MK).

158

Internationale Zusammenarbeit gem. Art. 8 Abs. 3 DBA-USA. Die Regelung umfasst ausdrücklich auch die (anteiligen) Gewinne eines Container-Unternehmens i.S.d. Art. 8 Abs. 2 DBA-USA aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle.

159

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung USA als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-USA („können nur“) haben die USA als Wohnsitzstaat das alleinige Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 DBA-USA (vgl. Rz. 1); der Methodenartikel findet keine Anwendung.

160

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat hat das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 DBA-USA, die USA haben die Einkünfte freizustellen. Eines Rückgriffs auf den Methodenartikel bedarf es hierfür nicht.

161

XVI. Sonstige relevante DBA 1. Dänemark a) Abweichungen zum OECD-MA 2014 Allgemeines. Art. 8 DBA-Dänemark regelt in seinem Abs. 1 ausdrücklich die Behandlung von Containern, in Abs. 4 ist angeordnet, dass Abs. 2 auch für Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool o.Ä. gilt. I.Ü. stimmen Art. 8 Abs. 1-4 DBA-Dänemark wortwörtlich mit Art. 8 1-4 OECD-MA 2014 überein, Abs. 5 regelt den Sonderfall des SAS-Luftfahrtkonsortiums.

162

b) Konsequenzen Benutzung, Unterhaltung oder Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 1 DBA-Dänemark. Abweichend vom Wortlaut des OECD-MA 2014 fallen unter die Spezialregelung nach Art. 8 Abs. 1 DBA-Dänemark auch die Benutzung, Unterhaltung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailerschiffe, Leichter und ähnlichen Geräts für die Beförderung von Containern), die für die Beförderung von Gütern oder Waren im internationalen Verkehr benutzt werden, wenn diese Einkünfte den im vorhergehenden Satz der Norm genannten Gewinnen zugerechnet werden können. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 8 ist somit, dass die Gewinne aus einer untergeordneten Tätigkeit eines Unternehmens stammen, das Seeschiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt. Diese Regelung hat klarstellende Funktion, für Unternehmen der Binnenschifffahrt gilt sie daher entsprechend. 1 Vgl. Eimermann in Wassermeyer, Art. 8 DBA-USA Rz. 22.

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163

Art. 8 (2014) Rz. 164 164

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

Sonderregelung des SAS. Der in Skandinavien bestehenden besonderen Situation, dass das Lufttransportkonsortium SAS (Skandinavian Airlines System) von Gesellschaften in Dänemark, Schweden und Norwegen gemeinsam betrieben wird, ist in Art. 8 Abs. 5 DBA-Dänemark Rechnung getragen. In Anlehnung an Art. 8 Rz. 23 OECD-MK stellt das Abkommen deshalb klar, dass Art. 8 Abs. 1 und 2 DBA-Dänemark auch für den dänischen Gesellschafter des Konsortiums gilt. c) Vermeidung der Doppelbesteuerung

165

Dänemark als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Dänemark („können nur“) hat Dänemark als Wohnsitzstaat die betreffenden Einkünfte freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Dänemarks als Wohnsitzstaat, die Einkünfte, für die Deutschland als Geschäftsleitungsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht hat, dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt unberührt.

166

Deutschland als Wohnsitzstaat. In Deutschland als Wohnsitzstaat sind die Einkünfte i.S. des Art. 8 unter Progressionsvorbehalt freizustellen (vgl. Rz. 1). 2. Griechenland a) Abweichungen zum OECD-MA 2014

167

Allgemeines. Im Wesentlichen entspricht Art. V DBA-Griechenland Art. 8 OECD-MA 2014. Während die die Schifffahrt betreffenden Regelungen teils erheblich von Art. 8 OECD-MA 2014 bzw. 2017 abweichen, entsprechen Art. V Abs. 3 und 4 in Bezug auf die Luftfahrt vollständig Art. 8 Abs. 1, 4 OECD-MA 2014. Für die Einkünfte aus der Schifffahrt ist der Anwendungsbereich der Norm im Vergleich zum OECD-MA 2014 bzw. 2017 jedoch eingeschränkt. Während Griechenland als Wohnsitzstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht für entsprechende Gewinne nur hat, sofern der Registerhafen des betreffenden Schiffes sich in Griechenland befindet (Abs. 1), hat umgekehrt Deutschland das alleinige Besteuerungsrecht nur dann, wenn es zugleich sowohl der Geschäftsleitungsstaat des Schifffahrtsunternehmens als auch der Wohnsitzstaat derjenigen Person ist, der diese Einkünfte zuzurechnen sind (Abs. 2). Im Übrigen findet auf Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr Art. III bzw. das Betriebsstättenprinzip unmittelbar Anwendung. Die Binnenschifffahrt ist im DBA-Griechenland nicht gesondert geregelt. Außerdem fehlt eine dem Art. 8 Abs. 3 OECD-MA entsprechende Regelung. Nicht ausdrücklich geregelt ist ferner die Beteiligung von Schiffsunternehmen an einem Pool o.Ä., was aufgrund der nur klarstellenden Funktion des Art. 8 Abs. 4 OECD-MA 2014 (Rz. 67) materiell nicht von Bedeutung ist.1 Nicht von Belang ist derzeit auch die vom OECD-MA 2014 abweichende Bestimmung in Art. VAbs. 5, wonach die Abs. 1-3 dieser Norm für eine nicht nach dem Gewerbeertrag berechnete Gewerbesteuer (Gewerbekapitalsteuer) entsprechend gelten. b) Konsequenzen

168

Wohnsitz und Registerhafen in Griechenland, Art. V Abs. 1 DBA-Griechenland. Die Gewinne einer in Griechenland ansässigen Person aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr können nach Art. V Abs. 1 DBA-Griechenland nur in Griechenland besteuert werden, wenn der Registerhafen des betreffenden Schiffes sich in Griechenland befindet. Unmaßgeblich ist, wo der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens gelegen ist. Befindet sich der Registerhafen des Seeschiffes nicht in Griechenland, gilt für die entsprechenden Einkünfte das Betriebsstättenprinzip des Art. III DBA-Griechenland. Deutschland ist somit nicht gehindert, entsprechende Gewinne in Griechenland ansässiger Personen aus Betriebsstätten im Inland zu besteuern, wenn das Seeschiff nicht in Griechenland registriert ist. Griechenland vermeidet eine ggf. eintretende Doppelbesteuerung durch Anrechnung der deutschen Steuern (Art. XVII Abs. 1 DBAGriechenland).

169

Wohnsitz und Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in Deutschland, Art. V Abs. 2 DBA-Griechenland. Für die Gewinne einer in Deutschland ansässigen Person aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr hat nach Art. V Abs. 2 DBA-Griechenland Deutschland das ausschließliche Besteuerungsrecht, wenn der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung dieses Unternehmens sich im Inland befindet. Im Übrigen gilt für Einkünfte einer in Deutschland ansässigen Person aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr das Betriebsstättenprinzip des Art. III DBA-Griechenland, wobei Deutschland entsprechende Einkünfte unter Progressionsvorbehalt freistellt (Art. XVII Abs. 2 Nr. 1 DBA-Griechenland).

170

Binnenschifffahrt. Die Binnenschifffahrt ist im Abkommen nicht ausdrücklich geregelt, auf entsprechende Gewinne findet daher ggf. Art. III DBA-Griechenland Anwendung.

1 Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Griechenland Rz. 1.

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Rauert

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 175 Art. 8 (2014)

c) Vermeidung der Doppelbesteuerung Griechenland als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. V Abs. 1 DBA-Grie- 171 chenland („können nur“) hat Griechenland als Wohnsitzstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr, deren Registerhafen sich in Griechenland befindet (vgl. Rz. 1). Im Übrigen vermeidet Griechenland als Wohnsitzstaat eine Doppelbesteuerung von Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr durch Anrechnung der deutschen Steuer (Art. XVII Abs. 1 DBA-Griechenland). Einkünfte aus dem Betrieb von Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sind dagegen im Wohnsitzstaat freizustellen („können nur“). Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat hat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr, wenn sich zugleich der Ort der Geschäftsleitung des Unternehmens in Deutschland befindet (Art. V Abs. 2 DBA-Griechenland). Im Übrigen vermeidet Deutschland als Wohnsitzstaat eine Doppelbesteuerung von Einkünften aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (Art. XVII Abs. 2 Nr. 1). Einkünfte aus dem Betrieb von Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sind dagegen im Wohnsitzstaat freizustellen („können nur“).

172

3. Hongkong a) Abweichungen zum OECD-MA 2014 Allgemeines. Nach dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Schifffahrtsunternehmen 173 zwischen Deutschland und der Sonderverwaltungsregion Hongkong hat der Ansässigkeitsstaat der Person, die das Unternehmen betreibt, das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr (Art. 3 Abs. 1 DBA-Hongkong).1 Gleiches gilt für die Gewinne aus der Veräußerung von Seeschiffen, die im internationalen Verkehr betrieben werden, von beweglichem Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe dient (Art. 3 Abs. 3 DBA-Hongkong), sowie für Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle (Art. 3 Abs. 4 DBA-Hongkong). Ein Katalog von Einkünften, die vom Ausdruck „Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr“ umfasst werden, ist in Art. 3 Abs. 5 DBA-Hongkong enthalten. Dazu gehören über den Regelungsbereich des Art. 8 OECD-MA 2014 bzw. OECD-MA 2017 hinausgehend auch die Bareboat-Vercharterung sowie die Nutzung und Vermietung von Containern. Im Abkommen nicht geregelt ist die Binnenschifffahrt. b) Konsequenzen Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Die Gewinne eines Unternehmens einer Vertragspartei (vgl. zum Ausdruck die ausführliche Darstellung in Rz. 175) aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr können nach Art. 3 Abs. 1 DBA-Hongkong nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die Person ansässig ist, die das Unternehmen betreibt. Vgl. i.Ü. die Darstellung in Rz. 108.

174

Unternehmen einer Vertragspartei gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. f Doppelbuchst. bb DBA-Hongkong. Nach der dt. Fassung des Abkommens bedeutet der Ausdruck „Unternehmen einer Vertragspartei“ in Bezug auf Hongkong „ein Unternehmen, das von einer natürlichen Person betrieben wird, die ständig in […] Hongkong ansässig ist, oder ein Unternehmen, das in […] Hongkong geleitet und beherrscht wird“. Die dt. Übersetzung des Abkommens ist insoweit fehlerhaft: Entgegen seinem weiter gefassten dt. Wortlaut sind nach der hier vertretenen Auffassung nach der vorstehenden 2. Alt. der Definition nicht in Hongkong geleitete und beherrschte „Unternehmen“ abkommensberechtigt, sondern „Gesellschaften“, also jur. Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie jur. Personen behandelt werden (vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchst. e DBA-Hongkong).2 Da nach der Schlussklausel3 jeder Wortlaut des Abkommens, in engl. oder in dt. Sprache, gleichermaßen verbindlich ist, ist bei der Auslegung immer auch die jeweils andere Fassung heranzuziehen.4 In der engl. Fassung ist in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f Doppelbuchst. bb 2. Alt. DBA-Hongkong nicht von „enterprise“ (= „Unternehmen“), sondern von „company“ (= „Gesellschaft“) die Rede, wobei „Gesellschaft“ definiert ist als „juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behan-

175

1 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 35; Rauert, IStR 2012, 244; Rolf in G/K/G/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 56; a.A. Laub, IStR 2005, 223 ff.; Kreutziger in Wassermeyer, DBA-Hongkong (S) Rz. 28, wonach dem Geschäftsleitungsstaat das Besteuerungsrecht zusteht. 2 Vgl. Rauert, IStR 2012, 244 (245 f.); a.A. Kreutziger in Wassermeyer, DBA-Hongkong (S) Rz. 8; Laub, IStR 2005, 223 ff., wonach auch PersG Unternehmen einer Vertragspartei sind. 3 BGBl. II 2004, 39. 4 Vgl. Philipp, ÖStZ 1986, 218; Vogel, StBJb 1983/1984, 373 ff.

Rauert

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Art. 8 (2014) Rz. 175

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

delt werden“ (Art. 2 Abs. 1 Buchst. e DBA-Hongkong). Eine zutreffende Übersetzung von „company“ mit „Gesellschaft“ wie in Art. 2 Buchst. e DBA-Hongkong beseitigt eine ansonsten bestehende Divergenz zwischen Doppelbuchst. aa und bb in Art. 2 Buchst. f DBA-Hongkong und steht inhaltlich in Einklang mit dem OECD-MA 2014 bzw. OECD-MA 2017 (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b, c OECD-MA 2014 bzw. OECDMA 2017). Es ist daher davon auszugehen, dass die deutsche Übersetzung unzutreffend ist – statt „Unternehmen“ muss es in der obigen 2. Alt. „Gesellschaft“ heißen.1 Personengesellschaften sind somit nicht per se „Unternehmen“ i.S.d. Abkommens, sondern nur dann, wenn sie für die Besteuerung wie jur. Personen behandelt werden (vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchst. e DBA-Hongkong). Fraglich könnte sein, ob auch die dt. Übersetzung von „managed and controlled“ mit „geleitet und beherrscht“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f Doppelbuchst. bb 2. Alt. DBA-Hongkong misslungen ist und dem Merkmal der Beherrschung keine eigenständige Bedeutung zukommt.2 Hätten die Vertragsparteien der Beherrschung („control“) keine eigenständige Bedeutung beimessen wollen, wäre die Verwendung des für den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung abkommensrechtlich allgemein üblichen und gebräuchlichen Ausdrucks „place of effective Management“ naheliegend gewesen. Dass Gesellschaften i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. e DBA-Hongkong in Hongkong nicht nur ihre Geschäftsleitung haben, sondern dort auch beherrscht werden müssen, um Abkommensschutz zu genießen, korrespondiert ferner mit der für natürliche Personen als Einzel- oder Mitunternehmer geforderten „ständigen“ Ansässigkeit in Hongkong. Es deutet daher viel darauf hin, dass das Merkmal der „Beherrschung“ vermeiden soll, dass nichtabkommensberechtigte Personen sich abkommensberechtigter Personen bedienen, um Abkommensvorteile in Anspruch zu nehmen (sog. „Treaty-Shopping“3, vgl. Art. 1 Rz. 111). Nach hier vertretener Auffassung kommt dem Merkmal der „Beherrschung“ daher eigenständige Bedeutung zu.4 Damit die Voraussetzung der Beherrschung nicht z.B. durch Zwischenschaltung einer in Hongkong ansässigen, aber dort nicht auch beherrschten Kapitalgesellschaft unterlaufen werden kann, ist schließlich auf den bzw. die letzten Anteilseigner der Gesellschaft abzustellen. Nur wenn die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar in Hongkong i.S. der obigen Alt. 1 „ständig ansässigen“ natürlichen Personen zuzurechnen ist, ist diese abkommensberechtigt.5 176

Beispiel: Am Kapital einer Reederei-Limited Partnership („LP“)6 mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung in Hongkong sind in Deutschland ansässige natürliche Personen mit 49 % sowie eine Limited („Ltd.“)7 mit Sitz und geschäftlicher Oberleitung in Hongkong mit 51 % beteiligt; die Verteilung der Stimmrechte in der LP entspricht den Beteiligungsquoten, die LP betreibt Seeschiffe im internationalen Verkehr. Das Besteuerungsrecht für die Beteiligungseinkünfte der in Deutschland ansässigen Gesellschafter hat Deutschland.8 Hongkong hat nach dem DBAHongkong ein Besteuerungsrecht für die Beteiligungseinkünfte der Ltd. nur dann, wenn diese in Hongkong auch beherrscht wird. Das ist der Fall, wenn die Stimmrechte in der Ltd. mehrheitlich unmittelbar und/oder mittelbar in Hongkong ständig ansässigen natürlichen Personen zuzurechnen sind.9 Ist eine Beherrschung in Hongkong i.d.S. nicht gegeben, ist die Ltd. mit ihren Beteiligungseinkünften ggf. in Deutschland beschränkt steuerpflichtig, wenn die LP bspw. eine Betriebsstätte in Deutschland unterhält (vgl. insoweit die Ausführungen in Rz. 23).

177

Beispiel: Eine Reederei-KG mit Sitz, tatsächlicher Geschäftsleitung in Deutschland betreibt Seeschiffe im internationalen Verkehr. Alleinige Kommanditistin der KG ist eine Ltd. mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung in Hongkong, an der ihrerseits in einem Nicht-DBA-Staat ansässige natürliche Personen beteiligt sind. Mangels Beherrschung in Hongkong ist die Ltd. nicht abkommensberechtigt nach dem DBA-Hongkong. Infolgedessen ist Deutschland in den Grenzen des § 49 EStG abkommensrechtlich nicht an der Besteuerung der mit ihren Beteiligungseinkünften im Inland beschränkt steuerpflichtigen Ltd. gehindert.

178

Gewinne aus dem Betrieb gem. Art. 3 Abs. 1, 5 DBA-Hongkong. Die Gewinne eines Unternehmens aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr umfassen nach Art. 3 Abs. 5 DBA-Hongkong auch Einkünfte aus der Vercharterung von Seeschiffen (Buchst. b), der Nutzung oder Vermietung von Con1 Vgl. BT-Drucks. Nr. 15/1644 v. 2.10.2003, 11. 2 So Kreutziger in Wassermeyer, DBA-Hongkong (S) Rz. 8; a.A. Laub, IStR 2005, 223 (226); Rauert, IStR 2012, 244 (246); Rolf in G/K/G/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 7. 3 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19. 127. 4 Vgl. Laub, IStR 2005, 223 (226); Rauert, IStR 2012, 244 (246); Rolf in G/K/G/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 56; a.A. Kreutziger in Wassermeyer, DBA-Hongkong (S) Rz. 8. 5 Rauert, IStR 2012, 244 (246). 6 Vergleichbar einer KG, vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert bzw. ergänzt durch BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 – 03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182 Tab. 1: Rechtsformen internationaler Unternehmen (außer Osteuropa), Großbritannien. 7 Vergleichbar einer GmbH, vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert bzw. ergänzt durch BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001 – 03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Tab. 1: Rechtsformen internationaler Unternehmen (außer Osteuropa), Großbritannien. 8 Rauert, IStR 2012, 244; a.A. Laub IStR 2005, 223 (226). 9 Vgl. Laub, IStR 2005, 223 ff.; Rauert, IStR 2012, 244 (246 f.); a.A. Kreutziger in Wassermeyer, DBA-Hongkong (S) Rz. 8, 28.

600

Rauert

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 184 Art. 8 (2014)

tainern (Buchst. c) sowie Zinserträge aus unmittelbar mit dem Betrieb zusammenhängenden Mitteln (Buchst. d). Diese Regelung hat klarstellende Bedeutung nur, soweit die Einkünfte aus der Vercharterung ausgerüsteter und bemannter Seeschiffe stammen (s. Art. 8 Rz. 5 OECD-MK) bzw. ein funktionaler Zusammenhang der Zinserträge mit dem Betrieb gefordert wird (s. Art. 8 Rz. 14 OECD-MK). Über den Anwendungsbereich von Art. 8 OECD-MA 2014 hinausgehend sind Gewinne aus der Bareboat-Vercharterung sowie aus der Nutzung und Vermietung von Containern (incl. Zubehör) auch dann in die Regelung einzubeziehen, wenn diese Tätigkeiten nicht nur gelegentlich ausgeübt werden bzw. sie nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb von (eigenen) Seeschiffen stehen; denn es ist anzunehmen, dass die Denkschrift,1 die diese Einkünfte ausdrücklich erwähnt („gehören auch“), ggf. entsprechende Einschränkungen benannt hätte. Die Verteilungsnorm gilt somit auch dann, wenn die Bareboat-Vercharterung bzw. Container-Vermietung einziger Gegenstand des Unternehmens sind.2 Binnenschifffahrt. Da die Binnenschifffahrt nicht ausdrücklich geregelt ist, behalten die Vertragsparteien ihr Besteuerungsrecht über die unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht.

179

c) Vermeidung der Doppelbesteuerung Hongkong als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 3 DBA-Hongkong („können nur“) hat Hongkong als Wohnsitzstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die betreffenden Einkünfte (vgl. Rz. 1).

180

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat hat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 3 DBA-Hongkong, im Quellenstaat Hongkong sind die Einkünfte freizustellen.

181

4. Liberia a) Abweichungen zum OECD-MA 2014 Allgemeines. Abweichend vom OECD-MA 2014 und in Übereinstimmung mit Art. 8 OECD-MA 2017 hat nach Art. 8 DBA-Liberia das Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr der Vertragsstaat, in dem das Unternehmen ansässig ist (s. Art. 8 Rz. 2 OECD-MK). Flankiert wird die Regelung durch die Bestimmungen in Nr. 4 und 5 des Prot. Danach ist der Abkommensschutz für liberianische Gesellschaften eingeschränkt, wenn deren Kapital nicht zu mind. 75 % in liberianischer Hand ist (Prot. Nr. 4 zu den Art. 6 bis 22 DBA-Liberia; vgl. Rz. 184). Überdies gilt eine dt. PersG als abkommensberechtigte Person (Prot. Nr. 5 zu den Art. 6 bis 22 DBA-Liberia). Auf eine ausdrückliche Regelung für die Binnenschifffahrt ist mangels entsprechender Wirtschaftsbeziehungen verzichtet worden. Art. 8 Abs. 2 DBA-Liberia entspricht inhaltlich Art. 8 Abs. 4 OECD-MA 2014.

182

b) Konsequenzen Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Die Gewinne eines Unternehmens einer Vertragspartei aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr können nach Art. 8 Abs. 1 DBA-Liberia nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die Person ansässig ist, die das Unternehmen betreibt. Als in Deutschland ansässige Person gilt auch eine nach deutschem Recht errichtete PersG (Prot. Nr. 5 zu Art. 6 bis 22 DBA-Liberia). Von der Abkommensberechtigung der PersG unberührt ist die Besteuerungszuordnung der vom Gesellschafter erwirtschafteten Gewinne3 sowie ihre steuerliche Behandlung nach deutschem nationalem Recht (Rz. 72). Vgl. i.Ü. die Darstellung in Rz. 90.

183

Eingeschränkter Abkommensschutz für liberian. Gesellschaften in ausländischer Hand gem. Prot. Nr. 5 184 zu Art. 6 bis 22 DBA-Liberia. Wenn am Kapital an einer in Liberia ansässigen Gesellschaft (KapG oder PersG) unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 25 % nicht in Liberia ansässige Personen beteiligt sind, findet Art. 8 DBA-Liberia auf Einkünfte, für die Deutschland Quellenstaat ist, keine Anwendung, es sei denn, die Gesellschaft weist nach, dass die liberian. Steuer auf die aus Deutschland bezogenen Einkünfte nicht durch die im Prot. genannten Steuervergünstigungen gemindert ist. Diese Vergünstigungen betreffen z.B. Einkünfte aus Quellen außerhalb Liberias sowie Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen unter liberian. Flagge, also Steuervorteile, von denen insbes. liberian. Schifffahrts- und Luftfahrtunternehmen profitieren. Die Regelung im Prot. soll Deutschland deshalb ermöglichen, in Liberia steuerlich privilegierte Einkünfte 1 BT-Drucks. Nr. 15/1644 v. 2.10.2003, 11. 2 Vgl. Kreutziger in Wassermeyer, DBA-Hongkong (S) Rz. 20, 22 ff., Laub, IStR 2005, 223 ff., Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 55. 3 BFH v. 13.11.2013 – I R 67/12, BStBl. II 2014, 172 zum DBA-Belgien.

Rauert

601

Art. 8 (2014) Rz. 184

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

aus dt. Quellen zu besteuern, die in uneingeschränkter Anwendung von Art. 8 DBA-Liberia letztlich unversteuert blieben. Kann deshalb der bestimmungsgemäße Nachweis durch die liberian. Gesellschaft nicht erbracht werden, ist Deutschland an einer Besteuerung der inländischen Einkünfte (vgl. Rz. 23) der liberian. Gesellschaft durch das Abkommen nicht gehindert. 185

Binnenschifffahrt. Die Binnenschifffahrt ist im Abkommen nicht ausdrücklich geregelt, auf entsprechende Gewinne finden daher ggf. Art. 7 DBA-Liberia sowie die Bestimmungen Nr. 4 und 5 des Prot. zu Art. 6 bis 22 DBA-Liberia Anwendung. c) Vermeidung der Doppelbesteuerung

186

Liberia als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Liberia („können nur“) hat Liberia als Wohnsitzstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die betreffenden Einkünfte (vgl. Rz. 1), es sei denn, der Abkommensschutz einer liberian. Gesellschaft in ausländischer Hand ist eingeschränkt (vgl. Rz. 184). Hat danach Deutschland ein Besteuerungsrecht für Einkünfte aus dt. Quellen, vermeidet Liberia eine Doppelbesteuerung nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Liberia durch Anwendung der Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt.

187

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland hat als Ansässigkeitsstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 DBA-Liberia, im Quellenstaat Liberia sind die Einkünfte freizustellen. 5. Malta a) Abweichungen zum OECD-MA 2014

188

Allgemeines. Abgesehen von der Binnenschifffahrt, die nicht ausdrücklich geregelt ist, stimmt Art. 8 DBAMalta inhaltlich mit dem zwischen Deutschland und Österreich geschlossenen DBA überein (vgl. die Darstellung in Rz. 134 f.). b) Konsequenzen

189

Binnenschifffahrt. Da eine spezielle Regelung für die Binnenschifffahrt fehlt, findet auf entsprechende Gewinne Art. 7 DBA-Malta Anwendung. c) Vermeidung der Doppelbesteuerung

190

Malta als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Malta („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Maltas als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt.

191

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1). 6. Insel Man a) Abweichungen zum OECD-MA 2014

192

Allgemeines. Nach dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von im internationalen Verkehr tätigen Schifffahrtsunternehmen hat abweichend von Art. 8 OECD-MA 2014 bzw. in Übereinstimmung mit Art. 8 OECD-MA 2017 der Staat das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr, in dem der Unternehmer ansässig i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. j DBA-Insel Man ist (Art. 3 Abs. 1 DBA-Insel Man). Die Definition des Ausdrucks „Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f DBA-Insel Man stimmt mit den Grundsätzen des OECD-MA 2014 überein (vgl. Art. 8 Rz. 4, 5, 8, 9, 14 OECD-MK), so dass sich insoweit keine Besonderheiten ergeben. Im Abkommen nicht geregelt ist die Binnenschifffahrt. b) Konsequenzen

193

Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Vgl. die Darstellung in Rz. 90.

194

Binnenschifffahrt. Da die Binnenschifffahrt nicht ausdrücklich geregelt ist, behalten die Vertragsparteien ihr Besteuerungsrecht über die unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht.

602

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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 201 Art. 8 (2014)

c) Vermeidung der Doppelbesteuerung Insel Man als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 3 DBA-Insel Man („können nur“) hat die Insel Man als Ansässigkeitsstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die betreffenden Einkünfte (vgl. Rz. 1).

195

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland hat als Wohnsitzstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 3 DBA-Insel Man, im Quellenstaat Insel Man sind die Einkünfte freizustellen.

196

7. Norwegen a) Abweichungen zum OECD-MA 2014 Allgemeines. Während Art. 8 Abs. 1 und 2 DBA-Norwegen wortwörtlich mit Art. 8 Abs. 1 und 4 OECDMA 2014 übereinstimmen, regelt Abs. 3 ausdrücklich die Behandlung von Containern, und Abs. 4 regelt den Sonderfall des SAS-Luftfahrtkonsortiums. Die Bestimmung in Nr. 2 des Prot. regelt die Verteilung des Besteuerungsrechts für den Sonderfall, dass sich die tatsächliche Geschäftsleitung ausnahmsweise in beiden Vertragsstaaten befindet. Im Abkommen nicht ausdrücklich geregelt ist die Binnenschifffahrt (Art. 8 Abs. 2 OECD-MA 2014) sowie die Verteilung, wenn sich die Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes befindet (Art. 8 Abs. 3 OECD-MA 2014). Außerhalb des Art. 8 DBA-Norwegen und abweichend vom OECD-MA 2014 sind ferner in Art. 20 Abs. 4 DBA-Norwegen die Beförderungsleistungen zur Versorgung der Arbeitsorte auf dem Festlandsockel geregelt.

197

b) Konsequenzen Sonderfall: Tatsächliche Geschäftsleitung in Deutschland und Norwegen. Nach der Bestimmung in Nr. 2 des Prot. zu Art. 8 DBA-Norwegen wird ein Unternehmen, das seine tatsächliche Geschäftsleitung nicht nur in einem der Vertragsstaaten ausübt, unter folgenden Voraussetzungen so behandelt, als habe es den Ort seiner tatsächlichen Geschäftsleitung in beiden Staaten: (1) Das Unternehmen wird von einer Gesellschaft oder anderen Personenvereinigung betrieben, bei der alle Gesellschafter gesamtschuldnerisch haften und mind. einer der Gesellschafter unbeschränkt haftet,1 und (2) in jedem Vertragsstaat ist mind. ein Gesellschafter ansässig. Mit dieser Regelung wird erreicht, dass jeder Vertragsstaat das Besteuerungsrecht für die anteiligen Gewinne der Mitunternehmerschaft hat, die auf den im Vertragsstaat ansässigen Gesellschafter entfallen. Der Sonderfall betrifft Gewinne i.S. des Art. 8 DBA-Norwegen, nicht die Beförderungsleistungen zur Versorgung der Arbeitsorte auf dem Festlandsockel gem. Art. 20 Abs. 4 DBA-Norwegen. Für diese Einkünfte gilt das Prinzip unverändert, dass eine Gesellschaft zwar mehrere Orte der Geschäftsleitung, aber immer nur einen Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung haben kann (s. Art. 4 Rz. 24 OECD-MK; vgl. Rz. 44).

198

Binnenschifffahrt. Auf Gewinne aus dem Betrieb der Binnenschifffahrt findet mangels ausdrücklicher Regelung (vgl. Art. 8 Abs. 2 OECD-MA 2014) Art. 7 DBA-Norwegen Anwendung.

199

Sonderfall: Ort der Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes. Da eine Art. 8 Abs. 3 OECD-MA 2014 entsprechende Regelung fehlt, ist als Geschäftsleitungsstaat der Staat anzusehen, dessen Flagge das betriebene Seeschiff führt (vgl. Rz. 64). Wenn das Schiff weder die Flagge Norwegens noch Deutschlands führt, findet im Verhältnis der Vertragsstaaten zueinander Art. 7 DBA-Norwegen Anwendung. Da ein fahrendes Schiff für den Schifffahrtsunternehmer selbst keine Betriebsstätte begründet,2 kommt es letztlich auf die Ansässigkeit des Unternehmens an.3

200

Containerverkehr. Abweichend vom OECD-MA 2014 fallen unter die Spezialregelung des Art. 8 DBA-Norwegen auch Gewinne aus der Vermietung von „Behältern“ (= Container) einschließlich Anhängern und dazugehöriger Ausrüstung für die Beförderung von „Behältern“. Die Denkschrift zum Abkommen4 weist darauf hin, dass die Regelung in Art. 8 Abs. 3 DBA-Norwegen der neueren Abkommenspraxis der Mitgliedstaaten der OECD entspricht. Nicht ausdrücklich gefordert ist, dass der Containerverkehr dem Betrieb eines Seeschiffes oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr untergeordnet ist, auch sind keine zeitlichen („ge-

201

1 Vgl. Dörrfuß in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Norwegen Rz. 8: „Unternehmensformen, bei denen Prot. Nr. 2 zu Art. 8 vorbehalt. der sonstigen Voraussetzungen anwendbar sind, ist nach dt. Recht die GbR, OHG oder KG und nach norw. Recht die ansvarlig selskap (ANS) und selskap meddelt ansvor (DA) sowie die kommandittselskap (KS).“ 2 Vgl. BFH v. 3.2.1974 – I R 219/71, BStBl. II 1974, 361; v. 9.10.1974 – 128/73, BStBl. II 1975, 203; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, zuletzt geändert bzw. ergänzt durch BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 S 1341/12/10001 - 03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182, Tz. 4.5.1. 3 Vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 63. 4 BT-Drucks. 12/4072 v. 6.1.1993; Praktiker-Handbuch Außensteuerrecht 2010, Band II, 1076 (1078).

Rauert

603

Art. 8 (2014) Rz. 201

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

legentlich“, vgl. Rz. 33) Einschränkungen genannt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass auch die Gewinne reiner Container-Gesellschaften in den Anwendungsbereich der Norm fallen.1 Voraussetzung ist indes, dass die Container zur Beförderung von Gütern oder Waren im internationalen Verkehr verwendet werden (vgl. insoweit und i.Ü. die Darstellung in Rz. 110). 202

Sonderregelung des SAS. Der in Skandinavien bestehenden besonderen Situation, dass das Lufttransportkonsortium SAS (Skandinavian Airlines System) von Gesellschaften in Dänemark, Schweden und Norwegen gemeinsam betrieben wird, ist in Art. 8 Abs. 4 DBA-Norwegen Rechnung getragen. In Anlehnung an Art. 8 Rz. 24 OECD-MK stellt das Abkommen deshalb klar, dass Art. 8 Abs. 1 und 2 DBA-Norwegen auch für den norwegischen Gesellschafter des Konsortiums gilt.

203

Beförderungen vor der Küste. Art. 20 DBA-Norwegen enthält eine Sonderregelung für Tätigkeiten in den Küstengebieten der Vertragsstaaten i.Z.m. der Erforschung oder Ausbeutung des Meeresuntergrunds und natürlicher Ressourcen. Bedeutung hat die Vorschrift insbesondere für die Förderung der Erdöl- und Erdgasvorkommen vor der norwegischen Küste.2 Entsprechend der Regelung in Art. 8 DBA-Norwegen können Gewinne aus dem Offshore-Einsatz von Schiffen und/oder Luftfahrzeugen zum Transport von Vorräten oder Personal nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Von der Regelung ausdrücklich erfasst ist auch der Betrieb von „Schleppern und anderen Schiffen, die Hilfsdienste leisten“. Der Anwendungsbereich setzt voraus, dass die Beförderungen bspw. durch Versorgungsschiffe mit den Tätigkeiten nach Art. 20 Abs. 2 DBA-Norwegen in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Wie bei Art. 8 DBA-Norwegen sind die Beförderungen für unternehmenseigene Zwecke nicht vom Regelungsbereich erfasst (vgl. Rz. 32).3 Ein Betrieb im internationalen Verkehr ist nicht gefordert. Die Beförderungen umfassen nach dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 4 DBA-Norwegen den OffshoreEinsatz zwischen verschiedenen Tätigkeitsorten sowie vom Festland zu den Tätigkeitsorten. Nicht erfasst wären bei wortgetreuer Auslegung die Rückfahrten bzw. Rückflüge sowie der Rücktransport von Vorräten und Personal vom Tätigkeitsort vor der Küste zum Festland. Es ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb diese nicht ausdrücklich angesprochenen Beförderungen nicht auch dem Regelungsbereich unterliegen sollen, stehen sie doch in keinem anderen sachlichen Zusammenhang wie die vom Wortlaut erfassten Einsätze. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sämtliche Offshore-Einsätze i.Z.m. mit den Tätigkeiten nach Art. 20 Abs. 2 DBA-Norwegen in den Anwendungsbereich des Art. 20 Abs. 4 DBA-Norwegen fallen.4 c) Vermeidung der Doppelbesteuerung

204

Norwegen als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 bzw. 20 Abs. 4 DBANorwegen („können nur“) hat Norwegen als Wohnsitzstaat die betreffenden Einkünfte freizustellen (vgl. Rz. 1),5 sofern nicht der in Nr. 2 des Prot. zu Art. 8 DBA-Norwegen genannte Sonderfall gegeben ist (vgl. Rz. 198). In dieser Konstellation hat Norwegen als Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht für die anteiligen Beteiligungseinkünfte der in Norwegen ansässigen Mitunternehmer, soweit die Ergebnisse Art. 8 DBA-Norwegen unterstellt sind. I.Ü. bleibt das Recht Norwegens als Wohnsitzstaat, die Einkünfte, für die Deutschland als Geschäftsleitungsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht hat, dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, unberührt.

205

Deutschland als Wohnsitzstaat. In Deutschland als Wohnsitzstaat sind die Einkünfte i.S. des Art. 8 bzw. 20 Abs. 4 DBA-Norwegen grds. unter Progressionsvorbehalt freizustellen (vgl. Rz. 1).6 Ausnahmsweise besteuert Deutschland als Wohnsitzstaat die anteiligen Beteiligungseinkünfte seiner Gebietsansässigen in dem in Nr. 2 des Prot. zu Art. 8 DBA-Norwegen beschriebenen Sonderfall (vgl. Rz. 198), soweit auf die Einkünfte Art. 8 DBA-Norwegen Anwendung findet.

1 Gl.A. Dörrfuß in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Norwegen Rz. 23; Wilden in G/K/G/K, Art. 8 DBA-Norwegen Rz. 22. 2 Vgl. auch Art. 23 DBA-Dänemark. 3 Gl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Dänemark Rz. 17; Dörrfuß in Wassermeyer, Art. 20 DBA-Norwegen Rz. 8. 4 Nach Krabbe in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Dänemark Rz. 17 fallen „Beförderungen an Orte auf dem Festland (wohl außer Rückbeförderungen von Personen und Vorräten) […] nicht unter die Vorschrift, können aber von Art. 8 erfasst sein.“ 5 A.A. Dörrfuß in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Norwegen Rz. 2. 6 A.A. Dörrfuß in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Norwegen Rz. 2.

604

Rauert

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 210 Art. 8 (2014)

8. Singapur a) Abweichungen zum OECD-MA 2014 Allgemeines. Mit Ausnahme der Binnenschifffahrt, die im Abkommen nicht ausdrücklich geregelt ist, stimmt Art. 8 DBA-Singapur in den Abs. 1, 3 und 4 wortwörtlich und in Abs. 2 inhaltlich weitgehend mit Art. 8 OECD-MA 2014 überein. Klarstellend1 regelt Art. 8 Abs. 2 DBA-Singapur, dass auch Einkünfte aus der Leervermietung von Seeschiffen und Luftfahrzeugen sowie aus der Nutzung oder Vermietung von Containern in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen können. Das Prot. enthält in Abs. 3 zu Art. 8 und 23 DBA-Singapur eine Ausnahme vom Grundsatz der ausschließlichen Besteuerung durch den Vertragsstaat der tatsächlichen Geschäftsleitung, wenn am Kapital der in Singapur ansässigen Gesellschaft zu mehr als 50 % nicht in Singapur ansässige Personen beteiligt sind.

206

b) Konsequenzen Ausnahme vom Grundsatz der Besteuerung durch den Geschäftsleitungsstaat gem. Prot. Abs. 3 zu Art. 8 und 23 DBA-Singapur. Wenn am Kapital an einer in Singapur ansässigen Gesellschaft, die in Singapur Steuersubjekt2 ist, unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 % nicht in Singapur ansässige Personen beteiligt sind, findet Art. 8 DBA-Singapur auf Einkünfte, für die Deutschland Quellenstaat ist, nur Anwendung, wenn die Gesellschaft nachweist, dass die singapurische Steuer auf die aus Deutschland bezogenen Einkünfte keinen Steuervergünstigungen unterlegen hat. Mit dieser Regelung soll in Fällen, in denen Singapur für Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen unter singapurischer Flagge eine Steuerbefreiung3 gewährt, eine zusätzliche Befreiung von der deutschen beschränkten Steuerpflicht ausgeschlossen werden (zur Parallelregelung im DBA-Liberia vgl. die Darstellung in Rz. 184).4

207

Leervermietung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen gem. Art. 8 Abs. 2 Buchst. a DBA-Singapur. Nach dem Wortlaut der Vorschrift fallen Gewinne aus der Leervermietung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen in den Regelungsbereich des Artikels, wenn die Vermietung zum Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehört. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 8 DBA-Singapur auf Leervermietungen ist somit stets der genuine Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr. Nach der Gesetzesbegründung hat die Regelung in Abs. 2 klarstellende Funktion.5 Nicht von Art. 8 DBA-Singapur, sondern von Art. 7 bzw. 21 DBA-Singapur erfasst werden dagegen die Gewinne aus der Leervermietung, wenn es sich insoweit nicht um eine untergeordnete Tätigkeit eines Unternehmens handelt, das Seeschiffe oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr betreibt (vgl. Rz. 33 sowie Art. 8 Rz. 5 OECDMK).6

208

Nutzung, Wartung oder Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 2 Buchst. b DBA-Singapur. Auch die Gewinne aus der Nutzung, Wartung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und zugehöriger Ausstattung für die Beförderung von Containern), die für die Beförderung von Gütern oder Waren eingesetzt werden, fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-Singapur, wenn diese Tätigkeiten zum Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehören. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion.7 Somit ist auch insoweit Voraussetzung, dass die entsprechenden Gewinne aus einer untergeordneten Tätigkeit eines Unternehmens stammen, das Seeschiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt (vgl. Rz. 34 f. sowie Art. 8 Rz. 9, 10.1 OECD-MK).

209

c) Vermeidung der Doppelbesteuerung Singapur als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Singapur („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Singapurs als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt. In Fällen, in denen der Abkommensschutz einer singapurischen Gesellschaft in ausländischer Hand einge1 Vgl. BT-Drucks. 16/1619, 30. 2 Nicht Steuersubjekt ist die L(L)P, vgl. Dörrfuß/Weidlich, IStR 2005, 518. 3 Mit dem „Maritime Sector Incentive“ („MSI“) sind die in Singapur bestehenden steuerlichen Vergünstigungen für den maritimen Sektor zusammengefasst und um weitere Steuerprivilegien ergänzt worden (https://www.mpa. gov.sg/web/portal/home/maritime-companies/setting-up-in-singapore/programmes-to-support-your-maritimebusiness/maritime-sector-incentive). 4 BT-Drucks. 16/1619, 30. 5 BT-Drucks. 16/1619, 30. 6 A.A. offenbar Dörrfuß in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Singapur Rz. 4, wonach die Regelung auch inhaltlich vom OECD-MA 2014 abweicht. 7 BT-Drucks. 16/1619, 30.

Rauert

605

210

Art. 8 (2014) Rz. 210

Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt

schränkt und Deutschland als Quellenstaat an einer Besteuerung der inländischen Einkünfte nicht gehindert ist (vgl. Rz. 207), vermeidet Singapur eine Doppelbesteuerung insoweit nach Art. 24 Abs. 2 DBA-Singapur durch Anwendung der Anrechnungsmethode. 211

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1). 9. Zypern a) Abweichungen zum OECD-MA 2014

212

Allgemeines.1 Art. 8 DBA-Zypern entspricht in den Abs. 1, 2, 4 wortwörtlich Art. 8 OECD-MA 2014, in Abs. 5 ist die Verteilung im Falle internationaler Zusammenarbeit in der Binnenschifffahrt explizit geregelt. Über den Wortlaut des OECD-MA 2014 hinausgehend regelt Art. 8 Abs. 3 DBA-Zypern ausdrücklich die Verteilung des Besteuerungsrechts für Einkünfte aus der gelegentlichen Leervercharterung sowie aus der untergeordneten Nutzung und Vermietung von Containern. Nach Rz. 5. des Prot. findet Art. 8 DBA-Zypern abweichend vom OECD-MA 2014 auch Anwendung auf Einkünfte von Unternehmen, die die verschiedenen Aufgaben beim Betrieb von Seeschiffen für die Schifffahrtsgesellschaften übernehmen, wie z.B. das sog. Crewing (Personalmanagement) sowie das kaufmännische und technische Management.

213

Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung gem. Prot. Nr. 1 zu Art. 3, 4, 8, 13, 14 und 21 DBA-Zypern. Das Prot. enthält eine Definition des Orts der tatsächlichen Geschäftsleitung, die in Satz 1 wortwörtlich (vgl. Art. 4 Rz. 24 S. 2 OECD-MK 2014) und i.Ü. inhaltlich mit dem OECD-MA 2014 übereinstimmt.2 Somit hat die Bestimmung allein Klarstellungsfunktion.3

214

Gewinne aus technischem und wirtschaftlichem Management sowie aus dem Crewing. Eine für die Praxis bedeutsame Abweichung vom OECD-MA 2014 bzw. 2017 enthält die Bestimmung in Nr. 3 des Prot. zum DBA-Zypern, wonach zu den Gewinnen aus dem Betrieb von Seeschiffen insbesondere auch Gewinne aus technischem und wirtschaftlichem Management sowie aus dem Crewing gehören (vgl. Rz. 218).

215

Exkurs: Heuer der Seeleute gem. Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern. Vgl. nunmehr Art. 15 Rz. 125. b) Konsequenzen

216

Gelegentliche Leervermietung von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Zypern. Nach dem Wortlaut der Vorschrift fallen Gewinne aus der gelegentlichen Leervermietung von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen in den Regelungsbereich des Artikels, wenn die Vermietung zum Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehört. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 8 DBA-Zypern auf Leervermietungen ist somit stets der originäre Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffen. Nach der Denkschrift hat die Regelung in Abs. 3 klarstellende Funktion.4 Deshalb wird insoweit auf die ausführliche Darstellung in Rz. 33 verwiesen.

217

Nutzung oder Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Zypern. Auch die Gewinne aus der Nutzung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und zugehöriger Ausstattung für den Transport von Containern) fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-Zypern, wenn diese Tätigkeiten zum Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffen gehören. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion.5 Somit ist auch insoweit Voraussetzung, dass entsprechende Gewinne aus einer untergeordneten Tätigkeit eines Unternehmens stammen, das Seeschiffe und/oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffe betreibt (Rz. 34 f. sowie Art. 8 Rz. 9, 10.1 OECD-MK 2014).

218

Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen. Das DBA erweitert den Anwendungsbereich von Art. 8 DBAZypern in Abweichung von der Rspr. des BFH6 auf Gewinne von Unternehmen, die die verschiedenen Aufgaben beim Betrieb von Seeschiffen für die Schifffahrtsgesellschaften übernehmen (vgl. Prot. Nr. 3 zu 1 Das DBA-Zypern 2011 gilt ab dem 1.1.2012, es entfaltet keine Rückwirkung für Zeiträume vor dem 1.1.2012, vgl. BFH v. 21.8.2015 – I R 63/13, BFH/NV 2016, 36; FG Baden-Württemberg v. 6.5.2013 – 6 K 645/12, EFG 2013, 1594 (die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH mit Beschluss v. 25.8.2013 – I B 105/13 zurückgewiesen). Für Zeiträume vor dem 1.1.2012 findet ggf. das DBA-Zypern 1974 (BGBl. II 1977, 488) Anwendung. 2 Vgl. Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA 2014 Rz. 95 ff. 3 Rauert, IStR 2012, 164 (165). 4 Vgl. BT-Drucks. 17/6259, 28; Art. 8 Rz. 5 OECD-MK zu; Rauert, IStR 2012, 164 (166 f.). 5 Vgl. BT-Drucks. 17/6259, 28; Rauert, IStR 2012, 164 (167). 6 Vgl. BFH v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218.

606

Rauert

G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 221 Art. 8 (2014)

Art. 8).1 Beispielhaft (nicht abschließend) werden in der Protokollbestimmung entsprechende Tätigkeiten genannt, nämlich das Crewing sowie das kaufmännische und technische Management. Die Tätigkeit von Crewing-Gesellschaften (sog. Crewing-Ausrüster) umfasst insbes. die Gestellung der Mannschaft an die Schiffsgesellschaft, die Zahlung der Heuer für die Seeleute sowie deren Aus- und Fortbildung. Das kaufmännische und technische Management zählen zu den originären Aufgaben des Vertrags- bzw. Korrespondentreeders. Zu diesen Aufgaben gehören insbesondere2 der Abschluss von Verträgen, die den Einsatz des Schiffes betreffen, die seemäßige Ausrüstung und Verproviantierung des Schiffes, die Einstellung von Kapitänen und Offizieren, die Befrachtung des Schiffes, der Abschluss von Bunker- und Schmierölverträgen, die Erhaltung des Schiffes, der Abschluss von Versicherungsverträgen über Schiff und Ausrüstung, die Behandlung der Claims, die Führung der Bücher, Rechnungslegung sowie bei Korrespondentreedern die Herbeiführung und Verwirklichung der Beschl. der Mitreeder. Auch die Tätigkeit der Schiffsmakler, also insbes. die Vermittlung des Abschlusses von Charterverträgen oder der Befrachtung von Schiffen,3 fällt in den Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 DBA-Zypern. Die Protokollbestimmung verlangt nicht, dass die Tätigkeiten einem eigenen Betrieb eines Seeschiffes untergeordnet sein müssen. Vielmehr findet Art. 8 DBA-Zypern auf entsprechende Gewinne selbst dann Anwendung, wenn der Unternehmer nicht selbst internationalen Seeverkehr betreibt. Erforderlich für die Anwendung des Art. 8 DBA-Zypern ist jedoch, dass die Leistung dem Betrieb eines Seeschiffes im internationalen Verkehr dient. Andernfalls gilt für die vorgenannten Leistungen Art. 7 DBA-Zypern. Erweiterung des Anwendungsbereichs des Art. 8 DBA-Zypern abweichend von der Rechtsprechung des BFH. In der Denkschrift4 wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die Erweiterung des Regelungsbereichs des Art. 8 DBA-Zypern durch die Bestimmung in Nr. 3 des Prot. zu Art. 8 DBA-Zypern von der Rechtsprechung des BFH5 abweicht. Nach einhelliger und zutreffender Auffassung des BFH6, der FinVerw7 wie der Literatur8 ist ein Crewing-Unternehmen mit dem Verleih von Arbeitnehmern, die an Bord von Seeschiffen eingesetzt werden, nicht Betreiber eines Seeschiffes i.S. des Art. 8 OECD-MA 2014 bzw. 2017 und infolgedessen kein Unternehmen i.S. des Art. 15 Abs. 3 OECD-MA 2014 bzw. OECD-MA 2017.

219

c) Vermeidung der Doppelbesteuerung Zypern als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Zypern („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Zyperns als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt.

220

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte ohne Rückgriff auf den Methodenartikel durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).

221

1 Vgl. Rauert, IStR 2012, 164 (166). 2 Vgl. BMF v. 12.6.2002 – IV A 6 - S 2133a - 11/02, BStBl. I 2002, 614, geändert durch BMF v. 31.10.2008 – IV C 6 S 2133-a/07/10001 – DOK 2008/0103644, BStBl. I 2008, 956 und v. 10.9.2013 – IV C 6-S 2133-a/09/10001:001 – DOK 2013/0835296, BStBl. I 2013, 1152 (eine konsolidierte Fassung sämtlicher Änderungen dieses BMF-Schr. findet sich in OFD Frankfurt am Main v. 8.1.2014 – S 2133a A-1-St 210, juris). 3 Vgl. Rabe, Seehandelsrecht4, Vor § 556 Rz. 18. 4 BT- Drucks. 17/6259, 28. 5 Vgl. BFH v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218. 6 Vgl. BFH v. 26.4.2005 – I B 86/04, juris. 7 Vgl. OFD Hannover v. 18.7.2006 – S 1301/S 2101-426/6-StO 112/StO 211/S 1301-426-StO 112/S 2101-6-St 211, Praktiker-Handbuch Außensteuerrecht 2012, Band 2, 776. 8 Vgl. Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 196 ff.; Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 110 ff.

Rauert

607

Artikel 8 (2017) Internationale Schifffahrt und Luftfahrt (1)1 Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats aus dem Betrieb von Schiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr können nur in diesem Vertragsstaat besteuert werden. (2) Absatz 1 gilt auch für Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . 2. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . B. Schifffahrt/Luftfahrt (Abs. 1) . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . II. Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen III. Internationaler Verkehr . . . . . . . . . IV. Ansässigkeitsstaat . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

1 1 8 10 11 11 15 16 16 17 18 19

V. VI. VII. C.

Gewinn aus dem Betrieb . . . . . . . . . . . . Mischbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personengesellschaften/Partenreedereien . . . Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . D. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . . . E. Konsequenzen des MLI . . . . . . . . . . . . F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten und sonstige relevante DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 22 24

25 26 27

28

OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: https://doi.org/10.1787/20745419.

Kommentierung zu Art. 8 (2017) A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Grundlegende Revision durch das „Update 2017“. Mit dem „Update 2017“ hat die OECD Art. 8 grundlegend überarbeitet. Von dieser Revision umfasst ist sowohl der Umfang des Anwendungsbereichs der Norm als auch die Verteilung des Besteuerungsrechts selbst. Unverändert ist Art. 8 eine Spezialvorschrift, die der Organisation der internationalen Schifffahrt/Luftfahrt Rechnung trägt (vgl. Rz. 7). Die Änderungen gegenüber Art. 8 OECD-MA 2014 im Überblick: (1) Die bedeutsamste Neuerung durch das „Update 2017“ betrifft die Verteilung des Besteuerungsrechts: Während die OECD bisher dem Geschäftsleitungsstaat den Vorrang vor dem Ansässigkeitsstaat gab, weist Art. 8 nunmehr dem Vertragsstaat das alleinige Besteuerungsrecht für die Ergebnisse aus dem Betrieb von Schiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr zu, in dem das Unternehmen ansässig ist. Das Vorrangverhältnis hat sich demnach umgekehrt: Art. 8 Abs. 1 entspricht nunmehr wortwörtlich der biserigen Alternative gem. Art. 8 Rz. 2 OECD-MK 2014 (sowie Art. 8 Abs. 1 US-MA), die neue Alternative des OECD-MK entspricht mit dem Geschäftsleitungsprinzip der Vorgängerregelung Art. 8 OECD-MA 2014 (vgl. Art. 8 Rz. 2 f. OECD-MK). Insoweit folgt die OECD mit dem „Update 2017“ der Abkommenspraxis der Mehrheit der OECD- und Nicht-OECD-Staaten.2 (2) Ebenfalls mit Rücksicht auf die weltweite Abkommenspraxis ist die Binnenschifffahrt im rein

1 Art. 8 Abs. 1 ist eine inoffizielle Übersetzung der ursprünglichen OECD-Version, die in englischer Sprache unter dem Titel Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017, OECD Publishing, Paris unter https://doi.org/10.1787/20745419 abrufbar ist. In Zweifelsfällen ist die ursprüngliche, englische Fassung maßgeblich. 2 Vgl. Art. 8 Rz. 2 OECD-MK; nahezu sämtliche von Australien, Indien, Japan, Kanada, Südkorea und den USA abgeschlossenen Abkommen folgen dem Ansässigkeitsprinzip, vgl. die übersichtliche Darstellung bei Maisto in M. Lang u.a., Source versus Residence: Problems Arising from the Allocation of Taxing Rights in Tax Treaty Law and Possible Alternatives, 21 (36–39).

Rauert

609

1

Art. 8 (2017) Rz. 1

Internationale Schifffahrt und Luftfahrt

nationalen Verkehr nunmehr vom Anwendungsbereich des Art. 8 OECD-MA ausgenommen;1 die Spezialnorm entspricht damit auch insoweit ihrem Pendant im US-MA. (3) Infolge der Umkehrung des Vorrangverhältnisses in Art. 8 Abs. 1 bedarf es im Anwendungsbereich der Norm keiner Sonderregelung für den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes; eine Art. 8 Abs. 3 OECD-MA 2014 entsprechende Regelung ist im neuen Art. 8 deshalb nicht enthalten. (4) Synchron zu Art. 8 Abs. 1 ordnet Art. 8 Abs. 2 das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle ebenfalls dem Ansässigkeitsstaat zu. (5) Flankiert wird die Überarbeitung des Art. 8 zum einen von der geänderten Definition des Ausdrucks „internationaler Verkehr“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA. Anders als vor dem „Update 2017“ setzt der Terminus „internationaler Verkehr“ und damit die Anwendung des Art. 8 nicht mehr voraus, dass das Schiff oder Luftfahrzeug von einem Unternehmen mit tatsächlicher Geschäftsleitung in einem der beiden Vertragsstaaten betrieben wird (vgl. Rz. 18). Weitere Anpassungen finden sich in Art. 13 Abs. 3, Art. 15 Abs. 3 und Art. 22 Abs. 3 OECD-MA, die dem Kanon des Art. 8 folgend nunmehr dem Ansässigkeitsstaat des Unternehmens (Art. 13 Abs. 3) bzw. des Besatzungsmitglieds (Art. 15 Abs. 3) das ausschließliche Besteuerungsrecht zuweisen, sowie in der englischsprachigen Version des Art. 6 Abs. 2 OECD-MA (vgl. Rz. 11). Die Revision des Art. 8 war im Detail seit Veröffentlichung der von der Working Party 1 erarbeiteten Änderungsvorschläge am 15.11.2013 absehbar,2 angesichts des OECD-Trends, die Besteuerungsrechte der Quellenstaaten auszuweiten, ist sie dennoch bemerkenswert. Überdies markiert das „Update 2017“ des OECD-MA das Ende einer Reihe traditioneller und seit Langem etablierter Prinzipien innerhalb der OECD in Bezug auf Schifffahrts- und Luftfahrtunternehmen im Internationalen Steuerrecht.3 Schließlich ist anzumerken, dass die Änderungen des OECD-MA in Bezug auf den internationalen See- und Luftverkehr außerhalb des MLI liegen. Weder die Schifffahrt noch die Luftfahrt spielten daher im BEPS-Projekt der OECD, auf dessen Grundlage eine Überholung der Abkommenspraxis für notwendig erachtet wurde, eine herausragende Rolle. 2

Praktische Konsequenzen des „Update 2017“ in Bezug auf Art. 8. Die Revision des Art. 8 ist grundlegend. Dessen ungeachtet dürfte sie für zahlreiche Schifffahrts- und Luftfahrtunternehmen in praktischer Hinsicht nur sehr eingeschränkt von Bedeutung sein. Dies nicht allein deshalb, weil das Wohnsitzprinzip in erster Linie und allenfalls für künftige bzw. revidierte Abkommen maßgeblich sein wird. Weitgehend unbedeutend sind die Änderungen für Unternehmen i.S. des Art. 8, deren Ansässigkeitsstaat zugleich der Geschäftsleitungsstaat ist. Für Unternehmen in der Rechtsform einer (einfach ansässigen) Körperschaft ist der Geschäftsleitungsstaat stets zugleich auch der Ansässigkeitsstaat (vgl. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA). Ein Wechsel des Besteuerungsrechts im Zuge des „Update 2017“ ist ceteris paribus in diesen Fällen somit ausgeschlossen. Konsequenzen wird der in Art. 8 vollzogene Paradigmenwechsel dagegen ggf. für doppelt ansässige juristische Personen sowie für natürliche Personen haben, die nicht im Geschäftsleitungsstaat ihres Personenunternehmens ansässig sind: Für doppelt ansässige juristische Personen war nach der Tie-Breaker-Regel des Art. 4 Abs. 3 OECD-MA 2014 der Geschäftsleitungsstaat zugleich auch der Ansässigkeitsstaat. Da der neu gefasste Art. 4 Abs. 3 OECD-MA4 keinen Einigungszwang vorsieht,5 ist es denkbar (und im Fall einer entsprechenden Übernahme der Regelung in das betreffende DBA wahrscheinlich), dass doppelt ansässige juristische Personen ihre Einkünfte i.S. des Art. 8 nunmehr sowohl im Sitzstaat als auch im Geschäftsleitungsstaat versteuern müssen und die Doppelbesteuerung nur nach den Regelungen des innerstaatlichen Rechts vermieden werden kann (vgl. Beispiel Rz. 3). Weil vom Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung einer Personengesellschaft der Ort der Ansässigkeit ihrer Mitunternehmer zu unterscheiden ist, ist der Wechsel zum Wohnsitzprinzip stets bedeutsam, wenn der Geschäftsleitungsstaat der Personengesellschaft und der Wohnsitzstaat des Mitunternehmers auseinanderfallen. Ist bspw. eine natürliche Person mitunternehmerisch an einer Personengesellschaft beteiligt, die ein Schiff oder Luftfahrzeug im internationalen Verkehr betreibt, und ist der Wohnsitzstaat der natürlichen Person nicht zugleich der Geschäftsleitungsstaat, wird das „Update 2017“ regelmäßig einen Besteuerungsrechtswechsel zur Folge haben. Hier wie dort wird das Betriebsstättenprinzip somit durch die Neuausrichtung des Art. 8 suspendiert, womit gegen den OECD-Trend ggf. eine Divergenz zwischen Einkommensquelle und tatsächlicher Besteuerung einhergeht. In entsprechenden Konstellationen wird mit der Abkehr vom Geschäftsleitungsprinzip ggf. außerdem der Verlust einer Präferenzbesteuerung 1 Vgl. OECD v. 15.10.2013, Proposed Changes to the OECD Model Tax Convention Dealing with the Operation of Ships and Aircraft in International Traffic, https://www.oecd.org/tax/treaties/Discussion-draft-internationaltaffic.pdf; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1173). 2 Vgl. Proposed Changes to the OECD Model Tax Convention Dealing with the Operation of Ships and Aircraft in International Traffic, S. 2, Rz. 3, https://www.oecd.org/tax/treaties/Discussion-draft-international-taffic.pdf. 3 Vgl. Stevens/Adeler, MBB 2018, 262. 4 Neben vielen anderen Staaten hat Deutschland den Art. 4 Abs. 3 OECD-MA nachgebildeten Art. 4 Abs. 1 MLI nicht übernommen; vgl. Creed in Haase, Multilaterales Instrument, Art. 4 Rz. 43 f. 5 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 107; Pohl, IWB 2018, 922 (925).

610

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 5 Art. 8 (2017)

(z.B. „Tonnagesteuer“, § 5a EStG) im Quellenstaat verbunden sein (vgl. Beispiel Rz. 4). Dem Wohnsitzprinzip ist außerdem immanent, dass eine Verlagerung von Einkünften in Niedrigsteuerländer, in denen die maßgebliche wirtschaftliche Tätigkeit tatsächlich nicht ausgeübt wird, nicht per se ausgeschlossen ist.1 Das Wohnsitzprinzip bietet indes auch Vorteile: Anders als das Geschäftsleitungsprinzip ist das Wohnsitzprinzip geeignet, eine mögliche Nichtbesteuerung entsprechender Gewinne zu vermeiden, ohne eigens ein subsidiäres Besteuerungsrecht oder eine Subject-to-Tax-Klausel zu vereinbaren.2 Ferner vermeidet das Wohnsitzprinzip Streit (und etwaige Verständigungsverfahren) im Hinblick auf die Interpretation des Orts der tatsächlichen Leitung (vgl. Art. 8 (2014) Rz. 44). Für Unternehmen der Binnenschifffahrt im rein innerstaatlichen Verkehr haben die vollzogenen Änderungen ggf. weitreichende Konsequenzen: Nachdem der Anwendungsbereich der Spezialnorm des Art. 8 mit dem „Update 2017“ auf die Schifffahrt und Luftfahrt im internationalen Verkehr beschränkt ist, findet auf Gewinne aus dem Transport von Gütern und/oder Personen im rein nationalen Verkehr nunmehr das Betriebsstättenprinzip (Art. 7 OECD-MA) unmittelbar Anwendung.3 Gewinne von Binnenschifffahrtsunternehmen aus dem internationalen Verkehr sind dagegen weiterhin von Art. 8 umfasst.4 Der OECD-MK lässt indes die Einbeziehung der Binnenschifffahrt auch im rein innerstaatlichen Verkehr in den Anwendungsbereich des Art. 8 ausdrücklich zu (Art. 8 Rz. 15 OECDMK). Beispiel: Eine Reederei-AG („AG“) mit Sitz und Betriebsstätte im Staat X erzielt Einkünfte i.S.d. Art. 8 Abs. 1. Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der AG ist im Staat Y belegen. Zwischen den Staaten X und Y ist bis zum 31.12.2018 ein DBA entsprechend dem OECD-MA 2014 vereinbart. Ab dem 1.1.2019 findet ein Revisionsabkommen entsprechend dem OECD-MA 2017 Anwendung. Für die Gewinne der AG hat nach dem MA 2014 der Geschäftsleitungsstaat Y das alleinige Besteuerungsrecht (Art. 8 Abs. 1 OECD-MA 2014). Staat Y ist nach dem OECD-MA 2014 zugleich der Ansässigkeitsstaat der AG (vgl. Art. 4 Abs. 2 OECD-MA 2014). Ab dem 1.1.2019 hat der Ansässigkeitsstaat der AG das alleinige Besteuerungsrecht (Art. 8 Abs. 1 OECD-MA 2017). Ob damit ein Wechsel von Staat Y auf Staat X einhergeht, hängt unter sonst gleichen Bedingungen davon ab, ob die Vertragsstaaten X und Y sich über die Ansässigkeit verständigen. Anders als bei natürlichen Personen (vgl. Art. 4 Abs. 2 Buchst. d OECD-MA 2017) besteht in Fällen doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften kein Einigungszwang (vgl. Art. 4 Abs. 3 OECD-MA 2017).5 Ohne eine (erfolgreiche) Verständigung zwischen X und Y, ist Art. 4 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA 2017 anzuwenden, sodass das Wohnsitzprinzip des Art. 8 suspendiert ist. Im Ergebnis wird eine Doppelbesteuerung ggf. nur nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts vermieden.

3

Beispiel: An einer Schifffahrts-KG mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat X ist als Kommanditist die natürliche Person K beteiligt. K ist im Staat Y ansässig. Zwischen X und Y ist für die Zeit bis zum 31.12.2018 ein DBA entsprechend dem OECD-MA 2014 vereinbart, ab dem 1.1.2019 findet ein Revisionsabkommen entsprechend dem OECD-MA 2017 Anwendung. Die KG verchartert ihr Seeschiff vollständig ausgerüstet und bemannt an eine Linienreederei, die es im internationalen Verkehr einsetzt. Mit seinen Beteiligungseinkünften aus der KG ist K im Staat X nur beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG analog). Staat X hat bis zum 31.12.2018 insoweit das alleinige Besteuerungsrecht (Art. 8 Abs. 1 OECD-MA 2014). Nach dem 31.12.2018 hat hingegen der Ansässigkeitsstaat Y das ausschließliche Besteuerungsrecht für die entsprechenden Einkünfte (Art. 8 Abs. 1 OECD-MA 2017). Infolgedessen entfällt für K für die Jahre ab 2019 die Möglichkeit, von einer etwaigen Präferenzbesteuerung im Staat X (z.B. „Tonnagesteuer“) zu profitieren.

4

Beispiel: An einer Luftfahrt-KG mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat X ist als Kommanditist die natürliche Person K beteiligt. K ist im Staat Y ansässig. Die KG vermittelt K ausschließlich Einkünfte i.S. des Art. 8 Abs. 1 OECD-MA 2014/2017. Im Staat Z unterhält die KG eine Betriebsstätte, über die sie den Luftverkehr zwischen Staat Z und Drittstaaten abwickelt. Die Staaten X, Y und Z haben untereinander jeweils ein DBA geschlossen, das bis zum 31.12.2018 dem OECD-MA 2014 und ab dem 1.1.2019 dem OECD-MA 2017 entspricht. Mit ihren Beteiligungseinkünften aus der KG ist K in den Staaten X und Z nur beschränkt einkommensteuerpflichtig (jeweils § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG analog). Für die Einkünfte des Jahres 2018 gilt: Im Verhältnis der Staaten X und Y hat X als Geschäftsleitungsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Einkünfte von K (Art. 8 Abs. 1 OECD-MA 2014), Y hat die entsprechenden Einkünfte (unter Progressionsvorbehalt) steuerfrei zu stellen. Im Verhältnis der Staaten Y und Z findet Art. 8 OECD-MA 2014 dagegen keine Anwendung, da die tatsächliche Geschäftsleitung der KG im Staat X bzw. weder im Staat Y noch im Staat Z belegen ist (vgl. Art. 8 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA 2014). Infolgedessen hat Staat Z das Beteuerungsrecht für die der Betriebsstätte in seinem Territorium zuzurechnenden (anteiligen) Gewinne (Art. 7 OECD-MA 2014). Für die Zeit nach dem 31.12.2018 hat Staat Yals Ansässigkeitsstaat jeweils das ausschließliche

5

1 Vgl. Rolf in G/K/G/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 52, der zutreffend darauf hinweist, dass „[d]as Besteuerungsrecht […] von der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit entkoppelt [wird], so dass das Unternehmen durch die Änderung seiner Ansässigkeit den Ort der Besteuerung der Gewinne aus Betrieb von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen beeinflussen kann.“ 2 Vgl. Kofler, Article 8 OECD Model: Time for a Change? in Maisto, Taxation of Shipping and Air Transport in Domestic Law, EU Law and Tax Treaties, Amsterdam 2017, 140 f.; vgl. Art. 8 (2014) Rz. 3 f. 3 Gl.A. Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1173). 4 Art. 8 Rz. 16 OECD-MK. 5 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 107; Pohl, IWB 2018, 922 (925).

Rauert

611

Art. 8 (2017) Rz. 5

Internationale Schifffahrt und Luftfahrt

Besteuerungsrecht für die (anteiligen) Gewinne von K aus den Quellenstaaten X und Z (Art. 8 Abs. 1 OECD-MA 2017). Art. 8 OECD-MA 2017 findet aufgrund der geänderten Definition des Ausdrucks „internationaler Verkehr“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. 3 OECD-MA 2017 somit auch im Verhältnis der Staaten Y und Z Anwendung.

6

Ansässigkeitsstaat. Art. 8 weist dem Ansässigkeitsstaat das alleinige Besteuerungsrecht für die Ergebnisse aus dem Betrieb von Schiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr zu. Als Spezialvorschrift geht die Regelung dem für Unternehmenseinkünfte i.Ü. geltenden Art. 7 vor (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 23). Das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats ist insoweit ausschließlich („können nur“). Dieser besteuert die Einkünfte – abkommensrechtlich uneingeschränkt – nach seinem innerstaatlichen Recht, der Methodenartikel findet keine Anwendung. Art. 8 regelt somit abschließend die Besteuerungsfolge im Ansässigkeitsstaat. Unmaßgeblich ist insbesondere, ob das Unternehmen im Ansässigkeitsstaat eine Betriebsstätte hat, während der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens im Anwendungsbereich des Art. 8 allenfalls noch mittelbare Bedeutung im Hinblick auf die Bestimmung der Ansässigkeit gem. Art. 4 hat (Rz. 19). Naturgemäß setzt die Anwendung eines DBA die Ansässigkeit des Unternehmens in einem der beiden Vertragsstaaten voraus; sofern es in Konstellationen doppelter Ansässigkeit zu keiner (erfolgreichen) Einigung zwischen den beteiligten Vertragsstaaten kommt (vgl. Art. 4 Abs. 3 OECD-MA), ist Art. 4 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA 2017 anzuwenden, sodass das Wohnsitzprinzip des Art. 8 suspendiert ist. Im Ergebnis wird eine Doppelbesteuerung ggf. nur nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts vermieden (vgl. Beispiel Rz. 3).1

7

Vereinfachung. Auch nach dem „Update 2017“ wird Art. 8 der Organisation der internationalen Schifffahrt/Luftfahrt gerecht. Deren Unternehmen operieren weltweit, unterhalten dabei in zahlreichen Staaten Betriebsstätten, die von ihnen betriebenen Schiffe/Luftfahrzeuge laufen bzw. fliegen auf ihren Reisen oft mehrere ausländische Häfen/Flughäfen in unterschiedlichen Staaten nacheinander an.2 Insofern trägt die Spezialnorm Art. 8 auch erheblich zur Vereinfachung bei. Ihr Zweck, einer Zersplitterung der Besteuerung entgegenzuwirken,3 dient daher vor allem der Praktikabilität.

II. Aufbau der Vorschrift 8

Besteuerung durch den Ansässigkeitsstaat. In seinem Abs. 1 regelt Art. 8, dass Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr nur durch den Ansässigkeitsstaat des Unternehmens besteuert werden können. Eine Besteuerung in dem anderen Vertragsstaat ist ausgeschlossen, eines Rückgriffs auf Art. 23A/B bedarf es insoweit nicht.

9

Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle. Abs. 2 des Art. 8 trägt dem Umstand klarstellend Rechnung, dass Schifffahrts- und Luftfahrtunternehmen bisweilen in unterschiedlichen Erscheinungsformen miteinander kooperieren. Für die (anteiligen) Ergebnisse aus Beteiligungen an derartigen Zusammenschlüssen hat danach das Besteuerungsrecht der Vertragsstaat, in dem das an dem Pool, der Betriebsgemeinschaft oder der internationalen Betriebsstelle beteiligte Unternehmens ansässig ist. Eine Besteuerung durch den anderen Vertragsstaat ist wiederum ausgeschlossen.

III. Rechtsentwicklung 10

Historische Entwicklung des Art. 8. Die historische Entwicklung des Art. 8 ist im Einzelnen in Art. 8 (2014) Rz. 8 ff. dargestellt.

1 Neben zahlreichen anderen Staaten hat Deutschland den Art. 4 Abs. 3 OECD-MA nachgebildeten Art. 4 Abs. 1 MLI nicht übernommen; vgl. Creed in Haase, Multilaterales Instrument, Art. 4 Rz. 43 f. 2 Vgl. International Chamber of Shipping (ICS) v. 11.10.2012, The United Nations Model Double Taxation Convention between Developed and Developing Countries, Rz. 9 f.: „In today’s world of advanced computing capabilities, the issue is not so much the complexity of the calculation, but rather the multitude of widely divergent and irreconcilable tax systems through which ships may routinely pass. (Individual ships may call perhaps 20 or 30 different nations during a year, and ships operated by a single company may call at as many as 100 different nations a year, or even 150 nations over a longer period.). […] ICS believes that it is currently inconceivable that up to 150 different countries would be able to agree on the method of computation and allocation of taxes on the profits from the operation of ships by a company“. 3 Art. 8 Rz. 1 OECD-MK: „taxed in one state alone“.

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B. Schifffahrt/Luftfahrt (Abs. 1)

Rz. 16 Art. 8 (2017)

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht Verhältnis zu Art. 6. Im Zuge des „Update 2017“ wurde das Wort „boats“ in der englischsprachigen Version des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 gestrichen.1 Diese rein redaktionelle Anpassung steht im Zusammenhang mit der Neufassung des Art. 8, von dessen Anwendungsbereich die Binnenschifffahrt im nationalen Verkehr nunmehr ausgenommen ist. Für eine Anpassung der deutschen Fassung besteht aufgrund der Verwendung des weitergefassten Begriffs „Schiffe“ keine Veranlassung. Im Übrigen ergeben sich im Hinblick auf das Verhältnis des Art. 8 zu Art. 6 gegenüber dem OECD-MA 2014 keine Besonderheiten. Insoweit gelten die in Art. 8 (2014) Rz. 14 dargestellten Grundsätze entsprechend.

11

Verhältnis zu Art. 7. Mit den folgenden Einschränkungen gelten die in Art. 8 (2014) Rz. 15 f. dargestellten Grundsätze auch nach dem „Update 2017“ entsprechend: (1) Die Anwendung des Art. 8 (2014) in Bezug auf den Betrieb von Seeschiffen bzw. Schiffen2 oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr setzt insbesondere voraus, dass sich der Ort der Geschäftsleitung des Unternehmens in einem der beiden Vertragsstaaten befindet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA 2014). Andernfalls gilt Art. 7 (vgl. zu Art. 8 (2014) Rz. 15 f.). Mit der Änderung der Definition des Ausdrucks „internationaler Verkehr“ ist diese den Anwendungsbereich der Norm einengende Voraussetzung entfallen, der Ort der Geschäftsleitung ist insoweit seither unmaßgeblich (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e). Dadurch dürfte der Anwendungsbereich des Art. 8 eine erhebliche Erweiterung erfahren haben (vgl. Beispiel in Rz. 5). (2) Für Gewinne aus dem Betrieb von Binnenschiffen im rein nationalen Verkehr findet nach der Revision des Art. 8 nunmehr Art. 7 unmittelbar Anwendung; für den Betrieb von Binnenschiffen im internationalen Verkehr gilt unverändert Art. 8.

12

Verhältnis zu Art. 10 und 11. Im Verhältnis zu Art. 10 f. gelten die in Art. 8 (2014) Rz. 17 dargestellten Grundsätze entsprechend.

13

Verhältnis zu Art. 13. Mit der Einschränkung, dass nach dem „Update 2017“ gleichsam synchron zu Art. 8 der Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht für die in Art. 13 Abs. 3 geregelten Einkünfte hat, gelten die Ausführungen in Art. 8 (2014) Rz. 18 entsprechend.

14

2. Innerstaatliches Recht Keine Änderungen gegenüber dem OECD-MA 2014. Im Hinblick auf das Verhältnis des Art. 8 zum innerstaatlichen Recht ergeben sich gegenüber dem OECD-MA 2014 keine Besonderheiten. Insoweit gelten die in Art. 8 (2014) Rz. 19 ff. dargestellten Grundsätze entsprechend.

15

B. Schifffahrt/Luftfahrt (Abs. 1) I. Regelungszweck Besteuerung durch den Ansässigkeitsstaat. Seinem eigentlichen Regelungszweck, einer Fragmentierung der Besteuerung entgegenzuwirken (vgl. Rz. 7), wird Art. 8 in seinem Abs. 1 dadurch gerecht, dass für die Ergebnisse aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr der Ansässigkeitsstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht hat (vgl. Rz. 6). Eine Besteuerung dieser Einkünfte im anderen Vertragsstaat ist ausgeschlossen („können nur“ bzw. „shall be taxable only“). Alternativ wird in der Abkommenspraxis auf den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung abgestellt (Art. 8 Rz. 2 OECD-MK).3 Soweit das Unternehmen über den genuinen Betrieb nach Art. 8 Abs. 1 (vgl. hierzu die Darstellung in Art. 8 (2014) Rz. 30 ff.) hinaus noch andere gewerbliche Haupttätigkeiten ausübt, gilt nicht die spezielle Regelung des Art. 8, sondern das Betriebsstättenprinzip bzw. Art. 7 (vgl. Rz. 12).

1 Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 OECD-MA in der englischsprachigen Fassung lautet nunmehr: „ships and aircraft shall not be regarded as immovable property.“ 2 Vgl. zu den Ausdrücken „Schiff“ bzw. „Seeschiff“ die Kommentierung zu Art. 8 (2014) Rz. 26 f. 3 Vgl. die Übersicht bei Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 35.

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Art. 8 (2017) Rz. 17

Internationale Schifffahrt und Luftfahrt

II. Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen 17

Keine Änderungen gegenüber dem OECD-MA 2014. Im Hinblick auf den Regelungsbereich des Art. 8 Abs. 1 ergeben sich gegenüber dem OECD-MA 2014 keine Besonderheiten. Insoweit gelten die in Art. 8 (2014) Rz. 25 ff. dargestellten Grundsätze entsprechend.

III. Internationaler Verkehr 18

Begriff. Die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 setzt voraus, dass das Schiff oder Luftfahrzeug im internationalen Verkehr betrieben wird. Definiert ist der Begriff „internationaler Verkehr“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e. Darunter zu verstehen ist nach dem „Update 2017“ – wenn der Zusammenhang nicht etwas anderes erfordert – jede Beförderung mit einem Schiff oder Luftfahrzeug, es sei denn, das Schiff oder Luftfahrzeug wird ausschließlich zwischen zwei Orten im anderen Vertragsstaat betrieben und die Person, welche das Schiff oder Luftfahrzeug betreibt, ist nicht in diesem Staat ansässig. Nach der grundlegenden Revision des Regelungskanons für Schifffahrts- und Luftfahrtunternehmen kommt es im Gegensatz zu Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA 2014 nicht mehr darauf an, dass der Betreiber des Schiffes bzw. Luftfahrzeugs ein Unternehmen mit tatsächlicher Geschäftsleitung in einem der beiden Vertragsstaaten ist. Mit dem Wegfall dieser Tatbestandsvoraussetzung erweitert die OECD den Anwendungsbereich jener Regelungen, die den internationalen Verkehr zum Gegenstand haben (Art. 8, Art. 13 Abs. 3, Art. 15 Abs. 3, Art. 22 Abs. 3), auf Drittstaatensachverhalte (vgl. Art. 8 Rz. 6.1 OECD-MK sowie das Beispiel zu Art. 8 (2017) Rz. 5). Im Übrigen hat die Änderung keine materielle Bedeutung (vgl. Art. 8 Rz. 6.1 OECD-MK), so dass die in Art. 8 (2014) Rz. 37 ff. dargestellten Grundsätze entsprechend gelten.

IV. Ansässigkeitsstaat 19

Begriff. Der Ausdruck „Unternehmen eines Vertragsstaats“ in Art. 8 Abs. 1 ist identisch mit dem des Art. 3 Abs. 1 Buchst. d (vgl. Art. 3 Rz. 39 ff.). Entscheidend für die Zuordnung des ausschließlichen Besteuerungsrechts nach Art. 8 Abs. 1 ist somit, wo die Person, die das Unternehmen betreibt, i.S. des Art. 4 ansässig ist. Die Ansässigkeit richtet sich nach den allgemeinen Kriterien des Art. 1.1 Nach der Legaldefinition des Art. 4 Abs. 1 kommt es darauf an, wo die Person aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Orts ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals nach dem Recht dieses Staats (unbeschränkt) steuerpflichtig ist. In Deutschland ist eine natürliche Person unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie im Inland einen Wohnsitz (§ 8 AO) oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) hat, § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG. Eine Gesellschaft2 ist in Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie im Inland ihre Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder ihren statutarischen Sitz (§ 11 AO) hat, § 1 Abs. 1 KStG. Eines der beiden Kriterien genügt jeweils. Infolgedessen ist der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung einer Gesellschaft auch nach dem „Update 2017“ grundsätzlich weiterhin maßgeblich für die Bestimmung, welcher Vertragsstaat das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dem Betrieb i.S. des Art. 8 hat. Unbedeutend ist in diesem Zusammenhang dagegen, wo sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung einer (transparenten) Personengesellschaft bzw. einer Partenreederei befindet. Mit diesen Einschränkungen gelten die in Art. 8 (2014) Rz. 44 ff. dargestellten Grundsätze entsprechend. Wegen weiterer Einzelheiten wird im Übrigen auf die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 1 (Art. 4 Rz. 22 ff.) verwiesen.

20

Doppelansässigkeit. Ist eine Gesellschaft3 aufgrund der vorbezeichneten Kriterien (Rz. 19) in beiden Vertragsstaaten ansässig, so soll der Ansässigkeitskonflikt im Wege gegenseitigen Einvernehmens gelöst werden. Wird ein Einvernehmen nicht (erfolgreich) erzielt, gilt die Gesellschaft als in keinem der beiden Vertragsstaaten als ansässig (Art. 4 Abs. 3).4 Auf die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 3 (Art. 4 Rz. 101 ff.) wird verwiesen.

V. Gewinn aus dem Betrieb 21

Keine Änderungen gegenüber dem OECD-MA 2014. Im Hinblick auf die Einkünfte i.S. des Art. 8 Abs. 1 ergeben sich gegenüber dem OECD-MA 2014 keine Besonderheiten. Insoweit gelten die in Art. 8 (2014) Rz. 47 f. dargestellten Grundsätze entsprechend. 1 2 3 4

Vgl. in der Vorauflage Dremel in Schönfeld/Ditz, Art. 1 OECD-MA Rz. 26. Vgl. in der Vorauflage Pohl in Schönfeld/Ditz, Art. 3 OECD-MA Rz. 13. Vgl. in der Vorauflage Pohl in Schönfeld/Ditz, Art. 3 OECD-MA Rz. 13. Neben vielen anderen Staaten hat Deutschland den Art. 4 Abs. 3 OECD-MA nachgebildeten Art. 4 Abs. 1 MLI nicht übernommen; vgl. Creed in Haase, Multilaterales Instrument, Art. 4 Rz. 43 f.

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F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 28 Art. 8 (2017)

VI. Mischbetriebe Keine Änderungen gegenüber dem OECD-MA 2014. In Bezug auf Unternehmen, die neben dem Betrieb von Schiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr mindestens eine weitere genuin gewerbliche Tätigkeit ausüben, die nicht – auch nicht als Hilfstätigkeit (s. hierzu. zu Art. 8 (2014) Rz. 34 ff.) – von Art. 8 erfasst wird („Mischbetriebe“), ergeben sich gegenüber dem OECD-MA 2014 keine Besonderheiten. Insoweit gelten die in Art. 8 (2014) Rz. 49 ff. dargestellten Grundsätze entsprechend.

22

Finanzbehörde Hamburg v. 30.5.2018.1 Vgl. zur Auffassung der dt. Finanzverwaltung, wonach eine zum 23 Betriebsvermögen eines Mitunternehmers gehörende Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft abkommensrechtlich ein von der eigenunternehmerischen Tätigkeit des Mitunternehmers gesondert zu beurteilendes Unternehmen sei, die Darstellung in Art. 8 (2014) Rz. 51.

VII. Personengesellschaften/Partenreedereien Abkommensschutz – keine Änderungen gegenüber dem OECD-MA 2014. Auch nach dem „Update 2017“ bestehen für Schifffahrts- bzw. Luftfahrtunternehmen in der Rechtsform der Personengesellschaft (bzw. einer Partenreederei) im Grundsatz keine Besonderheiten: Mit der Einschränkung, dass nunmehr der Ansässigkeitsstaat des Mitunternehmers das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 hat, gelten die in Art. 8 (2014) Rz. 54 ff. dargelegten Grundsätze entsprechend.

24

C. Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle (Abs. 2) Keine Änderung gegenüber dem OECD-MA 2014. Im Hinblick auf die Gewinne eines Unternehmens aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle ergeben sich gegenüber dem OECD-MA 2014 keine Besonderheiten. Mit den Einschränkungen, dass nunmehr der Ansässigkeitsstaat des an dem Pool o.Ä. beteiligten Unternehmens das ausschließliche Besteuerungsrecht für die entsprechenden Gewinne hat und die Binnenschifffahrt im rein nationalen Verkehr vom Anwendungsbereich des Art. 8 ausgenommen ist, gelten die in Art. 8 (2014) Rz. 67 ff. dargestellten Grundsätze entsprechend.

25

D. Deutsches Muster-DBA Deutsches Muster-DBA. Für die Ausführungen zum Deutschen Muster-DBA wird auf die Kommentierung zu Art. 8 (2014) Rz. 70 i.V.m. Anhang 4 Rz. 1 ff. verwiesen.

26

E. Konsequenzen des MLI Multilaterales Instrument. Das MLI enthält keine speziellen Regelungen mit Bezug zu Art. 8 (vgl. Rz. 1 a.E.).

27

F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten und sonstige relevante DBA Hinsichtlich der DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten und sonstiger relevanter DBA wird auf die Kommentierung von Art. 8 (2014) Rz. 71 ff. verwiesen.

1 FBeh Hamburg v. 30.5.2018 – S 1301DNK – 2017/001 – 53, DStR 2018, 1973.

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28

Artikel 9 Verbundene Unternehmen (1) Wenn a) ein Unternehmen eines Vertragsstaats unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats beteiligt ist, oder b) dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens eines Vertragsstaats und eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats beteiligt sind und in diesen Fällen die beiden Unternehmen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, so dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden. (2) 1Werden in einem Vertragsstaat den Gewinnen eines Unternehmens dieses Staats Gewinne zugerechnet – und entsprechend besteuert –, mit denen ein Unternehmen des anderen Vertragsstaats in diesem Staat besteuert worden ist, und handelt es sich bei den zugerechneten Gewinnen um solche, die das Unternehmen des erstgenannten Staats erzielt hätte, wenn die zwischen den beiden Unternehmen vereinbarten Bedingungen die gleichen gewesen wären, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, so nimmt der andere Staat eine entsprechende Änderung der dort von diesen Gewinnen erhobenen Steuer vor. 2Bei dieser Änderung sind die übrigen Bestimmungen dieses Abkommens zu berücksichtigen; erforderlichenfalls werden die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten einander konsultieren. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . 1. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1) . . . . . . . . . . 2. Korrespondierende Gewinnkorrektur (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1) . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Unternehmen eines Vertragsstaats . . . . . III. Verbundene Unternehmen . . . . . . . . . 1. Beteiligung an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital . . . . . . . . . 2. Unternehmen unter gemeinsamer Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kaufmännische oder finanzielle Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vereinbarte oder auferlegte Bedingungen . VI. Abweichung von einem Fremdvergleich . . 1. Begriff und Formen des Fremdvergleichsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung des Fremdvergleichsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleichbarkeit der Verhältnisse . . . . c) Funktions- und Risikoanalyse . . . . . d) Bandbreitenbetrachtung . . . . . . . . e) Arten des Fremdvergleichs . . . . . . . aa) Tatsächlicher Fremdvergleich . . .

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1

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1 5 6

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6

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8 9 9 15 19

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35 35 40 44

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44

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51

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52 57 62

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62

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62 66 68 70 71 71

bb) Hypothetischer Fremdvergleich . . 2. Methoden der Verrechnungspreisermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klassische Methoden . . . . . . . . . . aa) Rangfolge der klassischen Methoden . . . . . . . . . . . . . . bb) Preisvergleichsmethode . . . . . . cc) Wiederverkaufspreismethode . . . dd) Kostenaufschlagsmethode . . . . . b) Gewinnorientierte Methoden . . . . . . aa) Anerkennung gewinnorientierter Methoden . . . . . . . . . . . . . . bb) Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (TNMM) . . . . cc) Gewinnaufteilungsmethode (PSM) dd) Gewinnvergleichsmethode . . . . . c) Konzernumlagen . . . . . . . . . . . . 3. Verrechnungspreisermittlung für ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Produktlieferungen . . . . . . . . . . . aa) Lieferungen von Produktionsgesellschaften . . . . . . . . . . . . bb) Lieferungen an Vertriebsgesellschaften . . . . . . . . . . . . b) Finanzierungsleistungen . . . . . . . . aa) Verrechnung dem Grunde nach . . bb) Verrechnung der Höhe nach . . . c) Lizenzierung immaterieller Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . aa) Verrechnung dem Grunde nach . . bb) Verrechnung der Höhe nach . . . d) Verrechnung von Dienstleistungen . . . aa) Verrechnung dem Grunde nach . . bb) Verrechnung der Höhe nach . . . 4. Funktionsverlagerungen . . . . . . . . . . 5. Vorteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gewinnkorrektur als Rechtsfolge . . . . . .

Ditz

.

74

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77 77

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77 79 82 85 91

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91

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93 97 99 101

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104 104

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104

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109 114 114 116

. . . . . . . . .

119 119 123 127 127 129 132 137 140

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Art. 9 Rz. 1

Verbundene Unternehmen

C. Korrespondierende Gewinnkorrektur (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestandsvoraussetzungen einer Gegenkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . 3. Durchführung einer Gegenkorrektur . . . II. Konsultationsverfahren (Abs. 2 Satz 2) . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsultationen zwischen den Vertragsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . IV. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . V. Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . .

. 142 . 142 . 142 . . . .

143 147 150 150

. 151 . 152 . . . . . . . . . . . . . . .

153 153 153 155 157 158 160 160 162 164 165 167 167 169 170

VI. 1. 2. 3. VII. 1. 2. VIII. 1. 2. 3. IX. X. XI. XII. 1. 2. 3. XIII. 1. 2. 3. XIV. XV. 1. 2. 3.

Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . Niederlande . . . . . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . Russland . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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171 171 173 174 175 175 178 179 179 181 182 183 185 187 189 189 191 192 193 193 195 196 197 199 199 202 203

OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: https://doi.org/10.1787/20745419.

KOMMENTIERUNG ZU ART. 9 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck 1

Regelungen zur internationalen Gewinnabgrenzung. Art. 9 regelt die internationale Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen. Die internationale Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen sowie die damit in einem unmittelbaren Zusammenhang stehende Thematik der internationalen Verrechnungspreise stehen immer mehr im Fokus der deutschen und internationalen Finanzbehörden.1 Die internationale Einkünfteabgrenzung hat sich daher in den vergangenen Jahren zu einem der zentralen Themen in Betriebsprüfungen international agierender Unternehmen entwickelt.2 Eine wesentliche Ursache für diese Entwicklung ist die Befürchtung der Fisci, dass Unternehmensgewinne (zum Begriff vgl. Art. 7 (2008) Rz. 51 ff.) in ausländische Staaten verlagert werden und daher die steuerliche Bemessungsgrundlage des im Inland ansässigen verbundenen Unternehmens unangemessen reduziert wird. Vor diesem Hinter-

1 Vgl. auch das Ergebnis einer empirischen Untersuchung unter mehr als 300 Unternehmen, Ditz/Bärsch/Kluge, IStR 2015, 819 (821). 2 Vgl. Einführung Rz. 1 ff. OECD-Leitlinien 2017; Baumhoff in W/B, Rz. 1.7.

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Ditz

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 2 Art. 9

grund hat sich – nicht zuletzt auf Grund des Wirkens der OECD1 und der Vorgaben des OECD-MA – mit dem Fremdvergleichsgrundsatz (sog. „arm’s length principle“) ein von den internationalen Finanzbehörden anerkannter Maßstab zur Ermittlung und Dokumentation von Verrechnungspreisen herausgebildet. Nach dem in Art. 9 Abs. 1 definierten Fremdvergleichsgrundsatz2 sind Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen so zu bemessen, wie sie zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen für eine entsprechende Lieferung oder Leistung vereinbart worden wären. Die (durchaus berechtigte) Sorge der internationalen Finanzbehörden, dass durch unangemessene, d.h. fremdunübliche Verrechnungspreise, Gewinne in Staaten mit geringer Steuerbelastung „verlagert“ werden, hat die OECD veranlasst, sich im Rahmen des BEPS-Projekts ausführlich mit der internationalen Gewinnabgrenzung und der Bestimmung von Verrechnungspreisen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz auseinanderzusetzen.3 So hat die OECD bereits in ihrem BEPS-Bericht aus 2013 die Ursache in „Base Erosion and Profit Shifting“ im Wesentlichen in einer der wirtschaftlichen Wertschöpfung nicht entsprechenden Bestimmung von Verrechnungspreisen gesehen; dies gilt insbesondere in den Bereichen der immateriellen Vermögenswerte und der Finanzierungsbeziehungen.4 Infolgedessen überraschte es nicht, dass 4 der 15 BEPS-Aktionspunkte der OECD unmittelbar die Bestimmung, Prüfung und Dokumentation internationaler Verrechnungspreise betreffen: Aktionspunkt 8 beschäftigt sich mit den Verrechnungspreisen in Bezug auf immaterielle Vermögenswerte, Aktionspunkt 9 mit der vertraglichen Zuordnung von Risiken, Aktionspunkt 10 mit anderen risikobehafteten Bereichen der Verrechnungspreise und Aktionspunkt 13 mit der Verrechnungspreisdokumentation und dem Country-by-Country Report.5 Aus den genannten Aktionspunkten der OECD ergeben sich zahlreiche, teilweise grundlegende Anpassungen der OECD-Verrechnungspreisleitlinien (zu Einzelheiten vgl. Rz. 45 und 79). Art. 9 Abs. 1 als Gewinnkorrekturvorschrift. Art. 9 Abs. 1 erlaubt es den Vertragsstaaten, Gewinnkorrekturen zwischen verbundenen und in den Vertragsstaaten ansässigen Unternehmen vorzunehmen, soweit zwischen diesen Verrechnungspreise vereinbart werden, welche einem Fremdvergleich nicht genügen. Bei Art. 9 Abs. 1 handelt es sich folglich um eine Gewinnkorrekturvorschrift,6 welche auf dem Grundsatz des Fremdvergleichs basiert.7 Der Begriff „Gewinn“ umfasst auch Verluste, welche auf Grund nicht fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise zu hoch ausgewiesen wurden (vgl. Rz. 158). Die Vorschrift verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: Einerseits sollen die Vertragsstaaten durch eine am Fremdvergleichsgrundsatz ausgerichtete Ermittlung von Verrechnungspreisen vor einer Verlagerung von Besteuerungssubstrat in den anderen Vertragsstaat geschützt werden.8 Denn insofern besteht die Befürchtung, dass durch eine gezielte Gestaltung der Verrechnungspreismethodik Gewinne in den Vertragsstaat verlagert werden, welcher über einen geringeren Ertragsteuertarif verfügt. Andererseits sollen durch die Regelungen des Art. 9 Abs. 1 die Finanzbehörden der Vertragsstaaten gehindert werden, unbegründete bzw. willkürliche Gewinnkorrekturen durchzuführen.9 Insoweit schützt die Vorschrift nicht nur die Finanzbehörden, sondern auf Grund seiner Sperrwirkung (vgl. Rz. 25 ff.) auch den Steuerpflichtigen.10

1 Vgl. etwa OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises und Tax Administrations, Paris 2010; die offizielle deutsche Übersetzung der Verrechnungspreisleitlinien ist abgedruckt in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise. 2 Vgl. etwa BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; belegt mit Nichtanwendungserlass v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. 3 Vgl. zu Einzelheiten Groß, IStR 2016, 233 ff.; Greil/Fehling, IStR 2017, 757 (758 f.). 4 Vgl. OECD, Addressing Base Erosion and Profit Shifting, 2013, 6 und 48. 5 Das Ergebnis der Aktionspunkte 8–10 wurde in dem Bericht OECD, Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, 2015, und der Aktionspunkt 13 in OECD, Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting, 2015, zusammengefasst. Zu einer detaillierten Darstellung der BEPS-Aktionspunkte 8–10 vgl. Groß, IStR 2016, 2033 ff. 6 Das Abkommensrecht greift grundsätzlich nicht in die – den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts (vgl. nur §§ 5 ff. EStG) vorbehaltene – Gewinnermittlung ein. Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Diss., Berlin 2004, 37 ff. 7 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 28; BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. Vgl. dazu auch Ditz/Engelen/Quilitzsch, Ubg 2016, 513 ff. 8 So auch das Verständnis der deutschen Finanzverwaltung im BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 6.1.1. 9 Unklar BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 1.2.1. 10 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 27; BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455.

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Art. 9 Rz. 3

Verbundene Unternehmen

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Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Mit der Qualifikation des Art. 9 Abs. 1 als Gewinnkorrekturvorschrift unterscheidet sich die Vorschrift maßgeblich von den übrigen Vorschriften des III. Abschnitts des OECD-MA. Denn Art. 6 bis Art. 22 betreffen die Zuweisung von Besteuerungsrechten und damit die Vermeidung einer rechtlichen Doppelbesteuerung. Art. 9 bezieht sich hingegen auf die Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, welche bei Gewinnkorrekturen durch einen Vertragsstaat eintreten, ohne dass der andere Vertragsstaat eine korrespondierende Gegenberichtigung vornimmt. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht dieselben Gewinne von beiden Vertragsstaaten bei dem jeweiligen verbundenen Unternehmen besteuert werden. Freilich setzt Art. 9 Abs. 1 voraus, dass der die Gewinnkorrektur durchführende Staat nach den allgemeinen Regelungen der Art. 6, 7, 8 oder 13 ein Besteuerungsrecht hat.1

4

Art. 9 Abs. 2 als Gegenberichtigungsnorm. Während Art. 9 Abs. 1 den Fremdvergleichsgrundsatz als Maßstab der Gewinnkorrektur definiert, verpflichtet Art. 9 Abs. 2 den jeweils anderen Vertragsstaat zu einer korrespondierenden Gegenberichtigung, wenn der eine Vertragsstaat zutreffend eine Gewinnkorrektur vorgenommen hat und diese mit dem Ansatz von zu hohen und nicht mit Art. 9 Abs. 1 korrespondierenden Einkünften in dem anderen Vertragsstaat übereinstimmt. Damit beinhaltet Abs. 2 eine Regelung zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen (zum Begriff vgl. Art. 7 (2008) Rz. 51 ff.) bei zwei in den verschiedenen Vertragsstaaten ansässigen verbundenen Unternehmen. Denn nach Art. 9 Abs. 2 hat eine Gewinnerhöhung in einem Vertragsstaat eine entsprechende Gewinnminderung im anderen Vertragsstaat zur Folge. Art. 9 nimmt folglich gegenüber den übrigen Verteilungsnormen des OECDMA eine Sonderstellung ein.2 Die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung durch eine korrespondierende Gegenberichtigung ist allerdings nicht zwingend; vielmehr muss sie nur durchgeführt werden, wenn auch der andere Vertragsstaat davon überzeugt ist, dass die Gewinnkorrektur mit dem Grundsatz des Fremdvergleichs im Einklang steht (vgl. Art. 9 Rz. 5 OECD-MK). Sind diese Voraussetzungen erfüllt (was indessen in der Praxis nur selten der Fall ist), wird der andere Vertragsstaat eine entsprechende Änderung vornehmen. Andernfalls kann eine Doppelbesteuerung nur durch ein Verständigungsverfahren gem. Art. 25 vermieden werden.3

II. Aufbau der Vorschrift 5

Zweistufiger Aufbau. Art. 9 ist zweistufig aufgebaut. Nach Abs. 1 ist bei verbundenen Unternehmen zu prüfen, ob „die beiden Unternehmen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden“. Art. 9 Abs. 1 verfolgt damit das Ziel, bei einem Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz Gewinnkorrekturen durch die Finanzbehörden des betroffenen Vertragsstaates „der Höhe nach“, d.h. in Bezug auf den betreffenden Verrechnungspreis,4 zu ermöglichen (vgl. Rz. 2). Dabei definiert Art. 9 Abs. 1 auch die Voraussetzungen, welche erfüllt sein müssen, damit „verbundene Unternehmen“ vorliegen. Ferner bestimmt die Vorschrift den Fremdvergleichsgrundsatz als Maßstab, dessen Verletzung eine Gewinnkorrektur nach sich ziehen kann (vgl. Rz. 19). Dem Fremdvergleichsgrundsatz kommt dabei in zweifacher Sicht eine Bedeutung zu. Einerseits ist seine Nichterfüllung Voraussetzung für eine Gewinnkorrektur. Andererseits wird mit ihm der Höhe nach eine Basis definiert, nach der ein Vertragsstaat maximal das Recht für eine Gewinnkorrektur erhält. In einem zweiten Schritt soll bei Durchführung einer entsprechenden Gewinnkorrektur durch einen Vertragsstaat gem. Art. 9 Abs. 2 eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermieden werden. Eine solche liegt vor, wenn verschiedene Steuersubjekte mit einer vergleichbaren Steuer auf gleiche Einkünfte belastet werden.5 Dies ist erfüllt, wenn die Finanzbehörden eines Vertragsstaates den Verrechnungspreis für eine Lieferung oder Leistung auf Basis einer Gewinnkorrektur erhöhen, während im anderen Vertragsstaat eine entsprechende Anpassung unterbleibt. Infolgedessen würde der Teil der Gewinne, welcher Gegenstand der Korrektur ist, einer doppelten Besteuerung in den Vertragsstaaten unterliegen. Art. 9 Abs. 2 sieht daher unter den dort genannten Voraussetzungen eine Verpflichtung zur korrespondierenden Gewinnkorrektur vor (zur Abgrenzung zu Art. 25 vgl. Rz. 14).

1 2 3 4

Gl.A. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 1; zu Einzelheiten der Abgrenzung vgl. Rz. 10 ff. Vgl. Lang, M., IStR 2002, 609 (610 f.). Vgl. auch Becker in Haase3, Art. 9 OECD-MA Rz. 6.2. Vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; Gosch, BFH/PR 2015, 173 (174); Ditz/Engelen/Quilitzsch, Ubg 2016, 513; a.A. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. 5 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 3 f.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 9 Art. 9

III. Rechtsentwicklung 1. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1) Unveränderter Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 seit 1963. Die abkommensrechtliche Auseinandersetzung mit 6 den Themen „internationale Gewinnabgrenzung“ und „internationale Verrechnungspreise“ hat eine lange Tradition.1 So enthalten bereits erste Entwürfe des Völkerbundes von 1927 Regelungen zu der Frage der internationalen Einkünfteabgrenzung, wobei nach damaligen Grundsätzen die Tochtergesellschaft noch als Betriebsstätte ihrer Muttergesellschaft behandelt wurde. Die Problematik fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise wurde in dieser Zeit damit nach Betriebsstättengrundsätzen gelöst.2 Regelungen zur Einkommensabgrenzung enthielten damit bereits Abkommen, die Ende der Zwanziger- und Anfang der Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts abgeschlossen wurden. In 1932/33 erstellte Carroll dann im Auftrag des Völkerbundes eine Studie über die Einkünfteabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen.3 Auf Basis der Studie entwickelte der Völkerbund Art. 5 des MA von 1933, wonach klargestellt wurde, dass Tochtergesellschaften als selbständige Steuersubjekte zu behandeln sind. Der Fremdvergleichsgrundsatz wurde allerdings noch nicht im damaligen Art. 5 kodifiziert, sondern nur in Art. 3 zur Betriebsstättengewinnabgrenzung geregelt. Erstmalig enthielt dann das MA 1935 in Art. VI eine Abgrenzungsregelung, die Art. 9 Abs. 1 in seiner heutigen Fassung sehr ähnelt. Danach sollte der Liefer- und Leistungsaustausch zwischen verbundenen Unternehmen steuerlich nach den Grundsätzen durchgeführt werden, wie sie zwischen unverbundenen Unternehmen Anwendung finden. Eine entsprechende Vorschrift wurde auch in Art. VII in den MA des Völkerbundes von Mexiko (1943) und von London (1946) verwendet. Art. 9 Abs. 1 in seiner derzeitigen Fassung war dann erstmals im OECD-Abkommensentwurf 1963 enthalten. Die deutsche und französische Fassung wurden seitdem geringfügig angepasst, während an der englischen Fassung keine Änderungen vorgenommen wurden. Auch das BEPS-Projekt der OECD und G20-Staaten hat nicht zu einer Anpassung des Wortlauts des Art. 9 geführt; jedoch gab es auf Grund der BEPS-Schlussberichte zahlreiche Anpassungen der OECD-Leitlinien 2017 (zu Einzelheiten vgl. Rz. 45 und 79).4 Keine Änderungen durch das MLI. Wenngleich sich die OECD im Rahmen des BEPS-Projekts intensiv mit dem Thema der internationalen Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen auseinandergesetzt hat (vgl. Rz. 63), wurden weder im Multilateralen Instrument (MLI)5 noch im neuen OECD-MA 20176 Änderungen des Art. 9 vorgenommen.

7

2. Korrespondierende Gewinnkorrektur (Abs. 2) Einfügung in das OECD-MA 1977. Art. 9 Abs. 2 wurde erstmals 1977 in das OECD-MA aufgenommen. Seitdem wurde der Wortlaut der Vorschrift unverändert fortgeführt.

8

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht Verhältnis zu Art. 7. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 können Gewinne eines Unternehmens nur in dessen Ansässigkeitsstaat besteuert werden (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 51). Dieser Grundsatz gilt auch für verbundene Unternehmen, d.h. die durch ein verbundenes Unternehmen als rechtlich selbständiges Steuersubjekt erwirtschafteten Einkünfte können nur in ihrem Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nur für den Fall, dass das (verbundene) Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort belegene Betriebsstätte ausübt (sog. Betriebsstättenprinzip des Art. 7 Abs. 1 Satz 2). Während sich folglich Art. 7 auf die Gewinnabgrenzung im Einheitsunternehmen, d.h. zwischen Stammhaus und der rechtlich unselbständigen Betriebsstätte, bezieht, setzt Art. 9 mindestens zwei rechtlich selbständige Unternehmen (im Sinne verschiedener Steuersubjekte) voraus, die miteinander verbunden sind. Art. 7 bezieht sich demgegenüber auf nur ein Steuersubjekt, das über mehrere rechtlich unselbständi1 Zu Einzelheiten der historischen Entwicklung vgl. Andresen, Konzernverrechnungspreise für multinationale Unternehmen, Diss., Wiesbaden 1999, 59 ff.; Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 23 ff.; Rasch in G/K/ G/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 7 ff. 2 Vgl. auch RFH v. 30.1.1930 – I A 226/29, RStBl. 1930, 148 (sog. Filialtheorie). 3 Vgl. Carroll, Methods of Allocating Taxable Income, in League of Nations, Taxation of Foreign and National Enterprises, Vol. IV, Genf 1933. 4 Vgl. Liebchen in F/W/K, Art. 9 Anm. 10; Groß, IStR 2016, 233 ff. 5 Vgl. OECD, Multilateral Convention to Implement Tax Treaty Related Measures to Prevent Base Erosion Profit Shifting. 6 Vgl. dazu Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 ff.; Bendlinger, SWI 2017, 450 ff.

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Art. 9 Rz. 9

Verbundene Unternehmen

ge Einheiten (in Form von Betriebsstätten) verfügt. Art. 7 betrifft damit die Vermeidung der rechtlichen Doppelbesteuerung, während Art. 9 die wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermeiden soll (vgl. Rz. 3). Wenngleich sich Art. 7 und Art. 9 hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs gegenseitig ausschließen, haben sie dennoch eine zentrale Gemeinsamkeit: Beide Vorschriften sehen als Maßstab der internationalen Gewinnabgrenzung den Fremdvergleichsgrundsatz vor. Dabei geht die OECD auf Basis des „Functionally Separate Entity Approach“ (sog. „Authorised OECD Approach“), welcher im OECD-MA 2010 in Art. 7 umgesetzt wurde, davon aus, dass der Fremdvergleichsgrundsatz – bis auf wenige Ausnahmen – in Art. 7 und Art. 9 gleich auszulegen ist (vgl. Art. 7 (2017) Rz. 19 ff.).1 Dies gilt nach der Implementierung des AOA in § 1 AStG und der BsGaV auch für das innerstaatliche Recht (vgl. zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 108 ff.).2 10

Verhältnis zu Art. 10. Die Definition der Dividenden in Art. 10 Abs. 3 erfasst auch verdeckte Beteiligungserträge in Form von vGA i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.3 Da in den Anwendungsbereich des Art. 9 fallende Gewinnkorrekturen in der Praxis häufig auf Basis verdeckter Gewinnausschüttungen erfolgen,4 stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis Art. 9 Abs. 1 zu Art. 10 steht.5 In diesem Zusammenhang wird in der Literatur zutreffend die Auffassung vertreten, dass Art. 9 den Anwendungsbereich des Art. 10 nicht einschränkt.6 Denn in Art. 10 geht es nicht um die Frage der Voraussetzungen für die Durchführung einer Gewinnkorrektur, sondern um die Frage, ob ein im Einzelfall konkret vorliegender verdeckter Beteiligungsertrag in den Anwendungsbereich des Art. 10 fällt und damit dem Grunde nach steuerlich als Dividende qualifiziert. Hierbei stellt sich – nach ständiger Rspr. des BFH zur vGA7 – die Frage, ob eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung vorliegt. Bei Art. 9 Abs. 1 handelt es sich demgegenüber um eine Vorschrift, die es den Vertragsstaaten ermöglicht, Gewinnkorrekturen in Bezug auf kaufmännische und finanzielle Beziehungen zwischen verbundenen Unternehmen (hier: Tochter- zur Muttergesellschaft) vorzunehmen. Die Vorschrift findet bei Gewinnkorrekturen auf Basis von verdeckten Gewinnausschüttungen immer nur bei der nachgeordneten Gesellschaft (z.B. Tochtergesellschaft) Anwendung, nicht hingegen bei der Muttergesellschaft.8 Beispiel: Muttergesellschaft der in Staat A ansässigen A GmbH ist die im Staat B ansässige B Inc. Die A GmbH zahlt an ihre Muttergesellschaft unangemessen hohe Dienstleistungsgebühren, welche (i.H.d. unangemessenen Anteils) eine vGA darstellen. In diesem Fall ist Staat A als Ansässigkeitsstaat der A GmbH gem. Art. 9 Abs. 1 berechtigt, eine Gewinnkorrektur auf Basis einer vGA vorzunehmen. Insoweit ist Art. 9 Abs. 1 einschlägig. Ferner greift Art. 10, weil die vGA als „Dividende“ i.S.d. Art. 10 Abs. 3 qualifiziert. Rechtsfolge ist, dass Staat A gem. Art. 10 Abs. 2 ein Quellenbesteuerungsrecht auf die vGA zusteht.

11

Verhältnis zu Art. 11 und 12. Die h.M. geht zutreffend davon aus, dass es sich bei Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 um Spezialvorschriften handelt, die Art. 9 Abs. 1 vorgehen.9 Einerseits ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der „besonderen Beziehung“ in Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 weiter ist, als derjenige der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit in Art. 9 Abs. 1. Andererseits beziehen sich Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 nur auf eine Korrektur unangemessen hoher Zinsen oder Lizenzgebühren, während sich Art. 9 allgemein auf unangemessene Entgelte, d.h. auch auf unangemessen niedrige Zinsen und Lizenzgebühren, bezieht. Damit greift in diesen Fällen Art. 9 Abs. 1, da Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 als lex specialis insofern keine Regelungen enthalten.10 Hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen unterscheiden sich Art. 9 Abs. 1 einerseits und Art. 11 Abs. 6 sowie Art. 12 Abs. 4 andererseits nicht, denn es sind weder in Art. 11 Abs. 6 noch in Art. 12 Abs. 4 Anhaltspunkte erkennbar, dass insoweit ein anderer Fremdvergleichsgrundsatz zur Prüfung der Unangemessenheit der Zinsen bzw. Lizenzgebühren Anwendung finden soll, als der in Art. 9 Abs. 1 definierte (vgl. Rz. 62 ff.). Beide Vorschriften stellen klar, dass sie nicht auf den unangemessen hohen Zins- bzw. Lizenzbetrag anzuwenden sind. Vielmehr kann der übersteigende Betrag nach dem Recht jedes Vertragsstaates 1 Vgl. dazu Ditz, ISR 2012, 48 ff.; Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (762); Ditz, IStR 2005, 37 (39 f.); Kroppen in FS Herzig, 1082 ff. 2 Vgl. dazu Ditz/Quilitzsch, DStR 2013, 1917 (1918 f.); Liebchen in F/W/K, Art. 9 Anm. 12. 3 Vgl. FG Münster v. 22.2.2008 – 9 K 509/07 K, F, EFG 2008, 923; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 191; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 95 und 95a; Aigner, IStR 2003, 154 (156). 4 Vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 632 (633). 5 Wohl a.A. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 7, wonach im Hinblick auf Dividenden Art. 9 Abs. 1 keine Anwendung finden soll. 6 Vgl. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 115. 7 Vgl. etwa BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. I 2004, 171. 8 So zutreffend auch Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 115. 9 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 7; Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 7; Chebounov, IStR 2002, 586 (589). 10 Gl.A. Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 7; a.A. Chebounov, IStR 2002, 586 (589), wonach abkommensrechtlich bei zu niedrigen Zinsen bzw. Lizenzgebühren keine Gewinnkorrektur ausgelöst werden soll. Vgl. dazu auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 142.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 15 Art. 9

unter Berücksichtigung der anderen Bestimmungen des OECD-MA besteuert werden.1 Daraus kann sich z.B. für den Quellenstaat eine höhere oder geringere Quellenbesteuerung und für den Ansässigkeitsstaat eine Freistellungs- oder (höhere) Anrechnungsverpflichtung ergeben.2 Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 sehen im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 2 allerdings keine ausdrückliche Vorschrift zur Gegenberichtigung vor. Daher ist auch im Anwendungsbereich von Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 eine Gegenberichtigung nach Art. 9 Abs. 2 möglich.3 Verhältnis zu Art. 23A und 23B. Art. 23A und 23B beziehen sich auf die Vermeidung einer juristischen Doppelbesteuerung und sind daher im Anwendungsbereich des Art. 9 nicht einschlägig. Vielmehr enthält Art. 9 Abs. 2 eine eigenständige Regelung zur Gegenberichtigung, um die wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden (vgl. Rz. 4). Außerhalb des Art. 9 Abs. 2 kann die wirtschaftliche Doppelbesteuerung auf Basis eines Verständigungsverfahrens gem. Art. 25 vermieden werden.

12

Verhältnis zu Art. 24. Art. 9 Abs. 1 steht einer Anwendung des Gleichbehandlungsgebots bei verbundenen Unternehmen nicht entgegen. In diesem Zusammenhang stellt Art. 24 Abs. 4 Satz 1 lediglich klar, dass auf dem Fremdvergleichsgrundsatz basierte Gewinnkorrekturen i.S.d. Art. 9 Abs. 1, des Art. 11 Abs. 6 und des Art. 12 Abs. 4 vorrangig zu prüfen sind. Liegen entsprechende Korrekturen vor, kann insoweit kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 4 Satz 1 bestehen (zu Einzelheiten vgl. Art. 24 Rz. 127 ff.).4

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Verhältnis zu Art. 25. Die Gegenberichtigung gem. Art. 9 Abs. 2 setzt grundsätzlich voraus, dass der entsprechende Vertragsstaat die Einkünftekorrektur des anderen Vertragsstaates auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes anerkennt. In der Praxis besteht allerdings häufig zwischen den Vertragsstaaten Uneinigkeit darüber, ob die eigentliche Gewinnkorrektur auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes gerechtfertigt ist oder nicht.5 Vor diesem Hintergrund wird in der Regel die Durchführung eines Konsultationsverfahrens gem. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 notwendig sein, im Rahmen dessen die Zulässigkeit der Erstberichtigung dem Grunde und der Höhe nach nachgewiesen wird, damit der andere Vertragsstaat eine korrespondierende Gewinnberichtigung vornimmt.6 Das in Art. 9 Abs. 2 Satz 2 dargestellte Konsultationsverfahren entspricht faktisch einem Verständigungsverfahren,7 das einen Antrag des Steuerpflichtigen voraussetzt. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass die derzeit bestehenden DBA Deutschlands in der Regel keine Art. 9 Abs. 2 nachgebildete Vorschrift enthalten.8 Infolgedessen hat Art. 9 Abs. 2 – zumindest aus deutscher Sicht – in der Praxis bislang nur eine untergeordnete Bedeutung. Vielmehr wird bei Gewinnkorrekturen durch die deutsche Finanzverwaltung in der Regel ein Verständigungsverfahren gem. Art. 25 oder der EUSchiedskonvention (vgl. dazu Rz. 15) beantragt, um die (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung zu vermeiden. Dies hat auch den Vorteil, dass im Falle bestandskräftiger Steuerbescheide eine Berichtigung gem. § 175a AO möglich ist; denn diese Vorschrift setzt eine Verständigungsvereinbarung oder den Schiedsspruch eines Schiedsgerichtes voraus.9

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2. EU-Recht Verhältnis zur EU-Schiedskonvention. Die EU-Schiedskonvention10 enthält Regelungen, welche die Mit- 15 gliedstaaten der EU gegenseitig verpflichten, im Falle von Gewinnkorrekturen durch ein Verständigungsbzw. ein Schiedsverfahren eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Der in Art. 4 Nr. 1 EU-Schiedskonvention niedergelegte Fremdvergleichsgrundsatz entspricht Art. 9 Abs. 1. Im Gegensatz zu Art. 9 greift die EUSchiedskonvention nicht nur bei Gewinnkorrekturen im Hinblick auf Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen, sondern ist auch bei der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte anwendbar (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 32). Der wesentliche Vorteil der EU-Schiedskonvention besteht darin, dass diese eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten enthält, im Wege eines Verständigungsbzw. Schiedsverfahrens die Doppelbesteuerung zwingend zu vermeiden. Der Schutz der EU-Schiedskon1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BStBl. II 2013, 186. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 160. Wohl a.A. Chebounov, IStR 2002, 586 (589). Vgl. Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 88; Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 138. Vgl. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 667 ff. Vgl. Schmitz in S/K/K, Art. 25 Rz. 6; Art. 9 Rz. 6 OECD-MK. Vgl. auch Rz. 4.33 OECD-Leitlinien 2017; Art. 25 Rz. 10 f. OECD-MK. Dies liegt darin begründet, dass die Bundesrepublik Deutschland ursprünglich einen Vorbehalt gegen Art. 9 Abs. 2 OECD-MA geltend gemacht hatte. Dieser Vorbehalt wurde mittlerweile gelöscht. 9 Vgl. auch BMF v. 9.10.2018 – IV B 2 – S 1304/17/10001, BStBl. I 2018, 1122, Rz. 4.1. 10 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gegenberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10.

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Art. 9 Rz. 15

Verbundene Unternehmen

vention geht damit über Art. 9 Abs. 2 und Art. 25 hinaus.1 Denn beide Vorschriften sehen keinen Einigungszwang der Vertragsstaaten im Hinblick auf eine Vermeidung der Doppelbesteuerung vor.2 In EU-Fällen empfiehlt es sich daher, unmittelbar ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren auf Basis der EU-Schiedskonvention zu beantragen, da insoweit klare Vorgaben zur Durchführung des Verfahrens bestehen3 und im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 2 und Art. 25 die beteiligten Vertragsstaaten verpflichtet sind, sich auf eine Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu einigen. Innerhalb der EU wird zukünftig – neben oder anstatt der EU-Schiedskonvention – bei einer aus Verrechnungspreiskorrekturen entstandenen Doppelbesteuerung die EU-Richtlinie über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten einschlägig sein.4 Diese soll die bislang bestehenden Unzulänglichkeiten von Verständigungsverfahren innerhalb der EU beseitigen und ist durch die EU-Mitgliedstaaten bis zum 30.6.2019 in innerstaatliches Recht umzusetzen.5 16

Internationale Gewinnabgrenzung und EU-Diskriminierungsverbote. Europarechtlich geht die Frage dahin, ob die Art. 9 ausfüllenden Einkünftekorrekturnormen des innerstaatlichen Rechts (Rz. 19) gegen die Diskriminierungsverbote des AEUV verstoßen, soweit sie sich – wie z.B. § 1 AStG – nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte beziehen. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des EuGH vom 21.1.2010 in der Rs. SGI.6 Grundlage dieser Entscheidung ist eine belgische Vorschrift, nach der Verrechnungspreiskorrekturen durchzuführen sind, wenn außergewöhnliche oder unentgeltliche Vorteile an ein im Ausland ansässiges Unternehmen gewährt werden, mit dem das vorteilsgewährende, in Belgien ansässige Unternehmen gesellschaftsrechtlich verbunden ist. Konkret hatte die in Belgien ansässige SGI ein unverzinsliches Darlehen an eine französische Tochtergesellschaft gewährt, an der sie zu 65 % beteiligt war. Nach einer Regelung des belgischen Steuerrechts führte dies zu einer Korrektur der Einkünfte der SGI in Höhe fremdüblicher Zinsen. Eine entsprechende Einkünftekorrektur war auch durch Art. 9 DBA Frankreich/Belgien gedeckt. Hätte hingegen die in Belgien ansässige SGI dieses unverzinsliche Darlehen an eine belgische Tochtergesellschaft gewährt, wäre keine Einkünftekorrektur vorgenommen worden. Fraglich war daher, ob die entsprechende belgische Vorschrift gegen primäres Unionsrecht verstößt.7

17

EuGH-Entscheidung in der Rs. SGI. Zwar sieht der EuGH in der Anwendung der belgischen Vorschrift eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit; diese sei allerdings gerechtfertigt. Dabei werden zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung einerseits die Notwendigkeit einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten und andererseits die Verhütung von Steuerumgehungen angeführt. Ein Absehen von der Besteuerung solcher außergewöhnlichen und unentgeltlichen Vorteile bringe die Gefahr der Verlagerung von in Belgien erwirtschafteten Gewinnen in Niedrigsteuerländer mit sich. Im Ergebnis gelangt der EuGH daher – korrespondierend zur Zielsetzung des Art. 9 Abs. 1 (vgl. Rz. 1 f.) – auf Basis der Zusammenschau der beiden vorgenannten Rechtfertigungsgründe zu der Auffassung, dass die entsprechende belgische Regelung den Gründen des Allgemeininteresses entspricht und zur Zielerreichung geeignet ist.8 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat der EuGH allerdings auf folgende Bedingungen hingewiesen, die erfüllt sein müssen, damit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist:9 – Zunächst muss die nationale Regelung eine Prüfung objektiver und nachprüfbarer Umstände vorsehen, damit festgestellt werden kann, ob ein geschäftlicher Vorgang eine rein künstliche Konstruktion zu steuerlichen Zwecken darstellt. Dabei wird der Fremdvergleichsgrundsatz durch den EuGH als „objektives, für Dritte nachprüfbares Kriterium“10 bezeichnet, an Hand dessen festgestellt werden kann, ob eine rein künstliche Konstruktion zu steuerlichen Zwecken vorliegt oder nicht. Insoweit besteht eine unmittelbare Parallele zu Art. 9 Abs. 1. – Ferner muss dem Steuerpflichtigen Gelegenheit gegeben werden, wirtschaftliche Gründe für den Abschluss des beanstandeten Geschäfts nachzuweisen. Auch ein Abweichen vom Fremdvergleichsgrundsatz 1 Zum Verhältnis der EU-Schiedskonvention zum Abkommensrecht vgl. auch Kempf/Gelsdorf, IStR 2012, 329 ff. 2 Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn das entsprechende DBA eine Art. 25 Abs. 5 nachgebildete verpflichtende Schiedsverfahrens-Regelung enthält. 3 Vgl. überarbeiteter Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 30.12.2009, 2009/C 322, 1; BMF v. 9.10.2018 – IV B 2 – S 1304/17/10001, BStBl. I 2018, 1122, Rz. 10 ff. 4 Vgl. Richtlinie (EU) 2017/1852 des Rates v. 10.10.2017 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der EU, ABl. EU L 265 v. 14.10.2017, 1. 5 Zu Einzelheiten vgl. Zinowsky/Schönfeld, ISR 2018, 7 ff.; Cloer/Niemeyer, FR 2018, 674 ff. 6 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – C-311/08 – SGI, ECLI:EU:C:2010:26. 7 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – C-311/08 – SGI, ECLI:EU:C:2010:26. 8 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – C-311/08 – SGI, ECLI:EU:C:2010:26, Rz. 69. 9 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – C-311/08 – SGI, ECLI:EU:C:2010:26, Rz. 71 ff.; Englisch, IStR 2010, 139 (141); Scheipers/Linn, IStR 2010, 469 (472). 10 EuGH v. 13.3.2007 – C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, ECLI:EU:C:2007:161.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 18 Art. 9

führt damit nicht zwangsläufig zu einer Verrechnungspreiskorrektur, wenn die Preisfindung gleichwohl von außersteuerlichen Erwägungen getragen wird.1 – Schließlich darf eine Gewinnkorrektur auf Grund unangemessener Verrechnungspreise nur insoweit durchgeführt werden, als das vereinbarte Entgelt zu Lasten des nationalen Fiskus nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Im Ergebnis sieht der EuGH in der SGI-Entscheidung eine Gewinnkorrektur auf Grund unangemessener Verrechnungspreise für europarechtlich grundsätzlich zulässig an. Um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen, unterliegt die Einkünftekorrektur jedoch Einschränkungen. Europarechtswidrigkeit des § 1 AStG. § 1 AStG sieht eine Einkünftekorrektur nur bei Geschäftsbeziehungen zum Ausland, nicht jedoch bei reinen Inlandssachverhalten, vor. Vor diesem Hintergrund hat der BFH § 1 AStG bereits in seinem Urt. v. 29.11.2000 als „aus europarechtlicher Sicht bedenklich“2 bezeichnet und kurz darauf in einem Aussetzungsverfahren „ernstliche Zweifel“ an der Vereinbarkeit der Vorschrift mit der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit angezeigt. Darüber hinaus haben das FG Düsseldorf3 und das FG Münster4 die Europarechtswidrigkeit des § 1 AStG bestätigt. Der EuGH hat indessen in seiner Entscheidung v. 21.1.2010 in der Rs. SGI zu einer belgischen Vorschrift, die mit § 1 AStG vergleichbar ist, entschieden, dass die offensichtliche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch die Notwendigkeit einer ausgewogenen Aufteilung von Besteuerungsrechten zwischen den Mitgliedstaaten und die Notwendigkeit der Verhinderung von Steuerumgehungen gerechtfertigt werden kann (vgl. Rz. 17). Dem Stpfl. müsse allerdings die Möglichkeit eines Gegenbeweises eingeräumt werden, dass für den Abschluss fremdunüblicher Konditionen wirtschaftliche Gründe bestehen.5 Infolgedessen hat der BFH in seinem Urt. v. 25.6.20146 darauf hingewiesen, dass der in § 1 Abs. 1 AStG verortete Fremdvergleich „als Maßnahme zur Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsrechte geeignet und jedenfalls nicht unverhältnismäßig“ ist, soweit nicht andere sachbezogene, wirtschaftliche Gründe der Vertragsparteien dagegen sprechen.7 Dies wurde mit der BFHEntscheidung v. 27.2.2019 bestätigt.8 Vertreter der Finanzverwaltung zogen aus der Entscheidung des EuGH v. 21.1.2010 die Schlussfolgerung, dass es sich bei § 1 AStG um eine „zur Wahrung einer international ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsrechte und zur Verhütung von Steuerumgehung dienende verhältnismäßige Regelung“ handelt, „die den EG-rechtlichen Anforderungen vollumfänglich standhält“.9 Diese Aussage ist indessen in ihrer Allgemeinheit unzutreffend. Dies zeigt das EuGH-Urteil v. 31.5.2018 in der Rs. Hornbach-Baumarkt.10 Auf einer Linie mit der SGI-Entscheidung (vgl. Rz. 17) gelangt der EuGH in der Rs. Hornbach-Baumarkt11 zu dem Ergebnis, dass § 1 AStG zwar eine dem Grunde nach gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt, die jedoch nur dann als europarechtskonform angesehen werden kann, wenn sie im Einzelfall verhältnismäßig ausgestaltet ist.12 Dabei spricht er § 1 AStG zwar ganz grds. die Eignung zu, diese Aufteilung zu gewährleisten, um jedoch im Bereich der Verhältnismäßigkeitsprüfung hervorzuheben, dass eine Maßnahme nur dann nicht über das erforderliche Maß hinausgeht, wenn dem Stpfl. in jedem Einzelfall die Möglichkeit eingeräumt wird, wirtschaftliche Gründe für die Abweichung vom Fremdvergleichsgrundsatz nachzuweisen.13 Bis hierhin kann die Hornbach-Entscheidung somit als uneingeschränkte Bestätigung der Grundsätze aus der Rs. SGI verstanden werden.14 Neu und deshalb hervorzuheben sind jedoch die Ausführungen des EuGH zur begrifflichen Konkretisierung dessen, was unter wirtschaftlichen und die Vereinbarung von u.U. nicht fremdüblichen Bedingungen rechtfertigenden Gründen im Einzelfall verstanden werden kann. Denn zum einen kommt der Konzernobergesellschaft nach Einschätzung des EuGH als Gesellschafterin stets eine gewisse Verantwortung im Zusammenhang mit der Finanzierung ausländischer Konzerngesellschaften zu. Zum anderen lassen sich solche wirtschaftlichen Gründe nach 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Vgl. auch Englisch, IStR 2010, 139 (141); Schön, IStR 2009, 882 (888). BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720 = DB 2001, 903. Vgl. FG Düsseldorf v. 19.2.2008 – 17 K 894/05 E, EFG 2008, 1006. Vgl. FG Münster v. 22.2.2008 – 9 K 509/07 K, F, EFG 2008, 928. Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – C-311/08 –SGI, ECLI:EU:C:2010:26; Schönfeld, IStR 2011, 219. BFH v. 25.6.2014 – I R 88/12, IStR 2016, 672. Vgl. dazu auch Hruschka, ISR 2013, 123 (124); Nientimp, ISR 2013, 122 (123); Ditz in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Rz. 6.501; Greinert/Weigert, DB 2013, 2524 (2526 f.); Becker/Sydow, IStR 2010, 195 (196). Vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 31 ff.; Wacker, FR 2019, 449 (456). Becker/Sydow, IStR 2010, 195 (196). Vgl. EuGH v. 31.5.2018 – C-382/16 – Hornbach-Baumarkt, ECLI:EU:C:2018:366. EuGH v. 31.5.2018 – C-382/16 – Hornbach-Baumarkt, ECLI:EU:C:2018:366. So auch BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 31 f. Vgl. auch Schönfeld/Kahlenberg, IStR 2018, 498 (499); Schwenke, DB 2018, 2329 (2331 f.); Graw, DB 2018, 2655 ff.; Schreiber/Greil, DB 2018, 2527 ff. Vgl. Gebhardt, Ubg 2018, 410.

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Auffassung des EuGH aber auch an dem wirtschaftlichen Eigeninteresse der Konzernobergesellschaft (hier der Hornbach-Baumarkt AG) in ihrer Stellung als Gesellschafterin am geschäftlichen Erfolg ihrer ausländischen Tochtergesellschaften festmachen.1 Wirtschaftliche Gründe in der Diktion des EuGH können also gesellschaftsrechtlich veranlasst sein bzw. sie können ihre Ursache auch im Gesellschaftsverhältnis haben.2 Denn die Konzernobergesellschaft hat nach zutreffender Einschätzung des EuGH schon deshalb immer ein ureigenes Interesse an der Fortführung und Ausweitung des Geschäftsbetriebs ausländischer Konzerngesellschaften, weil sie mittelbar selbst über Gewinnausschüttungen an deren Ergebnissen partizipieren kann. Auch wenn sich dies in dieser Deutlichkeit so nicht voll und ganz in dem Entscheidungstenor wiederfindet, hat der EuGH die Europarechtswidrigkeit von § 1 AStG i.d.F. StVergAbG festgestellt. Nach seiner Auffassung sei es letztlich aber Aufgabe des nationalen Gerichts zu prüfen, ob § 1 AStG dem Stpfl. tatsächlich die Möglichkeit zum Nachweis wirtschaftlicher Gründe einräumt.3 Er betont, dass im Rahmen eines solchen „Motivtests“ zwingend auch solche Gründe Berücksichtigung finden müssen, die allein Ausfluss der Gesellschafterstellung der Konzernobergesellschaft (hier: der Hornbach-Baumarkt AG) sind.4 Trotz dieses Rückverweises dürfte der EuGH die abschließende Entscheidung des FG (oder BFH) wohl in wesentlichen Teilen vorgezeichnet haben.5 Denn das FG Rheinland-Pfalz hatte in seinem Vorlagebeschluss v. 28.6.20166 die europarechtliche Problematik von § 1 AStG gerade deshalb angezweifelt, weil die Vorschrift dem Stpfl. eben keine Möglichkeit zum Nachweis wirtschaftlicher Gründe für die Vereinbarung fremdunüblicher Bedingungen einräumt. Im Ergebnis führt nicht nur das Abkommensrecht konkretisiert durch die Art. 9 Abs. 1 OECDMA nachgebildete Abkommensnormen, sondern auch das Europarecht zu einer Sperrwirkung in Bezug auf über den Fremdvergleichsgrundsatz hinausgehende Korrekturen von Verrechnungspreisen. Dies bezieht sich einerseits auf gesellschaftsrechtlich veranlasste Sachverhalte, die einem Fremdvergleich nicht zugänglich sind und für die es infolgedessen wirtschaftliche Gründe gibt, von fremdvergleichsüblichen Konditionen abzuweichen. Dies ist die Kernaussage des EuGH-Urteils v. 31.5.2018. Andererseits – und damit hatte sich der EuGH in der Rs. Hornbach-Baumarkt nicht auseinanderzusetzen – enthält § 1 AStG Tatbestände, die nicht mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar sind, aber dennoch eine Einkünftekorrektur auslösen. Infolgedessen geht § 1 AStG teilweise über das hinaus, was der EuGH zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung (Notwendigkeit einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten und Verhütung von Steuerumgehungen) als verhältnismäßig ansieht.7 Dazu gehören (vgl. zu Einzelheiten Rz. 37):8 – Transparenzprinzip des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG, da dieses gerade dem fremdüblichen Marktgeschehen einer Informationsintransparenz widerspricht. – Korrektur von Verrechnungspreisen auf den Median der ermittelten Bandbreite, da jeder Wert innerhalb der Verrechnungspreisbandbreite einem Fremdvergleich standhält. – Aufteilung des Einigungsbereichs gem. § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG auf den Mittelwert. – Die Vorschriften der Funktionsverlagerungsbesteuerung sind überschießend, und es ist offensichtlich, dass die insofern vorgesehene Bewertung eines Transferpakets unter Berücksichtigung ertragswertorientierter Methoden nicht fremdüblich ist. – Die Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 ff. AStG lässt sich ebenfalls nicht aus dem Verhalten unabhängiger Marktpartner ableiten. Dies gilt insb. für die Zehn-Jahres-Regel. Die EuGH-Entscheidung v. 31.5.2018 in der Rs. Hornbach-Baumarkt macht diese Schwächen und überschießenden Wirkungen des § 1 AStG offensichtlich.9 Für die Zukunft sollte der Gesetzgeber die Vorschrift auf die Tatbestände reduzieren, die tatsächlich einer Verrechnungspreiskorrektur nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zugänglich sind. Dies führt im Ergebnis zu einer Anpassung der Definition der Geschäftsbeziehung in § 1 Abs. 4 AStG (allerdings nicht in Bezug auf die anzunehmende schuldrechtliche Bezie-

1 Vgl. EuGH v. 31.5.2018 – C-382/16 – Hornbach-Baumarkt, ECLI:EU:C:2018:366. 2 Vgl. Trossen, Ubg 2018, 413. 3 Nach Auffassung des BFH führen die „wirtschaftlichen Gründe“ nicht im Sinne eines Automatismus dazu, dass die Wahrung der territorialen Besteuerungsrechte der Mitgliedstaaten verdrängt werden. Vielmehr hat durch die nationalen Gerichte eine Abwägung zu erfolgen, mit welchem Gewicht die jeweils zu beurteilende Abweichung vom Fremdvergleichsgrundsatz in den Territorialitätsgrundsatz eingreift, vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 33. 4 Vgl. EuGH v. 31.5.2018 – C-382/16 – Hornbach-Baumarkt, ECLI:EU:C:2018:366. 5 Vgl. Uterhark/Nagler, IStR 2018, 467. 6 Vgl. FG Rheinland-Pfalz v. 28.6.2016 – 1 K 1472/13, EFG 2016, 1678. 7 Vgl. auch Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 313a. 8 Baumhoff/Liebchen in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 4.88; Schönfeld, IStR 2011, 219. 9 Zu einer konkreten Prüfung durch den BFH vgl. auch BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 34 ff.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 20 Art. 9

hung).1 Darüber hinaus sollten § 1 Abs. 1 und Abs. 3 AStG hinsichtlich der Tatbestände geprüft werden, die in ihrer Korrekturanweisung keinem Fremdvergleich standhalten. Dies würde dazu führen, dass die Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 AStG im Einklang mit den abkommensrechtlichen Vorgaben des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA und des Europarechts stehen würde. Die Finanzverwaltung hat indessen mit dem BMFSchreiben v. 6.12.20182 auf das EuGH-Urteil in der Rs. Hornbach reagiert. Danach kann eine Einkünftekorrektur aufgrund fremdunüblicher Verrechnungspreise gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG unterbleiben, soweit der Steuerpflichtige sachbezogene, wirtschaftliche Gründe nachweist, die eine vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichende Vereinbarung erfordern. Insoweit sieht die Finanzverwaltung einen „Escape“ von der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes vor. Dieser soll indessen nur gelten, wenn dadurch die ansonsten bedrohte wirtschaftliche Existenz der Unternehmensgruppe oder nahestehenden Personen gesichert wird (sanierungsbedingte Maßnahme).3 Nach Auffassung des BFH ist jedoch die Frage, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Unionsrechts einer Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG – in Bezug auf den konkreten Sachverhalt – entgegensteht, unter Berücksichtigung einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten.4 Sanierungsbedingte Maßnahmen können daher nicht „automatisch“ eine Anwendung des § 1 AStG ausschließen.5 3. Innerstaatliches Recht Keine Self-Executing-Wirkung. Nach der ständigen Rspr. des BFH6, der Auffassung der Finanzverwaltung7 und der h.M. der Literatur8 bildet Art. 9 eine Erlaubnisnorm für die Vertragsstaaten, Gewinnkorrekturen durchzuführen. Infolgedessen ist Art. 9 damit keine eigenständige Korrekturvorschrift; vielmehr bedarf es einer Regelung im innerstaatlichen Recht, nach welcher die entsprechende Gewinnkorrektur vorgenommen wird. Eine Gewinnkorrektur setzt damit eine entsprechende Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht voraus. Anderenfalls würden abkommensrechtlich Steueransprüche begründet oder erweitert, was mit dem Schrankenrechtscharakter der DBA unvereinbar wäre. Art. 9 Abs. 1 entfaltet daher keine Self-Executing-Wirkung, sondern räumt den Vertragsstaaten lediglich die Möglichkeit zu Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs ein. Die früher vertretene, entgegenstehende Auffassung, wonach Art. 9 Abs. 1 eine eigenständige, unmittelbar anwendbare Rechtsgrundlage für eine Gewinnkorrektur darstellt, ist mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbar und kann daher heute als überholt angesehen werden.9 Im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 1 kommt Art. 9 Abs. 2 Self-Executing-Wirkung zu (vgl. Rz. 148).

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Sperrwirkung gegenüber innerstaatlichem Recht. Soweit ein Vertragsstaat eine Gewinnkorrektur auf Basis einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage vornimmt (nach deutschem Verständnis: vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, vE i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 8 EStG, Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 bis 3 EStG und Einkünftekorrektur gem. § 1 AStG), ist diese sowohl hinsichtlich ihrer Tatbestandsvoraussetzungen als auch in Bezug auf die Einkünftekorrektur der Höhe nach am Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 Abs. 1 zu messen. Es darf insoweit kein anderer Maßstab Anwendung finden.10 Orientiert sich hingegen das innerstaatliche Recht an anderen Grundsätzen als einem Fremdvergleich, entfaltet Art. 9 Abs. 1 eine Sperrwirkung gegenüber innerstaatlichem Recht.11 Dies gilt im Grundsatz auch nach der neueren Rechtsprechung des BFH.12 Die Sperrwirkung der Vorschrift folgt bereits aus ihrem Wortlaut, nach der die Vertragsstaaten Einkünftekorrekturen nur in den Schranken des Fremdvergleichsgrundsatzes vornehmen „dürfen“. Im Übrigen lässt sich

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Vgl. Ditz/Quilitzsch, DB 2018, 2009. BMF v. 6.12.2018 – IV B 5 - S 1341/11/10004-09, BStBl. I 2018, 1305. Vgl. zu Einzelheiten Ditz/Quilitzsch, DB 2019, 456 ff. Vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 32 f. Vgl. Wacker, FR 2019, 449 (456). Vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046 = ISR 2013, 54 mit Anm. Ditz; v. 21.1.1981 – I R 153/77, BStBl. II 1981, 517; v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 6.1.1. Vgl. etwa Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.291; Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 148 ff.; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 188; Becker in Haase3, Art. 9 OECD-MA Rz. 8; Liebchen in F/W/K, Art. 9 Anm. 16. So noch Bellstedt, Die Besteuerung international verflochtener Gesellschaften, 431; Menck, DStZ/A 1972, 68. Vgl. Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 150. Vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046 = ISR 2013, 54 mit Anm. Ditz; v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 27; Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 20 f.; Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 150 f.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.292; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 188; Haas in FS Schaumburg, 715 (730 f.). Siehe ausführlich zur Sperrwirkung Gosch in FS Crezelius, 2018, S. 735 ff.; Ditz/Haverkamp, Ubg 2019, 101. Vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 27.

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der Sinn und Zweck der Vorschrift nicht mit einem lediglich deklaratorischen Charakter realisieren.1 Denn Art. 9 Abs. 1 soll gewährleisten, dass entsprechende Gewinnkorrekturen in den Vertragsstaaten nach einem einheitlichen Korrekturmaßstab durchgeführt werden. Im Ergebnis soll der Fremdvergleichsgrundsatz sicherstellen, dass Gewinne dort besteuert werden, wo sie von ihrer Wertschöpfung her tatsächlich entstanden sind. Dies ist nur erreichbar, wenn beide Vertragsstaaten die Gewinnabgrenzung verbindlich an einem einheitlichen Maßstab ausrichten. Eine lediglich deklaratorische Auslegung des Art. 9 Abs. 1 würde daher der ihm zugedachten Zielsetzung einer Vermeidung der (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung (vgl. Rz. 3) zuwiderlaufen.2 Daher macht eine Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach nationalem Recht unter Berücksichtigung der sog. Lex-fori-Klausel des Art. 3 Abs. 2 keinen Sinn.3 Die Finanzverwaltung will – entgegen der Rechtsprechung des BFH (vgl. nachfolgende Rz. 21) – die Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 nicht anzuerkennen.4 21

Beschränkung der Korrektur auf Verrechnungspreise der Höhe nach. In seiner älteren Rechtsprechung hat der BFH – anknüpfend an seine Entscheidung v. 11.10.20125 – entschieden, dass Art. 9 Abs. 1 OECDMA – als Ausprägung der abkommensrechtlichen Schrankenwirkung – eine begrenzende Sperrwirkung in der Weise zukommt, als dieser nur Verrechnungspreiskorrekturen im Hinblick auf die Angemessenheit der vereinbarten Bedingungen „der Höhe nach“ zulässt (zur neueren Rechtsprechung des BFH vgl. Rz. 30).6 Tragende Erwägung war, „dass in den maßgeblichen Vergleichsmaßstab des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA nur diejenigen (Sachverhalts-)Umstände einbezogen sind, welche sich auf die besagten ‚wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen‘ auswirken, also die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten berühren; eine Gewinnkorrektur, die sich nicht nur auf die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten erstreckt, sondern […] gleichermaßen auf dessen ‚Grund‘ (Üblichkeit der Konditionen, Ernsthaftigkeit), ist den Vergleichsmaßstäben des ‚dealing at arm’s length‘ als Gegenstand der Angemessenheitsprüfung fremd.“7 Daraus folgt, dass die Art. 9 Abs. 1 nachgebildeten Abkommensnormen nur die Angemessenheit der Höhe des Vereinbarten – also den Verrechnungspreis – berühren. Vereinbarte Bedingungen mögen insoweit zwar geeignet sein, den Verrechnungspreis zu beeinflussen. Einer Überprüfung und Korrektur nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA kann aber stets nur der Verrechnungspreis unterfallen, nicht jedoch die Bedingung als solche.8 Somit ermöglicht Art. 9 Abs. 1 nicht die Korrektur einer Abschreibung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG, die auf den Teilwert der Forderung auf Rückzahlung der Darlehensvaluta und auf Zinsrückstände vorzunehmen ist, wenn die inländische Muttergesellschaft das Darlehen ihrer ausländischen Tochtergesellschaft in fremdunüblicher Weise unbesichert begeben hat. Der BFH erteilte damit der überzogenen Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG durch das BMF-Schr. v. 29.3.20119 eine deutliche Absage. Bestätigt wurde diese Auffassung durch das BFHUrt. v. 24.6.2015.10 Im Kern seiner Begründung verwies der BFH auf die mittlerweile von ihm schon mehrfach11 zum Ausdruck gebrachte Sperrwirkung von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA. Zudem hatte der BFH die Grundsatzfrage geklärt, wonach der Rückhalt im Konzern entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nicht so gedeutet werden kann, als er bereits dem Grunde nach einer Teilwertabschreibung von Darlehensforderungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG entgegensteht.12

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Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung. Die Finanzverwaltung hat mit einem Nichtanwendungserlass v. 30.3.201613 auf die BFH-Urteile v. 17.12.2014 und v. 24.6.2015 reagiert. Danach sind die Grundsätze dieser Urteile über die entschiedenen Einzelfälle hinaus nicht anzuwenden, soweit der BFH eine Sperrwir-

1 So jedoch Höppner, StBp 1981, 58; Weber in Institut für Steuern und Finanzen, Bonn 1981, Brief 204, 14; Flockermann, DStR 1982, 339 (341); Menck, FR 1994, 69 (72). 2 Vgl. Haas in FS Schaumburg, 715 (731). 3 Dies offen lassend BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 29. 4 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 1.2.1; BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. 5 Vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046. 6 Vgl. dazu auch Gosch, ISR 2018, 289 (290). 7 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261, Rz. II.2.b)ccc). 8 Vgl. Gosch, BFH/PR 2015, 173 (174); Gosch, ISR 2018, 289 (290 f.): Ditz/Haverkamp, Ubg 2019, 101. 9 BMF v. 29.3.2011 – IV B5 - S 1341/09 – DOK 2011/0203248, BStBl. I 2011, 277. 10 BFH v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; Vorinstanz: FG Düsseldorf v. 28.3.2014 – 6 K 4087/11 F, EFG 2014, 1275. 11 Vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046; v. 24.3.2015 – I B 103/03, BFH/NV 2015, 1009; v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261. 12 Vgl. Greinert/Metzner, DK 2015, 427; Roser, GmbHR 2015, 1111; Engelen/Luckhaupt/Quilitzsch, ISR 2015, 374. 13 Vgl. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 23 Art. 9

kung der inhaltlich Art. 9 Abs. 1 nachgebildeten Abkommensnormen gegenüber § 1 AStG angenommen hat. Dies wird wie folgt begründet:1 – Der Wortlaut des Gesetzes und der Wille der vertragschließenden Parteien der DBA ließen die Auslegung, die der BFH seinen Urteilen zugrunde legt, nicht zu. So gelte nach dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 1, dass bei fremdunüblichen Bedingungen die Gewinne korrigiert werden dürfen. Eine Beschränkung des Art. 9 Abs. 1 ausschließlich auf (Verrechnungs-)Preiskorrekturen, nicht aber eine Korrektur sonstiger Bedingungen könne aus dem Wortlaut nicht abgeleitet werden. Vielmehr habe Art. 9 Abs. 1 gerade eine Gewinnberichtigung und keine Preisberichtigung zum Gegenstand. – Eine historische Auslegung des § 1 AStG zeige, dass der Gesetzgeber damit das deutsche Steuerrecht an den Standard des internationalen Steuerrechts habe angleichen wollen. Dazu habe er den Art. 9 Abs. 1 im § 1 AStG umgesetzt und konkretisiert. Einen Widerspruch zwischen Art. 9 Abs. 1 und § 1 AStG habe der Gesetzgeber nicht gesehen und nicht schaffen wollen. Der BFH hingegen habe einen solchen Widerspruch konstruiert. – Die Auslegung des BFH widerspreche auch Sinn und Zweck sowohl von Art. 9 Abs. 1 als auch § 1 AStG. Eine Beschränkung der Korrektur auf den jeweiligen Verrechnungspreis sei sinnwidrig, da die Bedingungen eines Geschäftsvorfalls so gestaltet sein könnten, dass allein die Korrektur des Verrechnungspreises nicht geeignet sei und nicht ausreiche, um ein fremdübliches Ergebnis zu erzielen. – Die Einkünfte des Steuerpflichtigen sind nach § 1 Abs. 1 AStG „unbeschadet anderer Vorschriften“ entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz anzusetzen. DBA würden aber durch Zustimmungsgesetz zu „einfachem“ nationalen Recht. Damit bestehe die Korrekturmöglichkeit des § 1 AStG auch ungeachtet der DBA, d.h., es sei also ein „treaty override“ anzunehmen. Kritische Würdigung des Nichtanwendungserlasses. Die Finanzverwaltung geht davon aus, Wortlaut und Wille der vertragschließenden Parteien der DBA ließen die den Urteilen des BFH zugrunde liegende Auslegung nicht zu.2 Dem ist im Sinne des BFH3 entgegenzuhalten, dass Art. 9 Abs. 1 aus Sicht der Vertragsstaaten nur als Erlaubnisnorm verstanden werden kann (vgl. Rz. 19). Gleichzeitig besteht eine begrenzende Sperrwirkung, die nur Verrechnungspreiskorrekturen „der Höhe nach“ zulässt. Dass die „Wirkungen innerstaatlicher Vorschriften […] durch die Geltung des Fremdvergleichsgrundsatzes, den Deutschland in seinen DBA – entsprechend Art. 9 – niedergelegt hat, ggf. begrenzt [werden]“4 entspricht schließlich auch der Auffassung der Finanzverwaltung.5 Darüber hinaus ist bei Auslegung des Art. 9 Abs. 1 zu berücksichtigen, dass im Rahmen der internationalen Gewinnabgrenzung die zwischen verbundenen Unternehmen vereinbarten tatsächlichen Geschäftsbeziehungen anzuerkennen sind.6 Dementsprechend ist eine Einkünftekorrektur, die auf einer Negierung oder Umqualifikation der tatsächlich vereinbarten Geschäftsbeziehungen und der diesen zugrunde liegenden Bedingungen aufbaut, auch bei Zugrundelegung der Ausführungen im BMF-Schr. v. 30.3.20167 unter Art. 9 Abs. 1 unzulässig, z.B. sind konzerninterne Darlehensverhältnisse – in den Grenzen des § 42 AO – als solche anzuerkennen und steuerlich zu würdigen. Im Rahmen von Art. 9 Abs. 1 kann demnach die Frage, ob ein fremder Dritter anstelle des Gesellschafters ein unbesichertes Darlehen in dieser Form überhaupt ausgereicht hätte, vollkommen dahinstehen. Denn die Vorschrift lässt es gerade nicht zu, die tatsächliche Geschäftsbeziehung (bspw. ein unbesichertes Darlehen) mit einem fiktiv fremdüblichen Szenario (bspw. ein besichertes Darlehen) zu vergleichen und aus diesem Vergleich der steuerlichen Konsequenzen (bspw. Notwendigkeit vs. fehlende Notwendigkeit zur Vornahme einer Teilwertabschreibung) eine Gewinnkorrektur anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes abzuleiten. Stattdessen sind dann aufbauend auf die anzuerkennende, tatsächlich vereinbarte Geschäftsbeziehung in einem zweiten Denkschritt (nur) die dafür zum Ansatz zu bringenden, fremdüblichen Verrechnungspreise zu bestimmen und die tatsächlich vereinbarten Verrechnungspreise ggf. zu korrigieren. Es können allein die tatsächlich vereinbarten Geschäftsbeziehungen zum Anlass genommen werden, die insoweit zum Ansatz gebrachten Verrechnungspreise infrage 1 Zu einer kritischen Würdigung des BMF-Schr. vgl. Puls/Schmidtke/Tränka, IStR 2016, 759 ff.; Greil/Wargowske, ISR 2016, 157 ff.; Ditz/Engelen/Quilitzsch, ISR 2016, 513 ff. 2 Zu einer kritischen Würdigung vgl. auch Gosch, ISR 2018, 289 (291 f.). 3 Vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046; v. 24.3.2015 – I B 103/03, BFH/NV 2015, 1009; v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 2; ebenso OFD Frankfurt, Vfg. v. 18.12.2015, IStR 2016, 436. 5 So auch Greil/Wargowske, ISR 2016, 157. 6 Vgl. OECD-Leitlinien 2010, Rz. 1.64 und 9.168; Baumhoff/Puls, IStR 2009, 73 (76 f.); Werra, IStR 2009, 81 (82); Ditz/Quilitzsch, ISR 2014, 109 (113); Art. 9 Rz. 1 OECD-MK; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 146; v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341-4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.1.2. 7 Vgl. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455.

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zu stellen. Denn: Die „Bedingungen“, unter denen die Geschäftsbeziehungen vereinbart wurden, bilden stets nur die Grundlage für die Überprüfung der Verrechnungspreise.1 Und: Nur der Verrechnungspreis kann einer Korrektur unterfallen, die Bedingungen (bspw. die Darlehenskonditionen) hingegen nicht.2 Bei einer konzerninternen Darlehensbeziehung betrifft dies bspw. allein die Frage nach der angemessenen Höhe der Zinsen. So stellt auch der BFH fest: „Es bleibt indessen dabei, dass sich die Vereinbarungskonditionen vor dem Grundsatz des Art. 9 Abs. 1 angelegten Prüfmaßstabs nur insofern auswirken, als deren ‚Qualität‘ die Zinshöhe im Fremdvergleich ‚nach oben‘ oder ‚nach unten‘ beeinflusst.“3 24

Geänderte Rechtsprechung des BFH. Der Nichtanwendungserlass vom 30.3.20164 hat dazu geführt, dass trotz der bislang beständigen Rechtsprechung des BFH zur Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 die Korrektur von Teilwertabschreibungen auf grenzüberschreitende Gesellschafterdarlehen umstritten blieb.5 Für VZ ab 2008 geht es hier um die Frage der Anwendung des § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG (vgl. dazu Rz. 41); für VZ vor 2008 wendet die Finanzverwaltung – entgegen der Rechtsprechung des BFH (vgl. Rz. 21) – weiterhin § 1 Abs. 1 AStG an. Mit seinem Urteil v. 27.2.2019 hat der BFH seine Rechtsprechung geändert.6 Danach gehört auch eine fehlende Darlehensbesicherung grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen „Bedingungen“ i.S.d. § 1 AStG und des Art. 9 Abs. 1. Eine Einschränkung des Korrekturbereichs auf reine Preiskorrekturen der Höhe nach ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck des Art. 9 Abs. 1, nämlich Gewinnberichtigungen am Maßstab des materiellen Fremdvergleichs auszurichten.7 Sowohl § 1 Abs. 1 AStG als auch Art. 9 Abs. 1 beschränken damit ihren Korrekturbereich nicht auf reine Preisberichtigungen, sondern ermöglichen auch die Korrektur des aus einem Forderungsverzicht oder einer Teilwertabschreibung resultierenden Aufwands.

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Verhältnis zur vGA. Der Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 kommt im Zusammenhang mit beherrschenden Gesellschaftern Bedeutung zu, wenn eine Einkünftekorrektur auf Basis einer vGA auf rein formalen Beanstandungen beruht. So wird es in ständiger Rspr. des BFH8 als Indiz für eine vGA an den beherrschenden Gesellschafter gewertet, wenn es an einer klaren, im Voraus getroffenen Vereinbarung fehlt, die zivilrechtlich wirksam ist und auch tatsächlich durchgeführt wird. Die zusätzliche Berücksichtigung solcher formalen Anforderungen beruht darauf, dass bei einem beherrschenden Gesellschafter strengere Anforderungen zu stellen seien, weil eher „Möglichkeiten zur Gewinnmanipulation“9 bestünden. Hingegen ist für die Anwendung von Art. 9 maßgebend, dass „kaufmännische oder finanzielle Beziehungen“ bestehen. Dabei sah es der BFH in seinem Urteil v. 9.11.2005 noch als fraglich an, „ob sich aus abkommensrechtlicher Sicht ohne Weiteres vermuten lässt, dass es an einer solchen Beziehung fehle, wenn keine klaren und eindeutigen Abmachungen zu Grunde liegen.“10 Der BFH hat in seinem Urt. vom 9.11.2005 diese Frage ausdrücklich offengelassen. In seiner Rechtsprechung geht der BFH explizit davon aus, dass Art. 9 keine spezifischen formalen Anforderungen enthält, wie sie bei einem beherrschenden Gesellschafter durch den BFH im Fall einer vGA zur Anwendung kommen.11 Dass formale Anforderungen bei der Anwendung von Art. 9 keine Rolle spielen, lässt sich im Übrigen auch aus Art. 9 Rz. 4 OECD-MK ableiten. Ferner findet sich an keiner Stelle der OECD-Leitlinien 2010 ein Hinweis darauf, dass formale Anforderungen für die Verrechnungspreisermittlung und -prüfung von Bedeutung sein sollen. Vielmehr existieren in Kapitel VII der OECD-Leitlinien 2010 sogar Ausführun1 2 3 4 5

6 7 8 9 10 11

Vgl. Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 50 f. Vgl. Gosch, BFH/PR 2015, 173; Ditz/Haverkamp, Ubg 2019, 101. Vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261. Vgl. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. Vgl. FG Düsseldorf v. 10.11.2015 – 6 K 2095/13 K, EFG 2017, 553 (Rev. BFH I R 73/16) und dazu Engelen, ISR 2017, 322 ff.; FG BW v. 12.1.2017 – 3 K 2647/15, EFG 2017, 635 (Rev. BFH I R 5/17) und dazu Engelen, ISR 2017, 322; FG Köln v. 17.5.2017 – 9 K 1361/14, EFG 2017, 1738 (Rev. BFH I R 51/17); FG Münster v. 18.5.2017 – 3 K 2872/14 G, F, juris (Rev. BFH I R 72/17) und dazu Bärsch/Engelen, ISR 2017, 281; FG Düsseldorf v. 27.6.2017 – 6 K 896/17 K G, EFG 2017, 1332 (Rev. BFH I R 54/17) und dazu Bärsch/Engelen, ISR 2017, 339; FG BW v. 23.11.2017 – 3 K 2804/15, EFG 2018, 269 (Rev. BFH I R 81/17); FG Münster v. 19.12.2017 – 10 K 3329/13 K, G F, EFG 2018, 667, rkr. Vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034; Wacker, FR 2019, 449 (455). Hiervon unberührt bleibt es jedoch bei der Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 gegenüber dem formalen Fremdvergleich, vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 27. Vgl. etwa BFH v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545; v. 27.3.2001 – I R 27/99, BStBl. II 2002, 111; v. 8.9.2010 – I R 6/09, BStBl. II 2013, 186. BFH v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545. BFH v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564. Vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046 = ISR 2013, 54 mit Anm. Ditz; v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 27. S. ferner Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 190; Wacker, FR 2019, 449 (455); Schaumburg/ Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.295; Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 27; Rasch in G/K/G/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 21.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 28 Art. 9

gen, anhand derer deutlich wird, dass klare und im Voraus getroffene Vereinbarungen möglich, aber nicht erforderlich sind. So heißt es dort etwa, dass im Rahmen einer Verrechnungspreisprüfung „a tax administration will meet to identify what arrangements, if any, have actually been put in place“. Demnach sind für die Verrechnungspreisprüfung getroffene Vereinbarungen heranzuziehen, aber nur, wenn solche tatsächlich im Voraus bereits abgeschlossen wurden. Damit wird deutlich, dass klare und im Voraus getroffene Vereinbarungen nach Ansicht der OECD zwischen verbundenen Unternehmen nicht zwingend notwendig sind. Formaler Fremdvergleich nach Art. 9. Ohnehin ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung formaler Kriterien bei der internationalen Gewinnabgrenzung ungeeignet ist.1 Denn auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes soll ein Verrechnungspreis ermittelt werden, der für beide Vertragsstaaten akzeptabel ist.2 Infolgedessen ist auch ein Rückgriff auf innerstaatliche Vorschriften, die den Fremdvergleichsgrundsatz interpretieren, nach der Lex-fori-Regel des Art. 3 Abs. 2 nicht sachgerecht.3 Wenn (zusätzlich) formale Anforderungen maßgebend wären, könnte es zu Verrechnungspreisberichtigungen kommen, obwohl im Sinne des Fremdvergleichsgrundsatzes angemessene Verrechnungspreise vorliegen. Eine solche Berichtigung würde der andere Vertragsstaat allerdings nicht hinnehmen, käme es dadurch doch zu einer Abweichung vom Fremdvergleichsgrundsatz. Insoweit ist offensichtlich, dass formale Anforderungen nicht mit Art. 9 im Einklang stehen. Im Ergebnis spielen daher bei der Anwendung des Art. 9 – im Gegensatz zur vGA – formale Anforderungen keine Rolle. Dies bedeutet, dass bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen mit einem beherrschenden Gesellschafter zwar eine vGA vorliegen kann, allerdings ohne das Recht eine Gewinnkorrektur gem. Art. 9 Abs. 1 auszulösen. Im Hinblick auf die formale Dimension des Fremdvergleichs bei der vGA wird damit die Sperrwirkung des Art. 9 offensichtlich.4 Im Übrigen erkennt auch die Finanzverwaltung an, dass Leistungen an den beherrschenden Gesellschafter ohne vorherige, klare und eindeutige Vereinbarung „von Art. 9 OECD-MA nicht erfasst werden.“5

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Verhältnis zur vE. Eine verdeckte Einlage liegt nach ständiger Rspr. des BFH vor, wenn ein Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft – außerhalb gesellschaftsrechtlicher Einlagen – Vermögensvorteile zuwendet und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat.6 Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns den Vermögensvorteil der Gesellschaft nicht eingeräumt hätte. Als Beurteilungskriterium für das Vorliegen einer verdeckten Einlage dient somit der Fremdvergleichsgrundsatz, wobei sich keine Unterschiede zu dessen Konkretisierung bei der vGA ergeben.7 Bewertungsmaßstab der verdeckten Einlage ist indessen nicht der Fremdvergleichspreis, sondern gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG der Teilwert. Da der Teilwert nach der Rspr. des BFH auf Basis von Teilwertvermutungen ermittelt wird8 und keine Gewinnkomponente enthält, ist er üblicherweise geringer als der Fremdvergleichspreis.9 Dies wird bspw. bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens offensichtlich, bei denen die Teilwertvermutung den reinen Wiederbeschaffungskosten10 entspricht. Damit bleibt der Einkünftekorrekturmaßstab der vE (in Form des Teilwerts) hinter dem abkommensrechtlichen Recht zur Durchführung einer Einkünftekorrektur gem. Art. 9 Abs. 1 (in Form des Fremdvergleichspreises) zurück. Auf Grund seiner fehlenden Self-Executing-Wirkung (vgl. Rz. 19) kann in diesen Fällen Art. 9 Abs. 1 keinen Maßstab bilden, die vE auf Basis eines Fremdvergleichspreises zu korrigieren. Dies ist insbesondere für VZ vor 2008 relevant, in welcher die „Meistbegünstigungsregelung“ des § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG zu Gunsten der Finanzverwaltung noch nicht galt.

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Verhältnis zu § 1 AStG. Maßstab der Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG ist der Fremdvergleichsgrundsatz. Der dem § 1 AStG immanente Fremdvergleichsgrundsatz wurde durch das UntStRefG 200811

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1 So auch BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046 = ISR 2013, 54 mit Anm. Ditz. 2 Vgl. Eigelshoven/Nientimp, DB 2003, 2307 (2309); Eicker/Röhrbein, WPg 2006, 1355 (1357 f.); Kroppen/Rasch, ITPJ 2004, 26 (28 f.). 3 Offenlassend BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 29. 4 Vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046 = ISR 2013, 54 mit Anm. Ditz sowie die Vorinstanz des FG Hamburg vom 31.10.2011 – 6 K 179/10, IStR 2012, 190 f.; FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, EFG 2008, 161 (rkr.); Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353 ff.; Strunk/Kaminski, Stbg 2008, 211; Rasch in G/K/G/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 21 f. 5 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 6.1.1. 6 Vgl. z.B. BFH v. 27.7.1988 – I R 147/83, BStBl. II 1989, 271; v. 16.4.1991 – VIII R 100/87, BStBl. II 1992, 234. 7 Vgl. Baumhoff/Liebchen in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 4.50 m.w.N. 8 Vgl. etwa Schindler in Kirchhof17, § 6 EStG Rz. 97 ff. 9 Vgl. Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, 235. 10 Vgl. etwa BFH v. 9.11.1994 – I R 68/92, BStBl. II 1995, 336. 11 Vgl. Unternehmensteuerreformgesetz v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912.

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Verbundene Unternehmen

konkretisiert.1 Es stellt sich die Frage, inwieweit die vorgenommenen gesetzlichen Änderungen, die grundsätzlich ab dem VZ 2008 gelten,2 mit dem in Art. 9 Abs. 1 definierten Fremdvergleichsgrundsatz (vgl. Rz. 62 ff.) übereinstimmen. Dies ist bei den folgenden Regelungen zu verneinen:3 – Das sog. Transparenzprinzip des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG geht davon aus, dass sich Marktpreise unter vollständiger Information bilden. Der Gesetzgeber geht damit – insbesondere bei Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs – von einer Figur des „allwissenden ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (Hellseher)“4 aus, welcher gerade nicht im allgemeinen Geschäftsverkehr vorliegen kann. Hier ist die Entstehung und Vereinbarung von Marktpreisen vielmehr durch Informationsasymmetrien gekennzeichnet, welche letztlich zu Preisbandbreiten (vgl. Rz. 70) führen. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG widerspricht daher geradezu dem „fremdüblichen“ Marktgeschehen. Vor diesem Hintergrund ist die Vorschrift – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung5 – durch Art. 9 Abs. 1 nicht gedeckt.6 – Sofern der vom Steuerpflichtigen festgesetzte Verrechnungspreis außerhalb der ermittelten Bandbreite liegt, soll eine Korrektur des Verrechnungspreises gem. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG auf den Median der ermittelten Bandbreite erfolgen. Die Korrektur auf den Median steht einerseits nicht im Einklang mit der ständigen Rspr. des BFH, wonach bei Verrechnungspreiskorrekturen der für den Steuerpflichtigen günstigste Wert der Verrechnungspreisbandbreite heranzuziehen ist.7 Ferner ist sie nicht mit der Bandbreitenbetrachtung (vgl. Rz. 70) des Art. 9 Abs. 1 vereinbar.8 – Hinsichtlich der Aufteilung des Einigungsbereiches ordnet § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG an, dass der Mittelwert zu Grunde zu legen ist, soweit kein anderer Wert glaubhaft gemacht wird.9 Auch diese Vorgehensweise steht nicht im Einklang mit dem Fremdvergleichsverständnis des Art. 9 Abs. 1, denn hier ist grundsätzlich auf eine Bandbreitenbetrachtung abzustellen und jeder Wert innerhalb des ermittelten Einigungsbereichs ist als angemessen anzusehen. – Nach h.M. stehen die Regelungen der Funktionsverlagerungsbesteuerung – insbesondere im Hinblick auf die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs und die Bewertung eines „Tranferpaketes“10 – nicht im Einklang mit Art. 9 Abs. 1 und den Vorgaben der OECD-Leitlinien (vgl. zu Einzelheiten Rz. 134 ff.).11 Denn nach Auffassung der OECD ist nur in (absoluten) Ausnahmefällen ein Transferpaket zu bewerten (sog. „Going Concern“).12 Ferner führt die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs verbunden mit dem Ansatz des Mittelwerts im Einigungsbereich dazu, dass wesentliche im Ausland realisierte Standortvorteile und Synergieeffekte einer deutschen Besteuerung unterworfen werden.13 Das Konzept einer Einigungsbereich-Betrachtung ist den OECD-Leitlinien 2010 indessen fremd. – Schließlich sind auch die Regelungen zur Preisanpassungsklausel in § 1 Abs. 3 Sätze 11 ff. AStG nicht durch Art. 9 Abs. 1 gedeckt.14 Diese rechtfertigen eine Einkünftekorrektur für die Übertragung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter mit der Fiktion von Unsicherheiten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, wenn die spätere Gewinnentwicklung erheblich von den Budgetwerten abweicht und zuvor 1 Vgl. die Änderungen in § 1 Abs. 1 und 3 AStG. Dazu im Einzelnen Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 ff. und 1649 ff. m.w.N. 2 Vgl. § 21 Abs. 16 AStG. 3 Vgl. auch Liebchen in F/W/K, Art. 9 Anm. 21; Rasch in G/K/G/K, Art. 9 Rz. 30; Gosch, ISR 2018, 289 (297). 4 Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 300a. 5 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 3.2. Der hier vorgenommene Verweis auf Rz. 9.81 und 9.85 OECD- Leitlinien hält einer näheren Überprüfung nicht stand. 6 Kritisch auch Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 300a; Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 23; Kroppen/Nientimp, IWB F. 3 Gr. 1, 2355 (2359); Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 31.1. 7 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 9.7.2003 – I R 100/02, BFH/NV 2003, 1666; v. 5.6.2003 – I R 24/02, BStBl. II 2004, 136. 8 Vgl. auch Rz. 3.62 OECD-Leitlinien 2017; Baumhoff in FS Wassermeyer, 347 (361 f.). 9 Vgl. dazu auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1465). 10 Vgl. dazu im Einzelnen FVerlV v. 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1680; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774. 11 Vgl. IDW v. 9.8.2011, Ubg 2011, 747 (749); Haas in FS Schaumburg, 715 (732 ff.); Baumhoff/Puls, IStR 2009, 73 (79 f.); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1952); Ditz/Greinert in W/B, Rz. 7.34; a.A. Förster, IStR 2011, 20 ff.; Becker in Haase3, Art. 9 OECD-MA Rz. 12. 12 Vgl. Rz. 9.68 OECD-Leitlinien 2017. 13 Vgl. dazu im Einzelnen Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1952). 14 A.A. Becker in Haase3, Art. 9 Rz. 13. Soweit sich die Finanzverwaltung im BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 2.9 zur Rechtfertigung ihrer Position auf Rz. 3.72 f. und 9.88 OECD-Leitlinien 2010 beruft, geht dieser Verweis fehl. Kritisch im Übrigen auch Schreiber in Kroppen/ Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 31.1.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 29 Art. 9

keine vertragliche Preisanpassungsklausel vereinbart wurde. Eine solche Fiktion ist jedoch insofern nicht sachgerecht, als dass Verrechnungspreise – wie Preise gegenüber fremden Dritten – im Vorhinein festzulegen sind.1 Wie jeglichen unternehmerischen Entscheidungen sind den Verrechnungspreisfestsetzungen Unsicherheiten über die zukünftigen Entwicklungen immanent, da die Entscheidungen nur auf den zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt verfügbaren Informationen beruhen können. Eine Fiktion von (weiteren) Unsicherheiten rechtfertigt insofern keinesfalls eine Einkünftekorrektur.2 In der Praxis ist der Abschluss von Preisanpassungsklauseln zwischen fremden Dritten daher auch eher die Ausnahme.3 Insbesondere wäre ein Anpassungszeitraum von zehn Jahren ungewöhnlich lang, da es kaum möglich sein wird, zum Ende dieses Zeitraums die Einkunftsströme sachgerecht dem ursprünglich erworbenen immateriellen Wirtschaftsgut bzw. der Funktion zuzuordnen. Zudem widerspricht die Regelung auch der Transparenzklausel des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG, die gerade besagt, dass den Transaktionspartnern alle wesentlichen Umstände bekannt sind, m.a.W. Unsicherheiten gerade nicht bestehen.4 Keine Abkommensüberschreibungen durch § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG. Wohl getrieben durch die Entscheidung des BVerfG v. 15.12.20155 vertritt die Finanzverwaltung im Nichtanwendungserlass v. 30.3.20166 die Auffassung, dass kein Konflikt zwischen § 1 AStG und Art. 9 Abs. 1 besteht.7 Dies ergäbe sich schon aus dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG verwandten Wortlaut, wonach die Norm „unbeschadet anderer Vorschriften“ Anwendung findet; zu solchen „Vorschriften“ zählen – so die Finanzverwaltung – auch die Doppelbesteuerungsabkommen. Diese Auslegung steht jedoch im offensichtlichen Widerspruch zu dem bei Einführung von § 1 AStG zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers. Denn in der Gesetzesbegründung zur Einführung des AStG heißt es, dass § 1 Abs. 1 AStG den Fremdvergleichsgrundsatz festlegt und „Vorschriften, in denen dieses Ziel bereits seinen Ausdruck gefunden hat, […] von Absatz 1 unberührt [bleiben].“8 Mit diesen „Vorschriften“ werden jedoch zweifelsfrei nur die Korrekturinstrumente der verdeckten Einlage und der verdeckten Gewinnausschüttung, nicht jedoch Art. 9 Abs. 1 in Bezug genommen. Dies zeigt sich in aller Deutlichkeit nochmals in der Begründung zum UntStRefG 2008, wo der Gesetzgeber ausführt, es werde „ausdrücklich klargestellt, dass Berichtungen nach Satz 1 andere Regelungen (vor allem verdeckte Gewinnausschüttung, verdeckte Einlage, Entnahme, Einlage), […] ergänzen.“9 Es wird dort – dem Charakter des § 1 AStG folgend – lediglich ein Rangverhältnis zu anderen Korrekturvorschriften, nicht jedoch zu sämtlichen Vorschriften des deutschen Steuerrechts normiert. Dass § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG auch abkommensüberschreibend und unbeschadet von Art. 9 Abs. 1 zur Anwendung gelangen soll, kann den Gesetzesmaterialien nicht entnommen werden und stünde zudem im Widerspruch zu der ganz h.M. im Schrifttum10, der Rechtsprechung11 sowie den bisher dazu ergangenen Verlautbarungen der deutschen Finanzverwaltung.12 Denn mangels einer von ihm ausgehenden Self-Executing-Wirkung13 qualifiziert Art. 9 Abs. 1 – anders als bspw. die Institute der verdeckten Gewinnausschüttung oder verdeckten Einlage – nicht als Einkünftekorrekturvorschrift. Somit entzieht sich Art. 9 Abs. 1 per se der Rangfolgeregelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG.14 Die ge-

1 Vgl. BFH v. 6.2.1980 – I R 50/76, BStBl. II 1980, 477; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.1.2.1; Rz. 1.12, 3.68 OECD-Leitlinien 2017; Ditz/Greinert in W/B, Rz. 7.130; Runge, IStR 1995, 505 (508). 2 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1655). 3 Vgl. Schwaiger, SWI 2011, 420 (423); Ebering, IStR 2011, 418 (419 f.). 4 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1654); Scholz, IStR 2007, 521 (524); Wassermeyer, FR 2008, 67 (68); Greil, IStR 2009, 567 (569). 5 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BverfGE 141, 1 = FR 2016, 326. Siehe auch Gosch, DB 2016, Heft 15, M 5, der eine Inflation des Treaty Overriding erwartet. 6 Vgl. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. 7 So auch Groß, IStR 2016, 233 (240). 8 BT-Drucks. VI/2883, 23. 9 BT-Drucks. 16/4841, 85. 10 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 411 ff.; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 22; Kraft in Kraft, § 1 Rz. 20; Ditz/Engelen/Quilitzsch, Ubg 2016, 513. 11 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; FG BW v. 12.1.2017 – 3 K 2647/15, EFG 2017, 635 – Rev. BFH I R 5/17 und dazu Engelen, ISR 2017, 322; FG BW v. 23.11.2017 – 3 K 2804/15, EFG 2018, 269 – Rev. BFH I R 81/17. 12 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 1.1.3; v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernr. 1/2004, Rz. 1.1.2. S. auch Greil/Wargowske, ISR 2016, 157 f. 13 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261, Rz. 18; v. 11.10.2011 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046, Rz. 9; Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 148 ff.; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 188; Becker in Haase3, Art. 9 OECD-MA Rz. 8; Habammer, IStR 2016, 525. 14 Vgl. dazu kritisch auch Gosch, ISR 2018, 289 (294 ff.).

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29

Art. 9 Rz. 29

Verbundene Unternehmen

setzgeberische Idee, § 1 Abs. 1 AStG um einen Satz 5 zu ergänzen, um das Verhältnis zu Art. 9 Abs. 1 „klarzustellen“, wurde letztlich aufgegeben.1 30

Verhältnis zur Zinsschranke. Art. 9 Abs. 1 entfaltet – wie in Rz. 20 dargestellt – eine Sperrwirkung gegenüber den innerstaatlichen Einkünftekorrekturvorschriften der vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, der vE i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 8 EStG, der Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 bis 3 EStG sowie § 1 AStG (vgl. Rz. 20). Fraglich ist, ob Art. 9 Abs. 1 auch eine Sperrwirkung gegenüber der durch das UntStRefG 20082 eingeführten Zinsschrankenregelung entfaltet. § 4h EStG (i.V.m. § 8a KStG) sieht vor, dass die Zinsaufwendungen eines Betriebs nur in Höhe des Zinsertrages und darüber hinaus nur bis zu 30 % des steuerlichen EBITDA als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen.3 Die in einem Wirtschaftsjahr nicht abzugsfähigen Zinsaufwendungen können unbegrenzt in Folgejahre vorgetragen werden (sog. „Zinsvortrag“). Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerregelung erfasst die Zinsschranke nicht nur Zinsen für Fremdkapital, das von einem wesentlich beteiligten Anteilseigner gewährt (sog. „Gesellschafterfremdfinanzierung“4), sondern Zinsen für jegliches Fremdkapital, das dem Betrieb zugeführt wurde. Erfasst werden damit z.B. auch fremdübliche Bankenfinanzierungen.5 Eine Konkurrenzfrage zu Art. 9 Abs. 1 stellt sich mithin nur in solchen Fällen, in denen die Zinsschranke die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwand für von einem verbundenen ausländischen Unternehmen zu fremdüblichen Bedingungen gewährtes Fremdkapital einschränkt. Ein Verstoß zu dem in Art. 9 Abs. 1 geregelten Fremdvergleichsgrundsatz (vgl. Rz. 44 ff.) könnte in diesem Zusammenhang insbesondere darin erblickt werden, dass die Zinsschranke keinen Nachweis zulässt, dass das Fremdkapital zu fremdüblichen Bedingungen gewährt wurde.6 Im Allgemeinen vertritt die OECD im Hinblick auf das Verhältnis von Art. 9 Abs. 1 zu den innerstaatlichen Unterkapitalisierungsvorschriften in Art. 9 Rz. 3 OECD-MK die Auffassung, dass „die Anwendung der Regelungen über die Unterkapitalisierung in der Regel den Gewinn des betroffenen Unternehmens nicht über den Betrag hinaus erhöhen sollte, der unter den Bedingungen des freien Marktes anfiele (arm’s length profit)“. Der Fremdvergleichsgrundsatz definiert nach dieser Auffassung folglich die Obergrenze einer Korrektur durch die Unterkapitalisierungsvorschriften.7 In Teilen des Schrifttums wird daraus abgeleitet, dass die Zinsschrankenregelung gegen Art. 9 Abs. 1 verstoße.8 Dieser Auffassung wird hier nicht gefolgt. Denn die Zinsschranke stellt – im Gegensatz zu der vGA, der vE und § 1 AStG – keine Einkünftekorrekturvorschrift, sondern eine Gewinnermittlungsvorschrift des innerstaatlichen Rechts dar, welche den steuerlichen Betriebsausgabenabzug von Zinsaufwand regelt (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 37).9 Die innerstaatliche Gewinnermittlung, zu der die Frage der Abzugsfähigkeit oder Nichtabzugsfähigkeit von Betriebsausgaben zählt, ist Sache des innerstaatlichen Steuerrechts (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 37).10 Vor diesem Hintergrund kann die Zinsschrankenregelung nicht durch Art. 9 Abs. 1, dessen Zweck darin besteht, Gewinnkorrekturen zwischen verbundenen Unternehmen zu ermöglichen, eingeschränkt werden.11 Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht, dass die Anwendung der Zinsschranke auf Grund der (temporären) Zinsabzugsbeschränkung im Inland und der vollen Besteuerung der Zinsen beim Empfänger zu einer Doppelbesteuerung führt.12 Denn es entspricht nicht der Zielsetzung der DBA, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, die aus der Anwendung innerstaatlicher Gewinnermittlungsvorschriften resultieren.13

31

Verhältnis zur Lizenzschranke. Bei der Lizenzschranke gem. § 4j EStG handelt es sich um eine nationale Gewinnermittlungsvorschrift.14 Infolgedessen ist fraglich, ob die Anwendung des § 4j EStG durch Art. 9 Abs. 1 gesperrt werden kann. Darüber hinaus gilt § 4j EStG „ungeachtet eines bestehenden Abkommens zur 1 2 3 4 5 6 7 8

9 10 11 12 13 14

Vgl. zu Einzelheiten Mössner in Lüdicke, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 46, 2018, 49 ff. Vgl. Unternehmensteuerreformgesetz v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. Vgl. § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG. Zu Einzelheiten vgl. Hick in H/H/R, § 4h EStG Anm. J 07-2 ff. § 8a KStG i.d.F. des Gesetzes v. 22.12.2003, BGBl. I 2003, 2840. Vgl. Stangl/Hageböke in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 449; Hick in H/H/R, § 4h EStG Anm. J 07-2 ff. Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 13.2. Vgl. Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, 25. Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 13.2; Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 286. Mit abweichender Begründung auch Homburg, FR 2007, 717 (725 f.): Widerspruch zu „der durch Art. 7, 9 und 11 OECDMA normierten Steuerverteilung“; Hick in H/H/R, § 4h EStG Anm. 6; Förster in Gosch3, Exkurs § 4h EStG Rz. 38. Offenlassend Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 8a KStG Rz. 30; Hoffmann, Zinsschranke, 2008, 9. So explizit BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718; vgl. auch München, Die Zinsschranke – Eine verfassungs-, europa- und abkommensrechtliche Würdigung, 135. So Mössner in Lüdicke, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 33, 2008, 39 m.w.N. Gl.A. München, Die Zinsschranke – Eine verfassungs-, europa- und abkommensrechtliche Würdigung, 136. Vgl. Loukota, SWI 2008, 105 (106). Vgl. München, Die Zinsschranke – Eine verfassungs-, europa- und abkommensrechtliche Würdigung, 136; ähnlich Mössner in Lüdicke, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 33, 2008, 38. Vgl. Schnitger, IStR 2017, 214 (219).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 32 Art. 9

Vermeidung der Doppelbesteuerung“.1 Die Vorschrift enthält insoweit ein Treaty Override, das verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich ist.2 Allerdings muss man – wie Gosch3 zutreffend ausführt – sehen, dass das BVerfG hinsichtlich des Gleichheitsgebots darauf hinwies, dass der geprüfte § 50d Abs. 8 EStG „zwar eine Ungleichbehandlung … [enthält]. Diese weist jedoch nur geringe Eingriffsintensität auf […] und ist durch vernünftige, einleuchtende Gründe gerechtfertigt […].“4 Dies sei der Fall, weil man „der im Vergleich zu sonstigen Einkunftsarten erhöhten Gefahr des Missbrauchs der in einem Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Freistellung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von der deutschen Steuer“5 habe entgegenwirken wollen. Eine solche Argumentation kann indessen nicht bei jeder Abkommensüberschreibung überzeugen. Dies zeigt § 4j EStG, da insoweit gerade nicht von einem Abkommensmissbrauch auszugehen ist. Vielmehr wird durch die Norm einseitig der steuerliche Betriebsausgabenabzug versagt, was offensichtlich dem in Art. 9 verankerten Fremdvergleichsgrundsatz widerspricht. Die Lizenzschranke rechtfertigt im Übrigen keine Gegenkorrektur im ausländischen Staat gem. Art. 9 Abs. 2, woraus eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung und infolgedessen ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip resultieren.6 Verhältnis zu § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG. Es stellt sich für VZ ab 2008 die Frage, ob die von Art. 9 Abs. 1 ausgehende Sperrwirkung auch in Bezug auf das Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG einschlägig ist.7 Denn nach § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG sind die Sätze 4 und 5 der Vorschrift nicht anzuwenden, „wenn nachgewiesen wird, dass auch ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen gewährt oder zurückgefordert hätte“. Insofern nimmt die Vorschrift unmittelbar Bezug auf den Fremdvergleichsgrundsatz. Der handelsrechtliche Aufwand aus der Teilwertabschreibung eines grenzüberschreitend gewährten Gesellschafterdarlehens ist daher für steuerliche Zwecke nicht zu korrigieren, wenn ein Fremdvergleich geführt werden kann. Die Beurteilung hat anhand der vereinbarten Darlehenskonditionen zu erfolgen, d.h. insbesondere unter Berücksichtigung der vereinbarten Verzinsung.8 Auch die Gesetzesbegründung zum JStG 2018 erwähnt ausdrücklich, dass für die Frage des Fremdvergleichs auf die konkreten Darlehenskonditionen abzustellen ist.9 Darüber hinaus ist nach der Auffassung der Finanzverwaltung die Fremdüblichkeit eines Darlehens in erster Linie aus dem vereinbarten Zinssatz abzuleiten.10 Der in § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG verortete Fremdvergleich entspricht daher dem Fremdvergleichsgrundsatz, wie er in § 1 Abs. 1 AStG niedergelegt ist. Infolgedessen greift die Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 nicht nur gegenüber § 1 Abs. 1 AStG, sondern auch in Bezug auf § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG. Die Rechtsprechung verneint indessen bislang eine solche Argumentation mit dem Verweis auf das Telos des § 8b Abs. 3 KStG, nämlich der Missbrauchsvermeidung.11 Danach soll die Zielsetzung des § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG darin bestehen, die in § 8b Abs. 3 KStG vorgesehene außerbilanzielle Hinzurechnung durch die Gewährung von Gesellschafterdarlehen (statt Eigenkapital) zu umgehen. Mithin soll die nicht fremdüblich ausgestaltete Fremdfinanzierung einer Finanzierung über Eigenkapital hinsichtlich der Behandlung etwaiger Gewinnminderungen gleichbehandelt werden. Infolgedessen qualifiziere § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG als „spezielle Missbrauchsvermeidungsvorschrift“, die aufgrund ihrer spezifischen Zielausrichtung nicht der Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 unterliege.12 Dem kann entgegengehalten werden, dass § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG auf der Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung der Fremdfinanzierung beruht. So fußt § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG auf der Annahme, dass der – mindestens zu 25 % beteiligte – Gesellschafter in der Lage ist, mit „seiner“ Tochtergesellschaft fremdunübliche Darlehenskonditionen zu vereinbaren. Dies entspricht aber gerade der Grundüberlegung des § 1 Abs. 1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

12

Vgl. § 4j Abs. 1 Satz 1 EStG. Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 und dazu Kußmaul/Ditzler, StB 2018, 126 (129). Vgl. Gosch, ISR 2018, 289 (299). Vgl. BVerG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1. Vgl. BVerG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1. Vgl. Ritzer/Stangl/Karnath, DK 2017, 68 (78). Vgl. dazu auch Engelen/Luckhaupt/Quilitzsch, ISR 2015, 373 (378); Ditz/Quilitzsch, ISR 2015, 121 (124); Hölscher, Ubg 2016, 72 (77); Rasch/Chwalek, IWB 2015, 377 (383 f.); Engelen/Quilitzsch, ISR 2017, 429 (431); Steiner/Ullmann, FR 2018, 1065 (1066). Vgl. Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 279d; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 8b KStG Rz. 231; Greinert/Metzner, DK 2015, 427 (429). Vgl. BT-Drucks. 16/62690, 73 f. Vgl. BMF v. 8.11.2010 – V C 6 - S 2128/07/10001 – DOK 2010/0805444, BStBl. I 2010, 1292, Rz. 2. FG Münster v. 17.8.2016 – 10 K 2301/13 K, EFG 2016, 1810 (rkr.); FG Hamburg v. 9.2.2017 – 5 K 9/15, EFG 2017, 763 – Rev. BFH I R 19/17 und dazu Engelen/Quilitzsch, ISR 2017, 429; FG Münster v. 19.12.2017 – 10 K 3556/13 K, F, EFG 2018, 667, rkr.; FG Berlin-Bdb. v. 29.8.2017 – 11 V 11184/17, juris, und dazu Engelen/Erb, ISR 2018, 149. Vgl. i.Ü. Steiner/Ullmann, FR 2018, 1065 (1070 ff.). Vgl. FG Hamburg v. 9.2.2017 – 5 K 9/15, EFG 2017, 763 – Rev. BFH I R 19/17; s. auch Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 278c; Gosch, BFH/PR 2015, 1173 (174); Gosch, ISR 2018, 289 (298).

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Art. 9 Rz. 32

Verbundene Unternehmen

AStG sowie der verdeckten Gewinnausschüttung gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. Der in § 8b Abs. 3 Satz 6 KStG niedergelegte Fremdvergleich entspricht dem Fremdvergleichsgrundsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 AStG und der verdeckten Gewinnausschüttung und muss sich infolgedessen am Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 Abs. 1 messen lassen. 33

Verhältnis zu § 3c Abs. 2 Satz 2 ff. EStG. Die Ausführungen der vorstehenden Rz. 32 gelten entsprechend für die mit dem Zollkodex-Anpassungsgesetz1 eingefügten § 3c Abs. 2 Sätze 2 ff. EStG;2 denn auch in dieser Vorschrift wird dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben, die Aufwendungen durch Führung eines Fremdvergleichs in voller Höhe geltend zu machen.3

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Verhältnis zur Schätzung gem. § 162 AO. Kommt der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO nicht nach, indem – er die in § 90 Abs. 3 AO bzw. der GAufzV4 vorgeschriebenen Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall nicht vorlegt, – die von ihm über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind oder – Aufzeichnungen zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen i.S.d. § 90 Abs. 3 Satz 3 AO nicht zeitnah erstellt wurden, wird gem. § 162 Abs. 3 Satz 1 AO widerlegbar vermutet, dass die inländischen Einkünfte aus den entsprechenden Geschäftsbeziehungen zum Ausland höher sind als die bislang erklärten.5 Letztlich wird damit unterstellt, dass die vom Steuerpflichtigen erklärten Einkünfte nicht auf der Grundlage eines Fremdvergleichs ermittelt wurden. Infolgedessen liegt es beim Steuerpflichtigen, die Angemessenheit der von ihm festgesetzten Verrechnungspreise nachzuweisen. Kann der Steuerpflichtige einen solchen Nachweis nicht führen, ist die Finanzverwaltung berechtigt, die Einkünfte aus den entsprechenden Geschäftsvorfällen zu schätzen. Können im Rahmen dieser Schätzung die Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, z.B. in Form einer Bandbreite von Verrechnungspreisen (vgl. Rz. 70), ermittelt werden, kann die Finanzverwaltung diesen Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausschöpfen.6 Fraglich ist hier jedoch, ob das Schätzungsermessen vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG reduziert wird. Danach kommt der Median zum Tragen, sofern der vom Steuerpflichtigen angesetzte Verrechnungspreis bei lediglich eingeschränkt vergleichbaren Referenzwerten außerhalb der eingeengten Bandbreite liegt. Vor dem Hintergrund dieser Möglichkeiten zur Schätzung von Einkünftekorrekturen bei einer fehlenden bzw. im Wesentlichen nicht verwertbaren Verrechnungspreisdokumentation stellt sich die Frage, ob eine solche Vorgehensweise abkommensrechtlich durch Art. 9 Abs. 1 gedeckt ist.7 In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass Art. 9 Abs. 1 die Schätzung von Einkünftekorrekturen auf Basis eines Verstoßes des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflichten (hier: § 90 Abs. 3 AO) nicht behandelt. Vielmehr gilt auch bei einer fehlenden bzw. unzureichenden Erfüllung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen der Grundsatz, dass sich Gewinnkorrekturen der Finanzverwaltung konkret auf „kaufmännische oder finanzielle Beziehungen“ zwischen den verbundenen Unternehmen beziehen müssen (vgl. Rz. 52). Ein solcher Bezug zu konkreten „kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen“ ist indessen bei Schätzungen i.d.R. nicht gewährleistet. Darüber hinaus lässt Art. 9 Abs. 1 eine Korrektur durch die Finanzverwaltung nur zu, wenn im Hinblick auf diese „kaufmännischen und finanziellen Beziehungen“ Bedingungen vereinbart wurden, die einem Fremdvergleich nicht standhalten (vgl. Rz. 62 ff.). Infolgedessen darf eine Gewinnkorrektur durch eine Schätzung den Rahmen eines Fremdvergleichs nicht verlassen. Weder Art. 9 Abs. 1 noch der OECD-MK zu Art. 9 oder die OECD-Leitlinien sehen insofern eine eingeschränkte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu Gunsten der Finanzverwaltung in Schätzungsfällen bei fehlender Mitwirkung durch den Steuerpflichtigen vor. Infolgedessen sind Schätzungen gem. § 162 Abs. 3 AO i.d.R. durch Art. 9 Abs. 1 nicht gedeckt. Auch insofern entfaltet die Norm eine Sperrwirkung (vgl. Rz. 20). 1 Vgl. Zollkodex-Anpassungsgesetz v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417. 2 Vgl. dazu Ditz/Quilitzsch, ISR 2015, 121 (123); Berner, ISR 2015, 254 (255); Hagemann/Kahlenberg/Cloer, BB 2015, 2455 (2458); Engelen/Luckhaupt/Quilitzsch, ISR 2015, 373 (379). 3 Vgl. § 3c Abs. 2 Satz 3 EStG und dazu Ditz/Quilitzsch, DStR 2015, 545 (546). 4 Vgl. Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296. Zur GAufzV im Einzelnen vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2004, 157 ff.; Eigelshoven/Kratzer, IStR 2004, 30 ff.; Kaminski/Strunk, StBp 2004, 1 ff. 5 Zu den Sanktionen des § 162 Abs. 3 und 4 AO vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 4. 6 Vgl. § 162 Abs. 3 Satz 2 AO. 7 Vgl. kritisch auch Moebus, BB 2003, 1413 (1414); Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2010, Beihefter zu Heft 20/2010, 1 (39).

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Art. 9

B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1) Ausgewählte Literatur: Ackerman/Halbach, Wirtschaftliche Bewertungsverfahren als eine neue Disziplin?, ISR 2014, 423; Ackerman/Stock/Halbach, Angemessenheitsdokumentation unter Berücksichtigung der ex-ante- und ex-postSicht, DB 2014, 567; Andree/Bärsch/Kluge, Licensing of Trademarks and the Use of Group Names, ITPJ 2016, 513; Bärsch/Engelen, Ermittlung fremdüblicher Zinsen bei konzerninternen Finanzierungen, DB 2016, 191; Bärsch/Luckhaupt/Schulz, Bestimmung angemessener Verrechnungspreise im Zusammenhang mit immateriellen Vermögenswerten, Ubg 2014, 37; Bauer, Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung im Steuerrecht, Berlin 2004; Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, Baden-Baden 2011; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, Köln 1986; Baumhoff, Die Bestimmung angemessener Verrechnungspreise bei der Existenz von Preisbandbreiten, in: Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS Franz Wassermeyer, München 2005, 347; Baumhoff, Verrechnungspreispolitik bei Verlustgesellschaften, in Baumhoff/Schönfeld (Hrsg.), Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, Köln 2011, 133; Baumhoff, 30 Jahre „Verwaltungsgrundsätze“ für die Prüfung Internationaler Verrechnungspreise – eine Bestandsaufnahme, ISR 2013, 249; Baumhoff, Lizenzierung von Marken im Konzern in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder (Hrsg.), Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, FS für Gosch, München 2016, 7; Baumhoff/Ditz/ Greinert, Auswirkungen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 auf die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, DStR 2007, 1649; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach der Funktionsverlagerungsverordnung vom 12.8.2008, IStR 2008, 1945; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung vom 13.10.2010, Ubg 2011, 161; Baumhoff/Greinert, Aufteilung von Standortvorteilen bei der Verrechnungspreis-Ermittlung gegenüber Lohnfertigern – Anmerkungen zum Urteil des FG Münster vom 16.3.2006, IStR 2006, 789; Baumhoff/Greinert, Steuerliche Anerkennung internationaler Verrechnungspreise bei Nichteinhaltung formaler Anforderungen – Anmerkungen zum Urt. des FG Köln vom 22.8.2007, IStR 2008, 353; Baumhoff/Puls, Der OECD-Diskussionsentwurf zu Verrechnungspreisaspekten von „Business Restructurings“ – Analyse und erster Vergleich mit den deutschen Funktionsverlagerungsregeln nach § 1 Abs. 3 AStG, IStR 2009, 73; Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, Düsseldorf 2004; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, Düsseldorf 2009; Ditz, Fremdvergleichskonforme Ermittlung eines Umlageschlüssels bei Konzernumlagen, DB 2004, 1952; Ditz, Praxisfall einer Verrechnungspreisprüfung und Funktionsverlagerung, IStR 2009, 421; Ditz, Die Grenzen des Fremdvergleichs – Zugleich Plädoyer für ein Festhalten am Fremdvergleichsgrundsatz, FR 2015, 115; Ditz/Bärsch/ Engelen, Die neuen Pflichten zur Dokumentation von Verrechnungspreisen nach dem Regierungsentwurf des AntiBEPS-Umsetzungsgesetzes v. 13.7.2016, IStR 2016, 789; Ditz/Bärsch/Engelen, Das neue Country-by-Country Reporting nach dem Regierungsentwurf des Anti-BEPS-Umsetzungsgesetzes v. 13.7.2016, IStR 2016, 840; Ditz/Eberenz/Bärsch/ Kluge/Kreuzer/Müller, Verrechnungspreise im Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlicher Steuerung und steuerrechtlichen Anforderungen – Ergebnisse einer empirischen Analyse, DB 2015, 2592; Ditz/Engelen, Ermittlung von Darlehenszinsen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz – Anmerkungen zum Urteil des FG Münster vom 07.12.2016 – 13 K 4037/13, Ubg 2017, 440; Ditz/Schneider, Internationale Rechtsprechung zu Verrechnungspreisen, DB 2011, 779; Engelen, Ex post-Informationen und Preisanpassungsklauseln – kritische Würdigung der OECD-Ausführungen zu schwer bewertbaren immateriellen Werten, IStR 2016, 146; Engelen/Quilitzsch, Einkünfteberichtigung nach § 1 AStG im Dreiecksverhältnis – Anmerkungen zum Urteil des Sächsischen FG vom 26.1.2016 – 3 K 653/11, ISR 2017, 1; Gosch, Sperrwirkungen – Nationales Recht und Abkommensrecht, allgemeines und spezielles Recht im Widerstreit, ISR 2018, 289; Greil, Fremdvergleich bei grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen zwischen verbundenen Unternehmen, DStZ 2016, 910; Greil/Greil, Einkünftekorrektur: Kostenumlagevereinbarungen als Instrument für die Gestaltung von Konzernaktivitäten – Steuerliche Anwendungsfragen, IStR 2015, 67; Greil/Wargowske, Fremdübliche Vergütung für die Überlassung eines Markenzeichens im Konzern, ISR 2014, 324; Greil/Wargowske, „Rückhalt im Konzern“ – Ein Kurzüberblick und Versuch einer Definition, IStR 2016, 272; Greil/Wargowske, Nichtanwendungserlass vom 30.3.2016 betreffend die Nichtanwendung der Urteilsgrundsätze der BFH-Urteile vom 17.12.2014 – I R 23/13 und vom 24.6.2015 – I R 29/14 in vergleichbaren Fällen – Eine erste Würdigung, IStR 2016, 157; Greil/Wargowske, Namensnutzung in multinationalen Unternehmensgruppen, IStR 2017, 12; Greinert, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen, in: Schaumburg/Rödder (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008, Köln 2007, 541; Hülshorst/Koch, Verrechnungspreis: Konzepte zur Berücksichtigung des Konzernrückhalts bei Finanztransaktionen für Verrechnungspreiszwecke, ISR 2016, 19; Hülshorst/Kuzmina/Wehke, Fremdübliche Methodenwahl beim Cash-Pooling, DB 2014, 1887; Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, Neuwied 2001; Kleineidam, Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschaftsgüter, in Schaumburg/Baumhoff (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Köln 1994, 103; Kluge, Verrechnungspreise in Ertragsteuern und Controlling, Berlin 2013; Kluge/Bärsch, Steuerliche Risiken bei Verrechnungspreisen, IWB 2015, 685; Kroppen/Rasch, Die Funktionsverlagerungsverordnung, IWB 2008, Fach 3 Deutschland, Gruppe 1, 2339; Kroppen/Rasch, Funktionsverlagerung – der nächste Akt, IWB 2010, 316; Kroppen/Rasch, Anmerkungen zu den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung vom 13.10.2010, IWB 2010, 824; Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften: Steuerliche Gewinnermittlung und Einkunftsabgrenzung, Berlin 2008; Liebchen/Tcherveniachki, Tax Compliance und Verrechnungspreise, Der Konzern 2017, 345; Luckhaupt, Bestimmung von Verrechnungspreisen gem. den OECD-TPG 2010 und § 1 Abs. 3 AStG, Ubg 2010, 646; Naumann/Greil, Funktionsverlagerungen – Praxistest in der Betriebsprüfung, IStR 2015, 429; Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, München 2000; Oestreicher, Die (reformbedürftigen) Regelungen zur Ermittlung der Verrechnungspreise in Fällen der Funktionsverlagerung, Ubg 2009, 80; Pinkernell, Neue OECD-Grundsätze zu Verrechnungspreisdokumentation und Country-by-Country Reporting (Maßnahme 13 des BEPS-Aktionsplans), FR 2014, 964; Puls/Heravi, DEMPE-Funktionen und wirtschaftliches Eigentum an immateriellen Werten – Plädoyer für

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Art. 9 Rz. 35

Verbundene Unternehmen

eine differenzierte Betrachtung, IStR 2018, 721; Puls/Heravi, Kostenumlagesysteme im grenzüberschreitenden Konzern pre- und post-BEPS, Ubg 2018, 507; Rasch, Immaterielle Vermögenswerte, Risiko und Kontrolle – Plädoyer für eine restriktive Handhabung der Kriterien, ISR 2015, 310; Rasch/Chwalek, Sperrwirkung von DBA gegenüber nationalen Einkünftekorrekturen, IWB 2015, 377; Rasch/Mank/Tomson, Die finale Fassung des neuen OECD-Kapitels zur Dokumentation und zum „Country-by-Country Reporting“ – Neue Herausforderungen für Unternehmen, IStR 2015, 424; Schaumburg, Normative Defizite und internationale Verrechnungspreise, DK 2006, 495; Schaumburg, Anpassungsklausel, IStR 2009, 877; Schnorberger/Haverkamp, Verrechnungspreismethoden zur Bestimmung von Darlehenszinsen, ISR 2017, 151; Schönfeld, Aktuelle Entwicklungen im Verhältnis von § 1 AStG und EU-Recht anhand von Fallbeispielen, IStR 2011, 219; Schreiber/Greil, Das „Anti-BEPS-Umsetzungsgesetz“, DB 2017, 10; Steiner/Ullmann, Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA gegenüber § 8b Abs. 3 Sätze 4 ff. KStG bei Gewinnminderungen aus grenzüberschreitenden konzerninternen Darlehensforderungen, FR 2018, 1065; Wassermeyer, Sind Verrechnungspreise justitiabel?, in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Köln 1994, 123; Wassermeyer, Veranlassung und Fremdvergleich, in Kirchhof/Jakob/Beermann (Hrsg.), Steuerrechtsprechung, Steuergesetz, Steuerreform. FS Offerhaus, Köln 1999, 405; Wassermeyer, Modernes Gesetzgebungsniveau am Beispiel des Entwurfs zu § 1 AStG, DB 2007, 535; Wassermeyer, Funktionsverlagerung – Statement, FR 2008, 67; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009: Die steuerliche Behandlung von Verrechnungspreisen, insbesondere bei Funktionsverlagerungen, nach der Unternehmensteuerreform 2008, Baden-Baden 2009; Zech, Funktionsverlagerung auf einen Eigenproduzenten und auf ein Routineunternehmen, IStR 2011, 131.

I. Regelungszweck 35

Fremdvergleichsgrundsatz als Korrekturmaßstab. Bei Art. 9 Abs. 1 handelt es sich um eine Gewinnkorrekturvorschrift (vgl. Rz. 2). Sie erlaubt es den Vertragsstaaten, Gewinnkorrekturen im Hinblick auf unangemessene Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen vorzunehmen. In diesem Zusammenhang definiert Art. 9 Abs. 1 zunächst den Begriff der verbundenen Unternehmen. Darüber hinaus bestimmt die Vorschrift den Fremdvergleichsgrundsatz als Maßstab, auf Basis dessen die Angemessenheit von Verrechnungspreisen zu prüfen ist.1 Der Fremdvergleichsgrundsatz dient einerseits als Tatbestandsvoraussetzung für eine Gewinnkorrektur. Denn sind zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Bedingungen nicht fremdvergleichskonform, kann ein Vertragsstaat eine Gewinnkorrektur – auf Basis seiner innerstaatlichen Einkünftekorrekturvorschriften (vgl. Rz. 20) – durchführen. Andererseits fungiert der Fremdvergleichsgrundsatz als Maßstab der Ermittlung der Gewinnkorrektur der Höhe nach, nämlich als Unterschiedsbetrag zwischen dem (unangemessenen) Verrechnungspreis und dem Fremdvergleichspreis (vgl. Rz. 5). Eine weitergehende Gewinnkorrektur ist abkommensrechtlich nicht zulässig.

36

Definition des Fremdvergleichs in den OECD-Leitlinien. Art. 9 Abs. 1 normiert als Maßstab der Angemessenheit von Verrechnungspreisen für grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen den Fremdvergleichsgrundsatz. Danach ist ein Entgelt für eine gruppeninterne Lieferung oder Leistung unangemessen, wenn es dem zwischen fremden Dritten vereinbarten Wert nicht entspricht. Art. 9 Abs. 1 enthält indessen keine weitere Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Vielmehr handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Inhalt durch Auslegung zu bestimmen ist. Da der OECD-MK zu Art. 9 den Fremdvergleichsgrundsatz nur ansatzweise erläutert, erfolgt eine detaillierte Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes in den OECD-Verrechnungspreisleitlinien (kurz: OECD-Leitlinien). Nach umfangreichen Vorarbeiten und intensiven Diskussionen mit den nationalen Finanzbehörden der OECD-Mitgliedstaaten konnte die OECD im Jahr 1995 den ersten Teil der „Verrechnungspreis-Leitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen“2 vorlegen und insofern den Verrechnungspreisbericht der OECD aus 1979 ersetzen.3 Teil II der Leitlinien, der sich mit immateriellen Wirtschaftsgütern und Dienstleistungen beschäftigt, wurde im März 1996 verabschiedet. Die Leitlinien zu den Kostenumlagen kamen im Juni 1997 hinzu. Im Jahr 2010 erfolgte schließlich eine umfangreiche Überarbeitung der Kapitel I bis III der OECD-Leitlinien.4 Zudem wurden in einem neuen Kapitel Regelungen zu „Business Restructurings“ aufgenommen.5 Im Übrigen ergaben sich umfangreiche Änderungen der OECD-Leitlinien durch die Abschlussberichte zu den Aktionspunkten 8–10 und 13 des BEPS-Projekts der OECD und der G20-Staaten. Diese beziehen sich auf das Kapitel VI zu den immateriellen Vermögenswerten,6 auf das Kapi1 Vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 28. 2 OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises und Tax Administrations, Paris 1995. 3 Vgl. hierzu Werra, IStR 1995, 457 ff. und 511 ff.; Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 517 ff.; Becker, IWB F.10 Gr. 2, 1067 ff.; Runge, IStR 1995, 505 ff. 4 Vgl. dazu Förster, IStR 2011, 20; die offizielle deutsche Übersetzung der Verrechnungspreisleitlinien ist abgedruckt in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise. 5 Vgl. hierzu Baumhoff/Puls, IStR 2009, 73. 6 Vgl. OECD, Aligning Transfer Pricing Outcomes with Value Creation, Actions 8–10, 2015 Final Reports. S. dazu im Einzelnen Groß, IStR 2016, 233 ff.; Greil/Fehling, IStR 2017, 757 (758 f.).

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 38 Art. 9

tel V zu den Verrechnungspreisdokumentationen und dem Country-by-Country Reporting1, auf die Kapitel VII und VIII zu dem Risikokontrollkonzept sowie Folgeänderungen in Kapitel IX2. Sämtliche Änderungen wurden am 10.7.2017 als neue OECD-Leitlinien 2017 veröffentlicht. Die OECD-Leitlinien umfassen IX Kapitel, die sich intensiv mit den Methoden zur Ermittlung von Verrechnungspreisen, der Vermeidung und Bewältigung von Verrechnungspreisstreitigkeiten sowie Dokumentations- und Nachweispflichten auseinandersetzen. Dabei legen die OECD-Leitlinien ausdrücklich den Fremdvergleichsgrundsatz als grundlegende Maxime der Verrechnungspreisermittlung und -prüfung fest. Als normative Grundlage wird explizit auf Art. 9 Abs. 1 verwiesen.3 Infolgedessen gilt der Grundsatz des Fremdvergleichs als tragender Maßstab für die internationale Verrechnungspreisermittlung und sollte nach Übereinkunft der OECD-Mitgliedstaaten sowohl von den internationalen Unternehmen als auch von den Steuerverwaltungen einheitlich angewendet werden.4 Zu den Grenzen der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes vgl. Rz. 64. Bindungswirkung der OECD-Leitlinien. Durch die am 27.9.1961 erfolgte Ratifizierung der OECD-Konvention hat die Bundesrepublik Deutschland bestätigt, dass sie die Regelungen der OECD anerkennt. Diese reichen von bloßen „Erklärungen“ bis zu „bindenden Entscheidungen“.5 Sowohl der OECD-MK als auch die OECD-Leitlinien haben in diesem Zusammenhang den Status einer „Empfehlung“.6 Eine Empfehlung entfaltet nach Art. 18 lit. b) der Verfahrensregeln der OECD vom 30.9.1961 keine rechtliche Bindungswirkung für die Vertragsstaaten. Sie ist lediglich den Mitgliedstaaten zur Prüfung vorzulegen, damit sie deren Durchführung veranlassen können, falls sie es für angebracht halten. Insofern sind der OECD-MK und die OECD-Leitlinien streng von dem in innerstaatliches Recht transformierten DBA abzugrenzen. Beide Rechtsquellen sind als Interpretationshilfen anzusehen, die lediglich eine Empfehlung einer internationalen Organisation (OECD) darstellen.7 Weder der OECD-MK noch die OECD-Leitlinien sind zu einem Zeitpunkt Gegenstand parlamentarischer Beratungen gewesen.8 Folglich kommt beiden Rechtsquellen keine normative Wirkung zu.9 Weiterhin ist zu beachten, dass die Mitglieder des OECD-Rates und des OECD-Finanzausschusses, welche die Änderungen des OECD-MK und der OECD-Leitlinien beschließen, von der Exekutive der OECD-Mitgliedstaaten entsandt werden. Den Mitgliedern dieser Organisation ist keine Kompetenz zur Rechtssetzung mit Wirkung in den Mitgliedstaaten der OECD übertragen worden; insbesondere Art. 23 oder 24 GG sind in keiner Variante anwendbar.10 Infolgedessen verbietet es schon der Grundsatz der Gewaltenteilung, dass die Mitglieder des OECD-Rates und des OECD-Finanzausschusses die nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG in innerstaatliches Recht transformierten DBA mittels fortlaufender Modifikation des OECD-MK und der OECD-Leitlinien abändern.11 Weder dem OECD-MK noch den OECDLeitlinien kommt damit eine normative Wirkung zu.12

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Selbstbindung der Finanzverwaltung. Der OECD-MK und die OECD-Leitlinien können unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.5.196913 zur Auslegung eines DBA herangezogen werden, da sie zu den primären Auslegungshilfen i.S.v. Art. 31 Abs. 4 WVK zählen.14 Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, wenn die Rspr. bei Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Verrechnungspreise die OECD-Leitlinien als Auslegungshilfe heranzieht.15 Ferner verweist auch die Finanzverwaltung in ihren Verlautbarungen zur internationalen Einkünfteabgrenzung zwischen verbunde-

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1 Vgl. zu Einzelheiten Ditz/Quilitzsch, DStR 2014, 128; Benz/Böhmer, IStR 2015, 381; Rasch/Mank/Tomson, IStR 2015, 424; Bärsch/Engelen/Färber, DB 2016, 972. 2 Vgl. dazu im Einzelnen Rasch, ISR 2017, 377 ff. 3 Vgl. Rz. 1.6 OECD- Leitlinien. 4 Vgl. Rz. 1.1 OECD- Leitlinien. 5 Vgl. Art. 5 Buchst. a der OECD-Konvention i.V.m. Art. 18 Buchst. a Unterabs. i der OECD-Verfahrensregeln v. 30.9.1961. 6 Vgl. Art. 5 lit. b der OECD-Konvention i.V.m. Art. 18 Buchst. b der OECD-Verfahrensregeln v. 30.9.1961; Greil/ Greil, StuW 2018, 184 (189). Siehe insoweit auch die Empfehlung des OECD-Rates v. 10.10.1997 (OECD/C (97) 195/final): „Recommendation of Council concerning the Model Tax Convention on Income and on Capital“. 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 34; Pohl, RIW 2012, 677 (678); Greil/Greil, StuW 2018, 184 (189). 8 Vgl. Waldhoff, StbJb 2005/2006, 161 (176). 9 Vgl. auch Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.76. 10 Vgl. Waldhoff, StbJb 2005/2006, 161 (175). 11 Vgl. auch Schnitger, IStR 2002, 407 (408). 12 Zu Einzelheiten vgl. auch Greil/Greil, StuW 2018, 184 (191 ff.). 13 Vgl. WÜRV v. 23.5.1969, BGBl. II 1985, 927. 14 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.76; Wassermeyer in Wassermeyer, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 44; Vogel in V/L6, Einleitung Rz. 126; Ditz, IStR 2005, 37 (41); Lang in Gassner/Lang/ Lechner, Aktuelle Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, 18. 15 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 170.

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Art. 9 Rz. 38

Verbundene Unternehmen

nen Unternehmen regelmäßig auf die OECD-Leitlinien.1 Im BMF-Schr. vom 13.10.2010 geht die Finanzverwaltung sogar von einer Selbstbindung an die OECD-Leitlinien aus: „Die Auslegung des Inhalts des Fremdvergleichsgrundsatzes – sowohl für die DBA als auch für § 1 AStG – folgt regelmäßig dem OECD-Musterkommentar zu Art. 9 und Art. 7 sowie den OECD-Veröffentlichungen zum Fremdvergleichsgrundsatz (OECD-Leitlinien und OECD-Betriebsstättenbericht).“2 Nach BMF-Schreiben v. 5.7.20183 will die Finanzverwaltung die Einkunftsabgrenzung durch Umlageverträge fortan nur noch nach den Grundsätzen des Kapitels VIII der OECD-Leitlinien 2017 durchführen. 39

Zeitliche Anwendung der OECD-Leitlinien. Hinsichtlich der Frage, welche Fassung der OECD-Leitlinien für die Auslegung der Art. 9 nachgebildeten Abkommensnorm heranzuziehen ist, verfolgt die OECD im Hinblick auf die Anwendung des OECD-MK eine dynamische Auslegung. Danach soll auch ein neugefasster OECD-MK zur Auslegung bereits bestehender DBA herangezogen werden, der den übereinstimmenden Willen der OECD-Mitgliedsstaaten widerspiegelt.4 Vor diesem Hintergrund kann auch im Hinblick auf die Anwendung der OECD-Leitlinien zur Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach Art. 9 Abs. 1 davon ausgegangen werden, dass nach Ansicht der OECD die Art. 9 nachgebildete Abkommensnorm unter Berücksichtigung der jeweils aktuellen OECD-Leitlinien auszulegen ist. Auch die deutsche Finanzverwaltung scheint dieser Auffassung zu folgen.5 Wenngleich eine solche Auslegung eines DBA auf Basis der jeweils aktuellsten Version der OECD-Leitlinien unter praktischen Gesichtspunkten durchaus sinnvoll sein kann, folgt der BFH dieser Auffassung nicht. Die Rspr. geht vielmehr davon aus, dass zur Auslegung eines DBA immer die Fassung des OECD-MK heranzuziehen ist, welche im Zeitpunkt des Abschlusses des DBA gültig war.6 Der BFH begründet seine Ansicht damit, dass lediglich Art. 31 Abs. 3 WVK für die Berücksichtigung von neuen Versionen des OECD-MK sprechen könnte. Art. 31 Abs. 3 Buchst. a WVK setzt hingegen eine spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsstaaten voraus. Gerade eine solche liegt indessen beim OECD-MK nicht vor, da dieser nicht von den Vertragsstaaten selbst, sondern von den Finanzbehörden der Vertragsstaaten entwickelt wird.7 Art. 31 Abs. 3 Buchst. a WVK ist folglich kein taugliches Mittel zur Berücksichtigung späterer Kommentarversionen bei der Auslegung von bereits bestehenden Abkommen. Im Übrigen scheint auch Art. 31 Abs. 3 Buchst. b WVK nicht geeignet, eine dynamische Auslegung des OECD-MK zu rechtfertigen.8 Damit ist der Auffassung des BFH zu folgen, wonach die Version des OECD-MK als Hilfe für die Auslegung eines konkreten DBA heranzuziehen ist, welche beim Abschluss des entsprechenden DBA galt. Neueren Versionen des OECD-MK kann nur dann eine Bedeutung zukommen, wenn sie zur Klarstellung dienen oder weitergehende Erläuterungen enthalten. Diese zum OECD-MK vom BFH abgeleiteten Grundsätze gelten korrespondierend auch für die OECD-Leitlinien. Denn auch diesen kommt ein Status einer „Empfehlung“ zu (vgl. Rz. 37). Mithin können die OECD-Leitlinien 2010 daher nur im Hinblick auf die nach ihrem Erscheinen abgeschlossenen Abkommen Anwendung finden. Dies gilt auch für die umfangreichen Anpassungen des OECD-MK und der OECD-Leitlinien nach dem BEPS-Projekt der OECD und der G20-Staaten (vgl. Rz. 36). Mit anderen Worten: Der OECD-MK und die OECD-Leitlinien 2017 sind nur für die Auslegung solcher DBA heranzuziehen, die nach dem 21.11.2017 (OECD-MK) oder nach dem 10.7.2017 (OECD-Leitlinien) durch ein Umsetzungsgesetz beschlossen wurden. Dies gilt freilich auch für Anpassungen der DBA (wie z.B. beim DBA Frankreich), dann jedoch nur in Bezug auf die tatsächlich angepassten Vorschriften.9

II. Unternehmen eines Vertragsstaats 40

Anwendung des Art. 3. Art. 9 bezieht sich auf Gewinnkorrekturen zwischen verbundenen „Unternehmen“. Was als „Unternehmen“ zu verstehen ist, bleibt offen. Infolgedessen gelten die allgemeinen Regelungen des DBA. In diesem Zusammenhang definiert der – in das OECD-MA 2000 aufgenommene – Art. 3 Abs. 1 1 Vgl. etwa BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3, 3.4.11.4, 3.4.12.6, 3.4.12.7 und 3.4.13. 2 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 1.2.3. 3 Vgl. BMF v. 5.7.2018 – IV B 5 - S 1341/0:003, BStBl. I 2018, 743; dazu im Einzelnen Kluge/Bestelmeyer, IWB 2018, 892. 4 Vgl. Rz. 33–35 Einleitung OECD-MK. 5 So zumindest Vertreter der Finanzverwaltung, vgl. Wichmann in Lüdicke, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 35, 2009, 103 (104 f.); Wichmann, FR 2011, 1082 (1083); Wichmann, IStR 2012, 711 (711 f.); vgl. im Übrigen auch BMF v. 27.12.2011 – IV C 2 – S 2770/11/10002 – DOK 2011/0965132, BStBl. I 2012, 119; v. 16.4.2012 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354. 6 Zuletzt BFH v. 11.7.2018 – I R 44/16, DStR 2018, 2681, Rz. 16 m.w.N. (Bestätigung der st.Rspr.). Dazu kritisch Pohl, RIW 2012, 677 (678 f.). 7 A.A. Wichmann, FR 2011, 1082 (1083). 8 Kritisch auch Lang, IStR 2001, 536 (537) m.w.N. 9 Vgl. auch Greil/Greil, StuW 2018, 184 (196).

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 42 Art. 9

Buchst. c den Begriff des Unternehmens als „Ausübung einer Geschäftstätigkeit“. Ferner folgt aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. h, dass eine freiberufliche und sonstige selbständige Tätigkeit als „Geschäftstätigkeit“ anzusehen ist. Diese Begriffsabgrenzungen in Art. 3 sind indessen wenig geeignet, eine konkrete Begriffsabgrenzung des „Unternehmens“ vorzunehmen.1 Es kann daraus nur im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die reine Vermögensverwaltung kein Unternehmen begründet.2 Abkommensautonome Auslegung. Zur Konkretisierung des Begriffs „Unternehmen“ kann auf dessen Aus- 41 legung in Art. 7 zurückgegriffen werden (vgl. dazu auch Art. 7 (2008) Rz. 51 ff.). Das „Unternehmen“ ist ein rein abkommensrechtlicher Begriff, der nach ständiger Rspr. des BFH3 losgelöst vom innerstaatlichen Recht auszulegen ist. Dies hat zur Folge, dass nach innerstaatlichem Recht gewerblich fingierte Einkünfte abkommensrechtlich nicht als Unternehmensgewinne einzuordnen sind. Folglich stellt eine gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägte GmbH & Co. KG kein „Unternehmen“ i.S.d. Art. 7 und Art. 9 dar, wenn sie selbst nicht originär gewerblich, sondern vermögensverwaltend tätig ist.4 Darüber hinaus gelten auf Abkommensebene weder die Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG noch qualifizieren Einkünfte einer Besitzpersonengesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung als Unternehmensgewinne.5 Denn der abkommensspezifische Zusammenhang erfordert eine vom innerstaatlichen Recht losgelöste Einordnung. Dafür spricht zunächst, dass sich die abkommensrechtliche Aufteilung der Besteuerungsrechte in erster Linie an der Art der Einkunftserzielung ausrichtet und der systematischen Einordnung der Einkünfte im innerstaatlichen Recht insoweit nur eine Hilfsfunktion zukommen kann. Darüber hinaus würde ein anderes Verständnis das Risiko fördern, dass das DBA in den Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt wird und damit das angestrebte Ziel einer Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht realisiert werden kann. Im Ergebnis ist folglich der Begriff des Unternehmens autonom aus dem Abkommen auszulegen, wobei das gemeinsame Verständnis der OECD-Staaten über den Begriffsinhalt zu berücksichtigen ist. Als Unternehmenstätigkeit kann eine selbständige und auf eine Gewinnerzielung ausgerichtete Tätigkeit bezeichnet werden, die weder Vermögensverwaltung darstellt noch als Land- und Forstwirtschaft zu qualifizieren ist.6 Insofern besteht eine offensichtliche inhaltliche Parallele zur Definition des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 EStG, wonach die Merkmale „Gewinnerzielungsabsicht“, „Selbständigkeit“, „Nachhaltigkeit“ und „Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr“ einen Gewerbebetrieb prägen (vgl. zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 54). Die inhaltliche Konkretisierung dieser Tatbestandsmerkmale des Gewerbebetriebs können für die (rein abkommensrechtliche) Definition des Unternehmens herangezogen werden. Sind die Tatbestandsmerkmale der gewerblichen Tätigkeit gem. § 15 Abs. 2 EStG erfüllt, kann daher auch abkommensrechtlich von einem Unternehmen ausgegangen werden.7 Rechtsform des Unternehmens. Der Begriff des Unternehmens in Art. 9 Abs. 1 kann sich auf jegliche 42 Rechtsform beziehen. Unabhängig von der Rechtsform ist sicherzustellen, dass eine Unternehmenstätigkeit nach den in Rz. 41 dargestellten Grundsätzen ausgeübt wird. Folglich fällt auch eine Kapitalgesellschaft, welche rein vermögensverwaltend tätig ist, nicht in den Anwendungsbereich von Art. 9.8 Ferner ist in diesem Zusammenhang die Abgrenzung zu Art. 7 zu beachten. Denn Art. 9 setzt grundsätzlich zwei selbständige Rechts- und Steuersubjekte voraus, zwischen denen kaufmännische oder finanzielle Beziehungen bestehen. Im Hinblick auf die internationale Einkünfteabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (d.h. zwischen rechtlich unselbständigen Einheiten) findet demnach Art. 9 keine Anwendung. Dies gilt im Übrigen auch für die Beteiligung eines inländischen Unternehmens (z.B. in Form eines inländischen Einzelunternehmens oder einer inländischen Kapitalgesellschaft) an einer ausländischen Personengesellschaft, weil der Anteil an der ausländischen Personengesellschaft dem inländischen Mitunternehmer als Betriebs-

1 Ebenfalls kritisch Liebchen in F/W/K, Art. 9 Anm. 23 f.; Vogel in V/L6, Art. 3 Rz. 40; Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 3 Rz. 19; Wolff in FS Wassermeyer, 647 (648), s. ferner BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 2.2.1. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23. 3 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BB 2011, 1813; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; v. 24.8.2011 – I R 46/10, DStR 2011, 2085; v. 25.11.2015 – I R 50/14, BStBl. II 2017, 247; v. 20.7.2016 – I R 50/15, BStBl. II 2017, 230. 4 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754 m.w.N.; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BB 2011, 1813 m.w.N.; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 2.2.1 und 2.3.1; Wolff in FS Wassermeyer, 647 (653 f.); Krabbe, IStR 2002, 145 (148). 5 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 2.2.1 und 2.3.1; BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760. 6 Vgl. auch Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 30; Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 23. 7 In diesem Sinne wohl auch BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754; v. 24.8.2011 – I R 46/10, DStR 2011, 2085; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 2.2.1. 8 Gl.A. Liebchen in F/W/K, Art. 9 Anm. 25.

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Art. 9 Rz. 42

Verbundene Unternehmen

stätte zuzurechnen ist.1 Eine Personengesellschaft kann daher allenfalls dann Unternehmen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 sein, wenn sie als selbständiges Steuersubjekt, d.h. intransparent, behandelt wird. Dies gilt nicht für die deutsche (transparente) Besteuerung von Personengesellschaften gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. In diesen Fällen ist eine Gewinnabgrenzung nach Art. 7 Abs. 2 vorzunehmen, und zwar unabhängig davon, dass für Geschäftsbeziehungen eines Mitunternehmers mit seiner ausländischen Personengesellschaft § 1 Abs. 1 AStG Anwendung findet (vgl. zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 68 ff.).2 43

Ansässigkeit des Unternehmens. Die Anwendung des Art. 9 Abs. 1 setzt voraus, dass beide Unternehmen jeweils in einem der Vertragsstaaten „ansässig“ sind. Die verbundenen Unternehmen müssen dabei in verschiedenen Vertragsstaaten ansässig sein. Die Ansässigkeit bestimmt sich nach Art. 4 (vgl. hierzu Art. 4 Rz. 1 ff.).

III. Verbundene Unternehmen 1. Beteiligung an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital 44

Bedeutung der Definition. Art. 9 Abs. 1 grenzt den Begriff der Verbundenheit in zwei Alternativen ab: – Unmittelbare oder mittelbare Beteiligung eines Unternehmens eines Vertragsstaates an einem Unternehmen des anderen Vertragsstaates gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a (z.B. Beteiligung einer Mutter- an einer Tochtergesellschaft); – Unmittelbare oder mittelbare Beteiligung derselben Person an einem Unternehmen des einen Vertragsstaates und an einem Unternehmen des anderen Vertragsstaates gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b (z.B. Schwestergesellschaften). Beide Definitionen des verbundenen Unternehmens beinhalten zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe,3 die weder im OECD-MA und dem OECD-MK noch in den OECD-Leitlinien definiert werden. Die OECD geht davon aus, dass eine solche begriffliche Abgrenzung nicht notwendig ist, da insoweit ein breiter Konsens zwischen den OECD-Mitgliedstaaten bestünde.4 Diese Ansicht verkennt indessen die zentrale Bedeutung der Definition des „Verbundenseins“:5 Denn Art. 9 Abs. 1 entfaltet Sperrwirkung auch im Hinblick auf die Definition des „verbundenen“ Unternehmens, d.h. geht eine innerstaatliche Einkünftekorrektur in diesem Zusammenhang über das in Art. 9 Abs. 1 definierte „Verbundensein“ hinaus, besteht für den entsprechenden Vertragsstaat kein Recht, eine Einkünftekorrektur vorzunehmen (vgl. Rz. 20 ff.). Ferner verstärken die zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe das Risiko, dass die Vertragsstaaten das „Verbundensein“ unterschiedlich auslegen, und folglich eine Gegenberichtigung gem. Art. 9 Abs. 2 daran scheitert, dass ein Vertragsstaat die Tatbestandsvoraussetzungen einer Verbundenheit als nicht erfüllt ansieht. Schließlich ist denkbar, dass ein Vertragsstaat die Einleitung eines Verständigungsverfahrens i.S.d. Art. 25 ablehnt, weil nach seiner Auffassung die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 nicht erfüllt sind. Vor diesem Hintergrund kommt der Definition der verbundenen Unternehmen eine erhebliche Bedeutung zu.

45

Unmittelbare oder mittelbare Beteiligung. Art. 9 Abs. 1 setzt eine „unmittelbare oder mittelbare“ Beteiligung voraus. Daraus folgt – auch vor dem Hintergrund des Telos der Vorschrift – zunächst, dass der Begriff des „Beteiligtseins“ weit auszulegen ist. Eine „unmittelbare“ Beteiligung ist anzunehmen, wenn die in einem Vertragsstaat ansässige Person selbst an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines im anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmens beteiligt ist (d.h. dass insoweit keine weitere Person „zwischengeschaltet“ ist). Dabei ist auch eine über einen Treuhänder gehaltene Beteiligung als unmittelbare Beteiligung anzusehen, da in diesem Fall der Treugeber das wirtschaftliche Eigentum an der Beteiligung hält und diese steuerlich ihm zuzurechnen ist.6 Ferner sind zur Sicherung abgetretene oder verpfändete Beteiligungen dem Sicherungsgeber bzw. -verpfänder zuzuordnen. Ein typisches Beispiel für eine „mittelbare“ Beteiligung ist die Beteiligung einer Muttergesellschaft an einer mehr als einer Stufe nachgeordneten Gesellschaft (z.B. En1 Vgl. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 2.2.3. 2 Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 2.2.3. Zur Anwendung des § 1 AStG bei Personengesellschaften vgl. Ditz/Tcherveniachki, DB 2014, 203 ff.; Ditz/Quilitzsch, DStR 2013, 1917 (1917 f.). 3 Insbesondere „Geschäftsleitung“, „Kontrolle“, „Kapital“, „gesellschaftsrechtliche Verflechtung“, „mittelbar und unmittelbar“ und „Einflussnahme“. 4 Vgl. OECD, Verrechnungspreise und multinationale Unternehmen, Bericht des Steuerausschusses der OECD 1979, übersetzt vom Bundesministerium für Finanzen, Köln 1981, Rz. 7. 5 Gl.A. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA, Rz. 25. 6 Vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO; Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 77; Becker in G/K/G/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 22.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 49 Art. 9

kelgesellschaft), d.h. hier ist typisch, dass eine weitere Person „zwischengeschaltet“ ist. Von einer mittelbaren Beteiligung ist auch auszugehen, wenn diese durch jeweils unterschiedliche Merkmale (Beteiligung an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital) vermittelt wird. Von einer mittelbaren Beteiligung ist folglich auch auszugehen, wenn z.B. das beherrschende Unternehmen an dem Kapital eines anderen Unternehmens unmittelbar beteiligt ist, welches wiederum über eine Beteiligung an der Geschäftsleitung oder der Kontrolle bei einem weiteren Unternehmen verfügt. Zeitlich müssen die Voraussetzungen einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung im Zeitpunkt des Abschlusses der für die Geschäftsbeziehung maßgeblichen Bedingungen vorgelegen haben.1 Beteiligungshöhe. Art. 9 Abs. 1 setzt keine Mindestbeteiligung voraus.2 Vielmehr reicht jede Beteiligung an der Geschäftsleitung, an der Kontrolle und/oder am Kapital aus. Vor diesem Hintergrund geht Art. 9 Abs. 1 Buchst. a über die Definition der nahestehenden Person gem. § 1 Abs. 2 AStG hinaus. Dies gilt allerdings nur im Hinblick auf die Mindestbeteiligung von 25 % gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG. Hingegen ist die Definition der nahestehenden Person in § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG weiter als die Definition des verbundenen Unternehmens in Art. 9 Abs. 1. Folglich stellt sich auch hier die Frage der Sperrwirkung des Abkommensrechts. In der Literatur wird diese Frage mit der Begründung verneint, dass eine über den Fremdvergleichsgrundsatz hinausgehende Schrankenwirkung der Vorschrift nicht in Betracht komme.3 Diese Auffassung ist abzulehnen.4 Denn es sind keine Gründe ersichtlich, warum Art. 9 Abs. 1 nicht auch im Hinblick auf die Definition der verbundenen Unternehmen eine Schrankenwirkung zukommen soll (vgl. zur Sperr- bzw. Schrankenwirkung im Allgemeinen Rz. 20 ff.). Ferner wird die Verpflichtung zu einer Gegenberichtigung nach Art. 9 Abs. 2 durch den anderen Vertragsstaat nur anerkannt werden, wenn ein gemeinsames Verständnis über den Begriff des verbundenen Unternehmens gewährleistet ist. Der Begriff der Verbundenheit ist daher unabhängig vom innerstaatlichen Recht aus dem Abkommen selbst heraus auszulegen.5

46

Beteiligung an der Geschäftsleitung. Die Beteiligung an der Geschäftsleitung muss das beherrschende Unternehmen in die Lage versetzen, seine eigenen Interessen im beherrschten Unternehmen durchzusetzen. Dabei ist Art. 9 Abs. 1 Buchst. a teleologisch reduziert auszulegen.6 Denn bei einer wörtlichen Auslegung würde bereits die Personalunion in der Geschäftsführung beider Unternehmen dazu führen, dass ein „Verbundensein“ gegeben ist. Insoweit verbundene Unternehmen anzunehmen, wäre indessen nicht sachgerecht, weil jeder Geschäftsführer zunächst verpflichtet ist, die eigenen Interessen seines Unternehmens zu vertreten. Deswegen stellt die Vorschrift nur auf solche Geschäftsleitungen ab, die das beherrschende Unternehmen in die Lage versetzt, eigene Interessen unmittelbar in dem beherrschten Unternehmen durchzusetzen. Dazu genügt keine Tätigkeit als angestellter Geschäftsführer oder Prokurist. Vielmehr muss die beherrschende Person selbst am Geschäftsleitungsorgan des beherrschten Unternehmens beteiligt sein, z.B. als Alleingeschäftsführer, Mitgeschäftsführer oder Mitglied des Vorstandes. Eine faktische oder gelegentliche Übernahme einzelner Geschäftsführungsmaßnahmen reicht nicht aus.7

47

Beteiligung an der Kontrolle. Der Begriff der „Kontrolle“ ist unklar. Von einer solchen ist in der Regel auszugehen, wenn sie über die Ausübung von Stimmrechten sichergestellt wird.8 Denn so wird letztlich ein Unternehmen kontrolliert. Auch insoweit gibt Art. 9 Abs. 1 Buchst. a keinen Hinweis auf den Umfang der Kontrolle und damit auf den Umfang der entsprechenden Stimmrechte. Das Telos des Art. 9 Abs. 1, Einkünfteverschiebungen zwischen verbundenen Unternehmen zu vermeiden (vgl. Rz. 1 ff.), spricht indessen dafür, dass die Beteiligung an der Kontrolle eine Einflussnahme auf das Unternehmen nach sich zieht. Insoweit macht es – in Anlehnung an § 1 Abs. 2 AStG – Sinn, mehr als 25 % der Stimmrechte zu fordern. Eine solche Beteiligung kann allerdings nur Indiz sein; abzustellen ist immer auf die Umstände des Einzelfalls.

48

Beteiligung am Kapital. Die Beteiligung am Kapital bezieht sich auf eine Beteiligung am Nenn-, Grundoder Stammkapital des Unternehmens. Auch insoweit lässt Art. 9 Abs. 1 Buchst. a die Beteiligung der Höhe nach offen (vgl. Rz. 46). Vor dem Hintergrund des Telos des Art. 9 Abs. 1 und der Notwendigkeit einer Einflussnahme auf das Unternehmen kann jedoch auch hier eine Beteiligung von mehr als 25 % gefordert werden (vgl. Rz. 48), wobei immer die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Genussrechte sind

49

1 2 3 4 5

Vgl. Liebchen in F/W/K, Anm. 9 Rz. 30. Vgl. Liebchen in F/W/K, Anm. 9 Rz. 30. Vgl. Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 150 ff. So auch Liebchen in F/W/K, Anm. 9 Rz. 30; Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 38. A.A. Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 37, nach dessen Auffassung alleine auf das innerstaatliche Recht abzustellen sei. 6 Vgl. Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 79. 7 Vgl. Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 79. 8 Vgl. Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 80; a.A. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 29.

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Art. 9 Rz. 49

Verbundene Unternehmen

Forderungsrechte gegen eine Kapitalgesellschaft, die zwar eine Beteiligung am Gewinn und/oder am Liquidationserlös des Unternehmens begründen, jedoch keine Beteiligung am Kapital darstellen. Soweit Genussrechte allerdings Stimmrechte vermitteln, ist zu prüfen, ob eine Beteiligung an der Kontrolle des Unternehmens vorliegt.1 Verdeckte Einlagen, Bürgschaften, Patronatserklärungen, Garantieerklärungen, typisch stille Beteiligungen2 und (eigenkapitalersetzende) Darlehen begründen keine Beteiligung am Kapital. Eine atypisch stille Beteiligung ist – nach innerstaatlichem Verständnis – als Mitunternehmerschaft zu qualifizieren, welche ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich des Art. 9 fällt; vielmehr ist hier Art. 7 einschlägig.3 50

Weitere Formen der Beteiligung. Aus Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 folgt im Umkehrschluss, dass verwandtschaftliche Beziehungen und Interessengemeinschaften keine Verbundenheit i.S.d. Art. 9 Abs. 1 begründen. Denn die in beiden Vorschriften genannten „besonderen Beziehungen“ umfassen über die in Art. 9 genannten Verhältnisse einer Einflussnahme hinaus auch „verwandtschaftliche Beziehungen und ganz allgemein jede Interessengemeinschaft“ (vgl. Art. 11 Rz. 34 OECD-MK). Vor diesem Hintergrund ist Art. 9 Abs. 1 Buchst. a enger formuliert. 2. Unternehmen unter gemeinsamer Kontrolle

51

Definition der gemeinsamen Kontrolle. Gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b liegt eine Verbundenheit vor, wenn dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens eines Vertragsstaates und eines Unternehmens des anderen Vertragsstaates beteiligt sind. Angesprochen ist insbesondere der Fall von Schwestergesellschaften, welche jeweils in einem der Vertragsstaaten ansässig sind. Bei der Person, welche an den verbundenen Unternehmen beteiligt ist, kann es sich um eine natürliche Person, eine Kapitalgesellschaft, eine Personengesellschaft oder eine sonstige Personenvereinigung handeln. Die beherrschende Person muss in keinem der Vertragsstaaten ansässig sein und braucht selbst kein Unternehmen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 (vgl. Rz. 40 ff.) zu sein. Folglich kann die beherrschende Person die Anteile an den verbundenen Unternehmen auch im Privatvermögen halten.4 Hinsichtlich der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „unmittelbar oder mittelbar“, „Geschäftsleitung“, „Kontrolle“ und „Kapital“ wird auf Rz. 44 ff. verwiesen.

IV. Kaufmännische oder finanzielle Beziehungen 52

Gewinnkorrekturen in Bezug auf eine Geschäftsbeziehung. Weitere Tatbestandsvoraussetzung des Art. 9 Abs. 1 sind „kaufmännische oder finanzielle Beziehungen“ zwischen den verbundenen Unternehmen. Daraus folgt zunächst, dass sich auf Art. 9 Abs. 1 gestützte Gewinnkorrekturen konkret auf die zwischen den verbundenen Unternehmen bestehenden Geschäftsbeziehungen und die in diesem Zusammenhang vereinbarten Bedingungen (d.h. Verrechnungspreise; vgl. Rz. 59) beziehen müssen. Gewinnkorrekturen, die sich – losgelöst von den konkreten Geschäftsbeziehungen – rein auf die Einkünftehöhe des entsprechenden verbundenen Unternehmens beziehen, sind durch die Vorschrift nicht gedeckt. Dies gilt beispielsweise für Gewinnkorrekturen, die auf Basis eines Gewinnvergleichs ihren Ausgangspunkt alleine in der Höhe der Einkünfte des verbundenen Unternehmens haben (vgl. Rz. 99). Beispiel: Die im Staat A ansässige Muttergesellschaft vertreibt die von ihr hergestellten Produkte im Staat B durch eine Tochter-Kapitalgesellschaft, an welcher sie mit 100 % beteiligt ist. Die Vertriebsgesellschaft handelt neben den Produkten ihrer Muttergesellschaft mit von ihr selbst eingekauften Waren und erbringt darüber hinaus an ihre Kunden diverse Dienstleistungen (z.B. Montage- und Aftersales-Dienstleistungen). Die Betriebsprüfung im Staat B vertritt die Auffassung, dass die Umsatzrendite (auf EBIT-Basis) der Vertriebsgesellschaft mit 4 % zu niedrig sei und stattdessen eine Umsatzrendite von 8 % angemessen sei. Daraufhin nimmt die Finanzverwaltung des Staates B eine Gewinnkorrektur in Höhe von 4 % des Umsatzes auf Basis einer vGA vor. Eine solche Gewinnkorrektur ist durch Art. 9 Abs. 1 nicht gedeckt, weil sie sich nicht konkret auf die im Verhältnis zwischen der Mutter- und ihrer Vertriebsgesellschaft vereinbarten Preise, sondern nur auf die Höhe der Gewinne der im Staat B ansässigen Vertriebsgesellschaft bezieht. Folglich hat Staat B gem. Art. 9 Abs. 1 kein Recht, eine entsprechende Korrektur vorzunehmen (Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1; vgl. Rz. 20).

53

Schuldrechtliche Beziehung. Unter kaufmännische oder finanzielle Beziehungen fallen sämtliche schuldrechtliche Leistungsbeziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen.5 Dazu gehören insbesondere:

1 2 3 4 5

Vgl. Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 81. Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 2.2.1.3. Vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Rz. 2.2.1.2. Vgl. Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 87. Vgl. auch BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 54 Art. 9

– Waren- und Produktlieferungen, – Veräußerung von materiellen und immateriellen Vermögenswerten, – Nutzungsüberlassung (Miete, Pacht und Lizenz) von materiellen und immateriellen Vermögenswerten, – Erbringung von Dienstleistungen, – Kostenumlagen, – Gewährung von Darlehen, Bürgschaft, Garantien, – Personalentsendung. Typischerweise betreffen die kaufmännischen Beziehungen den gesamten Lieferungs- und Leistungsverkehr sowie die Konzernumlagen (vgl. Rz. 101 ff.).1 Die finanziellen Beziehungen umfassen insbesondere Darlehens- und darlehensähnliche Verhältnisse sowie schuldrechtliche Ansprüche (z.B. auf den Kaufpreis, die Miete und andere Entgelte). Sie beschränken sich also nicht nur auf den Kapitalverkehr im engeren Sinne. Hinsichtlich der begrifflichen Abgrenzung der kaufmännischen und finanziellen Beziehungen bestand demnach bis zum VZ 2012 eine Parallele zur Definition der Geschäftsbeziehung in § 1 Abs. 5 AStG a.F. Nach dieser Vorschrift war eine Geschäftsbeziehung „jede den Einkünften zu Grunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist […]“. Diese Fassung der Definition der Geschäftsbeziehung wurde durch das StVergAbG v. 16.5.20032 mit Wirkung ab dem VZ 2003 eingeführt; sie stellt klar, dass eine nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs zu würdigende Geschäftsbeziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und einem ihm nahe Stehenden immer dann anzunehmen ist, wenn es sich – wie bei den kaufmännischen und finanziellen Beziehungen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 – um eine auf schuldrechtlichen Vereinbarungen beruhende Beziehung handelt.3 Da folglich auch die Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG a.F. auf einen schuldrechtlichen Leistungstausch ausgerichtet war, konnte ihre inhaltliche Präzisierung für Zwecke der Auslegung der kaufmännischen und finanziellen Beziehungen herangezogen werden.4 Definition der Geschäftsbeziehung gem. § 1 Abs. 4 AStG n.F. ab dem VZ 2013. Mit dem Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz5 wurde die Geschäftsbeziehung als Tatbestandsvoraussetzung des § 1 AStG in seinem Abs. 4 neu definiert.6 Danach sind Geschäftsbeziehungen „einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge (Geschäftsvorfälle) […], denen keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt“. Darüber hinaus werden „anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen“ zwischen Stammhaus und Betriebsstätte für die Anwendung des § 1 AStG im Rahmen des „Authorised OECD Approach“ fingiert (vgl. dazu Art. 7 (2008) Rz. 99 ff.). Die neu konzipierte Definition der Geschäftsbeziehung gilt für VZ ab 2013.7 Vor dem Hintergrund der in § 1 Abs. 5 AStG vorgesehenen Anwendung des § 1 AStG bei Betriebsstätten, löst sich der Gesetzgeber im Hinblick auf die Definition der Geschäftsbeziehung vom Begriff der schuldrechtlichen Beziehung und ersetzt ihn durch den Begriff des „wirtschaftlichen Vorgangs“. Erscheint insoweit die in § 1 Abs. 4 Nr. 2 AStG vorgesehene Definition „anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen“ unausweichlich, ist nicht nachzuvollziehen, warum der Gesetzgeber die Implementierung des AOA in § 1 AStG zum Anlass nahm, die Geschäftsbeziehung auch im Hinblick auf Einkünftekorrekturen zwischen nahestehenden Personen neu zu konzipieren. Die neue Definition der Geschäftsbeziehung ist nicht praxistauglich und nicht durch den Begriff der „kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen“ gem. Art. 9 Abs. 1 gedeckt.8 Denn weder der Begriff „wirtschaftlicher Vorgang“ noch „Geschäftsvorfälle“ sind geeignet, eine auf schuldrechtlichen Verträgen aufbauende Geschäftsbeziehung zu definieren. So können z.B. verdeckte Gewinnausschüttungen und alle anderen Formen der Einkommensverwendung „wirtschaftliche Vorgänge“ sein. Diese sollen allerdings – auf Grund ihrer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung – nicht von Art. 9 erfasst werden. Denn sie sind einem Fremdvergleich nicht zugänglich. Infolgedessen steht die weite Definition der Geschäftsbeziehung in § 1 Abs. 4 Nr. 1 AStG nicht im Einklang mit Art. 9 Abs. 1. Denn dieser verweist ausdrücklich auf „kaufmännische oder finanzielle Beziehungen“, welche eine nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Beziehung voraussetzt. Soweit daher die Neufassung des § 1 Abs. 4 AStG zu Einkünftekorrekturen führt, welche sich auf Geschäftsbeziehungen beziehen, denen keine schuldrechtlichen Liefer- oder Leistungsbeziehungen zugrunde liegen, entfaltet Art. 9 Abs. 1 eine Sperrwirkung (vgl. Rz. 20 ff.). Dies gilt im 1 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 – S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122; Baumhoff, IStR 2000, 693 (694 ff.); Ditz, DB 2004, 1949 (1949 f.); Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 346 (348). 2 Vgl. Steuervergünstigungsabbaugesetz v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660. 3 Zu Einzelheiten vgl. BMF v. 12.1.2010 – IV B 5 – S 1341/07/10009, BStBl. I 2010, 34; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 476 ff. m.w.N. 4 Gl.A. Becker in Haase3, Art. 9 OECD-MA Rz. 20; a.A. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 32.2. 5 Vgl. Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz v. 29.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 6 Vgl. dazu Ditz/Quilitzsch, DStR 2013, 1917 (1918). 7 Vgl. § 21 Abs. 20 Satz 3 AStG n.F. 8 Kritisch auch Schnitger, IStR 2013, 633 (636).

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Art. 9 Rz. 54

Verbundene Unternehmen

Übrigen auch für den völlig offenen Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 Satz 2 AStG.1 Weder gibt die Gesetzesbegründung brauchbare Hinweise noch ist die Vorschrift in sich konsistent. So ist insbesondere nicht verständlich, warum voneinander unabhängige ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter schuldrechtliche Vereinbarungen treffen würden, wenn sie einer Geschäftsbeziehung gar nicht zugrunde liegen.2 Schließlich ist die (sehr unverständliche) Vorschrift mit einer Beweislastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen verbunden und verstößt damit gegen den allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz, dass die Finanzverwaltung die Beweislast für Einkünftekorrekturen trägt.3 55

Ausschluss gesellschaftsrechtlicher Beziehungen. Die Merkmale, die zu einem „Verbundensein“ zwischen zwei Unternehmen führen können (vgl. Rz. 44 ff.), sind streng von der „kaufmännischen oder finanziellen Beziehung“ zu trennen. Beide Tatbestände schließen sich wechselseitig aus.4 Insbesondere können kaufmännische oder finanzielle Beziehungen nur solche sein, die nicht zu einem Verbundensein der zwei Unternehmen führen.5 Gesellschaftsrechtliche Beziehungen werden folglich durch kaufmännische und finanzielle Beziehungen nicht erfasst. Insoweit besteht eine Parallele zur Definition der Geschäftsbeziehung in § 1 Abs. 5 AStG a.F. (vgl. Rz. 53). Denn zu einer Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 4 Nr. 1 AStG kann es – auch nach der Neufassung der Geschäftsbeziehung mit Wirkung für VZ ab 2013 (vgl. Rz. 55) – nur kommen, wenn keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung vorliegt. Unzweifelhaft kann daher die Zuführung von Nominalkapital in eine Tochtergesellschaft in Form einer gesellschaftsrechtlichen (offenen oder verdeckten) Einlage keine Geschäftsbeziehung begründen.6 Beispiel: Die im Ausland ansässige A Corporation erhöht ihr Stammkapital um EUR 1 Mio. Ihre in Deutschland ansässige Muttergesellschaft, die B GmbH, übernimmt die ausgegebenen Anteile gegen Einlage eines Patents. Insofern liegt eine gesellschaftsrechtliche Beziehung vor, die gem. Art. 9 Abs. 1 nicht korrigiert werden kann.

Eine Geschäftsbeziehung liegt bei sog. weichen Patronatserklärungen nicht vor.7 Hiervon abzugrenzen sind die sog. harten Patronatserklärungen, bei denen sich die Muttergesellschaft gegenüber den Gläubigern verpflichtet, die Tochtergesellschaft finanziell so auszustatten, dass sie ihren Verbindlichkeiten nachkommen kann. Als harte Patronatserklärung gilt auch die Verpflichtung, eine definierte Kapitalausstattung bei der Tochtergesellschaft aufrecht zu erhalten. Bei diesen harten Patronatserklärungen ist davon auszugehen, dass eine Geschäftsbeziehung und eine finanzielle Beziehung vorliegt. Der Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 1 ist damit eröffnet. Allerdings ist fraglich, ob der Ansatz einer Avalprovision dem Grunde nach in diesen Fällen gerechtfertigt ist.8 Denn die Muttergesellschaft verfügt über die Anteile an der Tochtergesellschaft und kann daher auf Grund ihrer beherrschenden Gesellschafterstellung das Risiko eines Schuldnerausfalls minimieren. Wenn auf Grund solcher rechtlicher oder tatsächlicher Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Tochtergesellschaft kein praktischer Anwendungsraum für eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft besteht, ist die Verrechnung einer Avalprovision nicht gerechtfertigt. Mit einer analogen Begründung hat der BFH bei der Darlehensgewährung einer Mutter- an ihre Tochtergesellschaft entschieden, dass die Hingabe von Sicherheiten durch die Tochtergesellschaft nicht erforderlich ist.9 56

Definition der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung gem. § 1 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b AStG. Durch das Zollkodex-Anpassungsgesetz v. 22.12.201410 wurde § 1 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. b AStG um eine konkrete Definition der „gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung“ ergänzt: „Eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist eine Vereinbarung, die unmittelbar zu einer rechtlichen Änderung der Gesellschafterstellung führt.“ Eine solche soll nach der Gesetzesbegründung z.B. bei einer Veränderung der Beteiligungshöhe oder der Beteiligungsrechte gegeben sein.11 Durch die Ergänzung des § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b AStG wird der Anwendungsbereich des § 1 AStG ausgeweitet. Die Definition der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung ist jedoch nicht für die Definition des Ausschlusses gesellschaftsrechtlicher Beziehungen gem. Art. 9 Abs. 1 relevant. Während demnach die Regelung einer Leistung einer inländischen Muttergesellschaft im Gesell1 Kritisch auch Richter/Heyd, Ubg 2013, 418 (419). 2 Dies ist Tatbestandsvoraussetzung der Vorschrift. 3 Unklar auch BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003 – DOK 2017/0276404, BStBl. I 2017, 701, Rz. 2; dazu kritisch Rasch/Mank, ISR 2018, 73 (75). 4 Vgl. Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 89. 5 Vgl. auch BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875 zu § 1 AStG a.F.; Liebchen in F/W/K, Art. 9 Anm. 40; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 476 (478) zu § 1 Abs. 5 AStG. 6 Vgl. Haverkamp/Binding, ISR 2015, 85 (89). 7 Vgl. Schnitger, IStR 2003, 73 (76). 8 Vgl. auch Ditz, IStR 2009, 421 (422). 9 Vgl. BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, DStR 1995, 847; v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1998, 573. 10 Vgl. Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417. 11 Vgl. BT-Drucks. 18/3017 zu Art. 8.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 59 Art. 9

schaftsvertrag der ausländischen Tochtergesellschaft ab dem VZ 2015 als Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG qualifiziert, spricht vieles dafür, diese nach innerstaatlichem Recht vorgesehene Interpretation der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung nicht in Art. 9 Abs. 1 „hineinzuinterpretieren“. Wird demnach durch die Einlage eines Wirtschaftsguts das Stammkapital einer ausländischen Kapitalgesellschaft erhöht und dies im Gesellschaftsvertrag vereinbart, liegt eine gesellschaftsrechtliche Beziehung vor, deren Korrektur Art. 9 Abs. 1 sperrt.1

V. Vereinbarte oder auferlegte Bedingungen Anerkennung der tatsächlichen Geschäftsbeziehungen. Im Rahmen der internationalen Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen ist von den tatsächlich abgewickelten Geschäftsvorfällen auszugehen.2 Eine Gewinnkorrektur auf Basis der Negierung oder Umqualifikation der tatsächlichen Lieferund Leistungsbeziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen ist daher grundsätzlich unzulässig. So ist auf die „tatsächliche Substanz der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen den Parteien“3 abzustellen. Eine bestehende Geschäftsbeziehung kann daher nicht umqualifiziert oder durch eine andere ersetzt werden.4 Eine Ausnahme besteht nach Auffassung der OECD nur bei „außergewöhnlichen Umständen“5, d.h., wenn die Vereinbarungen zwischen den verbundenen Unternehmen insgesamt von dem abweichen, was unabhängige Dritte unter vergleichbaren Umständen und bei kaufmännisch vernünftigem Handeln vereinbart hätten. Die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist darauf beschränkt, die Angemessenheit der zwischen den verbundenen Unternehmen in Bezug auf ihre kaufmännischen und finanziellen Beziehungen vereinbarten Bedingungen zu prüfen. Dabei muss die Entscheidung des Steuerpflichtigen über die Funktionsverteilung zwischen den verbundenen Unternehmen als gegeben angesehen werden. Sie steht außerhalb des Anwendungsbereichs des Fremdvergleichsgrundsatzes und ist steuerlich als organisatorischer Akt, der in der Dispositionsfreiheit des Unternehmens steht, zwingend anzuerkennen.6 Die Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen wird – in Übereinstimmung mit den OECD-Leitlinien 20177 – auch von der Finanzverwaltung explizit anerkannt.8 Diese bezieht sich insbesondere auf die Entscheidung, ob Funktonen selbst, zentralisiert von einem verbundenen Unternehmen im Auftrag („Outsourcing“) ausgeübt werden.

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Finanzierungsfreiheit. Im Zusammenhang mit der Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen ist auch der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit zu sehen, wonach es dem Steuerpflichtigen freisteht, ob er sein Unternehmen mit Eigen- oder Fremdkapital finanziert.9 Infolgedessen lässt sich eine Finanzierungsentscheidung durch den Steuerpflichtigen weder durch einen tatsächlichen noch durch einen hypothetischen Fremdvergleich prüfen. Denn als Vergleichsmaßstab bliebe nur die Finanzierungsentscheidung eines anderen Gesellschafters bzw. eines anderen Unternehmers. Ein solcher Vergleich würde allerdings gegen die Grundvoraussetzung des Fremdvergleichs, dem Vergleich mit dem Verhalten von unabhängigen Unternehmen, verstoßen. Im Übrigen gibt auch die betriebswirtschaftliche Theorie keinen eindeutigen Lösungsansatz zur Bestimmung einer angemessenen oder optimalen Finanzierungsstruktur vor.10

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Definition der Bedingung. Unter dem Ausdruck „vereinbarte Bedingungen“ ist alles zu subsumieren, was Gegenstand der kaufmännischen und finanziellen Beziehungen und damit Gegenstand des schuldrechtlichen Leistungsaustausches zwischen den verbundenen Unternehmen ist.11 Der Begriff umfasst damit neben dem vereinbarten Preis sämtliche weiteren Geschäftsbedingungen (wie z.B. Lieferbedingungen, Zahlungskonditionen, Gewährleistungen, Gefahrenübergang). Die Bedingungen können schriftlich, mündlich oder stillschweigend vereinbart werden.12 Da die Vertragsstaaten im Rahmen ihrer Verrechnungspreisprüfung das zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Geschäft anerkennen müssen, beschränkt sich die ver-

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1 Zu Anwendungsbeispielen vgl. auch Haverkamp/Binding, ISR 2015, 85 (89 f.); a.A. BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003 – DOK 2017/0276404, BStBl. I 2017, 701, Rz. 2. 2 Vgl. Rz. 1.120 und 9.34 OECD-Leitlinien 2017; Baumhoff/Puls, IStR 2009, 73 (76 f.); Werra, IStR 2009, 81 (82). 3 Rz. 1.120 OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. auch Eigelshoven/Kroppen in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. I Anm. 160 ff. 5 Vgl. Rz. 1.121 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. BFH v. 18.12.1996 – I R 26/95, BHF/NV 1997, R 232; v. 20.3.2002 – I R 63/99, DStR 2002, 1348; Kuckhoff/ Schreiber, IStR 1999, 321 (324); Borstell, StbJb 2001/2002, 201 (221); Werra, IStR 1994, 483 (484). 7 Vgl. Rz. 9.34 OECD-Leitlinien 2017. 8 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 3.1. 9 Vgl. dazu grundlegend BFH v. 8.12.1997 – GrS 1-2/95, BStBl. II 1998, 193 (198) = FR 1998, 147 m. Anm. Seer. 10 Vgl. Schneeloch, DStR 1987, 458 (459); Kleineidam, IStR 1993, 349 (351). 11 Vgl. Rz. 1.2 OECD-Leitlinien 2017. 12 Vgl. Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 96.

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Art. 9 Rz. 59

Verbundene Unternehmen

einbarte oder auferlegte Bedingung in der Regel auf den zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarten (Verrechnungs-)Preis.1 Dies bedeutet nach der neueren Rechtsprechung des BFH nicht, dass nur der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis einem Fremdvergleich zugänglich ist (zu Einzelheiten vgl. Rz. 30).2 Vielmehr können auch weitere „Bedingungen“ der Geschäftsbeziehung deren Fremdunüblichkeit nach sich ziehen. Infolgedessen lassen sowohl § 1 Abs. 1 AStG als auch Art. 9 Abs. 1 Einkünftekorrekturen zu, die sich aus anderen als einem unangemessenen (Verrechnungs-)Preis ergeben. Erfolgt daher aufgrund des § 1 Abs. 1 AStG eine Umqualifizierung oder Negierung von Verträgen bzw. vertraglicher Einzelbedingungen (z.B. Besicherung von Darlehen) und wird darauf aufbauend eine Einkünftekorrektur durch einen Vertragsstaat vorgenommen, ist fraglich, ob Art. 9 Abs. 1 eine Sperrwirkung entfaltet. Nach der älteren Rechtsprechung ist dies der Fall (vgl. Rz. 20); nach der geänderten Rechtsprechung des BFH v. 27.2.2019 indessen nicht mehr (vgl. Rz. 24).3 Dies gilt jedoch nicht bei Einkünftekorrekturen auf Basis rein formaler Kriterien (vgl. Rz. 25 f.).4 60

Abschreibungen auf Gesellschafterdarlehen. Nach der Auffassung der Finanzverwaltung sind Teilwertabschreibungen auf unbesicherte Gesellschafterdarlehen unter bestimmten Voraussetzungen für Veranlagungszeiträume vor 20085 nach § 1 AStG zu korrigieren.6 Der Begriff der „Bedingung“ erstreckt sich i.S.d. Art. 9 Abs. 1 und des § 1 Abs. 1 AStG auf sämtliche, einer kaufmännischen oder finanziellen Beziehung zu Grunde liegenden Geschäftsbedingungen. Damit kann auch die fehlende Besicherung eines Darlehens grundsätzlich sowohl von Art. 9 Abs. 1 als auch von § 1 Abs. 1 AStG erfasst werden.7 Beide Vorschriften lassen allerdings eine Korrektur der Bedingungen jedenfalls insofern nicht zu, als sie im Ergebnis zu einer Negierung der Geschäftsbeziehung insgesamt führen (vgl. Rz. 57). Folglich ist bei der steuerlichen Beurteilung eines Geschäftsvorfalls von dem tatsächlich abgewickelten Geschäft auszugehen, wie es zwischen den beiden verbundenen Unternehmen ausgestaltet wurde. Eine konsequente Anwendung des § 1 AStG bedeutet dann aber, dass die unternehmerische Disposition über die Risikoverteilung anzuerkennen ist und eine dementsprechende Bemessung eines fremdvergleichskonformen Zinssatzes zur Folge hat.8 Eine Korrektur der Bedingungen lässt demgegenüber weder Art. 9 Abs. 1 noch § 1 AStG zu. Insofern erfolgt die Einkünftekorrektur der Höhe nach in der Regel auf Basis eines konkreten Fremdvergleichspreises. Nach Auffassung des BFH kann jedoch auch eine fehlende Darlehensbesicherung eine nicht fremdübliche „Bedingung“ i.S.d. § 1 Abs. 1 AStG und des Art. 9 Abs. 1 darstellen.9 Nach der geänderten Rechtsprechung des BFH (vgl. Rz. 24) beschränkt Art. 9 Abs. 1 daher nicht den Korrekturbereich auf reine (Verrechungs-)Preiskorrekturen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung.10

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Rechtsprechung des BFH. Der BFH hat die Frage, ob fremdunübliche Bedingungen und infolgedessen Teilwertabschreibungen auf grenzüberschreitende Gesellschafterdarlehen gem. § 1 Abs. 1 AStG zu korrigieren sind, zunächst offengelassen. Allerdings stand einer solchen Korrektur nach der mittlerweile überholten Rechtsprechung die Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 entgegen.11 Dies begründete der BFH (zutreffend) damit, dass sich nach Art. 9 Abs. 1 Korrekturen nur auf den Verrechnungspreis „der Höhe nach“ beziehen dürfen, nicht jedoch auf die Bedingungen der vereinbarten schuldrechtlichen Beziehung selbst (zu Einzelheiten vgl. Rz. 20 ff.). Die Finanzverwaltung hat auf die Rechtsprechung des BFH mit einem (nicht überzeugenden) 1 Auch nach Ansicht der OECD läuft die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Preisbestimmung für die Geschäftsbeziehung hinaus. Vgl. Rz. 1.33 OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 27; Wacker, FR 2019, 449 (455); a.A. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455; Greil/Wargowske, ISR 2016, 157 ff.; BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; Gosch, BFH/PR 2015, 173; Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 997, Ditz/Liebchen, IStR 2012, 103; Andresen, IStR 2014, 207; Rasch/Chwalek, IWB 2015, 377; Bärsch/Engelen, DB 2016, 191; Greinert/Metzner, DK 2015, 427; Engelen/Luckhaupt/Quilitzsch, ISR 2015, 373. 3 Vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034; Wacker, FR 2019, 449 (455). 4 So explizit BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034, Rz. 27. 5 Für Veranlagungszeiträume ab 2008 ist das Abzugsverbot gem. § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG i.d.F. des JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150, zu beachten. Zur nicht möglichen Anwendung des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG a.F. für Veranlagungszeiträume bis 2007 vgl. BFH v. 14.1.2009 – I R 52/08, BStBl. II 2009, 674. 6 Vgl. BMF v. 29.3.2011 – IV B5 - S 1341/09 – DOK 2011/0203248, BStBl. I 2011, 277, und dazu Roser, GmbHR 2011, 841 ff.; Kaminski/Strunk, Stbg 2011, 246 ff.; Prinz/Scholz, FR 2011, 925 ff.; Ditz/Liebchen, IStR 2012, 97 ff. 7 Vgl. auch Ditz/Tcherveniachki, IStR 2009, 709 (712 f.); Prinz/Scholz, FR 2011, 925 (926); Ditz/Liebchen, IStR 2012, 97 (102 f.). 8 Vgl. Ditz/Liebchen, IStR 2012, 97 (103). 9 Vgl. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, DStR 2019, 1034; Wacker, FR 2019, 449 (455). 10 Noch a.A. BFH v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261. 11 Vgl. BFH v. 17.12.2014 – II R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 63 Art. 9

Nichtanwendungserlass reagiert (vgl. dazu im Einzelnen Rz. 22 f.).1 Mittlerweile hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben (vgl. Rz. 24).

VI. Abweichung von einem Fremdvergleich 1. Begriff und Formen des Fremdvergleichsgrundsatzes a) Bedeutung des Fremdvergleichsgrundsatzes Maßstab des Fremdvergleichs. Art. 9 Abs. 1 lässt eine Gewinnkorrektur durch die Vertragsstaaten zu, wenn im Hinblick auf die kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen (vgl. Rz. 52 ff.) zwischen verbundenen Unternehmen Bedingungen (vgl. Rz. 57 f.) vereinbart wurden, „die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden“. Damit bildet der Fremdvergleichsgrundsatz den zentralen Maßstab, an welchem sich eine Korrektur von Verrechnungspreisen zwischen verbundenen Unternehmen auszurichten hat. Der Fremdvergleichsgrundsatz dient einerseits als Tatbestandsvoraussetzung, andererseits ist er Korrekturmaßstab der Höhe nach (vgl. Rz. 35). Er wird durch die OECD in den OECD-Leitlinien im Einzelnen konkretisiert (vgl. Rz. 36 ff.).

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Auswirkungen des BEPS-Projekts der OECD. Wenngleich Verrechnungspreissachverhalte im Rahmen des 63 BEPS-Projekts der OECD und der G20-Staaten als wesentliche Ursache für Gewinnverlagerungen in niedrig besteuerten Staaten identifiziert wurden, hat die OECD am Fremdvergleichsgrundsatz als Maßstab der Bestimmung angemessener Verrechnungspreise festgehalten und Art. 9 Abs. 1 nicht angepasst.2 Gleichwohl wurden die Verrechnungspreis-Leitlinien wesentlich überarbeitet, indem insbesondere die Erkenntnisse der BEPS-Aktionspunkte 8–10 und 13 aufgenommen wurden (vgl. zu Einzelheiten auch Rz. 36). Die Anpassungen der OECD-Leitlinien sollen insbesondere sicherstellen, dass Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen an den durch ihnen ausgeübten Funktionen, wahrgenommenen Risiken und eingesetzten Wirtschaftsgütern (insbesondere immaterielle Vermögenswerte) ausgerichtet wird. Ausgangspunkt der Verrechnungspreisbestimmung und -dokumentation ist insofern eine Wertschöpfungsbeitragsanalyse, die weniger auf die formalen, vertraglichen Bedingungen als vielmehr auf die tatsächliche Wahrnehmung von Funktionen und Risiken abstellt.3 Infolgedessen verliert die rechtliche Abbildung eines Geschäftsvorfalls an Bedeutung, während der Grundsatz „Substance over Form“ mehr im Mittelpunkt der Bestimmung und Dokumentation von Verrechnungspreisen steht. Darüber hinaus hat sich die OECD ausführlich mit der Behandlung von immateriellen Vermögenswerten beschäftigt; denn diese können ganz besonders für Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerstaaten und aggressive Steuergestaltungen genutzt werden. Vor diesem Hintergrund hat die OECD eine allgemeine Definition des immateriellen Vermögenswerts („Intangible“) geschaffen und darüber hinaus mit den DEMPE-Funktionen (Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung, Schutz und Verwertung des immateriellen Vermögenswerts) für die Zuordnung von Gewinnen bei immateriellen Vermögenswerten geschaffen (vgl. Rz. 120).4 Außerdem hat sich die OECD in Bezug auf schwer bewertbare immaterielle Vermögenwerte Preisanpassungen geöffnet.5 Mit Bericht aus Juni 2018 hat die OECD die Anwendung der Profit-Split-Methode (vgl. dazu Rz. 97 f.) konkretisiert und weiterentwickelt. Der Bericht ersetzt das entsprechende Kapitel in den OECD-Leitlinien 2017. Nunmehr sollen auch die aus der Verwertung eines immateriellen Vermögenswerts entstandenen Gewinne der Verrechnungspreisbestimmung zu Grunde gelegt werden.6 Schließlich müssen die Konsequenzen der geänderten Verrechnungspreisdokumentationsvorschriften (Master File und Local File)7 sowie die Einführung des Country-by-Country Reporting gesehen werden. Vor allem Letzteres hat beträchtliche Auswirkungen auf die Positionierung und Argumentation der Finanzbehörden in Betriebsprüfungen. Bereits jetzt zeigt sich, dass die angemessene Gewinnallokation im Gesamtkonzern immer mehr in die Diskussion mit den Betriebsprüfern rückt. Die Frage geht meistens dahin, ob die involvierten verbundenen Unternehmen eine ihren wahrgenommenen Funktionen und Risiken sowie eingesetzten (immateriellen) Vermögenswerten an1 Vgl. BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. 2 Vgl. Greil/Greil, StuW 2018, 184 (185). 3 Vgl. Greil/Greil, StuW 2018, 184 (185 f.); Greil/Fehling, IStR 2017, 757 (758); Kroppen in FS Endres, 2016, 199 (202). 4 Vgl. dazu OECD, Abschlussbericht zu den BEPS-Aktionspunkten 8–10, Rz. 6.32 ff.; Naumann/Groß, IStR 2014, 906 (909). 5 Vgl. OECD, Abschlussbericht zu den BEPS-Aktionspunkten 8–10, Rz. 6.186 ff.; OECD, Guidance for Tax Administrations on the Application of the Approach to Hard-to-Value Intangibles (2018); Groß, IStR 2016, 233 (237). 6 OECD, Revised Guidance on the Application of the Transactional Profit Split Method; vgl. dazu Rasch in Kroppen/ Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. VI Anm. 14 ff. 7 Für das deutsche Recht vgl. insoweit § 90 Abs. 3 AO.

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Art. 9 Rz. 63

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gemessene Umsatzrendite erwirtschaften. Vor diesem Hintergrund hat das BEPS-Projekt auch dazu geführt, dass die Verrechnungspreisprüfung in praxi immer mehr gewinnorientiert erfolgt.1 Auch insoweit erfolgt immer mehr eine wertschöpfungsorientierte, anstatt einer transaktions- und preisbezogenen Prüfung mit einem Fokus auf die angemessene Gewinnallokation im Konzern. Dies war indessen von der OECD explizit nicht beabsichtigt.2 64

Grenzen des Fremdvergleichs. Wenngleich – auch nach dem BEPS-Projekt der OECD – ein breiter internationaler Konsens darüber besteht, dass die internationale Gewinnabgrenzung transaktionsbezogen unter Berücksichtigung des Dealing-at-Arm’s-Length-Prinzips durchzuführen ist, ist dieses Prinzip als Maßstab der internationalen Gewinnabgrenzung nicht unumstritten. Die dafür angeführten Gründe beziehen sich regelmäßig auf die nicht zu verleugnenden Grenzen, die einer Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz anhaften.3 Denn die strategische Ausrichtung international agierender Unternehmen wird von einer globalen, internationalen Unternehmenspolitik geprägt. Zentrales Motiv einer solchen globalen Unternehmensstrategie4 ist im Rahmen einer optimalen Koordination und Integration der in den unterschiedlichen Staaten ansässigen Unternehmenseinheiten (Betriebsstätten oder verbundene Unternehmen) die Realisierung von Synergieeffekten, die letztlich zu einem Wettbewerbsvorteil führen sollen.5 Es ist unmöglich, derartige Effekte als preisbildende Faktoren nach dem Fremdvergleichsgrundsatz auf den Verrechnungspreis einer einzelnen Geschäftsbeziehung zu übertragen.6 Ferner ist die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes darauf angewiesen, dass unternehmensinterne bzw. konzerninterne Liefer- und Leistungsbeziehungen identifiziert und bewertet werden können. Darüber hinaus muss auch „am Markt“ eine entsprechende Vergleichstransaktion bestimmt werden. In der Verrechnungspreispraxis ist es indessen in Einzelfällen schwierig, eine entsprechende Transaktion zu isolieren und diese mit einem Fremdvergleichspreis zu bewerten.7 Dies gilt insbesondere für stark integrierte Unternehmen, bei denen einzelne Leistungsbeziehungen zwischen den Unternehmenseinheiten so eng miteinander verbunden sind oder zeitlich so dicht aufeinanderfolgen, dass eine isolierte Beurteilung der einzelnen Leistungsbeziehungen nicht möglich ist. Beispielsweise ist in diesem Zusammenhang auf das „Global Trading“ und das „Global Development“ zu verweisen.8 Darüber hinaus ergeben sich in der Praxis häufig in den folgenden Bereichen Schwierigkeiten: – Abgrenzung des Gesellschafteraufwands von verrechnungspflichtigen Dienstleistungen; – Abgrenzung der Nutzungsüberlassung von Konzern- und Dachmarken von der Überlassung der Firma; – Abgrenzung der Übertragung bzw. Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter, wie z.B. Know-how oder einem Kundenstamm; – Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums an immateriellen Wirtschaftsgütern verbunden mit der Frage, ob eine Übertragung, Nutzungsüberlassung oder Beistellung vorliegt; – Abgrenzung der Personalentsendung von der Erbringung von Dienstleistungen; – Abgrenzung der Funktionsverlagerung gegenüber der Übertragung/Nutzungsüberlassung einzelner immaterieller Wirtschaftsgüter; – Abrechnungspflicht von Garantien, Bürgschaften und Patronaten. 1 Dazu kritisch mit einem Verweis auf die „Neiddebatte“ zwischen den Finanzbehörden Lagarden, TPI 2018, 63 (71). 2 Vgl. Rz. 5.25 OECD-Leitlinien 2017: „Die im Country-by-Country Report enthaltenen Informationen stellen für sich genommen keinen überzeugenden Nachweis dafür dar, dass Verrechnungspreise angemessen bzw. nicht angemessen sind. Sie sollen von den Steuerverwaltungen nicht genutzt werden, um Verrechnungspreisanpassungen auf der Grundlage einer globalen formelhaften Gewinnaufteilung vorzuschlagen.“ 3 Vgl. Wassermeyer in Endres/Oestreicher u.a., Die internationale Unternehmensbesteuerung im Wandel, 2005, 63 ff.; Oestreicher in Endres/Oestreicher u.a., Die internationale Unternehmensbesteuerung im Wandel, 2005, 73 ff.; Herzig/Teschke/Joisten, Intertax 2010, 334 (335 f.); Schön, IStR 2011, 777 (780 f.); Luckhaupt/Overesch/Schreiber, StuW 2012, 359 ff.; Brem, TNI 2004, 1005 ff.; Schneider, DB 2003, 53 ff.; Brauner, Intertax 2014, 615 ff.; Avi-Yonah, World Tax Journal, February 2010, 3 ff.; Avi-Yonah/Benshalom, World Tax Journal, October 2011, 371 ff. 4 Zum Begriff vgl. Kleineidam, IStR 2001, 724 (724); Herzig, WPg 1998, 280 (281); Li, TNI 2001, 775 (777 f.). 5 Zu nennen sind etwa Maßnahmen zur Realisierung von Skaleneffekten (z.B. durch die Nutzung von Kostendegressionen, die Erhöhung der Marktmacht gegenüber dem Beschaffungs- und Absatzmarkt, die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und Know-how etc.) und zur globalen Integration der lokalen Unternehmenseinheiten (z.B. Entwicklung einer einheitlichen Unternehmensphilosophie, Standardisierung von Strategieinhalten und von betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten) die Zentralisierung von Funktionen. 6 Vgl. Ditz, FR 2015, 115 (116); Kleineidam, IStR 2001, 724 (726 f.); Oestreicher in Endres/Oestreicher u.a., Die internationale Unternehmensbesteuerung im Wandel, 2005, 73 (76 ff.). 7 So auch Oestreicher in Oestreicher/Endres u.a., Die internationale Unternehmensbesteuerung im Wandel, 2005, 73 (74). 8 Vgl. zu Einzelheiten Portner, IStR 1995, 358 ff.; Kaminski, IStR 2001, 539 (540 f.); Li, TNI 2001, 775 (779); Häuselmann, IStR 2003, 139 (141).

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 65 Art. 9

Die Durchführung eines Fremdvergleichs hat ihren Ausgangspunkt in einem Vergleich der gruppeninternen Liefer- oder Leistungsbeziehung mit den Vereinbarungen voneinander unabhängiger Unternehmen unter vergleichbaren Bedingungen gesetzt sind. Diese Voraussetzung der Vergleichbarkeit der Verhältnisse macht die Durchführung eines Fremdvergleichs in praxi häufig schwierig:1 – Die Anwendung der Preisvergleichsmethode scheitert oft daran, dass eine Vergleichbarkeit der Verhältnisse aufgrund der Unvollkommenheit der Märkte nicht nachgewiesen werden kann. Ein weiteres Anwendungsproblem besteht darin, dass konzernspezifische Lieferungen und Leistungen am Markt nicht erhältlich sind (z.B. Managementleistungen, Marken- und Know-how-Lizenzen, Funktionsverlagerungen und Finanzierungsleistungen). – Die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode ist auf Lieferungen an Vertriebsgesellschaften beschränkt. Die Verrechnungspreispraxis zeigt, dass ein externer oder interner Betriebsvergleich zur Ermittlung der angemessenen Handelsspanne häufig an fehlenden Vergleichsdaten scheitert. – Auch bei der Kostenaufschlagsmethode ergeben sich Anwendungsprobleme. Hier stellt sich z.B. die Frage der Bestimmung der Kostenbasis (Kostenbegriff? Teil- oder Vollkosten? Zeitbezug der Kosten?) sowie des angemessenen Gewinnaufschlags. Vor allem Letzteres läuft wiederum auf die Frage der Vergleichbarkeit der Verhältnisse hinaus, wobei in der Praxis häufig Datenbankanalysen durchgeführt werden (vgl. dazu Rz. 73 u. 94).2 Vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten kommt der BFH in seinem Grundsatzurteil zu Verrechnungspreisen v. 17.10.20013 zutreffend zum Ergebnis, dass es den „einen“, richtigen Fremdvergleichspreis nicht gibt, sondern nur Bandbreiten von Preisen bestimmt werden können. Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung ergibt sich bei der Ermittlung von Fremdvergleichspreisen „regelmäßig eine Reihe möglicher Werte“.4 Globale Gewinnaufteilungsmethode als Alternative? Auf Grund der dargestellten Problembereiche des Fremdvergleichs wird in der Literatur immer wieder die Anwendung einer globalen Gewinnaufteilungsmethode unter Berücksichtigung pauschaler Schlüsselgrößen gefordert.5 In diesem Zusammenhang sind auch die Bemühungen der EU zur Schaffung einer Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB)6 zu sehen.7 Das Konzept der Aufteilung eines konsolidierten Gruppenergebnisses anhand von Schlüsselgrößen macht die Bestimmung von Verrechnungspreisen für gruppeninterne Lieferungen und Leistungen und damit die Anwendung eines Fremdvergleichs grundsätzlich (d.h. unter der Voraussetzung, dass alle Staaten das System anwenden) überflüssig. Die globale Gewinnaufteilungsmethode ist indessen mit nicht unerheblichen Problemen verbunden.8 Diese betreffen – aus Sicht der betriebswirtschaftlichen Theorie – die Unmöglichkeit, die den Gesamtgewinn des Konzerns bzw. des Unternehmens verursachenden wirtschaftlichen (Erfolgs-)Faktoren zu identifizieren, zu gewichten und in einem verursachungsgerechten Aufteilungsschlüssel zusammenzufassen. Darüber hinaus ergeben sich auch aus praktischer Sicht Bedenken, die sich insbesondere auf die Ermittlung des weltweit erzielten Gesamtgewinns und die internationale Abstimmung des Aufteilungsschlüssels beziehen. Nur bei internationaler Einigkeit über beide Größen ist eine kongruente Gewinnabgrenzung und somit die Vermeidung einer internationalen Doppelbesteuerung gewährleistet. Wenngleich die globale Gewinnaufteilungsmethode die Identifikation und Bewertung von Leistungsbeziehungen überflüssig macht, führt dieser Ansatz zu einer Vielzahl neuer Probleme. Insbesondere vor dem Hintergrund des notwendigen internationalen Harmonisierungs- und 1 Vgl. Luckhaupt/Overesch/Schreiber, StuW 2012, 359 (363); Vidal, Intertax 2009, 512 (519). 2 Zu Einzelheiten vgl. Ditz in Schönfeld/Ditz, Art. 9 OECD-MA Rz. 57 m.w.N. 3 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 = FR 2002, 154 und dazu im Einzelnen Wassermeyer, DB 2001, 2465 ff.; Baumhoff, IStR 2001, 751 ff.; Kuckhoff/Schreiber, IWB, F. 3, Gr. 1, 863 ff. 4 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.5. Buchst. a. 5 Vgl. etwa Greil, Intertax 2017, 624 ff.; Oestreicher in Endres/Oestreicher u.a., Die internationale Unternehmensbesteuerung im Wandel, 2005, 73 (91); Avi-Yonah/Benshalom, World Tax Journal, October 2011, 371 ff.; Li, Canadian Tax Journal, 2002, 823 ff.; Vann, World Tax Journal, October 2010, 291 ff. 6 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag über eine Richtlinie des Rates über eine Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) v. 16.3.2011, KOM (2011) 121 endgültig/2; Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, COM (2016) 685 final. 7 Vgl. zur GKKB im Einzelnen Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 773 ff.; Herzig/Kuhr, DB 2011, 2053 ff.; Kußmaul/ Niehren, StB 2011, 344 ff.; Förster/Krauß, IStR 2011, 607 ff.; Scheffler/Krebs, DStR 2011, Beihefter zu Heft 22; Herzig, FR 2012, 761 f.; Kahle/Schulz, FR 2013, 49 ff.; Spengel/Stutzenberger, IStR 2018, 37 ff.; Haase/Nürnberg, Ubg 2018, 29 (31 ff.). 8 Zu einer detaillierten Analyse vgl. Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, 2000, 158 ff.; Oestreicher in Endres/ Oestreicher u.a., Die internationale Unternehmensbesteuerung im Wandel, 2005, 73 (81 ff.); Rz. 1.16 ff. OECDLeitlinien 2017.

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Art. 9 Rz. 65

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Abstimmungsbedarfs erscheint es zweifelhaft (oder sogar unmöglich), ob die globale Gewinnaufteilungsmethode sich als wirkliche Alternative zum Fremdvergleichsgrundsatz durchsetzen kann. Dabei ist zu bedenken, dass über den Fremdvergleichsgrundsatz ein weltweiter Konsens erzielt wurde, der ein sehr „wertvolles Gut“1 darstellt. Insoweit befindet sich die internationale Gewinnabgrenzung nicht mehr in der Stunde „Null“. Vielmehr hat sich der Fremdvergleichsgrundsatz als Maßstab für die Gewinnabgrenzung im internationalen Konzern und im internationalen Einheitsunternehmen in den Musterabkommen der OECD, der UN und den USA sowie in der deutschen Verhandlungsgrundlage2 und den weltweit abgeschlossenen DBA etabliert. Die OECD (in 2010) und der deutsche Gesetzgeber (in 2013) haben ihn sogar über den AOA explizit und uneingeschränkt auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung übertragen, obwohl dies sicherlich nicht zwingend notwendig gewesen wäre. Die innerstaatlichen Gewinnermittlungs- und Korrekturvorschriften sind am Fremdvergleichsgrundsatz ausgerichtet. Infolgedessen würde eine Abkehr vom Status quo dazu führen, dass alle weltweit abgeschlossenen DBA neu verhandelt und die damit abgestimmten Vorschriften des innerstaatlichen Rechts geändert werden müssten. Neben den damit verbundenen Belastungen für die Steuergesetzgeber, die nationalen Finanzbehörden und die Steuerpflichtigen entstünden im Rahmen eines isolierten Methodenwechsels durch einzelne Staaten, aber auch bei einem weltweiten Übergang auf die globale Gewinnaufteilungsmethode, zwangsläufig Doppelbesteuerungen. Denn beide Methoden führen nur in Ausnahmefällen zu identischen Ergebnissen. Verständigungs- oder Schiedsverfahren könnten die Doppelbesteuerung freilich theoretisch, aber wohl nicht praktisch beseitigen. b) Vergleichbarkeit der Verhältnisse 66

Kriterien der Vergleichbarkeit. Die Durchführung eines Fremdvergleichs hat ihren Ausgangspunkt in einem Vergleich der gruppeninternen Lieferungs- oder Leistungsbeziehungen mit den Vereinbarungen voneinander unabhängiger Unternehmen3 unter vergleichbaren Bedingungen. Neben der Unabhängigkeit der Geschäftspartner ist damit die Vergleichbarkeit der Verhältnisse das zentrale Merkmal eines Fremdvergleichs. Nach Auffassung der Rspr.,4 der Finanzverwaltung5 und der OECD6 ist eine Vergleichbarkeit der Verhältnisse gegeben, wenn sich die Vergleichstatbestände nach ihrer Art, ihren Merkmalen, ihrem Umfang und den maßgeblichen Markt- bzw. Branchenverhältnissen entsprechen. Dabei sind insbesondere folgende Merkmale zur Prüfung der Vergleichbarkeit der Verhältnisse zu berücksichtigen:7 – Art, Ausgestaltung, Qualität und Umfang der Lieferungen und Leistungen; – allgemeine Marktverhältnisse, in denen die Lieferungen und Leistungen erstellt, genutzt, verbraucht oder veräußert werden; – Funktionen, die von den involvierten Unternehmen wahrgenommen werden, sowie die übernommenen Risiken und eingesetzten Mittel (Rz. 68 f.); – Marktstufe, auf der die Lieferungen und Leistungen ausgetauscht werden; – vereinbarte Vertrags- und Lieferbeziehungen; – Fristigkeit der Liefer- und Leistungsbeziehungen; – unternehmerische Zielvorstellungen sowie betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen der in eine Geschäftsbeziehung involvierten verbundenen Unternehmen. Darüber hinaus nennt die OECD die folgenden Vergleichsfaktoren, die im Rahmen der Vergleichbarkeitsanalyse zu berücksichtigen sind:8 – Produkteigenschaften von Wirtschaftsgütern und Dienstleistungen; – Funktionen und Risiken (Funktionsanalyse); – Vertragsbedingungen; – wirtschaftliche Verhältnisse; – Geschäftsstrategien; 1 Becker, IWB 1999 F. 10 Gr. 2, 1392. 2 Vgl. dazu Ditz/Bärsch/Quilitzsch, ISR 2013, 156 ff. 3 Unabhängige Unternehmen sind solche, welche nicht miteinander verbunden sind, vgl. dazu im Einzelnen Rz. 32 ff. 4 Vgl. BFH v. 1.2.1967 – I 220/64, BStBl. III 1967, 497; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.1.2.; v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.7. 6 Vgl. Rz. 1.36 und 1.42 ff. OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.1.2.; Rz. 1.36 ff. und 1.42 ff. OECD-Leitlinien 2017. 8 Vgl. Rz. 1.42 ff. und 1.139–1.173 OECD-Leitlinien 2017.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 68 Art. 9

– Standortfaktoren und andere lokale Marktbedingungen; – qualifizierte und eingearbeitete Belegschaft; – Synergieeffekte.1 Uneingeschränkte versus eingeschränkte Vergleichbarkeit. Eine Vergleichbarkeit der Verhältnisse setzt – im Unterschied zur Identität – nicht voraus, dass die zu vergleichenden Transaktionen absolut deckungsgleich sind. Insbesondere ist im Hinblick auf die Verrechnungspreispraxis festzustellen, dass an das Kriterium der Vergleichbarkeit der Verhältnisse keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Auch die OECD-Leitlinien 2017 gehen von Fremdvergleichsbandbreiten aus, für deren Werte angenommen werden muss, dass Vergleichbarkeitsdefizite, etwa infolge von Informationsmängeln oder Verfahrensmängeln bei der Auswahl von Vergleichswerten, verbleiben, die nicht identifiziert oder quantifiziert werden können und deshalb nicht anzupassen sind.2 Dies zeigt bspw. die Durchführung von sog. Datenbankanalysen3 (vgl. Rz. 73 und 94), bei welchen häufig nur schwerlich geeignete Vergleichsunternehmen und -transaktionen ausfindig gemacht werden können. Vor diesem Hintergrund hat es sich in der Praxis als sinnvoll erwiesen, die Vergleichsfaktoren auf die wesentlichen preis- und gewinndeterminierenden Faktoren zu reduzieren.4 Dazu gehören neben den von den verbundenen Unternehmen ausgeübten Funktionen die von ihnen getragenen Risiken sowie die von ihnen eingesetzten Produktionsmittel, welche im Rahmen einer Funktions- und Risikoanalyse im Einzelnen zu ermitteln sind (vgl. Rz. 68 f.). Im Hinblick auf den Grad der Vergleichbarkeit unterscheidet § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 AStG zwischen „uneingeschränkter“ und „eingeschränkter“ Vergleichbarkeit. Was unter „uneingeschränkter“ und „eingeschränkter“ Vergleichbarkeit zu verstehen ist, wird indessen gesetzlich nicht konkretisiert. Dies ist umso beachtlicher, als die Auswahl des Verrechnungspreises bei Vorliegen einer Preisbandbreite von dieser Unterscheidung erheblich beeinflusst wird. Während bei uneingeschränkt vergleichbaren Werten jeder Wert innerhalb der durch die Vergleichswerte gebildeten Preisbandbreite gewählt werden kann,5 ist bei eingeschränkt vergleichbaren Werten die Preisbandbreite gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG einzuengen. Die Unterscheidung zwischen uneingeschränkter und eingeschränkter Vergleichbarkeit ist international nicht üblich. Die OECD unterscheidet vielmehr zwischen „relativ gleichem“6 und einem „geringeren“7 Vergleichbarkeitsgrad.

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c) Funktions- und Risikoanalyse Bedeutung. Die Sicherstellung einer Vergleichbarkeit der Verhältnisse setzt im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse eine detaillierte Untersuchung der von den verbundenen Unternehmen ausgeübten Funktionen,8 der von diesen wahrgenommenen Risiken sowie die Feststellung der jeweils eingesetzten Produktionsmittel voraus.9 Infolgedessen überrascht es nicht, dass die Funktions- und Risikoanalyse einen wesentlichen Teil der Verrechnungspreisdokumentation ausmacht.10 Im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse kommt es nicht darauf an, einen zahlenmäßigen Vergleich der ausgeübten Funktionen vorzunehmen; vielmehr sind die wirtschaftliche Bedeutung der ausgeübten Funktion, ihre Häufigkeit, ihre Art und ihr Wert für die Beurteilung der Geschäftsbeziehung relevant.11 Neben der Funktionsverteilung ist die Risikoverteilung zwischen den verbundenen Unternehmen ein wesentlicher Bestandteil der Funktions- und Risikoanalyse. Häufig besteht zwischen den von einem Unternehmen ausgeübten Funktionen und den getragenen Risiken ein Zusammenhang.12 Ebenso wie die Funktionsallokation zwischen verbundenen Unternehmen

1 Vgl. zu Einzelheiten auch Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 245 ff. 2 Vgl. Rz. 3.57 OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. dazu Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 134 ff.; Scholz/Crüger, RIW 2005, 34 ff.; krit. Kolb, IWB F. 3 Gr. 1, 2391 ff.; Fischer/Looks/im Schlaa, BB 2010, 157 (160). 4 So zutreffend auch Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1937 (1939); Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 134 (136). 5 Dies steht nicht im Einklang mit der Rspr. des BFH, wonach der für den Steuerpflichtigen günstigste Wert der Preisbandbreite angesetzt werden kann. Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; Baumhoff/Ditz/ Greinert, DStR 2005, 1549 (1554); Kaminski, RIW 2007, 594 (596). 6 Rz. 3.56 OECD-Leitlinien 2017. 7 Rz. 3.2 und 3.56 f. OECD-Leitlinien 2017. 8 Zum Begriff der Funktion im Einzelnen vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 2.1.1; Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 275 ff. 9 Vgl. Rz. 1.51 OECD-Leitlinien 2017; § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.1.3, 2.2.3, 2.4.4 Buchst. a und 2.2.4; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.11.4. 10 Vgl. § 4 Nr. 3 GAufzV. 11 Vgl. Rz. 1.51 OECD-Leitlinien 2017. 12 Vgl. auch Eigelshoven/Retzer in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. I Anm. 84 ff.

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Art. 9 Rz. 68

Verbundene Unternehmen

erstreckt sich die Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen (vgl. Rz. 73) auch auf die Allokation von Risiken. Diese ergeben sich in der Regel aus den zwischen den verbundenen Unternehmen eingegangenen Verträgen.1 Fehlen solche, soll sich die Risikoverteilung nach Auffassung der OECD aus der tatsächlichen Durchführung der vertraglichen Beziehungen und ökonomischen Prinzipien – zu diesen rechnen auch Handelsbräuche – ergeben.2 Dabei ist zu beachten, dass unabhängige Unternehmen in der Regel nur solche Risiken tragen, die sie selbst kontrollieren können. Dabei soll „Kontrolle“ als Fähigkeit zur Entscheidung darüber verstanden werden, die in Frage stehenden Risiken zu übernehmen und das „Ob und Wie“ ihrer Kontrolle zu bestimmen.3 Entscheidend ist demgegenüber nicht, welche Partei die Risikoüberwachung im Tagesgeschäft vornimmt,4 sondern wer deren Ergebnisse bewertet und aus diesen Entscheidungen bzw. Handlungsbedürfnisse ableitet. Die Wahrnehmung von Kontrollfunktionen in Bezug auf Risiken erfordert die Fähigkeit, Entscheidungen über die Übernahme, Nichtübernahme oder Verringerung einer risikobehafteten unternehmerischen Chance zu treffen und diese Entscheidungen auch tatsächlich auszuüben sowie die Fähigkeit, Entscheidungen über die Art und Weise der Reaktion auf die mit den unternehmerischen Chancen verbundenen Risiken zu treffen und diese Entscheidungen auch tatsächlich auszuüben.5 69

Unternehmenscharakterisierung. Die Funktions- und Risikoanalyse ist zwingender Bestandteil der Vergleichbarkeitsanalyse. Sie schafft die Voraussetzung dafür, die in die Geschäftsbeziehung involvierten verbundenen Unternehmen zu charakterisieren, „um zu klären, ob und welches der beteiligten Unternehmen Routinefunktionen ausübt, welches das wesentliche Unternehmensrisiko trägt und welches mehr als Routinefunktionen ausübt, ohne die wesentlichen Risiken zu tragen.“6 Dabei sind nach Auffassung der Finanzverwaltung die drei folgenden Unternehmenstypen zu unterscheiden: – Routineunternehmen üben lediglich sog. Routinefunktionen (vgl. Rz. 96) aus, tragen geringe Risiken und setzen nur in geringem Umfang (immaterielle) Wirtschaftsgüter ein.7 Als Routinefunktionen werden beispielhaft die Erbringung konzerninterner, marktgängiger Dienstleistungen (vgl. Rz. 127), die Lohnfertigung (vgl. Rz. 104) sowie einfache Vertriebsfunktionen wie Kommissionär und sog. „Low Risk Distributor“ (vgl. Rz. 109 f.) verstanden. Sie erzielen im gewöhnlichen Geschäftsverlauf keine Verluste, sondern regelmäßig geringe, aber relativ stabile Gewinne. Dies heißt indessen nicht, dass sie per se verlustfrei agieren müssen.8 – Der Entrepreneur bzw. Strategieträger verfügt über die zur Durchführung von Geschäften wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter, übt erfolgskritische Funktionen aus und trägt die wesentlichen unternehmerischen Risiken.9 Dem Strategieträger sind die aus einem Geschäft resultierenden Residualgewinne oder -verluste zuzuordnen. – Unternehmen, die weder als Routineunternehmen noch als Strategieträger eingeordnet werden können, stellen sog. Mittelunternehmen oder Hybridunternehmen dar.10 Bei den Mittelunternehmen handelt es sich um einen spezifischen Begriff der deutschen Finanzverwaltung, welcher weder von den OECD-Leitlinien erwähnt wird, noch in anderen Staaten Verwendung findet.11 Dies ist insofern nachvollziehbar, als auch die Betriebswirtschaftslehre einen derartigen Unternehmenstyp nicht kennt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind bei Mittelunternehmen – soweit die Preisvergleichsmethode keine Anwendung finden kann – die Verrechnungspreise auf Grund von „Planrechnungen“ zu ermitteln.12 Dies soll dergestalt erfolgen, dass die Gewinnkomponente von Verrechnungspreisen u.a. auf Basis von Renditeziffern funktional vergleichbarer Unternehmen in dem entsprechenden Geschäftsbereich bestimmt wird. Hingegen soll die Anwendung der TNMM bei Mittelunternehmen nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht möglich sein.13 Diese Auffassung ist abzulehnen.14 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Vgl. auch Rz. 1.77 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Rz. 9.17 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Rz. 1.67 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Rz. 1.65 und 9.19 OECD-Leitlinien 2017 sowie die Beispiele in Rz. 1.70 und 9.21 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. ferner Werra, IStR 2009, 81 (83 f.). Vgl. Rz. 1.65 OECD-Leitlinien 2017. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2 Buchst. a; Ditz in Raupach/Pohl/ Ditz, Praxis des Internationalen Steuerrechts 2011, 102 f. Vgl. Ditz in Raupach/Pohl/Ditz, Praxis des Internationalen Steuerrechts, 5 f.; Baumhoff in FS Krawitz, 35. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2 Buchst. b. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2 Buchst. c. Vgl. auch Kroppen/Rasch in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 281 f.; Rasch/Rettinger, BB 2007, 353 (354). Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2 Buchst. c. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2 Buchst. c. Vgl. dazu Baumhoff/Liebchen in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 4.299.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 72 Art. 9

d) Bandbreitenbetrachtung Bandbreite angemessener Preise. § 1 Abs. 3 Satz 2 AStG verweist auf die Bandbreite von Werten. Ferner kommt der BFH in seinem Grundsatzurteil zu Verrechnungspreisen vom 17.10.20011 zum Ergebnis, dass es den „einen“, richtigen Fremdvergleichspreis nicht gibt, sondern es nur eine Bandbreite von Vergleichspreisen geben kann.2 Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung ergibt sich bei der Ermittlung von Fremdvergleichspreisen „regelmäßig eine Reihe möglicher Werte“.3 Infolgedessen ist anerkannt, dass die Ermittlung von Verrechnungspreisen nur innerhalb von Bandbreiten erfolgen kann. Dies ist insoweit zutreffend, als auch am Markt für vergleichbare Güter bzw. vergleichbare Dienstleistungen unterschiedliche Preise vereinbart werden. So ist es beispielsweise beim Kauf von bestimmten Waren, deren Preise nicht in – öffentlich zugänglichen – Preislisten festgehalten sind, typisch, dass die Anbieter unterschiedliche Preise für die gleiche Ware verlangen. Bei der Preisfestlegung kann es dabei z.B. auf die ökonomische Bedeutung des Nachfragers, seine Zahlungsbereitschaft, seine Marktmacht, seine Bereitschaft zur langfristigen Abnahme, die Möglichkeit zur Ausnutzung von Informationsasymmetrien etc. ankommen. Ferner können auch persönliche oder sachliche Präferenzen eines Nachfragers dazu führen, dass ein höherer Preis im Vergleich zu einem anderen Nachfrager durchgesetzt werden kann. Dabei kann weder der eine noch der andere Preis als „der richtige“ Preis für die betreffende Ware bzw. Dienstleistung bezeichnet werden. Vielmehr existiert eine Bandbreite von Marktpreisen. Folglich kann auf Grund der Unvollkommenheit der Märkte, der Vielgestaltigkeit unternehmerischer Strategien sowie unterschiedlicher ökonomischer Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren ein mathematisch genau fixierbarer Preis nicht abgeleitet werden. Es lässt sich vielmehr lediglich eine Bandbreite angemessener Preise feststellen. Infolgedessen geht die OECD zutreffend davon aus, dass es sich bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen um keine exakte Wissenschaft handelt, sondern zwangsläufig immer gewisse Unsicherheiten bestehen.4 Dies zeigt auch die Vergleichbarkeitsanalyse, deren Faktoren sich immer nur näherungsweise bestimmen lassen.5

70

e) Arten des Fremdvergleichs aa) Tatsächlicher Fremdvergleich Innerbetrieblicher Vergleich. Der tatsächliche Fremdvergleich, der allgemein als der „klassische Fall“ des Fremdvergleichs angesehen wird, orientiert sich zur Ermittlung von Verrechnungspreisen an tatsächlich am Markt feststellbaren Preisen, die zwischen nicht verbundenen Unternehmen (vgl. Rz. 44 ff.) unter vergleichbaren oder ähnlichen Verhältnissen getroffen wurden. Der tatsächliche Fremdvergleich, der von der OECD als „die direkteste und verlässlichste Methode für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes“6 bezeichnet wird, lässt sich in Form eines innerbetrieblichen (internen) oder eines zwischenbetrieblichen (externen) Vergleichs durchführen. Ein innerbetrieblicher Vergleich ist immer dann möglich, wenn das verbundene Unternehmen die gleiche Lieferung bzw. Leistung sowohl mit verbundenen als auch mit unverbundenen Geschäftspartnern austauscht. Liefert beispielsweise eine Konzern-Produktionsgesellschaft die von ihr hergestellten Produkte sowohl an externe Händler als auch an eine Konzern-Vertriebsgesellschaft, kann der mit den externen Händlern vereinbarte Preis als Verrechnungspreis für die Lieferungen an die Konzern-Vertriebsgesellschaft herangezogen werden. Dies allerdings nur dann, wenn vergleichbare Verhältnisse vorliegen (vgl. Rz. 66 f.). Sind die Voraussetzungen für einen innerbetrieblichen Vergleich erfüllt, stellt diese Art des tatsächlichen Fremdvergleichs die theoretisch exaktere und in der Durchführung zweckmäßigste Verfahrensweise zur Ermittlung fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise dar. Die besondere Eignung des innerbetrieblichen Vergleichs ergibt sich dabei aus der Einbeziehung des verbundenen Unternehmens in den Vergleichstatbestand. Dies ist insofern vorteilhaft, als sowohl die Möglichkeit einer Beachtung der Konzernzugehörigkeit durch die Berücksichtigung innerbetrieblicher Einflussfaktoren als auch die einer relativ problemlosen Ermittlung der relevanten Vergleichsdaten aus den Unterlagen des betreffenden Unternehmens besteht.

71

Zwischenbetrieblicher Vergleich. Als Vergleichstatbestände des zwischenbetrieblichen Vergleichs dienen Vereinbarungen, die zwischen zwei nicht verbundenen Unternehmen am Markt für vergleichbare Lieferungen oder Leistungen unter vergleichbaren Bedingungen (vgl. Rz. 66 f.) festgelegt wurden. Der Unterschied

72

1 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 und dazu im Einzelnen Wassermeyer, DB 2001, 2465 ff.; Baumhoff, IStR 2003, 2; Kuckhoff/Schreiber, IWB, F. 3, Gr. 1, 863 ff. 2 Vgl. auch Rz. 1.13 OECD-Leitlinien 2017. 3 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.5 Buchst. a und dazu im Einzelnen Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1554. 4 Vgl. Rz. 1.13 OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. Rz. 3.55 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Rz. 2.15 OECD-Leitlinien 2017.

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Art. 9 Rz. 72

Verbundene Unternehmen

zum innerbetrieblichen Vergleich liegt darin, dass der Ursprung der zu Grunde zu legenden Vereinbarungen außerhalb des Einflussbereichs der involvierten verbundenen Unternehmen liegt. 73

Bedeutung von Datenbankanalysen. Der praktischen Anwendung des tatsächlichen Fremdvergleichs sind sehr enge Grenzen gesetzt. Das wesentliche Problem besteht in der Identifikation geeigneter „unabhängiger“ Vergleichstransaktionen bzw. Vergleichsunternehmen, die das Kriterium der Vergleichbarkeit der Verhältnisse (vgl. Rz. 66 f.) erfüllen. Dies gestaltet sich oftmals äußerst problematisch, da einerseits nicht alle die Vergleichbarkeit bestimmenden Einflussfaktoren übereinstimmen bzw. ähnlich sind und andererseits vergleichbare Transaktionen entweder nur in der betrachteten oder nur innerhalb einer anderen Unternehmensgruppe, aber nicht zwischen unverbundenen Unternehmen ausgetauscht werden. Die Probleme des tatsächlichen Fremdvergleichs werden dabei insbesondere bei Datenbankanalysen offensichtlich. Bei diesen werden die den Verrechnungspreis determinierenden Parameter (z.B. Gewinnmargen, Renditekennziffern, Profitabilitätskennziffern) aus einer Datenbank, in welcher wirtschaftliche Kennziffern von privaten und börsennotierten Unternehmen enthalten sind, abgeleitet.1 Problematisch ist hier vor allem die Ermittlung von unabhängigen Unternehmen, die hinreichend mit dem zu beurteilenden verbundenen Unternehmen vergleichbar sind. Folglich kann häufig nur eine relativ geringe Anzahl von Vergleichsunternehmen identifiziert werden, so dass es in der Praxis sinnvoll ist, die Vergleichsfaktoren auf die wesentlichen preis- und gewinndeterminierenden Faktoren zu reduzieren. Dazu gehören die von den verbundenen Unternehmen ausgeübten Funktionen, die von ihnen getragenen Risiken sowie die von ihnen eingesetzten Produktionsmittel (insbesondere in Form von immateriellen Wirtschaftsgütern). Ein weiteres Problem der Datenbankanalysen besteht darin, dass häufig eine Vergleichbarkeit der Markt- und Branchenverhältnisse nicht gewährleistet werden kann. So wird bei Datenbankanalysen ein Beobachtungszeitraum von drei bis fünf Jahren zu Grunde gelegt. Sind die in diesem Zeitraum vorherrschenden Markt- und Wettbewerbsverhältnisse nicht mit denen vergleichbar, die der zu bepreisenden Transaktion zwischen verbundenen Unternehmen zu Grunde liegen (z.B. in Zeiten der Finanzmarktkrise und der ihr nachfolgenden Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009), sind die gewonnenen Daten nicht bzw. nur eingeschränkt verwertbar, weil die ermittelten Vergleichsdaten nicht auf vergleichbaren Verhältnissen beruhen.2 Dieser Umstand schränkt die Anwendung von Datenbankanalysen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zunehmenden Volatilität der Wirtschaftsentwicklung – erheblich ein. Möglicherweise kann dieses Defizit über die Ausdehnung des Beobachtungszeitraums gelöst werden (z.B. um Rezessions- bzw. Wachstumsphasen mit zu berücksichtigen).3 bb) Hypothetischer Fremdvergleich

74

Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters. Unumstritten ist, dass einem tatsächlichen Fremdvergleich grundsätzlich Vorrang vor anderen Vergleichsverfahren einzuräumen ist (vgl. Rz. 71).4 Ein tatsächlicher Fremdvergleich erweist sich allerdings immer dann als nicht durchführbar, wenn es an einer effektiven Vergleichsmöglichkeit am Markt zwischen unabhängigen Vertragspartnern fehlt. In diesem Fall besteht die Notwendigkeit, die Verrechnungspreisermittlung auf Basis eines hypothetischen Fremdvergleichs durchzuführen. Dem hypothetischen Fremdvergleich, dessen Ursprung in der Rspr. des BFH zur vGA5 liegt und durch den Gesetzgeber im Rahmen des UntStRefG 20086 in § 1 Abs. 1 und 3 AStG übernommen wurde, liegt die sog. „Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters“ zu Grunde. Danach ist ein Verrechnungspreis als angemessen anzusehen, wenn er für eine bestimmte Lieferungs- oder Leistungsbeziehung auch zwischen zwei ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleitern vereinbart worden wäre. Der Verrechnungspreisermittlung wird damit das Normverhalten zweier ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter zu Grunde gelegt. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters erfährt dadurch als objektivieren-

1 Zu den üblicherweise angewandten Datenbanken und deren Merkmalen vgl. auch Vögele/Crüger in V/B/E, Verrechnungspreise4, H Rz. 19 ff.; Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1937 ff.; Oestreicher, StuW 2006, 243 ff.; Oestreicher/ Duensing, IStR 2005, 134 ff. 2 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 21 (38); Ditz in Raupach/Pohl/Ditz, Praxis des Internationalen Steuerrechts 2010, 5 f.; s. ferner Engler, IStR 2009, 685 ff. 3 Vgl. auch Fischer/Looks/im Schlaa, BB 2010, 157 (160). 4 Vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG; Rz. 2.15 OECD-Leitlinien 2017; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.308; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1464); Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 60; differenzierend Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 190 ff. 5 Vgl. nur BFH v. 17.5.1995 – I R 147/93, BStBl. II 1996, 204; v. 6.12.1995 – I R 88/94, BStBl. II 1996, 383; v. 19.5.1998 – I R 36/97, BStBl. II 1998, 689; v. 24.4.2002 – I R 18/01, DStR 2002, 1614; v. 17.2.2010 – I R 97/08, BFH/ NV 2010, 1307. 6 Vgl. Unternehmensteuerreformgesetz v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912.

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Ditz

B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 77 Art. 9

der Bezugspunkt eine eigenständige Bedeutung, was letzten Endes auf eine Angemessenheitsprüfung nach betriebswirtschaftlichen Kriterien hinausläuft.1 Einigungsbereich. Auch im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs ist eine Bandbreitenbetrachtung (vgl. Rz. 70) in Form der Ermittlung eines sog. Einigungsbereichs durchzuführen. Der Einigungsbereich findet seine Untergrenze in dem Mindestpreis des liefernden oder leistenden Unternehmens und dem Höchstpreis des Lieferungs- oder Leistungsempfängers. Demnach müssen zur Bestimmung des Einigungsbereichs im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs die individuellen Preisgrenzen sowohl des leistenden als auch des empfangenden Unternehmens ermittelt werden. Zu der Frage, wie ein derart ermittelter Einigungsbereich zwischen den Vertragsparteien aufzuteilen ist, ordnet § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG an, dass der Preis zu Grunde zu legen ist, der dem Fremdvergleichsgrundsatz „mit der höchsten Wahrscheinlichkeit“ entspricht. Wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zu Grunde zu legen. Kann also ein Wert mit der höchsten Wahrscheinlichkeit nicht ermittelt werden, ist – widerlegbar – auf den Mittelwert abzustellen. Eine solche hälftige Aufteilung des Einigungsbereichs ergibt sich auch aus den sog. Zinsurteilen des BFH2 (Rz. 116) sowie aus der Rspr. zur Aufteilung von Standortvorteilen bei einem Lohnfertiger (Rz. 106).3

75

Verhältnis zu Art. 9. Fraglich ist, ob die durch § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 AStG normierte und die im Rahmen der Rspr. des BFH zur vGA konkretisierte Auslegung des hypothetischen Fremdvergleichs mit Art. 9 Abs. 1 vereinbar ist. Hierzu ist zunächst zu konstatieren, dass der hypothetische Fremdvergleich international wenig bekannt ist. Allerdings belegt bereits der Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 „vereinbaren würden“, dass der dort niedergelegte Fremdvergleich auf einem hypothetischen Denkmodell aufbaut. Denn insoweit wird eine Unabhängigkeit fiktiv unterstellt, die tatsächlich nicht besteht.4 Vor diesem Hintergrund wird bereits auf Basis des Wortlauts des Art. 9 Abs. 1 deutlich, dass die Norm nicht nur einen tatsächlichen Fremdvergleich, sondern auch ein hypothetisches Denkmodell eines Preissimulationsprozesses zwischen zwei unabhängigen Unternehmen (im hypothetischen Fremdvergleich vertreten durch jeweils einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter) erfasst. Im Übrigen verweisen auch die OECD-Leitlinien im Hinblick auf die Nachweisführung bei Verrechnungspreisprüfungen auf die „Grundsätze einer gewissenhaften Geschäftsleitung“ bzw. die Grundsätze „des gewissenhaften Geschäftsleiters“.5 Darüber hinaus beziehen sich die OECD-Leitlinien im Zusammenhang mit der Restrukturierung auf die „kaufmännische Sinnhaftigkeit“ („commercially rational manner“)6 und nehmen hinsichtlich der Anerkennung von Geschäftsbeziehungen Bezug auf die „kaufmännische Sinnhaftigkeit“ („commercially rational manner“) bzw. auf die „kaufmännische Vernunft“ („commercially rational“).7 Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der hypothetische Fremdvergleich im Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG und der BFH-Rspr. zur vGA durch Art. 9 Abs. 1 „gedeckt“ ist.8

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2. Methoden der Verrechnungspreisermittlung a) Klassische Methoden aa) Rangfolge der klassischen Methoden Auffassung der OECD. Zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise kommen grundsätzlich die drei 77 klassischen Methoden in Form der Preisvergleichs-, der Wiederverkaufspreis- und der Kostenaufschlagsmethode in Betracht. Diese drei Methoden werden sowohl von der Finanzverwaltung9 und der Rspr.10 als auch der OECD11 als die gängigen Ermittlungsmethoden zur Ermittlung angemessener Verrechnungspreise ange1 Vgl. Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 107 ff.; Roeder, Ubg 2008, 202 (204 f.); BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 3.2. 2 Vgl. BFH v. 19.1.1994 – I R 93/93, BStBl. II 1994, 725; v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649. 3 Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, IStR 2006, 794; Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789 ff. 4 So auch Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 314. 5 Vgl. Rz. 3.82 und 8.15 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Rz. 9.36 OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. Rz. 1.123 OECD-Leitlinien 2017. S. ferner Rz. 1.099, 1.103 und 1.122 OECD-Leitlinien 2017. 8 Vgl. auch Wassermeyer, GmbHR 1998, 157 (162); Wassermeyer in Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, 14; Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 314 f.; Baumhoff in FS Flick, 633 (639 f.). 9 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.2; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3 Buchst. a. 10 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; Wassermeyer, WPg 2002, 10 (14). 11 Vgl. Rz. 2.13 ff. OECD-Leitlinien 2017.

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Art. 9 Rz. 77

Verbundene Unternehmen

sehen. Nach den OECD-Leitlinien 1995/96 waren noch diese klassischen Methoden vorrangig anzuwenden, wobei die Preisvergleichsmethode über die anderen klassischen Methoden dominierte1 und die Wiederverkaufspreis- sowie die Kostenaufschlagsmethode in keinem hierarchischen Über- bzw. Unterordnungsverhältnis gesehen wurden.2 Die transaktionsbezogenen Gewinnmethoden wurden lediglich als nachrangig anwendbare Hilfsmethoden anerkannt. In den revidierten OECD-Leitlinien 2010 wurde dieses strenge Hierarchieverhältnis in der Methodenrangfolge aufgegeben.3 Damit werden durch die OECD den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden (TNMM (vgl. Rz. 93 ff.) und Profit Split (vgl. Rz. 97) anstelle ihres Ausnahmecharakters als „Method of last Resort“ ein ihrer zunehmenden praktischen Relevanz4 entsprechender Status zugebilligt. Statt einer strengen Methodenhierarchie kommt nunmehr – bezogen auf die einzelne Liefer- oder Leistungsbeziehung – die „geeignetste Methode“ („most appropriate method“) zum Tragen.5 Dies erfordert eine Abwägung der Stärken und Schwächen der jeweiligen Verrechnungspreismethode in Bezug auf die zu bewertende Lieferungs- oder Leistungsbeziehung, wobei folgende Kriterien zu berücksichtigen sind:6 – Die Eignung der Methode im Hinblick auf den wirtschaftlichen Gehalt der Transaktion, wie er sich insbesondere nach der Funktions- und Risikoanalyse darstellt, – die Verfügbarkeit hinreichend verlässlicher Daten (insbesondere Fremdvergleichsdaten) und – der Grad der Vergleichbarkeit von gruppeninternen Transaktionen und Vergleichstransaktionen, einschließlich der Zulässigkeit von Anpassungsrechnungen zur Herstellung der Vergleichbarkeit. Sind nach der Vergleichbarkeitsanalyse und nach der Informationsverfügbarkeit die klassischen Verrechnungspreismethoden und die Gewinnmethoden nebeneinander gleich zuverlässig anwendbar, gebührt nach Auffassung der OECD den klassischen Methoden der Vorrang.7 Die Anwendung mehrerer Methoden ist nicht notwendig.8 Der Steuerpflichtige ist daher nicht verpflichtet, mehrere Verrechnungspreismethoden anzuwenden und zu dokumentieren. 78

Auffassung der Finanzverwaltung. Ein Rangfolgeverhältnis der Verrechnungspreismethoden ist im innerstaatlichen Recht nicht geregelt. Zwar stellt § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG ein gesetzliches Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich auf;9 dieses regelt allerdings nur das Verhältnis zwischen dem tatsächlichen Fremdvergleich (unter Berücksichtigung uneingeschränkt und eingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte) und dem hypothetischen Fremdvergleich. Eine Rangfolge der klassischen Verrechnungspreismethoden untereinander bzw. zwischen den klassischen Methoden einerseits und den Gewinnmethoden andererseits wird insofern nicht geregelt. Auch die Finanzverwaltung schreibt grundsätzlich keine bestimmte Rangfolge der Anwendung der Methoden vor;10 vielmehr sind die klassischen Methoden – wie im Übrigen vom BFH vorgesehen11 – als untereinander gleichrangig zu betrachten. Infolgedessen ist die Methodenwahl des Unternehmens von der Finanzverwaltung immer dann anzuerkennen, wenn diese nach Art und Anwendung in Bezug auf den betreffenden Sachverhalt sachgerecht ist.12 Sofern die Methodenwahl des Unternehmens zulässig ist, kann die Finanzverwaltung dieser nicht ihre eigene, davon abweichende Methodenwahl entgegensetzen. Dabei ist zu beachten, dass die Finanzverwaltung von einem grundsätzlichen Vorrang der klassischen Methoden vor den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden ausgeht (vgl. Rz. 92).

1 Vgl. Rz. 2.5 und 2.7 OECD-Leitlinien 1995/96. 2 Nach Rz. 2.7, 2.16 und 2.34 f. OECD-Leitlinien 1995/96 war die Methodenrangfolge vielmehr am Referenzmaßstab des Fremdvergleichs zu messen und die Methode zur Anwendung zu bringen, die diesem am ehesten entspricht. 3 Zur Revision der OECD-Leitlinien vgl. Hülshorst/Mank in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 21 ff.; Förster, IStR 2009, 720 ff.; Förster, IStR 2011, 20 ff.; Rasch/Feistle, IWB 2009, 982 ff.; Kurzewitz, IWB 2010, 95 ff.; Luckhaupt, Ubg 2010, 646 ff. 4 Nach Darstellung von Naumann, IStR 2013, 616, werden ca. 80 % der einfachen Verrechnungspreisfälle („einfache“ Vertriebs-, Produktions- oder Dienstleistungsgesellschaften) über geschäftsvorfallbezogene Gewinnmethoden abgerechnet. 5 Vgl. Rz. 2.2 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Rz. 2.2 f. OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. Rz. 2.4 OECD-Leitlinien 2017. 8 Vgl. Rz. 2.12 OECD-Leitlinien 2017. 9 Zu Einzelheiten vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1462). 10 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.4.1. 11 Nach der BFH-Rspr. stehen die klassischen Methoden „gleichberechtigt nebeneinander“, vgl. BFH v. 17.10.2001– I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; FG Münster v. 7.12.2016 – 13 K 4037/13, EFG 2017, 334 – Rev. BFH I R 4/17; Ditz/Engelen, Ubg 2017, 440 (441 f.). 12 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.4.1 Satz 2.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 81 Art. 9

bb) Preisvergleichsmethode Anwendungsform des tatsächlichen Fremdvergleichs. Die Preisvergleichsmethode orientiert sich zur Bestimmung von Verrechnungspreisen an Entgelten, die bei vergleichbaren Geschäften zwischen unabhängigen Dritten am Markt vereinbart werden (sog. Marktpreise).1 Damit ist die Preisvergleichsmethode methodisch dem tatsächlichen Fremdvergleich (vgl. Rz. 71 ff.) zuzuordnen. Entsprechend der Unterteilung des tatsächlichen Fremdvergleichs in einen innerbetrieblichen und einen zwischenbetrieblichen Vergleich ist auch im Rahmen der Anwendung der Preisvergleichsmethode zwischen einem inneren Preisvergleich (betriebsindividuelle Preise) und einem äußeren Preisvergleich (markt- oder branchenübliche Preise) zu unterscheiden. Wichtigste Voraussetzung für die Anwendung der Preisvergleichsmethode ist dabei die Vergleichbarkeit der Verhältnisse (vgl. Rz. 66 f.). So fordert auch der BFH, dass die Preise „auf zumindest im Wesentlichen identischen Leistungsbeziehungen beruhen.“2 Mit dieser Forderung nach einer Identität der Leistungsbeziehungen werden allerdings zu hohe Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Verhältnisse gestellt. Vergleichbarkeit bedeutet nämlich keine Identität, also Deckungsgleichheit der Verhältnisse. Vielmehr ist eine Vergleichbarkeit der Verhältnisse bereits dann gewährleistet, wenn die Vergleichsobjekte ähnlich in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale sind.3

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Innerer und äußerer Preisvergleich. Ein innerer Preisvergleich setzt voraus, dass ein verbundenes Unternehmen die gleiche Lieferung oder Leistung unter vergleichbaren Verhältnissen sowohl gegenüber verbundenen wie auch gegenüber unverbundenen Unternehmen erbringt bzw. sowohl von verbundenen wie auch unverbundenen Unternehmen erhält. Damit erweist sich der innere Preisvergleich immer dann als besonders geeignet, wenn ein verbundenes Unternehmen die entsprechende Lieferungs- oder Leistungsbeziehung sowohl zu verbundenen wie auch unverbundenen Unternehmen unterhält. Der äußere Preisvergleich stellt demgegenüber im Rahmen eines zwischenbetrieblichen Vergleichs auf den Liefer- und Leistungsverkehr zwischen fremden Unternehmen (z.B. der gleichen Branche) ab. Als Vergleichstatbestände dienen Vereinbarungen, die zwischen zwei unabhängigen Geschäftspartnern, wobei keiner dem betrachteten Unternehmensverbund angehört, für vergleichbare Leistungen unter vergleichbaren Bedingungen festgelegt werden. Der äußere Preisvergleich kommt insbesondere für solche Marktpreise in Betracht, die anhand von Börsennotierungen, branchenüblichen Preisen oder Verträgen zwischen unabhängigen Dritten festgestellt werden können. Ferner kann ein äußerer Preisvergleich auch auf Basis einer Datenbankanalyse, wie z.B. der Lizenzkartei des Bundeszentralamtes für Steuern, durchgeführt werden. So ist auch nach Auffassung des BFH die Verwertung von anonymisierten Vergleichsdaten („secret comparables“) zur Durchführung eines äußeren Preisvergleichs grundsätzlich zulässig.4 Der Beweiswert solcher anonymisierten Vergleichsdaten ist allerdings davon abhängig, ob die verwendete Datenbank qualitativen Mindestanforderungen genügt.5

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Anwendungsbereiche. Die Anwendung der Preisvergleichsmethode, die allgemein als das ideale Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Angemessenheit von Verrechnungspreisen angesehen wird (vgl. Rz. 71), ist in der Praxis häufig problematisch. Denn trotz der Existenz von markt- oder branchenüblichen Preisen scheitert ein konkreter Preisvergleich häufig an der Tatsache, dass eine Vergleichbarkeit der Verhältnisse auf Grund der Unvollkommenheit der Märkte im konkreten Einzelfall nicht nachgewiesen werden kann.6 Ein weiteres Anwendungsproblem der Preisvergleichsmethode besteht darin, dass vergleichbare Geschäftsbeziehungen zwischen fremden Dritten vielfach nicht identifiziert werden können, weil insbesondere konzernspezifische Lieferungen und Leistungen am Markt nicht erhältlich sind. Dies gilt insbesondere für Management-Dienstleistungen, Leistungen und Lizenzgebühren im Bereich der Forschung und Entwicklung sowie für konzernspezifische Finanzierungsleistungen. In der Praxis hat sich daher bei Anwendung der Preisvergleichsmethode durchgesetzt, das Vergleichbarkeitskriterium auf die wesentlichen preisdeterminierenden Parameter zu beschränken (vgl. Rz. 66). Ferner ist die Preisvergleichsmethode auch dann anwendbar, wenn der Steuerpflichtige den Marktpreis über verbindliche Angebote von fremden Dritten nachweisen kann (z.B. im Zusammenhang mit marktüblichen Dienstleistungen oder bei Zinssätzen).7

81

1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.2.2.; Rz. 2.14 ff. OECD-Leitlinien 2017. 2 BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 1307, und dazu Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 592 ff. 3 Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.7; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1549 (1555 f.). 4 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; Kuckhoff/Schreiber, IWB F. 3 Gr. 1, 1871 ff. 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.4; Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 2012 ff.; Kolb, IWB, F. 3, Gr. 1, 2391 ff. 6 Vgl. auch FG Münster v. 7.12.2016 – 13 K 4037/13, EFG 2017, 334 – Rev. BFH I R 4/17; Ditz/Engelen, Ubg 2017, 440 (441 f.). 7 Vgl. auch BMF v. 15.12.1994 – IV B 7 - S 2742a - 63/94, BStBl. I 1995, 25, Rz. 61.

Ditz

659

Art. 9 Rz. 82

Verbundene Unternehmen

cc) Wiederverkaufspreismethode 82

Retrograde Verrechnungspreisermittlung. Die Wiederverkaufspreismethode ist anwendbar, wenn ein verbundenes Unternehmen an ein anderes verbundenes Unternehmen Lieferungen oder Leistungen erbringt und diese Lieferungen oder Leistungen danach an konzernexterne Dritte weiterveräußert werden.1 Der Marktpreis bei Wiederverkauf der Lieferung oder Leistung an unabhängige Dritte bildet damit die Ausgangsbasis der Wiederverkaufspreismethode. Er wird üblicherweise ex ante auf Planbasis ermittelt (z.B. als „strategischer Marktpreis“), was nicht ausschließt, dass der Wiederverkaufspreis auch auf Basis von IstWerten bestimmt werden kann. Der angemessene Verrechnungspreis wird damit ausgehend vom Wiederverkaufspreis auf retrogradem Weg durch Subtraktion bestimmt. Marktpreis bei Wiederverkauf an Fremde (Wiederverkaufspreis) ./. marktübliche Handelsspanne des Wiederverkäufers =

Verrechnungspreis

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Ermittlung Handelsspanne. Die marktübliche Handelsspanne2 kann anhand eines tatsächlichen (vgl. Rz. 71 ff.) oder – subsidiär hierzu – eines hypothetischen Fremdvergleichs (vgl. Rz. 74 ff.) bestimmt werden. Nach dem tatsächlichen Fremdvergleich ist die Handelsspanne aus Handelsspannen, wie sie bei Geschäften zwischen unabhängigen Dritten Anwendung findet, zu berechnen. Die Verrechnungspreispraxis zeigt allerdings, dass sowohl ein externer als auch ein interner Betriebsvergleich zur Ermittlung der angemessenen Handelsspanne in der Regel an fehlenden Vergleichsunternehmen scheitert. Vor diesem Hintergrund kommt zur Ermittlung der Handelsspanne dem hypothetischen Fremdvergleich eine zentrale Bedeutung zu. Dabei wird die Handelsspanne aus den Kosten des Vertreibers zuzüglich einer angemessenen Umsatzrendite abgeleitet. Insoweit ist es zur Ermittlung der angemessenen Handelsspanne erforderlich, die Kosten – insbesondere in Form der Vertriebs- und allgemeinen Verwaltungskosten – des Vertreibers zu bestimmen und diese um einen angemessenen Gewinnaufschlag bzw. angemessene Umsatzrendite3 zu erhöhen. Eine solche Kombination der Wiederverkaufspreis- und der Kostenaufschlagsmethode ist zulässig.4 Die OECD spricht insoweit allerdings nicht mehr von der Wiederverkaufspreismethode, sondern von der TNMM (vgl. Rz. 92 ff.).5

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Anwendungsbereiche. Der Hauptanwendungsbereich der Wiederverkaufspreismethode liegt in der Verrechnungspreisermittlung für Lieferungen an Vertriebsgesellschaften. So sieht auch der BFH bei Lieferungen an eine als Eigenhändler zu qualifizierende Vertriebsgesellschaft „regelmäßig“ die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode vor.6 Dies entspricht der Auffassung sowohl der deutschen Finanzverwaltung7 als auch der OECD.8 Wird das durch die entsprechende Vertriebsgesellschaft veräußerte Produkt vor seinem Weiterverkauf bearbeitet, weiterentwickelt oder in anderer Weise verändert, muss diese zusätzliche Wertschöpfung im Rahmen der Handelsspanne erfasst werden. Solche Tätigkeiten der Vertriebsgesellschaft dürfen allerdings nicht so weit reichen, dass dadurch ein neues Produkt entsteht. Ist dies der Fall, sind die Voraussetzungen der Wiederverkaufspreismethode nicht erfüllt. dd) Kostenaufschlagsmethode

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Kostenaufschlagsmethode als „ultima ratio“. Bei der Kostenaufschlagsmethode wird der Verrechnungspreis dadurch bestimmt, dass zunächst die Selbstkosten des liefernden oder leistenden Unternehmens ermittelt und anschließend um einen angemessenen Gewinnaufschlag erhöht werden.9 Die Kostenaufschlagsmethode findet insbesondere in solchen Fällen Anwendung, in denen für die konzerninterne Lieferung oder Leistung keine Marktpreise ermittelt, und folglich weder die Preisvergleichsmethode (vgl. Rz. 79 ff.) noch die Wiederverkaufspreismethode (vgl. Rz. 82 ff.) angewendet werden können. Sie findet dabei häufig im Bereich der Routineunternehmen (vgl. Rz. 69)10 sowie bei Dienstleistungen (vgl. Rz. 130) und der Lieferung von Halbfertigprodukten Anwendung.11

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Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.2.3; Rz. 2.27 ff. OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Rz. 2.34 ff. OECD-Leitlinien 2017. Diese wird üblicherweise auf Basis einer Datenbankanalyse ermittelt. Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.4.2; Rz. 2.37 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. OECD, Transfer Pricing Methods, Paris Juli 2010, Rz. 14 ff. Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.1.3 Beispiel 1. Vgl. Rz. 2.26 ff. OECD-Leitlinien 2017. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.2.4.; Rz. 2.45 ff. OECD-Leitlinien 2017. Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 2.2.2.1. Vgl. Baumhoff in W/B, Rz. 5.39 ff.

660

Ditz

B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 89 Art. 9

Kostenbasis. Nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs ist die Kostenbasis anhand von Kalkulationsmethoden zu ermitteln, die der Liefernde oder Leistende auch bei seiner Preispolitik gegenüber Fremden zu Grunde legt bzw. die den betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen.1 Ausgangspunkt der Ermittlung der Kostenbasis sind damit die Vollkosten (Einzel- und Gemeinkosten), die durch die Herstellung und Lieferung des Produkts bzw. die Erbringung der Dienstleistung verursacht sind. Denn der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter wird immer bestrebt sein, die Kosten seiner Lieferung oder Leistung in vollem Umfang zu decken und darüber hinaus einen Gewinn zu erwirtschaften. In bestimmten Ausnahmefällen kann die Kostenbasis allerdings auch auf Basis von Teilkosten – z.B. auf Grundlage einer Deckungsbeitragsrechnung – ermittelt werden, wenn dies betriebswirtschaftlich sinnvoll ist und auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter vergleichbaren Umständen lediglich Teilkosten verrechnet hätte. So widerspricht es z.B. nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Geschäftsführung, wenn zur Erschließung neuer bzw. Erweiterung bestehender Märkte oder bei vorübergehender Unterbeschäftigung zur Ausnutzung freier Kapazitäten Teilkosten zur Maximierung des Deckungsbeitrags verrechnet werden.2 Sowohl im Rahmen der Vollkosten- als auch im Rahmen der Teilkostenrechnung steht es dem Steuerpflichtigen frei, ob er die Vollkosten auf Plan-, Ist- oder Normalkostenbasis ermittelt.3 Auf Grund des Nachteils der Verrechnung von IstKosten, dass Unwirtschaftlichkeiten bzw. Kosteneinsparungen des liefernden oder leistenden Unternehmens uneingeschränkt auf den Leistungsempfänger übertragen werden,4 wird die Kostenaufschlagsmethode in der Verrechnungspreispraxis häufig auf Plan- bzw. Budgetkostenbasis umgesetzt.5

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Gewinnaufschlag. Hinsichtlich der Ermittlung des Gewinnaufschlags ist zu berücksichtigen, dass es den einen „richtigen“ Gewinnaufschlag nicht gibt. Vielmehr ist die Höhe des Gewinnaufschlags – bezogen auf den Einzelfall – an den durch das liefernde oder leistende Unternehmen wahrgenommenen Funktionen und Risiken und den dabei eingesetzten (insbesondere immateriellen) Wirtschaftsgütern auszurichten (vgl. Rz. 68). Die Kostenaufschlagsmethode lässt nur in Ausnahmefällen eine reine Kostenverrechnung ohne Gewinnaufschlag zu.6 Zur Bestimmung eines angemessenen Gewinnaufschlags existieren im Schrifttum und seitens der Rspr. mehrere methodische Ansätze.7 Diese betreffen im Wesentlichen – einen inneren Betriebsvergleich (sog. betriebsübliche Gewinnaufschläge), – einen äußeren Betriebsvergleich (sog. branchenübliche Gewinnaufschläge), – die angemessene Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals sowie – pauschale, in Prozentsätzen festgelegte Aufschlagssätze.

87

Betriebsvergleich. Betriebsübliche Gewinnaufschläge, die über einen inneren Betriebsvergleich (vgl. Rz. 71) ermittelt werden, orientieren sich an Gewinnspannen, die von den Unternehmen in Bezug auf vergleichbare Lieferungen oder Leistungen mit unabhängigen Dritten erzielt werden. Stehen solche vergleichbaren Gewinnspannen nicht zur Verfügung, weil das Unternehmen keine oder keine vergleichbaren Geschäftsbeziehungen zu unabhängigen Dritten unterhält, so ist auf branchenübliche Gewinnaufschläge abzustellen, die sich durch einen äußeren Betriebsvergleich bestimmen lassen. Dabei wird auf Gewinnspannen Bezug genommen, die zwischen Unternehmen der gleichen Branche bei vergleichbaren Geschäften erzielt werden. Zu deren Ermittlung kann z.B. auf Datenbanken (vgl. Rz. 73 und 94) zurückgegriffen werden.8 Allerdings zeigt die Verrechnungspreispraxis, dass die Ermittlung angemessener Gewinnaufschläge auf Basis von Datenbankanalysen nicht unproblematisch ist.9 Lässt sich auch auf Basis einer Datenbankanalyse kein angemessener Gewinnaufschlag ermitteln, besteht die Möglichkeit, einen normalisierten Gewinnaufschlag anhand der durchschnittlichen Branchenrendite heranzuziehen.

88

Angemessene Eigenkapitalrendite. Ein anderer Vorschlag geht dahin, den Gewinnaufschlag so zu bemessen, dass – einschließlich kalkulatorischer Zinsen – mindestens eine Eigenkapitalrendite in Höhe der Kapitalmarktrendite erwirtschaftet wird.10 Die Ableitung eines angemessenen Gewinnaufschlags aus der Eigen-

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Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.2.4. Vgl. Rz. 2.57 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Rz. 2.55 OECD-Leitlinien 2017; Baumhoff in W/B, Rz. 5.51. Vgl. auch Rz. 2.48 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. auch Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 316; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 573. Vgl. Baumhoff in W/B, Rz. 5.70 ff. Vgl. Hülshorst/Mank in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 191 ff. Vgl. Schwarz/Stein/Flanderova/Hoffmann, Ubg 2017, 638 ff. Vgl. auch Baumhoff/Liebchen in W/B, Rz. 3.31 m.w.N. Vgl. § 1 Abs. 4 AStG; BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 26.2.2004 – IV B 4 – S 1300 – 12/04, BStBl. I 2004, 270; Scholz IStR 2004, 209 ff.; Taetzner, IStR 2004, 726 ff.

Ditz

661

Art. 9 Rz. 89

Verbundene Unternehmen

kapitalrendite beruht auf der Überlegung, dass unabhängige Dritte eine unternehmerische Funktion nur dann ausüben würden, wenn die erzielbaren Erträge langfristig eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals gewährleisten. Somit kommt die Kapitalmarktrendite nur als Untergrenze der Eigenkapitalrendite in Frage, da eine Kapitalmarktanlage (z.B. Anleihe oder Festgeld) gegenüber einer Geldanlage in einem Unternehmen ein wesentlich geringeres Kapitalausfallrisiko hervorruft. 90

Pauschale Gewinnaufschläge. Im Zusammenhang mit pauschalen, in Prozentpunkten angegebenen Gewinnaufschlägen beurteilt die Rspr. einen Gewinnaufschlag von 10 % bis 15 % „nicht als unangemessen“, ohne allerdings näher zu begründen, worauf diese Feststellung gestützt wird.1 Im Übrigen hat das FG Saarl. in seinem rechtskräftigen Urt. v. 18.12.1996 entschieden, dass ein Reingewinnzuschlag in Höhe von 5 % auf keine Bedenken stoße.2 Diese Quantifizierung des Gewinnaufschlags steht auch im Einklang mit dem BFHUrt. v. 12.3.1980, nach dem ein Reingewinn von 3 % bis 5 % des wirtschaftlichen Umsatzes die Annahme einer vGA nicht rechtfertige.3 Das FG BW führt aus, dass neben der Deckung der Kosten auch ein „bescheidener Rohgewinn“ verbleiben müsse, ohne diesen zu quantifizieren.4 Das FG Münster hat schließlich in seinem rechtskräftigen Urt. v. 16.3.2006 entschieden, dass ein Kostenaufschlag von 30 % bis 70 % auf die reinen Lohnkosten sich in einem Bereich bewegt, der im Hinblick auf Lohnfertigungsverhältnisse „betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entspricht“.5 Die OECD gibt im Rahmen des BEPS-Projekts (Aktionspunkt 10) in Bezug auf Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung (d.h. nicht F&E-, Produktions- oder Vertriebsdienstleistungen) einen Gewinnaufschlag zwischen 2 und 5 % vor.6 Diese Empfehlung liegt unter der vom EU-JTPF entwickelten Bandbreite angemessener Gewinnaufschläge bei Dienstleistungen von 3–10 % (oftmals 5 %).7 In der Verrechnungspreispraxis hat sich ein Gewinnaufschlag in Höhe von 5–10 % als in der Regel zweckmäßig erwiesen.8 Dieser Wert wird – von außergewöhnlichen Umständen abgesehen – auch von der deutschen Finanzverwaltung akzeptiert9 und ist als international üblich anzusehen. Gleichwohl darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass es sich bei dieser Richtgröße um einen rein pragmatischen Ansatz handelt, der sich einer betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung entzieht. Insofern ist bei der Festlegung des Gewinnaufschlags immer den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen, d.h. es sind insbesondere die von dem verbundenen Unternehmen ausgeübten Funktionen, wahrgenommenen Risiken und eingesetzten Produktionsmittel zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund können freilich auch Gewinnaufschläge unter 5 % bzw. über 10 % im Einzelfall als angemessen angesehen werden. b) Gewinnorientierte Methoden aa) Anerkennung gewinnorientierter Methoden

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Auffassung der OECD. Die offensichtlichen Schwächen der klassischen Methoden und des Fremdvergleichs (vgl. Rz. 64) haben es notwendig gemacht, nach Verrechnungspreismethoden zu suchen, die im Hinblick auf das Vergleichbarkeitskriterium des Fremdvergleichs geringere Anforderungen stellen. Infolgedessen hat die OECD die sog. gewinnorientierten Methoden entwickelt, die alternativ zu den klassischen Methoden der Verrechnungspreisbestimmung Anwendung finden können. Die OECD und die deutsche Finanzverwaltung unterscheiden die folgenden gewinnorientierten Methoden:10 – Die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode („Transactional Net Margin Method“, kurz „TNMM“), – die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode („Profit Split Method“, kurz „PSM“) und – die globale Gewinnaufteilungsmethode („Global Formulary Apportionment Method“).

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Vgl. BFH v. 2.2.1960 – 3 194/59, BB 1960, 731. Vgl. FG Saarl. v. 18.12.1996 – 1 K 257/94, EFG 1997, 485. Vgl. BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531. Vgl. FG BW v. 22.5.2003 – 3 K 143/98, DStRE 2004, 965. Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2248/02, EFG 2006, 1562. Vgl. Rz. 7.61 OECD-Leitlinien 2017 und dazu Elbert/Münch, IStR 2015, 341 ff.; Ackermann/Greil, IWB 2015, 3 f.; Hüning/Hewera/Geyik, IWB 2016, 298 ff. Vgl. EU-JTPF, Leitlinien zu konzerninternen Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung. Vgl. Dreßler, StBp 2018, 35 (39). Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 3.1.2; BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1.7; Dahnke in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 150; Zech, IStR 2011, 135. Vgl. Rz. 2.62 ff. OECD-Leitlinien 2017; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341-1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3 Buchst. b, c und d.

662

Ditz

B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 94 Art. 9

Während die globale Gewinnaufteilungsmethode mit dem Fremdvergleichsgrundsatz als nicht vereinbar angesehen wird,1 sollten nach bisheriger Auffassung der OECD die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode und die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode subsidiär Anwendung finden, wenn die klassischen Verrechnungspreismethoden (vgl. Rz. 77 ff.) nicht anwendbar sind. Beide gewinnorientierte Methoden waren damit bisher als Methoden „des letzten Auswegs“ bezeichnet worden. Mit den OECD-Leitlinien 2010 wurde dieses strenge Hierarchieverhältnis aufgegeben. Dies hat insbesondere zur Folge, dass den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden anstelle eines Ausnahmecharakters nunmehr ein mit den klassische Methoden ebenbürtiger Status zugebilligt wird. So kommt nunmehr nach Auffassung der OECD anstatt einer strengen Methodenhierarchie die im Einzelfall geeignetste Methode zum Tragen (vgl. Rz. 77).2 Auffassung der Finanzverwaltung. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG regelt ausdrücklich nur die klassischen Methoden, so dass bereits der Gesetzgeber von einem Vorrang dieser Methoden gegenüber den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden ausgeht. Im Übrigen erkennt die Finanzverwaltung die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode sowie die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode zwar grundsätzlich an, sie sollen allerdings nur subsidiär zu den Standardmethoden Anwendung finden.3 Damit gehen aus Sicht der Finanzverwaltung die klassischen Methoden (vgl. Rz. 77 ff.) den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden vor. Der Anwendungsbereich der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode wird sogar auf Unternehmen mit Routinefunktionen (vgl. Rz. 69) beschränkt. Zusätzlich wird ihre Anwendung davon abhängig gemacht, dass der Nachweis über die Vergleichbarkeit der Vergleichsunternehmen geführt werden kann. Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs der gewinnorientierten Methoden entspricht nicht der Auffassung der OECD.

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bb) Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (TNMM) Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen. Bei der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode 93 („Transactional Net Market Method“ und kurz „TNMM“)4 werden Nettomargen gruppeninterner Lieferungs- und Leistungsbeziehungen – z.B. im Rahmen der Anwendung der Kostenaufschlagsmethode oder der Wiederverkaufspreismethode – aus den Nettomargen, die das verbundene Unternehmen bei vergleichbaren Geschäften mit fremden Dritten erzielt bzw. die von unabhängigen Unternehmen bei vergleichbaren Geschäften erwirtschaftet werden, abgeleitet. Die Nettomargen beziehen sich üblicherweise auf das Verhältnis einer Gewinngröße (in der Regel Betriebsergebnis, Rohergebnis oder EBIT) zu einer Bezugsgröße (Profit Level Indicator („PLI“)), z.B. Umsatz5, Voll- oder Teilkosten6, betriebsnotwendiges Kapital7).8 Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass nur auf die Nettomarge aus einem Geschäftsvorfall bzw. verwandten und wirtschaftlich zusammenhängenden Geschäftsvorfällen („Basket-Ansatz“9 bzw. „Palettenbetrachtung“10) abgestellt werden darf (vgl. Rz. 139) und nicht auf die Summe verschiedener Geschäftsvorfälle oder gar auf sämtliche Geschäftsvorfälle einer Periode. Ausdrücklich unzulässig ist es daher, eine Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen nur deswegen vorzunehmen, weil über einzelne Lieferungs- und Leistungsbeziehungen keine Daten zur Ermittlung von Verrechnungspreisen nach den klassischen Methoden bzw. Ableitung von Renditekennziffern vorliegen. Die Anwendung der TNMM führt im Ergebnis zu einer Zuordnung von „Sollgewinnen“, wie sie für die Kostenaufschlagsmethode mit dem Gewinnaufschlag oder die Wiederverkaufspreismethode mit der Handelsspanne (die eine Nettomarge enthält) üblich sind.11 Datenbankanalyse. Die TNMM ist nur anwendbar, wenn Nettomargen vergleichbarer Transaktionen zwischen unabhängigen Unternehmen identifiziert werden können. Insoweit kann ein innerer Betriebsvergleich durchgeführt werden, d.h. die Nettomarge wird aus vergleichbaren Geschäften, die das Unterneh1 2 3 4 5 6

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Vgl. Rz. 1.19 ff. OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Rz. 2.2 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3 Buchst. b und c. Vgl. Rz. 2.64 ff. OECD-Leitlinien 2017; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 –-1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3 Buchst. b. Umsatzrendite bzw. „Sales Margin“. Kosten- oder Gewinnaufschlag bzw. „Profit Margin“ oder „Berry Ratio“ im Bereich der Vertriebsunternehmen. Die „Berry Ration“ setzt den Rohgewinn in das Verhältnis zu den Vertriebs- und Verwaltungskosten und den sonstigen betrieblichen Aufwendungen. Vgl. Greinert in W/B, Rz. 5.108; Oestreicher/Vormoor, IStR 2004, 95 (103). „Return on Assets“ oder „Return on Net Assets“. Vgl. Greinert in W/B, Rz. 5.101 ff. Vgl. hierzu Werra, IStR 1995, 457 (463). Vgl. § 2 Abs. 3 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.13.; Baumhoff, IStR 1994, 593 (593). Vgl. Rz. 2.64 OECD-Leitlinien 2017; Greinert in W/B, Rz. 5.96.

Ditz

663

94

Art. 9 Rz. 94

Verbundene Unternehmen

men mit fremden Dritten ausführt, abgeleitet. Ferner ist ein äußerer Betriebsvergleich denkbar, bei dem sich die Nettomarge aus vergleichbaren Geschäften zwischen unabhängigen Dritten ermittelt (vgl. Rz. 72). Im Rahmen des äußeren Betriebsvergleichs wird in der Verrechnungspreispraxis häufig auf Datenbanken (vgl. Rz. 73) zurückgegriffen.1 Der Steuerpflichtige ist allerdings im Rahmen der Anwendung der TNMM nicht verpflichtet, eine Datenbankanalyse durchzuführen.2 95

Praktische Umsetzung. Häufig wird die TNMM in der Praxis auf Basis einer Datenbankanalyse umgesetzt. Auf Basis der sich aus der Datenbankanalyse ergebenden Bandbreite von Renditemargen werden dann zu Jahresbeginn vorläufige Verrechnungspreise festgesetzt. Sofern die tatsächliche Rendite des entsprechenden verbundenen Unternehmens am Ende des Jahres außerhalb des Zielkorridors liegt, erfolgt eine nachträgliche Korrektur der Verrechnungspreise durch sog. Ausgleichszahlungen („Adjustment Payments“). Die Ausgleichszahlungen können dabei sowohl in Form von Erstattungen (tatsächliche Rendite liegt unterhalb des Zielkorridors) als auch in Form von Rückzahlungen (tatsächliche Rendite liegt oberhalb des Zielkorridors) geleistet werden.3 In der Verrechnungspreispraxis läuft die Anwendung der TNMM damit häufig auf eine modifizierte Anwendung der Kostenaufschlagsmethode oder der Wiederverkaufspreismethode hinaus. Der besondere Vorteil der TNMM besteht darin, dass diese Methode auf eine Nettomarge abstellt, die sich in der Regel relativ einfach aus einer Datenbankanalyse (vgl. Rz. 73 und 94) ableiten lässt. Ein weiterer Vorteil der TNMM ist, dass bei ihrer Anwendung eine Zusammenfassung einzelner Transaktionen erfolgen kann (vgl. Rz. 93). Dies setzt indessen voraus, dass die einzelnen Geschäftsvorfälle wirtschaftlich vergleichbar sind und dass das Unternehmen in Bezug auf die betrachteten Transaktionen gleichartige Funktionen ausübt.4

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Anwendungsvoraussetzungen. Die Finanzverwaltung schränkt – im Gegensatz zur OECD – die Anwendung der TNMM auf Unternehmen mit sog. „Routinefunktionen“ (vgl. Rz. 69) ein.5 Verbundene Unternehmen mit Routinefunktionen sind dadurch gekennzeichnet, dass die von ihnen ausgeübten Funktionen für die unternehmerische Gesamtwertschöpfung von untergeordneter Bedeutung sind, sie nur geringe (Markt-)Risiken tragen und über keine zur Leistungserbringung notwendigen wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter verfügen. Die von ihnen wahrgenommenen Funktionen und die von ihnen eingesetzten immateriellen Wirtschaftsgüter sind für den gesamten Unternehmensverbund nicht erfolgskritisch und könnten auch von einem externen Dienstleister im Wege des Outsourcing erbracht werden. Zu den Routinefunktionen gehören vor diesem Hintergrund insbesondere verwaltungsbezogene Dienstleistungen (EDV, Rechnungswesen, Marketing), technische Dienstleistungen (Montage, Reparaturen), Aus- und Fortbildungen, Lohnfertigung, Auftragsforschung und -entwicklung sowie Vertriebsleistungen eines Handelsvertreters oder Kommissionärs. Ob auch Vertriebsgesellschaften, die als Eigen- bzw. Vertragshändler konzernintern gelieferte Produkte im eigenen Namen auf eigene Rechnung vertreiben, als Unternehmen mit Routinefunktionen zu qualifizieren sind, ist umstritten.6 Dies ist insofern nicht unproblematisch, als die TNMM gerade in diesen Fällen international übliche Praxis ist. Vor diesem Hintergrund sollte auch die deutsche Finanzverwaltung die Anwendung der TNMM bei als Eigen- bzw. Vertragshändler organisierten Vertriebs-Konzerngesellschaften zulassen. cc) Gewinnaufteilungsmethode (PSM)

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Geschäftsvorfallbezogene Aufteilung von Gewinnen. Nach der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode („Profit Split Method“ und kurz „PSM“) wird der aus einem Geschäftsvorfall für die involvierten verbundenen Unternehmen erzielte Gesamtgewinn auf die an der Geschäftsbeziehung beteiligten Unternehmen aufgeteilt.7 Dabei ist im Rahmen einer „ex-ante“-Betrachtung auf den aus dem einzelnen Geschäft erwarteten Gewinn abzustellen; auf den später tatsächlich realisierten Gewinn kommt es hingegen nicht an.8 Als Aufteilungsmaßstab der PSM fungieren die von den verbundenen Unternehmen ausgeübten Funktionen, die getragenen Risiken und die eingesetzten (immateriellen) Wirtschaftsgüter, die mittels einer Funktionsanalyse (vgl. Rz. 68) zu erfassen sind. Insoweit soll im Rahmen der PSM in Bezug auf eine be-

1 2 3 4 5 6 7

Vgl. Baumhoff/Liebchen in W/B, Rz. 3.31; Schwarz/Stein/Flanderova/Hoffmann, Ubg 2017, 638 ff. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12 Abs. 2. Zu einem Anwendungsbeispiel vgl. Ditz in W/B, Rz. 6.61 f. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.13; Rz. 3.9 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3 Buchst. b Abs. 2. Zu Einzelheiten vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1552 f. Vgl. Rz. 2.114 und 2.122 OECD-Leitlinien 2017; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3 Buchst. c. 8 Wohl a.A. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 582, nach dem auf den „realisierten Nettoerfolg“ abzustellen ist.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 99 Art. 9

stimmte Lieferungs- oder Leistungsbeziehung eine Gewinnaufteilung erreicht werden, wie sie zwischen unabhängigen Unternehmen bei vergleichbaren Funktionen und Risiken entstanden wäre. Für die Gewinnaufteilung kommen dabei die vier folgenden Ansätze in Betracht:1 – Beitragsmethode („Contribution Analysis“): Nach der Beitragsmethode wird der erwartete Gesamtgewinn aus einem Geschäftsvorfall ermittelt und zwischen den verbundenen Unternehmen im Verhältnis ihrer Leistungsbeiträge aufgeteilt. Der Umfang der Leistungsbeiträge wird mit Hilfe der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 68) festgelegt, wobei nach Auffassung der OECD der Wert einer Leistung möglichst an Hand von tatsächlichen Marktwerten bestimmt werden soll.2 – Restgewinnmethode („Residual Profit Split Method“): Die Restgewinnmethode sieht eine zweistufige Vorgehensweise vor. Auf der ersten Stufe wird jedem involvierten verbundenen Unternehmen eine „Grundrendite“ zugestanden, die sich an Fremdrenditen für entsprechende Leistungsbeiträge orientiert und in der Regel über eine Datenbankanalyse ermittelt wird. Der verbleibende Gewinn (oder Verlust) wird dann auf einer zweiten Stufe unter Berücksichtigung der individuellen Beiträge der Unternehmen (z.B. auf Basis des Anfalls strategischer Aufwendungen ermittelt) verteilt.3 – Methode des eingesetzten Kapitals („Capital Employed Method“): Nach der Methode des eingesetzten Kapitals wird der Gewinn in der Weise aufgeteilt, dass jedes in die Transaktion einbezogene verbundene Unternehmen dieselbe Rendite aus dem im Rahmen der Transaktion eingesetzten Kapital erzielt. Insoweit wird unterstellt, dass jedes involvierte Unternehmen einem ähnlichen Risiko unterliegt und infolgedessen eine gleiche Rendite gerechtfertigt ist.4 – Methode der vergleichbaren Gewinnaufteilung („Comparable Profit Split Method“): Nach der Methode der vergleichbaren Gewinnaufteilung werden die Gewinnanteile der einzelnen verbundenen Unternehmen aus den Gewinnen abgeleitet, die unabhängige Unternehmen mit vergleichbaren Funktionen, Risiken, Wirtschaftsgütern und Vertragsbedingungen erwirtschaftet. Der insoweit aus den relativen Anteilen am Gesamtgewinn ermittelte Aufteilungsschlüssel wird dann auf die Gewinnaufteilung zwischen den verbundenen Unternehmen übertragen. Konsequenzen des BEPS-Projekts. Die OECD hat im Rahmen des BEPS-Projekts (Aktionspunkt 10) geprüft, inwieweit die bekannten Verrechnungspreismethoden bei globalen Wertschöpfungsketten multinationaler Konzerne zu sachgerechten Ergebnissen führen. Dies betraf insbesondere die Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode. Daher ist in den Abschlussberichten zum BEPS-Projekt v. 5.10.2015 eine Überarbeitung der Prinzipien zur Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode vorgesehen. Die OECD hat am 21.6.2018 einen Bericht mit neuen Vorgaben zur Anwendung der geschäftsfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode veröffentlicht. Der Bericht ersetzt das entsprechende Kapitel in den OECD-Leitlinien 2017. Der Anwendungsbereich der geschäftsfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode wird ausgeweitet.5 Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode zukünftig erheblich an Bedeutung gewinnen wird.6

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dd) Gewinnvergleichsmethode Ablehnung durch OECD. Im Rahmen der Gewinnvergleichsmethode („Comparable Profit Method“ und kurz „CPM“) wird der aus konzerninternen Geschäftsbeziehungen resultierende Betriebsgewinn („Operating Profit“7) mit den Betriebsgewinnen unabhängiger Unternehmen verglichen, die vergleichbare Geschäfte unter vergleichbaren Bedingungen ausführen. Insoweit besteht eine Parallele zur TNMM (Rz. 93). Während sich die TNMM allerdings auf die Gewinnmarge einer einzelnen Geschäftsbeziehung bezieht, stellt die CPM auf den gesamten Betriebsgewinn des Unternehmens ab. Dieser wird zunächst für die gesamte Tätigkeit des Unternehmens ermittelt und dann auf die einzelnen gruppeninternen Geschäftsbeziehungen „heruntergebrochen“. Folglich findet die CPM ihren methodischen Ansatz nicht in einer konkreten Geschäfts1 Vgl. Rz. 2.128 OECD-Leitlinien 2017; Eimermann, IStR 1994, 537 (541); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 583 f. 2 Vgl. Rz. 2.125 f. OECD-Leitlinien 2017; Dawid/Dworaczek in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Anm. 513 ff. 3 Vgl. Rz. 2.127 ff. OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. Rz. 2.151 ff. OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. OECD, Revised Guidance on the Application of the Transactional Profit Split Method v. 21.6.2018. 6 In eine ähnliche Richtung geht die deutsche Finanzverwaltung im BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003 – DOK 2017/0276404, BStBl. I 2017, 701, Rz. 8: „Die Höhe einer zu zahlenden Lizenzgebühr bemisst sich im Regelfall nach dem hypothetischen Fremdvergleich.“ 7 Der „Operating Profit“ ist definiert als Umsatzerlöse abzüglich Herstellungskosten der verkauften Produkte und abzüglich der Betriebsaufwendungen.

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Verbundene Unternehmen

beziehung und ist damit nicht geschäftsvorfallbezogen. Ferner führt die Anwendung der CPM zu einer nicht gerechtfertigten Soll-Gewinnbesteuerung. Vor diesem Hintergrund wird die CPM sowohl von der OECD als auch von der Finanzverwaltung – systematisch zutreffend – abgelehnt.1 100

Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage. Die Ablehnung der Gewinnvergleichsmethode im Sinne einer globalen formelhaften Gewinnaufteilung ist insbesondere vor dem Hintergrund der Bemühungen der EU zur Schaffung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB)2 bemerkenswert.3 Das Konzept der Aufteilung eines konsolidierten Gruppenergebnisses anhand von Schlüsselgrößen macht die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes und damit die Bestimmung von Verrechnungspreisen für gruppeninterne Lieferungen und Leistungen überflüssig. Denn mit diesem Konzept wird vermieden, dass Zwischengewinne aus gruppeninternen Geschäftsbeziehungen zu ermitteln und zu versteuern sind. Allerdings ist der am 16.3.2011 von der Europäischen Kommission erstmalig vorgelegte Richtlinienentwurf zur GKKB4 auf keine Zustimmung unter den Mitgliedstaaten gestoßen.5 Daraufhin hat die Europäische Kommission am 25.10.2016 einen neuen Vorschlag zur Umsetzung der GKKB in zwei Schritten gemacht. Danach soll in einem ersten Schritt eine gemeinsame Körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage (GKB) eingeführt werden,6 die in einem zweiten Schritt zu einer konsolidierten körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage (GKKB) weiterentwickelt wird.7 Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Vorschläge der Europäischen Kommission unter den Mitgliedstaaten konsensfähig sind.8 Die Richtlinie soll bereits in 2021 in Kraft treten.9 c) Konzernumlagen

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Arten von Konzernumlagen. Die Verrechnungspreispraxis zeigt, dass die Abrechnung einzelner, zwischen verbundenen Unternehmen erbrachter Leistungen häufig mit unüberwindbaren praktischen Problemen verbunden ist. Insofern kommt der Abrechnungsform der Konzernumlage – insbesondere bei Dienstleistungen z.B. im Bereich der EDV, des Rechnungswesens, des Marketings und der Forschung und Entwicklung – eine große Bedeutung zu. Im Rahmen von Konzernumlagen ist – auch nach Aufhebung der VWG-Umlage v. 30.12.199910 durch das BMF-Schr. v. 5.7.201811 – zwischen dem Leistungsaustauschkonzept (sog. Leistungsumlage) einerseits und dem Poolkonzept (sog. Poolumlage) andererseits zu unterscheiden.12 Bei der Leistungsumlage wird von einem leistungserbringenden Unternehmen eine Leistung bzw. ein ganzes Leistungsbündel gegenüber einem oder mehreren verbundenen Unternehmen im Rahmen eines schuldrechtlichen Leistungsaustauschs erbracht. Dabei wird der Verrechnungspreis auf Basis der Preisvergleichsmethode oder durch Umlage der beim Leistungserbringer entstandenen Kosten zzgl. eines Gewinnaufschlags mit Hilfe eines sachgerechten Schlüssels, der den Nutzen der Leistungsempfänger widerspiegelt,13 bestimmt. Im Ergebnis findet somit bei Leistungsumlagen die Preisvergleichsmethode (vgl. Rz. 79 ff.) oder eine modifizierte Kostenaufschlagsmethode (vgl. Rz. 85 ff.) Anwendung, im Rahmen derer die durch die Dienstleistung ver-

1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3 Buchst. d; Rz. 1.21 OECD-Leitlinien 2017. 2 Common Consolidated Corporate Tax Base (CCCTB). 3 Zum Konzept der GKKB Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 773 ff.; Herzig/Kuhr, DB 2011, 2053 ff.; Kußmaul/Niehren, StB 2011, 344 ff.; Förster/Krauß, IStR 2011, 607 ff.; Scheffler/Krebs, DStR 2011, Beihefter zu Heft 22; Herzig, FR 2012, 761 f.; Kahle/Schulz, FR 2013, 49 ff.; Spengel/Stutzenberger, IStR 2018, 37 ff.; Haase/Nürnberg, Ubg 2018, 29 ff. 4 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB), KOM (2011) 121 final. 5 Vgl. auch Herzig, FR 2012, 761 f. 6 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine gemeinsame KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage v. 25.10.2016, COM (2016) 685 final. 7 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage v. 25.10.2016, COM (2016) 683. 8 Vgl. dazu auch Spengel/Stutzenberger, IStR 2018, 37 ff.; Haase/Nürnberg, Ubg 2018, 29 ff. 9 Vgl. Müller-Gatermann, FR 2018, 389 (390 f.). 10 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 – 14/99, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1. Das Schreiben bleibt für Wirtschaftsjahre bis zum 31.12.2019 anwendbar (BMF v. 5.7.2018 – IV B 5 - S 1341/0:003 – DOK 2018/0513090, BStBl. I 2018, 743). 11 Vgl. BMF v. 5.7.2018 – IV B 5 - S 1341/0:003 – DOK 2018/0513090, BStBl. I 2018, 743; Kluge/Bestelmeyer, IWB 2018, 892; Puls/Heravi, Ubg 2018, 507 ff.; Rasch, ISR 2018, 326 ff. 12 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1.; Baumhoff, IStR 2000, 693 (693 f.); Kluge/Bestelmeyer, IWB 2018, 892; Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 346 (348); Oestreicher, IStR 2000, 759 (760 f.). 13 Zur Ermittlung eines Umlageschlüssels auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes vgl. Ditz, DB 2004, 1949 ff.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

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ursachten Kosten gesammelt, um einen Gewinnaufschlag erhöht und auf die leistungsempfangenden Unternehmen auf Basis eines Umlageschlüssels verteilt werden. Poolumlage. Bei der Poolumlage werden von einem, von mehreren oder von allen beteiligten verbundenen Unternehmen Leistungen bzw. Leistungsbündel im gemeinsamen Interesse und für gemeinschaftliches Risiko erbracht.1 Insoweit können an einer Poolumlage nur solche Unternehmen als Poolmitglieder teilnehmen, die gleichgerichtete Interessen verfolgen, d.h. sie müssen die Leistungen in wirtschaftlich gleicher Weise nutzen. Ein Pool bildet damit eine Interessengemeinschaft wirtschaftlich gleichberechtigter Partner. Da im Rahmen des Poolkonzepts zwischen den Poolmitgliedern kein schuldrechtlicher Leistungsaustausch erfolgt, sondern die Poolmitglieder mit der Zusammenlegung von Tätigkeiten, Ressourcen oder Fähigkeiten gegenseitigen Nutzen ziehen, ist der Teilnehmerkreis im Rahmen der Poolumlage zwangsläufig auf Unternehmen beschränkt, die aus den Leistungen für sich selbst Vorteile ziehen.2 Infolgedessen kommt es nicht zu Leistungsflüssen zwischen den Poolmitgliedern,3 so dass die im Rahmen der Pooltätigkeit anfallenden Kosten – im Gegensatz zur Leistungsumlage – ohne Gewinnaufschlag unter den Poolmitgliedern verteilt werden. Der Pool stellt insofern eine Risikogemeinschaft dar, da dessen Mitglieder gemeinsam über die Kostenumlage die Risiken der Pooltätigkeit tragen. Dazu gehören insbesondere das Kostenrisiko sowie das Preisabweichungsrisiko. Nach dem BMF-Schr. v. 5.7.20184 soll unter Berücksichtigung des Kap. VIII OECD-Leitlinien 2017 ein rein kostenorientierter Ansatz nur noch in Ausnahmefällen Anwendung finden.5 Dies ist insofern nicht überzeugend, als bei einer Poolumlage auch unter fremden Dritten ein Gewinnaufschlag ausscheidet.

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Umlageschlüssel. Sowohl im Rahmen der Leistungsumlage als auch bei der Poolumlage ist der Umlageschlüssel auf Basis des erwarteten Nutzens der teilnehmenden Unternehmen abzuleiten.6 Dabei kann z.B. auf die eingesetzten, hergestellten, verkauften oder zu erwartenden Einheiten einer Produktlinie, der Materialaufwand, die Maschinenstunden, die Anzahl der Arbeitnehmer, die Lohnsumme, die Wertschöpfung, das investierte Kapital, der Betriebsgewinn oder der Umsatz als Maßstab des Umlageschlüssels herangezogen werden. Es sind durch die Finanzverwaltung keine generell anwendbaren Schlüsselgrößen vorgegeben, sondern es wird dem Steuerpflichtigen ein erheblicher Entscheidungsspielraum im Rahmen der Festlegung des Umlageschlüssels eingeräumt. Dies ist insoweit zutreffend, als es den einen „richtigen“ Umlageschlüssel nicht geben kann, sondern dieser immer an den spezifischen Umständen des Einzelfalls auszurichten ist.7

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3. Verrechnungspreisermittlung für ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen a) Produktlieferungen aa) Lieferungen von Produktionsgesellschaften Merkmale eines Lohnfertigers. Die Produktionsfunktion kann durch ein verbundenes Unternehmen grundsätzlich in den Grundformen eines Eigenproduzenten und eines Lohnfertigers ausgeübt werden. Während der Eigenproduzent Marktchancen und Marktrisiken übernimmt, ist die Lohnfertigung als nur eingeschränkte Funktionsausübung in Form einer Dienstleistung anzusehen.8 Für einen Lohnfertiger sind insbesondere die folgenden Funktionen und Risiken charakteristisch:9 – Beschränkung der Produktion auf einzelne Teile, einzelne Bearbeitungsschritte oder Großserienprodukte; – keine oder geringe unternehmerische Dispositionsfreiheiten, vielmehr bestimmt der Auftraggeber über die Produktpolitik und die Fertigungsschritte des Lohnfertigers; – keine eigene Forschung und Entwicklung und kein Eigentum an den maßgeblichen immateriellen Vermögenswerten, vielmehr wird die Technologie in der Regel vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt; 1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1.1; Rz. 8.3 f. OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1.2 Abs. 2. 3 Unabhängig von der Negierung eines schuldrechtlichen Leistungsaustausches zwischen den Poolmitgliedern für ertragsteuerliche Zwecke ist das Poolkonzept einer umsatzsteuerlichen Würdigung zu unterziehen. Folglich können auch im Rahmen des Poolkonzepts umsatzsteuerlich zu erfassende Leistungsbeziehungen vorliegen. Vgl. dazu im Einzelnen Förster/Mühlbauer, DStR 2002, 1470 ff.; Eggers, IStR 2001, 308 ff. 4 Vgl. BMF v. 5.7.2018 – IV B 5 - S 1341/0:003 – DOK 2018/0513090, BStBl. I 2018, 743. 5 Vgl. Puls/Heravi, Ubg 2018, 507 ff. (511). 6 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, DB 2004, 1949 ff. 7 Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 183 ff. 8 Vgl. Rz. 7.40 OECD-Leitlinien 2017. 9 Vgl. auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 4.1.2; FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, IStR 2006, 794 (rkr.); Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789 ff.; Ditz, IStR 2009, 125 (126).

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Verbundene Unternehmen

– nur eingeschränkte eigene Beschaffungsfunktion, vielmehr werden Rohstoffe häufig durch den Auftraggeber (kostenlos) beigestellt; – geringe Lagerhaltung; – kein eigener Vertrieb; – kein bzw. ein nur geringes Absatzrisiko, da der Auftraggeber langfristig den Großteil seiner Produktion abnimmt; – geringe Beschaffungs- und Lagerrisiken; – kein oder nur geringes Forschungs- und Entwicklungsrisiko. 105

Verrechnungspreise bei einem Lohnfertiger. Ist eine Produktionsgesellschaft als Lohnfertiger zu qualifizieren, ist zunächst zu prüfen, ob der Verrechnungspreis auf Basis der Preisvergleichsmethode ermittelt werden kann. Ist dies nicht der Fall, ist der Verrechnungspreis nach der Kostenaufschlagsmethode (vgl. Rz. 85 ff.) zu bestimmen; alternativ ist auch eine Anwendung der TNMM denkbar.1 Die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode ist insofern sachgerecht, als bei „Make or Buy“-Entscheidungen im Rahmen des Outsourcing zwischen unabhängigen Dritten üblicherweise auf Kostenvergleichsrechnungen abgestellt wird. Außerdem ist die Lohnfertigung als (Produktions-)Dienstleistung anzusehen, für die in der Regel ein kostenorientiertes Entgelt vergütet wird.2 Im Rahmen der Anwendung der Kostenaufschlagsmethode ist der Gewinnaufschlag des Lohnfertigers umso höher zu bemessen, je mehr Funktionen und Risiken durch ihn übernommen werden. In der Verrechnungspreispraxis kommen dabei bei Lohnfertigungsverhältnissen häufig Gewinnaufschläge von 5 % bis 10 % zur Anwendung (ohne die Aufteilung von Standortvorteilen). Die Kostenbasis sollte dabei auf Plan- bzw. Sollkostenbasis ermittelt werden, damit effizientes Arbeiten des Lohnfertigers belohnt und ineffizientes Arbeiten bestraft und nicht durch eine Kostenerstattung auf IstKosten-Basis egalisiert wird. Was den Sachumfang der Kosten betrifft, kommt bei Lohnfertigungsverhältnissen nur die Verrechnung von Vollkosten in Betracht.3 In diesem Zusammenhang vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die Kosten für vom Auftraggeber beigestellte Rohstoffe und Materialien nicht in die Kostenbasis des Lohnfertigers einfließen dürfen.4 Dies ist insofern sachgerecht, als bei beigestellten Rohstoffen und Materialien keine eigene Wertschöpfung des Lohnfertigers vorliegt. Werden diese Stoffe indessen durch den Lohnfertiger selbst eingekauft (z.B. über eine eigene Einkaufsabteilung), kann ein Gewinnaufschlag auf die entsprechenden Einstandskosten sachgerecht sein. Entstehen dem Lohnfertiger z.B. im Zusammenhang mit dem Aufbau oder der Erweiterung seiner Produktion Anlaufverluste, sind diese vom Auftraggeber zu tragen. Ansonsten würde der Lohnfertiger auf Grund seiner Einordnung als Routineunternehmen verbunden mit einer geringen Gewinnmarge auf Dauer Verluste erwirtschaften, die ein unabhängiger Lohnfertiger zu tragen nicht bereit wäre.5

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Zuordnung von Standortvorteilen. Standortvorteile werden meist durch niedrigere Produktionskosten des Lohnfertigers auf Grund eines niedrigeren Lohnniveaus, geringerer Sozialabgaben, niedrigerer Energiekosten usw. im Ausland realisiert. Die günstigere Kostensituation führt ceteris paribus zu einem Mehrgewinn im Vergleich zur reinen Inlandsproduktion ohne Einschaltung des jeweiligen Lohnfertigers. Der aus den Standortvorteilen resultierende Mehrgewinn wird indessen bei einer undifferenzierten Anwendung der Kostenaufschlagsmethode nicht berücksichtigt. Denn wird lediglich ein Standardgewinnaufschlag (von z.B. 5 % bis 10 %) auf durch die Standortvorteile niedrigere Kostenbasis angesetzt, kommt der aus den Standortvorteilen resultierende Mehrgewinn größtenteils dem Auftraggeber zu. Eine solche Zuordnung von Standortvorteilen alleine zum inländischen Auftraggeber ist nicht sachgerecht.6 Denn Standortvorteile entstehen auf Grund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Staates. Somit sollte das grundsätzliche Besteuerungsrecht der daraus resultierenden Gewinne auch dem betreffenden Staat zustehen. Vor diesem Hintergrund sind nach h.M. die durch die niedrigeren Kosten im Ausland resultierenden Standortvorteile zwischen Auftraggeber und Lohnfertiger aufzuteilen.7 Die Aufteilung von Standortvorteilen hat dabei im Wege eines hypothetischen Fremdvergleichs (vgl. Rz. 74 ff.) zu erfolgen. Dies läuft auf die Ermittlung eines Einigungsbereichs hinaus, wonach zur Ermittlung eines Verrechnungspreises ein Einigungsbereich im Sinne eines 1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.1.3 Beispiel 3; Rz. 7.40 OECD-Leitlinien 2017; FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, EFG 2006, 1562 (rkr.) = IStR 2006, 794. 2 Vgl. Rz. 7.40 OECD-Leitlinien 2017. 3 Zu Einzelheiten der Bestimmung der Kostenbasis vgl. Ditz in W/B, Rz. 6.33 ff. 4 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 4.1.3. 5 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 21 (31 f.); Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 321 (327). 6 Zu Einzelheiten vgl. Ditz in W/B, Rz. 6.36 f. 7 Vgl. Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789 (791); Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 319; Greil/Greil in Kroppen/Rasch, Handbuch der Internationalen Verrechnungspreise, OECD-Kap. VII Anm.183; Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, Rz. 217; Ditz, IStR 2011, 125 (126).

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

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Mindestpreises des Leistenden (hier: des Lohnfertigers) und eines Höchstpreises des Leistungsempfängers (hier: des Auftraggebers) zu ermitteln ist. So umfasst die Preisobergrenze des Auftragfertigers die Kosten des jeweiligen Auftrags bei Eigenerstellung, während die Preisuntergrenze des Lohnfertigers die Kosten des jeweiligen Auftrags zzgl. eines Standardgewinnaufschlags umfasst. § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG sieht hinsichtlich der Frage, wie ein ermittelter Einigungsbereich zwischen den Verhandlungspartnern aufzuteilen ist, vor, dass der Preis zu Grunde zu legen ist, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zu Grunde zu legen. Da die Aufteilung der Standortvorteile mittels einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung nur schwerlich möglich ist,1 wird in der Praxis von einer hälftigen Aufteilung des Einigungsbereichs, d.h. von einer hälftigen Aufteilung der Standortvorteile, auszugehen sein. Dies läuft auf eine Arbitriumwert-Lösung hinaus, welche letztlich als rein pragmatischer Ansatz zu verstehen ist.2 Die hälftige Aufteilung von Standortvorteilen wird auch durch das rechtskräftige Urt. des FG Münster vom 16.3.2006 bestätigt.3 Mit dem Urt. wird in bemerkenswerter Klarheit herausgestellt, dass ein durch Kostenvorteile entstandener Standortvorteil vom Auftraggeber nicht vollständig absorbiert werden kann, sondern ebenfalls dem Lohnfertiger zugutekommen muss. Das Urt. des FG Münster vom 16.3.20064 wird indessen von der Finanzverwaltung nicht anerkannt. Nach Zech entspricht es vielmehr der Auffassung der Finanzverwaltung, dass Standortvorteile vollständig im Inland zu vereinnahmen sind.5 Merkmale eines Eigenproduzenten. Im Gegensatz zum Lohnfertiger verfügt der Eigenproduzent über die volle Dispositionsbefugnis der Produktion. In der Regel ist er daher als Strategieträger in Bezug auf das entsprechende Produkt bzw. die entsprechende Produktgruppe anzusehen (vgl. Rz. 69). Denn der Eigenproduzent bestimmt die wesentlichen strategischen und betriebswirtschaftlichen Entscheidungen und trägt demnach alle Marktchancen und Marktrisiken.6 Die wesentlichen Merkmale eines Eigenproduzenten sind die Folgenden:7 – Ausübung der Produktionsfunktionen (z.B. Fertigung, Produktentwicklung, Produktauswahl, Einkauf, Lagerhaltung, Forschung und Entwicklung) sowie der Vermarktungsfunktionen (z.B. Werbung, Vertrieb); – Ausübung entsprechender Entscheidungskompetenzen; – Besitz der wesentlichen Betriebsgrundlagen in Form materieller und insbesondere immaterieller Wirtschaftsgüter; – Ausübung der mit den Funktionen verbundenen Chancen und Risiken (z.B. Markt-, Qualitäts- und Absatzrisiko).

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Verrechnungspreise bei Eigenproduzenten. Da der Eigenproduzent im Regelfall als Entrepreneur bzw. Strategieträger einzustufen ist, ist ihm der Residualgewinn bzw. -verlust zuzuordnen (vgl. Rz. 69). Daraus ergibt sich für die Verrechnungspreisermittlung Folgendes: Liefert ein verbundenes Produktionsunternehmen an einen Eigenproduzenten, ist dieses in der Regel als Lohn- bzw. Auftragsfertiger zu qualifizieren, so dass die entsprechenden Verrechnungspreise auf Basis der Kostenaufschlagsmethode (vgl. Rz. 105) zu ermitteln sind. Liefert der Eigenproduzent an verbundene Vertriebsgesellschaften, bietet sich zur Ermittlung der Verrechnungspreise die Wiederverkaufspreismethode (vgl. Rz. 82 ff.) oder die TNMM (vgl. Rz. 93 ff.) an. Insofern ist bei einem Eigenproduzenten die Methodenwahl nicht auf die Kostenaufschlagsmethode beschränkt, sondern es kommen primär die Preisvergleichs- und die Wiederverkaufspreismethode zur Anwendung. Werden dem Eigenproduzenten für dessen Produktion von einem anderen verbundenen Unternehmen materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlassen, ist hierfür ein entsprechender Kaufpreis (bei Kauf) bzw. eine Lizenzgebühr oder Miete (bei Nutzungsüberlassung) zu verrechnen.

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bb) Lieferungen an Vertriebsgesellschaften Eigenhändler. Im Hinblick auf die rechtliche Organisation einer Vertriebsgesellschaft bestehen mit dem Vertrags- bzw. Eigenhändler (Vertrieb im eigenen Namen auf eigene Rechnung), dem Kommissionär (Vertrieb im eigenen Namen auf fremde Rechnung) und dem Handelsvertreter (Vertrieb im fremden Namen

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Vgl. dazu auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1465). Vgl. Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789 (792). Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – VIII K 2348/02 E, EFG 2006, 1562 (rkr.). Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – VIII K 2348/02 E, EFG 2006, 1562 (rkr.). Vgl. Zech, IStR 2011, 131 (133). Vgl. Borstell in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 519 (524 f.). Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 4.1.1.

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Art. 9 Rz. 109

Verbundene Unternehmen

auf fremde Rechnung) drei unterschiedliche Gestaltungsalternativen.1 Dabei übt nur der Eigenhändler die volle Vertriebsfunktion aus; denn nur er erwirbt das Eigentum an den von ihm vertriebenen Produkten und vertreibt diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Folglich trägt der Eigenhändler sowohl die Lager- als auch die Absatzrisiken des Vertriebs und verfügt über weitgehende Dispositionsbefugnisse hinsichtlich der Ausgestaltung seiner Vertriebspolitik (z.B. Entscheidung über Vertriebswege, Marketing, Werbung, After Sales-Services etc.). Die durch den Eigenhändler übernommenen Risiken entsprechen in der Regel den durch ihn ausgeübten Funktionen (vgl. Rz. 68). Damit ist davon auszugehen, dass der Eigenhändler neben den Vorrats-, Gewährleistungs- und Auslastungsrisiken des Vertriebs auch das Inkassorisiko sowie das Risiko fehlgeschlagener Geschäftsstrategien zu verantworten hat. Dagegen ist das Währungsrisiko nicht zwingend von der Vertriebsgesellschaft zu tragen; vielmehr besteht hier die Möglichkeit, Währungsrisiken vertraglich der Produktions- oder der Vertriebsgesellschaft zuzuordnen. Ein wesentliches Risiko des Eigenhändlers ist das Risiko zurückgehender Umsätze, die bei gleichbleibenden Fixkosten zu Verlusten führen können. Ein solches Risiko besteht indessen bei einer als Low-Risk-Distributor2 organisierten Vertriebsgesellschaft nicht. Zwar handelt diese als Eigenhändler ebenfalls im eigenen Namen und auf eigene Rechnung; allerdings übt sie nur geringe vertriebstypische Funktionen aus (neben der Akquisition und Auftragsbearbeitung erfolgt in der Regel keine Lagerhaltung, keine Warenverteilung, kein Kundendienst, keine Marktforschung und auch kein Marketing; ferner fehlt die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Preispolitik) und verfügt folglich auch über keine wesentlichen unternehmerischen Risiken. Eine als Low-Risk-Distributor ausgestaltete Vertriebsgesellschaft ist in der Regel als Routineunternehmen einzustufen.3 110

Kommissionär und Handelsvertreter. Im Gegensatz zum Eigenhändler werden – nach dem gesetzlichen Grundmodell der §§ 84 und 383 HGB – weder der Kommissionär noch der Handelsvertreter Eigentümer der vertriebenen Waren. Der Kommissionär und der Handelsvertreter unterscheiden sich infolgedessen vom Eigenhändler in ihrem reduzierten Funktions- und Risikoumfang. Dieser resultiert insbesondere daraus, dass beide Vertriebsformen im Innenverhältnis auf Rechnung des Prinzipals tätig werden. Daher tragen sowohl der Kommissionär als auch der Handelsvertreter ein geringeres Vertriebsrisiko, so dass ihnen ein entsprechend geringerer Vertriebsgewinn zusteht. Dabei ist der Handelsvertreter die funktions- und risikoschwächste Alternative, da er neben der Akquisition von Kunden und der Auftragsbearbeitung in der Regel keine zusätzlichen Funktionen ausübt.

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Verrechnungspreise bei einem Eigenhändler. Der BFH hat in seinem Urt. v. 17.10.2001 umfassend zur Verrechnungspreisermittlung bei Lieferungen an eine als Eigenhändler organisierte Vertriebsgesellschaft Stellung bezogen.4 Danach ist der Verrechnungspreis für Produktlieferungen an einen Eigenhändler „regelmäßig“ nach der Wiederverkaufspreismethode (vgl. Rz. 82 ff.) zu ermitteln. Dies schließt allerdings nicht aus, dass auch die Preisvergleichsmethode Anwendung finden kann.5 Ferner kommen in Bezug auf die Ermittlung von Verrechnungspreisen für Produktlieferungen an einen Eigenhändler die TNMM (vgl. Rz. 93 ff.) (insbesondere bei einem „low risk distributor“) und die Kostenaufschlagsmethode (vgl. Rz. 85 ff.; insbesondere bei Vertriebsgesellschaften, die als Strategieträger zu qualifizieren sind) in Betracht.6 Im Rahmen der Ermittlung von Verrechnungspreisen für Produktlieferungen an eine Vertriebsgesellschaft ist schließlich zu berücksichtigen, dass ein unabhängiger Vertreiber im Rahmen seiner Vertriebsfunktion keine nachhaltigen Verluste akzeptieren würde. Denn der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer Vertriebsgesellschaft würde auf Dauer7 keine Produkte vertreiben, mit denen er nur Verluste erzielt. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung bei Vertriebsgesellschaften sicherzustellen, dass sie auf Dauer Gewinne erwirtschaften können. Besteht hingegen eine nachhaltige Verlustsituation, geht der BFH von der widerlegbaren Vermutung unangemessener Verrechnungspreise aus. Als Untergrenze der 1 Vgl. dazu im Einzelnen Prinz, FR 1997, 519; Ditz in W/B, Rz. 6.49 ff.; Baumhoff/Liebchen in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 4.354 ff. 2 Vgl. Fiehler, IStR 2007, 464 (465); Ditz in W/B, Rz. 6.60 ff. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2 Buchst. a; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1549 (1552 f.); Ditz in W/B, Rz. 6.51. 4 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 und dazu Baumhoff, IStR 2001, 745 (751); Kuckhoff/Schreiber, IWB, F. 3, Gr. 1, 863; Wassermeyer, DB 2001, 2465 (2465). 5 Vgl. auch BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; BMF v. 26.2.2004 – IV B 4 - S 1300 - 12/04, BStBl. I 2004, 270; Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 592 ff. 6 Vgl. Ditz in W/B, Rz. 6, 59; Baumhoff/Liebchen in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 4.364. 7 Die Verlustphase einer Vertriebsgesellschaft soll – abgesehen von besonderen Umständen des Einzelfalls – einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten. Ist dies dennoch der Fall, wird widerlegbar vermutet, dass gegenüber der Vertriebsgesellschaft unangemessene Verrechnungspreise angesetzt wurden. Zu Einzelheiten vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 592 (593).

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 115 Art. 9

Rendite soll dabei die angemessene Verzinsung des Eigenkapitals der Vertriebsgesellschaft (einschließlich Zinseszinsen und Risikozuschlag) fungieren.1 Verrechnungspreise bei einem Kommissionär. Der Kommissionär erwirbt im Gegensatz zum Eigenhändler kein Eigentum an den von ihm vertriebenen Produkten. Im Hinblick auf die Vergütung der (Vermittlungs-)Dienstleistung des Kommissionärs ist sowohl die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode als auch die Gewährung einer umsatzabhängigen Kommission denkbar. In der Regel liegen die Provisionssätze zwischen 3 % und 7 % des Umsatzes, falls kein zusätzlicher Aufwandsersatz erfolgt. Werden Aufwendungen des Kommissionärs ersetzt, liegt die Provision in der Regel zwischen 0,5 % und 5 %.2 Zur Ermittlung der Kommissionärsvergütung kommt in der Praxis häufig die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung. Dies ist insofern sachgerecht, als es sich bei der Kostenaufschlagsmethode um die Regelmethode zur Ermittlung von Verrechnungspreisen von Dienstleistungen handelt und der Kommissionär eine vertriebsbezogene Dienstleistung erbringt.3 Da der Kommissionär lediglich eine Routinefunktion ausübt,4 wird in der Regel ein Gewinnaufschlag in Höhe von 5–10 % angewandt.

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Verrechnungspreise bei einem Handelsvertreter. Der Handelsvertreter erhält lediglich eine Handelsvertretervergütung. Diese ist in der Regel anhand der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln und auf Grund des geringen Umfangs an übernommenen Funktionen und Risiken im Vergleich zur Handelsspanne des Eigenhändlers und zur Kommission des Kommissionärs geringer.5

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b) Finanzierungsleistungen aa) Verrechnung dem Grunde nach Notwendigkeit einer Geschäftsbeziehung. Art. 9 Abs. 1 lässt eine Verrechnungspreiskorrektur nur in Bezug auf eine „kaufmännische oder finanzielle Beziehung“ zwischen verbundenen Unternehmen zu (vgl. Rz. 52 ff.). Bevor ein Verrechnungspreis für eine Finanzierungsleistung (z.B. Gewährung von Darlehen, Bürgschaften oder Garantien) bestimmt werden kann, ist infolgedessen – auch nach Auffassung der OECD in ihrem Diskussionspapier zu Finanztransaktionen6 – zu untersuchen, ob eine dem Grunde nach verrechenbare Finanzierungsbeziehung vorliegt.7 Dies setzt eine schuldrechtliche Beziehung voraus (vgl. Rz. 53), die nicht der gesellschaftsrechtlichen Ebene zuzuordnen ist. Die Abgrenzungsfrage ist für Zwecke des Art. 9 Abs. 1 – wenngleich § 1 Abs. 4 AStG in eine andere Richtung geht (vgl. Rz. 54) – unter Veranlassungsgesichtspunkten zu beantworten. Besteht die Veranlassung der Finanzierungsbeziehung ausschließlich im Gesellschaftsverhältnis, so kann sich eine Vergütung bereits dem Grunde nach nicht ergeben. Eine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis liegt vor, wenn die Beziehung ihren Grund innerhalb des Gesellschaftsverhältnisses hat und das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter regelt.8 Die Überlassung von Eigenkapital ist demnach eine dem Grunde nach nicht verrechenbare Finanzierungsbeziehung. Dem Grunde nach verrechenbar sind in der Regel Darlehen (auch eigenkapitalersetzende Darlehen), Bürgschaften, Garantien und harte Patronatserklärungen.

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Ernst gemeinte Darlehensgewährung. Nach Auffassung der Finanzverwaltung setzt die Verrechnung von Zinsen eine „ernst gemeinte Darlehensgewährung“ voraus.9 Eine solche (zinsrelevante) Darlehensgewährung liegt unzweifelhaft vor, wenn ein Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, in welchem die üblichen Abreden wie Verzinsung, Laufzeit etc. enthalten sind. Die steuerliche Anerkennung eines Darlehensverhältnisses kann allerdings nicht daran scheitern, dass ein unvollständiger Darlehensvertrag vorliegt, in welchem einzelne fremdübliche Abreden nicht geregelt sind (wie z.B. Verzicht auf die Vereinbarung von Sicherheiten oder detaillierte Regelungen der Tilgung des Darlehens). Hingegen verlangen sowohl der BFH10 als auch die Finanzverwaltung11 zur Anerkennung des Betriebsausgabenabzugs für Zinsen im Rahmen der Gewährung von Darlehen oder sonstigem Fremdkapital eines Gesellschafters an seine Gesellschaft das Vorliegen von im Vorhinein getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarungen. Selbst wenn hierzu grundsätzlich keine zivilrechtliche Verpflichtung besteht, sollte nicht zuletzt zur Erfüllung der erweiterten Mitwirkungspflichten des

115

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. Vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 614.3. Vgl. auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 2.2.2.1. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2 Buchst. a. Vgl. Ditz in W/B, Rz. 6.65. Vgl. dazu Busch/John/Nolden, DB 2018, 2067. Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/B, Rz. 6.420 ff. Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/B, Rz. 6.420 ff. und 6.513 ff. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 4.1. Vgl. etwa BFH v. 3.11.1976 – I R 98/75, BStBl. II 1977, 172. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 1.4.1.

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Art. 9 Rz. 115

Verbundene Unternehmen

§ 90 Abs. 2 AO, der Dokumentationspflichten des § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV ein schriftlicher Darlehensvertrag abgeschlossen werden. In Abkommensfällen ist zu beachten, dass Art. 9 Abs. 1 (präziser: die Art. 9 Abs. 1 nachgebildete, einschlägige Abkommensnorm) eine Sperrwirkung gegenüber § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und § 1 AStG in den Fällen entfaltet, in denen eine Einkünftekorrektur auf rein formale Beanstandungen gestützt wird (vgl. Rz. 26). Wurde vor diesem Hintergrund auch ohne schriftlichen Darlehensvertrag Fremdkapital gewährt und dieses fremdüblich abgerechnet, und als solches auch handels- und steuerbilanziell ausgewiesen, steht einer Einkünftekorrektur aus rein formalen Gesichtspunkten Art. 9 Abs. 1 entgegen. bb) Verrechnung der Höhe nach 116

Angemessener Zinssatz. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist für die Gewährung von Darlehen an verbundene Unternehmen der Zins anzusetzen, zu dem Fremde unter vergleichbaren Bedingungen das Darlehen am Geld- oder Kapitalmarkt gewährt hätten.1 Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wie z.B. die Darlehenshöhe, die Laufzeit und Art des Darlehens, die Wechselkursrisiken sowie die allgemeinen Verhältnisse am Kapitalmarkt.2 Allerdings darf sich der zwischen verbundenen Unternehmen zum Ansatz gebrachte Zinssatz – wie wohl von der Finanzverwaltung beabsichtigt – keinesfalls einseitig am Soll-Zinssatz orientieren. Ein solcher ist vielmehr nur dann zwingend, wenn das darlehensgewährende verbundene Unternehmen sich selbst über den Soll-Zinssatz einer Bank refinanziert und die entsprechenden Mittel an ein verbundenes Unternehmen weiterleitet.3 Verfügt das darlehensgewährende verbundene Unternehmen demgegenüber über ausreichend eigene Liquidität zur Finanzierung des Darlehens an verbundene Unternehmen, spricht vieles dafür, den Haben-Zinssatz zum Ansatz zu bringen. Entscheidend sind allerdings jeweils die Umstände des Einzelfalls. Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang die Rspr. des BFH, wonach sich im Zweifel fremde Dritte die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen und infolgedessen der zum Ansatz zu bringende Zinssatz dem Mittelwert zwischen Soll- und HabenZinssatz entsprechen soll.4 Denn eine solche hälftige Teilung des Zinssatzes ist unter unabhängigen Dritten gerade nicht üblich.5 Vielmehr ist alleine darauf abzustellen, zu welchen Konditionen das verbundene Unternehmen anderweitig ein Darlehen hätte aufnehmen können oder müssen.6 Damit kann als angemessener Zinssatz nur derjenige zur Anwendung kommen, welcher am Markt zum Ansatz kommen würde. Dies läuft auf die Anwendung der Preisvergleichsmethode hinaus, die im Bereich der Bestimmung fremdüblicher Zinssätze für Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen in der Praxis die übliche Verrechnungspreismethode darstellt.7

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Zinslose Kapitalüberlassung. Grundsätzlich entspricht nur eine verzinsliche Überlassung von Fremdkapital dem Grundsatz des Fremdvergleichs. Allerdings sind auch Fälle denkbar, in denen eine zinslose bzw. eine zinsbegünstigte Überlassung von Fremdkapital bei der darlehensgewährenden Konzerngesellschaft betrieblich veranlasst ist.8 Dies ist z.B. dann der Fall, wenn – nach Handelsbrauch – auch fremde Dritte keine Zinsen berechnen würden. Dies betrifft insbesondere Lieferantenkredite für Waren oder Dienstleistungen innerhalb üblicher Zahlungsziele. Ferner können zinslose Warenkredite oder zinslose Darlehen an eine Vertriebsgesellschaft im eigenen betrieblichen Interesse der Produktionsgesellschaft oder der liefernden Gesellschaft liegen (z.B. zur eigenen Absatzförderung).9

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Avalprovisionen. Weder die OECD-Leitlinien noch die Verlautbarungen der Finanzverwaltung enthalten Anhaltspunkte zur Bestimmung angemessener Avalprovisionen für gruppeninterne Bürgschaften, Garantien oder ähnliche Verpflichtungen. Vertreter der Finanzverwaltung gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass die von Banken veranschlagten Avalprovisionen in Höhe von ca. 1–3 % als Obergrenze eines Vergleichsmaßstabs herangezogen werden können.10 Eine solche Ableitung gruppeninterner Avale aus Bankgeschäften 1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 4.2.1. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 4.2.2. 3 Nach Buciek, JbFSt 2008/09, 796, ist neben dem Refinanzierungssatz auch ein Gewinnaufschlag zu verrechnen. Insoweit kommt die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung. Vgl. auch Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 754. 4 Vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; v. 19.1.1994 – I R 93/93, BStBl. II 1994, 725; v. 22.10.2003 – I R 36/03, DStRE 2004, 304. 5 Kritisch auch Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 693. 6 So auch FG Berlin-Bdb. v. 9.3.2011 – 12 K 12267/07, EFG 2011, 1737 (rkr.); FG Sachsen-Anhalt v. 21.2.2008 – 3 K 305/01, n.v. 7 Vgl. Ditz in W/B, Rz. 6.442; Brüninghaus in V/B/E4, Rz. 31 ff.; Ditz/Tcherveniachki, IStR 2014, 398 (399); Ditz/Engelen, Ubg 2017, 440 (442); a.A. FG Münster v. 7.12.2016 – 13 K 4037/13, EFG 2017, 334 – Rev. BFH I R 4/17. 8 Zu Einzelheiten vgl. Ditz in W/B, Rz. 6.449 ff. 9 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 4.3.1 und 4.3.2. 10 Vgl. Zech, IStR 2009, 418 (418); so auch FG Nds. v. 23.3.1999 – VI 357/95, DStRE 2000, 411.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 120 Art. 9

kann indessen nicht überzeugen. Denn Banken unterliegen besonderen aufsichtsrechtlichen und Solvabilitäts-Vorschriften, die sich in ihren Kalkulationen und Ausgestaltungsgrundsätzen für Avalkredite widerspiegeln.1 Insbesondere haben Banken ihre Avalkredite mit Eigenkapital zu unterlegen, so dass diese hohe Opportunitätskosten verursachen, die in die Avalprovisionen eingepreist werden. Ferner ist die Übernahme von Bürgschaften für Banken in der Regel ein besonderer Geschäftszweig, der nicht selten das eigene Kreditgeschäft der Banken stützt. Diesen Geschäftsbedingungen unterliegen gruppeninterne Avale hingegen nicht. Damit liegen insofern keine vergleichbaren Verhältnisse vor (vgl. Rz. 66 f.). Vor diesem Hintergrund haben sich im steuerlichen Schrifttum und in der Betriebsprüfungspraxis Provisionsspannen von 1/8 % bis 1/4 % des tatsächlich in Anspruch genommenen Kredits herausgebildet.2 Hierbei handelt es sich allerdings um rein pragmatische Ansätze. Alternativ können angemessene Avale aus dem Zinsvorteil abgeleitet werden, den das verbundene Unternehmen in Folge der Garantie realisieren konnte.3 Darüber hinaus werden im Schrifttum finanzmathematische Ansätze zur Ermittlung angemessener Avalprovisionen diskutiert (sog. Credit Default Swaps).4 c) Lizenzierung immaterieller Wirtschaftsgüter aa) Verrechnung dem Grunde nach Betrieblicher Nutzen des Lizenznehmers. Werden immaterielle Wirtschaftsgüter (z.B. Marken, Patente, Know-how, Kundenstamm) einem verbundenen Unternehmen zur Nutzung überlassen, ist hierfür nach dem Fremdvergleichsgrundsatz ein angemessenes Entgelt in Form einer Lizenzgebühr zu verrechnen. Eine solche ist allerdings nur dann verrechenbar, wenn sie für den Lizenznehmer einen betrieblichen Nutzen erwarten lässt.5 Dies ist dann der Fall, wenn den Lizenznehmer im Rahmen einer „ex-ante“-Betrachtung aus der Nutzungsüberlassung des immateriellen Wirtschaftsguts einen wirtschaftlichen Vorteil erwartet bzw. das immaterielle Wirtschaftsgut geeignet ist, seine Geschäftstätigkeit zu fördern (sog. „benefit test“).6 Dies setzt voraus, dass die Nutzungsüberlassung des immateriellen Wirtschaftsgutes beim Lizenznehmer erhöhte Erlöse bzw. Kostenersparnisse erwarten lässt.7 Die Verrechnung von Lizenzgebühren ist nicht möglich, wenn die Nutzungsüberlassung der immateriellen Wirtschaftsgüter im Zusammenhang mit Lieferungen und Leistungen steht und fremde Dritte ein Gesamtentgelt vereinbart hätten (sog. Verbot der Doppelverrechnung).8

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Definition des immateriellen Vermögenswerts und DEMPE-Funktionen. Die OECD hat sich im Rah- 120 men des BEPS-Projekts intensiv mit der Behandlung immaterieller Vermögenswerte beschäftigt. Dies betrifft einerseits die Definition des immateriellen Vermögenswerts als „something that is not a physical asset or a financial asset which is capable of being owned or controlled for use in commercial activities and who’s use or transfer would be compensated, had it occurred in a transaction between independent parties in comparable circumstances.“9 Andererseits hat die OECD in Bezug auf immaterielle Vermögenswerte die Funktionen herausgearbeitet, die bei der Zuordnung von Gewinnen aus diesen Werten zu berücksichtigen sind. Die OECD verfolgt dabei einen Substance-over-Form-Ansatz, nach welchem für die Zuordnung von Gewinnen aus der Verwertung immaterieller Vermögenswerte auf die individuellen Wertschöpfungsbeiträge in Bezug auf die Entwicklung („development“), Verbesserung („enhancement“), Erhaltung („maintenance“), Schutz („protection“) und Verwertung („exploitation“) abzustellen ist.10 Nach diesem sogenannten DEMPE-Konzept sind die entsprechenden Funktionen und Verantwortlichkeiten der verbundenen Unternehmen, die in die Entwicklung und Verwertung eines immateriellen Vermögenswerts einbezogen sind, zu analysieren und darauf aufbauend eine Gewinnzuordnung vorzunehmen.11 Sowohl die Definition des immateriellen Vermögenswerts als auch das DEMPE-Konzept haben alleine Bedeutung für die Bestimmung von Verrechnungspreisen für immaterielle Vermögenswerte. Sie beziehen sich nicht auf bilanzielle oder ertragsteuerliche 1 Vgl. Puls, IStR 2012, 209 (212); Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Anm. 767; Crüger/Köhler, RIW 2008, 378 (379); Schaus/Köhler/John, RIW 2009, 533 (534). 2 Vgl. Ditz/Kluge, IWB 2013, 87 (92); Puls, IStR 2012, 209 (214); Ditz, IStR 2009, 421 (422); Ditz/Schneider, DB 2011, 779 (781). 3 Vgl. dazu ausführlich Ditz/Kluge, IWB 2013, 87 (93 f.); Ditz/Schneider, DB 2011, 779 (780 f.) mit Verweis auf das Urt. des Tax Court of Canada v. 6.12.2009. 4 Vgl. Crüger/Köhler, RIW 2008, 378 ff.; Schaus/Köhler/John, RIW 2009, 533 ff. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.1.1. 6 Vgl. auch BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003 – DOK 2017/0276404, BStBl. I 2017, Rz. 7. 7 Vgl. Rz. 6.127 OECD-Leitlinien 2017. 8 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.1.2. 9 Vgl. Rz. 6.6 OECD-Leitlinien 2017 und dazu im Einzelnen Naumann/Groß, IStR 2014, 906 (908). 10 Vgl. Rz. 6.32, 6.43 und 6.48 OECD-Leitlinien 2017. 11 Zu Einzelheiten vgl. Puls/Heravi, IStR 2018, 721; Jochimsen, IStR 2018, 670 ff.; Stein/Schwarz/Holinski, DStR 2017, 118 (119 ff.); Koch, IStR 2017, 766 (768 f.).

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Art. 9 Rz. 120

Verbundene Unternehmen

Fragen.1 Insbesondere können beide Konzepte nicht für die Anwendung des § 39 AO (rechtliches und wirtschaftliches Eigentum) herangezogen werden. Es handelt sich lediglich um Empfehlungen der OECD im Hinblick auf die Bestimmung von Verrechnungspreisen für immaterielle Vermögenswerte nach dem Fremdvergleichsgrundsatz. 121

Lizenzierung von Know-how. Die Finanzverwaltung greift – insbesondere in Betriebsprüfungen – häufig Fälle auf, in denen mutmaßlich Know-how eines deutschen Unternehmens an ein ausländisches verbundenes Unternehmen zur Nutzung überlassen worden ist.2 Hier stellt sich die Frage, wann unter Fremdvergleichsgesichtspunkten tatsächlich die Verrechnung einer Lizenzgebühr für die Nutzungsüberlassung von Know-how angezeigt ist. Im Gegensatz zur Definition des Patents im PatentG existiert für den Begriff des Know-how keine Legaldefinition.3 Die OECD-Leitlinien verstehen unter Know-how geheime Verfahren, Formeln oder sonstige geheime Informationen über gewerbliche, kaufmännische oder wissenschaftliche Erfahrungen, die patentrechtlich nicht geschützt sind.4 Know-how kann folglich von einfachem Erfahrungswissen bis hin zu nicht geschützten Erfindungen als Ergebnis umfangreicher Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten reichen und dabei entweder in physikalischen Gegenständen (z.B. Formen, Materiallisten, Arbeitsanweisungen) oder in Humankapital (z.B. Wissen von Spezialisten) verkörpert sein.5 Vor diesem Hintergrund ist es häufig nicht unproblematisch, festzustellen, in welchen Fällen Know-how eines inländischen Unternehmens durch ein ausländisches Unternehmen genutzt wird und folglich eine Lizenzgebühr zu verrechnen ist. Hiervon ist – in Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes – immer dann auszugehen, wenn auch unabhängige Dritte für eine vergleichbare Know-how-Überlassung ein Entgelt vereinbaren würden. Dies setzt zunächst voraus, dass dem ausländischen verbundenen Unternehmen tatsächlich ein betrieblicher Nutzen (insbesondere in Form einer Zeit- oder Kostenersparnis) entsteht (vgl. Rz. 119). Eine Lizenzierung von Know-how scheidet damit immer dann aus, wenn das entsprechende Wissen dem ausländischen verbundenen Unternehmen bereits bekannt ist (z.B. weil dieses bereits öffentlich zugänglich ist) oder ohnehin bekannt werden würde. Ferner kommt eine Lizenzierung von Know-how nur dann in Betracht, wenn es einen gewissen Konkretisierungsgrad überschreitet und damit die Voraussetzungen eines Wirtschaftsguts erfüllt.6 Diese Voraussetzung ist insbesondere erfüllt, wenn sich das Know-how in körperlichen Gegenständen (z.B. Zeichnungen, Versuchsergebnissen, Tabellen, Berechnungsergebnissen, Formeln, Rezepturen, Angaben von Materialqualitäten, Fertigungsvorschriften) materialisiert. Dagegen kann von einer Nutzungsüberlassung von Know-how nicht ausgegangen werden, wenn die Mitarbeiter ihr Wissen (z.B. durch Schulungsveranstaltungen, Vorträge und Seminare) an Mitarbeiter des ausländischen verbundenen Unternehmens weitergeben oder diese in bestimmte Produktions- oder Fertigungsprozesse einarbeiten.7 In diesen Fällen liegt vielmehr eine gruppeninterne Dienstleistung vor (vgl. Rz. 127 ff.).

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Firmennamensgleiche Marken. Die Einräumung des Rechts auf Führung eines Firmennamens ist steuerlich grundsätzlich nicht verrechenbar.8 Die Verleihung eines Firmennamens ist nämlich die Aufgabe des Gesellschafters und gehört damit zur Grundausstattung der Gesellschaft. Sie ist durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und kann deshalb nicht Gegenstand von zusätzlichen schuldrechtlichen Verträgen sein.9 Etwas anderes kann sich ergeben, wenn der Firmenname auch als Marke für die Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen genutzt wird, mithin also firmennamensgleiche Marken zur Nutzung überlassen werden. In diesem Fall sind nach der Rechtsprechung des BFH Marken und Markenrechte als produktund dienstleistungsidentifizierende Kennzeichnungen einerseits und der Firmenname als besondere Bezeichnung des Geschäftsbetriebs andererseits strikt voneinander zu trennen. Auch bei Identität mit dem Firmennamen kann folglich ein Lizenzentgelt für eine Markenüberlassung dem Grunde nach verrechenbar

1 2 3 4 5 6 7 8 9

So auch Naumann/Groß, IStR 2014, 906 (908). Vgl. etwa Zech, IStR 2009, 418 (419); Ditz, IStR 2009, 421 (422). Vgl. auch BFH v. 16.12.1970 – I R 44/67, BStBl. II 1971, 235. Vgl. Rz. 6.20 OECD-Leitlinien 2017. Zur Definition des Know-how vgl. auch BFH v. 16.12.1970 – I R 44/67, BStBl. II 1971, 235. Vgl. auch BFH v. 23.11.1988 – II R 209/82, BStBl. II 1989, 82; FG Hess. v. 17.2.1998 – 13 K 3372/94, EFG 1998, 1080. Zur Einordnung von Know-how als Wirtschaftsgut vgl. BFH v. 23.11.1988 – II R 209/82, BStBl. II 1989, 83; v. 15.7.1987 – II R 249/83, BStBl. II 1987, 809; v. 13.2.1970 – III R 43/68, BStBl. II 1970, 374; FG Hess. v. 17.2.1998 – 13 K 3372/94, EFG 1998, 1080. Vgl. auch BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01, BStBl. I 2001, 796, Rz. 4.2. Die Finanzverwaltung lehnt die Zahlung eines Entgelts für das Recht, einen Firmennamen zu führen, unter Hinweis auf den sog. „Rückhalt im Konzern“ ab, vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.3.2. A.A. Greil/Wargowske, IStR 2017, 12 und dazu kritisch Baumhoff/Liebchen in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 4.398.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 124 Art. 9

sein, wenn die Nutzungsüberlassung des Markenrechts geeignet ist, zur Absatzförderung beizutragen.1 Entscheidend ist damit eine Ex-ante-Betrachtung, wonach zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Lizenzvertrags mit markenbedingten absatzwirtschaftlichen Vorteilen in den relevanten Verbraucherkreisen gerechnet werden konnte.2 Neben den erzielbaren Preisen der unter den Markenrechten vertriebenen Produkte, dem Bekanntheitsgrad der Marke, der weltweiten oder regionalen Präsenz, kommt dabei auch der Frage entscheidende Bedeutung zu, wer den Wert der Marke geschaffen und wer die Aufwendungen für deren Begründung und dessen Erhalt getragen hat (z.B. durch Weiterentwicklungen, Werbung und Marketingmaßnahmen). Wurden solche Aufwendungen alleine von markennutzenden verbundenen Unternehmen (d.h. dem potenziellen Lizenznehmer) getragen, spricht dies in vielen Fällen gegen eine Lizenzverrechnung.3 bb) Verrechnung der Höhe nach Lizenzdeterminierende Faktoren. Im Hinblick auf die Ermittlung einer Lizenzgebühr nach dem Fremdvergleichsgrundsatz sind folgende Faktoren zu beachten:4 – geografische Reichweite der Nutzungsrechte, – Art des Lizenzvertrages (einfache, alleinige oder ausschließliche Lizenz), – Investitionen in Form eigener Aufwendungen des Lizenznehmers in die Nutzung der überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter, – entstehende Anlauf- und Markterschließungskosten des Lizenznehmers, – Recht zur Vergabe von Unterlizenzen, – Recht des Lizenznehmers auf Nutzung von Weiterentwicklungen des Lizenzgebers, – Art der Lizenz (z.B. Produktions- oder Vertriebslizenz), – Ausmaß und Dauer des Patent- bzw. Markenschutzes, – Übernahme der Funktionen und Kosten für den rechtlichen Schutz des überlassenen immateriellen Wirtschaftsguts, – Risiko der Substitution des Schutzrechts durch neue Erfindungen, – durch die Nutzung des immateriellen Wirtschaftsguts entstehende Risiken (wie z.B. Produkthaftungsrisiko), – ordentliche und außerordentliche Kündigungsrechte des Lizenzgebers, – Kaufoptionsrechte des Lizenznehmers und Andienungsrechte des Lizenzgebers.

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Hypothetischer Fremdvergleich. Ferner sind im Rahmen der Ermittlung angemessener Lizenzgebühren 124 die Entscheidungssituationen des Lizenzgebers und des Lizenznehmers zu berücksichtigen.5 So wird der Lizenzgeber eine Lizenzgebühr mindestens in der Höhe verlangen, die er bei einer alternativen Nutzungsüberlassung der immateriellen Wirtschaftsgüter erzielen könnte.6 Darüber hinaus wird er versuchen, durch den Barwert der Lizenzgebühreneinnahmen seine Kosten zu decken (insbesondere Forschungs- und Entwicklungskosten, Werbe- und Marketingkosten sowie laufende Kosten der Lizenzvergabe). Insoweit ergibt sich eine Preisuntergrenze des Lizenzgebers. In der Verrechnungspreispraxis bezieht sich die Bestimmung von Lizenzgebühren allerdings weniger auf die Kostensituation des Lizenzgebers als vielmehr auf den zukünftigen Nutzen des Lizenznehmers. Für diesen stellt der zukünftig aus der Lizenzierung des immateriellen Wirtschaftsguts erwartete Nutzen in Form ersparter Kosten bzw. zusätzlicher Erlöse das zentrale Entscheidungskriterium dar. Seine Preisobergrenze liegt dabei bei einer Lizenzgebühr, die ihm mindestens einen ebenso hohen Nutzen wie bei Abschluss einer Lizenzvereinbarung mit einem alternativen Anbieter oder einer Eigenentwicklung des immateriellen Wirtschaftsguts belässt. Dabei würde er es nicht hinnehmen, mittel- und langfristig aus der Lizenzierung des immateriellen Wirtschaftsguts Verluste zu erzielen.7 Insofern ergibt sich aus der Preisobergrenze des Lizenznehmers und der Preisuntergrenzen des Lizenz1 BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140; v. 21.1.2016 – I R 22/14, BStBl. II 2017, 336; a.A. BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003 – DOK 2017/0276404, BStBl. I 2017, 701, Rz. 6 mit Verweis auf die bloße Eintragung eines Markenrechts. Dazu kritisch Rasch/Mank, ISR 2018, 73 (76). 2 Vgl. Ditz/Bärsch, IStR 2016, 508 f.; Baumhoff/Kluge, Ubg 2016, 338 ff. 3 Vgl. Baumhoff/Liebchen in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 4.400 f.; Rasch/Mank, ISR 2018, 73 (76); Ditz/Bärsch, IStR 2016, 508 (509). 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.1.1; Rz. 6.118 ff. OECD-Leitlinien 2017; Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 545; Engler/Gotsis in V/B/E4, Rz. O 537. 5 Vgl. Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 111 ff. 6 Vgl. Rz. 6.140 OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.2.3.

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Verbundene Unternehmen

gebers ein Einigungsbereich, innerhalb dessen die angemessene Lizenzgebühr liegen muss. Im Ergebnis erfolgt damit die Lizenzgebührenermittlung auf Basis eines hypothetischen Fremdvergleichs unter Berücksichtigung der Referenzfigur eines doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (vgl. Rz. 74 ff.).1 125

Anwendung der Preisvergleichsmethode. Zur Ermittlung einer angemessenen Lizenzgebühr ist nach dem Stufenverhältnis des § 1 Abs. 3 AStG zunächst die Preisvergleichsmethode (vgl. Rz. 79 ff.) zu prüfen.2 Der Anwendung der Preisvergleichsmethode sind im Rahmen der Ermittlung angemessener Lizenzgebühren auf Grund der Individualität und Einzigartigkeit der immateriellen Wirtschaftsgüter jedoch enge Grenzen gesetzt. Wird ein immaterielles Wirtschaftsgut sowohl verbundenen als auch unabhängigen Unternehmen zur Nutzung überlassen, lässt sich die Lizenzgebühr in der Regel mit Hilfe eines inneren Preisvergleichs festlegen. Dies ist die einfachste und zuverlässigste Art der Ermittlung angemessener Lizenzgebühren.3 Ein äußerer Preisvergleich orientiert sich demgegenüber an Preisen oder Vereinbarungen, die zwischen voneinander unabhängigen Dritten festgelegt werden. Ein äußerer Preisvergleich kann bspw. auf Basis einer Datenbankanalyse – in Frage kommen z.B. die Datenbanken „RoyaltyStat“, „RoyaltySource“, und „ktMINE“ – oder unter Bezugnahme auf die BGH-Rechtsprechung4 durchgeführt werden. Ferner gibt es zahlreiche Literaturquellen, welche branchenspezifische Lizenzsätze zusammenfassen.5 Schließlich führt das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die sog. Lizenzkartei, in welcher die von der Finanzverwaltung geprüften Lizenzverträge registriert sind.6 Einzellizenzsätze werden dabei dem Betriebsprüfer auf Anfrage für bestimmte Branchen mitgeteilt.7 Allerdings können die Daten der Lizenzkartei allenfalls grobe Anhaltspunkte für eine angemessene Lizenzgebühr bieten. Bindend sind sie jedenfalls für den Steuerpflichtigen nicht.8

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Anwendung gewinnorientierter Methoden. Da sich die Preisvergleichsmethode zur Bestimmung angemessener Lizenzgebühren als nur im Einzelfall praktikabel erwiesen hat und ferner auch die Wiederverkaufspreismethode und die Kostenaufschlagsmethode zur Bestimmung von Lizenzgebühren nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, ist es in der Regel erforderlich, in diesem Zusammenhang auf gewinnorientierte Methoden zurückzugreifen.9 In diese Richtung gehen auch die Entwicklungen bei der OECD (vgl. Rz. 91).10 Bei der gewinnorientierten Betrachtung steht folglich die Renditeerwartung des Lizenznehmers im Vordergrund, so dass methodisch zur Ableitung angemessener Lizenzgebühren auf die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode (vgl. Rz. 97) abzustellen ist. Die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode wird dabei in der Verrechnungspraxis häufig über die sog. „Knoppe-Formel“ umgesetzt.11 Danach steht dem Lizenzgeber für die zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter ein Anteil in Höhe von 25 bis 33 1/3 % des vorkalkulierten Gewinns des Lizenznehmers aus den Lizenzprodukten ohne Berücksichtigung der Lizenzgebühr zu.12 Diese sehr pauschale Bestimmung der Lizenzgebühr nimmt indessen keine Rücksicht auf die spezifische Funktions- und Risikoallokation im Einzelfall. Vor diesem Hintergrund kann die Formel letztlich wirtschaftlich nicht gerechtfertigt werden.13 Allerdings bestätigen mittlerweile umfangreiche Studien den Gehalt der Analyse von Knoppe.14 In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Studien von Goldscheider erwähnenswert, der bereits vor Jahrzehnten die sog. „25 %-Rule“ auf Basis empirischer Untersuchungen abgeleitet hatte.15 Danach bestimmt sich eine angemessene Lizenzgebühr aus 25 % des mit 1 So auch BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003 – DOK 2017/0276404, BStBl. I 2017, 701, Rz. 8, Rasch/Mank, ISR 2018, 73 (76 f.). 2 Vgl. auch BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.2.3. 3 Vgl. Rz. 6.130 OECD-Leitlinien 2017 mit Verweis auf Rz. 3.30 ff. OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10003 – DOK 2017/0276404, BStBl. I 2017, 701, Rz. 8. 5 Vgl. Böcker, StBp 1991, 79 ff.; Gross, BB 1998, 1321 ff.; Greinert in W/B, Rz. 6.577; Engler/Gotsis in V/B/E4, Rz. O 574 ff. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.2.2.; BMF v. 12.4.2005 – B 4 - S 1341 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 2.6. 7 Zur Zulässigkeit der Verwendung solcher anonymisierter Vergleichsdaten vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 8 Vgl. nur BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. I 2004, 171. 9 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.2.3; BMF v. 7.4.2017 – IV B 5 - S 1341/16/10002 – DOK 2017/0276404, BStBl. I 2017, 701, Rz. 8 mit Verweis auf den hypothetischen Fremdvergleich. 10 Vgl. Baumhoff/Liebchen in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen5, Rz. 4.413. 11 Vgl. Greinert in W/B, Rz. 6.585; Zech, IStR 2009, 418 (419); Ditz, IStR 2009, 421 (423); Greil/Wargowske, ISR 2014, 327 f. 12 Vgl. Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz und Know-how-Verträge, 102; Knoppe, BB 1967, 1117. 13 Ebenfalls krit. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 733. 14 Vgl. Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 544 (547); Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 149 (158 f.); Ditz, IStR 2011, 125 (130). 15 Vgl. Goldscheider/Jarosz/Mulheren in Parr, Royalty Rates for Licensing Intellectual Property, 31; Granstrand, Les Nouvelles 2006, 179.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

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dem lizenzierten immateriellen Wirtschaftsgut generierten erwarteten Gewinns. Diese Regel wurde durch eine neuerliche Studie vor wenigen Jahren bestätigt.1 Insofern ist für Verprobungszwecke einer Lizenzgebühr eine Orientierung an 25 % des Gewinns möglich. d) Verrechnung von Dienstleistungen aa) Verrechnung dem Grunde nach Abgrenzung zum Gesellschafteraufwand. Erbringt eine Muttergesellschaft gegenüber ihrer Tochtergesell- 127 schaft oder einer dieser nachgeordneten Gesellschaft Dienstleistungen, ist zunächst zu prüfen, ob die Leistungen auf gesellschaftsrechtlicher oder schuldrechtlicher Basis erbracht werden. Eine Verrechnung von Dienstleistungen dem Grunde nach ist nur möglich, wenn ein echter Dienstleistungsaustausch auf schuldrechtlicher Basis vorliegt, der zumindest mittelbar geeignet ist, die betrieblichen Interessen des dienstleistungsempfangenden Konzernunternehmens zu fördern (sog. „benefit test“).2 Dabei ist nach dem Grundsatz der Ex-ante-Betrachtung auf den erwarteten und nicht etwa auf den tatsächlich realisierten Nutzen bzw. Vorteil abzustellen (vgl. Rz. 119). Hiervon ist immer dann auszugehen, wenn im Zeitpunkt der Erbringung einer Dienstleistung eine Förderung der Geschäftstätigkeit des leitungsempfangenden Unternehmens vernünftigerweise erwartet werden konnte. Denn auch nur in diesem Fall würden unabhängige Dritte eine Dienstleistung verrechnen bzw. nur in diesem Fall wäre ein ordentlicher Geschäftsleiter bereit, eine Dienstleistung gegen Entgelt anzunehmen.3 Infolgedessen scheidet die Verrechnung eines Entgeltes immer dann aus, wenn die Leistung ihre Rechtsgrundlage in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der beteiligten Unternehmen findet.4 Die OECD spricht insofern zutreffend von „Gesellschafteraufwand“.5 Zu diesen gesellschaftsrechtlich veranlassten und folglich nicht verrechenbaren Leistungen gehören insbesondere:6 – Leitung und Organisation des Konzerns, die Festlegung der Konzernpolitik sowie die Finanzplanung für den Gesamtkonzern (z.B. Aufwendungen für den Konzern-Vorstand, den Konzern-Aufsichtsrat sowie Gesellschafterversammlung der Konzernspitze); – Planung von Investitions-, Produktions-, Forschungs- und Absatzmaßnahmen im Gesamtkonzernbereich sowie deren zentrale Koordination (z.B. Unternehmensplanung durch die Konzernspitze); – Dokumentation der Konzernergebnisse sowie alle Kontrollmaßnahmen zur Überwachung der Aktivitäten der Untergesellschaften (z.B. Einführung und Überwachung eines einheitlichen Rechnungs- und Berichtswesens, Konsolidierung des Konzernergebnisses, Aufstellung Konzernabschluss, Überwachung der Geschäftsführung von Tochtergesellschaften); – Rückhalt im Konzern (Vorteile aus der reinen Konzernzugehörigkeit, wie z.B. Kreditwürdigkeit, verbilligte Einkaufsmöglichkeiten, Risikostreuung, Recht auf Führung des Konzernnamens7 (vgl. Rz. 122) sowie günstigere Absatzmöglichkeiten). Mischleistungen. In der Verrechnungspreispraxis lassen sich bestimmte Tätigkeiten häufig nicht eindeutig den Kategorien „verrechenbar“ und „nicht verrechenbar“ zuordnen. Bei diesen sog. Mischleistungen handelt es sich um Dienstleistungen, die sowohl im Interesse der Muttergesellschaft bzw. der gesamten Unternehmensgruppe als auch im Interesse eines oder mehrerer verbundener Unternehmen erbracht werden.8 In diesem Fall ist eine Aufteilung der Leistungen in einen verrechenbaren und einen nicht verrechenbaren Teil im Wege einer Schätzung vorzunehmen. Beispiel: Die in Deutschland ansässige M AG hat sich für die Einführung einer neuen ERP-Software entschieden. Die entsprechende Software wird sowohl im deutschen Mutterhaus als auch von ausländischen Tochtergesellschaften der M AG genutzt. Hintergrund der Einführung der ERP-Software war einerseits die Vereinheitlichung und Vereinfachung des Rechnungswesens, des Controllings und der Kostenrechnung. Die Einführung der Software führt damit zu Vorteilen im Hinblick auf die Führung und Kontrolle der gesamten Unternehmensgruppe sowie zu einer Vereinfachung der Konsolidierung der einzelnen Unternehmensergebnisse. Damit hat die M AG als Konzernobergesellschaft 1 Vgl. im Einzelnen Baumhoff/Greinert, Ubg 2010, 544 (547 f.). 2 Zum „benefit test“ vgl. auch Wellens/Schwemin, DB 2013, 80 ff. 3 Vgl. Rz. 7.6, 7.14 und 7.29 OECD-Leitlinien 2017; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.2.1; Greil/Greil in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD Kap. VII Anm. 36; Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.212. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.1. 5 Vgl. Rz. 7.9 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Rz. 7.10 ff. OECD-Leitlinien 2017; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.3.2.; Baumhoff in W/B, Rz. 6.119; Schlagheck, StBp 2000, 84. 7 Vgl. dazu Greil/Wargowske, IStR 2016, 272 ff. m.w.N. 8 Vgl. Greil/Greil in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. VII Anm. 38 m.w.N.

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Art. 9 Rz. 128

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ein unmittelbares Interesse an der Einführung der ERP-Software. Andererseits führt die ERP-Software auch zu betrieblichen Vorteilen bei den ausländischen Tochtergesellschaften. Denn die Software ist mit neuen „Tools“ verbunden, die insbesondere in der Materialwirtschaft und beim Forderungsmanagement im Interesse der ausländischen Tochtergesellschaften liegen. Mithin liegen damit im Bereich der Einführung der ERP-Software sog. Mischleistungen vor, die eine Aufteilung der entstehenden Aufwendungen notwendig machen. Hierbei ist es sachgerecht, einen wesentlichen Teil der Aufwendungen (z.B. 60 %) der inländischen M AG zuzuordnen.

Bei Mischleistungen entsteht regelmäßig die Schwierigkeit, diese der gesellschaftsrechtlichen oder schuldrechtlichen Sphäre zuzuordnen. Damit verbunden ist auch die Frage, welchen verbundenen Unternehmen aus dem entsprechenden Leistungen Vorteile entstehen bzw. in welchem Verhältnis die betrieblichen Vorteile auf die beteiligten verbundenen Unternehmen aufzuteilen sind.1 In diesen Fällen ist eine Aufteilung im Wege einer Schätzung vorzunehmen, die – soweit sie nachvollziehbar und nicht missbräuchlich ist – von der Finanzverwaltung anzuerkennen ist. Dies entspricht den Empfehlungen des EU-JTPF, wonach bei Mischleistungen explizit eine Kostenaufteilung vorzunehmen ist.2 bb) Verrechnung der Höhe nach 129

Anwendung der Preisvergleichsmethode. Im Rahmen der Einzelabrechnung wird für jede einzelne innerkonzernliche Dienstleistung ein Entgelt verrechnet. Dabei kommen grundsätzlich die drei klassischen Methoden (vgl. Rz. 76 ff.) der Verrechnungspreisermittlung in Betracht. Nach der Preisvergleichsmethode (vgl. Rz. 79 ff.)3 können Verrechnungspreise für die Erbringung von Dienstleistungen durch einen inneren Preisvergleich ermittelt werden, wenn diese sowohl an verbundene wie auch an unverbundene Unternehmen erbracht werden. Zu denken ist hierbei insbesondere an konzerneigene Marketing-, F&E-, Verwaltungs-, Unternehmensberatungs- und Engineerings-Gesellschaften.4 Ein äußerer Preisvergleich, bei dem auf den Leistungsverkehr zwischen unabhängigen Unternehmen abgestellt wird, eignet sich hingegen nur für den Bereich der marktgängigen Dienstleistungen, da nur für diese eine vergleichbare Referenztransaktion zwischen unabhängigen Dritten identifiziert werden kann.5 Dazu gehören in erster Linie die sog. gewerblichen Dienstleistungen, wie z.B. Transport-, Versicherungs-, Überwachungs-, Reinigungs-, Wartungs-, Montage-, Reparatur- und Marketingdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Bereich der EDV. Für den ebenfalls zu den Dienstleistungen zählenden Bereich der Auftragsforschung ist ebenfalls eine Marktpreisorientierung möglich. So können z.B. Vergleichsangebote von unabhängigen Forschungseinrichtungen (wie z.B. Universitätsinstituten) eingeholt werden oder marktübliche Stunden- oder Tagessätze zum Ansatz kommen.6 Darüber hinaus kann ein Preisvergleich häufig im Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen, wie z.B. der Rechts-, Steuer-, Unternehmens- und Ingenieurberatung geführt werden.7

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Anwendung der Kostenaufschlagsmethode. Die Preisvergleichsmethode ist im Zusammenhang mit konzerninternen Dienstleistungen häufig mit Anwendungsproblemen verbunden. Da ferner die Wiederverkaufspreismethode (vgl. Rz. 82) nur in wenigen Ausnahmefällen Anwendung finden kann,8 kommt der Kostenaufschlagsmethode (vgl. Rz. 85 ff.) im Rahmen der Verrechnung konzerninterner Dienstleistungen die größte Bedeutung zu. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen für eine konzerninterne Dienstleistung keine Marktpreise als Vergleichsmaßstab zur Verfügung stehen, etwa weil es sich um nicht marktfähige, konzernspezifische Dienstleistungen handelt, vorliegende Marktpreise auf Grund einer fehlenden Vergleichbarkeit der Verhältnisse nicht brauchbar sind, tatsächlich vereinbarte Marktpreise nicht identifizierbar sind oder bereits der Grundsatz des Fremdvergleichs für bestimmte Dienstleistungen die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode verlangt. Dies gilt beispielsweise für die Lohnfertigung (Rz. 105) oder die Auftragsforschung und -entwicklung.

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Konzernumlagen. Da sich die Einzelabrechnung von Dienstleistungen in der Verrechnungspreispraxis als sehr impraktikabel erwiesen hat, werden konzerninterne Dienstleistungen häufig auch auf Basis einer Konzernumlage verrechnet. Dabei stehen mit dem Leistungsaustauschkonzept und dem Poolkonzept zwei unterschiedliche Abrechnungskonzeptionen zur Verfügung (Rz. 101 ff.). In Fällen einer solchen indirekten Abrechnungsmethodik ist an den Nachweis des erwarteten Nutzens aus den erhaltenen Leistungen ein geringerer Beteiligungsgrad zu fordern, da nur dies dem Prinzip der Umlage Rechnung trägt.

1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. Greil/Greil in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. VII Anm. 38. Vgl. KOM (2011) 2016 endgültig, Rz. 47. Zu Einzelheiten vgl. Baumhoff in W/B, Rz. 6.147 ff. Vgl. auch Stock/Kaminski, IStR 1997, 451 ff. Vgl. Rz. 7.2 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. auch BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.3. Vgl. dazu auch BFH v. 23.6.1993 – I R 72/92, BStBl. II 1993, 801. Vgl. dazu BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.2.3.2.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 133 Art. 9

4. Funktionsverlagerungen Besteuerung von Funktionsverlagerungen gem. § 1 Abs. 3 AStG. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des 132 UntStRefG 20081 in § 1 Abs. 3 AStG eine Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen eines inländischen Unternehmens auf ein ausländisches verbundenes Unternehmen aufgenommen. In diesem Zusammenhang ordnet § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG an, dass das im Rahmen der Funktionsverlagerung übergehende „Transferpaket“ als Ganzes unter Berücksichtigung des mit der Funktion verbundenen „Gewinnpotenzials“ zu bewerten ist.2 Im Ergebnis sind damit bei Funktionsverlagerungen ins Ausland die aus der Unternehmensbewertung bekannten Bewertungsverfahren (Ertragswertverfahren) anzuwenden; eine Einzelbewertung der im Zuge der Funktionsverlagerung auf das ausländische Unternehmen übergehenden Wirtschaftsgüter findet – vorbehaltlich der sog. Escape-Regelungen des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG3 – nicht mehr statt.4 Die Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen einer Funktionsverlagerung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG wurden durch eine Rechtsverordnung, die sog. Funktionsverlagerungsverordnung v. 12.8.2008 (FVerlV),5 konkretisiert. Wenngleich die FVerlV Details der Funktionsverlagerungsbesteuerung regelt, blieben zahlreiche praxisrelevante Detailfragen offen, die in den VWG Funktionsverlagerung v. 13.10.20106 aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung erörtert und gewürdigt werden.7 Umstrittene Neuregelung. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG ordnet – konkretisiert durch die FVerlV v. 12.8.2008 – im 133 Rahmen der Übertragung von Funktionen auf ein ausländisches verbundenes Unternehmen eine Gesamtbewertung an, weil – so die Gesetzesbegründung – „der Preis für die einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter den Wert der Funktion regelmäßig nicht angemessen widerspiegelt.“8 Dem Gesetzgeber geht es folglich um die Erfassung eines funktionsbezogenen Geschäfts- oder Firmenwertes. In diesem Zusammenhang wurde auch die sog. „Einigungsbereichsbetrachtung“ gesetzlich eingeführt, die aus der betriebswirtschaftlichen Betrachtung der Unternehmensbewertung bzw. des Unternehmenskaufs stammt.9 Danach kann ein hypothetischer Fremdvergleichspreis (zum hypothetischen Fremdvergleich vgl. Rz. 73 ff.) nur dann zustande kommen, wenn die Preisuntergrenze des Verkäufers (respektive des funktionsabgebenden Unternehmens) unterhalb der Preisobergrenze des Käufers (respektive des funktionsübernehmenden Unternehmens) liegt. Innerhalb dieses Einigungsbereichs muss dann der angemessene Verrechnungspreis für die Funktion liegen.10 Diese Grundsätze der Besteuerung von Funktionsverlagerungen waren von Anfang an heftig umstritten.11 Hauptkritikpunkte der Vorschriften zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen sind insbesondere – die zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe und die daraus resultierenden Rechtsunsicherheiten, – das praktisch sehr aufwendige Modell für die Bewertung des Transferpakets, – die vorzeitige Besteuerung von im Ausland erst zukünftig entstehenden Gewinnpotenzialen, – die Zuordnung eines anteiligen Geschäfts- oder Firmenwertes zu einer Funktionsverlagerung, – die impraktikablen Escape-Klauseln des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG, – die europarechtlichen Probleme (vgl. Rz. 18), – die fehlende Übereinstimmung mit Art. 9 Abs. 1 (vgl. Rz. 28) sowie – die fehlende internationale Abstimmung der deutschen Regelung für Funktionsverlagerungsbesteuerungen und das daraus resultierende Risiko einer internationalen Doppelbesteuerung.12 1 Vgl. Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 2 Zu Einzelheiten der Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG vgl. Ditz/Greinert in W/B, Rz. 7.1 ff.; Kroppen/Schreiber/Roeder in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, Rz. 740 ff.; Vögele/Vögele in V/B/E4, Rz. H 300 ff. 3 Vgl. dazu Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1309 ff. 4 Vgl. Schreiber, Ubg 2008, 435. Zur alten Rechtslage vgl. jedoch Ditz, DStR 2006, 1627 ff.; Ditz/Just, DB 2009, 141 ff.; Wassermeyer, DB 2007, 535 (538); Blumers, BB 2007, 1757 (1759). 5 Vgl. Funktionsverlagerungsverordnung v. 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1680 und dazu Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 ff. m.w.N.; Kroppen/Schreiber/Roeder in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 41 ff. 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774. 7 Zu einer kritischen Analyse vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, Ubg 2011, 161 ff.; Kroppen/Rasch, IWB 2009, F. 3, Gr. 1, 2439 ff.; Kaminski/Strunk, RIW 2009, 706 ff.; Endres/Oestreicher, IStR 2009, Beihefter zu Heft 20. 8 BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 144. 9 Zu Einzelheiten vgl. Ditz/Greinert in W/B, Rz. 7.88 ff. 10 Zur Anwendung eines tatsächlichen Fremdvergleichs im Rahmen der Bewertung des Transferpakets vgl. Schilling/ Kandels, DB 2012, 1065; Ditz/Liebchen, DB 2012, 1469 ff. 11 Vgl. auch Kroppen/Schreiber/Roeder in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 5 f. 12 Zu einem Überblick vgl. Wehnert/Sano, IStR 2010, 53 ff.

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Art. 9 Rz. 134

Verbundene Unternehmen

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Paradigmenwechsel. Die Einführung der Funktionsverlagerungsbesteuerung gem. § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG und der FVerlV führte zu einem Paradigmenwechsel im Hinblick auf die Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven in Deutschland. Da der Ansatz gänzlich neu und ohne vergleichbare Vorgängerregelung konzipiert wurde, gehört er heute zu den am meisten diskutierten und am heftigsten umstrittenen Regelungen des deutschen internationalen Steuerrechts.1 Auf Grund des international nicht abgestimmten Alleingangs des deutschen Gesetzgebers bei der Besteuerung von Funktionsverlagerungen ist derzeit eine verlässliche Steuerplanung in der Praxis schwierig und das Risiko einer internationalen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung sehr hoch.

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Regelungen in den OECD-Leitlinien. Die OECD-Leitlinien 2017 enthalten ein eigenes Kapitel IX zur Restrukturierung internationaler Unternehmen. Die OECD versteht dabei unter dem Begriff der Restrukturierung von internationalen Unternehmen die Neuallokation von Funktionen, Wirtschaftsgütern und/oder Risiken innerhalb einer internationalen Unternehmensgruppe. Das Kapitel IX der OECD-Leitlinien geht damit weit über den Bereich der Funktionsverlagerung hinaus. Im Einzelnen werden folgende Themen schwerpunktmäßig behandelt:2 – Zuordnung und Bewertung von Risiken:3 Im Wesentlichen beziehen sich die Ausführungen der OECDLeitlinien zur Zuordnung und Bewertung von Risiken auf die fremdübliche Allokation von Risiken zwischen verbundenen Unternehmen, ihre wirtschaftliche Einordnung sowie auf die Frage, welche Bedeutung Risiken für die Ermittlung von fremdüblichen Verrechnungspreisen zukommt. Nach Einschätzung der OECD kommt der Risikoallokation zwischen verbundenen Unternehmen eine zentrale Bedeutung im Hinblick auf die Bestimmung fremdüblicher Verrechnungspreise zu. Dabei sind nach Auffassung der OECD unabhängige Dritte nur bereit, Risiken zu übernehmen, wenn sie diese verantworten, steuern und beherrschen können. – Fremdvergleichskonforme Vergütung für die Restrukturierung:4 Die OECD stellt heraus, dass die Übertragung von Funktionen, Wirtschaftsgütern und/oder Risiken in der Regel mit einer Umverteilung von Gewinn- oder Verlustpotenzialen im Konzern einhergeht. Die wesentliche Frage geht dahin, ob die entsprechende Veränderung fremdüblich zu vergüten ist.5 Dabei unterscheidet die OECD zwischen der Übertragung von Werten und der Entschädigung der restrukturierten Einheit für durch die Restrukturierung entstehende Nachteile. Als vergütungspflichtige Werte werden dabei die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter oder ganzer Unternehmensfunktionen („activities“ und „going concern“) genannt (vgl. dazu Rz. 136). – Vergütung von Geschäftsbeziehungen nach einer Restrukturierung:6 Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen nach einer Restrukturierung sind nach den allgemeinen Grundsätzen des Fremdvergleichs – insbesondere konkretisiert durch die klassischen Verrechnungspreismethoden und die transaktionsbezogenen Gewinnmethoden – zu bepreisen. Nach Auffassung der OECD ist allerdings genau zu analysieren, welches Unternehmen nach der Restrukturierung aus immateriellen Werten Vorteile zieht und welches verbundene Unternehmen diese Werte (vor der Restrukturierung) entwickelt hat. Die entsprechende Nutzung immaterieller Wirtschaftsgüter ist im Rahmen der Bepreisung von Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen nach der Restrukturierung zu berücksichtigen. – Anerkennung des tatsächlichen Geschäftsvorfalls (Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen):7 Die OECD stellt explizit heraus, dass verbundene Unternehmen frei darüber entscheiden können, ob und in welchem Umfang sie Funktionen ausüben, Risiken und Gewinnchancen übernehmen und welche Ressourcen sie dafür einsetzen (sog. Grundsatz der unternehmerischen Dispositionsfreiheit). Die Finanzbehörde hat diese Entscheidungen bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu akzeptieren. So sind auch nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung Entscheidungen darüber, ob Funktionen selbst wahrgenommen, bei einem anderen (verbundenen) Unternehmen konzentriert, auf mehrere Unternehmen aufgeteilt werden oder ein Subunternehmer beauftragt wird, Gegenstand der unternehmerischen Dispositionsfreiheit.8 Die Finanzbehörde hat diese Entscheidungen regelmäßig anzuerkennen, da der internationalen Gewinnabgrenzung der tatsächliche durch den Steuerpflichtigen verwirklichte Sach1 Vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1309 ff.; Baumhoff, WPg 2012, 396 ff.; Frischmuth in FS Schaumburg, 647 ff.; Kroppen in FS Schaumburg, 857 ff. 2 Zu einem Vergleich der deutschen Regelungen mit den OECD-Leitlinien vgl. Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 31.1. 3 Vgl. Rz. 9.19 ff. OECD-Leitlinien 2017. 4 Vgl. Rz. 9.10 ff. OECD-Leitlinien 2017. 5 Vgl. Rz. 9.39 ff. OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. Rz. 9.98 ff. OECD-Leitlinien 2017. 7 Vgl. Rz. 9.34 ff. OECD-Leitlinien 2017. 8 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/1003 – DOK 2010/0598886, BStBl. I 2010, 774, Rz. 145.

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 137 Art. 9

verhalt und nicht ein von der Finanzverwaltung „konstruierter“, d.h. hypothetischer Sachverhalt, der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Verhältnis der Funktionsverlagerungsbesteuerung zu den OECD-Leitlinien. Die OECD-Leitlinien enthalten keine Definition der Funktion, sondern lediglich eine beispielhafte Aufzählung von Funktionen, welche im Rahmen der Funktionsanalyse zu prüfen sind.1 Im Gegensatz zu § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG und der FVerlV setzt nach den OECD-Leitlinien eine Gesamtbewertung nicht den Übergang einer „Funktion“, sondern einer „activity“ voraus.2 Der Begriff der „activity“ wird von der OECD mit dem Begriff „going concern“ gleichgesetzt. Beide Begriffe dienen der Abgrenzung zum „bloßen“ Übergang von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern. Dabei kann eine Gesamtbewertung nach Auffassung der OECD notwendig sein, wenn ein „going concern“ und infolgedessen eine „activity“ auf ein ausländisches verbundenes Unternehmen übertragen wird.3 Unter einem „going concern“ wird der Transfer von Wirtschaftsgütern, welche der Ausübung von bestimmten Funktionen dienen und welchen Risiken zuzuordnen sind, verstanden. Darüber hinaus wird das „going concern“ von der OECD als „functioning, economically integrated business unit“ definiert.4 Solche „business units“ umfassen regelmäßig mehrere Funktionen und sind infolgedessen mit einem Teilbetrieb nach deutschem Verständnis vergleichbar,5 so dass sie über „eine“ Funktion hinausgehen.6 Nach den OECD-Leitlinien führt damit der Übergang einer Funktion noch nicht zu einer Gesamtbewertung im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen. Vielmehr setzt eine solche die Übertragung einer „business unit“ voraus. Eine solche entspricht allerdings dem deutschen Begriff des Teilbetriebs, so dass eine Gesamtbewertung im Rahmen einer Funktionsverlagerung, in deren Rahmen kein Teilbetrieb (und damit keine „business unit“) übertragen wird, von den OECD-Leitlinien nicht vorgesehen ist. Infolgedessen ist die Funktionsverlagerungsbesteuerung gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG und der FVerlV nicht durch die Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes der OECD und damit nicht durch Art. 9 Abs. 1 gedeckt (vgl. auch Rz. 18 und 28).7 Eine Art. 9 Abs. 1 nachgebildete Abkommensnorm kann damit der Durchführung von Einkünftekorrekturen durch die deutsche Finanzverwaltung im Hinblick auf Funktionsverlagerungen entgegenstehen (allgemein zur Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 vgl. Rz. 20).8 Dies gilt im Übrigen auch für die in § 1 Abs. 3 Satz 11 ff. AStG vorgesehene sog. Preisanpassungsklausel (zu Einzelheiten vgl. Rz. 28).

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5. Vorteilsausgleich Kalkulatorischer Ausgleich. Art. 9 Abs. 1 sieht das Recht einer Gewinnkorrektur durch einen Vertragsstaat nur vor, wenn auf Grund der Vereinbarung nichtfremdvergleichskonformer Bedingungen bei einem der beiden verbundenen Unternehmen eine Gewinnminderung eintritt. Von einer solchen kann dann nicht ausgegangen werden, wenn sich die beiden verbundenen Unternehmen gegenseitig Vorteile gewähren und sich die insoweit entstehenden Vor- und Nachteile ausgleichen.9 Ein solcher Vorteilsausgleich knüpft damit an wechselseitige Lieferungs- und/oder Leistungsbeziehungen an. Dabei erbringen die verbundenen Unternehmen ihre jeweiligen Lieferungen und/oder Leistungen gegenüber dem anderen entweder zu einem unangemessen hohen oder niedrigen Entgelt, wobei sich die unangemessenen Beträge der Höhe nach entweder voll oder teilweise ausgleichen. Damit werden bei bestimmten Geschäftsbeziehungen Gewinneinbußen in Kauf genommen, um diese mit entsprechend gewinnträchtigen Geschäften auszugleichen (sog. kalkulatorischer Ausgleich, z.B. im Zusammenhang mit einem absatzwirtschaftlichen Verbundgeschäft10). Ein solcher Ausgleich ist unzweifelhaft auch zwischen unabhängigen Dritten denkbar und durchaus üblich, so dass bei einem Vorteilsausgleich kein Verstoß gegen den Grundsatz der Einzelbewertung von Geschäfts-

1 Vgl. Rz. 1.43 ff. OECD-Leitlinien 2010. Hier werden die folgenden Funktionen genannt: Design, Herstellung, Montage, Forschung und Entwicklung, Service, Einkauf, Vertrieb, Marketing, Werbung, Transport, Finanzierung und Management. 2 Vgl. Rz. 9.68 ff. OECD-Leitlinien 2017. 3 Vgl. Rz. 9.69 OECD-Leitlinien 2017; vgl. auch Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 31.1. 4 Vgl. Rz. 9.68 OECD-Leitlinien 2017. 5 Die Rspr. definiert den Teilbetrieb als „einen mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteten, organisch geschlossenen Teil des Gesamtbetriebs, der für sich lebensfähig ist.“ Vgl. etwa BFH v. 5.6.2003 – IV R 18/02, BStBl. II 2003, 839 m.w.N.; v. 17.3.2010 – IV R 41/07, BStBl. II 2010, 977 = DStR 2010, 924 m.w.N. 6 Vgl. von Bredow, Reallokation von Funktionen in grenzüberschreitend tätigen Konzernen, 96 f. 7 Vgl. auch Schreiber in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Anm. 31.1. 8 Vgl. auch Welling in FS Schaumburg, 985 (990). 9 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.313. 10 Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.13.

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Art. 9 Rz. 137

Verbundene Unternehmen

beziehungen vorliegt. Dies ist grundsätzlich auch von der OECD,1 der Finanzverwaltung2 und der Rspr.3 anerkannt. 138

Voraussetzungen. Die Anerkennung eines Vorteilsausgleichs setzt nach Auffassung der Finanzverwaltung voraus, dass – derselbe auch zwischen untereinander unabhängigen Unternehmen denkbar ist, – die Geschäfte in einem inneren Zusammenhang zueinander stehen, – die Vor- und Nachteile quantifizierbar sind und – die Vor- und Nachteilsverrechnung vereinbart war oder zur Geschäftsgrundlage des nachteiligen Geschäftes gehört.4 Vergleicht man in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen mit denjenigen der Finanzverwaltung, so zeigt sich, dass die OECD lediglich voraussetzt, dass ein Ausgleich auch zwischen unabhängigen Dritten denkbar sein muss und die Vor- und Nachteile quantifizierbar sind.5 Der Versuch der Finanzverwaltung, den Vorteilsausgleich im Sinne eines „inneren Zusammenhangs“ zwischen Geschäft und Gegengeschäft unter eine enge zeitliche und sachliche Grenze zu stellen, wird damit von den OECD-Leitlinien nicht gedeckt. Der Ausdruck „innerer Zusammenhang“6 ist im Übrigen unklar. Die Finanzverwaltung geht wohl davon aus, dass Leistung und Gegenleistung so miteinander verknüpft sein müssen, dass sie wirtschaftlich als ein einheitliches Geschäft anzusehen sind. Eine solche Forderung widerspricht jedoch geradezu dem Grundgedanken des Vorteilsausgleichs, der sich gerade nicht auf wirtschaftlich einheitliche, sondern unterschiedliche Geschäfte bezieht. Auch zwischen unabhängigen Dritten ist ein Vorteilsausgleich nicht nur innerhalb wirtschaftlich einheitlicher Geschäfte denkbar. Hinsichtlich der weiteren durch die Auffassung der Finanzverwaltung aufgeworfene Frage, ob ein Vorteilsausgleich nur auf Basis einer im Vorhinein getroffenen, schriftlichen Vereinbarung steuerlich anerkannt wird,7 ist im Hinblick auf Art. 9 Abs. 1 zu beachten, dass die Vorschrift nicht auf diesen formalen Aspekt abstellt. Gegenüber der rein formalen Betrachtungsweise der Finanzverwaltung entfaltet damit – auch im Zusammenhang mit dem Vorteilsausgleich – Art. 9 Abs. 1 eine Sperrwirkung (vgl. Rz. 26). Bemerkenswert ist auch der Umstand, dass die OECD den Vertragsstaaten die Möglichkeit eröffnet, auch einen unbeabsichtigten, d.h. nachträglichen, Vorteilsausgleich zu gewähren.8

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Palettenbetrachtung. Vom Vorteilsausgleich zu unterscheiden ist die Saldierung von Vor- und Nachteilen aus Lieferungs- und Leistungspaketen bzw. einzelnen Teilleistungen. Die OECD diskutiert diese Thematik unter dem Stichwort „Paketgeschäfte“. In diesem Zusammenhang wird in Rz. 3.9 OECD-Leitlinien zutreffend darauf hingewiesen, dass es häufig Geschäfte gibt, die so eng miteinander verbunden sind, dass bei separater Betrachtung eine Angemessenheitsprüfung unmöglich ist (z.B. bei Langzeitverträgen über Warenlieferungen oder Dienstleistungen, Rechten zur Benutzung immaterieller Wirtschaftsgüter). Hier wird im Rahmen einer Angemessenheitsprüfung nicht isoliert auf die einzelnen Produktpreise oder die einzelnen Dienstleistungsentgelte abgestellt; vielmehr sind die gesamte Produktpalette bzw. eine Gruppe gleichartiger oder verwandter Produkte bzw. Leistungen zu beurteilen. Die Angemessenheitsprüfung bezieht sich damit auf eine Gesamtanalyse im Sinne einer Saldobetrachtung; auf die Angemessenheit des einzelnen Produktbzw. Leistungspreises kommt es insoweit nicht mehr an. Für diese, in der Verrechnungspreispraxis als „Palettenbetrachtung“9 bezeichnete Vorgehensweise, gelten die strengen Voraussetzungen der Finanzverwaltung zum Vorteilsausgleich (vgl. Rz. 138) nicht. Infolgedessen muss nicht jeder einzelne Produktpreis oder jede einzelne Dienstleistungsgebühr einem Fremdvergleich standhalten. Vielmehr ist lediglich sicherzustellen, dass hinsichtlich der zu analysierenden Produktpalette ein angemessener Gesamtpreis vereinbart wurde. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass auch unter unabhängigen Dritten aus betriebs-

1 Vgl. Rz. 3.13 ff. OECD-Leitlinien 2017. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.3. 3 Vgl. etwa BFH v. 1.8.1984 – I R 99/80, BStBl. II 1985, 18; FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2248/02, EFG 2006, 1562 (rkr.). 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.3.1 und 2.3.2. Siehe dazu auch Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 21.173 ff.; Baumhoff/Liebchen in W/B, Rz. 3.165 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 613 f.; Gundel in FS Flick, 790 f. 5 Vgl. Rz. 3.15 OECD-Leitlinien 2017. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.3.1. 7 So auch der BFH in seiner Rspr. zur vGA, vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; H 36 „Vorteilsausgleich“ KStR. 8 Vgl. Rz. 3.17 OECD-Leitlinien 2017. 9 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.13; Dahnke in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 141 f.; Baumhoff, IStR 1994, 593 ff.; kritisch Kleineidam, IStR 2001, 724 (728).

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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Abs. 1)

Rz. 141 Art. 9

wirtschaftlichen Erwägungen vielfach Mischkalkulationen im Sinne eines kalkulatorischen Ausgleichs vorgenommen werden, um Preisnachteile bei Einzelprodukten und -leistungen mit anderen Preisvorteilen auszugleichen.

VII. Gewinnkorrektur als Rechtsfolge Zurechnung und Besteuerung. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 erfüllt, d.h. 140 – haben verbundene Unternehmen (vgl. Rz. 44 ff.) – in Bezug auf ihre kaufmännischen und finanziellen Beziehungen (vgl. Rz. 52 ff.) – Bedingungen vereinbart oder auferlegt (vgl. Rz. 57 ff.) die von denen abweichen, wie sie voneinander unabhängige Unternehmen vereinbaren würden (Fremdvergleichsgrundsatz, vgl. Rz. 62 ff.), dann dürfen die insoweit nicht erzielten Gewinne den Gewinnen des Unternehmens zugerechnet und durch den entsprechenden Vertragsstaat besteuert werden. Der Begriff „Gewinn“ umfasst auch Verluste, die auf Grund von nicht fremdvergleichskonformen Bedingungen zu hoch ausgewiesen wurden. Art. 9 Abs. 1 entfaltet als reine Erlaubnisnorm keine Self-Executing-Wirkung (vgl. Rz. 19), sondern räumt den Vertragsstaaten lediglich das Recht ein, Einkünftekorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs durchzuführen. Damit darf dem Unternehmen derjenige Gewinn zugerechnet und einer Besteuerung unterworfen werden, den es unter Beachtung eines fremdvergleichskonformen Preises für die in Rede stehende kaufmännische oder finanzielle Beziehung erzielt hätte. Die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes und eine darauf aufbauende Korrektur bezieht sich auf die jeweilige kaufmännische oder finanzielle Beziehung (vgl. Rz. 52 f.) und nicht auf den Gewinn des verbundenen Unternehmens in seiner Gesamtheit. Wie bereits in Rz. 19 dargestellt, bedarf es – neben Art. 9 Abs. 1 – einer Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht, nach der die entsprechende Einkünftekorrektur vorgenommen wird. Dies ist nach deutschem Verständnis die vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, die vE i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, die Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 bis 3 EStG und § 1 AStG. Ist nach diesen Vorschriften eine Einkünftekorrektur auf Grund unangemessener Verrechnungspreise durchzuführen, ergibt sich aus innerstaatlichem Recht die konkrete Methodik der Einkünfteberichtigung (z.B. außerbilanzielle Hinzurechnung, Korrektur innerhalb der Handels- oder Steuerbilanz sowie Einbuchung einer Forderung).1 Im Übrigen sind in diesem Zusammenhang auch sekundäre Berichtigungsfolgen – insbesondere in Form der Quellenbesteuerung und möglicher Rechtsfolgen für die Entwicklung des steuerlichen Einlagekontos i.S.d. § 27 KStG – zu beachten (vgl. Rz. 149). Beweislast und Dokumentationspflichten. Die OECD-Leitlinien beschäftigen sich in Kapitel V intensiv mit der Dokumentation von Verrechnungspreisen.2 Sie empfehlen einen standardisierten, dreiteiligen Aufbau der Verrechnungspreisdokumentation.3 Hiernach soll die Verrechnungspreisdokumentation aus den folgenden drei Bestandteilen bestehen: – Masterfile (Stammdokumentation) mit standardisierten Informationen zu den weltweiten Aktivitäten der Unternehmensgruppe, – Local Files (landesspezifische Dokumentationen) mit spezifischen Informationen zu den wesentlichen gruppeninternen Geschäftsbeziehungen der jeweiligen Landesgesellschaft sowie – Country-by-Country Report (länderbezogener Bericht) mit bestimmten Informationen zur weltweiten Verteilung des Gewinns der Unternehmensgruppe.4 Der deutsche Gesetzgeber ist der Empfehlung gefolgt und hat diesen dreigliedrigen Dokumentationsansatz der OECD mit dem BEPS-Umsetzungsgesetz vom 20.12.20165 in die §§ 90 Abs. 3 und 162 Abs. 3 und 4 AO sowie die GAufzV vom 20.7.20176 übernommen. Derartige (erweiterte) Mitwirkungspflichten beschränken zwar die Dienstleistungsfreiheit, sind jedoch durch das Allgemeininteresse (wirksame Steueraufsicht) gerechtfertigt und verhältnismäßig. Infolgedessen sollten sich keine europarechtlichen Bedenken ergeben.7 Das Country-by-Country Reporting wurde in einem neuen § 138a AO und die korrespondierenden Sanktions-

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Vgl. dazu im Einzelnen BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 5. Vgl. dazu Mank in Kroppen/Rasch, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. V. Vgl. Rz. 5.16–5.26 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Rz. 5.16 OECD-Leitlinien 2017. Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilfe-Richtlinie und von weiteren Maßnahmen vom 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000. 6 Vgl. Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung v. 20.7.2017, BGBl. 2017, 2367. Vgl. dazu Schreiber/Greil, DB 2017, 514 ff. 7 Vgl. BFH v. 10.4.2013 – I R 45/11, BStBl. II 2013, 771.

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Art. 9 Rz. 141

Verbundene Unternehmen

vorschriften in § 379 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c AO kodifiziert.1 Neben den Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten ergibt sich auch die Beweislastverteilung zwischen Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde aus innerstaatlichem Recht. In Bezug auf deutsches Recht trägt die Finanzverwaltung die Beweislast im Sinne einer objektiven Feststellungslast für Tatsachen, die einen Steueranspruch begründen.2 Infolgedessen trägt die Finanzverwaltung die Beweislast für Einkünftekorrekturen auf Grund unangemessener Verrechnungspreise auf Basis der vGA, der vE, der Entnahme und des § 1 AStG. Dies ist auch von der Finanzverwaltung anerkannt.3 Erfüllt der Steuerpflichtige seine Dokumentationspflichten gem. § 90 Abs. 3 AO nicht, indem er die in dieser Vorschrift bzw. der GAufzV vorgeschriebenen Aufzeichnungen nicht vorlegt, die von ihm vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind oder die Aufzeichnungen zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen i.S.d. § 90 Abs. 3 Satz 3 AO nicht zeitnah erstellt wurden, wird gem. § 162 Abs. 3 Satz 1 AO widerlegbar vermutet, dass die inländischen Einkünfte aus den entsprechenden Geschäftsbeziehungen zum Ausland höher sind, als die bislang erklärten Einkünfte. Dies führt zu einer Umkehr der Beweislast zu Lasten des Steuerpflichtigen, die im Widerspruch zu den oben genannten allgemeinen verfahrensrechtlichen Beweislastregeln einerseits und dem Amtsermittlungsgrundsatz andererseits steht.4 Letztlich wird bei Nichterfüllung der Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten des Steuerpflichtigen widerlegbar ein Verstoß gegen den Grundsatz des Fremdvergleichs unterstellt.5 Diese Vorgehensweise wird in der Regel zu einem Verstoß gegen die Art. 9 Abs. 1 nachgebildete Abkommensnorm führen, da abkommensrechtlich nur bei tatsächlich unangemessenen Verrechnungspreisen eine Einkünftekorrektur möglich ist (zu Einzelheiten vgl. Rz. 34). Im Übrigen darf sich eine entsprechende Schätzung durch die Finanzverwaltung nicht pauschal auf den Gesamtgewinn des verbundenen Unternehmens erstrecken, sondern muss sich auf eine bestimmte kaufmännische oder finanzielle Beziehung (Geschäftsbeziehung) beziehen (vgl. Rz. 52).

C. Korrespondierende Gewinnkorrektur (Abs. 2) Ausgewählte Literatur: Baumhoff/Kluge, Ausländische Verrechnungspreiskorrekturen – Korrespondierende inländische Gegenkorrekturen, FR 2015, 107; Chebounov, Zur Problematik der Gewinnberichtigung nach dem DBA-Recht, IStR 2002, 586; Lahodny-Karner, Verrechnungspreise und Gegenberichtigung, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 91.

I. Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung (Abs. 2 Satz 1) 1. Regelungszweck 142

Gegenberichtigungsnorm. Nimmt ein Vertragsstaat eine Gewinnkorrektur gem. Art. 9 Abs. 1 vor, führt dies in der Regel zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen. Beispiel: Die in Deutschland ansässige A GmbH hält 100 % der Anteile an der in der Schweiz ansässigen B AG. Die A GmbH erbringt auf Basis eines schriftlichen Vertrages Dienstleistungen in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Marketing und IT an die B AG. Nach einer Betriebsprüfung bei der A GmbH korrigiert die deutsche Finanzverwaltung die aus ihrer Sicht unangemessene Dienstleistungsgebühr, welche die A GmbH gegenüber der B AG im Jahr 2010 abgerechnet hat, von 500 000 Euro auf 2 Mio. Euro (sog. Erstberichtigung). Infolge der Einkünftekorrektur durch die deutsche Finanzverwaltung werden bei der A GmbH 1,5 Mio. Euro zusätzlich der Körperschaftsteuer, dem Solidaritätszuschlag und der Gewerbesteuer unterworfen. Da die auf Basis der Einkünftekorrektur entstehende (zusätzliche) Dienstleistungsgebühr im Rahmen der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage der B AG in der Schweiz keine Berücksichtigung fand, kommt es zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen.

Eine solche wirtschaftliche Doppelbesteuerung kann nur durch eine korrespondierende Gegenberichtigung durch die Finanzverwaltung des anderen Vertragsstaates (hier: Schweiz) vermieden werden (vgl. Rz. 4). Dies ist die Zielsetzung des Art. 9 Abs. 2. Denn diese Vorschrift sieht im Hinblick auf eine Gewinnerhöhung auf Grund einer Verrechnungspreiskorrektur durch einen Staat eine entsprechende Gewinnminderung durch den anderen Staat vor. Damit enthält – im Gegensatz zu den übrigen Verteilungsnormen des OECD-MA – 1 Zu Einzelheiten vgl. Ditz/Bärsch/Engelen, IStR 2016, 789 ff.; Ditz/Bärsch/Engelen, IStR 2016, 840 ff.; Kraft/Heider, DStR 2017, 1353 ff. 2 Vgl. nur BFH v. 11.7.2006 – VIII R 67/04, BStBl. II 2007, 553 m.w.N. 3 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 2.1 und 4.2. 4 Vgl. Moebus, BB 2003, 1413 (1414); Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2010, Beih. zu Heft 20, 37 (39). 5 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 4.6.1; noch a.A. BFH v. 10.5.2001 – I S 3/01, BFHE 194, 360 = DStR 2001, 985.

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C. Korrespondierende Gewinnkorrektur (Abs. 2)

Rz. 146 Art. 9

Art. 9 Abs. 2 eine eigene Regelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und nimmt damit eine Sonderstellung innerhalb der Verteilungsnormen ein.1 Eine korrespondierende Gewinnberichtigung setzt allerdings voraus, dass der andere Vertragsstaat die Auffassung des die Erstberichtigung durchführenden Vertragsstaates teilt, dass eine Gewinnkorrektur auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes durchzuführen ist (vgl. Art. 9 Rz. 5 OECD-MK). Sind die Voraussetzungen einer Gegenberichtigung gegeben, so ist der andere Vertragsstaat verpflichtet, eine entsprechende Änderung vorzunehmen (vgl. Rz. 147). 2. Tatbestandsvoraussetzungen einer Gegenkorrektur Gewinnzurechnung und Besteuerung. Als Rechtsfolge der Erstkorrektur durch einen Vertragsstaat fordert Art. 9 Abs. 2 Satz 1 die direkte Gegenkorrektur des anderen Vertragsstaates, soweit die Erstkorrektur unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes (vgl. Rz. 62 ff.) erfolgte. Voraussetzung für eine Gegenberichtigung ist, dass der eine Vertragsstaat Gewinne in Übereinstimmung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz zugerechnet und entsprechend besteuert hat, mit denen ein (verbundenes) Unternehmen (vgl. Rz. 44 ff.) des anderen Vertragsstaats in diesem anderen Vertragsstaat besteuert worden ist. Aus dem Wortlaut „zugerechnet und entsprechend besteuert“ folgt, dass die Erstberichtigung in dem Vertragsstaat nicht nur durchgeführt, sondern auch besteuert worden sein muss. Im anderen Vertragsstaat kann daher ein Nachweis über die entsprechende Gewinnkorrektur (z.B. in Form eines geänderten Steuerbescheids) vorgelegt werden. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 setzt allerdings nicht voraus, dass die aus der Erstberichtigung entstehende Steuermehrbelastung tatsächlich gezahlt wurde. Vielmehr ist von einem „entsprechend besteuert“ auch auszugehen, wenn die Erstberichtigung zu keiner unmittelbaren Steuerzahlungsverpflichtung führt. Dies ist etwa bei Gewinnkorrekturen der Fall, welche mit laufenden Verlusten des verbundenen Unternehmens verrechnet werden oder wenn die Korrektur zu einer Verminderung eines Verlustvortrages führt. Auch in diesen Fällen ist ein Nachweis über die Zurechnung und Besteuerung der Erstberichtigung durch einen Vertragsstaat zu erbringen. Dies unterscheidet Art. 9 Abs. 2 vom Verständigungsverfahren gem. Art. 25 (vgl. Rz. 14), das bereits bei einer drohenden Doppelbesteuerung beantragt werden kann.2 Dies ist insofern sachgerecht, als eine Verpflichtung eines Vertragsstaates durch eine Gegenkorrektur– ohne Verständigung zwischen den Vertragsstaaten – nur dann verpflichtend angenommen werden kann, wenn die Erstkorrektur „offiziell“ in Steuerbescheiden umgesetzt und folglich entsprechend dokumentiert worden ist.3

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Besteuerung im anderen Vertragsstaat. Neben einer Zurechnung und Besteuerung von Gewinnen im Vertragsstaat, welcher die Erstkorrektur durchführt, setzt Art. 9 Abs. 2 voraus, dass der korrigierte Betrag im anderen Vertragsstaat ebenfalls einer Steuer unterworfen wurde. Dies festzustellen ist in der Praxis mitunter nicht einfach, da häufig entsprechende Unterlagen, aus welchen die Besteuerung der Einkünfte im anderen Staat hervorgehen, nicht vorliegen. Da allerdings auch in diesem Zusammenhang der Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 Satz 1 („Unternehmen des anderen Vertragsstaates in diesem Staat besteuert worden ist“) eindeutig ist, ist auch insoweit der Nachweis einer Besteuerung durch das verbundene Unternehmen, das eine Anwendung des Art. 9 Abs. 2 begehrt, vorzulegen (z.B. durch einen ausländischen Steuerbescheid). Erforderlich ist dabei im anderen Staat lediglich eine Besteuerung dem Grunde nach, d.h. die Vorschrift verlangt weder eine bestimmte Höhe der Besteuerung noch eine Subsumtion der Einkünfte unter die gleiche Einkunftsart.4 Vielmehr ist entscheidend, dass die Einkünfte in beiden Vertragsstaaten einer Ertragbesteuerung5 unterliegen.

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Gewinnkorrektur auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes. Art. 9 Abs. 2 sieht die Pflicht zu einer Gegenkorrektur nur für den Fall vor, dass die Erstberichtigung eines Vertragsstaates auf einer Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes basiert (vgl. Rz. 62 ff.). Dabei sind auch die Grundsätze des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen (vgl. Rz. 137 ff.). Kommt es demgegenüber zu Einkünftekorrekturen eines Vertragsstaates auf Basis von Regelungen, die nicht auf einer Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes fußen (z.B. im Rahmen der Anwendung sog. Thin Capitalisation Rules, vgl. hierzu Art. 11 Rz. 94 ff.), ist Art. 9 Abs. 2 nicht einschlägig.

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Einigung der Vertragsstaaten. Das wesentliche Problem der Gegenkorrektur gem. Art. 9 Abs. 2 besteht in der Praxis darin, dass der andere Vertragsstaat die Erstberichtigung dem Grunde oder der Höhe nach anerkennen muss (vgl. Art. 9 Rz. 6 OECD-MK). Ist damit eine Erstberichtigung (vgl. Rz. 142) durch einen

146

1 Vgl. Lang, IStR 2002, 610 f. 2 Vgl. Becker in Haase3, Art. 9 OECD-MA Rz. 68; Lahodny-Karner in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 91 (114 f.). 3 Art. 9 Abs. 2 OECD-MA findet dabei auch im Zusammenhang mit Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 Anwendung (vgl. Rz. 11). 4 So auch Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 56. 5 Nach deutschem Verständnis umfasst dies die Einkommen-, die Körperschaft- und die Gewerbesteuer sowie den Solidaritätszuschlag (und ggf. die Kirchensteuer).

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Art. 9 Rz. 146

Verbundene Unternehmen

Vertragsstaat ohne Weiteres möglich, wird der andere Vertragsstaat die Verpflichtung zur Gegenkorrektur nur anerkennen, wenn er der Erstberichtigung dem Grunde und der Höhe nach folgt. Rein praktisch gesprochen wird dabei die Gegenberichtigung nach Art. 9 Abs. 2 vom zuständigen FA geprüft und dann – soweit sie anerkannt wird – umgesetzt. Einer Einigung zwischen den Vertragsstaaten bedarf es insoweit nicht; eine solche ist auch nicht durch den Wortlaut der Vorschrift gedeckt.1 Erkennt der andere Vertragsstaat die Erstberichtigung nicht an, ist ein Konsultations- bzw. Verständigungsverfahren gem. Art. 25 durchzuführen (vgl. Rz. 14). In diesem Zusammenhang zeigt die internationale Besteuerungspraxis, dass in der Regel Erstberichtigungen im anderen Vertragsstaat nicht anerkannt werden. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die innerstaatlichen Rechtsgrundlagen einer Korrektur (vgl. Rz. 25 ff.) nicht durch Art. 9 gedeckt sind (wie z.B. teilweise die Regelungen in § 1 Abs. 3 AStG, Rz. 28). Da Art. 9 Abs. 1 eine Gewinnkorrektur im Sinne einer Erstberichtigung auch ohne korrespondierende Gegenkorrektur im anderen Vertragsstaat zulässt, kann die (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung in der Regel nur auf Basis eines Konsultations- bzw. Verständigungsverfahrens vermieden werden. 3. Durchführung einer Gegenkorrektur 147

Keine bestimmte Methode. Für den Fall, dass der andere Vertragsstaat die Erstberichtigung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach anerkennt, ist er zur Gegenberichtigung verpflichtet. Für diese bestimmt Art. 9 Abs. 2 keine konkrete Vorgehensweise. Vielmehr ist sie nach dem innerstaatlichen Recht des anderen Vertragsstaates durchzuführen (vgl. Art. 9 Rz. 7 OECD-MK). Der OECD-MK nennt in diesem Zusammenhang zwei Möglichkeiten: Einerseits ist denkbar, die Veranlagung des im anderen Vertragsstaat ansässigen verbundenen Unternehmens zu ändern, d.h. die steuerliche Bemessungsgrundlage – betragsmäßig in Höhe der Erstkorrektur – zu mindern. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass sie eine spiegelbildliche Maßnahme zur Erstberichtigung darstellt und ein mögliches Steuersatzgefälle zwischen den Vertragsstaaten ohne Bedeutung bleibt. Diese Methode bildet in der Praxis die Regel. Andererseits ist denkbar, die durch die Erstberichtigung eintretende (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung in analoger Anwendung des Art. 23 zu beseitigen (vgl. Art. 9 Rz. 7 OECD-MK). Da die Freistellungsmethode insofern nicht anwendbar ist, kommt im Hinblick auf eine Anwendung des Art. 23 lediglich eine „indirekte Steueranrechnung“ in Betracht.2

148

Self-executing-Wirkung des Art. 9 Abs. 2. Im Hinblick auf die Durchführung der Gegenberichtigung durch den anderen Vertragsstaat stellt sich die Frage, auf Basis welcher materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschrift er diese durchzuführen hat. Hinsichtlich der Frage der materiell-rechtlichen Regelung stellt Art. 9 Abs. 2 die Rechtsgrundlage der Gegenberichtigung dar. Insoweit kommt Art. 9 Abs. 2 eine Self-executing-Wirkung zu. Die Verpflichtung, eine Gegenkorrektur vorzunehmen, ergibt sich aus der Art. 9 Abs. 2 nachgebildeten Abkommensnorm; einer zusätzlichen Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht (z.B. vGA, vE und § 1 AStG) bedarf es nicht.3 Infolgedessen ist die erforderliche Gegenberichtigung selbst dann durchzuführen, wenn nach dem nationalen Steuerrecht keine diesbezügliche Rechtsgrundlage besteht. Zur Verdeutlichung dessen stelle man sich nur die Fallkonstellation vor, in der ein französisches Mutterunternehmen an sein in Deutschland ansässiges Tochterunternehmen ein unverzinsliches Gesellschafterdarlehen ausreicht. Würden die französischen Steuerbehörden wegen der Unverzinslichkeit des Darlehens auf eine zwischen fremden Dritten unübliche Vereinbarung schließen und die Einkünfte des französischen Mutterunternehmens um eine fremdübliche Verzinsung des Darlehens erhöhen, käme es – sollten diese fiktiven Zinsen bei dem deutschen Tochterunternehmen steuerlich nicht nachträglich zum Abzug zugelassen werden – zunächst zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, zu deren Vermeidung die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des DBA-Frankreich vertraglich aber gerade verpflichtet ist. Die Anwendung nationaler Einkünfteberichtigungsvorschriften bliebe hier aber ohne Ergebnis. Denn einerseits handelt es sich weder um verdeckte Gewinnausschüttungen noch um verdeckte Einlagen. Andererseits käme auch eine Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG mangels einer Einkünfteminderung in Deutschland nicht in Betracht. Die Zielsetzung des Art. 9 Abs. 2, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, lässt sich somit nur dann verwirklichen, wenn die Vorschrift selbst die maßgebende Korrekturvorschrift ist. Infolgedessen bleibt auch für eine Anwendung des § 8b Abs. 5 KStG im Falle verdeckter Gewinnausschüttungen kein Raum. Hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Rechtsgrundlage einer Gegenkorrektur kommen nach deutschem Verständnis § 164 Abs. 2 AO und § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Im Übrigen sind die Billigkeitsvorschriften der §§ 163 und 227 AO, § 34c Abs. 5 EStG sowie § 175a AO zu beachten. Die letztgenannte Vorschrift setzt indessen eine Ver1 Vgl. Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 205; Becker in Haase3, Art. 9 OECD-MA Rz. 70; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.318; Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 166. 2 Vgl. auch Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 177a. 3 A.A. Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 207.

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C. Korrespondierende Gewinnkorrektur (Abs. 2)

Rz. 151 Art. 9

ständigungsvereinbarung oder einen Schiedsspruch eines Schiedsgerichts voraus, die im Bereich des Art. 9 Abs. 2 Satz 1 nicht vorliegen. Lediglich wenn nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 ein Konsultations- bzw. Verständigungsverfahren (i.V.m. Art. 25) durchgeführt wurde, ist im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 2 eine Anwendung des § 175a AO denkbar.1 Infolgedessen müssen Steuerpflichtige, um verfahrensrechtlich eine Gegenberichtigung bei bestandskräftigen Steuerbescheiden zu erhalten, auf das Zustandekommen einer Verständigungsvereinbarung drängen, um in den Anwendungsbereich des § 175a AO zu gelangen.2 Sekundäre Berichtigung. Der OECD-MK beschreibt auch die Frage, welche steuerlichen Konsequenzen sich auf Basis einer Erst- und einer Gegenberichtigung ergeben. Um in diesem Zusammenhang zwischen den verbundenen Unternehmen dieselbe Situation zu erreichen, wie sie bei einem fremdvergleichskonformen Verhalten eingetreten wäre, können sog. Sekundärberichtigungen (auch Folgeberichtigungen genannt) erforderlich sein (vgl. Art. 9 Rz. 8 OECD-MK). Wie diese konkret vorzunehmen sind, regelt Art. 9 Abs. 2 nicht. Sollten diese notwendig sein, sind sie nach innerstaatlichem Recht unter Beachtung der abkommensrechtlichen Regelungen vorzunehmen. Zwar werden durch die Erst- und die Gegenberichtigung die Gewinne zwischen den verbundenen Unternehmen so allokiert und besteuert, wie es bei einem fremdvergleichskonformen Verhalten der Fall gewesen wäre. Dabei ist allerdings nicht sichergestellt, dass das zunächst unangemessene Entgelt tatsächlich bei dem verbundenen Unternehmen anfällt, das die entsprechende Lieferung oder Leistung durchgeführt hat. Dies wird üblicherweise eine Zuwendung in der Form einer Dividende, eines Darlehens oder einer Lizenzgebühr notwendig machen. Daraus resultieren in der Regel Quellensteuerfragen, wie etwa die Festsetzung von Kapitalertragsteuern bei Gewinnausschüttungen. Wird z.B. bei einer im Inland ansässigen Tochtergesellschaft eine Verrechnungspreiskorrektur auf Basis einer vGA vorgenommen, weil die Tochtergesellschaft an ihre ausländische Muttergesellschaft überhöhte Verrechnungspreise bezahlt hat, hat die Gegenberichtigung bei der ausländischen Muttergesellschaft lediglich eine Minderung ihres Einkommens zur Folge. Dies ist Regelungsgegenstand des Art. 9 Abs. 2. Die vGA löst indessen eine Kapitalertragsteuer aus.3 Insofern stellt sich im Hinblick auf die Erstberichtigung in Deutschland bei der ausländischen Muttergesellschaft die Frage einer Anrechnung der in Deutschland einbehaltenen Kapitalertragsteuer. Wie eine solche Sekundärberichtigung vorzunehmen ist, ergibt sich alleine nach Maßgabe des jeweiligen innerstaatlichen Rechts.4

149

II. Konsultationsverfahren (Abs. 2 Satz 2) 1. Regelungszweck Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Ausgehend von einer fremdvergleichskonformen Erstberichtigung durch einen Vertragsstaat fordert Art. 9 Abs. 2 Satz 1 zunächst die unmittelbare Gegenkorrektur durch den anderen Vertragsstaat. Geht der andere Vertragsstaat indessen davon aus, dass die Erstberichtigung einem Fremdvergleich (vgl. Rz. 52 ff.) nicht entspricht, eröffnet Art. 9 Abs. 2 Satz 2 die Möglichkeit, ein Konsultationsverfahren zu führen. Zweck eines solchen ist die Vermeidung der (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung durch eine detaillierte Prüfung der Finanzbehörden der beiden Vertragsstaaten und einer anschließenden Verhandlung mit dem Ziel einer Beseitigung der Doppelbesteuerung. Bei der Konsultation handelt es sich um ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 zwischen den Vertragsstaaten.5 Dieses bildet auch den Rahmen für eine mögliche Einigung, wobei kein Einigungszwang zwischen den Vertragsstaaten besteht. Eine Ausnahme besteht nur für den Fall, dass das einschlägige DBA ein obligatorisches Schiedsverfahren vorsieht6 bzw. die EU-Schiedskonvention einschlägig ist.7

150

2. Konsultationen zwischen den Vertragsstaaten Keine Pflicht zur Konsultation. Nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 werden die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten „erforderlichenfalls“ einander konsultieren. Damit besteht keine Pflicht zur Konsultation zwischen den Vertragsstaaten; mithin hat der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf die Einleitung eines Konsultati-

1 2 3 4 5 6 7

A.A. Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 173. Vgl. Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 209. Vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 EStG. Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.322. Vgl. Rz. 4.33 OECD-Leitlinien 2017; Art. 25 Rz. 10 f. OECD-MK. Vgl. Art. 25 Abs. 5 OECD-MA 2008. Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, BStBl. I 1993, 818 und BStBl. I 1995, 166; BMF v. 9.10.2018 – IV B 2 – S 1304/17/10001, BStBl. I 2018, 1122.

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151

Art. 9 Rz. 151

Verbundene Unternehmen

onsverfahrens.1 Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn die Art. 25 OECD-MA nachgebildete Abkommensnorm etwas anderes vorsieht. Art. 25 OECD-MA ist auch im Hinblick auf ein mögliches Konsultationsverfahren zwischen den Vertragsstaaten anzuwenden, da Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 explizit auf die „übrigen Bestimmungen dieses Abkommens“ verweist. Schließlich kann sich eine Pflicht zur Aufnahme von Konsultationsverfahren (verstanden als Verständigungsverfahren) auch aus der EU-Schiedskonvention ergeben, soweit deren Anwendungsvoraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind.2 Die Vertragsstaaten sind hinsichtlich der Ausgestaltung der Konsultationen – außerhalb der EU-Schiedskonvention – völlig frei. Insbesondere kann das entsprechende Verfahren schriftlich, mündlich oder auch telefonisch geführt werden. Die deutsche Finanzverwaltung wird dabei regelmäßig vom BMF bzw. dem BZSt vertreten.3 Im Rahmen der Konsultationen sind damit die allgemeinen Grundsätze der Führung von Verständigungsverfahren nach Art. 25 anwendbar.4 Damit setzt die Einleitung eines Konsultations- bzw. (eigentlich) Verständigungsverfahrens5 den Antrag des Steuerpflichtigen voraus. Dies nicht zuletzt auch deswegen, um die Erlaubnis der Vertragsstaaten zum Informationsaustausch zu dokumentieren.

D. Deutsches Muster-DBA 152

Deutsches Muster-DBA. Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen Muster-DBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.

E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA 153

Art. 9 DBA-Belgien. Art. 9 DBA-Belgien entspricht inhaltlich Art. 9 Abs. 1 OECD-MA. Hinsichtlich der Definition des verbundenen Unternehmens stellt Art. 9 DBA-Belgien allerdings nicht auf eine „Beteiligung an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital“, sondern auf eine „Beteiligung an der Geschäftsleitung, Kontrolle oder Finanzierung“ eines Unternehmens ab.

154

Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Belgien enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm. 2. Konsequenzen

155

Teleologische Auslegung des Begriffs „Finanzierung“. Der Begriff der Finanzierung über eine „Beteiligung am Kapital“ ist weiter gefasst als Art. 9 Abs. 1 OECD-MA, da er jegliche Formen der Eigen- oder Fremdfinanzierung erfasst. Daraus kann allerdings nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass jede Fremdfinanzierung eines Unternehmens zu einem verbundenen Unternehmen i.S.d. Art. 9 DBA-Belgien führt. Vielmehr ist der Begriff der Finanzierung teleologisch auszulegen, d.h. die Finanzierung einer Gesellschaft kann nur dann zu einer Verbundenheit führen, wenn sie einen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen des anderen Unternehmens möglich macht. Dies kann z.B. bei der Überlassung von Fremdkapital der Fall sein, welches mit Mitspracherechten verbunden ist.

156

Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Belgien keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann die wirtschaftliche Doppelbesteuerung aus Gewinnkorrekturen eines Vertragsstaates nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Belgien vermieden werden.

1 Vgl. auch BFH v. 26.5.1982 – I R 16/78, BStBl. II 1982, 583; Schwenke/Greil in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 213. 2 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, BStBl. I 1993, 818 und BStBl. I 1995, 166. 3 Vgl. BMF v. 9.10.2018 – IV B 2 – S 1304/17/10001, BStBl. I 2018, 1122, Rz. 1.4. 4 Vgl. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1. 5 Vgl. Rz. 4.33 OECD-Leitlinien 2017; Art. 25 Rz. 10 f. OECD-MK.

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Ditz

E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 166 Art. 9

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA-Belgien oder auf Basis der EU-Schiedskonvention1 zu beantragen.

157

II. China Art. 9 Abs. 1 DBA-China. Art. 9 Abs. 1 DBA-China entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.

158

Art. 9 Abs. 2 DBA-China. Art. 9 Abs. 2 DBA-China entspricht Art. 9 Abs. 2 OECD-MA.

159

III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 5 DBA-Frankreich. Art. 5 DBA-Frankreich entspricht inhaltlich im Wesentlichen Art. 9 Abs. 1 OECDMA. Die Vorschrift definiert allerdings das Verbundensein als „Beteiligung an der Geschäftsführung oder am finanziellen Aufbau eines Unternehmens“.

160

Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Frankreich enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm.

161

2. Konsequenzen Teleologische Auslegung des verbundenen Unternehmens. Art. 5 DBA-Frankreich definiert das Verbundensein als „Beteiligung an der Geschäftsführung oder am finanziellen Aufbau eines Unternehmens“. Nach dem Wortlaut könnte damit auch eine Finanzierung über Fremdkapital die Verbundenheit zweier Unternehmen nach sich ziehen. Allerdings spricht der französische Text des Art. 5 DBA-Frankreich von einer „á la formation du capital“, so dass auch nach dem DBA-Frankreich eine Beteiligung am Kapital notwendig ist. Im Übrigen ist Art. 5 DBA-Frankreich teleologisch auszulegen (vgl. auch Rz. 155 zum DBA-Belgien). Im Ergebnis besteht daher keine inhaltliche Abweichung zu Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.

162

Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Frankreich keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann eine aus einer Gewinnkorrektur durch einen Vertragsstaat resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Frankreich vermieden werden.

163

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA-Frankreich oder auf Basis der EU-Schiedskonvention2 zu beantragen.

164

IV. Großbritannien Art. 9 Abs. 1 DBA-Großbritannien. Art. 9 Abs. 1 DBA-Großbritannien entspricht Art. 9 Abs. 1 OECDMA.

165

Art. 9 Abs. 2 DBA-Großbritannien. Art. 9 Abs. 2 DBA-Großbritannien entspricht Art. 9 Abs. 2 OECDMA (zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einer Gewinnkorrektur vgl. Rz. 142 ff.).

166

1 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, BStBl. I 1993, 818 und BStBl. I 1995, 166. 2 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, BStBl. I 1993, 818 und BStBl. I 1995, 166.

Ditz

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Art. 9 Rz. 167

Verbundene Unternehmen

V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA 167

Art. 9 DBA-Indien. Art. 9 DBA-Indien entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.

168

Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Indien enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm. 2. Konsequenzen

169

Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Indien keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann eine aus einer Gewinnkorrektur durch einen Vertragsstaat resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Indien vermieden werden. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

170

Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA-Indien zu beantragen.

VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA 171

Art. 9 DBA-Italien. Art. 9 DBA-Italien entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.

172

Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Italien enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm. 2. Konsequenzen

173

Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Italien keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann eine aus einer Gewinnkorrektur durch einen Vertragsstaat resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Italien vermieden werden. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

174

Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 26 DBA-Italien oder auf Basis der EU-Schiedskonvention1 zu beantragen. Dies ergibt sich auch aus Rz. 8 des Protokolls zum DBA-Italien.

VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 175

Art. 9 Abs. 1 DBA-Japan. Art. 9 Abs. 1 DBA-Japan entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.

176

Art. 9 Abs. 2 DBA-Japan. Art. 9 Abs. 2 DBA-Japan entspricht Art. 9 Abs. 2 OECD-MA.

177

Art. 9 Abs. 3 DBA-Japan. Art. 9 Abs. 3 DBA-Japan wurde in das DBA-Japan neu aufgenommen und findet keine Entsprechung in Art. 9 OECD-MA. 2. Konsequenzen

178

Zeitliche Beschränkung der Anpassungsmöglichkeit nach Abs. 1. Art. 9 Abs. 3 DBA-Japan beschränkt die Anpassungsmöglichkeit der Gewinne nach Abs. 1 auf zehn Jahre ab dem Ende des Steuerjahrs, in dem das Unternehmen die Gewinne erzielt hatte. Art. 9 Abs. 3 Satz 1 DBA-Japan findet demgegenüber keine 1 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, BStBl. I 1993, 818 und BStBl. I 1995, 166.

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Ditz

E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 190 Art. 9

Anwendung bei Täuschung oder vorsätzlicher Unterlassung oder, wenn die zuständige Behörde eines Vertragsstaats die zuständige Behörde des anderen Vertragsstaates von einer möglichen Korrektur nach Abs. 1 innerhalb dieser Zehnjahresfrist unterrichtet.

VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 9 DBA-Kanada. Art. 9 DBA-Kanada entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.

179

Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Kanada enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm.

180

2. Konsequenzen Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Kanada keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann eine aus einer Gewinnkorrektur durch einen Vertragsstaat resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Kanada vermieden werden.

181

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 Abs. 6 DBA-Kanada zu beantragen. Dabei ist auch die Schiedsgerichtsklausel nach Art. 25 Abs. 6 DBA-Kanada zu beachten.

182

IX. Luxemburg Art. 9 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012. Art. 9 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 entspricht Art. 9 Abs. 1 OECDMA.

183

Art. 9 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012. Art. 9 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012 entspricht Art. 9 Abs. 2 OECDMA (zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einer Gewinnkorrektur vgl. Rz. 142 ff.).

184

X. Niederlande Art. 9 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012. Art. 9 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 9 Abs. 1 OECDMA.1

185

Art. 9 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012. Art. 9 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 9 Abs. 2 OECDMA (zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einer Gewinnkorrektur vgl. Rz. 142 ff.).

186

XI. Österreich Art. 9 Abs. 1 DBA-Österreich. Art. 9 Abs. 1 DBA-Österreich entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.

187

Art. 9 Abs. 2 DBA-Österreich. Art. 9 Abs. 2 DBA-Österreich entspricht Art. 9 Abs. 2 OECD-MA (zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einer Gewinnkorrektur vgl. Rz. 142 ff.).

188

XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 9 DBA-Russland. Art. 9 DBA-Russland entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.

189

Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Russland enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm.

190

1 Vgl. dazu auch Böing/Prang, BB 2012, 2211 (2214).

Ditz

691

Art. 9 Rz. 191

Verbundene Unternehmen

2. Konsequenzen 191

Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Russland keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann eine aus einer Gewinnkorrektur resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Russland vermieden werden. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

192

Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA-Russland zu beantragen.

XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA 193

Art. 9 DBA-Schweiz. Art. 9 DBA-Schweiz entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.

194

Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Schweiz enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm. 2. Konsequenzen

195

Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Schweiz keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann eine aus einer Gewinnkorrektur resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Schweiz vermieden werden (siehe aber Rz. 196). 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

196

Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 26 DBA-Schweiz zu beantragen.

XIV. Spanien 197

Art. 9 Abs. 1 DBA-Spanien 2011. Art. 9 Abs. 1 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.

198

Art. 9 Abs. 2 DBA-Spanien 2011. Art. 9 Abs. 2 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 9 Abs. 2 OECD-MA (zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einer Gewinnkorrektur vgl. Rz. 142 ff.).

XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA 199

Art. 9 Abs. 1 DBA-USA. Art. 9 Abs. 1 DBA-USA entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.

200

Art. 9 Abs. 2 DBA-USA. Art. 9 Abs. 2 DBA-USA entspricht Art. 9 Abs. 2 OECD-MA.

201

Protokoll. Das Protokoll zum DBA-USA gestattet den Vertragsstaaten explizit die Anwendung ihrer innerstaatlichen Vorschriften zur Aufteilung oder Zurechnung von Einnahmen, Ausgaben, Steueranrechnungsoder Freibeträgen. 2. Konsequenzen

202

Erweiterung des Anwendungsbereichs des Fremdvergleichsgrundsatzes. Die im Protokoll zu Art. 9 DBA-USA vorgesehene Anwendung innerstaatlicher Vorschriften zur Aufteilung oder Zurechnung von Einnahmen, Ausgaben, Steueranrechnungs- oder Freibeträgen soll sicherstellen, dass die USA sämtliche Parameter berichtigen kann, die zur Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens notwendig sind. Daraus resultiert allerdings keine Einschränkung der Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 DBA-USA (vgl. Rz. 20). Darüber hinaus erweitert das Protokoll zu Art. 9 DBA-USA den Anwendungsbereich des Fremdvergleichsgrundsatzes auf sämtliche „kommerzielle oder vertragliche Beziehungen, die zu beherrschendem Einfluss führen“ kön-

692

Ditz

E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 203 Art. 9

nen. Die Vorschrift erfasst damit sämtliche Fälle einer nahestehenden Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG und geht insoweit über Art. 9 Abs. 1 OECD-MA hinaus.1 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung des Art. 9 Abs. 2 DBA-USA. Das DBA-USA enthält in Art. 9 Abs. 2 eine Art. 9 Abs. 2 OECDMA entsprechende Vorschrift. Insofern kann eine aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates resultierende (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung durch eine korrespondierende Gegenberichtigung vermieden werden (zu Einzelheiten vgl. Rz. 142 ff.).

1 Vgl. auch Wolff in Wassermeyer, Art. 9 DBA-USA Rz. 18.

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203

Artikel 10 Dividenden (1) Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, können im anderen Staat besteuert werden. (2)1 1Dividenden, die von einer in einem Vetragsstaat ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, können jedoch auch in diesem Vertragsstaat nach dem Recht dieses Staats besteuert werden; die Steuer darf aber, wenn der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist, nicht übersteigen: a) 5 v.H. des Bruttobetrags der Dividenden, wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft ist, die unmittelbar über mindestens 25 v.H. des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft während eines Zeitraums von 365 Tagen einschließlich des Tages der Dividendenzahlung verfügt (bei der Berechnung dieses Zeitraums bleiben Änderungen der Eigentums- oder Inhaberschaftsverhältnisse unberücksichtigt, die sich unmittelbar aus einer Umstrukturierung, wie einer Fusion oder Spaltung, der die Anteile haltenden oder die Dividenden zahlenden Gesellschaft ergeben würden); b) 15 v.H. des Bruttobetrags der Dividenden in allen anderen Fällen. 2Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten regeln in gegenseitigem Einvernehmen, wie diese Begrenzungsbestimmungen durchzuführen sind. Dieser Absatz berührt nicht die Besteuerung der Gesellschaft in Bezug auf die Gewinne, aus denen die Dividenden gezahlt werden. (3) Der in diesem Artikel verwendete Ausdruck „Dividenden“ bedeutet Einkünfte aus Aktien, Genussaktien2 oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung sowie aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Recht des Staats, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. (4) 1Die Absätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, eine Geschäftstätigkeit durch eine dort gelegene Betriebstätte ausübt und die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebstätte gehört. 2In diesem Fall ist Artikel 7 anzuwenden. (5) Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft Gewinne oder Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat, so darf dieser andere Staat weder die von der Gesellschaft gezahlten Dividenden besteuern, es sei denn, dass diese Dividenden an eine im anderen Staat ansässige Person gezahlt werden oder dass die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu einer im anderen Staat gelegenen Betriebstätte gehört, noch Gewinne der Gesellschaft einer Steuer für nichtausgeschüttete Gewinne unterwerfen, selbst wenn die gezahlten Dividenden oder die nichtausgeschütteten Gewinne ganz oder teilweise aus im anderen Staat erzielten Gewinnen oder Einkünften bestehen. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . 1. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerungsrecht des Quellenstaats (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dividendenbegriff (Abs. 3) . . . . . . . . 4. Betriebsstättenvorbehalt (Abs. 4) . . . . . 5. Verbot extraterritorialer Besteuerung (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . .

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1

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1 2 7

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7

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8 9 10

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11 12

1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Primäres Unionsrecht . . . . . . . . b) Sekundäres Unionsrecht . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . II. Dividenden . . . . . . . . . . . . . . . III. Eine in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansässigkeit der Gesellschaft in einem Vertragsstaat . . . . . . . . . . . . . . .

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12 17 17 19 21

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24 24 28

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29 29

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40

1 Art. 10 Abs. 2 Halbs. 1 und Buchst. a sind eine inoffizielle Übersetzung der ursprünglichen OECD-Version, die in englischer Sprache unter dem Titel Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017, OECD Publishing, Paris unter https://doi.org/10.1787/20745419 abrufbar ist. In Zweifelsfällen ist die ursprüngliche, englische Fassung maßgeblich. 2 Bundesrepublik Deutschland: Statt „Genussaktien“ das Wort „Genussrechten“.

Schönfeld

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Art. 10

Dividenden

IV. An eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat . . . . V. Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsfolge: Können im anderen Vertragsstaat besteuert werden . . . . . . . . . . . . . C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Eingeschränktes Besteuerungsrecht (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewährung eines Quellenbesteuerungsrechts (Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1) . . . . . . . . 3. Begrenzung des Quellenbesteuerungsrechts (Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2) . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsame Voraussetzungen . . . . . . b) 5 % bei Schachteldividenden (Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a . . . . . c) 15 % in allen anderen Fällen (Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b) . . . . II. Durchführung der Begrenzungsbestimmung (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführung in Deutschland . . . . . . . . III. Keine Beschränkung des Besteuerungsrechtes für Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft (Abs. 2 Satz 3) . . . . . . . . . . D. Dividendenbegriff (Abs. 3) . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die einzelnen Arten von Dividenden . . . . 1. Fallgruppenübergreifende Voraussetzungen . 2. Einkünfte aus Aktien, Genussaktien, Genussscheinen, Kuxen und Gründeranteilen (Fallgruppe 1) . . . . . . . . . . . . a) Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ordentliche Gewinnausschüttung . . bb) Verdeckte Gewinnausschüttung . . . cc) Vorabgewinnausschüttung . . . . . . dd) Gewinnabführung . . . . . . . . . . ee) Sachausschüttung . . . . . . . . . . ff) Einlagenrückgewähr . . . . . . . . . gg) Nennkapitalherabsetzung . . . . . . hh) Liquidationsgewinne . . . . . . . . . ii) Umwandlungsgewinne . . . . . . . . jj) Andere geldwerte Vorteile . . . . . . b) Genussaktien, Genussscheine und Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Genussrechte . . . . . . . . . . . . . bb) Genussscheine . . . . . . . . . . . . cc) Genussaktien . . . . . . . . . . . . . c) Kuxe und Gründeranteile . . . . . . . . . 3. Einkünfte aus anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung (Fallgruppe 2) . . . . . . . . . . 4. Einkünfte aus nach dem Steuerrecht des Quellenstaates vergleichbaren Gesellschaftsanteilen (Fallgruppe 3) . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte . . . . . . . . . . .

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Schönfeld

48 48 58 61 66 70 70 70 71 72 72

E. I. II.

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1.

102

2.

104 104 106

3.

112 113 113 122 122

4. III. F. I. II. 1.

130 130 130 135 138 139 142 145 153 156 159 160 161 161 167 168 169 171 172 172 173

2. 3. 4. III. 1. 2. G. H. I. 1. 2. 3. II. 1. 2. 3. III. 1. 2. 3. IV.

c) Steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien nach dem Recht des Ansässigkeitsstaates der ausschüttenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einzelne Beteiligungsformen aus deutscher Sicht . . . . . . . . . . . . . . aa) Stille Beteiligung . . . . . . . . . . . bb) Partiarisches Darlehen . . . . . . . . cc) Wandelanleihen, Gewinnobligationen und obligationsähnliche Genussrechte . . . . . . . . . . . . . dd) Unterbeteiligung . . . . . . . . . . . ee) Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . ff) Eigenkapitalersetzende Darlehen . . gg) Investmentanteile . . . . . . . . . . Betriebsstättenvorbehalt (Abs. 4) . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Anwendung des Dividendenartikels (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungsberechtigte ist in einem Vertragsstaat ansässig . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterhaltung einer Betriebsstätte im Quellenstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tatsächliche Zuordnung der Anteile zur Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung des Betriebsstättenartikels (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbot extraterritorialer Besteuerung (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . Verbot der Besteuerung ausgeschütteter Gewinne (Abs. 5 Fall 1) . . . . . . . . . . . . In einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezug von Gewinnen oder Einkünften aus dem anderen Vertragsstaat . . . . . . . . Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbot der Besteuerung nicht ausgeschütteter Gewinne (Abs. 5 Fall 2) . . . . . . Bezug von Gewinnen oder Einkünften aus dem anderen Vertragsstaat durch eine im anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft . Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . . Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . . . . . . . Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . .

175 180 180 184 185 186 187 188 189 190 190 196 196 197 200 204 205 206 206 207 207 208 209 213 217 217 218 222 223 223 223 231 237 239 239 245 248 250 250 260 268 270

A. Grundaussagen der Vorschrift 1. 2. 3. V. 1. 2. 3. VI. 1. 2. 3. VII. 1. 2. 3. VIII. 1. 2. 3. IX. 1. 2. 3. X. 1. 2. 3. XI. 1. 2. 3. XII. 1. 2. 3.

Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Niederlande . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Russland . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung .

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270 277 285 287 287 293 298 300 300 309 315 317 317 325 327 329 329 336 342 344 344 350 361 363 363 370 378 380 380 386 390 392 392 398 403

Rz. 1 Art. 10

XIII. 1. 2. 3. XIV. 1. 2. 3. XV. 1. 2.

Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 10 Absatz 1 DBA-USA . . . . . . . b) Art. 10 Absatz 2 DBA-USA . . . . . . . c) Art. 10 Absatz 3 DBA-USA . . . . . . . aa) Voraussetzungen (ohne LoBKlausel) . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verweis auf bestimmte Teile der „Limitation on Benefits“-Klausel . (1) Art. 28 Absatz 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA . . . . . . . . (2) Art. 28 Absatz 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA . . . . . . . (3) Art. 28 Absatz 2 Buchst. f i.V.m. Absatz 4 DBA-USA . . . . . . . . . (4) Art. 28 Absatz 3 DBA-USA . . . . (5) Art. 28 Absatz 7 DBA-USA . . . . cc) Sonderregelung für Pensionsfonds d) Art. 10 Absatz 4 DBA-USA . . . . . . . e) Art. 10 Absatz 5 DBA-USA . . . . . . . f) Art. 10 Absatz 6 DBA-USA . . . . . . . g) Art. 10 Absatz 7 DBA-USA . . . . . . . h) Art. 10 Absatz 8 DBA-USA . . . . . . . i) Art. 10 Absatz 9 DBA-USA . . . . . . . j) Art. 10 Absatz 10 DBA-USA . . . . . . k) Art. 10 Absatz 11 DBA-USA . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . .

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405 405 412 417 419 419 425 430 432 432 444 444 445 454

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OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: https://doi.org/10.1787/20745419.

KOMMENTIERUNG ZU ART. 10 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Zuteilung der Besteuerungsrechte für grenzüberschreitende Dividenden. Der primäre Regelungszweck von Art. 10 besteht darin, das Besteuerungsrecht des Quellenstaates für grenzüberschreitende Dividendenzahlungen zu begrenzen. Zwar bestätigt Art. 10 Abs. 1 auch das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaats, da es sich dabei aber um eine bloße Selbstverständlichkeit handelt, hat diese Regelung keinen eigenständigen Zweck. Bei Dividenden besteht im Übrigen die Besonderheit darin, dass die die Dividenden speisenden Einkünfte bereits einer Besteuerung auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft unterliegen können. An der Besteuerung dieser Einkünfte ist der Quellenstaat jedenfalls durch Art. 10 nicht gehindert. Weil der Quellenstaat allerdings bereits die Einkünfte auf Ebene der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft besteuern darf, wird sein Besteuerungsrecht in Bezug auf den Dividendenempfänger durch Art. 10 Abs. 2 beschränkt, und zwar für Schachtelbeteiligungen auf 5 % und für alle anderen Fälle auf 15 %. Die Begünstigung von Schönfeld

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1

Art. 10 Rz. 1

Dividenden

Schachteldividenden hat ihren Zweck zum einen darin, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen zu verhindern, zum anderen die grenzüberschreitende Verflechtung von Gesellschaften nicht dadurch zu behindern, dass an das jeweilige Ausschüttungsverhalten negative Rechtsfolgen geknüpft werden (Stichwort: Förderung von grenzüberschreitenden Investitionen).

II. Aufbau der Vorschrift 2

Absatz 1. Art. 10 Abs. 1 regelt eigentlich eine Selbstverständlichkeit, indem das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats des Dividendenempfängers bestätigt wird. Dessen Besteuerungsrecht kann abkommensrechtlich allenfalls durch den Methodenartikel des Art. 23 beschränkt sein. Die eigentliche Funktion von Art. 10 Abs. 1 besteht daher darin, wesentliche Begriffe für die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 sprachlich vorweg zu nehmen.

3

Absatz 2. Art. 10 Abs. 2 enthält den materiellen Kern des Dividendenartikels, indem das Besteuerungsrecht des Quellenstaates geregelt wird, d.h. des Ansässigkeitsstaates der die Dividenden zahlenden Gesellschaft. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 enthält dabei den Grundsatz, dass auch der Quellenstaat die Dividenden besteuern darf. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 beschränkt dieses Besteuerungsrecht aber sogleich dahingehend, dass bei Dividenden zwischen Gesellschaften mit qualifizierter Beteiligung von mindestens 25 % die (Quellen-)Steuer maximal 5 % (sog. Schachteldividende) und im Übrigen höchstens 15 % betragen darf. Für Schachteldividenden gilt dabei die zusätzliche Voraussetzung, dass die qualifizierte Beteiligung über mindestens 365 Tage gehalten wird. Bei Unterschreitung dieses Zeiterfordernisses greift als Auffangentlastung die 15 %-Besteuerungsgrenze. Da Art. 10 keinerlei verfahrensrechtliche Vorgaben zur Durchführung der Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates enthält, überlässt es Art. 10 Abs. 2 Satz 2 den Finanzbehörden der Vertragsstaaten, dies in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln. Aus deutscher Sicht gilt indes uneingeschränkt der Vorbehalt des Gesetzes, so dass durch Gesetz zu regeln ist, wie die Begrenzung des deutschen Besteuerungsrechts verfahrensrechtlich durchgeführt wird, weshalb Art. 10 Abs. 2 Satz 2 insoweit leerläufig ist. Art. 10 Abs. 2 Satz 3 regelt schließlich, dass die Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates durch Art. 10 Abs. 2 Satz 1 nicht das Recht des Quellenstaates berührt, die Gewinne der die Dividenden zahlenden Gesellschaft, die später die Dividenden speisen, besteuern zu können.

4

Absatz 3. Art. 10 Abs. 3 enthält eine Legaldefinition des Begriffs „Dividenden“ für die Anwendung des gesamten Art. 10. Adressat der Dividendendefinition ist daher nicht nur der Quellenstaat, sondern grds. auch der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers. Systematisch ordnet Art. 10 Abs. 3 die einzelnen Arten der Dividenden nach Fallgruppen. Die erste Fallgruppe nennt mit „Einkünften aus Aktien, Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen“ beispielhaft einige in den OECD-Staaten anzutreffende Eigenkapitalpositionen, aus denen Dividenden resultieren (können). Die zweite Fallgruppe nennt „Einkünfte aus anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung, wobei die praktische Relevanz (insbesondere in deutschen DBA) gering ist. Wichtiger ist die dritte Fallgruppe, die als Auffangtatbestand fungiert und abhebt auf die „aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammenden Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.“ Dabei ist umstritten, inwieweit die Bindung der Dividendendefinition in der dritten Fallgruppe an das Steuerrecht des Quellenstaats auch innerhalb der übrigen Fallgruppen gilt (vgl. Rz. 115).

5

Absatz 4. Art. 10 Abs. 4 enthält den sog. Betriebsstättenvorbehalt. Danach ist Art. 10 Abs. 1 und 2 nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, eine Geschäftstätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt und die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehört. Stattdessen soll der Betriebsstättenartikel des Art. 7 anzuwenden sein. Der Zweck besteht darin, das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Betriebsstättenartikel des Art. 7 und dem Dividendenartikel des Art. 10 aufzulösen.

6

Absatz 5. Art. 10 Abs. 5 regelt schließlich das sog. Verbot der extraterritorialen Besteuerung. Danach darf eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft mit ihren ausgeschütteten und nichtausgeschütteten Gewinnen nicht auch in einem anderen Vertragsstaat besteuert werden, in dem die Gesellschaft nicht ansässig ist (sog. Nichtansässigkeitsstaat), aus dem die Gewinne aber wirtschaftlich stammen. Da es auch Staaten geben soll, die die Ausschüttungen einer nicht auf ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Gesellschaft besteuern wollen, und zwar weil die Dividenden aus Gewinnen gespeist werden, die wirtschaftlich aus dem Hoheitsgebiet des anderen Staates stammen, verbietet Art. 10 Abs. 5 dies. Hiervon macht Art. 10 Abs. 5 allerdings zwei Ausnahmen, nämlich dass die Dividenden an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden oder der Gesellschaftsanteil tatsächlich zu einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte gehört.

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Schönfeld

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 11 Art. 10

III. Rechtsentwicklung 1. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats (Abs. 1) Fast wörtliche Übereinstimmung in allen Fassungen. Art. 10 Abs. 1 stimmt in allen Fassungen fast wörtlich überein und ist seit dem OECD-MA 1977 unverändert.1

7

2. Besteuerungsrecht des Quellenstaats (Abs. 2) Ergänzung des „Nutzungsberechtigten“ und der Mindesthaltedauer als wesentliche Änderungen. Einerseits hat Art. 10 Abs. 2 durch das OECD-MA 1977 eine wesentliche Änderung erfahren, indem der Konditionalsatz „wenn der Empfänger der Dividende der Nutzungsberechtigte ist“ eingefügt und in Buchst. a der Begriff „Empfänger“ durch „Nutzungsberechtigter“ ersetzt wurde. In 1995 wurde der Konditionalsatz schließlich sprachlich weiter ergänzt: „wenn der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist“.2 Andererseits wurde Art. 10 Abs. 2 Buchst. a kürzlich durch das neue OECD-MA i.d.F. vom 21.11.2017 in einem entscheidenden Punkt erweitert. Zusätzliche Voraussetzung für die Quellensteuerermäßigung auf 5 % des Bruttobetrags der Dividenden ist nunmehr, dass die qualifizierte Beteiligung mindestens 365 Tage gehalten wird. Diese Mindesthaltedauer wurde eingefügt, um kurzfristige Eigentümerwechsel rund um den Tag der Ausschüttung zu verhindern und auf diese Weise Missbräuchen vorzubeugen.3 Letzte Änderung geht zurück auf den Final-Report 2015 der OECD zu „Action Point 6“ des BEPS-Aktionsplans4 sowie das Multilaterale Instrument.

8

3. Dividendenbegriff (Abs. 3) Fast wörtliche Übereinstimmung in allen Fassungen. Auch Art. 10 Abs. 3 stimmt in allen Fassungen fast wörtlich überein und ist seit dem OECD-MA 1977 unverändert. Lediglich der in der Fallgruppe 3 enthaltene Verweis auf das (Steuer-)Recht des Quellenstaates hat eine bloße sprachliche Änderung erfahren, ohne dass diese aber von praktischer Relevanz wäre.5

9

4. Betriebsstättenvorbehalt (Abs. 4) Im Wesentlichen stimmt die ursprüngliche Fassung mit der gegenwärtigen Fassung überein. Die ursprüngliche Fassung von Art. 10 Abs. 4 stimmt mit der gegenwärtigen Fassung im Wesentlichen überein. Die Fassung des OECD-MA 1963 lautete (in deutscher Übersetzung): „Die Absätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Empfänger der Dividenden in dem anderen Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, eine Betriebstätte hat und die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebstätte gehört.“6 Die gegenwärtige Fassung weicht hiervon nur insoweit ab, als im OECD-MA 1977 aus dem „Empfänger der Dividenden“ der „Nutzungsberechtigte“ und anstelle des „eine Betriebsstätte hat“ „eine Geschäftstätigkeit durch eine dort gelegene Betriebstätte ausübt“ geworden ist. Zwischenzeitlich enthielt Art. 10 Abs. 3 auch einen entsprechenden Verweis auf den die Einkünfte aus selbständiger Arbeit regelnden Art. 14, der mit dessen Aufhebung jedoch in 2000 wieder obsolet geworden ist.7

10

5. Verbot extraterritorialer Besteuerung (Abs. 5) Deutliche Ausweitung gegenüber OECD-MA 1963. Einzig die ursprüngliche Fassung von Art. 10 Abs. 5 hat später eine deutliche Ausweitung erfahren. Um die Änderungen zu verdeutlichen, sind die Abweichungen der gegenwärtigen Fassung zur Fassung des OECD-MA 1963 nachfolgend kursiv im Änderungsmodus hervorgehoben (in deutscher Übersetzung): „Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft Gewinne oder Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat, so darf dieser andere Staat weder die von der Gesellschaft gezahlten Dividenden besteuern, die die Gesellschaft es sei denn, dass diese Dividenden an eine im nicht in diesem anderen Staat ansässige Personen gezahlt werden oder dass die Beteiligung, für die die Divi1 2 3 4

Vgl. näher Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 15. Vgl. näher Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 16. Ismer in Lüdicke, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 45, 2016, S. 23 (36). OECD, Action 6 – 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015, Rz. 36, abrufbar unter: https://read.oecd-ilibrary.org/taxation/preventing-the-granting-of-treaty-benefits-in-inappropriate-circum stances-action-6-2015-final-report_9789264241695-en. 5 Vgl. näher Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 17. 6 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 18. 7 Vgl. näher Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 18.

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Art. 10 Rz. 11

Dividenden

denden gezahlt werden, tatsächlich zu einer im anderen Staat gelegenen Betriebstätte gehört, noch Gewinne der Gesellschaft einer Steuer für nichtausgeschüttete Gewinne unterwerfen, selbst wenn die gezahlten Dividenden oder die nichtausgeschütteten Gewinne ganz oder teilweise aus im anderen Staat erzielten Gewinnen oder Einkünften bestehen.“1 Die wesentlichen Änderungen beruhen dabei auf dem OECD-MA 1977. Zwischenzeitlich enthielt Art. 10 Abs. 3 auch einen entsprechenden Verweis auf den die Einkünfte aus selbständiger Arbeit regelnden Art. 14, der mit dessen Aufhebung jedoch in 2000 wieder obsolet geworden ist.2

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht 12

Art. 7. Ein Konkurrenzverhältnis von Art. 10 zu anderen Vorschriften des OECD-MA kann zunächst in Bezug auf Art. 7 bestehen. Dabei stellt Art. 10 Abs. 2 Satz 3 selbst klar, dass Art. 10 Abs. 2 nicht das Recht des Quellenstaates berührt, die von der die Dividenden zahlenden Gesellschaft erzielten Einkünfte nach seinem innerstaatlichen Recht zu besteuern.3 Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 7 Abs. 7, dass Art. 10 grds. auch dann anzuwenden ist, wenn die Dividenden im Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit bezogen werden.4 Diesen Grundsatz kehrt Art. 10 Abs. 4 nur für den Fall um, dass die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft tatsächlich zu einer im anderen Staat gelegenen Betriebsstätte gehören. Wegen der weiteren Einzelheiten zu diesem sog. Betriebsstättenvorbehalt vgl. Rz. 190 ff.

13

Art. 9. Soweit auf Grundlage von Art. 9 bzw. einer diese Regelung umsetzenden innerstaatlichen Vorschrift (z.B. verdeckte Gewinnausschüttung, § 1 Abs. 1 AStG) eine Einkünftekorrektur zwischen nahestehenden Personen vorgenommen wird, weil diese eine vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichende Vereinbarung getroffen haben, kann es ebenfalls zu einem Konkurrenzverhältnis zu Art. 10 kommen. Führt nämlich diese Korrektur zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, dann sind diese abkommensrechtlich als Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 zu qualifizieren, wenn sie nach dem Steuerrecht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind. Damit gilt insbesondere die in Art. 10 Abs. 2 geregelte Beschränkung des Besteuerungsrechts des Quellenstaats. Wegen der weiteren Einzelheiten zur verdeckten Gewinnausschüttung vgl. Rz. 135 ff.

14

Art. 11. Ein Konkurrenzverhältnis kann sich auch zu Art. 11 ergeben, da die Vertragsstaaten die Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital in ihrem Steuerrecht völlig unterschiedlich vornehmen können. Nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 115) besteht dabei (jedenfalls innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3) im Grundsatz eine Bindung an die steuerliche Qualifikation durch den Quellenstaat. Liegt im Grundsatz eine Vergabe von Fremdkapital vor, dessen Vergütung als Zinsen grds. unter Art. 11 fällt, dann ermöglicht Art. 11 Abs. 6 gleichwohl die Anwendung von Art. 10, soweit aufgrund eines Verstoßes gegen den Fremdvergleichsgrundsatz eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt.5 Wegen weiterer hybrider Finanzierungsformen vgl. Rz. 92, 161 ff.

15

Art. 13. Werden die von einer Gesellschaft erzielten Gewinne nicht ausgeschüttet, sondern thesauriert, kann sich für einen späteren Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an dieser Gesellschaft ein Konkurrenzverhältnis zu Art. 10 ergeben, soweit der Veräußerungsgewinn auf die thesaurierten Gewinne entfällt. Weil nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (jedenfalls innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3) eine grds. Bindung an die steuerliche Qualifikation durch den Quellenstaat besteht (vgl. Rz. 115), ist dieses Konkurrenzverhältnis abkommensrechtlich dahingehend aufzulösen, dass dann, wenn der Quellenstaat darin keine „Dividende“ i.S.v. Art. 10 Abs. 3 sieht (was die Regel sein dürfte), eine Anwendung von Art. 10 nicht in Betracht kommt. Vielmehr unterfällt der Veräußerungsgewinn Art. 13.6 Entsprechendes soll gelten, wenn der Dividendenanspruch isoliert von den sonstigen Beteiligungsrechten veräußert wird. Der dem Veräußerer zufließende Veräußerungspreis soll bei diesem abkommensrechtlich nicht unter Art. 10, sondern unter Art. 13 fallen.7 Teilweise wird aber auch die Anwendung von Art. 10 be1 2 3 4

Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 19. Vgl. näher Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 19. Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 15 u. 101. Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 15; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 5; Tischbirek/ Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 8. 5 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 17; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 6 f.; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 19. 6 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 18; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 8; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 19/1. 7 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 18; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 8; Tischbirek/ Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 9.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 19 Art. 10

jaht.1 Ob sich dies aber tatsächlich aus § 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG ergibt, erscheint durchaus fraglich, weil die in Art. 10 Abs. 3 vorgenommene Gleichstellung mit den Einkünften aus Aktien aus deutscher Sicht primär auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nicht aber auch auf § 20 Abs. 2 EStG abhebt. Anderenfalls müssten auch die in § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG geregelten klassischen Beteiligungsveräußerungsgewinne als „Dividenden“ i.S.v. Art. 10 Abs. 3 qualifizieren, was bisher so nicht vertreten worden ist. Zudem stellt § 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG ausdrücklich klar, dass diese Besteuerung die nach § 20 Abs. 1 EStG ersetzt. Der Erwerber des Dividendenanspruches unterfällt mit den späteren Dividenden ebenfalls nicht Art. 10, weil er in Ermangelung sonstiger Beteiligungsrechte nicht der Nutzungsberechtigte ist; für ihn dürfte Art. 21 eingreifen.2 Art. 23. Der Methodenartikel des Art. 23A/B ist die Korrespondenzvorschrift zu Art. 10 Abs. 1, der das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers bestätigt. Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 beschränken das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates lediglich dahin, dass die (in den Grenzen von Art. 10 Abs. 2) durch den Quellenstaat erhobene Steuer anzurechnen ist.

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2. EU-Recht a) Primäres Unionsrecht Inländerdiskriminierung ist EU-rechtlich zulässig. Die Grundfreiheiten des AEUV stehen zunächst insoweit in einem Spannungsverhältnis zu Art. 10, als insbesondere die Quellenbesteuerung von Dividenden zwischen EU-/EWR-Gesellschaften diskriminierungsfrei ausgestaltet sein muss, d.h. grenzüberschreitende Dividenden dürfen steuerlich nicht schlechter behandelt werden als rein inländische Dividenden (zum Verhältnis von EU-Recht und DBA vgl. auch Systematik Rz. 119 ff.). Aus dem Blickwinkel von Art. 10 Abs. 2 ist dies zunächst unproblematisch, weil dadurch grenzüberschreitende Dividenden sogar steuerlich besser behandelt werden als rein inländische Dividenden. Während nämlich nach deutschem Recht im inländischen Fall eine Kapitalertragsteuer von 25 % (zzgl. SolZ) erhoben wird, ist im grenzüberschreitenden Fall diese Besteuerung mit Abgeltungswirkung auf 5 % (Schachteldividende) bzw. 15 % (sonstige Fälle) beschränkt. Insoweit kann aus Art. 10 Abs. 2 allenfalls eine sog. Inländerdiskriminierung resultieren, an der zumindest das EU-Recht keinen Anstoß nimmt.

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EU-Rechtswidrigkeit der Besteuerung von Inbound-Dividenden. Aus der Abgeltungswirkung der deutschen Kapitalertragsteuer ergeben sich jedoch außerhalb von Art. 10 durchaus EU-rechtliche Probleme, wenn diese auf grenzüberschreitende Dividenden beschränkt ist, während rein inländische Dividenden in den Genuss einer Veranlagung unter Anwendung von § 8b Abs. 1 KStG kommen können. Letzteres führt nämlich im wirtschaftlichen Ergebnis dazu, dass auf Dividenden zwischen deutschen Gesellschaften nur der Betrag nach § 8b Abs. 5 KStG steuerpflichtig ist, während grenzüberschreitende Dividenden einer abgeltenden (ggf. aber nach Art. 10 Abs. 2 begrenzten) Kapitalertragsteuer unterliegen. Innerhalb der EU ist dieses Problem aber nur außerhalb des Anwendungsbereichs der Mutter-Tochter-RL (MTR) virulent, d.h. insbesondere soweit das Mindestbeteiligungserfordernis von 10 % nicht erfüllt ist (ab 1.1.2009). Für Streubesitzdividenden bleibt es bei dem geschilderten Problem, was der EuGH in seiner Entscheidung v. 20.10.2011 ausdrücklich bestätigt hat.3 Aufgrund der Betroffenheit der auch im Verhältnis von Drittstaaten wirkenden Kapitalverkehrsfreiheit sowie der Tatsache, dass die deutsche Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer unabhängig von bestimmten Beteiligungserfordernissen greift (vgl. zur Drittstaatenproblematik näher Systematik Rz. 123 ff.), spricht einiges dafür, dass die EU-Rechtswidrigkeit der deutschen Besteuerung von Streubesitzdividenden auch im Verhältnis von Drittstaaten greift. Mit dem „Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09“ hat der Gesetzgeber diese Verwerfungen beseitigt, indem er Streubesitzdividenden (Beteiligung , 10 %) ab dem 28.2.2013 für voll steuerpflichtig erklärt.

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b) Sekundäres Unionsrecht Mutter-Tochter-Richtlinie. Auf sekundärrechtlicher Ebene wird das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a teilweise durch die MTR4 überlagert. Während nämlich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a eine Mindestbeteiligung von 25 % verlangt und das Besteuerungsrecht des Quellenstaates auf 5 % begrenzt, begnügt sich die MTR mit einer Mindestbeteiligung von 10 % und postuliert ein Quellenbesteuerungsverbot. Darüber hinaus bezieht die MTR z.T. auch hybride Rechtsträger in ihren Anwendungsbereich ein. Die Umsetzung der MTR erfolgte in Deutschland in § 43b EStG. Liegen die Voraussetzungen 1 2 3 4

So Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 19/2. So Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 18. EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670. RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8 (zuletzt geändert und um eine Missbrauchsbekämpfungsklausel erweitert durch die RL (EU) 2015/121 v. 27.1.2015, ABl. Nr. L 21/1).

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Art. 10 Rz. 19

Dividenden

dieser Vorschrift nicht vor (z.B. weil die Mindestbehaltedauer von 12 Monaten nicht erfüllt wird), kann der Dividendenempfänger gleichwohl eine Entlastung nach § 50d EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 verlangen. 20

Zinsbesteuerungsabkommen mit der Schweiz. Nach Art. 15 des Zinsbesteuerungsabkommens zwischen der EU und der Schweiz v. 29.12.2004 (ZBstA) gilt für zwischengesellschaftliche Dividenden im Verhältnis der EU zur Schweiz ein Quellenbesteuerungsverbot, wenn die Muttergesellschaft mindestens zwei Jahre lang eine direkte Beteiligung von mindestens 25 % am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft hält. Art. 15 Abs. 1 ZBstA sieht damit ebenso wie Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz ein Quellensteuerverbot für zwischengesellschaftliche Dividenden vor. Allerdings sind die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 ZBstA im Hinblick auf die zweijährige Mindestbeteiligung und den Beteiligungsumfang von mindestens 25 % wesentlich enger als Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz. Die Regelung schafft damit in aller Regel keine weitergehende Quellensteuererleichterung im Verhältnis Deutschland-Schweiz. Als Teil des Unionsrechtes genießt das ZBstA gleichwohl Anwendungsvorrang vor den DBA. Aus Art. 15 Abs. 3 ZBstA ergibt sich indes, dass eine günstigere steuerliche Behandlung nach dem DBA unberührt bleibt. Die Bundesrepublik hat sich deshalb entschieden, von einer Umsetzung von Art. 15 Abs. 1 ZBstA abzusehen.1 Sollte sich gleichwohl erweisen, dass sich aus Art. 15 Abs. 1 ZBstA im Einzelfall eine für den betroffenen Stpfl. günstigere Rechtsfolge ergibt, so wird dieser sich in Anlehnung an die Rspr. des EuGH zur fehlenden Umsetzung von RL nach Ablauf der Umsetzungsfrist (1.1.20052) unmittelbar auf das ZBstA berufen können. Derartige Konstellationen sind wegen der engeren Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 1 ZBstA allerdings kaum vorstellbar. Diskutieren könnte man, inwieweit § 50d Abs. 3 EStG die Zwischenschaltung einer schweizerischen Holdinggesellschaft bei Anwendung von Art. 15 Abs. 1 ZBstA verhindert. Das gelingt nur, wenn man das ZBstA als ein „Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung“ versteht, weil das ZBStA keine RL i.S.v. § 43b EStG darstellt. Allerdings erscheint das durchaus problematisch, weil der Gesetzgeber mit der Formulierung in § 50d Abs. 3 EStG sicherlich nur die bilateralen deutschen DBA sowie die MTR gemeint haben dürfte, nicht aber ein Abkommen zwischen der EU und einem Drittstaat. 3. Innerstaatliches Recht

21

§ 20 EStG. Die innerstaatliche Regelung des § 20 EStG ist für die Auslegung von Art. 10 von hervorgehobener Bedeutung. Denn ist Deutschland der Quellenstaat, so ergibt sich insbesondere (aber nicht ausschließlich) aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, was unter dem Begriff der Dividende in Art. 10 Abs. 3 zu verstehen ist. Dies gilt insbesondere für die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition, weil diese nach der steuerlichen Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien fragt. Die Antwort darauf gibt aus deutscher Sicht u.a. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Daneben ist aber auch eine Gesamtschau der deutsch-steuerlichen Vorschriften zu laufenden Beteiligungserträgen aus Körperschaften erforderlich, wie z.B. die Regelungen des § 3 Nr. 40 EStG und des § 8b Abs. 1 KStG. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in Rz. 178 verwiesen.

22

§ 44a Abs. 9 EStG. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass ausländische Kapitalgesellschaften als Dividendenempfänger bereits unilateral nach § 44a Abs. 9 EStG einen Anspruch auf Verminderung der Kapitalertragsteuer um zwei Fünftel haben (gegenwärtig also auf 15 % zzgl. SolZ). Die Regelung steht neben einem ggf. weitergehenden Anspruch nach Art. 10 Abs. 2.

23

§ 50d EStG. Für die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 von besonderer Bedeutung ist ferner die Regelung des § 50d EStG. Denn Art. 10 enthält keine Aussage zu der Frage, wie die Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates durchzuführen ist. Diese Frage beantwortet § 50d EStG, indem in Abs. 1 das Erstattungsverfahren (vgl. näher Rz. 106) und in Abs. 2 das Freistellungsverfahren (vgl. näher Rz. 107) geregelt wird. § 50d Abs. 3 EStG enthält schließlich eine Regelung zur Vermeidung von sog. „Treaty-Shopping“ (vgl. näher Rz. 108).

B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Abs. 1) I. Regelungszweck 24

Unbeschränktes Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates. Nach Art. 10 Abs. 1 können Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, im anderen Staat besteuert werden. Die Regelung ist an sich überflüssig, weil nach der Systematik des OECD-MA die Verteilungsvorschriften der Art. 6 bis 22 das Besteuerungsrecht des Quellenstaates regeln, 1 Vgl. BMF v. 28.6.2005 – IV B 1-S 1316-42/05, BStBl. I 2005, 858. 2 Art. 17 Abs. 2 ZBstA.

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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Abs. 1)

Rz. 29 Art. 10

wohingegen der Methodenartikel des Art. 23A/B darüber befindet, in welchem Umfange der andere Vertragsstaat, in dem die die Einkünfte erzielende Person ansässig ist (Ansässigkeitsstaat), über ein entsprechendes Besteuerungsrecht verfügt. Art. 10 Abs. 1 regelt damit eigentlich nur eine Selbstverständlichkeit. Keine Beschränkung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates. Mit der Formulierung „können“ wird aber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass jedenfalls aus Art. 10 Abs. 1 keine Beschränkung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates resultiert. Anderenfalls hätte das OECD-MA „können nur“ formulieren müssen. Dies würde aber auch im Widerspruch zu Art. 10 Abs. 2 stehen, der dem Quellenstaat ein zumindest beschränktes Besteuerungsrecht zubilligt (vgl. Rz. 79 ff.).

25

Anrechnung ausländischer Quellensteuern. Macht der Ansässigkeitsstaat von seinem durch Art. 10 Abs. 1 bestätigten Besteuerungsrecht Gebrauch, so regeln erst Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 Buchst. a, dass die – in den Grenzen von Art. 10 Abs. 2 erhobene – Quellensteuer auf die im Ansässigkeitsstaat auf die Dividende zu erhebende Steuer vom Einkommen anzurechnen ist. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat, dann wirkt sich diese Anrechnungsverpflichtung wegen der körperschaftsteuerlichen Freistellung von Dividenden gem. § 8b Abs. 1 KStG praktisch nur innerhalb der Einkommensteuer aus. Im Übrigen sehen deutsche DBA abweichend vom OECD-MA z.T. auch im Methodenartikel ein Schachtelprivileg vor, welches zu einer Freistellung der Dividenden auch im Ansässigkeitsstaat führt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Art. 23A/B Rz. 67 ff. verwiesen.

26

Vorwegnahme von Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 10 Abs. 2. Der praktisch eigentlich re- 27 levante Regelungszweck von Art. 10 Abs. 1 beschränkt sich daher darauf, einzelne Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 sprachlich vorweg zu nehmen. So beschränkt Art. 10 Abs. 1 z.B. den Anwendungsbereich des Dividendenartikels insgesamt auf solche Dividenden, die von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft an eine in einem anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden. Art. 10 gilt daher nicht für solche Dividenden, die eine in einem dritten Staat ansässige Gesellschaft zahlt, oder die von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft an eine in einem dritten Staat ansässige Person gezahlt werden. Der Dividendenartikel gilt auch nicht für solche Dividenden, die nicht zur Zahlung gelangen, wobei der Begriff des „Zahlens“ weit auszulegen ist (vgl. Rz. 61 ff.). Letztlich bringt auch bereits Art. 10 Abs. 1 zum Ausdruck, dass es der Vorschrift um (in Art. 10 Abs. 3 definierte) Dividenden einer (in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b definierten) Gesellschaft geht.

II. Dividenden Dividendenbegriff. Der Begriff der Dividende erfährt eine (sehr weite) Legaldefinition in Art. 10 Abs. 3. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen (vgl. Rz. 113 ff.). Typischerweise geht es aber um Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften (z.B. AG, GmbH), d.h. von Gesellschaften, die über eine eigene Rechtspersönlichkeit sowie über ein von den Gesellschaftern getrenntes Gesellschaftsvermögen verfügen und die dadurch gekennzeichnet sind, dass der persönlichen Komponente des Gesellschafters eine eher nachrangige Rolle zukommt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 auch solche aus Gesellschaftsanteilen stammenden Einkünfte in den Begriff der Dividende einbezieht, die nach dem Recht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien (ggf. auch nur) steuerlich gleichgestellt sind (vgl. Rz. 73 ff.).

28

III. Eine in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft 1. Gesellschaft Gesellschaftsbegriff. Die Dividenden müssen gem. Art. 10 Abs. 1 von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft gezahlt werden.1 Was unter einer „Gesellschaft“ zu verstehen ist, bestimmt die Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b. Danach umfasst der Ausdruck „Gesellschaft“ sämtliche juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. Die Begriffsbestimmungen in Art. 3 stehen zwar unter dem Vorbehalt, dass sich aus dem konkreten Zusammenhang kein anderweitiges Verständnis ergibt. Die Definition des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b wurde aber ausweislich der Ausführungen im Musterkommentar insbesondere unter Berücksichtigung des Artikels über Dividenden abgefasst (vgl. Art. 3 Rz. 3 OECD-MK). Damit kommt der Definition im vorliegenden Kontext eine hervorgehobene

1 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 30 ff.; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 16 ff.; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 40 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 27 ff.

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Art. 10 Rz. 29

Dividenden

Bedeutung zu.1 Wegen der weiteren Einzelheiten kann daher auf die Kommentierung zu Art. 3 Rz. 15 ff., verwiesen werden. Nach deutschem Verständnis können jedenfalls nur Körperschaften i.S.v. § 1 Abs. 1 KStG Gesellschaften i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b sein. Personengesellschaften sind danach keine Gesellschaften im abkommensrechtlichen Sinne, auch wenn sie als Mitunternehmerschaften i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG qualifizieren und damit Steuersubjekt zumindest für die Gewerbesteuer sein können. Eine andere Frage ist die, ob diese deutsche Sichtweise auch dann allein maßgeblich ist, wenn Deutschland nicht der Sitzstaat des fraglichen Rechtsträgers und damit nicht der Quellenstaat ist, sondern der Ansässigkeitsstaat des Ausschüttungsempfängers (vgl. dazu Rz. 30 ff.). 30

Problem hybrider Rechtsträger. Das in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b niedergelegte Verständnis bereitet solange keine Schwierigkeiten, wie die betreffende Gesellschaft sowohl nach dem Verständnis des Ansässigkeitsstaates (der Dividendenempfänger) als auch nach dem Verständnis des Quellenstaates (der Gesellschaft) als Steuersubjekt qualifiziert. Schwierigkeiten bereitet die Frage jedoch dann, wenn die ausschüttende Gesellschaft zwar nach dem Steuerrecht ihres Ansässigkeitsstaates wie eine juristische Person besteuert wird, der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden empfangenden Person aber nach seinem Steuerrecht einen transparenten Rechtsträger erblickt. Ähnliches gilt im umgekehrten Fall, wenn die ausschüttende Gesellschaft nach dem Steuerrecht ihres Ansässigkeitsstaates wie ein transparenter Rechtsträger besteuert wird, der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden empfangenden Person aber nach seinem Steuerrecht eine juristische Person sieht.

31

Abkommensorientierte Auslegung. Der die Besteuerungssituation im Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft in den Blick nehmende Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b deutet an sich darauf hin, dass allein die steuerliche Qualifikation durch den Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft maßgeblich ist und der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers an diese Qualifikation gebunden ist. Für eine solche Qualifikationsverkettung hat sich dementsprechend (jedenfalls zum Teil und für bestimmte Konstellationen) auch die OECD in ihrem sog. Partnership Report2 aus dem Jahre 1999 sowie ein Teil des Schrifttums ausgesprochen (sog. abkommensorientierte Auslegung).3

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Anwenderstaatsorientierte Auslegung. Die deutsche Finanzverwaltung ist dieser abkommensorientierten Auslegung seit jeher nicht gefolgt.4 Auch der überwiegende Teil des Schrifttums hat sich gegen eine solche Bindung des Ansässigkeitsstaates an die Qualifikation durch den Quellenstaat ausgesprochen (sog. anwenderstaatsorientierte Auslegung).5 Wassermeyer6 (unter teilweiser Abkehr von seiner ursprünglichen Auffassung) und Lüdicke7 haben die Diskussion zuletzt neu entfacht. Insbesondere letzterer fasst den Diskussionsstand prägnant zusammen und kommt nach einer Abwägung der widerstreitenden Argumente zu dem überzeugenden Ergebnis, dass eine Bindung Deutschlands an die Subjektqualifikation durch den Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft nicht geboten ist. Die Diskussion war auch deshalb möglich, weil der BFH die Frage immer wieder offen gelassen hatte.8 Mit Urt. v. 25.5.20119 hat er diese Frage aber schließlich im Sinne einer anwenderstaatsorientierten Auslegung entschieden.

33

Geltung nur für ältere DBA? Dies soll nach den Ausführungen des BFH jedenfalls für solche DBA gelten, die vor einer Änderung des OECD-MK im Jahre 2000 abgeschlossen worden sind.10 Da der OECD-MK nach ständiger Rspr. des BFH aber ohnehin nur eine Auslegungshilfe darstellt, erscheint es fraglich, ob für danach abgeschlossene DBA eine abkommensorientierte Auslegung schlicht unterstellt werden darf. Viel1 Anders wohl Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 17, der die Definition innerhalb von Art. 10 für nicht anwendbar hält. 2 The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Issues in International Taxation, No. 6. 3 Vgl. z.B. Lemaitre/Lüdemann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 5.43 ff.; Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.47 f.; Chr. Schmidt, IStR 2010, 413, 426; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, S. 532 ff., 539; Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 19 ff. jeweils m.w.N. 4 Vgl. zuletzt BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 4.1.4. 5 Vgl. z.B. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer in FS für Herzig, 2010, 897, 907 ff.; Gosch in Kirchhof17, § 50d EStG Rz. 10a; Gosch in G/K/G/K, Art. 13 OECD-MA Rz. 63; Grotherr in G/K/G/K, DBA, Art. 23A/Art. 23B OECD-MA Rz. 80/3; Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.10 f.; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 95; Gaffron in Haase3, Art. 3 OECD-MA Rz. 29 f.; insoweit wohl auch M. Lang, IWB 2011, 281, 290 ff.; Schuch/Bauer in Gassner/Lang/ Lechner [Hrsg.], Personengesellschaften im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2000, S. 27 ff. 6 Wassermeyer, IStR 2011, 85 ff. 7 Lüdicke, IStR 2011, 91 ff. 8 Zuletzt im Beschl. v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. 9 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; ebenso BFH v. 11.10.2017 – I R 42/15, BFH/NV 2018, 616 und v. 20.12.2017 – I R 98/15, BFH/NV 2018, 497. 10 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602.

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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Abs. 1)

Rz. 37 Art. 10

mehr ist es so, dass in neueren DBA ausdrückliche Regelungen zum Umgang mit hybriden Gesellschaften aufgenommen werden (z.B. Art. 1 Abs. 7 DBA-USA), um die aus einem Qualifikationskonflikt resultierenden Probleme zu beseitigen. Findet sich eine solche Regelung daher nicht in neueren deutschen DBA, obwohl Deutschland als Vertragsstaat um hybride Rechtsträger im anderen Vertragsstaat weiß, dann wird man nicht einfach unterstellen können, dass sich die Vertragsstaaten die abkommensorientierte Auslegung mit einer Bindung Deutschlands an die Subjektqualifikation durch den anderen Vertragsstaat zu eigen machen wollten. Hierzu bedarf es schon konkreter Hinweise. Oder anders formuliert: Enthalten die neueren deutschen DBA keine ausdrückliche Regelung zur Behandlung hybrider Rechtsträger (und sei es auch nur im Protokoll zum DBA), dann bleibt es bei der vom BFH bestätigten Praxis der Finanzverwaltung zur anwenderstaatsorientierten Auslegung. Praktische Konsequenzen. Für die praktische Rechtsanwendung hat dies folgende Konsequenzen:

34

Behandlung des Rechtsträgers im Ausland als Körperschaft. Wird die ausschüttende Gesellschaft in ihrem ausländischen Sitzstaat für Zwecke der Besteuerung wie eine Körperschaft behandelt, qualifiziert diese Gesellschaft aber aus deutsch-steuerlicher Sicht als Personengesellschaft, dann mag der ausländische Staat zwar eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b erblicken. Auch wird dies unter den weiteren Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 zur Folge haben, dass der ausländische Sitzstaat der Gesellschaft für sich nur ein eingeschränktes Besteuerungsrecht für Ausschüttungen dieser Gesellschaft in Anspruch nehmen darf. Aus Sicht Deutschlands als Anwenderstaat handelt es sich aber weder um eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b noch um Dividenden, für die Deutschland gem. Art. 10 Abs. 1 das Besteuerungsrecht in Anspruch nehmen könnte. Vielmehr sind die Ausschüttungen bloße Entnahmen, die in Deutschland keiner eigenen Besteuerung unterliegen. Besteuerungsgegenstand sind allein die über die Personengesellschaft erzielten Einkünfte. Fallen diese als (abkommensrechtliche) Unternehmensgewinne in einer ausländischen Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1 an, richtet sich die Zuweisung des Besteuerungsrechts nach Art. 7 i.V.m. Art. 23A/B, anderenfalls nach der die konkreten Einkünfte betreffenden Verteilungsnorm (z.B. Art. 6 Abs. 1) ggf. i.V.m. Art. 23A/B. Soweit danach die Freistellung der anteiligen ausländischen Einkünfte des inländischen Gesellschafters nicht in Betracht kommen sollte, ist die anteilige auf den Gewinn der Gesellschaft erhobene ausländische Steuer nach § 34c EStG (ggf. i.V.m. § 26 Abs. 1, 6 KStG) anzurechnen. Eine Anrechnung bzw. ein Abzug derjenigen Quellensteuer, die vom Sitzstaat der ausländischen Gesellschaft auf die Ausschüttung erhoben wird, soll bei konsequenter Anwendung der anwenderstaatsorientierten Auslegung nicht möglich sein, weil aus deutscher Sicht die Ausschüttungen als steuerlich nicht relevante Entnahmen nicht besteuert werden.1

35

Behandlung des Rechtsträgers in Deutschland als Körperschaft. Wird die ausschüttende Gesellschaft in ihrem ausländischen Sitzstaat für Zwecke der Besteuerung als transparenter Rechtsträger behandelt, qualifiziert diese Gesellschaft aber aus deutsch-steuerlicher Sicht als Körperschaft, dann mag es sich für Deutschland als Anwenderstaat zwar um eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b handeln. Auch wird Deutschland die Ausschüttungen als Dividenden gem. § 20 Abs. 1 EStG besteuern und darauf ggf. § 3 Nr. 40 EStG, § 32d EStG oder § 8b Abs. 1 KStG anwenden. Das deutsche Besteuerungsrecht richtet sich aber abkommensrechtlich nicht nach Art. 10 Abs. 1, sondern nach Art. 21 Abs. 1, weil es für die ausländische Gesellschaft an der gem. Art. 4 Abs. 1 erforderlichen Ansässigkeit im anderen Staat fehlt.2 Für Zwecke der Anwendung des Art. 4 Abs. 1 soll es nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut und Telos nicht auf die steuerliche Qualifikation durch den Anwenderstaat ankommen. Aus Sicht des ausländischen Sitzstaates der Gesellschaft liegen demgegenüber weder eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b noch Dividenden vor, für die das Besteuerungsrecht nach Art. 10 Abs. 2 beschränkt sein könnte. Der ausländische Staat wird daher auch regelmäßig keine Quellensteuer erheben (anders z.B. in den USA nach der sog. Branch Profits Tax). Er wird vielmehr die Gesellschafter mit ihrem Anteil am Gewinn der Gesellschaft im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuern.

36

Maßgeblichkeit des sog. Rechtstypenvergleichs. Wann ein ausländischer Rechtsträger aus deutsch-steuerlicher Sicht als Körperschaft oder als transparenter Rechtsträger qualifiziert, ist unabhängig von der gesellschafts- und steuerrechtlichen Einordnung des Rechtsträgers in seinem ausländischen Sitzstaat zu beurteilen. Maßgeblich ist allein das deutsche Recht nach den Grundsätzen des sog. Rechtstypenvergleichs. Die Rspr. stellt hierfür darauf ab, ob der ausländische Rechtsträger seinem Typus nach einer unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw.

37

1 Zum Ganzen vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 4.1.4.1 sowie Lüdicke, IStR 2011, 91 ff. 2 Vgl. hierzu auch das zur US-LLC ergangene Urt. des BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263 sowie das BFHUrteil zu einer als S-Corporation besteuerten US-Inc., BFH v. 11.10.2017 – I R 42/15, BFH/NV 2018, 616.

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Art. 10 Rz. 37

Dividenden

6 KStG fallenden Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts entspricht.1 Der ausländische Rechtsträger ist hiernach als Körperschaft einzuordnen, wenn eine Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft ergibt, dass diese rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person des privaten Rechts gleicht. Es muss im Einzelfall geprüft werden, ob die im Ausland rechtsfähige Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse dem „Typ“ und der tatsächlichen Handhabung nach einer Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person entspricht. Für die danach vorzunehmende Gesamtwürdigung sind eine Reihe von Beurteilungsmerkmalen entwickelt worden, die für den Vergleich maßgebend sind. 38

Beurteilungsmerkmale für den Rechtstypenvergleich. Diese Merkmale hat die Finanzverwaltung (speziell für die LLC aufgegriffen und) in dem BMF-Schr. v. 19.3.20042 aufgelistet: 1. Zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung 2. Beschränkte Haftung 3. Freie Übertragbarkeit der Anteile 4. Gewinnzuteilung (durch Gesellschafterbeschluss) 5. Kapitalaufbringung 6. Unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft 7. Gewinnverteilung 8. Formale Gründungsvoraussetzungen Da für die Einordnung entscheidend ist, ob die bei einem ausländischen Rechtsträger vorhandenen Merkmale in ihrem Gesamtbild eher für eine Körperschaft oder für eine Personengesellschaft typisch sind, sollen bei der Beurteilung die Einzelmerkmale gewichtet werden. Dabei soll keinem der Merkmale eine allein ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Führt die Prüfung im Einzelfall zu keinem eindeutigen Gesamtbild, soll der ausländische Rechtsträger als Körperschaft einzustufen sein, wenn bei ihm die Mehrzahl der unter 1. bis 5. genannten Kriterien, die für eine Körperschaft sprechen, vorhanden sind. Das unter 6. genannte Kriterium (unbegrenzte Lebensdauer) soll nur unter den im BMF-Schr. näher beschriebenen Voraussetzungen einzubeziehen sein. Im Ergebnis verlangt die Finanzverwaltung daher eine Art „Zählen“, was für die Praxis bedeutet, je nach Qualifikationsziel (Körperschaft oder Personengesellschaft) die höchstmögliche „Trefferquote“ bezogen auf die im BMF-Schr. genannten Merkmale zu erreichen. In der praktischen Handhabung wird dabei häufig der Fehler gemacht, dass die Merkmale allein nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen bestimmt werden. Richtigerweise muss aber das ausländische Gesellschaftsrecht (z.B. Chapter 18 „Limited Liability Company Act“ des Delaware Code) der Ausgangspunkt der Analyse sein. Nur soweit dieses Recht disponibel ist, können im Gesellschaftsvertrag entsprechende Regelungen getroffen werden, die (ggf. in Abweichung vom geschriebenen Recht) die Beurteilung des ausländischen Rechtsträgers in die eine oder andere Richtung lenken können. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze3 in Anhang I (Tabellen 1 und 2) entsprechende Hinweise für die Einordnung ausgewählter ausländischer Gesellschaftsformen enthalten. Gleiches gilt für den Anhang des BMFSchr. zur Anwendung von DBA auf Personengesellschaften v. 16.4.2010.4

39

Keine Besonderheiten des Gesellschaftsbegriffs bei Einkünften aus steuerlich gleichgestellten Gesellschaftsanteilen (Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3). Die anwenderstaatsorientierte Auslegung soll allerdings dann nicht eingreifen, wenn es um die in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 genannten Einkünfte aus sonstigen Gesellschaftsanteilen geht, die nach dem Recht des Staates, in dem der ausschüttende Rechtsträger ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind, oder die (über Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 hinausgehend) aufgrund ausdrücklicher Regelung in den Anwendungsbereich des Art. 10 einbezogen werden, wie dies z.B. für Einnahmen aus Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter, aus 1 Grundlegend RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444; ferner BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263, jeweils m.w.N.; Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.5 ff.; Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, 618, 621 jeweils m.w.N. 2 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301 USA-22/04, BStBl. I 2004, 411. 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, unter Berücksichtigung der Änderungen durch die BMF v. 20.11.2000 – IV B 4-S 1300-222/00, BStBl. I 2000, 1509 und v. 29.9.2004 – IV B 4-S 1300-296/04, BStBl. I 2004, 917. 4 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Anlage „Besonderheiten einzelner DBA zur Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und Hinweise zu einzelnen Gesellschaftsformen“.

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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Abs. 1)

Rz. 41 Art. 10

Gewinnobligationen oder aus partiarischen Darlehen in deutschen DBA durchaus üblich ist.1 Dieser Verweis auf das Steuerrecht des Sitzstaates des Rechtsträgers wird teilweise so verstanden, dass die steuerlich gleichgestellten Einkünfte ungeachtet dessen als Dividenden qualifizieren, ob sie von einer Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b geschuldet werden. Der BFH hat in seinem Urt. v. 27.1.19822 auch in der Tat entschieden, dass der Anwendungsbereich der vergleichbaren Regelung des Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz nicht auf Körperschaften als Schuldner der steuerlich gleichgestellten Einkünfte beschränkt sein soll. Vielmehr sollen auch Personengesellschaften (im Urteilsfall eine deutsche KG, an deren Handelsgewerbe eine typisch stille Beteiligung bestand) in den Anwendungsbereich einzubeziehen sein. Der BFH begründete dies damit, dass der Begriff der Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b immer nur dann zu bestimmen sei, wenn sich aus dem Abkommenszusammenhang nichts anderes ergebe. Aus dem Abkommenszusammenhang ergebe sich aber aufgrund schlichter Einbeziehung von z.B. typischen Beteiligungen in den Anwendungsbereich des Dividendenartikels, dass es nach dem Willen der Vertragsstaaten nicht darauf ankomme, ob es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person handele oder nicht. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass nach einer neueren Entscheidung des BFH (zur abkommensrechtlichen Behandlung einer typisch stillen Beteiligung) der abkommensrechtlich erweiterte Dividendenbegriff des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 jedenfalls nicht ohne Weiteres für den Ansässigkeitsstaat des Empfängers der „Dividenden“ maßgeblich ist. So wurde im Streitfall das internationale Schachtelprivileg und die damit einhergehende Freistellung von Einkünften aus einer stillen Beteiligung an einer luxemburgischen Kapitalgesellschaft versagt, weil es bezogen auf die stille Beteiligung an der notwendigen direkten Beteiligung am Kapital einer Gesellschaft fehlte.3 Auch wenn man die Entscheidung nicht überbewerten sollte, weil es dem BFH mit dieser Auslegung mglw. auch (nur) darum ging, die vom Steuerpflichtigen intendierte Schaffung „weißer Einkünfte“ (Steuerfreistellung in Deutschland und Abzug in Luxemburg) zu verhindern, so deutet sie doch darauf hin, dass der erweiterte Dividendenbegriff des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 nicht alle erforderlichen Tatbestandsmerkmale einer Abkommensvorschrift zu überspielen vermag. Insoweit wird auch der BFH künftig für die Anwendung der Kernregelung des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b als Schuldner der steuerlich gleichgestellten Einkünfte verlangen, so dass Personengesellschaften aus dem Anwendungsbereich von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 ausschieden. Ob etwas anderes für solche – über Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 hinausgehende – Dividendenartikel in deutschen DBA gilt, die den Anwendungsbereich über die steuerlich gleichgestellten Einkünfte hinaus schlicht auf z.B. Einnahmen aus stillen Beteiligungen, aus Gewinnobligationen oder aus partiarischen Darlehen erweitern, kann man gegenwärtig nicht sagen. Die Frage sollte aber in Abhängigkeit von der konkreten Formulierung des DBA zu beantworten sein, d.h. ob die Formulierung eine Auslegung losgelöst vom Erfordernis einer die Einnahmen auszahlenden „Gesellschaft“ erlaubt. Jedenfalls deutet die Entscheidung des BFH darauf hin, dass dann, wenn der Ansässigkeitsstaat des Empfängers der Einkünfte der Anwenderstaat ist, dieser Staat die Frage der „Gesellschaft“ losgelöst von der Qualifikation durch den Sitzstaat des die steuerlich gleichgestellten Einkünfte schuldenden Rechtsträgers beantworten kann. Aus Sicht der Finanzverwaltung schlägt die erweiterte Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 jedenfalls insoweit nicht auf den Methodenartikel durch, als es um die Anwendung des Schachtelprivilegs geht (keine „Kapitalbeteiligung“).4 2. Ansässigkeit der Gesellschaft in einem Vertragsstaat Ansässigkeit. Die ausschüttende Gesellschaft muss in einem Vertragsstaat ansässig sein.5 Für die Beantwortung der Frage kommt es nach der in Art. 4 Abs. 1 enthaltenen Legaldefinition darauf an, wo die Gesellschaft aufgrund ihres Ortes der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals nach dem Recht dieses Staates (unbeschränkt) steuerpflichtig ist. In Deutschland ist eine Gesellschaft unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren statutarischen Sitz hat. Eines der beiden Kriterien genügt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 1 (Art. 4 Rz. 22 ff.) verwiesen.

40

Doppelansässigkeit. Ist die Gesellschaft aufgrund der vorbezeichneten Kriterien in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt sie nach der (nicht in jedem deutschen DBA enthaltenen) tie-breaker-rule des Art. 4 Abs. 3 nur in dem Vertragsstaat als ansässig, in dem sich der Ort ihrer Geschäftsleitung befindet. Auf die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 3 (Art. 4 Rz. 101 ff.) wird verwiesen.

41

1 2 3 4 5

Vgl. z.B. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 153; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 42 m.w.N. I R 5/78, BStBl. II 1982, 374. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1.3 un.4.1.1.1.3. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 37 ff.; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 19; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 34 ff.

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Art. 10 Rz. 42

Dividenden

42

Satzungssitz in Deutschland und Geschäftsleitung im anderen Vertragsstaat. Befindet sich daher der statutarische Sitz der Gesellschaft in Deutschland, der Ort der Geschäftsleitung aber im anderen Vertragsstaat, dann ist diese Gesellschaft – vorbehaltlich ihres zivilrechtlichen Fortbestandes (Stichwort: Sitz- vs. Gründungstheorie1) – abkommensrechtlich im anderen Vertragsstaat ansässig. Dies hat zur Folge, dass das Quellenbesteuerungsrecht des ausländischen Staates gem. Art. 10 Abs. 2 eingeschränkt ist. Deutschland hat demgegenüber ein gem. Art. 10 Abs. 1 im Grundsatz uneingeschränktes Besteuerungsrecht, welches er bezogen auf die nach § 1 Abs. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Gesellschaft auch im Rahmen einer Quellenbesteuerung durch Einbehaltung von Kapitalertragsteuer wahrnehmen kann, und zwar jedenfalls sofern der Dividendenempfänger ebenfalls in Deutschland ansässig ist.2 Aufgrund fehlender abkommensrechtlicher Ansässigkeit der Gesellschaft in Deutschland greift die Begrenzung des Quellenbesteuerungsrechts nach Art. 10 Abs. 2 durch Deutschland nicht ein. Dies kann ggf. zu unerwünschten steuerlichen Effekten führen, was im Falle der Ansässigkeit des Dividendenempfängers in Deutschland durch Anrechnung der ausländischen Quellensteuern noch beherrschbar sein sollte, im Falle der Ansässigkeit des Dividendenempfängers im anderen Vertragsstaat oder in einem Drittstaat kann dies aber mitunter problematischer sein.3

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Satzungssitz im anderen Vertragsstaat und Geschäftsleitung in Deutschland. Die Ausführungen in Rz. 42 gelten entsprechend, wenn sich der statutarische Sitz der Gesellschaft im anderen Vertragsstaat, der Ort der Geschäftsleitung aber in Deutschland befindet. Dann ist diese Gesellschaft – wiederum vorbehaltlich ihres zivilrechtlichen Fortbestandes4 (was gegenwärtig nur innerhalb des EU/EWR-Raums der Fall sein dürfte) – abkommensrechtlich in Deutschland ansässig mit der Folge, dass das deutsche Quellenbesteuerungsrecht gem. Art. 10 Abs. 2 eingeschränkt ist, während der andere Vertragsstaat über ein im Grundsatz gem. Art. 10 Abs. 1 uneingeschränktes Besteuerungsrecht verfügt, sofern der Dividendenempfänger ebenfalls im anderen Vertragsstaat ansässig ist.

44

Satzungssitz in einem Vertragsstaat und Geschäftsleitung im Drittstaat. Art. 4 Abs. 3 greift nach seinem Wortlaut indes nur dann ein, um die abkommensrechtliche Ansässigkeit einem der beiden Vertragsstaaten verbindlich zuzuweisen, wenn die ausschüttende Gesellschaft nach Art. 4 Abs. 1 in beiden Vertragsstaaten ansässig ist.5 Anderenfalls besteht auch keine Notwendigkeit für diese Zuweisung, weil sich die abkommensrechtliche Ansässigkeit bereits abschließend aus Art. 4 Abs. 1 ergibt. Befindet sich daher (nur) der statutarische Sitz in einem Vertragsstaat mit der Folge, dass die Gesellschaft dort unbeschränkt steuerpflichtig ist, hat die Gesellschaft ihren Ort der Geschäftsleitung aber in einem Drittstaat, dann ist die Gesellschaft gleichwohl im Staat ihres Satzungssitzes abkommensrechtlich ansässig.6 Das Besteuerungsrecht des Vertragsstaates des statutarischen Sitzes ist folglich gem. Art. 10 Abs. 2 eingeschränkt, während der andere Vertragsstaat des Dividendenempfängers gem. Art. 10 Abs. 2 besteuern darf. Dies kann u.U. zu einer unerwünschten Doppelbesteuerung führen, weil daneben auch der Drittstaat nach seinem innerstaatlichen Recht ein Besteuerungsrecht für sich beanspruchen kann. Allerdings sollte für den Fall, dass zwischen dem Drittstaat und dem Staat des statutarischen Sitzes der Gesellschaft ein DBA besteht, zu prüfen sein, ob letzterem Staat ggf. nach Art. 21 Abs. 1 eine Besteuerung versagt ist.7 Besteht kein DBA zwischen dem Drittstaat und dem Staat des statutarischen Sitzes der Gesellschaft, aber ein solches zwischen dem Drittstaat und dem Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers, dann kann die Doppelbesteuerung abkommensrechtlich ggf. dadurch abgemildert bzw. vermieden werden, dass entweder der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers nach einem sog. DBASchachtelprivileg im Methodenartikel die Dividende nicht besteuert oder der Drittstaat aufgrund eines im Dividendenartikel vereinbarten Schachtelprivilegs nicht besteuern darf. Zusätzlich wäre auch an eine (allerdings meist höchstbetragsbegrenzte) Anrechnung der Steuern im Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers zu denken, was sich dann aber wohl auf die in beiden Quellenstaaten erhobene Steuer erstrecken müsste.

45

Satzungssitz im Drittstaat und Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat. Die Ausführungen in Rz. 44 gelten entsprechend, wenn sich der statutarische Sitz der die Dividenden zahlenden Gesellschaft in einem Drittstaat befindet, der Ort der Geschäftsleitung aber in einem Vertragsstaat liegt. Auch hier ist die Gesellschaft im

1 Der BFH nimmt hierzu allerdings eine rein steuerliche Sicht ein, weshalb eine doppeltansässige Gesellschaft auch dann der unbeschränkten Steuerpflicht zugänglich sein soll, wenn sie zivilrechtlich eigentlich nicht mehr existiert, vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFH/NV 2011, 154. 2 Ebenso Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 35. 3 Dazu ausführlich Piltz in FS Herzig, 23 ff. 4 Vgl. den Nachweis in Rz. 42. 5 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 39; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 35. 6 Vgl. z.B. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 39. 7 Vgl. zu sog. Dreieckssachverhalten Art. 21 Rz. 65.

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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Abs. 1)

Rz. 49 Art. 10

Vertragsstaat ihres Ortes der Geschäftsleitung abkommensrechtlich ansässig.1 Das Besteuerungsrecht dieses Staates ist folglich ebenfalls gem. Art. 10 Abs. 2 eingeschränkt, während der andere Vertragsstaat des Dividendenempfängers gem. Art. 10 Abs. 2 besteuern darf. Daneben kann auch hier der Drittstaat nach seinem innerstaatlichen Recht ein Besteuerungsrecht für sich beanspruchen, welches nur unter den in Rz. 44 genannten Grenzen eingeschränkt sein kann. Ansässigkeit bei Qualifikationskonflikt. Ist die Gesellschaft zwar aus Sicht des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers eine solche i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, behandelt aber derjenige Staat, in welchem die Gesellschaft über statutarischen Sitz und Ort der Geschäftsleitung verfügt, die Gesellschaft als steuerlich transparent, dann soll es an der Ansässigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 1 in diesem Staat fehlen.2 Wegen der weiteren Einzelheiten sowie zu den Konsequenzen wird auf die Ausführungen in Rz. 36 verwiesen.

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In einem Vertragsstaat. Der Ausdruck „Vertragsstaat“ erfährt keine Legaldefinition im OECD-MA, wird aber an verschiedenen Stellen verwendet. Im Kern geht es um die Beschreibung des räumlichen Anwendungsbereiches des Abkommens. Aufgrund fehlender Definition im OECD-MA muss dazu auf das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten zurückgegriffen werden. Regelmäßig wird der räumliche Anwendungsbereich mit dem jeweiligen Staatsgebiet der Vertragsstaaten bzw. dem Geltungsbereich des innerstaatlichen Steuerrechts übereinstimmen.3 Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die Kommentierung zu Art. 1 Rz. 31 ff. verwiesen.

47

IV. An eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person 1. Person Personenbegriff. Die Dividenden müssen von der in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden. Der abkommensrechtliche Begriff der Person wird dabei in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a definiert und umfasst natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Art. 3 Rz. 12 ff. verwiesen.

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Maßgeblichkeit der steuerlichen Zurechnung durch den Anwenderstaat. Auch wenn dies im Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a nicht zum Ausdruck gelangt, muss der Begriff der Person im Zusammenhang mit Art. 10 zusätzlich vor dem Hintergrund gesehen werden, wer die Dividenden steuerlich erzielt. Dies folgt auch aus einer Gesamtschau zu der in Art. 10 Abs. 2 genannten Voraussetzung des „Nutzungsberechtigten“.4 Da die DBA in der Regel keine Aussage zur steuerlichen Zurechnung von Einkünften treffen, ist die Beantwortung dieser Frage gem. Art. 3 Abs. 2 dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaates übertragen.5 Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist in erster Linie das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen der die Dividenden zahlenden Gesellschaft gem. § 39 AO maßgeblich. § 20 Abs. 5 EStG stellt dies für Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG ausdrücklich klar. Nach § 39 Abs. 1 AO ist der zivilrechtliche Eigentümer der Anteile zwar auch regelmäßig der wirtschaftliche Eigentümer. Übt jedoch ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er diesen im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm gem. § 39 Abs. 2 Satz 1 AO das Wirtschaftsgut zuzurechnen. Für die Fälle der Treuhand und des Sicherungseigentums sieht § 39 Abs. 2 Satz 2 AO entsprechend ausdrücklich vor, dass das wirtschaftliche Eigentum beim Treugeber bzw. Sicherungsgeber liegt. Werden daher die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft insbesondere von einem Treuhänder gehalten, ist nicht dieser die für die Anwendung von Art. 10 maßgebliche Person, sondern der Treugeber. An wen also die tatsächliche Zahlung der Dividende erfolgt, ist grds. ohne Relevanz. Entsprechend interessiert es auch nicht, wenn der Anspruch auf die Dividenden vom wirtschaftlichen Eigentümer der Anteile an einen Dritten abgetreten wurde. Solange das wirtschaft-

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1 Vgl. z.B. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 39. 2 Vgl. dazu auch Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 41; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECDMA Rz. 37. 3 Zutreffend Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 42; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.184. 4 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 44; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 21; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 40; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 25. 5 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; zutreffend auch bereits Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 40.

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Art. 10 Rz. 49

Dividenden

liche Eigentum an den Anteilen nicht auf den Dritten übergeht, kann der Dritte nicht die für die Anwendung von Art. 10 interessante Person werden.1 50

Personengesellschaften und sonstige transparente Rechtsträger. Erfolgt die Zahlung der Dividenden an eine Personengesellschaft oder einen sonstigen transparenten Rechtsträger, dann lässt der relativ weite Personenbegriff des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a („alle anderen Personenvereinigungen“) zwar grds. auch die Annahme einer „Person“ zu. Dies gilt nach den Ausführungen in Rz. 49 jedoch nur dann, wenn die Dividenden nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaates steuerlich als von der Personengesellschaft erzielt gelten, d.h. für steuerliche Zwecke der Personengesellschaft bzw. dem sonstigen transparenten Rechtsträger zugerechnet werden. Ist Deutschland der Anwenderstaat, dann kommt eine solche Zurechnung zu einer Personengesellschaft nicht in Betracht. Vielmehr werden die Dividenden steuerlich grds. anteilig den Gesellschaftern der Personengesellschaft zugerechnet. Dies folgt entweder aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn es sich bei der Personengesellschaft um eine Mitunternehmerschaft handelt, oder aus § 39 Abs. 2 Satz 1 AO. Daher sind für Zwecke der Anwendung von Art. 10 aus deutscher Sicht die hinter der Personengesellschaft stehenden Personen maßgeblich.2

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Zurechnungskonflikte im Falle Deutschlands als Quellenstaat. Die Maßgeblichkeit der steuerlichen Zurechnung durch den Anwenderstaates führt dazu, dass es zu Zurechnungskonflikten kommen kann. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft (Quellenstaat), dann sind solche Konflikte z.B. in folgenden Fällen denkbar:

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Deutschland transparent/anderer Vertragsstaat intransparent. Zunächst ist vorstellbar, dass Deutschland als Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft die Dividenden nicht dem zivilrechtlichen Dividendenempfänger steuerlich zurechnet, sondern einer anderen Person (transparent), während der Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers diesem auch für steuerliche Zwecke die Dividenden zurechnet (intransparent). In diesem Fall wird der Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers gem. Art. 10 Abs. 1 ein im Grundsatz uneingeschränktes Besteuerungsrecht für sich in Anspruch nehmen (ggf. unter Anrechnung von deutschen Quellensteuern bzw. Freistellung nach einem DBA-Schachtelprivileg). Deutschland wird sich nach Art. 10 Abs. 2 aber nur insoweit in seinem Quellenbesteuerungsrecht eingeschränkt sehen, als nach deutsch-steuerlichen Grundsätzen eine Zurechnung zu Personen erfolgt, die im anderen Vertragsstaat ansässig sind, und selbst dann ist umstritten, ob eine Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechtes nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a in Betracht kommen kann, weil es mglw. an der Voraussetzung einer unmittelbaren Beteiligung fehlt (dazu auch Rz. 96). Erfolgt die deutsch-steuerliche Zurechnung zu Personen, die in einem Drittstaat ansässig sind, dann kann eine Einschränkung des deutschen Quellenbesteuerungsrechtes nur in Betracht kommen, wenn auch mit diesem Drittstaat ein deutsches DBA besteht. In diesem Sinne wird man auch die Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schr. v. 24.1.20123 verstehen müssen, wenn bei der deutsch-steuerlichen Qualifikation eines ausländischen, dividendenbeziehenden Rechtsträgers als transparent verlangt wird, dass die Dividenden im anderen Vertragsstaat als Einkünfte einer dort ansässigen Person steuerpflichtig sind. Zwar könnte man die Formulierung im BMF-Schr. auch so deuten, dass sämtliche Gesellschafter des transparenten Rechtsträgers im anderen Vertragsstaat ansässig und dort mit den Dividenden steuerpflichtig sein müssen. Der Finanzverwaltung geht es aber nur darum, solche Gestaltungen zu verhindern, bei denen sich nicht abkommensberechtigte Personen (z.B. aus Drittstaaten) die Vergünstigungen eines DBA über die Einschaltung einer hybriden Gesellschaft „erschleichen“. Ein solcher missbräuchlicher Fall ist jedoch nicht gegeben, wenn die in einem Drittstaat ansässigen Personen nach einem deutschen DBA mit dem Drittstaat entsprechende Abkommensvergünstigungen für sich beanspruchen können. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht erforderlich, wenn in Rz. 3 Satz 6 des BMF-Schr. zusätzlich die Möglichkeit vorgesehen ist, dass abweichend von der an sich maßgeblichen deutsch-steuerlichen Qualifikation einer ausländischen Gesellschaft die ausländisch-steuerliche Qualifikation maßgeblich sein soll mit der Folge, dass auch dann für Zwecke des § 50d EStG eine „Gesellschaft“ gegeben sein soll.4 Mit Einfügung von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG (mit erstmaliger Wirkung für Zahlungen, die nach dem 30.6.2013 zugeflossen sind) hat der Gesetzgeber eine entsprechende „echte“ Qualifikationsverkettung gesetzlich angeordnet. Danach soll für die Frage, wer einen entsprechenden Entlastungsanspruch nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. dem betreffenden DBA in Anspruch nehmen können soll, die steuerliche

1 Vgl. auch Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 44; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 40. 2 Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 46; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 40. 3 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Rz. 3 Satz 5. 4 Siehe aber sogleich in Rz. 53.

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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Abs. 1)

Rz. 53 Art. 10

Zurechnung durch den anderen Vertragsstaat maßgeblich sein.1 Deshalb soll unbeschadet des Grundsatzes, dass Personengesellschaften selbst nicht abkommensberechtigt sind, nur der (hybriden) Personengesellschaft und nicht deren Gesellschaftern die Entlastung von Abzugsteuern zu gewähren sein, wenn die Einkünfte nach dem Recht des betreffenden Vertragsstaats der Personengesellschaft als Einkünfte einer ansässigen Person zugerechnet werden.2 In der Sache ist allerdings umstritten, inwieweit die Neuregelung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG lediglich eine formelle Wirkung hat (also wer den Anspruch verfahrenstechnisch geltend machen kann) oder ob die Regelung auch materiell-rechtlich im Sinne einer steuerlichen Zurechnungsentscheidung wirkt.3 Davon hängt im Ergebnis die Frage ab, ob für den Fall, dass hinter dem hybriden (aber aus Sicht des anderen Vertragsstaats intransparenten) Rechtsträger (auch) nicht abkommensberechtigte Personen stehen, der hybride Rechtsträger aufgrund der Zurechnungsentscheidung des anderen Vertragsstaats die Entlastung von der Quellensteuer vollumfänglich oder nur insoweit verlangen kann, als an ihm auch abkommensberechtigte Personen beteiligt sind. Die Formulierung im BMF-Schr. v. 26.9.20144 deutet darauf hin, dass die Finanzverwaltung der Neuregelung des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG eine materiell-rechtliche Wirkung zuweisen möchte.5 Das Schrifttum sieht das eher kritisch.6 Die rein verfahrensrechtliche Sicht führt allerdings auch zu Folgeproblemen (wie z.B., dass der Entlastungsanspruch des hybriden Rechtsträgers neben dem Entlastungsanspruch der hinter dem hybriden Rechtsträger stehenden Personen steht), die man eher mit einer materiellrechtlichen Sicht in den Griff bekommt. Aber auch die materiellrechtliche Sicht ist nicht ohne Probleme, wenn man – wie z.T. vertreten – § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG auf den Entlastungsanspruch nach § 50d Abs. 1 EStG beschränkt, nicht aber auch für den Freistellungsanspruch nach Abs. 2 gelten lassen möchte. Deutschland intransparent/anderer Vertragsstaat transparent. Umgekehrt ist ein solcher Konflikt auch 53 vorstellbar, wenn zwar Deutschland als Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft die Dividenden dem zivilrechtlichen Dividendenempfänger steuerlich zurechnet (intransparent), während der Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers nicht diesem, sondern einer anderen Person die Dividenden für steuerliche Zwecke zurechnet (transparent). In diesem Fall wird der Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers ein Besteuerungsrecht nach Art. 10 Abs. 1 nur dann für sich beanspruchen, soweit diejenigen Personen, denen die Dividenden steuerlich zugerechnet werden, im anderen Vertragsstaat ansässig sind. Für Deutschland müsste das Quellenbesteuerungsrecht eigentlich durch Art. 10 Abs. 2 eingeschränkt sein, weil es sich aus deutsch-steuerlicher Sicht beim Dividendenempfänger um eine „Person“ im abkommensrechtlichen Sinne handelt. Allerdings ist diese Person im anderen Vertragsstaat nicht mit den Dividenden unbeschränkt steuerpflichtig, so dass es mglw. an der abkommensrechtlichen Ansässigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 1 fehlt. Vor diesem Hintergrund macht die in Rz. 3 Satz 5 des BMF-Schr. v. 24.1.20127 niedergelegte Auffassung der Finanzverwaltung durchaus Sinn, wonach der abkommensrechtliche Entlastungsanspruch nach § 50d Abs. 1 oder Abs. 2 EStG zu gewähren sein soll, „wenn die Einkünfte nach dem Recht des anderen Staates dort als Einkünfte einer ansässigen Person steuerpflichtig sind.“ Das BMF-Schr. nennt zwar beispielhaft nur den Fall einer ausländischen Personengesellschaft, die nach ausländischem Recht als Kapitalgesellschaft behandelt wird (ebenso wie das BMF-Schr. v. 26.9.20148). Darin sollte sich allerdings der Anwendungsbereich nicht erschöpfen. Die Entlastung von deutscher Abzugsteuer sollte vielmehr auch dann gewährt werden, wenn eine ausländische Personengesellschaft nach ausländischem Steuerrecht zwar nicht als Kapitalgesellschaft behandelt wird, aber hinter der ausländischen Personengesellschaft abkommensberechtigte Personen stehen. Sind an einer ausländischen Personengesellschaft neben abkommensberechtigten Personen auch nicht abkommensberechtigte Personen beteiligt, so ergibt sich nur ein anteiliger Entlastungsanspruch. Der in Rz. 3 Satz 5 des BMF-Schr. v. 24.1.20129 verwandte Begriff „wenn“ sollte deshalb auch besser als „soweit“ gelesen werden. Auch ist es missverständlich, wenn das BMF-Schr. verlangt, dass die Einkünfte aus deutschen Quellen nach dem Recht des anderen Staates dort als Einkünfte einer ansässigen Person steuerpflichtig sind. Es sollte eher lauten: „als Einkünfte einer ansässigen Person gelten“. Denn 1 Zu der Neuregelung instruktiv z.B. Gosch in Kirchhof17, § 50d EStG Rz. 10b f; Loschelder in: Schmidt37, § 50d EStG Rz. 38 jeweils m.w.N. 2 So auch BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2. 3 Hierzu ausführlich Gosch in Kirchhof17, § 50d EStG Rz. 10b f. m.w.N. 4 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2. 5 So auch Gosch in Kirchhof17, § 50d EStG Rz. 10b. 6 Viebrock/Loose/Oskamp, Ubg 2013, 485 und 765; Loose/Oskamp, Ubg 2014, 630; Kempf/Loose/Oskamp, IStR 2017, 735 (738 ff., 740 f.); Hagemann/Kahlenberg, BB 2014, 1623 (1630); Kudert/Hagemann/Kahlenberg, IWB 2014, 892 (893 f.); Kahlenberg, IStR 2016, 835; Jacob/Klein, IStR 2014, 121 (129); Kempelmann, IIFS Grüne Hefte 203/2015; Scheuch/Schiefer, Ubg 2016, 270; offen Hagena, ISR 2014, 83 (85); s. auch Frotscher, FS Gosch, 2016, 97 sowie Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz. 33o ff. (aber i.Erg. wohl a.A.). 7 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171. 8 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2. 9 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171.

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Art. 10 Rz. 53

Dividenden

es kann nicht darauf ankommen, ob der ausländische Staat die Einkünfte besteuert oder nicht. Entscheidend ist nur, ob sich Drittstaatenangehörige über ein hybrides Gebilde in den Genuss eines Entlastungsanspruches bringen. Das entspräche auch der im DBA-Schweiz a.F. vereinbarten sog. Vereinfachungsregel1 sowie den Wertungen von Art. 1 Abs. 7 DBA-USA 2006. Die Neuregelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG bestätigt diese Sicht, da danach nur derjenigen Person ein Entlastungsanspruch nach dem DBA zustehen soll, der der andere Vertragsstaat die Einkünfte zurechnet. 54

Beispiele zu hybriden Gesellschaften. Die nachfolgenden Beispiele sollen die Konsequenzen der Auffassung der Finanzverwaltung verdeutlichen: Beispiel 1 (Deutschland = transparent/Ausland = intransparent): An der deutschen D-GmbH ist zu 100 % eine ausländische Gesellschaft beteiligt, die nach ausländischem Recht als Kapitalgesellschaft, nach dem deutschen Rechtstypenvergleich allerdings als Personengesellschaft zu qualifizieren ist. Die Anteile der ausländischen Gesellschaft werden von zwei in demselben Staat ansässigen und aktiv tätigen Kapitalgesellschaften gehalten. D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an die ausländische Gesellschaft aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Nach dem deutschen DBA besteht ein Quellenbesteuerungsverbot bei unmittelbarer Beteiligung von 20 %. Besteht ein Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2? – Die deutsche Finanzverwaltung hätte die Frage früher unabhängig von § 50d Abs. 3 EStG verneint, weil die Zwischenschaltung einer Gesellschaft, die nach dem Rechtstypenvergleich als Personengesellschaft qualifiziert, eine (notwendige) unmittelbare Beteiligung zumindest dann verhindern soll, wenn sich die Beteiligung im Gesamthandsvermögen befindet.2 Nach Rz. 3 des BMF-Schr. v. 24.1.20123 sowie Tz. 2.1.2 des BMF-Schr. v. 26.9.20144 soll aber eine (nach dem Rechtstypenvergleich als solche zu qualifizierende) ausländische Personengesellschaft nunmehr einen Entlastungsanspruch nach § 50d EStG haben, wenn sie nach dem Steuerrecht ihres Ansässigkeitsstaates als Steuersubjekt qualifiziert. Die nach ausländischem Recht als Steuersubjekt qualifizierende Gesellschaft scheint danach Gläubigerin der Gewinnausschüttungen sein zu können. Nach § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG ist dies wohl ebenfalls so. Auch im Übrigen steht § 50d Abs. 3 EStG einer Kapitalertragsteuerherabsetzung nicht entgegen, weil die Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft bei unmittelbarem Einkünftebezug einen entsprechenden Entlastungsanspruch hätten und zudem aufgrund ihrer Aktivität die weiteren Voraussetzungen von § 50d Abs. 3 EStG (nicht) erfüllen sollen. Beispiel 2 (Deutschland = intransparent/Ausland = transparent): Wie Beispiel 1, nur ist die ausländische Gesellschaft nach dem deutschen Rechtstypenvergleich als Kapitalgesellschaft, nach ausländischem Recht aber als Personengesellschaft zu qualifizieren. Besteht der Entlastungsanspruch nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. 10 Abs. 2? – Bereits bisher war die Frage zu bejahen, weil die ausländische Gesellschaft auf Grundlage des Rechtstypenvergleiches als Kapitalgesellschaft qualifizierte und deshalb aus Sicht Deutschlands als Anwenderstaat die Gläubigerin der Kapitalerträge war. Auch stand § 50d Abs. 3 EStG einer Kapitalertragsteuerherabsetzung schon deshalb nicht entgegen, weil die Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft bei unmittelbarem Einkünftebezug einen entsprechenden Entlastungsanspruch hätten und zudem aufgrund ihrer Aktivität die weiteren Voraussetzungen von § 50d Abs. 3 EStG (nicht) erfüllen. Die Neuregelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG ändert sich daran nichts. Zwar ist die ausländische Gesellschaft nach der steuerlichen Qualifikation ihres Ansässigkeitsstaates als Personengesellschaft zu qualifizieren. Das ist jedoch vorliegend deshalb unbeachtlich, weil die hinter der ausländischen Gesellschaft stehenden Personen ebenfalls abkommensberechtigt sind. Beispiel 3 (Deutschland = intransparent/Ausland = transparent mit Drittstaatengesellschafter): Wie Beispiel 2, nur ist an der ausländischen Gesellschaft neben einer in demselben Staat ansässigen Person auch eine in einem Drittstaat ansässige Person zu 50 % beteiligt. Besteht der Entlastungsanspruch nach § 50d Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2? – Ein Anspruch besteht nur hälftig, weil die an die ausländische Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden nur insoweit als Einkünfte einer dort ansässigen Person gelten, als sie auf die Gesellschaft mit Ansässigkeit in demselben Staat entfallen; im Übrigen entfallen sie auf eine nicht abkommensberechtigte Person. Dies gilt auch nach der Neuregelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG, weil nach dieser lediglich insoweit eine Qualifikationsverkettung vorgesehen ist, als der andere Vertragsstaat die Dividenden in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Personen zurechnet.

55

Zurechnungskonflikte im Falle Deutschlands als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland nicht der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft, sondern der Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers, dann sind Zurechnungskonflikte z.B. in folgenden Fällen denkbar: 1 Verhandlungsprotokoll v. 18.6.1971, „Zu den Artikeln 10 bis 12“. 2 BFH v. 8.5.1985 – I R 108/81, BStBl. II 1985, 523; v. 15.6.1988 – II R 224/84, BStBl. II 1988, 761; kritisch u.a. Wassermeyer/Schönfeld, DB 2006, 1970, 1977, die unter Hinweis auf die Rspr. des BFH zu § 9 Nr. 7 GewStG (BFH v. 17.5.2000 – I R 31/99, BStBl. II 2001, 685) für eine Abkehr von dieser restriktiven Position plädieren; der BFH hatte in der genannten Entscheidung darauf hingewiesen, dass es für die Gewährung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs nicht darauf ankommen kann, wie die Beteiligung im Inland strukturiert ist. Das BZSt soll aber (zutreffend) eine Ausnahme von der Schädlichkeit der Zwischenschaltung einer Personengesellschaft machen, wenn die transparente Gesellschaft (z.B. eine aus deutscher steuerlicher Sicht transparente US-LLC) nur über einen Gesellschafter (z.B. US-Corp.) verfügt; denn in diesem Fall handelt es sich bei dem transparenten Gebilde aus deutscher steuerlicher Sicht lediglich um eine Betriebsstätte des Gesellschafters. 3 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171. 4 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2.

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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Abs. 1)

Rz. 60 Art. 10

Deutschland transparent/Quellenstaat intransparent. Ein solcher Konflikt ist z.B. vorstellbar, wenn 56 Deutschland als Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers die Dividenden steuerlich nicht diesem, sondern einer anderen Person zurechnet (transparent), während der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft dem zivilrechtlichen Dividendenempfänger auch für steuerliche Zwecke die Dividenden zurechnet (intransparent). In diesem Fall wird Deutschland ein Besteuerungsrecht nach Art. 10 Abs. 1 nur beanspruchen, soweit diejenigen Personen, denen die Dividenden für deutsch-steuerliche Zwecke zugerechnet werden, auch in Deutschland ansässig sind. Inwieweit sich der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft durch Art. 10 Abs. 2 in seinem Quellenbesteuerungsrecht eingeschränkt sieht, hängt entscheidend davon ab, wie dieser Staat mit der mglw. fehlenden abkommensrechtlichen Ansässigkeit des zivilrechtlichen Dividendenempfängers i.S.v. Art. 4 Abs. 1 umgeht, und ob er – wie die deutsche Finanzverwaltung – auf diejenigen Personen „durchschaut“, die mit den Dividenden tatsächlich steuerpflichtig sind (vgl. Rz. 53). Sollte sich der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft durch Art. 10 Abs. 2 in seinem Quellenbesteuerungsrecht eingeschränkt sehen und hätte Deutschland als Quellenstaat diese Einschränkung nicht nachvollzogen, kann eine abkommensrechtliche Freistellung der Dividenden in Deutschland (z.B. nach einem im Methodenartikel vereinbarten DBA-Schachtelprivileg) durch § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeschlossen sein (durch § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG nur dann, wenn die Dividenden bei der Ermittlung des Gewinns der ausschüttenden Gesellschaft abgezogen worden sind, vgl. § 50d Abs. 9 Satz 2 EStG). Deutschland intransparent/Quellenstaat transparent. Umgekehrt ist ein Konflikt auch dann möglich, 57 wenn Deutschland als Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers die Dividenden steuerlich diesem zurechnet (intransparent), während der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft nicht dem zivilrechtlichen Dividendenempfänger, sondern einer anderen Person die Dividenden für steuerliche Zwecke zurechnet (intransparent). In diesem Fall wird Deutschland als der Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers gem. Art. 10 Abs. 1 ein im Grundsatz uneingeschränktes Besteuerungsrecht für sich in Anspruch nehmen (ggf. unter Anrechnung von deutschen Quellensteuern bzw. Freistellung nach einem DBA-Schachtelprivileg; zur Anwendung von § 50d Abs. 9 EStG vgl. Rz. 56). Der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft wird sich nach Art. 10 Abs. 2 aber nur insoweit in seinem Quellenbesteuerungsrecht eingeschränkt sehen, als er nach seinen steuerlichen Grundsätzen eine Zurechnung zu Personen vornimmt, die in Deutschland ansässig sind, wobei sich auch hier die Frage stellt, wie der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a die Voraussetzung einer unmittelbaren Beteiligung versteht. Erfolgt die steuerliche Zurechnung im Übrigen zu Personen, die in einem Drittstaat ansässig sind, dann wird eine Einschränkung des Quellenbesteuerungsrechtes nur in Betracht kommen, wenn auch mit diesem Drittstaat ein DBA zum Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft besteht. 2. Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat Ansässigkeit. So wie sich die abkommensrechtliche Ansässigkeit der die Dividenden zahlenden Gesellschaft nach Art. 4 Abs. 1 richtet (vgl. Rz. 40), gilt das auch für den Dividendenempfänger. Der Dividendenempfänger kann aber nicht nur eine Gesellschaft sein, sondern auch eine natürliche Person oder eine andere Personenvereinigung. Nach Art. 4 Abs. 1 bedeutet der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals (unbeschränkt) steuerpflichtig ist. In Deutschland ist eine natürliche Person grds. unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine Gesellschaft ist unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren statutarischen Sitz hat, wobei eines der beiden Kriterien genügt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 1 (Art. 4 Rz. 38 ff.) verwiesen, hier auch zu den Besonderheiten z.B. der auf Antrag zu gewährenden fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG.

58

Doppelansässigkeit. Ist eine natürliche Person nach Art. 4 Abs. 1 in beiden Vertragsstaaten ansässig (z.B. 59 weil sie in beiden Staaten über eine Wohnung verfügt), dann richtet sich die Ansässigkeit nach der tie-breaker-rule des Art. 4 Abs. 2 (insbesondere Lebensmittelpunkt). Ist eine Gesellschaft in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt sie nach der (nicht in jedem deutschen DBA enthaltenen) tie-breaker-rule des Art. 4 Abs. 3 nur in dem Vertragsstaat als ansässig, in dem sich der Ort ihrer Geschäftsleitung befindet. Auf die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 2 und 3 (Art. 4 Rz. 61 ff.) wird verwiesen. Im anderen Vertragsstaat. Der Dividendenempfänger muss schließlich im anderen Vertragsstaat ansässig sein, d.h. die Dividenden zahlende Gesellschaft muss in dem einen Vertragsstaat und der Dividendenempfänger in dem anderen Vertragsstaat ansässig sein. Art. 10 kommt daher nicht zur Anwendung, wenn beide Schönfeld

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60

Art. 10 Rz. 60

Dividenden

in demselben Vertragsstaat ansässig sind oder einer von beiden in einem Drittstaat ansässig ist. Daher genügt es auch nicht, wenn der Dividendenempfänger zwar über eine Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat verfügt, der ggf. auch die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zuzuordnen sind, der Dividendenempfänger selbst aber in einem Drittstaat ansässig ist. Ist der Dividendenempfänger allerdings im anderen Vertragsstaat ansässig, verfügt er aber gleichzeitig über eine Betriebsstätte in dem Vertragsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft, dann schließt Art. 10 Abs. 4 die Anwendung von Art. 10 Abs. 1 aus.1 Im Übrigen gelten die Ausführungen in Rz. 47 entsprechend.

V. Zahlung 61

Abkommensrechtliche (weite) Auslegung. Nach dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 ist weitere Voraussetzung, dass die in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft eine Dividende an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person „zahlt“. Im Schrifttum wird zutreffend darauf hingewiesen, dass der Begriff des Zahlens nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eigentlich mit einem Zahlungsvorgang in Verbindung gebracht wird.2 Art. 10 Rz. 7 OECD-MK verstärkt diesen Eindruck, wenn er darauf abhebt, dass der „Begriff ‚zahlen‘ die Erfüllung der Verpflichtung beinhaltet, dem Aktionär auf die vertragsgemäße oder die übliche Weise Geldmittel zur Verfügung zu stellen.“ Es wird auch den Regelfall darstellen, dass der Gesellschafter aufgrund eines Gewinnausschüttungsbeschlusses eine Dividende von der Gesellschaft ausgezahlt bekommt. Andererseits stellt Art. 10 Rz. 7 OECD-MK auch fest, dass der Ausdruck „zahlt“ eine „sehr weite Bedeutung“ haben soll. Ein solches weites Verständnis ist auch geboten, weil es wertungswidersprüchlich wäre, über Art. 10 Abs. 3 dem Quellenstaat das Rechts zur Bestimmung des Dividendenbegriffes zuzugestehen, dann aber bestimmte Arten von Gewinnausschüttungen, die mit keinem (Geld-)Zahlungsvorgang verbunden sind, als nicht „gezahlt“ anzusehen.3

62

Zahlung als unselbständiger Bestandteil des Dividendenbegriffs. Insoweit ist Tischbirek/Specker darin zuzustimmen, wenn sie den Begriff des „Zahlens“ als unselbständigen Bestandteil des Dividendenbegriffs in Art. 10 Abs. 3 verstehen und wie folgt definieren: „Zahlung ist die Zuwendung jeden Vorteils, der nach Abs. 3 als Dividende zu qualifizieren ist.“4 Damit fallen z.B. auch verdeckte Gewinnausschüttungen und Sachausschüttungen unter Art. 10 Abs. 1, wenn diese nach dem Recht des Quellenstaats als Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 qualifizieren, auch wenn damit kein Zahlungsvorgang in Geld verbunden sein sollte (was die Regel sein dürfte).5 Entsprechendes gilt für Kapitalherabsetzung und Einlagenrückgewähr, sofern diese Maßnahmen nach dem Recht des Quellenstaats als Dividenden qualifizieren (was eher die Ausnahme sein dürfte). Aber auch alle Erfüllungssurrogate (wie z.B. Hinterlegung, Aufrechnung, Erlass) fallen unter Art. 10, auch wenn mit diesen kein Zahlungsvorgang verbunden ist.

63

Kein abkommensrechtlicher Zahlungs- bzw. Besteuerungszeitpunkt. Art. 10 enthält keine Aussage zu der Frage, auf welchen Zeitpunkt für die „Zahlung“ resp. Besteuerung der Dividende abzustellen ist. Teilweise wird auf den tatsächlichen Zahlungszeitpunkt abgestellt.6 Dies kann schon vor dem Hintergrund der Systematik der Anwendung von DBA nicht überzeugen, weil DBA kein innerstaatliches Besteuerungsrecht begründen, sondern ein solches allenfalls bestätigen oder beschränken können. Oder anders formuliert: DBA kommen erst in dem Zeitpunkt zur Anwendung, in welchem ein Vertragsstaat nach seinem innerstaatlichen Steuerrecht einen Besteuerungstatbestand als erfüllt ansieht. Erst in diesem Zeitpunkt besteht ein Bedürfnis, anhand der einschlägigen DBA zu prüfen, ob und inwieweit dieser Vertragsstaat in seiner Besteuerung beschränkt ist. Daher kann es für Zwecke des Art. 10 Abs. 1 auch nicht überzeugen, wenn auf den nach dem innerstaatlichen Recht des Quellenstaates maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt abzustellen sein soll.7 Dies mag für Art. 10 Abs. 2 gelten, der das Recht des Quellenstaates beschränkt, nicht aber für Art. 10 Abs. 1, der lediglich das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers bestätigt. Der Besteuerungszeitpunkt und damit der Zeitpunkt der Anwendung des DBA werden damit ausschließlich durch das innerstaatliche Recht des jeweiligen Anwenderstaates bestimmt.8

1 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 47. 2 Vgl. z.B. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 45; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 22. 3 So völlig zutreffend Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 22. 4 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 22. 5 So auch BFH v. 12.6.2013 – I R 109-111/10, BStBl. II 2013, 1024, Rz. 21. 6 Portner/Heuser, IStR 1998, 268. 7 Vgl. dazu Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 49. 8 Ebenso Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 50; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECDMA Rz. 22; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 50 ff.

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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Abs. 1)

Rz. 68 Art. 10

Besteuerungszeitpunkt im Falle Deutschlands als Quellenstaat. Ist Deutschland der Quellenstaat, d.h. 64 der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft, dann regelt § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG für den (Quellen-)Besteuerungszeitpunkt den Grundsatz, dass die Kapitalertragsteuer in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen. Sofern deren Ausschüttung von einer Körperschaft beschlossen wird, regelt § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG den Zufluss an dem Tag, der im Beschluss als Tag der Auszahlung bestimmt ist. Nach der Rspr. des BFH gelten für die Bestimmung des Auszahlungszeitpunktes im Beschluss strenge Maßstäbe.1 Der Auszahlungszeitpunkt ist danach taggenau im Beschluss festzulegen, die bloße Bestimmung eines Zeitraumes (z.B. „Februar 2012“) genügt nicht. Enthält der Ausschüttungsbeschluss keinen oder einen nur unzureichenden Auszahlungszeitpunkt, greift die Zuflussfiktion des § 44 Abs. 2 Satz 2 EStG mit der Folge ein, dass als Zeitpunkt des Zufließens der Tag nach der Beschlussfassung gilt. Dies gilt auch dann, wenn die Ausschüttung an einen beherrschenden Gesellschafter erfolgt, weil die hierzu von der Rspr. entwickelte Zuflussfiktion lediglich Auswirkungen auf den tatsächlichen Zuflusszeitpunkt i.S.v. § 11 Abs. 1 EStG hat (also für Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers, s.u.), nicht aber auf die gesetzlichen Zuflusszeitpunkte i.S.v. § 44 Abs. 2 EStG (also nicht für Deutschland als Quellenstaat).2 Der Tag nach der Beschlussfassung ist auch dann maßgeblich, wenn die Auszahlung erst später erfolgt. Lediglich für den Fall, dass vor dem Zufließen die Stundung vereinbart ist, weil der Schuldner vorübergehend nicht zur Zahlung in der Lage ist, ist der Steuerabzug gem. § 44 Abs. 4 EStG erst mit Ablauf der Stundungsfrist vorzunehmen. Die gesetzlichen Zuflusszeitpunkte des § 44 Abs. 2 EStG gelten demgegenüber nicht, wenn kein Ausschüttungsbeschluss erforderlich ist (wie z.B. bei der verdeckten Gewinnausschüttung). Besteuerungszeitpunkt im Falle Deutschlands als Ansässigkeitsstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers, dann richtet sich der Besteuerungszeitpunkt danach, ob die Dividenden im Privat- oder im Betriebsvermögen anfallen und im letzteren Fall, ob der Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG oder durch Einnahmen-/Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird. Im Privatvermögen ist ebenso wie im Falle der Einnahmen-/Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG der tatsächliche Zufluss maßgeblich, der näher in § 11 Abs. 1 EStG definiert wird (d.h. Auszahlung oder wirtschaftlich gleichkommende Maßnahme). Hiervon macht die Rspr. bei beherrschenden Gesellschaftern eine Ausnahme, bei denen unabhängig vom tatsächlichen Zufluss der Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgeblich sein soll, vorausgesetzt, die Gesellschaft ist zahlungsfähig.3 Dies soll selbst dann gelten, wenn ein abweichender Fälligkeitszeitpunkt im Beschluss bestimmt wird, da es der Gesellschafter ansonsten in der Hand hätte, den Zuflusszeitpunkt zu bestimmen. Diese Sicht kann man durchaus kritisch hinterfragen. Bei Dividendenempfängern, die ihren Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermitteln, kommt es nicht auf den Zufluss an, sondern auf den Zeitpunkt, in welchem der Anspruch auf die Dividende entsteht. Dieser setzt nach nunmehr geklärter Rspr. einen Ausschüttungsbeschluss voraus.4

65

VI. Rechtsfolge: Können im anderen Vertragsstaat besteuert werden Uneingeschränktes Besteuerungsrecht. Als Rechtsfolge gewährt Art. 10 Abs. 1 dem Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers ein uneingeschränktes, aber nicht ausschließliches Besteuerungsrecht. Ob und inwieweit der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers von diesem Recht Gebrauch macht, bleibt allein ihm überlassen. Macht er von diesem Recht Gebrauch, dann besteht allerdings gem. Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 die Verpflichtung, die nach Art. 10 Abs. 2 durch den Quellenstaat ggf. erhobene Quellensteuer anzurechnen.

66

Besteuerungsfolgen in Deutschland als Ansässigkeitsstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers, dann hängen die Besteuerungsfolgen zunächst davon ab, ob es sich beim Dividendenempfänger um eine körperschaftsteuer- oder einkommensteuerpflichtige Person handelt.

67

Körperschaftsteuerpflichtige Personen. Bei einer körperschaftsteuerpflichtigen Person bleiben die aus dem anderen Vertragsstaat stammenden Dividenden gem. § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG steuerfrei; lediglich 5 % gelten gem. § 8b Abs. 5 KStG als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben. Hiervon macht § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG insbesondere für verdeckte Gewinnausschüttungen eine Ausnahme, sofern diese nicht im Quellenstaat eine Korrektur erfahren (und damit abzugsfähig sind; sog. Korrespondenzprinzip). Im Übrigen kann es zu einer Steuerpflicht unter den Voraussetzungen von § 8b Abs. 4 KStG n.F. für Streubesitzbeteiligungen

68

1 Vgl. BFH v. 8.7.1998 – I R 57/97, BStBl. II 1998, 672 m.w.N. 2 BFH v. 8.7.1998 – I R 57/97, BStBl. II 1998, 672 m.w.N. 3 BFH v. 2.12.2014 – VIII R 2/12, BStBl. II 2015, 333; v. 17.11.1998 – VIII R 24/98, BStBl. II 1999, 223; v. 30.4.1974 – VIII R 123/73, BStBl. II 1974, 541. 4 BFH v. 7.2.2007 – I R 15/06, BStBl. II 2008, 340; v. 28.2.2001 – I R 48/94, BStBl. II 2001, 401 m.w.N.

Schönfeld

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Art. 10 Rz. 68

Dividenden

(, 10 %) von § 8b Abs. 7 KStG kommen, was auch für Holdinggesellschaften zum Tragen kommen kann.1 Für die Gewerbesteuer kommt bei einer Beteiligung von mindestens 15 % (innerhalb der EU mindestens 10 %) eine Steuerfreiheit unter den weiteren Voraussetzungen von § 9 Nr. 7 GewStG (ggf. i.V.m. § 8 Nr. 5 GewStG) in Betracht (d.h. insbesondere Aktivitätsvoraussetzung bei Nicht-EU-Gesellschaften). Im Übrigen kann auch ein DBA-Schachtelprivileg oder § 9 Nr. 8 GewStG (sofern nicht § 8b Abs. 1 KStG eingreift) zu einer Gewerbesteuerfreiheit führen. 69

Einkommensteuerpflichtige Personen. Bei einer einkommensteuerpflichtigen Person hängen die steuerlichen Rechtsfolgen für die aus dem anderen Vertragsstaat stammenden Dividenden wiederum zunächst davon ab, ob sich die Anteile im Privat- oder im Betriebsvermögen befinden. Für Dividenden im Privatvermögen gilt grds. der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG, der mit dem Einbehalt der Kapitalertragsteuer abgegolten ist (sog. Abgeltungsteuer). Da aber ausländische Dividenden nicht in jedem Fall der deutschen Kapitalertragsteuer unterliegen (Ausnahme: inländische Zahlstelle, § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG), besteht gem. § 32d Abs. 3 EStG die Verpflichtung zur Angabe in der Steuererklärung, wobei eine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer gem. § 32d Abs. 5 EStG erfolgt. Für Dividenden im Betriebsvermögen gilt das sog. Teileinkünfteverfahren des § 3 Nr. 40 EStG, wonach grds. 40 % steuerfrei bleiben. Auch hier gilt das Korrespondenzprinzip für verdeckte Gewinnausschüttungen gem. § 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG sowie die dem § 8b Abs. 7 KStG nachgebildete volle Steuerpflicht nach § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG. Für die Gewerbesteuer gelten die Ausführungen in Rz. 68 entsprechend.

C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Abs. 2) I. Eingeschränktes Besteuerungsrecht (Abs. 2 Satz 1) 1. Regelungszweck 70

Materieller Kern des Dividendenartikels. Art. 10 Abs. 2 enthält den materiellen Kern des Dividendenartikels. Während Art. 10 Abs. 1 mit dem uneingeschränkten Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats des Dividendenempfängers eigentlich nur eine Selbstverständlichkeit regelt (vgl. Rz. 24) und im Übrigen wesentliche Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 vorweg nimmt (vgl. Rz. 27), konstituiert Art. 10 Abs. 2 endlich das entscheidende Besteuerungsrecht des Quellenstaates, d.h. des Ansässigkeitsstaates der die Dividenden zahlenden Gesellschaft. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 enthält dabei den Grundsatz, dass auch der Quellenstaat die Dividenden besteuern darf. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 beschränkt dieses Besteuerungsrecht aber sogleich dahingehend, dass bei Dividenden zwischen Gesellschaften mit qualifizierter Beteiligung von mindestens 25 % die (Quellen-)Steuer maximal 5 % (sog. Schachteldividende) und im Übrigen höchstens 15 % betragen darf. Für Schachteldividenden gilt dabei die zusätzliche Voraussetzung, dass die qualifizierte Beteiligung über mindestens 365 Tage gehalten wird. Bei Unterschreitung dieses Zeiterfordernisses greift als Auffangentlastung die 15 %-Besteuerungsgrenze. Die Begünstigung von Schachteldividenden hat ihren Zweck zum einen darin, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen zu verhindern, zum anderen die grenzüberschreitende Verflechtung von Gesellschaften nicht dadurch zu behindern, dass an das jeweilige Ausschüttungsverhalten negative Rechtsfolgen geknüpft werden (Stichwort: Förderung von grenzüberschreitenden Investitionen). Besonders deutlich kommt dieser Zweck in der MTR zum Ausdruck, die bei Dividenden zwischen qualifiziert beteiligten EU-Gesellschaften ein Quellenbesteuerungsverbot postuliert. 2. Gewährung eines Quellenbesteuerungsrechts (Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1)

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Grundsatz. Anknüpfend an Art. 10 Abs. 1 enthält Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 den Grundsatz, dass auch der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft über ein Besteuerungsrecht verfügt. Technisch setzten frühere Fassungen des OECD-MA dies um, indem Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 auf „diese Dividenden“ Bezug nahm und damit sprachlich unmittelbar auf Art. 10 Abs. 1 rekurrierte (vgl. Rz. 28). In der aktuellen Fassung des OECD-MA vom 21.11.2017 fehlt der unmittelbare sprachliche Bezug zu Art. 10 Abs. 1. Der Wortlaut ist nunmehr schlicht: „Jedoch können Dividenden […]“. Diese Änderung führt allerdings zu keinem anderen Verständnis des Dividendenbegriffs in Art. 10 Abs. 2. Sowohl der der in Art. 10 Abs. 1 als auch in Art. 10 Abs. 2 verwendete Dividendenbegriff erfahren gleichermaßen ihre Legaldefinition in Art. 10 Abs. 3. Entsprechendes gilt für die Bezugnahme auf den „Vertragsstaat“, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist (vgl. Rz. 47), sowie für den Begriff der „Gesellschaft“ (vgl. Rz. 29 ff.) und deren „An1 Vgl. z.B. BFH v. 26.10.2011 – I R 17/11, BFH/NV 2012, 613 m.w.N.

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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Abs. 2)

Rz. 73 Art. 10

sässigkeit“ (vgl. Rz. 40 ff.). Diese Begriffe sind bereits durch Art. 10 Abs. 1 vorgegeben und werden in Art. 10 Abs. 2 synonym verwandt. Insoweit kann auch wegen der möglichen Qualifikations- und Zurechnungskonflikte, die aus der unterschiedlichen Beurteilung durch den Quellenstaat und den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers resultieren, auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden (vgl. Rz. 30 ff., 46, 51 ff.). 3. Begrenzung des Quellenbesteuerungsrechts (Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2) a) Gemeinsame Voraussetzungen Sinn und Zweck des Nutzungsberechtigten. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 begrenzt das durch Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 eingeräumte Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates der die Dividenden zahlenden Gesellschaft auf 5 % bei Schachteldividenden (Buchst. a) und auf 15 % (Buchst. b) in allen anderen Fällen. Gemeinsame Voraussetzung beider Begrenzungen ist jedoch, dass der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist. Das Erfordernis des erst später eingeführten Merkmals des Nutzungsberechtigten begründet Art. 10 Rz. 12 OECD-MK damit, dass die Bedeutung des in Art. 10 Abs. 1 verwendeten Begriffs des „Zahlens“ zur Vermeidung von Abkommensmissbräuchen näher geklärt werden soll. So soll eine Inanspruchnahme der Vergünstigungen von Art. 10 Abs. 2 nicht bereits deshalb möglich sein, weil die Dividenden an eine Person gezahlt werden, die zwar im anderen Vertragsstaat ansässig ist, die mit den Dividenden aber nach dem Recht des Quellenstaates und/oder nach dem Recht des anderen Vertragsstaates nicht steuerpflichtig ist. Derartige Situationen sind z.B. denkbar, wenn der zivilrechtliche Dividendenempfänger lediglich Treuhänder für eine andere Person ist oder wenn lediglich ein Dividendenanspruch, nicht aber auch die übrigen Rechte aus der Beteiligung an eine andere Person abgetreten werden.1

72

Bestimmung des Nutzungsberechtigten. Entsprechend spricht sich Art. 10 Rz. 12 OECD-MK dafür aus, den Begriff des Nutzungsberechtigten nicht in einem engen technischen Sinne, sondern im Lichte des Sinns und Zwecks des DBA auszulegen. Konsequenterweise spricht sich daher auch ein wesentlicher Teil des Schrifttums für eine abkommensautonome Auslegung aus.2 Soweit die DBA eine entsprechende Definition enthalten, ist diese Feststellung sicherlich richtig und unproblematisch. Was das aber für die Rechtsanwendung genau heißt, wenn die DBA keine Definition bereithalten, bleibt teilweise leider etwas im Dunkeln. Ausgangspunkt muss in diesem Fall die Überlegung sein, dass DBA eine Doppelbesteuerung verhindern wollen. Daraus folgt zunächst, dass die Bestimmung des Nutzungsberechtigten ausschließlich von der steuerlichen Zurechnung des Anteils an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft abhängt, weil sich danach letztlich die Besteuerung richtet. Oder anders formuliert: Nutzungsberechtigter ist derjenige, dem der Anteil an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft steuerlich zuzurechnen ist. Wem der Anspruch auf die Dividende zusteht, ist demgegenüber ohne Bedeutung.3 Die Frage ist lediglich die, ob sich diese steuerliche Zurechnung nach dem Recht des Quellen- oder des Ansässigkeitsstaates oder nach dem Recht beider Staaten richtet. Mit Blick auf Art. 3 Abs. 2 spricht einiges dafür, dass die steuerliche Zurechnung durch den Quellenstaat als Anwenderstaat maßgeblich ist. Vor dem Hintergrund, dass DBA eine Doppelbesteuerung verhindern wollen, ist dies aber mglw. etwas zu kurz gegriffen, weil damit noch nicht geklärt ist, ob auch der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers diesen mit den Dividenden besteuert. Nur in diesem Fall kann es nämlich überhaupt zu einer Doppelbesteuerung kommen. Das Erfordernis der Ansässigkeit des Nutzungsberechtigten im anderen Vertragsstaat dürfte hier nicht weiterhelfen, weil man diese auch losgelöst von der Besteuerung der fraglichen Dividenden bestimmen kann. Insoweit könnte eine abkommensautonome Auslegung, nähme man diese ernst, die Bestimmung des Nutzungsberechtigten für Zwecke der Anwendung von Art. 10 Abs. 2 dahingehend eingrenzen, dass die Schnittmenge der steuerlichen Zurechnung durch Quellen- und Ansässigkeitsstaat maßgeblich ist. Mit anderen Worten: Nutzungsberechtigter wäre danach derjenige, dem der Anteil an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft übereinstimmend nach dem Recht des Quellen- und des Ansässigkeitsstaates zuzurechnen ist. In allen anderen Fällen (also bei allen Qualifikationskonflikten!) wäre der Dividendenempfänger nicht der Nutzungsberechtigte und eine Inanspruchnahme der Vergünstigungen des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 käme nicht in Betracht. Es bliebe vielmehr bei der Grundregel des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1, wonach auch der Quellenstaat (uneingeschränkt) besteuern darf.

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1 Vgl. auch Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 64 ff.; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.347; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 43 ff.; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECDMA Rz. 55 ff.; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 42 f.; kritisch zum Begriff aber Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 72. 2 Grundlegend z.B. Tischbirek in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 10 ff. m.w.N. 3 Vgl. Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 46; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 68 f.

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Art. 10 Rz. 74

Dividenden

74

Nutzungsberechtigter aus deutscher Sicht. Deutschland als Quellenstaat ist dem bislang nicht gefolgt. Die herrschende anwenderstaatsorientierte Sicht (vgl. Rz. 32) führt dazu, dass Deutschland als Anwenderstaat die Bestimmung des Nutzungsberechtigten allein nach seinem innerstaatlichen Steuerrecht beurteilt, sofern die DBA nicht eine anderweitige Definition vorgeben. Maßgeblich ist also das für ertragsteuerliche Zwecke maßgebliche wirtschaftliche Eigentum an dem Anteil an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft. § 20 Abs. 5 EStG stellt dies für Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG ausdrücklich klar. Der wirtschaftliche Eigentümer der Anteile (nicht des Dividendenanspruchs!) ist der Nutzungs- und damit zugleich der Entlastungsberechtigte nach dem DBA. Für Dividendenausschüttungen an eine ausländische Gesellschaft hat die Finanzverwaltung diese rein nationale Sicht bereits dahingehend eingeschränkt, dass selbst dann, wenn nach deutschem Steuerrecht die Anteile an der die Dividenden zahlenden deutschen Gesellschaft einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft zuzurechnen sind, eine Entlastung nach dem DBA auch dann gewährt wird, wenn der andere Vertragsstaat die Dividenden anderen in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Personen zurechnet (und umgekehrt).1 Die Neuregelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG bestätigt dies, indem eine partielle Bindung an die Zurechnung durch den anderen Vertragsstaat als Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers kodifiziert wird, soweit die Dividenden nach dem Steuerrecht des anderen Vertragsstaates als solche einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Person zugerechnet werden. Nach der Gesetzesbegründung entspricht es dem Sinn und Zweck der DBA, dass der Quellenstaat eine Entlastung von Abzugsteuern dem ausländischen Antragsteller gewährt, dem der andere Staat nach seinem Steuerrecht die Einkünfte oder Gewinne zurechnet.2

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Zurechnungskonflikte und Beispiele. Zu den Auswirkungen möglicher Zurechnungskonflikte nach bisheriger und möglicher neuer Rechtslage vgl. mit Beispielen bereits Rz. 51 ff. Darüber hinaus sollen die Probleme der Bestimmung des Nutzungsberechtigten im Falle Deutschlands als Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft anhand der folgenden Beispiele verdeutlicht werden:

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Beispiel 1: Grundfall An der deutschen D-GmbH ist zu 100 % eine im anderen Vertragsstaat ansässige natürliche Person A beteiligt. Die Beteiligung wird dem A sowohl nach deutschem als auch nach ausländischem Steuerrecht zugerechnet. Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an A aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA, so dass eine Quellensteuerbegrenzung für den im anderen Vertragsstaat ansässigen Nutzungsberechtigten der Dividenden auf 15 % besteht. Hat A einen Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b? – Die Frage ist zu bejahen, da A der Nutzungsberechtigte der Dividenden ist. Die Beteiligung an der die Dividenden zahlenden D-GmbH ist ihm sowohl nach deutschem Steuerrecht als auch nach dem Recht des anderen Vertragsstaates zuzurechnen.

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Beispiel 2: Treuhand Wie Fall 1, nur hält A den Anteil an der D-GmbH treuhänderisch für eine in demselben Staat ansässige Person B (Abwandlung: B ist in einem Drittstaat ansässig). Für steuerliche Zwecke wird der Anteil an der D-GmbH dem B sowohl nach deutschem als auch nach ausländischem Steuerrecht zugerechnet. Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an A aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA, so dass eine Quellensteuerbegrenzung für den im anderen Vertragsstaat ansässigen Nutzungsberechtigten der Dividenden auf 15 % besteht. Hat B einen Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b? – Die Frage ist zu bejahen, da nicht A als Treuhänder, sondern B als Treugeber der Nutzungsberechtigte der Dividenden ist. Die Beteiligung an der die Dividenden zahlenden D-GmbH ist dem B sowohl nach deutschem Steuerrecht als auch nach dem Recht des anderen Vertragsstaates zuzurechnen. In der Abwandlung hängt der Erstattungsanspruch davon ab, ob Deutschland mit dem Drittstaat als abweichendem Ansässigkeitsstaat des B ein DBA abgeschlossen hat, welches dem OECD-MA nachgebildet ist. Falls nicht, bleibt es bei dem uneingeschränkten deutschen Quellenbesteuerungsrecht.

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Beispiel 3: Vorbehaltsnießbrauch Wie Fall 1, nur hat A seinem in demselben Staat ansässigen Sohn S die Anteile an der D-GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge geschenkt, sich aber den Nießbrauch an den Anteilen vorbehalten (Abwandlung: S ist in einem Drittstaat ansässig). Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an S aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA, so dass eine Quellensteuerbegrenzung für den im anderen Vertragsstaat ansässigen Nutzungsberechtigten der Dividenden auf 15 % besteht. Wem steht der Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b zu? – Der Anspruch steht dem A zu, da es beim Vorbehaltsnießbrauch regelmäßig zu keiner Zurechnungsänderung für Zwecke des § 20 Abs. 5 EStG kommt und der Nießbraucher damit der wirtschaftliche Eigentümer der Anteile bleibt.3 Damit kommt es auch allein darauf an, ob der A im anderen Vertragsstaat ansässig ist; wo der S steuerlich ansässig ist, spielt keine Rolle.

1 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Rz. 3; v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2. 2 Vgl. hierzu auch Rz. 52. 3 Vgl. BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508, Rz. 55; Levedag in Schmidt37, § 20 EStG Rz. 174 ff. m.w.N.

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Schönfeld

C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Abs. 2)

Rz. 83 Art. 10

Beispiel 4: Zuwendungsnießbrauch Wie Fall 1, nur hat A seinem in demselben Staat ansässigen Sohn S unentgeltlich einen Nießbrauch an den Anteilen der D-GmbH zugewendet (Abwandlung: S ist in einem Drittstaat ansässig). Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an A aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA, so dass eine Quellensteuerbegrenzung für den im anderen Vertragsstaat ansässigen Nutzungsberechtigten der Dividenden auf 15 % besteht. Wem steht der Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b zu? – Der Anspruch steht weiterhin dem A zu, da es beim Zuwendungsnießbrauch regelmäßig zu keiner Zurechnungsänderung für Zwecke des § 20 Abs. 5 EStG kommt und der Nießbrauchbesteller damit der wirtschaftliche Eigentümer der Anteile bleibt.1 Zu einer Zurechnungsänderung kann es nur kommen, wenn der Nießbraucher ermächtigt ist (§ 185 BGB), auf eigene Rechnung über die belasteten Anteile zu verfügen.2 Damit kommt es auch allein darauf an, ob der A im anderen Vertragsstaat ansässig ist; wo der S steuerlich ansässig ist, spielt keine Rolle. Entsprechendes sollte beim problematischeren entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch gelten.3

79

Beispiel 5: Unterbeteiligung Wie Fall 4, nur hat A seinem in demselben Staat ansässigen Sohn S unentgeltlich eine Unterbeteiligung an den Anteilen der D-GmbH eingeräumt (Abwandlung: S ist in einem Drittstaat ansässig). Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an A aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA, so dass eine Quellensteuerbegrenzung für den im anderen Vertragsstaat ansässigen Nutzungsberechtigten der Dividenden auf 15 % besteht. Wem steht der Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b zu? – Die Beantwortung der Frage hängt davon ab, wem bei einer Unterbeteiligung das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen zusteht. Bei einem Kapitalgesellschaftsanteil ist der Unterbeteiligte nur dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.4 In der Praxis ist es vielfach so, dass das Rechtsinstitut der Unterbeteiligung dazu genutzt wird, um im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die kommende Generation an das Unternehmen heranzuführen. Der die Unterbeteiligung einräumende hält sich dabei typischerweise ein Letztentscheidungsrecht vor, die Rechte des Unterbeteiligten sind stark beschränkt (meist auf die Mindestrechte eines Kommanditisten). Bleibt danach das wirtschaftliche Eigentum bei A, steht diesem weiterhin der Entlastungsanspruch zu. Damit kommt es auch allein darauf an, ob der A im anderen Vertragsstaat ansässig ist; wo der S steuerlich ansässig ist, spielt keine Rolle. Wird der S als Unterbeteiligter der wirtschaftliche Eigentümer, dann steht S im Ausgangsfall der Entlastungsanspruch zu, in der Abwandlung kommt es darauf an, ob Deutschland mit dem Ansässigkeitsstaat des S ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA abgeschlossen hat.

80

Beispiel 6: Abtretung des Ausschüttungsanspruchs An der deutschen D-GmbH ist zu 100 % eine in einem NichtDBA-Staat ansässige natürliche Person C beteiligt. Die Beteiligung wird dem C sowohl nach deutschem als auch nach ausländischem Steuerrecht zugerechnet. Die D-GmbH beschließt am 1.2. eine Gewinnausschüttung i.H.v. 100, die nach dem Beschluss am 1.4. gezahlt werden soll. Am 2.2. tritt der C den Dividendenanspruch an den A ab, der in einem Staat ansässig ist, mit dem Deutschland ein dem OECD-MA entsprechendes DBA abgeschlossen hat. Am 1.4. kommt es zur Ausschüttung, wovon die D-GmbH 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Hat A einen Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b? – Die Frage ist zu verneinen, da nach wie vor C der Nutzungsberechtigte der Dividenden ist. Für die Bestimmung der Frage, wer der Nutzungsberechtigte ist, kommt es nicht darauf an, wem der Dividendenanspruch steuerlich zuzurechnen ist, sondern maßgeblich ist allein die steuerliche Zurechnung des Anteils an der die Dividenden zahlenden D-GmbH. Der Anteil an der D-GmbH ist aber sowohl nach deutschem Steuerrecht als auch nach dem Recht des anderen Staates dem C (und nicht dem A) zuzurechnen.

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Beispiel 7: Transparente Personengesellschaft An der deutschen D-GmbH ist zu 100 % eine im anderen Vertragsstaat ansässige Personengesellschaft beteiligt. Diese Gesellschaft qualifiziert sowohl nach deutschem als auch nach ausländischem Steuerrecht als transparente Gesellschaft. An der Personengesellschaft sind A und B zu jeweils 50 % beteiligt. A ist in demselben Staat wie die Personengesellschaft ansässig, mit dem Deutschland ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA abgeschlossen hat. B ist in einem Nicht-DBA-Staat ansässig. Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Besteht ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2? – Die Frage ist nur bezogen auf A zu bejahen. Da der Anteil an der die Dividenden zahlenden D-GmbH sowohl nach deutschem als auch nach ausländischem Steuerrecht den hinter der Personengesellschaft stehenden Mitunternehmern A und B zuzurechnen ist, sind diese (und nicht die Personengesellschaft) die Nutzungsberechtigten der Dividenden. Da aber lediglich A in einem DBA-Staat ansässig ist, besteht allein für diesen ein Anspruch auf Herabsetzung der Kapitalertragsteuer. Die Neuregelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG bestätigt dies.

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Beispiel 8: Nur aus deutscher Sicht transparente Personengesellschaft Wie Fall 7, nur qualifiziert die Personengesellschaft nach dem für deutsch-steuerliche Zwecke maßgeblichen Rechtstypenvergleich als Mitunternehmerschaft, nach ausländischem Steuerrecht handelt es sich um eine intransparente Gesellschaft, die selbst Steuersubjekt ist. Die

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1 Vgl. BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508, Rz. 57; Levedag in Schmidt37, § 20 EStG Rz. 174 ff. m.w.N., sowie Weber-Grellet in Schmidt37, § 17 EStG Rz. 53 m.w.N. 2 Weber-Grellet in Schmidt37, § 17 EStG Rz. 53 m.w.N. 3 Vgl. BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508, Rz. 58 f. 4 BFH v. 22.7.2008 – IX R 61/05, BFH/NV 2008, 2004; v. 8.11.2005 – VIII R 11/02, BStBl. II 2006, 253; Weber-Grellet in Schmidt37, § 17 EStG Rz. 52; Wacker in Schmidt37, § 15 EStG Rz. 367 m.w.N.

Schönfeld

719

Art. 10 Rz. 83

Dividenden

D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Besteht ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2? – Der Beantwortung der Frage sollte man sich in zwei Schritten nähern. Zunächst hat man festzustellen, dass aus deutscher Sicht die Nutzungsberechtigten der Dividenden die hinter der Personengesellschaft stehenden Mitunternehmer A und B sind, denen für deutsch-steuerliche Zwecke die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zuzurechnen sind. Da lediglich A in einem DBA-Staat ansässig ist, wäre es daher aus deutscher Sicht an sich folgerichtig, wie in Fall 7 allein dem A einen Anspruch auf Herabsetzung der Kapitalertragsteuer zuzugestehen. Bereits das BMF-Schr. v. 24.1.20121 will davon aber abweichen, soweit der andere Vertragsstaat die Dividenden einer dort ansässigen und dort mit den Dividenden steuerpflichtigen Person zurechnet. Da die Personengesellschaft nach dem Recht des anderen Vertragsstaates dort mit den Dividenden steuerpflichtig ist, kann daher die Personengesellschaft die Herabsetzung der Kapitalertragsteuer beanspruchen. Nach Rz. 3 Satz 6 des BMF-Schr. v. 24.1.20122 sowie Tz. 2.1.2 des BMF-Schr. v. 26.9.20143 soll die Personengesellschaft einen eigenständigen Entlastungsanspruch haben, was darauf hindeutet, dass sogar die Vergünstigungen des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b (5 %) beansprucht werden können. Die in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG enthaltende Neuregelung soll diese Sicht der Finanzverwaltung kodifizieren, ohne allerdings auch die Frage der „ausländischen Gesellschaft“ zu beantworten. Es wäre allerdings bei einer partiellen Qualifikationsverkettung nur konsequent, auch diese Frage zu bejahen.

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Beispiel 9: Nur aus ausländischer Sicht transparente Personengesellschaft Wie Fall 7, nur qualifiziert die Personengesellschaft nach dem für deutsch-steuerliche Zwecke maßgeblichen Rechtstypenvergleich als intransparente Gesellschaft, aber nach ausländischem Steuerrecht handelt es sich um eine transparente Gesellschaft. Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Besteht ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2? – Der Beantwortung der Frage sollte man sich wieder in zwei Schritten nähern. Zunächst hat man festzustellen, dass aus deutscher Sicht der Nutzungsberechtigte der Dividenden die intransparente Personengesellschaft ist, da dieser für deutschsteuerliche Zwecke die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zuzurechnen sind. Allerdings ist die Personengesellschaft nicht im anderen Vertragsstaat ansässig, weil sie dort eben gerade nicht Steuersubjekt ist. Insoweit hat man den Anspruch auf Herabsetzung der Kapitalertragsteuer eigentlich zu versagen. Nach dem BMF-Schr. v. 24.1.20124 (sowie der Neuregelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG) soll es aber darauf ankommen, ob der andere Vertragsstaat die Dividenden einer dort ansässigen und mit den Dividenden steuerpflichtigen Person zurechnet. Dies ist jedenfalls bezogen auf A der Fall, weshalb insoweit ein Anspruch auf Herabsetzung der Kapitalertragsteuer nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a (15 %) besteht. Da B in einem Nicht-DBA-Staat ansässig ist, besteht insoweit kein Anspruch. Wäre aber der B in einem Staat ansässig, mit dem Deutschland ein dem OECD-MA entsprechendes DBA abgeschlossen hat, dann würde sich die Kapitalertragsteuerherabsetzung zum einen nach diesem DBA richten und zum anderen danach, ob der Ansässigkeitsstaat des B diesem steuerlich den Anteil an der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft zurechnet. Die in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG enthaltende Regelung soll diese Sicht der Finanzverwaltung kodifizieren.

85

Gegenstand der Begrenzung („die Steuer darf aber“). Gegenstand der durch Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 konstituierten Begrenzung ist die durch den Quellenstaat zu erhebende „Steuer“. Auch wenn dies in Abhängigkeit des innerstaatlichen Steuerrechts des Quellenstaates mehrere Steuern sein können, so gilt die Begrenzung jedoch entsprechend des Anwendungsbereiches des betreffenden DBA grds. für sämtliche vom Einkommen erhobenen Steuern.5 Aus deutscher Sicht folgt daraus, dass die Begrenzung nicht nur die Kapitalertragsteuer, sondern auch den hierauf gem. § 1 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG erhobenen Solidaritätszuschlag erfasst. In der Summe dürfen daher Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag die in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a und b genannten Grenzen von 5 % bzw. 15 % nicht übersteigen. Technisch setzt § 5 SolZG dies so um, dass sich die Ermäßigung nach einem DBA zunächst auf den Solidaritätszuschlag bezieht.6 b) 5 % bei Schachteldividenden (Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a)

86

Allgemeines. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a begrenzt das Besteuerungsrecht des Quellenstaates auf 5 % des Bruttobetrages der Dividenden, wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft ist, die unmittelbar über mindestens 25 % des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt. Derartige zwischengesellschaftliche Dividenden werden auch als sog. „Schachteldividenden“ bezeichnet. Das Mindestbeteiligungserfordernis von 25 % ist gewählt worden, weil es nach internationalen Maßstäben dazu dient, sog. „Portfolioinvestitionen“ von „Direktinvestitionen“ abzugrenzen. Ein Beteiligungsumfang von 25 % gewährt gesellschaftsrechtlich regelmäßig einen wesentlichen Einfluss auf die Beteiligungsgesellschaft, und sei es auch nur über eine Sperrminorität. Die rechtspraktische Bedeutung ist jedenfalls innerhalb der EU relativ gering, 1 2 3 4 5 6

BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Rz. 3 Satz 5. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 3 Satz 5. Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 63. Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 63.

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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Abs. 2)

Rz. 90 Art. 10

weil die MTR schon bei einer Mindestbeteiligung in Höhe von 10 % ein vollständiges Quellenbesteuerungsverbot aufstellt (vgl. Rz. 19). Im Übrigen hat Deutschland (oder die EU) mit wichtigen Industriestaaten ebenfalls ein Quellenbesteuerungsverbot vereinbart. Nutzungsberechtigter ist eine Gesellschaft. Voraussetzung für die Gewährung des Schachtelprivilegs ist zunächst, dass der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine Gesellschaft ist. Der Begriff des „Nutzungsberechtigten“ ist in Rz. 73 ff. ausführlich kommentiert. Der Begriff der „Gesellschaft“ wird in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b legal definiert. Danach umfasst der Ausdruck „Gesellschaft“ sämtliche juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten kann auf die Kommentierung zu Art. 3 Rz. 15 ff., verwiesen werden. Im Übrigen ist der in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a verwandte Begriff der Gesellschaft identisch mit dem in Art. 10 Abs. 1 verwandten Begriff, so dass auch auf die dortigen Ausführungen einschließlich der Probleme mit hybriden Rechtsträgern verwiesen werden kann (Rz. 29 ff.). Zu beachten ist lediglich, dass Deutschland grundsätzlich der anwenderstaatsorientierten Auslegung folgt, d.h. die Bestimmung der Frage, ob eine juristische Person oder ein Rechtsträger für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, grds. nach deutschsteuerlichen Grundsätzen erfolgt (sog. Rechtstypenvergleich). Lediglich bei Qualifikationskonflikten will die Finanzverwaltung auf eine (nur) eingeschränkte Qualifikationsverkettung mit Blick auf die steuerliche Qualifikation durch den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers abheben (dazu sogleich Rz. 88).

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Keine Personengesellschaften. Der bis einschließlich im OECD-MA 2014 enthaltene Klammerzusatz „jedoch keine Personengesellschaften“ wurde in der aktuellen Fassung des OECD-MA vom 21.11.2017 im Hinblick auf die nunmehr gem. Art 1 Abs. 2 OECD-MA 2017 mögliche Abkommensberechtigung von Personengesellschaften ersatzlos gestrichen. Nach dem Willen der OECD soll nunmehr der ermäßigte Quellensteuersatz für Schachteldividenden auch den in einem Vertragsstaat ansässigen (hybriden) Personengesellschaften zur Verfügung stehen können. Sofern die Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat für steuerliche Zwecke als intransparent behandelt wird, gilt sie als Gesellschaft i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA 2017. Damit greift auch die Begünstigung des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a ohne Rücksicht darauf, ob der Quellenstaat den jeweiligen Rechtsträger steuerlich als transparent qualifiziert (vgl. Art. 10 Rz. 11 OECD-MK 2017). Für Deutschland ergibt sich gleichwohl keine wesentliche Änderung. Schon nach dem BMF-Schr. v. 24.1.20121 sollte auch eine Personengesellschaft, die nach dem ausländischen Steuerrecht als Kapitalgesellschaft behandelt wird, „Gesellschaft“ i.S.d. § 50d EStG sein können. Da der dortige Gesellschaftsbegriff auf einem abkommensrechtlichen Fundament ruht, war diese Frage auch für Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a (a.F.) mit der Finanzverwaltung zu beantworten und somit von einer partiellen Qualifikationsverkettung auszugehen. Dies galt selbst dann, wenn die Personengesellschaft nur steuerlich als „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b qualifizierte und nach ausländischem Gesellschaftsrecht eine Personengesellschaft blieb. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Neuregelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG hinzuweisen, die eine partielle Qualifikationsverkettung an die Beurteilung des anderen Vertragsstaats anordnet, wobei aber gegenwärtig noch offen ist, ob die Vorschrift nur formelle oder auch materielle Wirkung hat.2

88

Besonderheiten bei Organ- und Gruppengesellschaften. Auch deutsche Organgesellschaften können als Nutzungsberechtigte einer Dividende in den Genuss des Schachtelprivilegs kommen. Zum einen ändert die Einbeziehung in einen Organkreis nichts daran, dass die Organgesellschaft selbst steuerpflichtig bleibt und damit in Deutschland ansässig i.S.v. Art. 4 Abs. 1 ist. Zum anderen ändert die Zurechnung des Einkommens nach § 14 Abs. 1 KStG nichts daran, dass die Organgesellschaft Nutzungsberechtigte bleibt. Denn aufgrund der Technik der deutschen Organschaftsbesteuerung (Bruttomethode) werden die Einkünfte steuerlich zunächst der Organgesellschaft zugerechnet, um dort das dem Organträger zuzurechnende Einkommen zu ermitteln. Damit bleibt auch das maßgebliche wirtschaftliche Eigentum an dem Anteil an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft bei der Organgesellschaft.3 Da Deutschland allerdings im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a nicht der Anwenderstaat ist, muss man im Blick haben, dass diese Aussage auch von der Qualifikation durch den Quellenstaat abhängt. Deutschland als Anwenderstaat ermöglicht jedenfalls ausländischen Gesellschaften, die Mitglied einer (nach ausländischem Recht) steuerlichen Gruppe sind, deren Einkünfte konsolidiert werden, in den Genuss des Schachtelprivilegs zu kommen.4

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Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat. Die die Dividenden beziehende Gesellschaft muss im anderen Vertragsstaat ansässig sein. Dies folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 Satz 1

90

1 2 3 4

BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Rz. 3 Satz 6. Dazu näher Rz. 52. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 78; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 87 ff. Vgl. BFH v. 19.2.1975 – I R 26/73, BStBl. II 1975, 584.

Schönfeld

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Art. 10 Rz. 90

Dividenden

Halbs. 2 Buchst. a. Aus dem in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 enthaltenen allgemeinen Erfordernis, dass der Nutzungsberechtigte der Dividenden im anderen Vertragsstaat ansässig sein muss, ergibt sich jedoch zwingend, dass dann, wenn der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine Gesellschaft, diese ebenfalls im anderen Vertragsstaat ansässig sein muss. Wann eine Gesellschaft in einem Vertragsstaat ansässig ist, findet sich bereits im Zusammenhang mit Art. 10 Abs. 1 kommentiert, dort auch zu Problemen mit doppelansässigen Gesellschaften und Qualifikationskonflikten (vgl. Rz. 40 ff.). Im Übrigen kommt es nach der in Art. 4 Abs. 1 enthaltenen Legaldefinition darauf an, wo die Gesellschaft aufgrund ihres Ortes der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals nach dem Recht dieses Staates (unbeschränkt) steuerpflichtig ist. In Deutschland ist eine Gesellschaft unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren statutarischen Sitz hat. Eines der beiden Kriterien genügt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auch auf die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 1 (Art. 4 Rz. 38 ff.) verwiesen. 91

Kapitalbeteiligung von mindestens 25 %. Das Schachtelprivileg wird auch nur dann gewährt, wenn die nutzungsberechtigte Gesellschaft über mindestens 25 % des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt.1 Das Kapital als Bezugsgröße ist im Zusammenhang mit dem Umfang der Beteiligung des Gesellschafters an den Ausschüttungen der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zu sehen. Da sich dies nach dem Gesellschafts- und nicht nach dem Steuerrecht richtet, ist das Kapital im gesellschaftsrechtlichen Sinne angesprochen. Es handelt sich dabei um das Nennkapital, im Regelfall um das in der Bilanz ausgewiesene Grund- oder Stammkapital (Art. 10 Rz. 15 Buchst. a und b OECD-MK). Unterschiede bei der Ausgestaltung der Gesellschaftsanteile (wie z.B. Stammaktien, Vorzugsaktien, stimmrechtslose Aktien, Inhaberaktien, Namensaktien etc.) bleiben ebenfalls unberücksichtigt (Art. 10 Rz. 15 Buchst. c OECD-MK). Veränderungen in der Beteiligung am Kapital können sich daher grds. nur durch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in Form von Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen ergeben.

92

Kapitalbeteiligung bei anderen Finanzierungsformen. Andererseits sollen nach Art. 10 Rz. 15 Buchst. d OECD-MK auch Darlehen und andere Mittel, die gesellschaftsrechtlich zwar kein Kapital darstellen, deren Erträge aber nach innerstaatlichem Recht unter Art. 10 fallen, als „Kapital“ i.S.v. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a anzusehen sein. Dies könnte man zwar mit dem Argument kritisieren, dass der OECDMK keine rechtsbegründende Wirkung haben kann. Andererseits muss man aber auch berücksichtigen, dass das Kapital als Bezugsgröße im Zusammenhang mit dem Umfang der Beteiligung an den Ausschüttungen der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zu sehen sein soll. Ist das aber richtig, dann spricht einiges dafür, auch solche der die Dividenden zahlenden Gesellschaft überlassenen Mittel als „Kapital“ zu qualifizieren, die zu abkommensrechtlichen Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 führen. Der BFH hat gleichwohl für eine stille Beteiligung, deren Erträge nach dem betreffenden DBA als (fiktive) Dividenden galten, entschieden, dass es sich dabei um keine das Schachtelprivileg gewährende Kapitalbeteiligung handelt.2 Neben der Fiktion von Dividenden hätte dies auch die zusätzliche Fiktion einer Kapitalbeteiligung erfordert. Die Entscheidung ist zwar zu dem im Methodenartikel enthaltenen Schachtelprivileg ergangen, die dort entwickelten Grundsätze wird man aber aufgrund ihrer Deutlichkeit durchaus auf das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a übertragen können. Es dürfte auch schwierig sein, die Entscheidungsgrundsätze als bloße bereichsspezifische Ausnahme zur Vermeidung „weißer Einkünfte“ zu begreifen. Zwar ist die Entscheidung klar davon geprägt, die Entstehung solcher Einkünfte aufgrund „hybrider Finanzierungsinstrumente“ zu verhindern. Der BFH hat seine Begründung aber deutlich breiter angelegt. Man muss deshalb davon ausgehen, dass aus deutscher Sicht eine Beteiligung am Kapital in aller Regel nur eine solche am Nenn- oder Grundkapital sein wird. Damit dürften andere Finanzierungsformen, sofern diese zu keiner gesellschaftsrechtlichen Beteiligung am Kapital führen, vom Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a ausgenommen sein (z.B. Genuss-, Wandlungs- und Optionsrechte).

93

Bestimmung der Kapitalbeteiligung und eigene Anteile. Die in Rz. 92 dargestellte strenge formale Sicht dürfte im Übrigen auch zur Folge haben, dass von der die Dividenden zahlenden Gesellschaft gehaltene eigene Anteile keinen Einfluss auf die Bestimmung des Beteiligungsumfangs haben, womit eigene Anteile nicht zu einer Verminderung des Kapitals für diesen Zweck führen.3

1 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 82 ff.; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 31 f.; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 73 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 83 ff.; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 56 f. 2 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 3 Streitig, wie hier Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 57; a.A. Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECDMA Rz. 75; Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 84; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 36, unter Hinweis auf eher nicht einschlägige BFH-Rspr.

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Schönfeld

C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Abs. 2)

Rz. 96 Art. 10

Bestimmung der Kapitalbeteiligung und Wertpapierleihe. Kaeser/Wassermeyer1 weisen zutreffend darauf hin, dass bei einer Wertpapierleihe der Entleiher neben dem zivilrechtlichen auch das volle wirtschaftliche Eigentum an den entliehenen Papieren erwirbt, und dass daher auch die über eine Wertpapierleihe vermittelten Anteile bei der Bestimmung der Kapitalbeteiligung zu berücksichtigen sind. Der Umstand, dass in der Regel über den Wertpapierleihzins ein Ausgleich für eine während der Leihe vereinnahmte Dividende an den Verleiher gezahlt werden muss, ändert an dieser Zurechnung nichts, da den Entleiher für den Zeitraum der Leihe alle Chancen und Risiken aus dem zugrundeliegenden Papier treffen und alle daraus resultierenden Rechte zustehen. Insofern unterscheidet sich die Wertpapierleihe von der unter Rz. 81 dargestellten bloßen Abtretung des Dividendenanspruchs. Für die Richtigkeit der vorstehenden Überlegung spricht im Übrigen auch, dass der Gesetzgeber im Rahmen der neuen Steuerpflicht von Streubesitzdividenden in § 8b Abs. 4 KStG die Wertpapierleihe für die Bestimmung der Mindestbeteiligungsquote von 10 % ausdrücklich ausnimmt. Dies hätte er nicht gemusst, wenn die Wertpapierleihe schon keine Beteiligung am Kapital vermittelt. Wollte der Gesetzgeber dies daher auch für abkommensrechtliche Zwecke so haben, müsste er es (vorzugsweise in dem betreffenden DBA) regeln.

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Geringere Beteiligung. Die Vertragsstaaten können nach Art. 10 Rz. 13 OECD-MK auch eine unter 25 % 95 liegende Mindestbeteiligung vereinbaren. Dies soll insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn der Staat, in dem die Muttergesellschaft ansässig ist, aufgrund seines innerstaatlichen Steuerrechts der Gesellschaft eine Befreiung für Dividenden gewährt, die aus einer Beteiligung von weniger als 25 % an einer nichtansässigen Gesellschaft stammen. Aus deutscher Sicht wäre daher eine Absenkung der Mindestbeteiligung auf jedenfalls 15 % gerechtfertigt, weil dies die Mindestbeteiligungsvoraussetzung für das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg des § 9 Nr. 7 Satz 1 Halbs. 1 GewStG ist, bei Maßgabe des Körperschaftsteuerrechts wäre mit Blick auf § 8b Abs. 4 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09 eine Herabsetzung auf 10 % gerechtfertigt. Die deutsche Abkommenspraxis ist hier sehr uneinheitlich, z.T. wird das Mindestbeteiligungserfordernis aber bis auf 10 % abgesenkt (zu ausgewählten deutschen DBA vgl. Rz. 223 ff.). In wenigen Fällen ist es aber auch so, dass Deutschland abweichend von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a eine höhere Mindestbeteiligung vereinbart. In diesen Fällen ist es dann aber auch zumeist so, dass die Begrenzung des Quellenbesteuerungsrechts nicht bei 5 %, sondern bei 0 % liegt (z.B. 80 % Mindestbeteiligung nach Art. 10 Abs. 3 DBA-USA, vgl. Rz. 458 ff.). Unmittelbarkeitserfordernis. Für die Gewährung des Schachtelprivilegs verlangt Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a zusätzlich, dass die nutzungsberechtigte Gesellschaft „unmittelbar“ über mindestens 25 % des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt. Das OECD-MA selbst definiert nicht, was damit gemeint ist. Insoweit soll die Definition gem. Art. 3 Abs. 2 dem Anwenderstaat überlassen bleiben.2 Aus deutscher Sicht ist unbestritten, dass mittelbar über eine andere (Tochter-)Kapitalgesellschaft gehaltene Anteile nicht mit direkt gehaltenen Anteilen an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zusammengerechnet werden können. Dies ist auch abkommensrechtlich nachvollziehbar, weil die vermittelnde Kapitalgesellschaft selbst Nutzungsberechtigte ist. Schwieriger ist die Problematik, wenn Anteile über eine Personengesellschaft gehalten werden. Es konnte bereits gezeigt werden, dass Nutzungsberechtigte in diesem Fall die hinter der Personengesellschaft stehenden Gesellschafter sind (vgl. Rz. 88). Insoweit wäre es nur konsequent, aus steuerlicher Sicht darin keine mittelbare, sondern eine unmittelbare Beteiligung zu sehen. Insoweit wären über eine Personengesellschaft gehaltene Anteile mit direkt gehaltenen Anteilen an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zusammenzurechnen. Nach älterer Rechtsprechung soll dies allerdings nicht möglich sein. So soll die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft eine unmittelbare Beteiligung zumindest dann verhindern, wenn sich die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft im Gesamthandsvermögen befindet.3 Neuerdings hat der I. Senat des BFH zu § 9 Nr. 7 GewStG allerdings eine andere Auffassung vertreten.4 Man sollte mit Blick auf den Telos von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a überlegen, ob man die vom BFH angestellten Überlegungen nicht auf diese Regelung übertragen kann.5 Dies erscheint auch deshalb sachgerecht, weil es keinen Unterschied machen kann, ob die Anteile über eine aus Sicht beider Vertragsstaaten transparente Personengesellschaft oder aus Sicht nur eines Ver1 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 69. 2 Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 80; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 102; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 91; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 55. 3 BFH v. 6.5.1985 – I R 108/81, BStBl. II 1985, 523; v. 15.6.1988 – II R 224/84, BStBl. II 1988, 761. 4 BFH v. 17.5.2000 – I R 31/99, BStBl. II 2001, 685; der BFH hat darauf hingewiesen, dass es für die Gewährung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs nicht darauf ankommen kann, wie die Beteiligung im Inland strukturiert ist. 5 Im Ergebnis ebenso Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 42; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 104 f.; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 74; a.A. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 80.

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Art. 10 Rz. 96

Dividenden

tragsstaates transparente Personengesellschaft gehalten werden. Denn in letzterem Fall kann die Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schr. v. 24.1.20121 und v. 26.9.20142 dazu führen, dass die Anteile dem hinter der Personengesellschaft stehenden Gesellschafter mit der Folge zuzurechnen sind, dass trotz der zivilrechtlichen Zwischenschaltung einer Personengesellschaft steuerlich eine unmittelbare Beteiligung besteht. Erst recht muss dies nach Kodifizierung der in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG enthaltenen Regelung gelten.3 In diesem Zusammenhang ist auch auf die vergleichbare Diskussion zu Art. 1 Abs. 7 DBA-USA hinzuweisen.4 97

Beispiel 1: Beteiligung über (intransparente) Kapitalgesellschaft Eine im anderen Vertragsstaat ansässige Muttergesellschaft M hält sämtliche Anteile an einer in demselben Vertragsstaat ansässigen Tochtergesellschaft T, die aus deutscher und ausländischer Sicht als intransparenter Rechtsträger besteuert wird, sowie daneben 20 % der Anteile an der deutschen D-GmbH. Die T hält ihrerseits weitere 10 % an der D-GmbH. Zwischen Deutschland und dem anderen Vertragsstaat besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Besteht für Dividenden der D-GmbH ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a? – Die Frage ist zu verneinen, da eine unmittelbare Beteiligung der M an der D-GmbH lediglich im Umfange von 20 % besteht. Die von der T gehaltene Beteiligung von 10 % kann nicht mit der von der M gehaltenen Beteiligung zusammengerechnet werden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass M sämtliche Anteile an der T hält, da T selbst Nutzungsberechtigte der Dividenden ist.

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Beispiel 2: Beteiligung über (hybride) Personengesellschaft Ausgangsfall: Wie Fall 1, nur wird die T aus deutscher Sicht als intransparenter und aus ausländischer Sicht als transparenter Rechtsträger besteuert. Besteht für Dividenden der D-GmbH ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a? – Die Frage sollte zu bejahen sein. Nach Rz. 3 Satz 5 des BMF-Schr. v. 24.1.20125, Tz. 2.1.2 des BMF-Schr. v. 26.9.20146 sowie der Neuregelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG7 soll unabhängig von der deutsch-steuerlichen Qualifikation eines ausländischen Rechtsträgers die steuerliche Zurechnung durch den anderen Vertragsstaat maßgeblich sein, sofern die Dividenden nach dem Recht des anderen Vertragsstaates dort steuerpflichtig sind. Dies führt vorliegend dazu, dass ungeachtet der deutsch-steuerlichen Qualifikation der T die Entlastungsberechtigung bei M liegt. Ist dies aber der Fall, dann ist es nur konsequent, die zivilrechtlich von der T gehaltenen Anteile an der D-GmbH mit den zivilrechtlich von der M gehaltenen Anteilen zusammenzurechnen. Dies führt zu einer (steuerlich) unmittelbaren Beteiligung von 30 %, die das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a eröffnet. Abwandlung: Gilt dies auch, wenn die T aus deutscher Sicht als transparenter und aus ausländischer Sicht als intransparenter Rechtsträger besteuert wird. Die Frage sollte nach den vorstehenden Ausführungen zu verneinen sein. Denn rechnet das ausländische Steuerrecht der T die Anteile an der D-GmbH zu, dann wird Deutschland diese Zurechnung mit der Folge nachvollziehen, dass Nutzungsberechtigter bezogen auf den 10 %-Anteil die T und bezogen auf den 20 %-Anteil die M ist. Eine Zusammenrechnung dürfte damit für Zwecke des Schachtelprivilegs nicht in Betracht kommen.

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Beispiel 3: Beteiligung über (transparente) Personengesellschaft Wie Fall 1, nur wird die T aus deutscher Sicht und ausländischer Sicht als transparenter Rechtsträger besteuert. Besteht für Dividenden der D-GmbH ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a? – Die Frage sollte zu bejahen sein. Zwar soll nach älterer Rspr. die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft eine „unmittelbare“ Beteiligung zumindest dann verhindern, wenn sich die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft im Gesamthandsvermögen befindet.8 Da allerdings Nutzungsberechtigter der Anteile an der D-GmbH nach übereinstimmender Auffassung beider Vertragsstaaten die M ist, besteht aus teleologischer Sicht überhaupt kein Anlass, der M das Schachtelprivileg aus rein formalen (zivilrechtlichen) Gründen zu versagen. Es wäre auch ein echtes Novum, dass die zivilrechtliche Beurteilung die steuerliche Betrachtung schlägt. Hinzu kommt, dass nach Rz. 3 Satz 5 des BMF-Schr. v. 24.1.20129, Tz. 2.1.2 des BMF-Schr. v. 26.9.201410 sowie der Neuregelung in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG11 die steuerliche Zurechnung durch den anderen Vertragsstaat (partiell) maßgeblich sein soll. Dies führt nach dem Beispiel 2 (Ausgangsfall) dazu, dass bei hybriden Personengesellschaften eine unmittelbare Beteiligung gegeben sein kann. Ist dies aber zutreffend, dann muss dies erst recht dann gelten, wenn der (zivilrechtlich zwischengeschaltete) ausländische Rechtsträger aus Sicht beider Vertragsstaaten transparent ist.

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Mindesthaltedauer. Im neuen OECD-MA i.d.F. vom 21.11.2017 ist erstmals in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a eine Mindesthaltedauer für die Beteiligung geregelt. Das Musterabkommen spricht da1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Rz. 3 Satz 5. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2. Vgl. zum Entwurf des JStG 2013 die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 44. Vgl. Schnitger in E/J/G/K, Art. 1 DBA-USA Rz. 76; Schönfeld, IStR 2007, 274, 277; Sheppard, Tax Notes International 2006 (October 2), 96, 98; a.A. wohl FG Köln v. 24.4.2012 – 2 K 3928/09, EFG 2012, 1853; s. zu diesem Urteil Oellerich, ISR 2012, 15, 16. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2. Näher Rz. 52. BFH v. 6.5.1985 – I R 108/81, BStBl. II 1985, 523; v. 15.6.1988 – II R 224/84, BStBl. II 1988, 761. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.1.2. Näher Rz. 52.

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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Abs. 2)

Rz. 101 Art. 10

von, dass die im anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft mindestens „während eines Zeitraums von 365 Tagen einschließlich des Tages der Dividendenzahlung“ über die qualifizierte Beteiligung „verfügt“. Die Einführung einer Mindesthaltedauer wurde bereits in dem im September 2014 veröffentlichten Bericht der OECD zu „Action Point 6“ des BEPS-Aktionsplans empfohlen, um zu verhindern, dass kurzfristige Eigentümerwechsel oder Aufstockungen der gehaltenen Anteile rund um den Tag der Ausschüttung einzig zu dem Zweck vorgenommen werden, in den Genuss des begünstigten Quellensteuersatzes für Schachteldividenden zu kommen.1 In ihrem Final Report 2015 konkretisierte die OECD das Bedürfnis für die Regelung einer Mindesthaltedauer nochmals und empfahl konkret eine Zeitperiode von 365 Tagen2, sodass die nunmehr erfolgte Einfügung in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a nur die logische Konsequenz des bisherigen Diskussionsprozesses ist. Noch offen ist bisher die Frage, wie die einjährige Mindesthaltedauer zu berechnen ist. Unmittelbar aus dem Wortlaut lässt sich nicht eindeutig erkennen, ob die Mindesthaltedauer bis einschließlich des Tages der Dividendenzahlung erreicht sein oder ob sie den Tag der Dividendenzahlung lediglich umschließen muss, d.h. ggf. auch erst zu einem signifikant späteren Zeitpunkt erfüllt sein kann.3 Der OECD-MK äußert sich nicht dazu, wie die Mindesthaltedauer zu berechnen ist (vgl. Art. 10 Rz. 16 OECD-MK). Betrachtet man den Wortlaut der Vorschrift genau, ist es denkbar, dass der Beteiligungszeitraum auch später vollendet werden kann. Denn erforderlich ist nur, dass die Gesellschaft über einen Zeitraum von 365 Tagen über die qualifizierte Beteiligung „verfügt“, nicht jedoch bis zum Tag der Dividendenzahlung „verfügt hat“.4 Eine ähnliche Regelung findet sich z.B. in der deutschen Rechtsordnung in § 43b Abs. 2 Satz 5 EStG in Bezug auf die MTR. Dort wird es ebenfalls als ausreichend erachtet, dass der zwölfmonatige Beteiligungszeitraum auch nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer gem. § 44 Abs. 1 Satz 2 vollendet wird. Schädlich ist es hingegen, wenn die Schachtelbeteiligung an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft nicht ununterbrochen 365 Tage um den Tag der Dividendenzahlung herum besteht.5 Änderungen der Eigentumsverhältnisse, die sich unmittelbar aus einer Umstrukturierung (z.B. Verschmelzung oder Spaltung) der die Anteile haltenden oder die Dividenden zahlenden Gesellschaft ergeben, bleiben bei der Berechnung der Mindesthaltedauer nach dem Klammerzusatz des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a außer Betracht. Die praktische Bedeutung des zusätzlichen Erfordernisses einer Mindesthaltedauer bei Schachteldividenden dürfte sich aus deutscher Sicht auf DBA mit Drittstaaten beschränken. Handelt es sich bei dem Vertragspartner um einen EU-Mitgliedstaat ist das abkommensrechtliche Schachtelprivileg aufgrund der neuen Mindesthaltedauer praktisch bedeutungslos geworden, da sie der Mindesthaltedauer der MTR entspricht.6 Diese postuliert ohnehin ein Quellensteuerverbot, sofern die Beteiligung an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft mindestens zwölf Monate ununterbrochen bestand (vgl. § 43b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 4 EStG). Rechtsfolge: Begrenzung auf 5 % des Bruttobetrags der Dividende. Als Rechtsfolge begrenzt Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a das Besteuerungsrecht des Quellenstaates auf „5 v.H. des Bruttobetrages der Dividenden“. Damit bringt die Regelung zunächst zum Ausdruck, dass die maximale Quellenbesteuerung als Höchstsatz bei 5 % liegen darf. Den Vertragsstaaten steht es allerdings frei, einen geringeren Satz zu vereinbaren, wovon Deutschland in DBA z.T. Gebrauch gemacht hat. Daneben ist auch auf die MTR hinzuweisen, die innerhalb der EU bei geringerer Mindestbeteiligung ein Quellenbesteuerungsverbot aufstellt (vgl. Rz. 19). Darüber hinaus enthält die Rechtsfolge einen Hinweis auf die Bemessungsgrundlage für die Begrenzung, nämlich den Bruttobetrag der Dividenden. Der Quellenstaat darf also nicht mehr als 5 % dieses Betrages an Steuern erheben. Was dabei unter dem „Bruttobetrag der Dividenden“ zu verstehen ist, ergibt sich nicht ausdrücklich aus dem DBA. Vor dem Hintergrund der Regelung macht aber bereits der Begriff „Brutto“ deutlich, dass damit lediglich eine Klarstellung dahingehend erfolgt, dass die Quellensteuer „auf die „Brutto“-dividende, d.h. auf einen Betrag vor Abzug der Quellensteuer erhoben wird“.7 Daneben sollen auch Aufwendungen, die im Zusammenhang mit den fraglichen Dividenden stehen, nicht bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen sein.8 1 OECD, Action 6 – September 2014, Deliverables, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015, Rz. 25 f., abrufbar unter: https://read.oecd-ilibrary.org/taxation/preventing-the-granting-of-treaty-benefits-in-inap propriate-circumstances_9789264219120-en. 2 OECD, Action 6 – 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, 2015, Rz. 36, abrufbar unter: https://read.oecd-ilibrary.org/taxation/preventing-the-granting-of-treaty-benefits-in-inappropriate-circum stances-action-6-2015-final-report_9789264241695-en. 3 Grotherr, FR 2017, 767 (769). 4 Im Erg. so auch Gradl/Kiesewetter, IStR 2018, 1 (5). 5 Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1174). 6 Ditz/Bärsch/Quilitzsch, DB 2018, 1171 (1174). 7 BFH v. 29.5.1996 – I R 21/95, BStBl. II 1997, 63. 8 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 62; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 28; Tischbirek/ Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 44.

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Art. 10 Rz. 102

Dividenden

c) 15 % in allen anderen Fällen (Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b) 102

In allen anderen Fällen. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b begrenzt das Besteuerungsrecht des Quellenstaates schließlich in allen anderen Fällen auf 15 % des Bruttobetrages der Dividenden. Die Formulierung „in allen anderen Fällen“ bringt dabei in Abgrenzung zum Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a zum Ausdruck, dass in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b eine Auffangvorschrift für solche Fälle zu sehen ist, in denen die besonderen Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nicht erfüllt sind. Der Grundfall dürfte dabei der sein, dass der im anderen Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte über weniger als 25 % des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt (sog. Streubesitzanteile). Es sind allerdings auch andere Fälle denkbar. So greift Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b z.B. auch dann ein, wenn eine Beteiligung von mindestens 25 % besteht, der Nutzungsberechtigte aber keine „Gesellschaft“ ist (usw). Der Auffangcharakter von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b ändert aber nichts daran, dass die allgemeinen Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 erfüllt sein müssen, insbesondere muss der Nutzungsberechtigte eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person sein. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass ausländische Kapitalgesellschaften als Dividendenempfänger nach § 44a Abs. 9 EStG einen Anspruch auf Verminderung der Kapitalertragsteuer um zwei Fünftel haben (gegenwärtig also auf 15 % zzgl. SolZ).

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Rechtsfolge: Begrenzung auf 15 % des Bruttobetrages der Dividende. Die Begrenzung des Besteuerungsrechts des Quellenstaates erfolgt auf „15 v.H. des Bruttobetrages der Dividenden“. Was unter dem „Bruttobetrag der Dividenden“ zu verstehen ist, ergibt sich aus den Ausführungen zu den identischen Begriffen in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a (vgl. Rz. 101). Im Übrigen gilt aber auch hier, dass 15 % lediglich einen Höchstsatz darstellt und die Vertragsstaaten einen geringeren Satz vereinbaren können. Deutschland hat von dieser Möglichkeit nur in wenigen DBA Gebrauch gemacht (z.B. DBA-China und DBA-Indien mit 10 %). Bemerkenswert ist allerdings auch, dass einige deutsche DBA sogar einen höheren Satz enthalten (z.B. DBA-Israel mit 25 %).

II. Durchführung der Begrenzungsbestimmung (Abs. 2 Satz 2) 1. Regelungszweck 104

Keine verfahrensrechtlichen Vorgaben. Art. 10 enthält keinerlei verfahrensrechtliche Vorgaben zur Durchführung der Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates. In technischer Hinsicht bestehen verschiedene Möglichkeiten, wie der Quellenstaat das ihm zugewiesene Besteuerungsrecht (max. 5 % bei Schachteldividenden, ansonsten max. 15 %) wahrnimmt. So wäre z.B. denkbar, dass der Quellenstaat die (der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden) Dividenden erst im Rahmen eines Veranlagungsverfahrens steuerlich erfasst und hierbei die in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a und b genannten Höchstsätze zur Anwendung bringt. Zur Sicherstellung der Besteuerung an der Quelle kann der Quellenstaat aber auch den Einbehalt und die Abführung einer Quellensteuer verlangen. Hierbei wäre wiederum denkbar, dass die Begrenzung des Quellenbesteuerungsrechts direkt bei der Erhebung der Quellensteuer umgesetzt wird. Denkbar ist aber auch, dass zunächst eine höhere Quellensteuer erhoben wird, die danach unter Berücksichtigung der Höchstsätze (teilweise) zu erstatten ist. Deutschland praktiziert zur Umsetzung der DBArechtlichen Vorgaben in § 50d Abs. 1 und 2 EStG ein Mischsystem (vgl. Rz. 106 ff.).

105

Durchführung soll durch Finanzverwaltungen geregelt werden. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 überlässt es indes den Finanzbehörden der Vertragsstaaten, in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln, welcher der in Rz. 104 dargestellten Wege zur Durchführung der Begrenzung des Quellenbesteuerungsrechts eingeschlagen werden soll. Aus deutscher Sicht ist eine solche Kompetenzzuweisung zur Exekutive schon deshalb bedenklich, weil die Durchführung der Begrenzung des Besteuerungsrechts des Quellenstaates nicht nur begünstigende, sondern auch belastende Wirkungen haben kann. Dies gilt nicht nur aufgrund der möglichen Inanspruchnahme der die Dividenden zahlenden Gesellschaft als Haftungsschuldner,1 sondern auch bereits deshalb, weil es nicht der Finanzverwaltung überlassen bleiben kann, ob ein bestehendes (teilweises) Besteuerungsverbot unmittelbar an der Quelle im Rahmen einer Freistellung oder (im schlimmsten Falle) erst Jahre später im Rahmen einer Erstattung vollzogen wird. Vielmehr gilt uneingeschränkt der Vorbehalt des Gesetzes, so dass aus deutscher Sicht durch Gesetz zu regeln ist, wie die Begrenzung des deutschen Besteuerungsrechts verfahrensrechtlich durchgeführt wird. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 ist damit aus deutscher Sicht leerläufig.

1 Darauf zutreffend hinweisend Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 94; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 96.

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Schönfeld

C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Abs. 2)

Rz. 107 Art. 10

2. Durchführung in Deutschland Erstattungsverfahren, § 50d Abs. 1 EStG. In Deutschland wird das nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 be- 106 grenzte Besteuerungsrecht dergestalt umgesetzt, dass gem. § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG zunächst ungeachtet der abkommensrechtlichen Vorgaben deutsche Kapitalertragsteuer i.H.v. 25 % zzgl. SolZ einzubehalten und abzuführen ist. Auf Antrag des Gläubigers der Kapitalerträge wird jedoch die den abkommensrechtlichen Höchstsatz übersteigende Kapitalertragsteuer erstattet. Den Begriff des „Gläubigers“ der Kapitalerträge versteht die Rspr. nicht im zivilrechtlichen, sondern im steuerlichen Sinne.1 Gläubiger soll daher der die Abkommensvergünstigungen nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 beanspruchende Nutzungsberechtigte sein. Dies kann insbesondere bei einer (aus Sicht beider Vertragsstaaten transparenten) Personengesellschaft problematisch sein, weil nicht diese die Nutzungsberechtigte der Dividenden ist, sondern die hinter der Personengesellschaft stehenden Gesellschafter. Folglich müssten die Gesellschafter den Erstattungsantrag stellen, was sich bei großen Personengesellschaften aus praktischer Sicht als durchaus schwierig erweisen kann. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass bei hybriden Rechtsträgern als Dividendenempfängern nach der gesetzlichen Fiktion des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG2 derjenige einen Entlastungsanspruch haben soll, dem der andere Vertragsstaat die Dividenden steuerlich zurechnet. Entsprechend ist dies auch der Antragsteller. Der Antrag ist innerhalb einer Frist von vier Jahren auf amtl. Vordruck beim BZSt zu stellen, § 50d Abs. 1 Satz 9 EStG. Die Regelung des § 50d Abs. 1 EStG enthält keine ausdrückliche Frist, innerhalb derer das BZSt über den Erstattungsantrag zu entscheiden hat. Es spricht aber eigentlich einiges dafür, die Dreimonatsfrist des § 50d Abs. 2 Satz 6 EStG entsprechend anzuwenden. Jedenfalls muss dies für solche Fälle gelten, in denen alternativ zum Erstattungsverfahren auch das Freistellungsverfahren nach § 50d Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG in Betracht käme (aber lediglich wegen des bereits durchgeführten Steuerabzugs nicht mehr beansprucht werden kann). Denn die Dreimonatsfrist des § 50d Abs. 2 Satz 6 EStG gilt auch für solche Fälle, in denen zunächst ein Antrag auf Freistellung gestellt worden ist, aber vor Erteilung der Freistellungsbescheinigung durch das BZSt die Ausschüttung mit Steuerabzug vorgenommen worden ist; in diesem Fall wandelt sich nämlich die erteilte Freistellungsbescheinigung in einen Freistellungsbescheid i.S.v. § 50d Abs. 1 EStG mit der Folge, dass ohne weiteren Antrag eine Erstattung der Kapitalertragsteuer zu erfolgen hat. Nichts anderes kann aber gelten, wenn sogleich der Erstattungsantrag gestellt wird. Die Notwendigkeit einer Bearbeitungsfrist ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die zu viel einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht verzinst wird (vgl. § 233a Abs. 1 Satz 2 AO). Die Verzinsungsregelung des § 50d Abs. 1a EStG ist auf die in § 50g EStG genannten Fälle beschränkt. Freistellungsverfahren (§ 50d Abs. 2 EStG). Neben dem in § 50d Abs. 1 EStG geregelten Erstattungsverfahren besteht die Möglichkeit eines Freistellungsverfahrens gem. § 50d Abs. 2 EStG, um die Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 bereits beim Steuerabzug durchzuführen. Dies setzt voraus, dass das BZSt dem Gläubiger der Kapitalerträge aufgrund eines auf amtl. Vordruck gestellten Antrages eine Freistellungsbescheinigung erteilt. Das Freistellungsverfahren steht dabei nur Kapitalgesellschaften als Gläubigern der Kapitalerträge zu, die im anderen Vertragsstaat ansässig sind und unmittelbar über mindestens 10 % des Nennkapitals der ausschüttenden (deutschen) Gesellschaft verfügen. Damit können insbesondere nicht natürliche Personen das Freistellungsverfahren beanspruchen. Das Freistellungsverfahren ist im Übrigen auch für solche Kapitalgesellschaften interessant, die nicht in den Genuss des Schachtelprivilegs des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a kommen (z.B. weil die Beteiligung unter 25 %, aber mindestens 10 % beträgt). Zwar besteht in diesem Falle auch ein unilateraler Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer i.H.v. zwei Fünfteln gem. § 44a Abs. 9 EStG. Allerdings verbleibt danach die Möglichkeit der Erhebung des SolZ, so dass die Besteuerung im Vergleich zu Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b insgesamt mehr als 15 % beträgt. Zum anderen verweist § 44a Abs. 9 Satz 2 EStG nicht auf § 50d Abs. 2 EStG, womit nur das Erstattungs-, nicht aber auch das Freistellungsverfahren ermöglicht wird. Das kann unter Liquiditätsgesichtspunkten von Bedeutung sein. Die Freistellung kann unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt und von Auflagen oder Bedingungen abhängig gemacht werden, § 50d Abs. 2 Satz 2 EStG. Die Geltungsdauer der Freistellung beginnt frühestens mit dem Tag des Eingangs des Antrags beim BZSt und beträgt mindestens ein Jahr und darf drei Jahre nicht überschreiten, § 50d Abs. 2 Satz 4 Halbs. 1 EStG. In der Praxis ist es so, dass die Freistellung regelmäßig für drei Jahre erteilt wird, der Gläubiger der Kapitalerträge aber verpflichtet bleibt, den Wegfall der Voraussetzungen für die Erteilung der Freistellung dem BZSt gegenüber anzuzeigen, § 50d Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 EStG. Zu beachten ist ferner, dass die Erteilung der Freistellungsbescheinigung zwar ab dem Tag des Eingangs des Antrags beim BZSt erfolgen kann, die Freistellungsbescheinigung aber keine Rückwirkung dahingehend entfalten soll, dass der Schuldner der Kapitalerträge bereits ab Antragstellung nur noch in dem im DBA genannten Umfange zur Einbehaltung von Kapitalertrag1 BFH v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235. 2 Dazu näher Rz. 52.

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Art. 10 Rz. 107

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steuer verpflichtet sein soll. Dies erscheint wenig sachgerecht, weil es keinen Sinn macht, einerseits die Geltung der Freistellung ab Antragstellung zu ermöglichen, der Freistellung aber die rechtliche Wirkung für den Schuldner der Kapitalerträge erst mit Erteilung und Aushändigung an den Schuldner zubilligt. Zwar ist nach § 50d Abs. 2 Satz 5 EStG Voraussetzung für die Abstandnahme vom Steuerabzug durch den Schuldner der Kapitalerträge, dass ihm die Freistellungsbescheinigung vorliegt. Die Regelung soll aber lediglich den ungehinderten Haftungszugriff auf den Schuldner der Kapitalerträge ermöglichen. Hierfür besteht aber kein Bedürfnis, wenn die Freistellungsbescheinigung mit Wirkung für einen vor der Entstehung der Kapitalertragsteuer liegenden Zeitpunkt erteilt wird. Hier liegt es letztlich in der Risikosphäre des Schuldners der Kapitalerträge, ob er darauf vertraut, dass die Freistellungsbescheinigung tatsächlich erteilt wird. Aufgrund dieser Unsicherheiten sollte der Schuldner der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer vorsorglich einbehalten, da anderenfalls z.B. Säumniszuschläge nach § 240 AO drohen. Anders als im Erstattungsverfahren besteht gem. § 50d Abs. 2 Satz 6 EStG die Verpflichtung des BZSt binnen einer Frist von drei Monaten über den Antrag zu entscheiden. Da die Frist allerdings gem. § 50d Abs. 2 Satz 7 EStG erst mit der Vorlage aller für die Entscheidung erforderlichen Nachweise beginnt, kann hier insbesondere mit Blick auf die Nachweise nach § 50d Abs. 3 EStG ein gewisser Spielraum bestehen. 108

Missbrauchsvorbehalt, § 50d Abs. 3 EStG und LoB-Klausel. Die Entlastungsansprüche nach § 50d Abs. 1 (Rz. 106) und Abs. 2 (Rz. 107) stehen unter dem typisierenden Missbrauchsvorbehalt des § 50d Abs. 3 EStG. Danach hat eine ausländische Gesellschaft keinen Anspruch auf völlige oder teilweise Entlastung nach § 50d Abs. 1 und Abs. 2, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, sowie (1.) in Bezug auf diese Erträge für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder (2.) die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Die Regelung ist bereits sprachlich komplex und die Auslegung wesentlicher Tatbestandsvoraussetzungen ist hochumstritten.1 In der Praxis bereitet die Anwendung erhebliche Schwierigkeiten. Das BMF-Schr. v. 24.1.20122 hilft hier nur begrenzt weiter. Inwieweit eine solche typisierende und ggf. einen sog. „Treaty override“ bewirkende Missbrauchsbekämpfungsvorschrift zulässig ist, um eine unangemessene Inanspruchnahme von Abkommensvorteilen zu verhindern (Stichwort: „Treaty-Shopping“), wird zunehmend unter verfassungs- und europarechtlichen Gesichtspunkten kritisch diskutiert (vgl. Systematik Rz. 182 ff.). Selbst wenn man sich aber grundsätzlich für diese Möglichkeit ausspricht, ergibt sich aus dem (verfassungs- und europarechtlich fundierten) Verhältnismäßigkeitsgebot, dass eine typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschrift nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung des legislativen Zieles erforderlich ist. Für den Steuerpflichtigen sollte daraus die Möglichkeit folgen, den typisierten Missbrauchsvorwurf im Rahmen eines Gegenbeweises entkräften zu können (vgl. ausführlich Systematik Rz. 190 ff.). Für § 50d Abs. 3 EStG wird ganz überwiegend bezweifelt, ob die Regelung diesen Anforderungen gerecht wird.3 Diese Ansicht hat der EuGH in der Rechtssache „Deister Holding und Juhler Holding“4 nun für den § 50d Abs. 3 EStG a.F. und in der Rechtssache „GS“5 für die aktuelle Fassung eindrucksvoll bestätigt. Die Finanzverwaltung hat darauf auch mit einem (inhaltlich unzureichenden) BMF-Schr. reagiert und die Anwendung der Regelung zumindest innerhalb des Anwendungsbereichs der MTR suspendiert.6 Hinzuweisen ist ferner darauf, dass nach richtiger (und nunmehr auch von der Finanzverwaltung im Grundsatz geteilter7) Auffassung § 50d Abs. 3 EStG die gegenüber § 42 AO speziellere Vorschrift darstellt.8 Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen von § 50d Abs. 3 EStG vor, so greifen die Rechtsfolgen der Regelung auch dann ein, wenn die Voraussetzungen von § 42 AO nicht gegeben sind. Umgekehrt bleibt für eine Anwendung von § 42 AO kein Raum, wenn die Tat-

1 Zu weiteren Einzelheiten der Neufassung durch das BeitrRLUmsG vgl. Gosch in Kirchhof17, § 50d EStG Rz. 29g ff.; Kraft/Gebhardt, DB 2012, 80, 81 ff.; Maerz/Guter, IWB 2011, 923, 924 ff.; Dorfmueller/Fischer, IStR 2011, 857, 858 ff.; Lüdicke, IStR 2012, 81. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171. 3 Vgl. dazu auch Kraft/Gebhardt, DB 2012, 80, 81 ff.; Maerz/Guter, IWB 2011, 923, 924 ff.; Dorfmueller/Fischer, IStR 2011, 857, 858 ff.; Lüdicke, IStR 2012, 81. 4 EuGH v. 20.12.2017 – C-504/16 u. C-613/16 – Deister Holding und Juhler Holding, ECLI:EU:C:2017:1009; dazu z.B. Schnitger, IStR 2018, 169. 5 EuGH v. 14.6.2018 – C-440/17 – GS, ECLI:EU:C:2018:437. 6 BMF v. 4.4.2018 – IV B 3 - S 2411/07/10016-14 – DOK 2018/0148776, BStBl. I 2018, 589; kritisch Schönfeld, IStR 2018, 325; Beutel/Oppel, DStR 2018, 1469; Gebhardt, BB 2018, 1498. 7 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Rz. 11. 8 So FG Köln v. 16.3.2006 – 2 K 2916/02, EFG 2006, 980; Gosch in Kirchhof17, § 50d EStG Rz. 30; Ritzer/Stangl, FR 2006, 757, 762 f., jeweils m.w.N.

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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Abs. 2)

Rz. 111 Art. 10

bestandsvoraussetzungen von § 50d Abs. 3 EStG nicht vorliegen.1 Wenn die Finanzverwaltung demgegenüber eine Prüfung von § 42 AO verlangt, so entbehrt dies einer rechtssystematischen Grundlage und vor allem der eigenen Einsicht von der Spezialität des § 50d Abs. 3 EStG gegenüber § 42 AO.2 Daran ändert auch § 42 Abs. 2 AO i.d.F. des StÄndG 2001 nichts, weil in Fällen des § 50d Abs. 3 EStG die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 AO, auf die auch dessen Abs. 2 abstellt, infolge des spezialgesetzlichen Wertungsvorrangs verdrängt werden.3 Mit dem neuen OECD-MA ist auch erstmals eine LoB-Klausel in Art. 29 aufgenommen worden, die bei entsprechender Umsetzung zu beachten und ggf. vorrangig vor § 50d Abs. 3 EStG anzuwenden ist (vgl. Art. 29 Rz. 1 ff.). Den unionsrechtlichen Vorgaben können sich die Abkommensparteien dadurch aber nicht entziehen (vgl. Systematik Rz. 147). Folgen eines Verstoßes gegen die Einbehaltungspflicht. Verstößt der Schuldner der Kapitalerträge vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen seine Pflicht, die gesetzliche Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen, so haftet er gem. § 44 Abs. 5 EStG für diese Kapitalertragsteuer. Der Schuldner der Kapitalerträge kann sich im Haftungsverfahren insbesondere nicht auf etwaige Rechte des Gläubigers der Kapitalerträge aus Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 berufen (§ 50d Abs. 1 Satz 12 EStG). Im eigenen Haftungsinteresse sollte sich daher der Schuldner der Kapitalerträge stets die Freistellungsbescheinigung vorlegen lassen (§ 50d Abs. 2 Satz 5 EStG) und in allen anderen Fällen den Steuerabzug vornehmen. Dies gilt selbst dann, wenn der Schuldner der Kapitalerträge etwaige Zweifel haben sollte, ob die Kapitalerträge überhaupt einem Steuerabzug unterliegen. Im Rahmen des Art. 10 kann es dabei mitunter zweifelhaft sein, ob die Zahlungen als Dividenden oder z.B. als Zinsen zu qualifizieren sind. Im letzteren besteht nur in engen Grenzen eine Verpflichtung zur Einbehaltung von Kapitalertragsteuer für eine die Kapitalerträge „auszahlende Stelle“ (vgl. § 44 Abs. 1 EStG).

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Folgen eines zu Unrecht vorgenommenen Steuerabzugs. Nimmt der Schuldner der Kapitalerträge den Steuerabzug zu Unrecht vor (z.B. weil es bereits an der beschränkten Steuerpflicht fehlt), dann kann der Gläubiger der Kapitalerträge die Steueranmeldung anfechten (was aber nur einer eingeschränkten Rechtmäßigkeitskontrolle unterliegt; bei Zweifeln des Schuldners ist die Steueranmeldung bereits rechtmäßig). Parallel kann er auch die Erstattung beantragen, dann aber in entsprechender Anwendung von § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG, wobei nicht das BZSt, sondern das Betriebsstättenfinanzamt des Schuldners der Kapitalerträge örtlich zuständig sein soll. Bei einer entsprechenden Anwendung von § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG hätte man sich eigentlich auch eine entsprechende Anwendung von § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG und damit eine Zuständigkeit des BZSt vorstellen können. Der BFH hat aber erst wieder kürzlich entschieden, dass er diese Analogie für Zuständigkeitsfragen nicht ziehen will.4 Um sich in der Zukunft vor einem unrechtmäßigen Steuerabzug zu schützen, sollte der Gläubiger der Kapitalerträge in entsprechender Anwendung von § 50d Abs. 2 EStG beim Betriebsstättenfinanzamt einen feststellenden Verwaltungsakt dergestalt begehren können, dass künftig kein Steuerabzug durch den Schuldner der Kapitalerträge durchzuführen ist. Es wäre wertungswidersprüchlich, wenn zwar eine Erstattung in entsprechender Anwendung von § 50d Abs. 1 EStG begehrt werden könnte, nicht aber auch eine in die Zukunft wirkende Freistellung in entsprechender Anwendung von § 50d Abs. 2 EStG. Das betreffende Betriebsstättenfinanzamt hat auch ein eigenes Interesse daran, um in der Zukunft nicht ständig mit Erstattungsanträgen überzogen zu werden.

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Kontrollmeldeverfahren, § 50d Abs. 6 EStG. Nach § 50d Abs. 6 EStG gilt das in § 50d Abs. 5 EStG geregel- 111 te Kontrollmeldeverfahren auch für Dividenden, wenn sich im Zeitpunkt der Zahlung des Kapitalertrags der Anspruch auf Besteuerung nach einem niedrigeren Steuersatz ohne nähere Ermittlungen feststellen lässt. Das BZSt ermächtigt in diesem Fall auf Antrag den Schuldner der Kapitalerträge, in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung ein vereinfachtes Verfahren (Kontrollmeldeverfahren) anzuwenden. Im Kontrollmeldeverfahren unterlässt der Schuldner der Kapitalerträge von sich aus bei Gläubigern, die in einem ausländischen Staat ansässig sind, mit dem ein entsprechendes DBA besteht, den Steuerabzug oder nimmt diesen nur nach dem gem. dem DBA höchstens zulässigen Satz vor. Nach Ablauf des Kalenderjahres hat der Schuldner der Kapitalerträge für jeden Gläubiger dem Bundeszentralamt für Steuern und dem für ihn zuständigen FA jeweils eine „Jahreskontrollmeldung“ zu übersenden. Weitere Einzelheiten zur Anwendung des Kontrollmeldeverfahrens auf grenzüberschreitende Dividenden regelt das BMF-Schr. v. 20.5.2009.5 1 Zutreffend Füger/Rieger, IStR 1998, 353, 356 f.; Fischer, SWI 1999, 104, 106 f.; Gosch in Kirchhof17, § 50d EStG Rz. 24 u. 30; Vogel, StuW 1996, 248, 251; zur Abschirmwirkung der spezielleren Vorschrift gegenüber § 42 AO vgl. auch BFH v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50 m.w.N. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Rz. 11. 3 So zur Vorgängerfassung des § 50d Abs. 1a EStG ausdrücklich FG Köln v. 16.3.2006 – 2 K 1139/02, IStR 2006, 425; ebenso Gosch in Kirchhof18, § 50d EStG Rz. 30. 4 BFH v. 11.1.2012 – I R 25/10, BFH/NV 2012, 871. 5 BMF v. 20.5.2009 – IV B 5 - S 2411/07/10021 – DOK 2009/0230615, BStBl. I 2009, 645.

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Dividenden

III. Keine Beschränkung des Besteuerungsrechtes für Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft (Abs. 2 Satz 3) 112

Vorschrift hat nur klarstellenden Charakter. Art. 10 Abs. 2 Satz 3 regelt schließlich, dass die Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates durch Art. 10 Abs. 2 Satz 1 nicht das Recht des Quellenstaates berührt, die Gewinne der die Dividenden zahlenden Gesellschaft, die später die Dividenden speisen, besteuern zu können. Hier können sich abkommensrechtliche Einschränkungen allenfalls aus anderen Verteilungsvorschriften bzw. aus dem Methodenartikel ergeben. Die Regelung in Art. 10 Abs. 2 Satz 3 hat allenfalls klarstellende Bedeutung. Kaeser/Wassermeyer weisen zutreffend darauf hin, dass die Vorschrift eigentlich überflüssig ist und abgeschafft gehört.1 Bereits nach dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 steht unmissverständlich fest, dass diese Regelung nur die Besteuerung der Gesellschafter, nicht aber auch die der Gesellschaft betrifft. Der Umstand, dass die Gesellschaft vielfach im Rahmen des Quellensteuereinbehalts steuerliche Pflichten der Gesellschafter erfüllt, ändert daran nichts.

D. Dividendenbegriff (Abs. 3) I. Regelungszweck 113

Definition des Dividendenbegriffs für Anwendung von Art. 10 Abs. 2 (Quellenstaat). Art. 10 Abs. 3 enthält eine Legaldefinition des Begriffs „Dividenden“ für die Anwendung „in diesem Artikel“, d.h. für den gesamten Art. 10. An anderer Stelle konnte allerdings bereits darauf hingewiesen werden, dass der materielle Kern von Art. 10 in der Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates durch Art. 10 Abs. 2 besteht (vgl. Rz. 70). Die Bestätigung des Besteuerungsrechtes des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers ist lediglich klarstellender Natur (vgl. Rz. 24). Daher liegt die praktische Bedeutung der Definition des Dividendenbegriffs in erster Linie darin, den Dividendenbegriff für den Quellenstaat vorzugeben.2

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Bedeutung der Definition für Anwendung von Art. 10 Abs. 1 (Wohnsitzstaat). Ungeachtet dessen ergibt sich aber bereits aus der in Art. 10 Abs. 3 enthaltenen Formulierung „in diesem Artikel verwendete Ausdruck“, dass Adressat der Dividendendefinition nicht nur der Quellenstaat, sondern auch der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers ist.3 Auch wenn Art. 10 Abs. 1 lediglich das Besteuerungsrecht des letztgenannten Staates bestätigt, so richtet sich doch Art. 10 Abs. 1 unstreitig an den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers. Damit ist die umstrittene Frage, ob die Dividendendefinition auch für den Ansässigkeitsstaat im Rahmen der Anwendung des Methodenartikels des Art. 23 A/B (sowie für ein ggf. dort enthaltenes Schachtelprivileg) von Bedeutung ist, im Sinne einer grds. Maßgeblichkeit von Art. 10 Abs. 3 auch für den Ansässigkeitsstaat zu beantworten. Die Entscheidung des BFH v. 4.6.20084 steht dem nicht entgegen. Vielmehr hat der BFH ausdrücklich entschieden, dass die Sachzusammenhänge und die systematischen Verknüpfungen zwischen dem Verteilungsartikel des Art. 10 Abs. 1 und dem Methodenartikel, dessen Adressat der Wohnsitzstaat ist, dafür sprechen, dass die Dividendendefinition im Grundsatz hier wie dort gleichermaßen einschlägig ist. Soweit das jeweilige DBA keine anderweitige Begriffsdefinition der Dividende enthalte, sei auch nicht erkennbar, dass der Methodenartikel aus sich heraus ein abweichendes Begriffsverständnis geböte. Nicht zuletzt wäre es – so zutreffend der BFH – bei einem anderweitigen Verständnis ausgeschlossen, die jeweilige Quellensteuer nach Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 Buchst. a auf die im Wohnsitzstaat erfassten Dividenden anzurechnen. Dafür soll es auch keine Rolle spielen, ob die Dividenden solche originärer oder aber nur fiktiver Art sind, wie es z.B. in manchen deutschen DBA für Einkünfte aus einer typisch stillen Beteiligung der Fall ist.5

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Eingeschränkte Qualifikationsverkettung für abkommensrechtliche Zwecke. Aus der vorstehend beschriebenen Maßgeblichkeit der Dividendendefinition sowohl für den Quellenstaat als auch für den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers soll sich nach teilweise vertretener Auffassung indes nicht zugleich ergeben, dass der Begriff im Sinne einer Qualifikationsverkettung in beiden Staaten identisch auszulegen 1 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 99. 2 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 3 Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 102; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 55; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 108; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 184. 4 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 5 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793, unter Hinweis u.a. auf Wagner, StBp 2001, 349, 350; Wagner, Stbg 2007, 21, 32 f.; Suchanek/Herbst, FR 2003, 1108 (1110); Suchanek/Herbst, FR 2006, 1112 (1113 f.); Rödder/Ritzer, IStR 2006, 666; Wassermeyer, IStR 2007, 413 (415); allgemein Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 92 f.; a.A. Fries, IStR 2005, 805 (807).

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D. Dividendenbegriff (Abs. 3)

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sein soll.1 Insbesondere soll der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers nicht an die Definition durch den Quellenstaat gebunden sein. Dem kann nicht uneingeschränkt gefolgt werden.2 Für eine Bindung des Ansässigkeitsstaates an die Definition nach dem Recht des Quellenstaates spricht zunächst das vom BFH in der Entscheidung v. 4.6.20083 herangezogene Argument, wonach eine Anrechnung der Quellensteuern im Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers eine Begriffsidentität erfordert. Zudem ergibt sich jedenfalls für die in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 geregelten Dividenden, dass sich deren Qualifikation ausdrücklich nach der steuerlichen Einordnung nach dem Recht des Quellenstaates richtet. Die Bindung besteht dabei nicht hinsichtlich der Qualifikation durch den Quellenstaat, sondern hinsichtlich der Qualifikation nach dem Steuerrecht des Quellenstaates, weshalb der Ansässigkeitsstaat das Recht des Quellenstaates autonom anwendet.4 Der BFH stellt in der Entscheidung v. 4.6.20085 auch fest, dass die direkt durch das DBA (z.B. im Wege einer Fiktion) oder indirekt durch den Quellenstaat (z.B. durch Anwendung von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3) vorgegebene Dividendendefinition den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers nicht davon entbindet, die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 10 oder ggf. eines in Art. 23 enthaltenen Schachtelprivilegs autonom zu prüfen. So bleibt es z.B. nach Art. 10 Abs. 1 dabei, dass die nach Art. 10 Abs. 3 definierten „Dividenden“ von einer „Gesellschaft“ stammen müssen. Auch verlangt ein in Art. 23 enthaltenes Schachtelprivileg typischerweise eine bestimmte „Beteiligung am Kapital“ dieser Gesellschaft. Der Quellenstaat mag diese Voraussetzungen für sich bejahen. Der Ansässigkeitsstaat ist aber daran nicht gebunden, weil die Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 diese Voraussetzungen gerade nicht enthält. Dies kann zwar ebenfalls zu Qualifikationskonflikten führen mit der Folge, dass z.B. die Anrechnung einer ausländischen Quellensteuer ausscheidet, letztlich ist diese Konsequenz aber ebenfalls in der Entscheidung des BFH angelegt. Was die hier präferierte eingeschränkte Qualifikationsverkettung für den Dividendenbegriff anbelangt, so könnte man allenfalls überlegen, ob sich diese tatsächlich auch auf die ersten beiden Fallgruppen der Dividendendefinition (Einkünfte aus Aktien u.Ä. [Fallgruppe 1] und Einkünfte aus anderen Rechten [Fallgruppe 2]) erstrecken soll, weil lediglich die Fallgruppe 3 (Einkünfte aus nach dem Steuerrecht des Quellenstaates vergleichbaren Gesellschaftsanteilen) nach ihrem Wortlaut ausdrücklich auf das Steuerrecht des Quellenstaates abhebt. Es erschiene allerdings etwas merkwürdig, in Abhängigkeit von der jeweiligen Fallgruppe zu unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen. Zudem ließe das Anrechnungsargument des BFH für eine fallgruppenübergreifende (eingeschränkte) Qualifikationsverkettung des Dividendenbegriffs anführen. Gleichwohl ist der BFH (zum DBA-Brasilien) diesen Überlegungen nicht gefolgt und sieht allenfalls eine Bindung an das Recht des Quellenstaates für Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3.6 Überzeugen kann diese Entscheidung jedoch nicht. Zwar ist zuzugeben, dass die streitgegenständliche Eigenkapitalverzinsung in Brasilien dazu diente, die Folgen der Hyperinflation abzumildern. Auch wird man daher dem BFH aus wirtschaftlicher Sicht durchaus zustimmen können. Der Wertungswiderspruch dieser Entscheidung wird jedoch deutlich, wenn man sich vorstellt, dass anstelle einer brasilianischen AG z.B. eine (der GmbH ähnlichen) Limitada die Ausschüttung der Eigenkapitalverzinsung vornimmt. Hält man sich – mit dem BFH – streng an den Wortlaut von Art. 10, dann fällt die Limitada nicht unter die 1. Fallgruppe, sondern unter die 3. Fallgruppe mit der Folge, dass es auf die steuerliche Qualifikation durch den Quellenstaat Brasilien ankommt. Und ist die Ausschüttung danach als „Zins“ zu qualifizieren, liegen abkommensrechtlich keine „Dividenden“ vor. Warum das bei einer brasilianischen AG anders sein soll, ist nicht wirklich einleuchtend. Der Vergleich mit der Limitada zeigt vielmehr, dass das Problem allein in Brasilien liegt. Würde Brasilien die Eigenkapitalverzinsung nach dem innerstaatlichen Steuerrecht als „Dividenden“ qualifizieren, wären abkommensrechtlich in allen drei Fallgruppen des Art. 10 auch abkommensrechtliche Dividenden gegeben. Die Abzugsfähigkeit der „Dividenden“ in Brasilien würde dabei der Qualifikation als abkommensrechtliche Dividenden nicht entgegenstehen. Man muss vielmehr sehen, dass der Abzug von Dividenden in manchen Rechtsordnungen vorgesehen ist, um eine Doppelbesteuerung zu verhindern. Hier ersetzt der Abzug unseren § 8b Abs. 1 KStG. Daher bleibt zu hoffen, dass der BFH seine Entscheidung irgendwann noch einmal überdenkt. In naher Zukunft wird man das aber nicht erwarten können, so dass man mit den Konsequenzen aus rechtspraktischer Sicht zunächst leben muss. Beispiel 1: Grundfall An der ausländischen A-Co ist zu 100 % eine in Deutschland ansässige natürliche Person D beteiligt. Die A-Co wird nach dem Recht beider Staaten als Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b qualifiziert. Die A-Co schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an D aus, wovon sie 15 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Nach dem Steuerrecht des Ansässigkeitsstaates der A-Co wird die Gewinnausschüttung den Einkünften aus Aktien gleich-

1 2 3 4 5 6

So z.B. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 109. Zutreffend Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 184. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. So treffend Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 149. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111.

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gestellt und damit unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 subsumiert. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA unter Vereinbarung der Freistellungsmethode des Art. 23A. Hat D einen Anspruch auf Anrechnung der ausländischen Quellensteuer gem. Art. 23A Abs. 2? – Die Frage ist zu bejahen. Da der Ansässigkeitsstaat der A-Co die Gewinnausschüttung unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 fasst, ist Deutschland daran gebunden und hat die Quellensteuer nach Art. 23A Abs. 2 anzurechnen.

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Beispiel 2: Keine Gesellschaft Wie Fall 1, nur wird die A-Co nach dem Recht ihres Ansässigkeitsstaates als Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b qualifiziert, während sie aus deutscher Sicht als transparent behandelt wird. Die A-Co schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an D aus, wovon sie 15 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Nach dem Steuerrecht des Ansässigkeitsstaates der A-Co wird die Gewinnausschüttung den Einkünften aus Aktien gleichgestellt und damit unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 subsumiert. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA unter Vereinbarung der Freistellungsmethode des Art. 23A. Hat D einen Anspruch auf Anrechnung der ausländischen Quellensteuer gem. Art. 23A Abs. 2? – Die Frage ist zu verneinen. Zwar fasst der Ansässigkeitsstaat der A-Co die Gewinnausschüttung unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3, so dass begrifflich „Dividenden“ vorliegen, woran Deutschland gebunden ist. Gleichwohl scheidet eine Anrechnung nach Art. 23A Abs. 2 aus, da für die Anwendung von Art. 10 Abs. 1 erforderlich ist, dass es sich bei der A-Co um eine „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b handelt, was Deutschland als Anwenderstaat autonom bestimmen kann. Aus deutscher Sicht handelt es sich aber um einen transparenten Rechtsträger und damit um bloße Entnahmen. Damit könnten allerdings die von der A-Co erzielten Gewinne z.B. unter Art. 7 mit der Folge fallen, dass Deutschland die Betriebsstättenfreistellung nach Art. 23A Abs. 1 praktiziert. Dies hilft indes nicht bei der Anrechnung der Quellensteuer. Im Übrigen soll dies selbst dann gelten, wenn Deutschland für die Einkünfte der A-Co die Anrechnungsmethode zur Anwendung bringt, weil die Gewinnausschüttung aus deutscher Sicht eine bloße Entnahme darstellt und damit aus deutscher Sicht nicht steuerpflichtig sind.

118

Beispiel 3: Keine qualifizierte Beteiligung am Kapital Wie Fall 1, nur ist an der A-Co die deutsche D-GmbH typisch still beteiligt. Die A-Co schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an D aus, wovon sie lediglich 5 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt, weil die Gewinnausschüttung nach dem Recht des Ansässigkeitsstaates der A-Co für die typisch stille Beteiligung die Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a i.V.m. Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 bejaht, insbesondere einen Anteil am Kapital von mindestens 25 % bejaht. Deutschland qualifiziert die typisch stille Beteiligung steuerlich als Fremdkapital. Im Methodenartikel des DBA ist ein Schachtelprivileg für Dividenden vereinbart, soweit eine „Beteiligung am Kapital“ von mindestens 25 % besteht. Ist Deutschland zu Freistellung nach dem Schachtelprivileg für Dividenden verpflichtet? – Die Frage ist zu verneinen. Zwar fasst der Ansässigkeitsstaat der A-Co die Gewinnausschüttung unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3, so dass begrifflich „Dividenden“ vorliegen, woran Deutschland gebunden ist. Gleichwohl scheidet eine Freistellung nach dem im DBA vereinbarten Schachtelprivileg für Dividenden aus, weil aus deutscher Sicht aufgrund des Fremdkapitalcharakters der typisch stillen Beteiligung keine „Beteiligung am Kapital“ der A-Co vorliegt.

119

Keine Qualifikationsverkettung für innerstaatlich-steuerliche Zwecke. Die vorstehend präferierte eingeschränkte Qualifikationsverkettung ist aber lediglich eine solche für abkommensrechtliche Zwecke. Die in Art. 10 Abs. 3 geregelte Dividendendefinition schlägt damit nicht auf die Anwendung des innerstaatlichen Steuerrechts durch den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers durch. Für Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers folgt daraus, dass die durch den Quellenstaat als solche definierten Dividenden nicht zwingend zu Einkünften führen, die unter § 8b Abs. 1 KStG oder § 3 Nr. 40 EStG fallen.

120

Keine abschließende Definition. Die in Art. 10 Abs. 3 enthaltene Definition ist nach Art. 10 Rz. 23 OECDMK schließlich keine abschließende. Wegen der großen Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der OECD lässt sich der Begriff der Dividende nicht abschließend bestimmen. Art. 10 Abs. 3 beschränkt sich daher auf Beispiele, die in den Rechtsordnungen der meisten Mitgliedstaaten zu finden sind.

121

Verhältnis der Fallgruppen. Für die praktische Rechtsanwendung ergibt sich daraus jedoch die Frage, ob es der beispielhafte Charakter der aufgezählten Dividendenarten erlaubt, die in der Fallgruppe 1 genannten Einkünfte aus Aktien, Genussaktien, Genussscheinen, Kuxen und Gründeranteilen einem Typenvergleich mit der Folge zu unterziehen, dass auch ähnliche Einkünfte unter die Fallgruppe 1 zu subsumieren wären. Aus deutscher Sicht wäre dies z.B. für Einkünfte aus GmbH-Anteilen von Interesse, weil diese nicht nur gesellschaftsrechtlich, sondern auch steuerrechtlich mit Einkünften aus Aktien im Wesentlichen identisch sind. Gleichwohl ergibt sich aus der Systematik der in Art. 10 Abs. 3 enthaltenen Fallgruppen, dass dieser Typenvergleich abschließend in den Fallgruppen 2 (Einkünfte aus anderen Rechten) und 3 (Einkünfte aus nach dem Steuerrecht des Quellenstaates vergleichbaren Gesellschaftsanteilen) geregelt ist. Für das Verhältnis der Fallgruppen im Rahmen der Rechtsanwendung folgt daraus, dass zunächst die Fallgruppe 1 als speziellste Regelung zu prüfen ist. Erst in einem zweiten Schritt sind die (praktisch weniger relevante) Fallgruppe 2 und die (praktisch wichtige) Auffangregelung der Fallgruppe 3 zu prüfen.

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D. Dividendenbegriff (Abs. 3)

Rz. 125 Art. 10

II. Die einzelnen Arten von Dividenden 1. Fallgruppenübergreifende Voraussetzungen Drei Fallgruppen. Systematisch ordnet Art. 10 Abs. 3 die einzelnen Arten der Dividenden nach Fallgruppen.1 Die erste Fallgruppe nennt mit „Einkünften aus Aktien, Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen“ beispielhaft einige in den OECD-Staaten anzutreffende Eigenkapitalpositionen, aus denen Dividenden resultieren (können). Die zweite Fallgruppe nennt „Einkünfte aus anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung“, wobei die praktische Relevanz (insbesondere in deutschen DBA) gering ist. Wichtiger ist die dritte Fallgruppe, die als Auffangtatbestand fungiert und abhebt auf die „aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammenden Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.“

122

Einkünfte. Auffällig ist, dass Art. 10 Abs. 3 „Dividenden“ als „Einkünfte“ definiert.2 Was unter dem Begriff der „Einkünfte“ zu verstehen ist, soll nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus dem Abkommen heraus zu beantworten sein.3 Das innerstaatliche Steuerrecht ist lediglich ergänzend heranzuziehen. Der Begriff ist damit nicht inhaltsgleich mit dem Einkünftebegriff des deutschen Steuerrechts, der gem. § 2 Abs. 2 EStG entweder den um Betriebsausgaben verminderten Gewinn oder den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten darstellt. Vielmehr handelt es sich um einen abkommensrechtlichen Oberbegriff (auch zu den in Art. 6 bis 21 genannten Einkünften), der sowohl Einnahmen als auch Einkünfte i.S.d. deutschen Verständnisses umfasst.4 Damit äußert sich Art. 10 Abs. 3 nicht dazu, ob und in welchem Umfange bestimmte Aufwendungen bzw. Ausgaben von den Dividenden zum Abzug gebracht werden dürfen. Dies entscheidet allein das Steuerrecht des Anwenderstaates. Die Intention der Formulierung dürfte bei genauer Betrachtung wohl allein darin bestehen, bestimmte Quellen zu bezeichnen, aus denen einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person ein geldwerter Vorteil zufließt.5

123

Weites Verständnis des Einkünftebegriffs. Der Begriff der „Einkünfte“ ist nach den Ausführungen in Rz. 123 denkbar weit und umfasst jedwede geldwerten Vorteile, die aus einer in Art. 10 Abs. 3 näher bezeichneten Quelle stammen. Verfügt daher eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person z.B. über Aktien i.S.v. Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1, dann führen nicht nur die jährlich von der Hauptversammlung zu beschließenden Gewinnausschüttungen zu „Einkünften aus Aktien“ und damit zu „Dividenden“ i.S.v. Art. 10 Abs. 3, sondern sämtliche geldwerten Vorteile, die dem (wirtschaftlichen) Inhaber der Aktie (i.d.R. Aktionär) aufgrund des Innehabens der Aktie zufließen. Damit fallen bspw. auch verdeckte Gewinnausschüttungen, Sachausschüttungen, Gratisaktien, Boni, Liquidationsgewinne u.Ä. (vgl. näher Rz. 135 ff.) an den Aktionär unter Art. 10 Abs. 3 (ebenso Art. 10 Rz. 28 OECD-MK). Mit Blick auf die in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 enthaltene Kompetenzzuweisung an den Quellenstaat, bei Einkünften aus sonstigen Gesellschaftsanteilen darüber zu entscheiden, ob diese nach seinem Steuerrecht den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind, wird zum Teil gefordert, dass die Einbeziehung derartiger Vorteilszuwendungen in den Dividendenbegriff von der steuerlichen Beurteilung durch den Quellenstaat abhängen soll. Begründet wird dies damit, dass es ansonsten innerhalb der drei Fallgruppen des Art. 10 Abs. 3 zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen könnte (z.B. Einbeziehung von vGA bei Aktien der Fallgruppe 1, aber keine Einbeziehung von vGA bei GmbH-Anteilen der Fallgruppe 3).6 Es spricht einiges für diese Auffassung, nach der Entscheidung des BFH v. 6.6.2012 sollte diese Bindungswirkung aber auf Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 beschränkt sein.7 Innerhalb der übrigen Fallgruppen obliegt die Entscheidung über das Vorliegen von Einkünften dem Recht des Anwenderstaates (vgl. dazu Rz. 115).

124

Gesellschaftsanteil als Oberbegriff für alle Fallgruppen. Im Schrifttum wird im Ausgangspunkt zutref- 125 fend darauf hingewiesen, dass der in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 genannte Ausdruck „Gesellschaftsanteil“ den Oberbegriff für sämtliche Rechtstitel bildet, deren Erträge nach Art. 10 Abs. 3 als Dividenden qualifizieren.8 Dies ergibt sich bereits aus der Einleitungsformulierung „sowie sonstige Gesellschaftsanteile“. Zu1 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 105 f.; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 56; Kaeser/ Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 110. 2 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 113. 3 BFH v. 29.5.1996 – I R 167/94, BStBl. II 1997, 60; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 113. 4 Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 112; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 55; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 113; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 186. 5 In diesem Sinne auch Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 113. 6 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 114 m.w.N. 7 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111, dazu kritisch auch Rz. 112. 8 Zutreffend Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 188.

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Art. 10 Rz. 125

Dividenden

dem erfordert die Abgrenzung zu anderen Verteilungsartikeln (insbesondere zu Unternehmensgewinnen i.S.v. Art. 7 und Zinsen i.S.v. Art. 11) eine klare Aussage dazu, aus welchen rechtlichen Positionen „Dividenden“ resultieren. Sprachlich besteht „Gesellschaftsanteil“ einerseits aus dem Begriff „Gesellschaft“ und andererseits aus dem Begriff „Anteil“. 126

„Gesellschaft“. Dass Dividenden nur von einer Gesellschaft stammen können, ergibt sich bereits aus Art. 10 Abs. 1 (für den Ansässigkeitsstaat; vgl. Rz. 29), auf den Art. 10 Abs. 2 (für den Quellenstaat; vgl. Rz. 71) Bezug nimmt. Insoweit hat der Begriff der Gesellschaft innerhalb von Art. 10 Abs. 3 keine eigenständige Bedeutung. Er ist vielmehr identisch mit dem in Art. 10 Abs. 1 und 2 verwandten Begriff. Daraus folgt nicht nur, dass sich der Begriff der Gesellschaft nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b richtet, sondern auch autonom durch den Anwenderstaat zu bestimmen ist.1 Daraus können sich Qualifikationskonflikte ergeben, weshalb hier auch nur von einer eingeschränkten Qualifikationsverkettung gesprochen wird. Die anderweitigen Überlegungen des BFH in seinem Urt. v. 27.1.19822 sind durch die Entscheidung v. 4.6.20083 überholt (vgl. ausführlich auch Rz. 39).

127

„Anteil“. Was den Begriff des „Anteils“ anbelangt, so wird im Schrifttum teilweise eine gesellschaftsrechtliche Perspektive mit der Folge eingenommen, dass eine Ausstattung mit „Mitgliedschaftsrechten“ verlangt wird.4 Dies ist allerdings schon deshalb wenig hilfreich, weil z.B. die ebenfalls ausdrücklich unter Art. 10 Abs. 3 fallenden Genussrechte nicht mitgliedschaftsrechtlicher, sondern rein schuldrechtlicher Natur sind (vgl. näher Rz. 161 ff.). Auch wird das Gesellschaftsrecht etwas wortkarg, wenn es um die Frage geht, was unter „Mitgliedschaftsrechten“ zu verstehen ist und wo genau die Grenzen liegen. Das Stimmrecht und andere Mitwirkungsrechte können es nicht sein, weil diese auch bei Aktien oder GmbH-Anteilen teilweise ausgeschlossen sein können (z.B. stimmrechtslose Vorzugsaktie). Dem Anteilsbegriff sollte daher zumindest im Rahmen von Art. 10 Abs. 3 (anders als im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a; vgl. Rz. 91 ff.) ein weites Verständnis beigelegt werden.5

128

Anteilsbegriff orientiert sich an steuerlichem Eigenkapital. Ein solches weites Verständnis kann aber Schwierigkeiten bereiten, wenn es um die Abgrenzung zu reinen Forderungen geht, deren Erträge z.B. als Zinsen unter Art. 11 fallen. Zudem muss man sehen, dass gerade Genussrechte so ausgestaltet werden können, dass sie handelsrechtlich als Eigen- oder Fremdkapital qualifizieren, ohne dass diese Qualifikation durch das Steuerrecht nachvollzogen wird. Nach Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 ist aber das Steuerrecht des Quellenstaates maßgeblich. Zur Vermeidung solcher Abgrenzungsschwierigkeiten bietet es sich daher an, für die Bestimmung des Anteilsbegriffes ein rein steuerliches Verständnis zugrunde zu legen, so dass die daraus resultierenden Einkünfte lediglich solche aus steuerlichem Eigenkapital einer Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b sein müssen. Liegt demgegenüber steuerliches Fremdkapital vor, sind die Einkünfte hieraus nicht solche i.S.v. Art. 10, sondern solche i.S.v. Art. 11. Handelt es sich um keine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, sondern um eine gewerblich tätige Personengesellschaft, dann sind die Einkünfte hieraus ggf. unter Art. 7 (oder einen anderen Verteilungsartikel) zu subsumieren. Die Frage, welcher Vertragsstaat darüber entscheidet, ob der jeweilige Rechtstitel als steuerliches Eigenkapital zu qualifizieren ist, sollte jedenfalls für Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 dahingehend zu beantworten sein, dass dies der Quellenstaat ist (vgl. Rz. 115). Zu einem anderen Ergebnis kann man nur gelangen, wenn man den Begriff des „Anteils“ – ebenso wie den der „Gesellschaft“ – als einen solchen versteht, der eine über Art. 10 Abs. 3 hinausgehende Bedeutung hat. Es konnte allerdings bereits gezeigt werden, dass dem Anteilsbegriff im Rahmen von Art. 10 Abs. 3 – anders als z.B. im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a – ein besonderes Verständnis beizulegen ist. Für die Richtigkeit der vorstehenden Überlegung spricht auch, dass Deutschland in den jeweiligen DBA regelmäßig darauf verzichtet, in Art. 10 Abs. 3 von sonstigen „Gesellschaftsanteilen“ zu sprechen. Vielmehr wird z.B. auf sonstige „Rechte“ abgestellt, die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates wie Einkünfte aus Aktien behandelt werden. Dies zeigt, dass die Qualifikation als steuerliches Eigenkapital nach dem Recht des Quellenstaates die richtige Vorgehensweise darstellt. Ob dies allerdings auch für die 1. und 2 Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 gilt, dürfte nach der Entscheidung des BFH v. 6.6.20126 eher zu verneinen sein (vgl. Rz. 115). Vielmehr sollte für diese Fallgruppen das Steuerrecht des Anwenderstaates maßgeblich sein. Aufgrund der wesentlichen Bedeutung von Art. 10 für die Quellensteuerbegrenzung des Quellenstaates (Art. 10 Abs. 2) liegt damit aber praktisch auch hier die Qualifikationskompetenz beim Quellenstaat, lediglich für Zwecke des Art. 10 Abs. 1 ist das Steuerrecht des Ansässigkeitsstaates maßgeblich. 1 2 3 4 5 6

A.A. Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 188. BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, BStBl. II 1982, 374. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. So z.B. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 157; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 73. Ebenso Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 189. BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111.

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D. Dividendenbegriff (Abs. 3)

Rz. 133 Art. 10

Steuerliches Eigenkapital aus deutscher Sicht. Ist Deutschland der Quellenstaat, so folgt aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 Fall 5 EStG (Genussrechte), § 8 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 KStG, dass steuerliches Eigenkapital an einer Gesellschaft jedenfalls dann vorliegt, wenn über eine Beteiligung am Gewinn hinaus auch eine Beteiligung am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft gegeben ist.1 Die Ausprägung dieser Merkmale kann insbesondere bei hybriden Finanzierungsinstrumenten unterschiedlich sein. Da die Definition des steuerlichen Eigenkapitals in § 20 Abs. 1 Nr. 1 Fall 5 EStG (Genussrechte) und § 8 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 KStG im Zusammenhang mit (beteiligungsähnlichen) Genussrechten erfolgt, wird wegen der weiteren Einzelheiten auf Rz. 162 ff. verwiesen.

129

2. Einkünfte aus Aktien, Genussaktien, Genussscheinen, Kuxen und Gründeranteilen (Fallgruppe 1) a) Aktien aa) Ordentliche Gewinnausschüttung Begriff der Aktie. Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1 nennt als ersten Rechtstitel, aus dem Einkünfte in Form von Dividenden resultieren, die „Aktie“. Es handelt sich dabei um einen abkommensrechtlichen Begriff. Die Nennung als erstes Beispiel findet seine Begründung vermutlich darin, dass die Aktie quasi die „Urform“ einer Beteiligung an einer Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit darstellt, deren Grundkapital in Aktien zerlegt ist.2 Die Aktie verkörpert die Mitgliedschaft des einzelnen Aktionärs, die er durch Übernahme einer Quote des Grundkapitals erwirbt. Nach deutschem Rechtsverständnis können Aktien an einer Aktiengesellschaft (AG) und an einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) bestehen, hinzu kommt aus europäischer Sicht die Societas Europaea (SE). Die Aktie kann unterschiedlich ausgestaltet sein, z.B. als Nennbetrags- oder Stückaktie,3 als Inhaber- oder (vinkulierte) Namensaktie,4 als Stamm- oder Vorzugsaktie.5 Aktien mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten bilden unterschiedliche Aktiengattungen.6 Dem einzelnen Aktionär steht grds. ein Recht auf Einzelverbriefung seiner Mitgliedschaft in einem Wertpapier, der Aktienurkunde, zu. Dieser Anspruch kann allerdings auch eingeschränkt sein (z.B. Globalurkunde). Die Nennbeträge der Aktien müssen seit dem 1.1.2002 auf Euro lauten. Aktien können übertragen und vererbt werden, bei vinkulierten Namensaktien allerdings nur mit Zustimmung der Gesellschaft. Aktien können, wenn dies in der Satzung für zulässig erklärt wird, eingezogen werden. Die Aktie kann als Mitgliedschaftsrecht zahlreiche Rechte und Pflichten des Aktionärs verkörpern, sie kann je nach Ausgestaltung aber auch erheblich in den Rechten eingeschränkt sein (z.B. stimmrechtslose Vorzugsaktie).

130

Steuerliche Einordnung von Einkünften aus Aktien. Für die Anwendung von Art. 10 Abs. 3 spielt die konkrete Ausgestaltung der Aktie mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten aus den in Rz. 127 f. dargestellten Gründen nur insoweit eine Rolle, als sichergestellt sein muss, dass die Aktie nach dem Steuerrecht des Anwenderstaates steuerliches Eigenkapital abbildet (vgl. Rz. 129).

131

Deutschland als Quellenstaat. Ist Deutschland der Quellenstaat, erfordert dies eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Gesellschaft (vgl. Rz. 129). Für eine an einer AG oder SE bestehenden Aktie werden die Voraussetzungen steuerlichen Eigenkapitals regelmäßig erfüllt sein (vgl. auch § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Bei einer KGaA bilden nur die von den Kommanditaktionären gehalten Aktien steuerliches Eigenkapital an einer Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b. Der Komplementär wird aus deutscher Sicht als Mitunternehmer besteuert, so dass seine Gewinnanteile keine solchen i.S.d. Art. 10 Abs. 3 sind.7

132

Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers, so soll nach der Rspr. des BFH innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1 keine Bindung an die Qualifikation der aus den Aktien stammenden Einkünfte nach dem Recht des Quellenstaats bestehen (vgl. Rz. 115).8 Insoweit gelten die Ausführungen zu Rz. 132 entsprechend. Ungeachtet dessen hat Deutschland für die Bestimmung der (für die Anwendung von Art. 10 Abs. 1 maßgeblichen) Frage, ob die nach ausländischem Recht als solche qualifizierenden Dividenden von einer „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b stammen, einen Rechtstypenvergleich durchzuführen (vgl. Rz. 29 ff.). Die Besteuerung durch Deutschland richtet sich nur dann nach Art. 10 Abs. 1 ggf. i.V.m. Art. 23A Abs. 2 (bzw. einem dort vereinbarten Schachtelprivileg), wenn der

133

1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. BFH v. 16.12.1992 – I R 32/92, BStBl. II 1993, 399. Zum Begriff vgl. nur Maul in Beck’sches Handbuch der AG2, § 3, Rz. 1 ff. m.w.N. Vgl. Maul in Beck’sches Handbuch der AG2, § 3 Rz. 4 ff. m.w.N. Vgl. Maul in Beck’sches Handbuch der AG2, § 3 Rz. 16 ff. m.w.N. Vgl. Maul in Beck’sches Handbuch der AG2, § 3 Rz. 47 ff. m.w.N. Vgl. Maul in Beck’sches Handbuch der AG2, § 3 Rz. 66 ff. m.w.N. Näher zur Besteuerung der KGaA vgl. Rödder in Beck’sches Handbuch der AG2, § 13 Rz. 700 ff. m.w.N. BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 111.

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Art. 10 Rz. 133

Dividenden

Rechtstypenvergleich zu einer Aktien- oder ähnlichen Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit i.S.v. § 1 Abs. 1 KStG gelangt. 134

Tracking Stocks. Bei sog. „tracking stocks“ besteht die Besonderheit darin, dass die Beteiligung am Gewinn der AG nicht auf Basis des Gesamtgewinns, sondern in Anknüpfung z.B. an einen Spartengewinn erfolgt. Dennoch sollte auch insoweit eine Vergleichbarkeit mit Aktien weiterhin zu bejahen sein, da die Einräumung sog. „tracking stocks“ (Spartenaktien) auch in Form der stimmrechtslosen Vorzugsaktien nach deutschem Aktienrecht zulässig sind1 (zu den Besonderheiten von Spartengenussrechten vgl. Rz. 163). Aus praktischer Sicht ist darauf hinzuweisen, dass eine Vergütung auf Basis eines Spartengewinns nur vorbehaltlich eines entsprechenden Gesamtgewinns der Gesellschaft gezahlt werden sollte, so dass eine dem deutschen Aktienrecht ohnehin unübliche gewinnlose Vergütung und damit eine Nähe zu Darlehensverhältnissen vermieden wird. Durch den Bezug der „tracking stocks“ auf einen Spartengewinn kommt es i.d.R. zu sog. disquotalen Gewinnausschüttungen, d.h. die Ausschüttungen entsprechen nicht dem Verhältnis der Beteiligungsquoten. Die deutsche Finanzverwaltung erkennt dies für steuerliche Zwecke dann nicht an, wenn der vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichenden Gewinnausschüttung keine besonderen Gesellschafterleistungen zugrunde liegen.2 Rechtsfolge einer Nichtanerkennung wäre aber lediglich, dass die Gewinnausschüttungen steuerlich den Gesellschaftern nach ihrem Beteiligungsverhältnis zuzurechnen sind. Insbesondere handelt es sich nicht um verdeckte Gewinnausschüttungen.3 bb) Verdeckte Gewinnausschüttung

135

Allgemeines. Nicht nur offene Gewinnausschüttungen fallen unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1. Vielmehr ermöglicht es der weite Begriff der „Einkünfte“ (vgl. Rz. 123 f.), auch verdeckte Gewinnausschüttungen4 abkommensrechtlich als Dividenden zu qualifizieren.5 Da die Abgrenzung zwischen offenen und verdeckten Gewinnausschüttungen weniger eine Frage des Rechtstitels (z.B. Aktie) ist, aus dem die Gewinnausschüttungen einheitlich resultieren, sondern vielmehr eine Frage des abkommensrechtlichen Begriffs der „Einkünfte“, könnte man überlegen, ob die steuerliche Qualifikation für abkommensrechtliche Zwecke überhaupt eine Rolle spielt. Nach der eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 115) sind verdeckte Gewinnausschüttungen aber zumindest innerhalb der Fallgruppe 3 als Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 zu qualifizieren, wenn diese nach dem Steuerrecht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind. In den übrigen Fallgruppen bleibt es bei der autonomen Beurteilung durch den Anwenderstaat. Die vom BFH6 entschiedene Begrenzung der Bindung an das Steuerrecht des Quellenstaates auf Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 zeigt dabei einmal mehr, dass die Rspr. nicht wirklich überzeugt. Denn damit ist der Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung im Abkommensrecht rechtsformabhängig.

136

Deutschland als Quellenstaat. Ist Deutschland der Quellenstaat, so folgt aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, dass verdeckte Gewinnausschüttungen als sonstige Bezüge steuerlich den Gewinnanteilen (Dividenden) gleichstehen und zu einem Beteiligungsertrag beim Empfänger führen. Das deutsche Besteuerungsrecht richtet sich daher nach Art. 10 Abs. 2.

137

Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers, dann entscheidet nach der hier präferierten eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 115) zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 das Steuerrecht des Quellenstaates darüber, ob abkommensrechtlich Dividenden vorliegen oder nicht. Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (also insbesondere bei verdeckten Gewinnausschüttungen aus Aktien) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der autonomen Auslegung durch Deutschland als Anwenderstaat.7 Die Frage, ob die verdeckten Gewinnausschüttungen den Gewinn der ausländischen Gesellschaft gemindert haben, spielt dabei für abkommensrechtliche Zwecke grds. keine Rolle. Allerdings versagt in diesem Fall § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG (sowie § 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG) die Steuerfreiheit auf Ebene des Empfängers der verdeckten Gewinnausschüttung, so dass ein im Methodenartikel vereinbartes Schachtelprivileg wieder an Bedeutung gewinnen kann. Hier ist allerdings zu beachten, dass einige deutsche DBA genau für diesen Fall entsprechende Regelungen vorsehen, die beim Abzug im Ausland das Schachtelprivileg im Methodenartikel versagen (z.B. Art. 23 Abs. 3 Buchst. a Satz 4 DBA-USA). 1 Vgl. Cichy/Heins, AG 2010, 181, 184, kritisch, aber wohl nur bezogen auf die Verlustbeteiligung, Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 151. 2 BMF v. 7.12.2000 – IV A 2-S 2810-4/00, BStBl. I 2001, 47. 3 Vgl. Wilk in H/H/R, § 8 KStG Anm. 166. 4 Zum Begriff vgl. Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 166 ff. 5 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 134; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 115; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 80.1; Kamps/Gomes, AG 2014, 620 (621). 6 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112. 7 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112.

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D. Dividendenbegriff (Abs. 3)

Rz. 141 Art. 10

cc) Vorabgewinnausschüttung Keine steuerlichen Besonderheiten gegenüber ordentlichen Gewinnausschüttungen. Auch eine Vorabgewinnausschüttung fällt aus deutscher Sicht unter Art. 10 Abs. 3, weil es sich dabei um eine ordentliche Gewinnausschüttung handelt, die lediglich auf den künftigen (handelsrechtlichen) ausschüttungsfähigen Gewinn und daher unter der (auflösenden) Bedingung erfolgt, dass zum Bilanzstichtag ausreichend (handelsrechtlicher) ausschüttungsfähiger Gewinn vorhanden ist.1 Stellt sich später heraus, dass die Vorabgewinnausschüttung den ausschüttungsfähigen Gewinn übersteigt, dann besteht ein Anspruch der Gesellschaft auf Rückzahlung des übersteigenden Betrages. Steuerlich bleibt es aber grds. bei einer Gewinnausschüttung in ursprünglicher Höhe. Die Rückzahlung stellt eine Einlage dar. Lediglich unter den Voraussetzungen einer Einlagenrückgewähr i.S.v. § 27 KStG kann im Falle Deutschlands als Quellenstaat ein Besteuerungsrecht nach Art. 10 Abs. 2 entfallen (vgl. Rz. 145 ff.).

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dd) Gewinnabführung Allgemeines. Das jeweilige Gesellschaftsrecht kann die Möglichkeit zulassen, dass sich eine Gesellschaft dazu verpflichtet, ihren Gewinn an einen (oder mehrere) Gesellschafter abzuführen. In diesem Fall wird über die Ausschüttung des Gewinns nicht jährlich beschlossen, sondern dieser wird aufgrund des (kooperationsrechtlichen) Vertrages an einen (oder mehrere) Gesellschafter abgeführt. Da es für den Begriff der Dividende i.S.v. Art. 10 Abs. 3 nicht darauf ankommt, ob über den beim Gesellschafter ankommenden geldwerten Vorteil ein Beschluss gefasst worden ist, sondern die (weit zu verstehende) Zahlung ausreicht (vgl. Rz. 61 f.), besteht daher grds. die Möglichkeit, auch Gewinnabführungen unter Art. 10 Abs. 3 zu subsumieren.2

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Deutschland als Quellenstaat. Ist Deutschland der Quellenstaat, so ist der Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrages deutscher Couleur unproblematisch möglich, weil sich die Zulässigkeit nach dem deutschen Gesellschaftsrecht richtet.3 Kommt die Gesellschaft dann der Verpflichtung aus dem Ergebnisabführungsvertrag nach und führt ihren ganzen Gewinn an einen im anderen Vertragsstaat ansässigen Gesellschafter ab, liegen aus deutscher Sicht keine den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellte Beteiligungserträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor.4 Deutschland kann daher für grenzüberschreitende Gewinnabführungen sein Besteuerungsrecht nicht auf Art. 10 Abs. 2 stützen.5 Teilweise wird zwar auch vertreten, dass sich zivilrechtliche Gewinnabführung und steuerrechtliche Ausschüttung nicht ausschließen sollen.6 An anderer Stelle konnte aber bereits gezeigt werden, dass für Zwecke des Art. 10 Abs. 3 die steuerliche Perspektive des Anwenderstaates maßgeblich ist (vgl. Rz. 123 f.), innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 sogar mit Bindungswirkung an das Steuerrecht des Quellenstaates (vgl. Rz. 115). Im Übrigen soll auch die These vom fehlenden Ausschluss von Gewinnabführung und Gewinnausschüttung nur gelten, wenn die (übrigen) Voraussetzungen der Organschaft nicht vorliegen.7 Bis zu einer entsprechenden Gesetzesänderung bleibt es daher dabei, dass grenzüberschreitende Gewinnabführungen einer deutschen Organgesellschaft nicht unter Art. 10 Abs. 3 fallen.

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Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters, dann hängt zunächst die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit des Abschlusses eines Ergebnisabführungsvertrages mit einer ausländischen Organgesellschaft vom ausländischen Gesellschaftsrecht ab.8 Allerdings kennen nur sehr wenige Staaten das Rechtsinstitut des Ergebnisabführungsvertrages.9 Wird ein solcher anerkannt, hängt die Qualifikation der Gewinnabführung als abkommensrechtliche Dividende nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 115) zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 vom Steuerrecht des Quellenstaates ab. Bejaht der Quellenstaat danach eine Dividende, ist Deutschland daran mit der Folge gebunden, eine auf die Gewinnabführung erhobene Quellensteuer gem. Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 anrechnen zu müssen. Die Anrechnungsmöglichkeit hängt dabei wiederum davon ab, wie Deutschland die „Gewinnabführung“ besteuert. Da aufgrund der Ansässigkeit der Organgesellschaft im Ausland die Voraussetzungen von § 14 KStG nicht erfüllt sind, wird Deutschland für Zwecke des innerstaatlichen Steuerrechts ebenfalls eine Dividende mit der Folge annehmen, dass bei Körper-

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1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. dazu Levedag in Schmidt37, § 20 EStG Rz. 33 m.w.N. So zutreffend Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 117. Hoene, IStR 2012, 462 ff. m.w.N. Wassermeyer in Herzig, Organschaft, 2003, S. 210 f. Vgl. zum Verlust deutschen Besteuerungsrecht bei der Inbound-Organschaft grundlegend BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106; mit Nichtanwendungserlass belegt durch BMF v. 27.12.2011 – IV C 2 - S 2770/11/10002 – DOK 2011/0965132, BStBl. I 2012, 119. So Neumann in Gosch3, § 14 KStG Rz. 392. Neumann in Gosch3, § 14 KStG Rz. 392. Hoene, IStR 2012, 462 ff. m.w.N. Vgl. Hoene, IStR 2012, 462 ff. m.w.N.

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Art. 10 Rz. 141

Dividenden

schaften als Empfängern eine Anrechnung wegen § 8b Abs. 1 KStG regelmäßig nicht in Betracht kommen wird, während bei einkommensteuerpflichtigen Personen eine Anrechnung im Rahmen der Abgeltungsteuer bzw. des Teileinkünfteverfahrens möglich ist. Anders dürfte es bei einer EU-/EWR-Organgesellschaft liegen, weil hier das EU-Recht dazu zwingen sollte, die Gewinnabführung auch steuerlich mit der Folge nachzuvollziehen, dass ein deutsches Besteuerungsrecht vollständig entfallen kann (z.B. wegen Art. 7 i.V.m. Art. 23A Abs. 1)1 und die Anrechnung damit ins Leere geht. Verneint der Quellenstaat eine Dividende, könnte Deutschland sein Besteuerungsrecht an der „Gewinnabführung“ zwar grds. auf Art. 21 Abs. 1 stützen, bei einer EU-/EWR-Gesellschaft sollte Deutschland aber die „Gewinnabführung“ auch steuerlich mit der Folge nachvollziehen müssen, dass ein Besteuerungsrecht z.B. wegen Art. 7 i.V.m. Art. 23A Abs. 1 entfallen kann. Aufgrund der Beschränkung der Bindung an das Steuerrecht des Quellenstaates auf Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (vgl. Rz. 115) kann Deutschland sein Besteuerungsrecht innerhalb der übrigen Fallgruppen zusätzlich autonom aus Art. 10 Abs. 1 herleiten. ee) Sachausschüttung 142

Allgemeines. Anstelle oder zusätzlich zu einer Barausschüttung kann auch eine (offene oder verdeckte) Sachausschüttung erfolgen. Charakteristisch für eine Sachausschüttung ist, dass der Ausschüttungsanspruch nicht in Form von Geld, sondern in Form anderer Aktiva (z.B. Aktien, Forderungen) erfüllt wird. Typischerweise wird deshalb die Sachdividende steuerlich einer Bardividende gleichgestellt.

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Deutschland als Quellenstaat. Ist Deutschland der Quellenstaat, dann steht die Sachdividende einer Bardividende steuerlich grds. gleich. Für steuerliche Zwecke wird lediglich diskutiert, ob die Sachdividende insoweit aufzuteilen ist, als in Höhe des Buchwertes der ausgekehrten Aktiva eine offene Gewinnausschüttung und (nur) in Höhe des darüber hinausgehenden Betrages eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt.2 Für Zwecke der Anwendung von Art. 10 Abs. 3 bedarf diese Frage keiner Entscheidung, weil auch verdeckte Gewinnausschüttungen von dieser Regelung erfasst werden (vgl. Rz. 135 ff.). Kommt es zu einer Sachausschüttung, kann der Einbehalt der Kapitalertragsteuer auf den Verkehrswert der ausgekehrten Aktiva durchaus Schwierigkeiten bereiten, weil die Kapitalertragsteuer an das FA in Geld abzuführen ist. Für diesen Fall sieht § 44 Abs. 1 Satz 7 EStG jedoch die Verpflichtung des Gläubigers der Kapitalerträge vor, den entsprechenden Betrag der ausschüttenden Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, hat die ausschüttende Gesellschaft dies gem. § 44 Abs. 1 Satz 8 EStG dem zuständigen FA anzuzeigen. Das FA kann die zu wenig erhobene Kapitalertragsteuer vom Gläubiger der Kapitalerträge gem. § 44 Abs. 1 Satz 9 EStG nachfordern.

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Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat, dann besteht aufgrund der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 115) zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 eine Bindung an das Steuerrecht des Quellenstaats bzgl. der Frage, ob eine Dividende i.S.v. Art. 10 Abs. 3 vorliegt. Bejaht der Quellenstaat danach die Anwendung von Art. 10 Abs. 3 für Sachausschüttungen, kann Deutschland sein Besteuerungsrecht (nur) aus Art. 10 Abs. 1 herleiten und ist grds. verpflichtet, eine ausländische Quellensteuer gem. Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 anzurechnen. Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (also insbesondere bei Sachausschüttungen von Aktiengesellschaften) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der autonomen Auslegung durch Deutschland.3 Bei Körperschaftsteuersubjekten spielt dies aber in der Praxis regelmäßig keine Rolle, weil mittlerweile auch die Finanzverwaltung Sachausschüttungen unter § 8b Abs. 1 KStG subsumiert.4 Zu Qualifikationskonflikten wird es im Bereich der Sachausschüttungen vermutlich nur selten kommen (vgl. aber die Ausführungen zur Einlagenrückgewähr, Rz. 145 ff.). ff) Einlagenrückgewähr

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Allgemeines. Ob eine Rückgewähr von Einlagen als Dividende i.S.v. Art. 10 Abs. 3 qualifiziert, wird durch die einzelnen Staaten völlig unterschiedlich beantwortet. Im Ausgangspunkt besteht zwar weitgehend Einigkeit darin, dass die Rückgewähr einer ursprünglich getätigten Einlage keinen steuerpflichtigen Vorgang beim Gesellschafter darstellen darf. Bei der technischen Umsetzung dieser Maßgabe gibt es denn aber erhebliche Unterschiede. So lässt z.B. das österreichische Steuerrecht eine Einlagenrückgewähr (aus dem sog. Einlagenevidenzkonto) unabhängig davon zu, ob und in welchem Umfange laufende Gewinne oder Gewinnrücklagen bestehen. Andere Staaten legen demgegenüber Wert darauf, dass zunächst die Gewinne oder 1 2 3 4

Vgl. mit Fallbeispielen Schönfeld, IStR 2012, 368 m.w.N. Vgl. dazu Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 147 u. 375 m.w.N. BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112. BMF v. 28.4.2003 – IV A 2-S 2750a-7/03, BStBl. I 2003, 292, Rz. 22; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 193.

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D. Dividendenbegriff (Abs. 3)

Rz. 149 Art. 10

Gewinnrücklagen (ggf. steuerpflichtig) ausgeschüttet werden, bevor eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr unter Verminderung der Anschaffungskosten bzw. des Buchwerts der Beteiligung möglich ist.1 Deutschland als Quellenstaat. Deutschland als Quellenstaat hat sich der letzteren Auffassung angeschlossen und sieht in § 27 KStG eine gewisse Verwendungsreihenfolge vor. Danach haben unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem sog. steuerlichen Einlagenkonto auszuweisen und dieses gem. § 27 Abs. 1 Satz 2 KStG in den Folgejahren unter Berücksichtigung von Zu- und Abgängen fortzuschreiben. Leistungen einer Kapitalgesellschaft mindern gem. § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG das steuerliche Einlagenkonto unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung nur, soweit sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (Einlagenrückgewähr). Als ausschüttbarer Gewinn gilt dabei gem. § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagenkontos. Es handelt sich dabei also um eine rein steuerliche Rechnung, so dass auch solche Vorgänge zu einer Einlagenrückgewähr führen können, die handelsrechtlich in das Gewand einer Gewinnausschüttung gekleidet sind (was sogar die Regel sein dürfte). Der Bestand des steuerlichen Einlagenkontos wird gesondert festgestellt. Gilt steuerliches Einlagenkonto als verwendet, so ist keine Kapitalertragsteuer einzubehalten (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Zu beachten ist jedoch, dass dies eine entsprechende Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG voraussetzt und nur der bescheinigte (und nicht der errechnete) Betrag maßgeblich ist (ggf. Haftung für Kapitalertragsteuer, vgl. § 27 Abs. 5 KStG). Die Einlagenrückgewähr gilt im Übrigen gem. § 17 Abs. 4 EStG als Veräußerungsvorgang, wobei es zu einem Veräußerungsgewinn nur und insoweit kommen kann, als die Einlagenrückgewähr die steuerlichen Anschaffungskosten bzw. den steuerlichen Buchwert übersteigt. In einem solchen Fall würde sich für Deutschland als Quellenstaat das Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 4, 5 richten (vgl. Art. 13 Rz. 83 ff.).

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Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Empfängers der Leistung, dann richtet sich die Qualifikation als Dividende für abkommensrechtliche Zwecke nach der hier präferierten eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 115) zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 nach dem Steuerrecht des Quellenstaates. Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (also insbesondere bei Einlagenrückgewähr durch Aktiengesellschaften) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der autonomen Auslegung durch Deutschland.2 In beiden Fällen bleibt es Deutschland aber unbenommen, sein abkommensrechtlich ggf. bestehendes Besteuerungsrecht nicht auszuüben, weil die Einlagenrückgewähr innerstaatlich bereits zu keinen Einkünften führt. Für Zwecke der Anwendung des innerstaatlichen Steuerrechts kann auf Antrag aber (nur) für EU/EWR-Gesellschaften ein Einlagenkonto festgestellt werden, § 27 Abs. 8 KStG. Erfolgt keine Feststellung, gelten die Leistungen der ausländischen Kapitalgesellschaft gem. § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG als Gewinnausschüttungen.

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Qualifikationskonflikte bei Einlagenrückgewähr. Im Fall der Feststellung eines steuerlichen Einlagenkontos gem. § 27 Abs. 8 KStG kann es zu Qualifikationskonflikten kommen:

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Quellenstaat = Dividenden/Deutschland = Einlagenrückgewähr. So ist z.B. denkbar, dass der Quellenstaat von Dividenden ausgeht, während Deutschland als Ansässigkeitsstaat eine Einlagenrückgewähr annimmt. In diesem Fall wird der Quellenstaat ein Besteuerungsrecht in den Grenzen von Art. 10 Abs. 2 beanspruchen, während Deutschland schon keine Einkünfte annimmt, sondern die Leistung mit den steuerlichen Anschaffungskosten bzw. dem steuerlichen Buchwert der Beteiligung (steuerneutral) verrechnet. Solange ausreichend steuerliche Anschaffungskosten bzw. steuerlicher Buchwert vorhanden ist, erscheint diese Folge zumindest aus fiskalischer Sicht deshalb unkritisch, weil bei einer späteren Veräußerung ein höherer Veräußerungsgewinn entsteht, für den Deutschland typischerweise gem. Art. 13 Abs. 5 über ein (ausschließliches) Besteuerungsrecht verfügt. Für den Steuerpflichtigen wird sich allerdings das Problem ergeben, dass die auf die abkommensrechtlichen Dividenden ggf. einbehaltenen Quellensteuern wohl nicht auf die auf den Veräußerungsgewinn erhobene Steuern angerechnet werden können. Noch merkwürdiger kann die Situation werden, wenn die (nach dem Recht des Quellenstaates) abkommensrechtlich als Dividenden qualifizierenden Auskehrungen die steuerlichen Anschaffungskosten bzw. den steuerlichen Buchwert übersteigen. In diesem Fall entsteht nämlich über die Fiktion des § 17 Abs. 4 EStG ein Veräußerungsgewinn, für den Deutschland vermutlich über Art. 13 Abs. 5 ein Besteuerungsrecht beanspruchen möchte. Aufgrund der Tatsache, dass abkommensrechtlich „Dividenden“ vorliegen, kann Deutschland sein Besteuerungsrecht aber nur auf Art. 10 Abs. 1 stützen mit der Folge, dass eine Verpflichtung zur Anrechnung nach

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1 Zum Ganzen auch Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 125 f.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 132. 2 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 111.

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Art. 10 Rz. 149

Dividenden

Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 besteht. Da dies aber genau der Sinn der eingeschränkten Qualifikationsverkettung ist, kann an diesem Ergebnis nichts ausgesetzt werden. In aller Regel wird sich der deutsche Fiskus dadurch sogar besser stellen, da eben – wie gezeigt – bis zum Erreichen des steuerlichen Buchwertes bei einer späteren Veräußerung wohl keine Anrechnungsverpflichtung besteht. 150

Quellenstaat = Einlagenrückgewähr/Deutschland = Dividenden. Zu einem Qualifikationskonflikt kann es schließlich auch dann kommen, wenn der Quellenstaat von einer Einlagenrückgewähr ausgeht, während Deutschland als Ansässigkeitsstaat eine Dividende annimmt. In diesem Fall wird der Quellenstaat kein Besteuerungsrecht beanspruchen. Deutschland kann sein Besteuerungsrecht nicht aus Art. 10 Abs. 1 herleiten, da aus Sicht des Quellenstaates keine Dividenden vorliegen. Allerdings wird Deutschland sein Besteuerungsrecht wohl auf Art. 21 Abs. 1 stützen können.

151

Deutschland = Dividende/Wohnsitzstaat = Einlagenrückgewähr. Ist Deutschland schließlich der Quellenstaat, dann kann es zu einem Qualifikationskonflikt kommen, wenn Deutschland als Quellenstaat eine Dividende annimmt, während der Ansässigkeitsstaat von einer Einlagenrückgewähr ausgeht. In diesem Fall verfügt Deutschland nur über ein gem. Art. 10 Abs. 2 beschränktes Steuerrecht, während der Ansässigkeitsstaat ungeachtet seines aus Art. 10 Abs. 1 resultierenden Besteuerungsrechtes die Leistung nach seinem innerstaatlichen Steuerrecht steuerneutral mit den steuerlichen Anschaffungskosten bzw. dem steuerlichen Buchwert verrechnen wird.

152

Deutschland = Einlagenrückgewähr/Wohnsitzstaat = Dividende. Nimmt umgekehrt Deutschland als Quellenstaat eine Einlagenrückgewähr an, während der Ansässigkeitsstaat von einer Dividende ausgeht, wird umgekehrt Deutschland nicht besteuern, weil es entweder eine steuerneutrale Verrechnung mit den steuerlichen Anschaffungskosten bzw. dem steuerlichen Buchwert vornimmt oder sich gem. Art. 13 Abs. 5 in einer Besteuerung gehindert sieht. Der Ansässigkeitsstaat kann sein Besteuerungsrecht aufgrund fehlender „Dividenden“ nicht auf Art. 10 Abs. 1, sondern auf Art. 21 Abs. 1 stützen. § 50d Abs. 9 EStG findet in diesen Fällen keine Anwendung, im Falle Deutschlands als Quellenstaat schon deshalb nicht, weil die Regelung eine unbeschränkte Steuerpflicht voraussetzt (aber Hinweis auf Doppelansässigkeit). gg) Nennkapitalherabsetzung

153

Allgemeines. Typischerweise soll ebenso wie bei der Einlagenrückgewähr die Auskehrung von Vermögen anlässlich einer Nennkapitalherabsetzung beim Empfänger zu keinem steuerpflichtigen Vorgang führen (vgl. Rz. 145). Hat der Empfänger den Anteil jedoch zu einem vom Nennbetrag abweichenden Betrag erworben, kann es durchaus sinnvoll sein, an die Nennkapitalherabsetzung steuerliche Konsequenzen zu knüpfen.1

154

Deutschland als Quellenstaat. Deutschland als Quellenstaat sieht daher in § 17 Abs. 4 EStG vor, dass eine Kapitalherabsetzung als Veräußerung gilt. Zu einem Veräußerungsgewinn kann es dabei nur kommen, soweit die anlässlich der Nennkapitalherabsetzung vorzunehmende Vermögensauskehrung die steuerlichen Anschaffungskosten an der Beteiligung übersteigt.2 In diesem Fall richtet sich das deutsche Besteuerungsrecht nicht nach Art. 10 Abs. 2, sondern nach Art. 13 Abs. 4, 5. Fallen die Anteile nicht unter § 17 EStG, richten sich die Rechtsfolgen der Nennkapitalherabsetzung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG, die im Ergebnis denjenigen in § 17 Abs. 4 EStG entsprechen, nur gilt die Nennkapitalherabsetzung nicht als „Veräußerung“.3 Zudem sind allgemein die Besonderheiten von § 28 KStG bei der Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital und Nennkapitalherabsetzung zu beachten. Gehören die Anteile zu einem Betriebsvermögen, erfolgt ebenfalls zunächst eine (steuerneutrale) Verrechnung mit dem steuerlichen Beteiligungsbuchwert.

155

Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Empfängers der anlässlich der Nennkapitalherabsetzung erbrachten Leistung, hängt die Qualifikation dieser Leistung als Dividende nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 115) zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 davon ab, ob die Nennkapitalherabsetzung nach dem Steuerrecht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien gleichgestellt ist. Praktisch wird das zwar nur selten der Fall sein, ggf. wäre Deutschland dann aber für den Begriff der Dividende mit der Folge daran gebunden, eine ggf. anfallende ausländische Quellensteuer nach Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 A Abs. 2 bzw. Art. 23B anzurechnen. Aus den zur Einlagenrückgewähr dargestellten Gründen ist dieses Ergebnis nicht zu beanstanden, da Deutschland über die verminderten steuerlichen Anschaffungskosten bzw. den steuerlichen Buchwert über Art. 13 Abs. 5 ggf. steuerpflichtige stille Reserven schafft (vgl. Rz. 145 ff.). Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (also insbesondere bei Kapitalherabsetzung von Aktiengesellschaften) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der auto1 Zum Ganzen auch Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 137 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 131; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.342 f. 2 BFH v. 29.6.1995 – VIII R 69/93, BStBl. II 1995, 725; Weber-Grellet in Schmidt37, § 17 EStG Rz. 230. 3 Vgl. Levedag in Schmidt37, § 20 EStG Rz. 69 ff.

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D. Dividendenbegriff (Abs. 3)

Rz. 160 Art. 10

nomen Auslegung durch Deutschland.1 Im Übrigen kann es auch (in seltenen Fällen) bei einer Nennkapitalherabsetzung zu Qualifikationskonflikten kommen, für die die Ausführungen zur Einlagenrückgewähr entsprechend gelten (vgl. Rz. 148 ff.). hh) Liquidationsgewinne Allgemeines. Im Liquidationsfall kann zum einen ein Gewinn auf Ebene der liquidierten Gesellschaft daraus entstehen, dass sich in den von der liquidierten Gesellschaft gehaltenen Wirtschaftsgütern stille Reserven befinden. Zum anderen kann ein Gewinn auf Ebene des Gesellschafters der liquidierten Gesellschaft daraus entstehen, dass die von der liquidierten Gesellschaft gehaltenen Wirtschaftsgüter (bzw. deren Surrogate) an den Gesellschafter ausgekehrt werden. Nur letztere Konstellation kann von Art. 10 Abs. 3 angesprochen sein.2

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Deutschland als Quellenstaat. Ist Deutschland der Quellenstaat, richten sich die Rechtsfolgen nach § 17 Abs. 4 EStG bzw. nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Im Ergebnis ist danach die anlässlich der Liquidation vorzunehmende Auskehrung wie folgt aufzuteilen: (1) Auskehrung von Nennkapital und steuerlichem Einlagenkonto i.S.d. § 27 Abs. 1 KStG mit vorrangiger Beteiligungsbuchwertverrechnung sowie (2) Auskehrung thesaurierter Gewinn, die wie eine Gewinnausschüttungen zu behandeln sind. Nur für letztere sind aus deutscher Sicht die Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 3 mit der Folge erfüllt, dass sich das Besteuerungsrecht nach Art. 10 Abs. 2 richtet; im Übrigen gilt Art. 13 Abs. 4, 5. Im Übrigen gelten die Ausführungen zur Einlagenrückgewähr und zur Nennkapitalherabsetzung entsprechend (vgl. Rz. 145 ff. und Rz. 153 ff.).

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Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Empfängers des anlässlich der Liquidation ausgekehrten Vermögens, hängt die Qualifikation dieser Leistung als Dividende nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 115) zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 davon ab, ob die Auskehrung nach dem Steuerrecht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien gleichgestellt ist. In diesem Fall wäre Deutschland für den Begriff der Dividende mit der Folge gebunden, eine ggf. anfallende ausländische Quellensteuer nach Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B anzurechnen. Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (also insbesondere bei der Liquidation von Aktiengesellschaften) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der autonomen Auslegung durch Deutschland.3 Im Übrigen gelten die Ausführungen zur Einlagenrückgewähr und zur Nennkapitalherabsetzung entsprechend (vgl. Rz. 145 ff. und Rz. 153 ff.).

158

ii) Umwandlungsgewinne Umwandlungsgewinne können unter Art. 10 Abs. 3 fallen. Auch im Falle der Umwandlung einer Gesellschaft kann es zu Gewinnauswirkungen auf Ebene des übertragenden und übernehmenden Rechtsträgers kommen. Darüber hinaus kann die Umwandlung mit einer Auskehrung von Vermögen an die Gesellschafter der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger verbunden sein (z.T. auch zwischen den beteiligten Rechtsträgern). Diese Fälle können in erster Linie von Art. 10 Abs. 3 angesprochen sein. Soweit dabei eine Nähe zu Liquidationsgewinnen besteht, kann auf die Ausführungen in Rz. 156 ff. verwiesen werden. Teilweise fingiert das jeweilige Umwandlungsteuerrecht aber auch nur Vermögensauskehrungen, wie z.B. § 7 UmwStG für die Verschmelzung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft bzw. über § 9 UmwStG für den Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft. Nach § 7 Satz 1 UmwStG wird eine Ausschüttung offener Rücklagen fingiert, die zu Einkünften i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führt. Dies ermöglicht es zwanglos, auch die z.B. nach § 7 Satz 1 UmwStG fingierten Auskehrungen unter Art. 10 Abs. 3 mit der Folge zu fassen, dass der Quellenstaat sein Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 2 herleitet.4 Im Übrigen gilt auch für Umwandlungsgewinne, dass sich dies nach der hier präferierten eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 115) zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 nach dem Steuerrecht des Quellenstaates richtet. Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (also insbesondere bei Umwandlung von Aktiengesellschaften) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der autonomen Auslegung durch Deutschland.5

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jj) Andere geldwerte Vorteile Gratisaktien, Boni usw. Art. 10 Rz. 28 OECD-MK stellt klar, dass der Begriff „Dividenden“ i.S.v. Art. 10 Abs. 3 nicht nur die jährlich von der Hauptversammlung der Gesellschaft beschlossenen Gewinnausschüt1 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 111. 2 Zum Ganzen auch Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 142 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 130. 3 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 111. 4 Ebenso Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 151. 5 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 111.

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Art. 10 Rz. 160

Dividenden

tungen behandelt, sondern auch andere geldwerte Vorteile, die der Gesellschafter aufgrund seines Gesellschaftsanteils erhält. Daher können neben den ausdrücklich behandelten geldwerten Vorteilen wie verdeckte Gewinnausschüttung etc. (vgl. Rz. 135 ff.) auch Gratisaktien, Boni etc. als „Dividenden“ qualifizieren. Nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 115) hängt die Beantwortung dieser Frage zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 davon ab, ob der betreffende Vorteil nach dem Steuerrecht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien gleichgestellt ist. Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (also insbesondere bei anderen geldwerten Vorteilen von Aktiengesellschaften) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der autonomen Auslegung durch Deutschland.1 b) Genussaktien, Genussscheine und Genussrechte aa) Genussrechte 161

Begriff. Bei Genussrechten handelt es sich um einen allgemeinen Oberbegriff, der die in Art. 10 Abs. 3 ausdrücklich genannten „Genussaktien“ und „Genussscheine“ mitumfasst.2 Der Begriff des Genussrechts ist weder im OECD-MA noch im deutschen Recht definiert. Allerdings wird er im deutschen Recht an verschiedenen Stellen genannt und damit vorausgesetzt (z.B. § 221 Abs. 3 AktG, § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Beschreiben lässt sich ein Genussrecht als ein Kapitalüberlassungsverhältnis auf rein schuldrechtlicher Grundlage.3 Mit Abschluss des Genussrechtsvertrages verpflichtet sich der Genussrechtsinhaber, dem Genussrechtsemittenten das Genussrechtskapital zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug werden dem Genussrechtsinhaber vom Genussrechtsemittenten bestimmte Vermögensrechte gewährt, die in der Regel auch Gesellschaftern des Emittenten zustehen (z.B. eine gewinnabhängige Vergütung, eine Beteiligung am Liquidationserlös etc.). Eine Ausstattung mit Verwaltungsrechten, insbesondere mit Stimmrechten, ist hingegen nicht möglich.

162

Nur beteiligungsähnliche Genussrechte fallen unter Art. 10 Abs. 3. Ob unverbriefte Genussrechte, die anders als Genussaktien und Genussscheine nicht ausdrücklich in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1 genannt sind, unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1 oder unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 2 fallen, wird im Schrifttum uneinheitlich beantwortet.4 Vor dem Hintergrund der hier vertretenen Auffassung, wonach bei allen drei Fallgruppen das Vorliegen steuerlichen Eigenkapitals erforderlich ist (vgl. Rz. 127 f.), ist diese Frage jedoch ohne praktische Bedeutung. Vielmehr steht danach fest, dass nur sog. beteiligungsähnliche Genussrechte unter Art. 10 Abs. 3 fallen, die aus Sicht des Anwenderstaates als steuerliches Eigenkapital qualifizieren (im Gegensatz zu obligationsähnlichen Genussrechten).5 Ist Deutschland der Quellenstaat, so ergibt sich aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 Fall 5 EStG sowie aus § 8 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 EStG, dass beteiligungsähnliche Genussrechte eine Beteiligung am Gewinn (Rz. 163) und Liquidationserlös (Rz. 164) einer Kapitalgesellschaft voraussetzen.6

163

Beteiligung am Gewinn. Eine „Beteiligung am Gewinn […] der Kapitalgesellschaft“ erfordert eine variable, von der Höhe des „Gewinns“ der Kapitalgesellschaft abhängige Vergütung. Die Anknüpfung an den „Gewinn“ wird allgemein weit verstanden, so dass jede mittelbare oder unmittelbare Abhängigkeit ausreichen soll. Danach soll jede erfolgsabhängige Vergütung, deren Bezugsgröße der Jahresüberschuss, der ausschüttungsfähige Gewinn, der Bilanzgewinn, die Dividende oder eine vergleichbare auf das Ergebnis bezogene Bemessungsgrundlage ist, ausreichen.7 Die weite Auslegung rechtfertigt sich nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die an die Teilnahme am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft anknüpft.8 Auch hätte der Gesetzgeber, hätte er eine bestimmte Bezugsgröße gewünscht, diese deutlich zum Ausdruck bringen können. Der Annahme einer Beteiligung am Gewinn steht eine Mindestverzinsung des Genussrechtskapitals nach allgemeiner Ansicht nicht entgegen, wenn die erfolgsabhängige Vergütung bei wirtschaftlicher Beteiligung im Vordergrund steht, d.h. bei Betrachtung eines längerfristigen Zeitraums nach der Ertragskraft der Gesellschaft die Beteiligung am Gewinn nachhaltig über der Mindestverzinsung liegt.9 Hierzu wird zum einen darauf abgestellt, ob – im Emissionszeitpunkt – unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls damit zu rechnen ist, dass die Anteilsinhaber langfristig etwa gleich hohe Dividenden erhalten werden, d.h. die Min1 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 111. 2 Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 125; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 64; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 124 f. 3 Zum Begriff vgl. nur Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 149. 4 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 125 f.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 124 ff.; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 194. 5 Anders mglw. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 126. 6 Vgl. hierzu auch BFH v. 26.8.2010 – I R 53/09; BFH/NV 2011, 135. 7 Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 151; Intemann in H/H/R, § 20 EStG Anm. 56; Rengers in Blümich, § 8 KStG Rz. 202; Widmayer, IStR 2001, 337 (339). 8 Kratzsch, BB 2005, 2603 (2605). 9 Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG, § 8 Rz. 387; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 151.

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D. Dividendenbegriff (Abs. 3)

Rz. 165 Art. 10

destverzinsung nach den jeweiligen Verhältnissen durch den aufgrund der Ertragskraft des Unternehmens üblicherweise langfristig erzielbaren Gewinn gedeckt werden könne. Andere ziehen als Vergleichsmaßstab das idealtypische Fremdkapital heran und konkret den Zinssatz für vergleichbare Anleiheemissionen am Kapitalmarkt.1 Unterschreitet die Mindestverzinsung die Verzinsung vergleichbarer Anleiheemissionen signifikant, soll insgesamt von einer Beteiligung am Gewinn auszugehen sein. Vor diesem Hintergrund sollte man in der Praxis die feste Verzinsung möglichst gering festsetzen, so dass der Anteil der variablen Vergütung deutlich im Vordergrund steht. In der Praxis finden sich auch Genussrechte, die die der variable Vergütung an einen Gewinn einer bestimmten Sparte der Kapitalgesellschaft anknüpfen. Es stellt sich die Frage, ob darin eine Beteiligung am Gewinn der Kapitalgesellschaft gesehen werden kann. Dies sollte zu bejahen sein, weil weder § 20 Abs. 1 Nr. 1 Fall 5 EStG noch § 8 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 EStG eine Beteiligung am „Gesamtgewinn“ fordern. Gleichwohl wird teilweise eine Beteiligung am Gewinn bei Anknüpfung an einen Spartengewinn jedenfalls für die Fälle verneint, in denen der Genussrechtsinhaber auch dann eine variable Vergütung auf Basis eines Spartengewinns erhalten soll, obwohl die Gesellschaft insgesamt keinen Gewinn oder sogar einen Verlust erzielt hat.2 Ob der BFH eine ebenso strenge Sicht einnimmt, scheint zumindest fraglich.3 Dieser Fall kann jedoch durch entsprechende Gestaltung der Genussrechtsvereinbarung ausgeschlossen werden, indem die variable Vergütung nur gezahlt wird, wenn ein entsprechender Gesamtgewinn der Kapitalgesellschaft gegeben ist. Der umgekehrte Fall, dass keine variable Genussrechtsvergütung gezahlt wird, weil kein Spartengewinn erzielt wurde, aber ein Gesamtgewinn, dürfte demgegenüber unkritisch sein, weil dieser Umstand für sich gesehen nicht die Fremdkapitalähnlichkeit des Genussrechts begründen kann. Beteiligung am Liquidationserlös. Für die Annahme eines beteiligungsähnlichen Genussrechtes ist weiter- 164 hin eine „Beteiligung am […] Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft“ erforderlich. Nach der Rspr. des BFH liegt eine Beteiligung am Liquidationserlös stets dann vor, wenn das Genussrechtskapital zzgl. der anteiligen stillen Reserven zurückzuzahlen ist.4 Dies gilt jedenfalls für den tatsächlichen Liquidationsfall. Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll eine Beteiligung am Liquidationserlös selbst bei vorzeitiger Rückzahlung ohne Beteiligung an den stillen Reserven vorliegen, wenn die Laufzeit des Genussrechts die Mindestdauer von 30 Jahren überschreitet, da der Rückzahlungsanspruch in diesen Fällen bedeutungslos sei.5 Der BFH lehnt ein solches Verständnis mit Blick auf den klaren Regelungswortlaut ab.6 Die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung wegen Befristung oder Kündigung ist nach überwiegender Auffassung für die Annahme einer Beteiligung am Liquidationserlös unschädlich, wenn auch eine Beteiligung an den stillen Reserven vorgesehen ist (sog. Beteiligung am fiktiven Liquidationserlös).7 Zum Teil wird aber auch vertreten, dass es an einer Beteiligung am Liquidationserlös in einem solchen Fall fehlt, weil der Genussrechtsinhaber in diesem Fall denknotwendig nicht mehr am Liquidationserlös beteiligt werden könne.8 Jedenfalls dann, wenn sowohl eine Vereinbarung über die Beteiligung am echten als auch am fiktiven Liquidationserlös besteht und zu Beginn der Vereinbarung offen ist, wann die Genussrechte eingelöst werden, sollte die erforderliche Beteiligung am Liquidationserlös zu bejahen sein.9 Keinesfalls darf für Fälle der vorzeitigen Kündigung oder des Laufzeitendes eine Mindestrückzahlungsverpflichtung in Höhe des Nennwerts des Genussrechtskapitals vereinbart werden.10 Abgrenzung zu typisch/atypisch stillen Beteiligung. Die stille Beteiligung i.S.v. § 230 HGB setzt – unabhängig von der steuerlichen Qualifikation als „typische“ oder „atypische“ stille Beteiligung – als Gesellschaft im Gegensatz zur rein schuldrechtlichen Vereinbarung eines Genussrechts voraus, dass Anleger und Emittent zu einem gemeinsamen Zweck zusammenwirken. Allgemein darf sich der gemeinsame Zweck nicht darin erschöpfen, dass jede Partei für sich alleine Ziele anstrebt, die vielleicht aufeinander abgestimmt sind, mangels entsprechender Bindung aber nicht gegenseitig eingefordert werden können. Nicht als gemeinsamer Zweck ausreichend ist die bloße Kapitalhingabe durch den Anleger und die Anlage durch den Emittenten 1 2 3 4 5 6 7

Briesemeister, Hybride Finanzinstrumente im Ertragsteuerrecht, 2006, 120; Kroschweski, Stbg 2005, 341, 343. Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 151; Janetzko in H/H/R, § 8 KStG Anm. 184. BFH v. 26.8.2010 – I R 53/09; BFH/NV 2011, 135. BFH v. 14.6.2005 – VIII R 73/03, BStBl. II 2005, 861, zu § 17 EStG. BMF v. 8.12.1986, BB 1987, 667. Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 151, unter Hinweis auf BFH v. 14.6.2005 – VIII R 73/03, BStBl. II 2005, 861. Vgl. Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 4 Rz. 123 m.w.N.; Janetzko in H/H/R, § 8 KStG Anm. 187 m.w.N.; Briesemeister, Hybride Finanzinstrumente im Ertragsteuerrecht, 2006, 129 f.; Kroschewski, Stbg 2005, 341 (343). 8 Vgl. Linscheidt, DB 1992, 1852 (1855 f.); vgl. auch Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 151, dort die Nachweise in Fn. 6. 9 Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 4 Rz. 123; Kroschewski, Stbg 2005, 341 (343). 10 Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 151; Briesemeister, Hybride Finanzinstrumente im Ertragsteuerrecht, 2006, 131.

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Art. 10 Rz. 165

Dividenden

zur Erzielung von Vermögenszuwächsen, erforderlich ist vielmehr ein substanzielle „Mehr“.1 Ein solches soll z.B. gegeben sein, wenn Anleger und Emittent eine „Gewinn- und Verlustgemeinschaft“ bilden, weil der Emittent dann erheblich am Erfolg und Misserfolg der Kapitalanlage partizipiert. Kommt jedoch der Gewinn aus der Kapitalanlage vollständig dem Anleger zugute und erhält der Emittent lediglich eine Art Gebühr, dürfte eine solche „Gewinn- und Verlustgemeinschaft“ zu verneinen sein. Weiter soll für die Annahme von Genussrechten im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sprechen, wenn diese (1) frei übertragbar sind, (2.) keine bzw. Informationsrechte vorgesehen sind, die hinter § 233 HGB zurückbleiben und (3.) keine Beteiligung am Liquidationserlös bzw. an den Verlusten vermitteln. 166

Abgrenzung zum partiarischen Darlehen. Partiarische Darlehen zeichnen sich dadurch aus, dass die Verzinsung sich ganz oder teilweise am Gewinn des Schuldners orientieren. Dies entspricht ebenso einem Genussrecht wie der Umstand, dass kein eine stille Gesellschaft charakterisierender „gemeinsamer Zweck“ besteht. Der partiarische Darlehensgeber erhält einen Gewinnanteil aus dem Geschäft, für das er das Darlehen gewährt hat. Abweichend vom Genussrecht ist jedoch typischerweise beim partiarischen Darlehen eine Verlustbeteiligung ausgeschlossen.2 Insoweit steht dem Darlehensgeber zumindest der Anspruch auf Kapitalrückgewährung zu. Mit einem Genussrecht ist eine Beteiligung am (echten oder fiktiven) Liquidationserlös verbunden, so dass der Genussrechtsinhaber in Verlustfällen grds. auch mit dem Genussrechtskapital haftet. bb) Genussscheine

167

Verbrieftes Genussrecht. Der Begriff der Genussscheine ist nicht im Abkommen definiert, so dass sich die Begriffsbestimmung nach dem Recht des Anwenderstaates richtet. Aus deutscher Sicht handelt es sich bei Genussscheinen um Urkunden, die Genussrechte verbriefen (zum Genussrecht vgl. Rz. 161 ff.). Genussscheine können als Inhaberpapiere, Namenspapiere oder Orderpapiere ausgegeben werden. Sie unterscheiden sich nach der Form (Nominalpapier, auf bestimmte Summe lautend; Quotenpapier, auf prozentualen Anteil am Gewinn oder Liquidationserlös lautend), nach dem Inhalt (Genussscheine mit Anspruch auf Gewinnbeteiligung; Genussscheine mit Anspruch auf Anteil am Liquidationserlös; Genussscheine mit Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Summe) sowie nach der Ausgabe (Genussscheine können von Unternehmen unterschiedlicher Rechtsformen zur Kapitalbeschaffung ausgegeben werden). Auch Genussscheine fallen als verbrieftes Genussrecht nur dann unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3, wenn sie als steuerliches Eigenkapital qualifizieren (beteiligungsähnliche Genussscheine; vgl. näher Rz. 162). cc) Genussaktien

168

Keine praktische Relevanz. Eine Genussaktie ist ein regelmäßig mit Stimmrechten versehener Genussschein (vgl. zum Genussschein Rz. 167). Die Genussaktie verbrieft die Vermögens- und Mitspracherechte des Aktionärs. In der Regel handelt es sich dabei um Anteile am Reingewinn oder am Liquidationserlös. Die Genussaktie ist der Vorzugsaktie vergleichbar, damit aber in keinem Fall zu verwechseln. Das deutsche Aktienrecht kennt Genussaktien nicht, so dass sich für Deutschland als Quellenstaat kein Definitionsproblem stellt.3 c) Kuxe und Gründeranteile

169

Kuxe. Die in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1 genannten Kuxe sind Anteile an bergrechtlichen Gewerkschaften. Soweit diese bergrechtlichen Gewerkschaften nach dem Rechts des Quellenstaates als „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b behandelt werden, sind die Gewinnausschüttungen als Dividenden zu qualifizieren. Für den Ansässigkeitsstaat ist diese Qualifikation trotz der hier vertretenen Maßgeblichkeit der Dividendendefinition durch den Quellenstaat (vgl. Rz. 115) nicht bindend, da dem Begriff der Gesellschaft innerhalb von Art. 10 Abs. 3 keine eigenständige Bedeutung zukommt und autonom durch den Anwenderstaat zu bestimmen ist (vgl. Rz. 126).4 In Deutschland wurden mit Bergbaugesetz v. 13.8.19805 die in Deutschland damals noch bestehenden bergrechtlichen Gewerkschaften mit Wirkung zum 1.1.1986 aufgelöst.6 In anderen Gesellschaftsformen errichtete bergbautreibende Vereinigungen (z.B. Personengesellschaften) zählen nicht 1 Vgl. BFH v. 8.4.2008 – VIII R 3/05, BStBl. II 2008, 852. 2 Vgl. BFH v. 19.2.2009 – IV R 83/06, BFH/NV 2009, 1021 zur Abgrenzung stille Beteiligung zum partiarischen Darlehen. 3 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 124; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 124. 4 A.A. Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 196. 5 BGBl. I 1980, 1310. 6 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 127; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 67.

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D. Dividendenbegriff (Abs. 3)

Rz. 173 Art. 10

zu den bergrechtlichen Gewerkschaften, sondern zählen zu den Gesellschaftsformen, in die sie gekleidet sind.1 Gründeranteile. Das deutsche Gesellschaftsrecht kennt keine „Gründeranteile“. Für Deutschland als Quellenstaat ist der Begriff damit ohne praktische Relevanz.2 Aus internationaler Sicht handelt es sich um Anteile, die den Gründern vorbehalten und u.U. mit Sonderrechten ausgestattet sind („golden share“, Mehrstimmrecht etc.).3 Sofern die Gründeranteile an einer Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b bestehen (vgl. Rz. 29) und steuerlich als Eigenkapital qualifizieren (vgl. Rz. 127 f.), sind die Einkünfte hieraus als Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 zu qualifizieren.

170

3. Einkünfte aus anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung (Fallgruppe 2) Andere verbriefte Rechte aus Gesellschaftsanteilen. Zu den Dividenden sollen gem. Art. 10 Abs. 3 Fall- 171 gruppe 2 auch Einkünfte aus anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung gehören. Die Formulierung verspricht mehr praktische Bedeutung als dieser Fallgruppe (wenn sie überhaupt in deutschen DBA vereinbart wird) tatsächlich zukommt.4 So ergibt sich bereits aus den Ausführungen in Rz. 125, dass dem Begriff „Rechte“ in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 2 keine eigenständige (weite) Bedeutung zukommt, sondern dass es sich bei allen Rechtstiteln innerhalb von Art. 10 Abs. 3 um „Gesellschaftsanteile“ handeln muss, d.h. nach dem Recht des Quellenstaates als steuerliches Eigenkapital qualifizieren (vgl. Rz. 127 f.). Insoweit ist auch die von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 2 geforderte Abgrenzung zu „Forderungen“ lediglich klarstellender Natur. Anders als im Schrifttum z.T. erwogen, bedarf es dafür auch keines (unmittelbaren) Rückgriffes auf zivilrechtliche Wertungen.5 Vielmehr genügt eine rein steuerliche Betrachtung dahin, ob der betreffende Rechtstitel steuerliches Eigen- oder Fremdkapital vermittelt. Letztlich bringt auch Art. 10 Rz. 24 OECD-MK diese Wertungen zum Ausdruck, indem unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 2 nur verbriefte Rechte mit Beteiligungscharakter fallen sollen. Die praktisch wichtigen unverbrieften Rechte (z.B. GmbH-Anteile) fallen damit nicht unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 2, sondern unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3. Für die Beantwortung der Frage, ob steuerliches Eigen- oder Fremdkapital vorliegt, würde es nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 115) eigentlich Sinn machen, das Steuerrecht des Quellenstaates für maßgeblich zu erklären. Der BFH will allerdings die eingeschränkte Qualifikationsverkettung auf Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 begrenzen,6 so dass die Qualifikation innerhalb der Fallgruppe 2 jedem Anwenderstaat autonom überlassen bleibt. 4. Einkünfte aus nach dem Steuerrecht des Quellenstaates vergleichbaren Gesellschaftsanteilen (Fallgruppe 3) a) Allgemeines Generalklausel. Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 sieht schließlich eine Generalklausel für aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte vor, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.7 Eine Generalklausel war schon deshalb erforderlich, weil nicht alle denkbaren Beteiligungsformen genannt werden konnten und im Übrigen einer ständigen Änderung sowie Erweiterung unterliegen. Der Charakter als Generalklausel ergibt sich auch nach Art. 10 Rz. 23 OECD-MK daraus, dass es angesichts der bestehenden Unterschiede zwischen den OECD-Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Gesellschafts- und Steuerrechts nicht möglich ist, eine vom innerstaatlichen Recht unabhängige Definition des Dividendenbegriffs auszuarbeiten.

172

b) Aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte Einkünfte. Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 stellt nochmals eigenständig auf den Begriff der „Einkünfte“ ab. Es ist allerdings nicht erkennbar, warum diesem Begriff in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 ein anderes Verständnis 1 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 196. 2 Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 128; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 68; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 191; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 128; Tischbirek/ Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 197. 3 Vgl. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 128. 4 Zutreffend Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 198. 5 So aber wohl Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 136. 6 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112. 7 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 151 ff.; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 72 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 139 ff.

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Art. 10 Rz. 173

Dividenden

beigelegt werden sollte als in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppen 1 und 2. Auf die Ausführungen in Rz. 123 f. kann daher verwiesen werden. 174

Sonstige Gesellschaftsanteile. Die Einkünfte müssen schließlich aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen. An anderer Stelle konnte bereits darauf hingewiesen werden, dass in der Formulierung „sonstige“ eine Klammerfunktion dahin zum Ausdruck kommt, dass „Gesellschaftsanteile“ eine fallgruppenübergreifende Voraussetzung darstellen (vgl. Rz. 125). Insoweit findet sich auch die ausführliche Kommentierung des Begriffs der „Gesellschaftsanteile“ am Anfang der Kommentierung von Art. 10 Abs. 3, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird (vgl. Rz. 125 ff.). Im Ergebnis wird danach unter einem Gesellschaftsanteil ein „Anteil“ an einer „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b verstanden, der nach dem (zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 maßgeblichen) Steuerrecht des Quellenstaates als steuerliches Eigenkapital qualifiziert. Über die Frage, ob eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b vorliegt, entscheidet jeder Anwenderstaat selbst (vgl. auch Rz. 29 ff.), was zu Qualifikationskonflikten führen kann. Ob eine rein innerstaatliche Fiktion von „Dividenden“ (z.B. im Rahmen von Unterkapitalisierungsregeln) zugleich die Fiktion eines „Gesellschaftsanteils“ bewirkt bzw. dessen Prüfung entfallen lässt, ist umstritten und wird ausführlich in Rz. 179 diskutiert. c) Steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien nach dem Recht des Ansässigkeitsstaates der ausschüttenden Gesellschaft

175

„Ausschüttende“. Die sonstigen Gesellschaftsanteile müssen an der „ausschüttenden Gesellschaft“ bestehen. Abweichend von Art. 10 Abs. 1 spricht Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 nicht von „zahlt“, sondern „ausschütten“. Dabei dürfte es sich jedoch um eine bloße sprachliche Ungenauigkeit handeln, die nicht dahin missverstanden werden darf, dass Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 seinen Anwendungsbereich auf Dividenden in einem strengen gesellschaftsrechtlichen Sinne verengt, die aus einer (offenen oder verdeckten) „Gewinnausschüttung“ stammen. Es gilt vielmehr auch innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 das zum Begriff des „Zahlens“ entwickelte weite Verständnis (vgl. dazu Rz. 61).

176

Gesellschaft. Entsprechendes gilt für den in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b definierten Begriff der „Gesellschaft“, den jeder Vertragsstaat autonom bestimmt und insoweit nicht an die Qualifikation durch den Quellenstaat gebunden ist (vgl. Rz. 29 ff.). Auch die in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 ausdrücklich vorgesehene Qualifikationskompetenz des Quellenstaates für den Begriff der Dividenden vermag daran nichts zu ändern. Zwar hat der BFH in einem älteren Urt. entschieden, dass der Anwendungsbereich der vergleichbaren Regelung des Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz nicht auf Körperschaften als Schuldner der steuerlich gleichgestellten Einkünfte beschränkt sein soll. Vielmehr sollen auch Personengesellschaften (im Urteilsfall eine deutsche KG, an deren Handelsgewerbe eine typisch stille Beteiligung bestand) in den Anwendungsbereich einzubeziehen sein, was der BFH mit einer abkommensautonomen Auslegung begründete (vgl. auch ausführlicher Rz. 31). Diese Erwägungen dürften jedoch überholt sein. Aus einer neueren Entscheidung des BFH1 (zur abkommensrechtlichen Behandlung einer typisch stillen Beteiligung) ergibt sich, dass der erweiterte Dividendenbegriff des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 nicht alle erforderlichen Tatbestandsmerkmale einer Abkommensvorschrift zu überspielen vermag (im Streitfall die qualifizierte Beteiligung am Kapital einer Gesellschaft). Insoweit spricht alles dafür, dass der BFH künftig für die Anwendung der Kernregelung des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 eine „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b als Schuldnerin der steuerlich gleichgestellten Einkünfte verlangt. Damit bestimmt sich das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates des Empfängers eines geldwerten Vorteils einer Gesellschaft, die aus dessen Sicht als steuerlich transparent qualifiziert, nicht nach Art. 10 Abs. 1, selbst wenn aus Sicht des Quellenstaates eine „Dividende“ einer Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b vorliegt. Die Finanzverwaltung wendet die BFH-Entscheidung an.2

177

Steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien. Die Einkünfte müssen schließlich nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sein. Damit knüpft Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 für die Bestimmung des Dividendenbegriffs ausdrücklich an das Recht des Ansässigkeitsstaates der ausschüttenden Gesellschaft an, also an das Recht des Quellenstaates. Zu der Frage, wo eine Gesellschaft „ansässig“ ist, kann auf die Ausführungen in Rz. 40 ff. verwiesen werden. Aus der ausdrücklichen Anknüpfung wird dann auch im Schrifttum geschlussfolgert, dass zumindest für Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 eine Bindung des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers an die Qualifikation der Einkünfte durch den Quellenstaat besteht.3 Auch wenn alles dafür spricht, diese Bin1 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 2 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 4.1.1.1.3. 3 Z.B. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 149; Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 153.

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D. Dividendenbegriff (Abs. 3)

Rz. 179 Art. 10

dung als eingeschränkte Qualifikationsverkettung auf sämtliche Fallgruppen des Art. 10 Abs. 3 zu erstrecken, hat der BFH die Bindungswirkung auf die dritte Fallgruppe beschränkt (vgl. zum Streit ausführlich Rz. 115). Die Bindung ist dabei dahin zu verstehen, dass der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers nach dem Recht des Quellenstaates autonom prüft, ob die Einkünfte solchen aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. In der Regel wird dies der tatsächlichen Qualifikation durch den Quellenstaat entsprechen, muss es aber nicht. Maßgeblich ist das Steuerrecht des Quellenstaates. Es kommt also nicht darauf an, ob gesellschaftsrechtlich Einkünfte vorliegen, die den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind. Entscheidend ist allein, ob die aus einem „Gesellschaftsanteil“ (vgl. Rz. 127 f.) stammenden Einkünfte steuerlich den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind. Diese Frage kann jeder Staat für sich beantworten. Ob diese steuerliche Gleichstellung allerdings auch das selbständige Erfordernis eines „Gesellschaftsanteils“ entfallen lässt, ist umstritten und wird sogleich ausführlich in Rz. 179 diskutiert. Steuerlich gleichgestellte Einkünfte nach deutschem Steuerrecht. Ist Deutschland der Quellenstaat, so besteht zunächst Einigkeit darin, dass steuerlich den Einkünften aus Aktien gleichgestellte Einkünfte die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Einkünfte aus Kapitalvermögen sind. Neben den Ausbeuten und sonstigen Bezügen aus Aktien gehören gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG dazu Einkünfte aus beteiligungsähnlichen Genussrechten (wenn man diese nicht bereits unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1 fasst, vgl. Rz. 161 ff.), aus Anteilen an einer GmbH, an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie an bergbautreibenden Vereinigungen, die die Rechte einer juristischen Person haben (zu Kuxen vgl. Rz. 169). Zu den steuerlich gleichgestellten Einkünften gehören dabei nicht nur diejenigen, die aus offenen Gewinnausschüttungen der vorgenannten Rechtstitel stammen. Vielmehr stellt § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG klar, dass zu den sonstigen Bezügen auch verdeckte Gewinnausschüttungen gehören (vgl. dazu bereits Rz. 135 ff.). Aber auch im Übrigen gelten die zu Aktien exemplarisch dargestellten Ausführungen entsprechend, wonach auch anderweitige Vorgänge aus den genannten Rechtstiteln zu steuerlich gleichgestellten Einkünften i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen können, wie z.B. aus Vorabgewinnausschüttungen (Rz. 138), Gewinnabführungen (Rz. 139 ff.), Sachausschüttungen (Rz. 142 ff.), Einlagenrückgewähr (Rz. 145 ff.), Nennkapitalherabsetzung (Rz. 153 ff.), Liquidation (Rz. 156 ff.), Umwandlung (Rz. 159) sowie die Zuführung anderer geldwerter Vorteile (Rz. 160). Die Verwendung des Einlagenkontos gem. § 27 KStG nimmt § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG dabei ausdrücklich aus. Zur Fiktion des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG vgl. Rz. 179. Aus einer Gesamtschau der deutsch-steuerlichen Regelungen zu Dividendenbezügen (z.B. Nennung in § 3 Nr. 40 Buchst. a und d EStG) folgt ferner, dass auch die in § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG genannten Einkünfte den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. Gleiches gilt (aufgrund der Nennung in § 3 Nr. 40 Buchst. e EStG) auch für die Bezüge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG sowie für Bezüge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a EStG. Im Schrifttum findet sich darüber hinaus eine Tendenz, sämtlichen in § 20 Abs. 1 EStG genannten Einkünfte aus Kapitalvermögen die grds. Fähigkeit zuzuerkennen, für eine steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien geeignet zu sein.1 So wird z.B. diskutiert, ob die in § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG genannten Einkünfte aus stiller Beteiligung in den Anwendungsbereich des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 fallen (vgl. dazu ausführlich Rz. 180 ff.). Dies kann indes nicht überzeugen. Vergleichsmaßstab sind nach dem eindeutigen Wortlaut nur die „Einkünfte aus Aktien“. Diese Gleichstellung wird im deutschen Steuerrecht nicht allein dadurch bewirkt, dass neben den ausdrücklich in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten „Dividenden“ auch die in den übrigen Nummern genannten Einkünfte solche aus Kapitalvermögen sind. Dann könnten nämlich auch die in § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG genannten „Zinsen“ steuerlich den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sein. Davon kann indes keine Rede sein. Vielmehr ist eine Gesamtschau der deutsch-steuerlichen Vorschriften zu laufenden Beteiligungserträgen aus Körperschaften erforderlich. Dies bedeutet, dass z.B. auch die Regelungen des § 3 Nr. 40 EStG und des § 8b Abs. 1 KStG bei der Auslegung zu berücksichtigen sind. Dem kann nicht entgegengehalten werden, bei den letztgenannten Vorschriften handelt es sich um Vorschriften, die sich ausschließlich an Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers richten. Denn § 3 Nr. 40 EStG und § 8b Abs. 1 KStG sind auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht durch Deutschland als Quellenstaat anzuwenden, sofern die Kapitalertragsteuer keine abgeltende Wirkung hat (z.B. Anteil gehört zu deutschem Betriebsvermögen). Deutschland steht es als Vertragsstaat allerdings frei, über die nach innerstaatlichem Steuerrecht gleichgestellten Einkünfte aus Aktien hinaus im DBA zu vereinbaren, dass Einkünfte aus anderen Rechtstiteln als Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 gelten. Davon wird z.B. für Einkünfte aus stiller Beteiligung regelmäßig Gebrauch gemacht.

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Genügt die steuerliche Fiktion von „Dividenden“ durch den Quellenstaat? Eine weitere kontrovers diskutierte Frage ist die, ob dann, wenn der Quellenstaat eine steuerliche Dividendenfiktion anordnet, ohne dass ein tatsächlicher „Gesellschaftsanteil“ (vgl. Rz. 127 f.) vorliegt, sich diese Fiktion auch auf den Gesell-

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1 So mglw. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 155.

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Art. 10 Rz. 179

Dividenden

schaftsanteil erstreckt.1 So hat etwa Deutschland im Bereich der Gesellschafter-Fremdfinanzierung die gezahlten Darlehenszinsen über § 8a KStG a.F. in Beteiligungserträge umqualifiziert, ohne dass die zugrundeliegende Darlehensbeziehung ebenfalls eine (ausdrückliche) steuerliche Umqualifizierung in Eigenkapital erfahren hat. Auch gegenwärtig enthält das deutsche Steuerrecht derartige Fiktionen (z.B. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG). Insoweit könnte man überlegen, unter Betonung der steuerlichen Gleichstellung der Einkünfte nach dem Recht des Quellenstaates das zusätzliche Erfordernis eines „Gesellschaftsanteils“ als entbehrlich anzusehen. Hierfür spricht auch in der Tat einiges, weil es etwas wertungswidersprüchlich anmuten würde, einerseits den Dividendenbegriff aus einer steuerlichen Gleichstellung mit den Einkünften aus Aktien nach dem Recht des Quellenstaates zu bestimmen, diese Kompetenz des Quellenstaates aber andererseits auf derartige Einkünfte aus „Gesellschaftsanteilen“ zu beschränken. Gleichwohl begegnet diese Überlegung gewissen Bedenken. So ergibt sich z.B. aus der nun bereits mehrfach angesprochenen Entscheidung des BFH v. 4.6.2008,2 dass selbst eine abkommensrechtliche Fiktion nicht sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen zu überspielen vermag. Im Streitfall war dies die (für das Schachtelprivileg des Methodenartikels erforderliche) qualifizierte Beteiligung am Kapital einer Gesellschaft. Trotz der abkommensrechtlichen Fiktion einer Dividende für Einkünfte aus einer stillen Beteiligung verlangte der BFH, dass neben der Beteiligung als stiller Gesellschafter eine Beteiligung am Kapital der Gesellschaft vorliegt (vgl. Rz. 39). Auch hierin liegt ein gewisser Wertungswiderspruch, den der BFH aber ausdrücklich akzeptiert. Nach hier vertretener Auffassung lässt diese Entscheidung auch die Schlussfolgerung zu, dass innerhalb des Art. 10 Abs. 3 der jeweilige Anwenderstaat autonom darüber entscheidet, ob die Dividende von einer „Gesellschaft“ stammt, obwohl der BFH diese Frage früher anders beantwortet hat.3 Dann erscheint es aber nur konsequent, die Voraussetzung des „Gesellschaftsanteils“ nicht einfach über eine Fiktion von Einkünften zu überspielen.4 Anderenfalls hätte es der Quellenstaat auch in der Hand, ein ggf. nicht bestehendes Besteuerungsrecht für Einkünfte aus einer bloßen Darlehensforderung dadurch zu umgehen, dass die Zinsen steuerlich Dividenden gleichgestellt werden. Vielmehr bedarf es eines „Gesellschaftsanteils“ in Form von steuerlichem Eigenkapital an einer Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b (vgl. Rz. 127 f.). Eine andere Frage ist daher sogleich die, ob ein „Gesellschaftsanteil“ auch dann gegeben ist, wenn das Steuerrecht des Quellenstaates einen solchen lediglich fingiert (z.B. steuerliche Umqualifizierung von Eigen- in Fremdkapital). Nimmt man die steuerliche Qualifikationskompetenz ernst, wird man dies wohl bejahen müssen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang allerdings auch darauf, dass in deutschen DBA weitgehend auf das zusätzliche Erfordernis eines Gesellschaftsanteils verzichtet wird. Vielmehr genügt es, wenn die gleichgestellten Einkünfte aus „sonstigen Rechten“ stammen. In diesem Fall schlägt die Einkünftequalifikation durch den Quellenstaat ungeschmälert durch; für das zusätzliche Erfordernis eines Gesellschaftsanteils bleibt kein Raum. d) Einzelne Beteiligungsformen aus deutscher Sicht aa) Stille Beteiligung 180

Allgemeines. Bei der stillen Gesellschaft handelt es sich um eine unternehmerische Verbindung, bei der sich der stille Gesellschafter als Kapitalgeber am Handelsgewerbe eines anderen mit einer Vermögenseinlage beteiligt und dafür am Gewinn des Handelsgewerbes teilhat. Inhaber des Handelsgewerbes kann sowohl ein Einzelkaufmann, eine Personen- oder auch eine Kapitalgesellschaft sein. Bei der Ausgestaltung des stillen Gesellschaftsvertrages sind die Parteien weitestgehend frei. Eine gesetzliche Definition der stillen Gesellschaft existiert nicht. Der Gesetzgeber hat in den §§ 230–236 HGB lediglich einige Grundmerkmale vorgegeben, von denen die Parteien abweichen können. Nur an wenige Vorschriften sind die Parteien zwingend gebunden. Es besteht keine Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister. Wesensmerkmal der stillen Gesellschaft ist, dass der stille Gesellschafter „still“, also anonym bleiben kann.5 Dem stillen Gesellschafter können gleichwohl verschiedene Informations-, Kontroll- und Mitwirkungsrechte eingeräumt werden.6 Mit Begründung der stillen Gesellschaft entsteht zivilrechtlich eine reine Innengesellschaft, die über kein Gesamthandsver-

1 Zur Diskussion vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 157 ff.; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 195 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 149; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 201 ff. 2 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 3 BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, BStBl. II 1982, 374. 4 In diesem Sinne auch Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 205. 5 Zur stillen Gesellschaft ausführlich Rauch in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 2006, S. 120 ff.; Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft8. 6 Rauch in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 2006, S. 129 ff.; Blaurock in Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft8, § 10 Rz. 10.17 ff.

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D. Dividendenbegriff (Abs. 3)

Rz. 182 Art. 10

mögen verfügt.1 Sie tritt im Wirtschaftsleben nach außen hin nicht in Erscheinung. Sie weist deshalb auch keine Kaufmannseigenschaft auf. Kaufmann ist lediglich der Betriebsinhaber. Abgrenzung von typisch und atypisch stiller Gesellschaft. Die konkrete Ausgestaltung der stillen Gesellschaft ist maßgeblich dafür, ob man von einer typisch stillen Gesellschaft oder von einer atypisch stillen Gesellschaft spricht. Eine typisch stille Gesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass sie eher einem typischen Kapitalüberlassungsverhältnis entspricht, während bei der atypisch stillen Gesellschaft unternehmerische Merkmale hervortreten, weshalb die atypisch stille Gesellschaft auch als Mitunternehmerschaft besteuert wird. Entsprechend ist die Abgrenzung anhand der üblichen Kriterien der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisiko zu beurteilen. Dies ist nach ständiger Rspr. des BFH aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Danach reicht es für die Annahme einer atypisch stillen Gesellschaft jedenfalls nicht aus, dass sie lediglich im Vertragswerk als solche bezeichnet wird. Maßgebend ist vielmehr, welche Regelungen der Gesellschaftsvertrag im Einzelnen enthält und welche rechtlichen und wirtschaftlichen Wirkungen diese Regelungen im jeweiligen Einzelfall nach Maßgabe seiner Besonderheiten haben.2 Ein stiller Gesellschafter ist dann Mitunternehmer (und damit atypisch stiller Gesellschafter), wenn er Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann. Für die Annahme einer Mitunternehmerschaft müssen zwar beide Merkmale vorliegen, können aber mehr oder weniger ausgeprägt sein. Eine schwach ausgeprägte Mitunternehmerinitiative reicht für die Annahme einer Mitunternehmerstellung aus, wenn das Mitunternehmerrisiko besonders stark ausgeprägt ist und umgekehrt.3 Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt. Eine solche Beteiligung kann allerdings dann keine Mitunternehmerschaft begründen, wenn sie keine wirtschaftliche Bedeutung hat, weil von vornherein nur eine lediglich theoretische, kaum realitätsbezogene Möglichkeit besteht, dass sich stille Reserven bilden und der stille Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft einen Anteil hieran erlangt.4 Ist ein stiller Gesellschafter am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven und am Geschäftswert beteiligt, so ist er bereits dann Mitunternehmer, wenn er annähernd die Rechte hat, die einem stillen Gesellschafter nach dem Regelstatut des HGB zustehen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Einsichts- und Kontrollrechte des § 233 HGB.5

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Typisch stille Beteiligung. Die Einkünfte aus einer typisch stillen Beteiligung fallen unter § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG und sind damit Einkünfte aus Kapitalvermögen. Daraus könnte man schlussfolgern, dass diese Einkünfte den Einkünften aus Aktien gleichstehen und daher grds. unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 fallen können. Allerdings wird bereits aufgrund des Charakters der stillen Gesellschaft als reine Innengesellschaft zumeist das Vorliegen eines „Gesellschaftsanteils“ verneint.6 Gerade dies hätte aber nahegelegen, weil die Innengesellschaft gerade über kein Gesamthandsvermögen verfügt und auch keine Mitunternehmerschaft darstellt. Die Kapitaleinlage hätte man damit durchaus als „Gesellschaftsanteil“ verstehen können, das Problem ist nur, dass die Einlage eines typisch stillen Gesellschafters typischerweise steuerliches Fremdkapital darstellt, was nach der hier präferierten Definition des Gesellschaftsanteils (vgl. Rz. 128) schädlich ist. Letztlich kommt es darauf aber auch nicht an, weil es nach hier vertretener Auffassung bereits an der steuerlichen Vergleichbarkeit mit Einkünften aus Aktien fehlt (vgl. Rz. 177 f.). Die Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG finden sich weder in § 3 Nr. 40 EStG noch in § 8b Abs. 1 EStG. Zu beachten ist allerdings, dass es deutsche Abkommenspolitik ist, zur Sicherstellung deutschen Besteuerungsrechtes die Einkünfte aus (typisch) stiller Beteiligung ausdrücklich in die Art. 10 Abs. 3 nachgebildete Dividendendefinition aufzunehmen. In diesem Fall soll nach älterer Rspr. des BFH die Möglichkeit der stillen Beteiligung nicht auf Gesellschaften i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b beschränkt sein, sondern auch für Personengesellschaften bestehen.7 Diese Rspr. dürfte aber durch die Entscheidung des BFH v. 4.6.20088 überholt sein (vgl. auch Rz. 179).

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1 Rauch in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 2006, S. 129; Blaurock in Blaurock, Handbuch Stille Gesellschaft8, § 4 Rz. 4.17 u. 4.19. 2 BFH v. 18.2.1993 – IV R 132/91, BFH/NV 1993, 647 m.w.N. 3 St. Rspr., vgl. z.B. BFH v. 3.11.2015 – VIII R 63/13, BStBl. II 2016, 868; v. 11.12.1990 – VIII R 122/86, DB 1991, 1054 m.w.N. 4 BFH v. 18.2.1993 – IV R 132/91, BFH/NV 1993, 647 m.w.N. 5 BFH v. 11.12.1990 – VIII R 122/86, DB 1991, 1054; zum Ganzen auch ausführlich OFD Erfurt, FR 2003, 1299. 6 Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 160; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 75; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 214; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 143. 7 BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, BStBl. II 1982, 374. 8 I R 62/06, BStBl. II 2008, 793.

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Art. 10 Rz. 183 183

Dividenden

Atypisch stille Beteiligung. Die Einkünfte aus atypisch stiller Beteiligung werden aus deutsch-steuerlicher Sicht wie mitunternehmerische Einkünfte besteuert, weshalb schon von daher eine steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien nicht gegeben ist.1 Dies gilt auch ungeachtet dessen, ob in den deutschen DBA eine Unterscheidung zwischen typisch und atypisch stiller Beteiligung vorgenommen wird. Unter eine Art. 10 Abs. 3 nachgebildete deutsche Abkommensvorschrift können nur Einkünfte aus einer typisch stillen Beteiligung fallen.2 bb) Partiarisches Darlehen

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Abgrenzung zu stiller Gesellschaft. Das partiarische Darlehen weist zum Teil gemeinsame Charakteristika mit der stillen Gesellschaft auf, insbesondere besteht eine Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft. Der wesentliche Unterschied zur stillen Gesellschaft besteht aber darin, dass beim partiarischen Darlehen kein über die Kapitalüberlassung hinausgehender gemeinsamer Zweck besteht, und dass ein partiarisches Darlehen nie am Verlust der Gesellschaft teilnimmt, weil dies dem Wesen eines Darlehens widersprechen würde.3 Steuerlich fallen Einkünfte aus partiarischen Darlehen ebenso wie die aus typisch stiller Beteiligung unter § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Aus den in Rz. 182 dargestellten Gründen scheidet eine Subsumtion unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 daher aus. Allerdings entspricht es auch hier deutscher Abkommenspolitik, die Einkünfte aus partiarischen Darlehen in die Art. 10 Abs. 3 nachgebildete Dividendendefinition ausdrücklich aufzunehmen.4 cc) Wandelanleihen, Gewinnobligationen und obligationsähnliche Genussrechte

185

Keine steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien. Auch für Wandelanleihen, Gewinnobligationen und obligationsähnliche Genussrechte (zur Abgrenzung von beteiligungsähnlichen Genussrechten vgl. Rz. 162) fehlt es an der steuerlichen Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien, da diese unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu fassen sind.5 Eine Subsumtion unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 kommt damit aus den in Rz. 177 f. dargestellten Gründen nicht in Betracht. Allerdings beziehen einige deutsche DBA derartige Einkünfte ausdrücklich in den Dividendenbegriff ein.6 dd) Unterbeteiligung

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Unterbeteiligung ist nur eine Zurechnungsfrage. Auch die Einräumung einer Unterbeteiligung führt – ähnlich wie bei der stillen Gesellschaft (vgl. Rz. 182) – zur Begründung einer Innengesellschaft. Allerdings begründet selbst die atypische Unterbeteiligung an einem Kapitalgesellschaftsanteil keine Mitunternehmerschaft.7 Damit bleiben die laufenden Einkünfte aus einer Unterbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft solche aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die entscheidende Frage ist lediglich die, wem der Anteil an der Kapitalgesellschaft und damit die Einkünfte steuerlich zuzurechnen sind (vgl. § 20 Abs. 5 EStG). Die Beantwortung der Frage hängt davon ab, wem bei einer Unterbeteiligung das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen zusteht. Bei einem Kapitalgesellschaftsanteil ist der Unterbeteiligte nur dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.8 Dies ist im Einzelfall im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu beurteilen. Bleibt das wirtschaftliche Eigentum bei der die Unterbeteiligung einräumenden Person, ist er der Nutzungsberechtigte und ihm steht ein Entlastungsanspruch nach Art. 10 Abs. 2 zu. Geht das wirtschaftliche Eigentum auf den Unterbeteiligten über, ist dieser der Nutzungsberechtigte und ihm steht ein Entlastungsanspruch nach Art. 10 Abs. 2 zu (vgl. auch das Beispiel in Rz. 80). Der Umstand, dass die Unterbeteiligung eine Innengesellschaft begründet steht dem nicht entgegen. Denn die Frage, ob ein „Gesellschaftsanteil“ vorliegt, ist nach hier vertretener Auffassung allein aus steuerlicher Sicht mit der Folge zu entscheiden, dass es allein darauf ankommt, wem

1 Vgl. auch Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 163; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 76; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 210; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 144. 2 Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 163. 3 Vgl. Wagner in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 2006, S. 271 ff. 4 Vgl. dazu Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 78; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 216 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 146. 5 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt37, § 43 EStG Rz. 22. 6 Vgl. Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht4, Rz. 19.335. 7 Wacker in Schmidt37, § 15 EStG Rz. 367 m.w.N. 8 BFH v. 22.7.2008 – IX R 61/05, BFH/NV 2008, 2004; v. 8.11.2005 – VIII R 11/02, BStBl. II 2006, 253; Weber-Grellet in Schmidt37, § 17 EStG Rz. 50; Wacker in Schmidt37, § 15 EStG Rz. 367 m.w.N.

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D. Dividendenbegriff (Abs. 3)

Rz. 189 Art. 10

das wirtschaftliche Eigentum an der als steuerliches Eigenkapital qualifizierenden Rechtsposition zusteht (vgl. Rz. 128). ee) Nießbrauch Nießbrauch ist nur eine Zurechnungsfrage. Auch der Nießbrauch an einem Kapitalgesellschaftsanteil ist – ähnlich wie bei der Unterbeteiligung (vgl. Rz. 186) – keine Frage der Einkünftequalifikation, sondern eine solche der Einkünftezurechnung, d.h. wem das wirtschaftliche Eigentum an den nießbrauchsbelasteten Anteilen zuzurechnen ist (vgl. § 20 Abs. 5 EStG). Dabei ist zwischen dem Vorbehalts- und dem Zuwendungsnießbrauch zu unterscheiden. Beim Vorbehaltsnießbrauch kommt es regelmäßig zu keiner Zurechnungsänderung für Zwecke des § 20 Abs. 5 EStG, womit der Nießbraucher der wirtschaftliche Eigentümer der Anteile bleibt.1 Auch beim Zuwendungsnießbrauch soll es regelmäßig zu keiner Zurechnungsänderung für Zwecke des § 20 Abs. 5 EStG kommen, womit der Nießbrauchbesteller der wirtschaftliche Eigentümer der Anteile bleibt.2 Zu einer Zurechnungsänderung kann es nur kommen, wenn der Nießbraucher ermächtigt ist (§ 185 BGB), auf eigene Rechnung über die belasteten Anteile zu verfügen.3 Entsprechendes sollte beim problematischeren entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch gelten (vgl. auch die Beispiele in Rz. 78 f.).4

187

ff) Eigenkapitalersetzende Darlehen Keine steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien. Darlehensforderungen bleiben auch dann steuerliches Fremdkapital, wenn sie nach gesellschaftsrechtlichen Kategorien als eigenkapitalersetzend einzustufen sind. Anders kann es nur liegen, wenn der Gesellschafter auf eine werthaltige Darlehensforderung gegenüber der Gesellschaft verzichtet und den nämlichen Betrag damit in die Kapitalgesellschaft einlegt; der Betrag wäre im Beteiligungskonto zu erfassen und würde die steuerlichen Anschaffungskosten erhöhen.5 Bleibt das eigenkapitalersetzende Darlehen aber steuerliches Eigenkapital, fallen die Einkünfte hieraus nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Eine steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien liegt damit nicht vor (vgl. Rz. 177 f.). Der Umstand, dass § 8b Abs. 3 Sätze 4 bis 8 KStG nunmehr ein Abzugsverbot für Gewinnminderungen aus (eigenkapitalersetzenden) Darlehen enthält, steht dem nicht entgegen, weil sich die Regelung nur einseitig auf die negativen Einkünfte, nicht aber auch auf die positiven Einkünfte bezieht.6 Entsprechendes sollte auch unter der alten „Thin-Cap-Regelung“ des § 8a KStG a.F. gegolten haben, die Frage ist aber umstritten.7 Mit der Einführung der Zinsschranke des § 4h EStG, § 8a KStG n.F. spielt diese Frage ohnehin keine Rolle mehr für Deutschland als Quellenstaat.

188

gg) Investmentanteile Einbeziehung von Einkünften aus Investmentanteilen ist umstritten. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG gelten die auf Investmentanteile ausgeschütteten sowie ausschüttungsgleichen Erträge (§ 2 Abs. 3 InvStG) und der Zwischengewinn (§ 2 Abs. 4 InvStG) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Damit werden die Erträge aus Investmentanteilen für deutsch-steuerliche Zwecke den Einkünften aus Aktien gleichgestellt. § 2 InvStG gilt allerdings nur unter den Voraussetzungen von § 5 InvStG (Veröffentlichungs- und Bescheinigungspflichten). Die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer richtet sich dabei nach § 7 InvStG. Die steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien ändert allerdings nichts daran, dass ein „Gesellschaftsanteil“ vorliegen muss (vgl. Rz. 125 f.). Dies mag über die Fiktion des § 11 Abs. 1 InvStG noch zu bejahen sein, ändert aber nichts daran, dass nach hier vertretener Auffassung jeder Anwenderstaat autonom prüft, ob überhaupt eine „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Buchst. b vorliegt (vgl. Rz. 29 ff.). Die Fiktion des § 11 Abs. 1 InvStG kann daher allenfalls Deutschland als Anwenderstaat binden. Das entscheidende Problem bei Investmentgesellschaften scheint aber aufgrund deren persönlicher Steuerbefreiung zu sein, ob diese überhaupt abkommensberechtigt sind (vgl. dazu ausführlich Art. 4 Rz. 25). In deutschen DBA finden sich daher z.T. ausdrückliche Regelungen, die zum einen Investmentgesellschaften in den Anwendungsbereich der Art. 10 Abs. 3 nachgebildeten Dividendendefinition einbeziehen, und die zum ande1 Vgl. BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508, Rz. 55; Levedag in Schmidt37, § 20 EStG Rz. 174 ff. m.w.N. 2 Vgl. BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508, Rz. 57; Levedag in Schmidt37, § 20 EStG Rz. 174 ff. m.w.N., sowie Weber-Grellet in Schmidt37, § 17 EStG Rz. 53 m.w.N. 3 Weber-Grellet in Schmidt37, § 17 EStG Rz. 53 m.w.N. 4 Vgl. BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508, Rz. 58 f. 5 Vgl. Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 276 m.w.N. 6 Zur Regelung vgl. Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 279a ff. m.w.N. 7 Vgl. dazu Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 158 f.; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 80.1; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 196 ff.

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Art. 10 Rz. 189

Dividenden

ren ausdrücklich klarstellen, dass Investmentgesellschaften abkommensberechtigt sind. Es spricht einiges dafür, dass diese Regelungen nicht nur klarstellender Natur sind.1

E. Betriebsstättenvorbehalt (Abs. 4) I. Regelungszweck 190

Auflösung des Konkurrenzverhältnisses von Art. 7 und Art. 10. Nach Art. 10 Abs. 4 Satz 1 sind die Absätze 1 und 2 nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, eine Geschäftstätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt und die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehört. Stattdessen soll gem. Art. 10 Abs. 4 Satz 2 anstelle von Art. 10 Abs. 1 und 2 der Betriebsstättenartikel des Art. 7 anzuwenden sein. Der Zweck dieses sog. Betriebsstättenvorbehaltes besteht allein darin, das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Betriebsstättenartikel des Art. 7 und dem Dividendenartikel des Art. 10 aufzulösen. Diese Auflösung ist deshalb erforderlich, weil Art. 7 Abs. 7 eigentlich die speziellere Vorschrift für maßgeblich erklärt. Bei grenzüberschreitenden Dividenden ist das eigentlich Art. 10. Gleichwohl ist es sachgerecht, den Betriebsstättenartikel dann für einschlägig zu erklären, wenn die Dividenden in einer im Quellenstaat gelegenen Betriebsstätte anfallen. Art. 10 Abs. 4 enthält dafür die notwendige Rückverweisung auf Art. 7.2

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Betriebsstättenvorbehalt gilt nur unter den engen Voraussetzungen. Nach Art. 10 Rz. 31 OECD-MK bestand auch deshalb eine Notwendigkeit für die Formulierung einer genauen Rückverweisung, weil verschiedene Mitgliedstaaten für sich in Anspruch nahmen, dass dann, wenn Dividenden aus inländischen Quellen stammten und der Dividendenempfänger im Inland zugleich eine Betriebsstätte unterhielt, die Dividenden ausnahmslos dieser Betriebsstätte zuzuordnen sein sollen (sog. Attraktivkraft der Betriebsstätte). Nach Art. 10 Abs. 4 ist diese Annahme nur unter den dort genannten strengen Voraussetzungen zulässig: 1. Der Nutzungsberechtigte muss in einem Vertragsstaat ansässig sein, der nicht der Quellenstaat ist. 2. Der Nutzungsberechtigte muss im Quellenstaat (Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft) eine Betriebsstätte unterhalten. 3. Die Beteiligung an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft muss tatsächlich der Betriebsstätte zugeordnet werden können. Liegt auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht vor, gilt jedenfalls die Rückverweisung des Art. 10 Abs. 4 nicht.

192

Rechtsfolgen bei Fehlen einer Voraussetzung. Die Frage ist nur die, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn eine der genannten Voraussetzungen fehlt. Die erste Voraussetzung ist dabei weniger problematisch, weil sich diese bereits aus Art. 10 Abs. 1 und 2 ergibt. Bei deren Fehlen scheidet schon die Anwendung von Art. 10 aus; der Quellenstaat ist in seinem Besteuerungsrecht nicht eingeschränkt. Probleme können sich aber dann ergeben, wenn entweder die Beteiligung nicht tatsächlich einer Betriebsstätte im Quellenstaat zugeordnet werden kann oder die Beteiligung zwar einer Betriebsstätte zugeordnet werden kann, die Dividenden aber von einer Gesellschaft stammen, die nicht im Betriebsstättenstaat ansässig ist. Die Probleme sollen anhand der nachfolgenden Beispiele verdeutlicht werden:3

193

Beispiel 1: Keine tatsächliche Zuordnung zu einer Betriebsstätte Die Nutzungsberechtigte A-Co ist in einem Vertragsstaat A ansässig. Sie bezieht Dividenden von einer im Vertragsstaat Q ansässigen Gesellschaft Q-Co. A-Co verfügt über eine Betriebsstätte im Staat Q, die Anteile an der Q-Co können aber nicht dieser Betriebsstätte tatsächlich zugeordnet werden. Nach welchem Verteilungsartikel richtet sich das Besteuerungsrecht? Das Besteuerungsrecht des Quellenstaates Q folgt aus Art. 10 Abs. 2, das des Ansässigkeitsstaates A aus Art. 10 Abs. 1. Eine Qualifikation als Betriebsstätteneinkünfte i.S.v. Art. 7 kommt nicht in Betracht. Zu den Konsequenzen bei unterschiedlicher Qualifikation des die Dividenden zahlenden Rechtsträgers vgl. Rz. 34 ff.

194

Beispiel 2: Tatsächliche Zuordnung zu einer Betriebsstätte in einem Drittstaat Wie Fall 1, nur unterhält die A-Co auch eine Betriebsstätte in einem Drittstaat D, mit dem die Staaten A und Q ebenfalls ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA abgeschlossen haben. Die Anteile an der Q-Co können dieser Betriebsstätte tatsächlich zugeordnet wer1 Zur Anwendung von Art. 10 im Rahmen des InvStG vgl. auch instruktiv Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 147 f. 2 Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 165 ff.; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 82 ff.; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 225 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 155 ff.; Görl in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 30 ff. 3 Vgl. zu ähnlichen Beispielen auch Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 156 f.

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E. Betriebsstättenvorbehalt (Abs. 4)

Rz. 198 Art. 10

den. Nach welchem Verteilungsartikel richtet sich das Besteuerungsrecht? Das Besteuerungsrecht des Quellenstaates B sollte weiterhin aus Art. 10 Abs. 2 folgen, da die Rückverweisung des Art. 10 Abs. 4 in Ermangelung einer Betriebsstätte im Staat Q nicht eingreift. Aus Sicht des Staates Q liegen auch die übrigen Voraussetzungen von Art. 10 vor. Der Staat D könnte sich wegen Art. 21 Abs. 1 in seinem Besteuerungsrecht eingeschränkt sehen, allerdings sieht Art. 21 Abs. 2 die Anwendung von Art. 7 mit der Folge vor, dass auch Staat D besteuern darf.1 Schwierigkeiten ergeben sich für Staat A, der sich Ansprüchen aus zwei DBA ausgesetzt sieht. Im Ausgangspunkt ist dies unkritisch, weil sich sein uneingeschränktes Besteuerungsrecht gegenüber dem Staat Q aus Art. 10 Abs. 1 und gegenüber dem Staat D aus Art. 7 Abs. 1 ergeben dürfte. Für die durch Staat Q auf die Dividenden erhobenen Quellensteuern besteht jedoch eine Anrechnungsverpflichtung nach Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 (oder Freistellung nach einem vereinbarten Schachtelprivileg), für die in der Betriebsstätte des Staates D anfallenden Dividenden besteht eine Verpflichtung zur Freistellung nach Art. 23A Abs. 1 bzw. zur Anrechnung nach Art. 23B Abs. 1. Eine andere Frage ist die, ob auch der Staat D zur Anrechnung der Quellensteuern verpflichtet ist; aus dem DBA dürfte sich dies in Ermangelung der Ansässigkeit des Empfängers der Einkünfte nicht ergeben. Beispiel 3: Dividenden stammen aus einem Drittstaat Die Nutzungsberechtigte A-Co ist in einem Vertragsstaat A ansässig. Sie bezieht Dividenden von einer in einem Drittstaat D ansässigen Gesellschaft D-Co. Mit dem Drittstaat D besteht kein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Die A-Co verfügt über eine Betriebsstätte im Vertragsstaat B und die Anteile an der D-Co können auch dieser Betriebsstätte tatsächlich zugeordnet werden. Mit dem Staat B besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Nach welchem Verteilungsartikel richtet sich das Besteuerungsrecht? Das Besteuerungsrecht der Staaten A und B folgt zunächst nicht aus Art. 10, da die Dividenden nicht von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft stammen. Art. 10 Abs. 4 spielt von daher keine Rolle. Der Ansässigkeitsstaat A könnte sein ausschließliches Besteuerungsrecht aber aus Art. 21 Abs. 1 herleiten wollen, was ihm Art. 21 Abs. 2 mit der Folge verbietet, die Dividenden Art. 7 zu unterwerfen. Sowohl der Ansässigkeitsstaat A als auch der Betriebsstättenstaat B dürfen daher nach Art. 7 besteuern, wobei der Staat A entweder zur Freistellung nach Art. 23A Abs. 1 oder zur Anrechnung nach Art. 23B Abs. 1 verpflichtet ist. Die Anrechnungsverpflichtung erstreckt sich jedoch nicht auf die im Drittstaat D erhobenen Quellensteuer. Ob sich für den Betriebsstättenstaat B eine derartige Anrechnungsverpflichtung ergibt, folgt jedenfalls nicht aus einem DBA.

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II. Keine Anwendung des Dividendenartikels (Abs. 4 Satz 1) 1. Nutzungsberechtigte ist in einem Vertragsstaat ansässig Begriffe ergeben sich aus Art. 10 Abs. 1 und 2. Für die Anwendung des Betriebsstättenvorbehaltes ist zunächst erforderlich, dass der Nutzungsberechtigte (der Dividenden) in einem Vertragsstaat ansässig ist. Mit diesen Voraussetzungen bezieht sich Art. 10 Abs. 4 Satz 1 unmittelbar auf die in Art. 10 Abs. 1 und 2 verwandten Begriffe. Wer Nutzungsberechtigter ist, ergibt sich daher aus den Ausführungen in Rz. 73 ff. Was ein Vertragsstaat ist, wird in Rz. 47 erörtert. Wann der Nutzungsberechtigte in diesem Vertragsstaat ansässig ist, wird in Rz. 58 f. dargestellt.

196

2. Unterhaltung einer Betriebsstätte im Quellenstaat Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft. Weiterhin ist erforderlich, dass der Nutzungsberechtigte aus einem anderen Vertragsstaat entsprechende Dividenden von einer dort ansässigen Gesellschaft gezahlt bekommt. Mit dem Erfordernis einer die Dividenden zahlenden Gesellschaft knüpft Art. 10 Abs. 4 Satz 1 ebenfalls an bereits in Art. 10 verwandte Begriffe an. Für den Begriff der „Gesellschaft“ kann daher auf Rz. 29 ff. verwiesen werden. Wann eine Gesellschaft im anderen Vertragsstaat „ansässig“ ist, ergibt sich aus Rz. 40 ff. Der Begriff des „Zahlens“ wird in Rz. 61 f. erörtert. Und was unter einer „Dividende“ zu verstehen ist, folgt aus Art. 10 Abs. 3; auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen (vgl. Rz. 113 ff.).

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Ausübung einer Geschäftstätigkeit durch eine im anderen Vertragsstaat belegene Betriebsstätte. Der Nutzungsberechtigt muss schließlich in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, eine Geschäftstätigkeit durch eine dort belegene Betriebsstätte ausüben. Was unter einer „Betriebsstätte“ zu verstehen ist, ergibt sich aus Art. 5 (vgl. Art. 5 (2014) Rz. 41 ff.). Es handelt sich dabei um eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Der Begriff der Betriebsstätte ist daher ein abkommensrechtlicher und vor allem tatsächlicher, der nicht durch eine Fiktion des innerstaatlichen Steuerrechts ersetzt werden kann. Die von der Finanzverwaltung2 ursprünglich vertretene Auffassung, dass insbesondere die Gewerblichkeitsfiktion des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG auf das Abkommen durchschlägt, hat der BFH in nunmehr ständiger Rspr. verworfen.3 Durch diese Fiktion werden „Dividenden“ weder zu „Unternehmensgewinnen“ noch ersetzt die

198

1 Vgl. dazu auch Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 46. 2 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1. 3 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482; v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138; v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550.

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Art. 10 Rz. 198

Dividenden

Vermittlung einer Betriebsstätte durch einen Mitunternehmeranteil das Vorliegen einer tatsächlichen Betriebsstätte. Die Betriebsstätte muss schließlich in dem Staat belegen sein, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist. Ist die Gesellschaft in einem anderen Staat ansässig, kommt Art. 10 Abs. 4 nicht zur Anwendung. Der Betriebsstättenvorbehalt gilt nicht im Rahmen von Art. 5 Abs. 4 und 5. In beiden Fällen liegt keine abkommensrechtliche Betriebsstätte vor.1 Für Art. 5 Abs. 4 ist dies eindeutig, weil derartige Tätigkeiten ausdrücklich nicht als Betriebsstätte gelten. Gleiches gilt aber auch für den ständigen Vertreter des Art. 5 Abs. 5, weil dieser Fall nur so behandelt wird, als unterhalte man eine Betriebsstätte. Eine Betriebsstätte ist es aber eben auch nicht. Es wäre auch merkwürdig, einer fiktiven Betriebsstätte ein Wirtschaftsgut zurechnen zu wollen. 199

Gewerblich geprägte Personengesellschaft. Gehören daher Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft zum Gesamthandsvermögen einer inländischen gewerblich geprägten GmbH & Co KG, dann mögen die von der Kapitalgesellschaft gezahlten Dividenden zwar gewerbliche Einkünfte i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG sein, abkommensrechtlich bleiben sie jedoch „Dividenden“ i.S.v. Art. 10 Abs. 3. Auch begründet der inländische Ort der Geschäftsleitung der GmbH & Co KG noch keine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5. Vielmehr ist dazu eine feste Geschäftseinrichtung erforderlich, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ausgeübt wird. Neben der festen Geschäftseinrichtung muss also auch eine abkommensrechtliche Unternehmenstätigkeit vorliegen, was insbesondere bei reinen vermögensverwaltenden Tätigkeiten zum Problem wird. Praktisch relevant ist dies insbesondere für Holdingpersonengesellschaften, wobei die Grenze zur Unternehmenstätigkeit dort verlaufen dürfte, wo aus einer rein passiven Beteiligungsverwaltung eine strategische Beteiligungsführung wird. Hier wird man auf die zu § 50d Abs. 3 EStG von Finanzverwaltung und Schrifttum entwickelten Grundsätze zurückgreifen können (zu Besonderheiten bei Holdingpersonengesellschaften vgl. auch Rz. 203).2 3. Tatsächliche Zuordnung der Anteile zur Betriebsstätte

200

Rechtliche Zuordnung grds. nicht ausreichend. Letztlich ist erforderlich, dass der Anteil an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft „tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehört“. Die Formulierung unterscheidet sich von der in Art. 13 Abs. 2, die von „Betriebsvermögen einer Betriebsstätte“ spricht. Der BFH versteht letztere Formulierung dahin, dass auch eine rein steuerrechtliche Zuordnung zu einer Betriebsstätte genügt, so dass ein im Gesamthandsvermögen einer gewerblich tätigen Mitunternehmerschaft befindlicher Gesellschaftsanteil zum „Betriebsvermögen“ dieser Betriebsstätte für Zwecke des Art. 13 Abs. 2 wird.3 Der Anteil mag abkommensrechtlich sogar „Betriebsvermögen“ einer gewerblich geprägten Personengesellschaft werden können, aus den in Rz. 199 dargestellten Gründen verfügt eine bloße gewerblich geprägte Personengesellschaft nie über eine abkommensrechtliche Betriebsstätte. Daraus folgt für Art. 10 Abs. 4 aber zugleich, dass eine „tatsächliche“ Zugehörigkeit zu einer Betriebsstätte auch eine tatsächliche sein muss.4 Eine bloße zivil- oder steuerrechtliche Zuordnung genügt nicht.

201

Sonderbetriebsvermögen. Dies gilt auch für einen im Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmeranteils befindlichen Gesellschaftsanteil, wobei hier zu beachten ist, dass dann, wenn die Mitunternehmerschaft über nur eine Betriebsstätte im Vertragsstaat der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft verfügt, eine tatsächliche Zuordnung zu einer Mitunternehmerbetriebsstätte nur dann in Betracht kommt, wenn sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür finden, dass der Mitunternehmeranteil den im Sonderbetriebsvermögen befindlichen Gesellschaftsanteil in einer Mitunternehmerbetriebsstätte verwaltet (wofür auch ein Arbeitszimmer genügen soll).5 Auch § 50d Abs. 10 EStG ändert daran nichts. Zwar ordnet die Regelung unter weiteren Voraussetzungen an, dass „Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 zweiter Halbs. und Nummer 3 zweiter Halbs. […] als Unternehmensgewinne“ gelten. Gesellschaftsanteile werden aber – anders als Darlehen – wohl nur selten einer Mitunternehmerschaft zur Nutzung überlassen, weshalb die Dividenden allenfalls Sonderbetriebseinnahmen, nicht aber auch Sondervergütungen (i.e.S.) darstellen werden. Zudem hat der BFH entschieden, dass aus der Umqualifikation der Vergütungen in Unternehmensgewinne noch nicht folgt, dass die den Vergütungen zugrundeliegenden Wirtschaftsgüter auch tatsächlich einer ab1 Vgl. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 169. 2 Vgl. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Tz. 5.2 f.; Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 3 EStG Anm. 186 ff. m.w.N. sowie mit einer Checkliste für Holdinggesellschaften. 3 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; zur Diskussion auch Gosch in G/K/G/K, Art. 13 OECD-MA Rz. 82. 4 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 171; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 84 f.; Kaeser/ Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 162. 5 Der I. Senat hat die Begründung einer solchen (Mitunternehmer-)Betriebsstätte für möglich gehalten, vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138.

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E. Betriebsstättenvorbehalt (Abs. 4)

Rz. 203 Art. 10

kommensrechtlichen Betriebsstätte zuzuordnen sind.1 Im Übrigen sollte man vorsichtig dabei sein, entgegen der eindeutigen Rspr. des BFH2 jedwedes Sonderbetriebsvermögen (also nicht nur Sondervergütungen i.e.S. bewirkende und zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgüter) in den Anwendungsbereich von § 50d Abs. 10 EStG einzubeziehen, weil die Fiktion von Unternehmensgewinnen auch die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 mit der Folge beseitigt, dass ohne eine tatsächliche Zuordnung der Beteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte kein deutsches Besteuerungsrecht für die Dividenden besteht.3 Funktionale Betrachtung maßgeblich. Maßgeblich ist daher allein eine Zuordnung des Gesellschafts- 202 anteils unter funktionalen Gesichtspunkten.4 Es muss also unter funktionalen Gesichtspunkten eine Verbindung zwischen dem Gesellschaftsanteil und der Betriebsstätte bestehen. Dies wird man stets dann zu bejahen haben, wenn sich Teile einer betrieblichen Wertschöpfungskette in der Betriebsstätte und in dem Gesellschaftsanteil befinden. Der (einfache) Klassiker ist dabei der, dass in der Betriebsstätte die Produktion und in dem Gesellschaftsanteil der Vertrieb erfolgt. In der Praxis sind die Fragen aber deutlich komplexer. So lässt sich z.B. auch der umgekehrte Fall bilden, dass nämlich die Produktion im Gesellschaftsanteil und der Vertrieb in der Betriebsstätte erfolgt. Auch hier hat man eine tatsächliche Zugehörigkeit zu bejahen, auch wenn man auf die (abwegige) Idee kommen könnte, nicht der Gesellschaftsanteil sei unter funktionalen Gesichtspunkten für die Betriebsstätte notwendig, sondern die Betriebsstätte für den Gesellschaftsanteil. Schwieriger wird es mit sog. Portfoliobeteiligungen, die keinen strategischen Einfluss auf die Beteiligungsgesellschaft gewähren. Hier wird man danach zu differenzieren haben, warum die Beteiligung gehalten wird. Besteht diese z.B. an einem Wettbewerber unter strategischen Gesichtspunkten, dann kann eine Zurechnung zu einer Produktionsbetriebsstätte durchaus in Betracht kommen. Bei rein passiver Beteiligungsverwaltung zur reinen Kapitalanlage kann es schwieriger werden. Allerdings sollte auch hier der Nachweis möglich sein, dass das Kapital entweder für die laufende Tätigkeit der Betriebsstätte oder für deren Ausbau vorgehalten wird. Vielleicht kann man sich hier auch an die zur funktionalen Betrachtungsweise innerhalb der §§ 7–14 AStG entwickelten Kriterien anlehnen.5 Eine Kapitalanlagetätigkeit kann danach schädlich sein, wenn sie einen Umfang erreicht, der einen gewissen selbständigen Bereich abbildet.6 Zwingend ist das aber nicht. Bei einer gewerblich tätigen Mitunternehmerschaft kann die Besonderheit bestehen, dass diese nur über eine Betriebsstätte verfügt. Die tatsächliche Zuordnung zu einer Mitunternehmerbetriebsstätte kommt in diesem Fall nur bei tatsächlichen Anhaltspunkten in Betracht (vgl. Rz. 200). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Finanzverwaltung nach wie vor von der „Zentralfunktion des Stammhauses“ auszugehen scheint.7 Damit dürfte aber spätestens mit der Umsetzung des AOA endgültig Schluss sein. Besonderheiten bei Holdingpersonengesellschaften. Für die Praxis von wesentlicher Bedeutung ist, unter 203 welchen Umständen eine Holdingpersonengesellschaft eine abkommensrechtliche Unternehmenstätigkeit in einer Betriebsstätte ausübt und die von der Holdingpersonengesellschaft gehaltenen Anteile dieser tatsächlich zugeordnet werden können. Der Begriff des Unternehmens wird in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c nur unzureichend definiert. Man könnte daher auf den Gedanken kommen, dass der Unternehmensbegriff gem. Art. 3 Abs. 2 allein unter Rückgriff auf das innerstaatliche Recht mit der Folge auszulegen ist, dass die Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG auf die abkommensrechtliche Auslegung durchschlägt. Die jüngere Rspr. des BFH zum Betriebsstättenvorbehalt z.B. des Art. 11 Abs. 4 OECD-MA8 und Art. 12 Abs. 3 OECD-MA9 hat dem jedoch eine klare Absage erteilt. Vielmehr hat die Personengesellschaft für abkommensrechtliche Zwecke eine tatsächliche gewerbliche Betätigung auszuüben. Damit ist die entscheidende Frage aufgeworfen, ob eine geschäftsleitende Holding eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Nach der Rspr. des BFH beteiligt sich eine geschäftsleitende Holding dann am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und übt damit eine gewerbliche Tätigkeit aus, „wenn zum einen die Ausübung der einheitlichen Leitung durch äußere Merkmale erkennbar ist. Es genügt hierfür im Allgemeinen, dass die Konzernleitung die RL über die Geschäftspolitik aufstellt und den abhängigen Unternehmen zuleitet oder ihnen sonst schriftliche Weisungen oder schriftlich festgehaltene Empfehlungen erteilt. Zum anderen muss das herr-

1 2 3 4 5 6 7 8 9

BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. Vgl. Gosch in Kirchhof17, § 50d EStG Rz. 45. Instruktiv Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 163. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernr. I 2004, 3, Tz. 8.0.2; ausführlich Wassermeyer/ Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Anm. 31 ff. m.w.N. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernr. I 2004, 3, Tz. 8.0.2. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4 Abs. 4; kritisch dazu z.B. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 6.281 m.w.N. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BStBl. II 2014, 788.

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Art. 10 Rz. 203

Dividenden

schende Unternehmen selbst nach außen in Erscheinung treten, wobei etwa die Eintragung im Handelsregister genügt“ (BFH v. 28.10.2008 – VIII R 73/06, BStBl. II 2009, 647 m.w.N.).

Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung (zur Voraussetzung der eigenen Wirtschaftstätigkeit i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG): „Hält die antragstellende ausländische Gesellschaft in ihrem Betriebsvermögen Anteile an inländischen Gesellschaften, liegt eine eigene Wirtschaftstätigkeit nur dann vor, wenn Beteiligungen von einigem Gewicht erworben wurden, um gegenüber den Gesellschaften, an denen die Beteiligungen bestehen, geschäftsleitende Funktionen wahrzunehmen (aktive Beteiligungsverwaltung, […]). Es reicht nicht aus, dass eine Gesellschaft ohne sonstige unternehmerische Betätigung geschäftsleitende Funktionen nur gegenüber einer in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft ausübt oder lediglich Anteile an einer oder mehreren Tochtergesellschaften hält und sich dabei auf die Ausübung der Gesellschafterrechte beschränkt (passive Beteiligungsverwaltung). Ob eine Beteiligung von einigem Gewicht erworben wurde, hängt nicht von der Höhe der kapitalmäßigen Beteiligung ab. Es kommt darauf an, dass auf das Geschäft der Beteiligungsgesellschaft tatsächlich Einfluss genommen wird.“ (BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Tz. 5.2).

Liegen diese Voraussetzungen vor, wird man zugleich eine funktionale Zuordnung zu der Betriebsstätte der Holdingpersonengesellschaft zu bejahen haben. Denn die strategisch geführten Beteiligungen sind unter funktionalen Gesichtspunkten zwingend erforderlich, um eine Holdingtätigkeit ausüben zu können. Oder anders formuliert: Was ist eine Holding ohne Beteiligungen? Dies wird nunmehr auch in Art. 10 Rz. 32.1 OECD-MK so gesehen. 4. Rechtsfolge 204

Keine Anwendung von Art. 10 Abs. 1 und 2. Als Rechtsfolge sieht Art. 10 Abs. 4 Satz 1 allein vor, dass Art. 10 Abs. 1 und 2 nicht anzuwenden sind. Art. 10 Abs. 3 bleibt anzuwenden, was schon für die Anwendung von Art. 10 Abs. 4 zwingend ist, um den Dividendenbegriff zu definieren. Mit der Nichtanwendung von Art. 10 Abs. 1 und 2 ist aber noch nichts darüber gesagt, welche Vorschrift stattdessen anzuwenden ist. Diese Rechtsfolge sieht Art. 10 Abs. 4 Satz 2 vor.

III. Anwendung des Betriebsstättenartikels (Abs. 4 Satz 2) 205

Anwendung von Art. 7. Liegen die Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 4 Satz 1 vor, dann ist anstelle von Art. 10 Abs. 1 und 2 der Betriebsstättenartikel des Art. 7 anzuwenden. Sowohl für den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers als auch für den Quellenstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft ergibt sich das Besteuerungsrecht für Dividenden aus Art. 7 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 25).

F. Verbot extraterritorialer Besteuerung (Abs. 5) I. Regelungszweck 206

Keine Besteuerung einer nichtansässigen Gesellschaft. Art. 10 Abs. 5 regelt das sog. Verbot der extraterritorialen Besteuerung. Die Regelung ist sprachlich etwas kompliziert und daher nicht unbedingt einfach verständlich. Im Kern geht es aber darum, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft mit ihren ausgeschütteten und nichtausgeschütteten Gewinnen nicht auch in einem anderen Vertragsstaat besteuert werden darf, in dem die Gesellschaft nicht ansässig ist (sog. Nichtansässigkeitsstaat), aus dem die Gewinne aber wirtschaftlich stammen. Nach den Ausführungen in Art. 10 Rz. 33 f. OECD-MK soll es auch Staaten geben, die die Ausschüttungen einer nicht auf ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Gesellschaft besteuern wollen, und zwar weil die Dividenden aus Gewinnen gespeist werden, die wirtschaftlich aus dem Hoheitsgebiet des anderen Staates stammen. Art. 10 Abs. 5 verbietet dies. Da ein solches Verbot der Besteuerung einer nichtansässigen Gesellschaft aber selbstredend sehr weit und u.U. im Widerspruch zu den in Art. 10 selbst enthaltenen Regelungen stehen kann, macht Art. 10 Abs. 5 von diesem Grundsatz zwei Ausnahmen, nämlich dass die Dividenden an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden oder der Gesellschaftsanteil tatsächlich zu einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte gehört.1

1 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 175 ff.; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 89 ff.; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 227 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 175 ff.; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 243 ff.

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F. Verbot extraterritorialer Besteuerung (Abs. 5)

Rz. 212 Art. 10

II. Verbot der Besteuerung ausgeschütteter Gewinne (Abs. 5 Fall 1) 1. In einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft Begriffe ergeben sich aus Art. 10 Abs. 1 und 2. Das Verbot der extraterritorialen Besteuerung verlangt zunächst eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft. Mit diesen Voraussetzungen bezieht sich Art. 10 Abs. 5 unmittelbar auf die in Art. 10 Abs. 1 und 2 verwandten Begriffe. Was ein „Vertragsstaat“ ist, wird in Rz. 47 erörtert. Was unter einer „Gesellschaft“ zu verstehen ist, ergibt sich aus Rz. 29 ff. Wann diese Gesellschaft in einem Vertragsstaat „ansässig“ ist, wird in Rz. 40 ff. dargestellt. Innerhalb von Art. 10 Abs. 5 spielt dabei die in Art. 4 Abs. 3 enthaltene „tie breaker rule“ bei Doppelansässigkeit eine hervorgehobene Bedeutung. Denn im Falle einer Doppelansässigkeit einer Gesellschaft kann diese in beiden Staaten unbeschränkt steuerpflichtig sein, Art. 4 Abs. 3 entscheidet dann aber abschließend darüber, in welchem Vertragsstaat die Gesellschaft für Zwecke der Anwendung des DBA ansässig ist.1

207

2. Bezug von Gewinnen oder Einkünften aus dem anderen Vertragsstaat Wirtschaftliche Herkunft aus dem anderen Vertragsstaat. Weiterhin verlangt Art. 10 Abs. 5, dass die Gesellschaft aus einem anderen Vertragsstaat Gewinne oder Einkünfte bezieht. Daraus könnte man schlussfolgern, dass Art. 10 Abs. 5 dann nicht eingreift, wenn die Gewinne aus einem Drittstaat stammen. Dieser Schlussfolgerung dürfte aber entgegenstehen, dass dann, wenn der Nichtansässigkeitsstaat schon nicht für die auf seinem Hoheitsgebiet erwirtschafteten Gewinne eine Besteuerung auf Ebene des Gesellschafters anlässlich der Ausschüttung dieser Gewinne durchführen darf, dies doch erst recht gelten muss, wenn die Gewinne nicht auf dem Hoheitsgebiet des Nichtansässigkeitsstaates erwirtschaftet wurden. In letzterem Fall dürfte es aber auch bereits nach den allgemeinen Grundsätzen an dem erforderlichen Konnex fehlen, der eine Besteuerung rechtfertigen könnte.

208

3. Rechtsfolge Verbot der Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne. Als Rechtsfolge verbietet Art. 10 Abs. 5 Fall 1 dem Nichtansässigkeitsstaat, die ausgeschütteten Gewinne zu besteuern. Damit bleibt es dabei, dass der Ansässigkeitsstaat sein Besteuerungsrecht für die ausgeschütteten Dividenden aus Art. 10 Abs. 2 herleitet. Auf das Verbot können sich nach überzeugender Auffassung von Tischbirek/Specker auch Personen berufen, die in Drittstaaten ansässig sind.2 Die von der Gegenauffassung3 vorgebrachten Argumente überzeugen nicht, weil wir sowohl im Zivilrecht als auch im Öffentlichen Recht entsprechende Fälle kennen, in denen Personen in den Schutzbereich z.B. eines Vertrages oder einer Norm einbezogen werden, obwohl sie nicht direkt „Beteiligte“ sind. Die folgenden Beispiele sollen die dem Besteuerungsverbot des Art. 10 Abs. 5 Fall 1 zugrundeliegenden Grundkonstellationen verdeutlichen:

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Beispiel 1: Grundfall Die A-Co ist in einem Staat A ansässig. Sie bezieht Dividenden von einer im Staat Q ansässigen Gesellschaft Q-Co. Die Dividenden stammen aus Einkünften, die auf dem Hoheitsgebiet des Staates D erwirtschaftet worden sind. Die A-Co verfügt über keine Betriebsstätte im Staat D. Zwischen allen Staaten besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Der Staat D möchte die Dividenden besteuern. Steht Art. 10 Abs. 5 einer Besteuerung der Dividenden durch Staat D entgegen? Die Frage ist zu bejahen. Bei der Q-Co handelt es sich um eine nicht auf dem Hoheitsgebiet des Staates D ansässige Gesellschaft, so dass D ein Nichtansässigkeitsstaat ist, der nach Art. 10 Abs. 5 Fall 1 die Dividenden der Q-Co nicht besteuern darf. Der Umstand, dass die Dividenden aus Einkünften gespeist werden, die aus dem Staat D stammen, ändert daran ausdrücklich nichts.

210

Beispiel 2: Kein DBA mit Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers Wie Beispiel 1, nur besteht zwischen dem Staat D und dem Staat A kein DBA. Ändert sich etwas an der Aussage zu Beispiel 1? Die Frage ist zu verneinen. Der Staat D darf nach wie vor nicht die Dividenden der Q-Co besteuern. Das Verbot der extraterritorialen Besteuerung bindet den Staat Q auch im Verhältnis zu Nicht-DBA-Staaten, in denen die Anteilseigner der Q-Co ansässig sind. Art. 10 Abs. 5 Fall 1 will u.U. verhindern, dass ein Nichtansässigkeitsstaat negative steuerliche Rechtsfolgen an das Ausschüttungsverhalten der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft knüpft. Damit wird durch Art. 10 Abs. 5 Fall 1 auch die ausschüttende Gesellschaft geschützt. Dieser Schutz würde unterlaufen, wenn für Dividenden an Ansässige in Nicht-DBA-Staaten der Staat D ein Besteuerungsrecht praktizieren dürfte.

211

Beispiel 3: Betriebsstätte im Drittstaat Wie Beispiel 1, nur verfügt die Q-Co über eine Betriebsstätte im Staat D, aus der die die Dividenden speisenden Einkünfte stammen. Ändert sich etwas an der Aussage zu Beispiel 1? Die Frage ist unverändert zu verneinen. Der Staat D darf zwar nach dem zwischen Q und D abgeschlossenen DBA die in der Be-

212

1 Vgl. z.B. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 177 f. 2 Instruktiv Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 253 m.w.N. 3 Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 186; Grützner in G/K/G/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 230; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 184.

Schönfeld

757

Art. 10 Rz. 212

Dividenden

triebsstätte anfallenden Betriebsstätteneinkünfte nach Art. 7 besteuern. Diese Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf die von der Q-Co ausgeschütteten Dividenden.

4. Ausnahmen 213

Ausnahme 1: Dividendenzahlung an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person. Das von Art. 10 Abs. 5 Fall 1 ausgesprochene Verbot der Besteuerung der Dividenden durch den Nichtansässigkeitsstaat greift allerdings nach der ersten Ausnahme nicht ein, wenn der Dividendenempfänger eine im Vertragsstaat ansässige Person ist. Die Ausnahme ist zwingend, da anderenfalls das in Art. 10 Abs. 1 niedergelegte Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers leerlaufen würde. Die Ausnahme ist damit aber auch gewissermaßen eine Selbstverständlichkeit. Der Nichtansässigkeitsstaat darf also Dividenden einer nicht auf seinem Hoheitsgebiet ansässigen Gesellschaft nach Art. 10 Abs. 1 besteuern, wenn diese an eine auf seinem Hoheitsgebiet ansässige Person gezahlt werden. Wann eine Person im anderen Vertragsstaat ansässig ist, ergibt sich aus Rz. 58 f. Nach den Überlegungen in Rz. 72 ff. muss es sich bei der ansässigen Person, an den die Dividenden gezahlt werden, um den Nutzungsberechtigten handeln. Dem Begriff des Zahlens ist auch hier das übliche Verständnis beizulegen (vgl. Rz. 62).

214

Ausnahme 2: Beteiligung gehört zu einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte. Das von Art. 10 Abs. 5 Fall 1 ausgesprochene Verbot der Besteuerung der Dividenden durch den Nichtansässigkeitsstaat greift auch dann nicht ein, wenn die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte gehört. Mit dieser Ausnahme wird letztlich nur dem im OECD-MA enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken entsprechend Ausdruck verliehen, wonach dem Betriebsstättenstaat aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtung mit seiner Volkswirtschaft (Stichwort: Äquivalenzprinzip) ein Besteuerungsrecht nach Art. 7 zustehen soll. Fallen also die Dividenden in einer Betriebsstätte des anderen Vertragsstaates an, darf dieser ungeachtet dessen besteuern, dass weder die ausschüttende Gesellschaft noch der Dividendenempfänger in seinem Hoheitsgebiet ansässig sind. Zu der Frage, wann eine Beteiligung tatsächlich zu einer Betriebsstätte gehört, vgl. die Ausführungen zum Betriebsstättenvorbehalt in Rz. 200 ff. Die folgenden Beispiele sollen die der Ausnahme zugrundeliegenden Grundkonstellationen verdeutlichen:1

215

Beispiel 1: Kein DBA mit Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers Die A-Co ist in einem Staat A ansässig. Sie bezieht Dividenden von einer im Staat Q ansässigen Gesellschaft Q-Co. Die Dividenden stammen aus Einkünften, die auf dem Hoheitsgebiet des Staates D erwirtschaftet worden sind. Die A-Co verfügt über eine Betriebsstätte im Staat D, aus der zwar nicht die die Dividenden speisenden Einkünfte stammen, der aber die Anteile an der Q-Co tatsächlich zugeordnet werden können. Zwischen den Staaten D und Q besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA; zu dem Staat A besteht kein DBA. Steht Art. 10 Abs. 5 einer Besteuerung der Dividenden durch Staat D entgegen? Die Frage ist zu verneinen. Zwar handelt es sich bei der Q-Co um eine nicht auf dem Hoheitsgebiet des Staates D ansässige Gesellschaft, so dass D ein Nichtansässigkeitsstaat ist, der eigentlich nach Art. 10 Abs. 5 Fall 1 die Dividenden der Q-Co nicht besteuern darf. Davon macht aber Art. 10 Abs. 5 Fall 1 eine Ausnahme, wenn die Beteiligung an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft tatsächlich zu einer Betriebsstätte des Staates D gehört. D kann also im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht die von der Q-Co an die A-Co ausgeschütteten Dividenden besteuern.

216

Beispiel 2: DBA zwischen Ansässigkeits-, Quellen- und Betriebsstättenstaat Wie Fall 1, nur besteht auch zwischen dem Staat A und den Staaten D und Q ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Steht Art. 10 Abs. 5 einer Besteuerung der Dividenden durch Staat D entgegen? Die Frage ist ebenfalls zu verneinen. Die Ausführungen zu Fall 1 gelten entsprechend. Aus abkommensrechtlicher Sicht ist ferner darauf hinzuweisen, dass der Staat D im Verhältnis zu Staat A auch nicht wegen Art. 21 Abs. 1 in seinem Besteuerungsrecht eingeschränkt ist. Denn Art. 21 Abs. 2 sieht die Anwendung von Art. 7 mit der Folge vor, dass auch Staat D besteuern darf.2 Im Verhältnis zu Staat Q ergibt sich das Besteuerungsrecht des Staates A aus Art. 10 Abs. 1. Für die durch Staat Q ggf. auf die Dividenden erhobenen Quellensteuern besteht danach eine Anrechnungsverpflichtung durch Staat A nach Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 (oder Freistellung nach einem vereinbarten Schachtelprivileg), für die in der Betriebsstätte des Staates D anfallenden Dividenden besteht eine Verpflichtung zur Freistellung nach Art. 23A Abs. 1 bzw. zur Anrechnung nach Art. 23B Abs. 1. Zur Anrechnung der Quellensteuern kann demgegenüber Staat D nur nach seinem innerstaatlichen Steuerrecht verpflichtet sein, aus dem zwischen Q und D bestehenden DBA ergeben sich in Ermangelung der Ansässigkeit des Empfängers der Einkünfte keine Wirkungen.

1 Weitere instruktive Fälle bei Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 193 ff. 2 Vgl. dazu auch Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 46.

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F. Verbot extraterritorialer Besteuerung (Abs. 5)

Rz. 221 Art. 10

III. Verbot der Besteuerung nicht ausgeschütteter Gewinne (Abs. 5 Fall 2) 1. Bezug von Gewinnen oder Einkünften aus dem anderen Vertragsstaat durch eine im anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft Übereinstimmende Voraussetzungen. Art. 10 Abs. 5 Fall 2 regelt das Verbot der Besteuerung nicht ausgeschütteter Gewinne. Die Voraussetzungen sind dabei mit denen von Art. 10 Abs. 5 Fall 1 identisch, d.h. es bedarf einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft, die aus einem anderen Vertragsstaat Gewinne oder Einkünfte bezieht (vgl. Rz. 207 ff.).

217

2. Rechtsfolge Verbot der Besteuerung der nicht ausgeschütteten Gewinne. Als Rechtsfolge verbietet Art. 10 Abs. 5 218 Fall 2, dass der andere Vertragsstaat (Nichtansässigkeitsstaat) die Gewinne der Gesellschaft einer Steuer für nicht ausgeschüttete Gewinne unterwirft, selbst wenn die gezahlten Dividenden oder die nicht ausgeschütteten Gewinne ganz oder teilweise aus im anderen Vertragsstaat erzielten Gewinnen oder Einkünften bestehen. Die Regelung könnte dahingehend missverstanden werden, dass der Nichtansässigkeitsstaat die von der Gesellschaft bezogenen Einkünfte generell nicht besteuern darf. Dies liefe aber dem OECD-MA insgesamt zuwider. Vielmehr geht es nur darum, dass die Gesellschaft keiner Sondersteuer für nicht ausgeschüttete Gewinne unterworfen werden darf (vgl. Art. 10 Rz. 36 OECD-MK).1 Die Regelung ist erforderlich, weil ansonsten das in Art. 10 Abs. 5 Fall 1 geregelte Verbot der Besteuerung ausgeschütteter Gewinne dadurch unterlaufen werden könnte, dass die negativen Besteuerungsfolgen an die nicht ausgeschütteten Gewinne geknüpft werden. Das Verbot des Art. 10 Abs. 5 Fall 2 soll die Mitgliedstaaten auch nicht daran hindern, solche Regeln wie die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 bis 14 AStG (sog. Controlled Foreign Companies Legislation) zu praktizieren (Art. 10 Rz. 37 OECD-MK). Das kann man durchaus kritisch sehen, weil nach dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 5 Fall 2 auch der Ansässigkeitsstaat der potentiellen Dividendenempfänger ein Nichtansässigkeitsstaat sein kann und die CFC-Legislation durch den Ansässigkeitsstaat der potentiellen Dividendenempfänger praktiziert wird. Aus deutscher Sicht könnte man die praktische Relevanz zwar damit bestreiten, dass sich Art. 10 Abs. 5 Fall 2 primär an solche Einkünfte richtet, die aus dem Nichtansässigkeitsstaat stammen. Der Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 bis 14 AStG geht es auch primär um Einkünfte, die nicht aus dem Nichtansässigkeitsstaat stammen. Allerdings erfasst die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung auch inländische Einkünfte2 und es spricht einiges dafür, dass Art. 10 Abs. 5 Fall 2 auch für solche Einkünfte gilt, die nicht aus dem Nichtansässigkeitsstaat stammen. Man könnte allenfalls überlegen, ob überhaupt ein Fall „extraterritorialer Besteuerung“ vorliegt, wenn die Besteuerung durch den Ansässigkeitsstaat des potentiellen Dividendenempfängers erfolgt. Die folgenden Beispiele sollen die dem Besteuerungsverbot des Art. 10 Abs. 5 Fall 2 zugrundeliegenden Grundkonstellationen verdeutlichen: Beispiel 1: Nichtansässigkeitsstaat ist Drittstaat Die A-Co ist in einem Staat A ansässig. Sie ist an der im Staat Q ansässigen Gesellschaft Q-Co mit 10 % beteiligt. Die Q-Co erzielt Einkünfte, die auf dem Hoheitsgebiet des Drittstaates D erwirtschaftet worden sind. Zwischen allen Staaten besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Der Staat D möchte eine Sondersteuer für Gewinne erheben, die nicht von der Q-Co ausgeschüttet worden sind. Steht Art. 10 Abs. 5 einer Besteuerung der Dividenden durch Staat A entgegen? Die Frage ist zu bejahen. Bei der Q-Co handelt es sich um eine nicht auf dem Hoheitsgebiet des Staates D ansässige Gesellschaft, so dass D ein Nichtansässigkeitsstaat ist, der nach Art. 10 Abs. 5 Fall 2 keine Steuer für nicht ausgeschüttete Gewinne erheben darf. Der Umstand, dass die Dividenden aus Einkünften gespeist werden, die aus dem Staat D stammen, ändert daran ausdrücklich nichts.

219

Beispiel 2: Nichtansässigkeitsstaat ist Ansässigkeitsstaat des potentiellen Dividendenempfängers ohne CFC-Besteuerung Wie Beispiel 1, nur erzielt die Q-Co Einkünfte, die auf dem Hoheitsgebiet des Staates A erwirtschaftet worden sind. Zwischen den Staaten A und Q besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Der Staat A möchte (außerhalb seiner CFC-Regeln) eine Sondersteuer für Gewinne erheben, die nicht ausgeschüttet worden sind. Steht Art. 10 Abs. 5 einer Besteuerung der Dividenden durch Staat A entgegen? Die Frage ist zu bejahen. Bei der Q-Co handelt es sich um eine nicht auf dem Hoheitsgebiet des Staates A ansässige Gesellschaft, so dass A ein Nichtansässigkeitsstaat ist, der nach Art. 10 Abs. 5 Fall 2 keine Steuer für nicht ausgeschüttete Gewinne erheben darf. Der Umstand, dass die Dividenden aus Einkünften gespeist werden, die aus dem Staat A stammen, ändert daran ausdrücklich nichts.

220

Beispiel 3: Nichtansässigkeitsstaat ist Ansässigkeitsstaat des potentiellen Dividendenempfängers mit CFC-Besteuerung Wie Beispiel 1, nur ist A-Co beherrschend an der Q-Co beteiligt, die niedrigbesteuerte passive Einkünfte erzielt. Nach den CFC-Regeln des Staates A sind diese Einkünfte im Staat A durch A-Co zu versteuern, sofern die Ein-

221

1 Vgl. Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 188; Gradel/Klaeren in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 99; Kaeser/ Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 188; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 255. 2 Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, IStR 2008, 496, mit Beispielen.

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Art. 10 Rz. 221

Dividenden

künfte nicht innerhalb eines Jahres zur Ausschüttung gelangen. Steht Art. 10 Abs. 5 einer Besteuerung der Dividenden durch Staat A entgegen? Die Frage soll zumindest nach herrschender Auffassung verneinen. Zwar handelt es sich bei der Q-Co um eine nicht auf dem Hoheitsgebiet des Staates A ansässige Gesellschaft, so dass A ein Nichtansässigkeitsstaat ist, der nach Art. 10 Abs. 5 Fall 2 keine Steuer für nicht ausgeschüttete Gewinne erheben darf. Allerdings soll Art. 10 Abs. 5 Fall 2 nicht der Anwendung der mitgliedstaatlichen CFC-Regeln zur Missbrauchsbekämpfung entgegenstehen. Das kann man auch anders sehen, zumal gerade die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung in vielen Fällen nichts mit Missbrauch zu tun haben.

G. Deutsches Muster-DBA 222

Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches MusterDBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen Muster-DBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA 223

Art. 10 Abs. 1 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 1 DBA-Belgien entspricht fast wörtlich Art. 10 Abs. 1 OECDMA. Die geringfügigen sprachlichen Abweichungen sind ohne praktische Relevanz.

224

Art. 10 Abs. 2 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 2 Halbs. 1 DBA-Belgien entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA. Demgegenüber regelt Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 DBA-Belgien lediglich die (dem OECD-MA entsprechende) Quellensteuerbegrenzung auf 15 %, ohne aber auch über ein Schachtelprivileg zu verfügen, wie es in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA enthalten ist. Zudem ist das Konzept des Nutzungsberechtigten noch nicht umgesetzt.

225

Art. 10 Abs. 3 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 3 DBA-Belgien enthält eine in älteren deutschen DBA enthaltene Regelung zu Schachteldividenden, die über kein Pendant im OECD-MA verfügt.

226

Art. 10 Abs. 4 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 4 Satz 1 DBA-Belgien entspricht inhaltlich Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA. Art. 10 Abs. 4 Satz 2 DBA-Belgien ist ohne Pendant im OECD-MA.

227

Art. 10 Abs. 5 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DBA-Belgien entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe stellt sprachlich ausdrücklich auf das „Steuerrecht“ des Quellenstaates ab. Ohne Pendant sind demgegenüber Art. 10 Abs. 5 Satz 2 und 3 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DBA-Belgien erweitert den Dividendenbegriff auf Einkünfte aus Personengesellschaften, die der belgischen Körperschaftsteuer unterliegen, Art. 10 Abs. 5 Satz 3 DBA-Belgien auf Einkünfte aus stillen Beteiligungen, die in Deutschland als Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifiziert werden.

228

Art. 10 Abs. 6 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 6 DBA-Belgien entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.

229

Art. 10 Abs. 7 DBA-Belgien. Auch Art. 10 Abs. 7 DBA-Belgien entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.

230

Protokoll. Nr. 5 des Schlussprotokolls enthält eine Regelung zur besonderen belgischen Vorsteuer (précompte mobiler). In diesen Zusammenhang gehört auch Nr. 8 des Schlussprotokolls, die regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschaft Anteile an der ausschüttenden Gesellschaft mittelbar gehören. 2. Konsequenzen

231

Keine Umsetzung des Konzeptes des Nutzungsberechtigten. Die fehlende Umsetzung des Konzeptes des Nutzungsberechtigten ist vermutlich ohne praktische Relevanz. Zwar genügt es nach Art. 10 Abs. 1 DBABelgien, der die wesentlichen Tatbestandsvoraussetzungen wie Art. 10 Abs. 1 OECD-MA sprachlich vorweg nimmt, wenn die Gesellschaft die Dividenden an eine im anderen Vertragsstaat „ansässige Person zahlt“. Nach dem Wortlaut muss die Person also nur der Empfänger, nicht auch der Nutzungsberechtigte sein. Bel-

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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 237 Art. 10

gien als Quellenstaat wendet gleichwohl das Konzept des Nutzungsberechtigten an.1 Auch für Deutschland als Quellenstaat sollte dies zumindest im Ergebnis keine Rolle spielen, weil eine Abkommensvergünstigung nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Belgien wohl nur gewährt wird, wenn der Empfänger der Dividenden der wirtschaftliche Eigentümer der Anteile der ausschüttenden Gesellschaft ist und in Belgien ansässig ist. Nach der Entscheidung des BFH v. 19.5.20102 zum Schachtelprivileg im DBA-Frankreich könnte man aber auch durchaus die Gegenposition einnehmen, weil der BFH dort dem Wortlaut des DBA mit Blick auf den Umstand des Zahlens besondere Bedeutung beigemessen hat. Kein Schachtelprivileg. Aufgrund des fehlenden Schachtelprivilegs gilt nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Belgien die einheitliche Quellensteuerbegrenzung auf 15 %. Praktisch ist das fehlende Schachtelprivileg gleichwohl ohne Bedeutung, weil innerhalb der EU die MTR (vgl. Rz. 19) ohnehin zumeist günstiger ist.

232

Nr. 5 des Schlussprotokolls ohne praktische Bedeutung. Mit Wegfall der besonderen belgischen Vorsteuer (précompte mobiler) seit 1974 ist auch die hierzu in Nr. 5 des Schlussprotokolls niedergelegte Regelung ohne praktische Relevanz.3 Entsprechend gilt dies auch für im Zusammenhang mit Nr. 5 des Schlussprotokolls zu sehende Regelung des Nr. 8 des Schlussprotokolls.4

233

Art. 10 Abs. 3 DBA-Belgien ohne praktische Bedeutung. Art. 10 Abs. 3 DBA-Belgien erweitert abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Belgien das Besteuerungsrecht des Quellenstaates auf 25 % für bestimmte Schachteldividenden. Die Regelung ist jedoch nur anzuwenden, wenn der deutsche Körperschaftsteuersatz für ausgeschüttete Dividenden 20 Prozentpunkte niedriger ist als für thesaurierte Gewinne. Weil dies nicht mehr der Fall ist, kommt Art. 10 Abs. 3 DBA-Belgien keine praktische Bedeutung zu.5

234

Einkünfte von der belgischen Körperschaftsteuer unterliegenden Gesellschaften. Belgien unterwirft grds. auch belgische Personengesellschaften der Körperschaftsteuer. Ausschüttungen aus derartigen Gesellschaften gelten nach Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DBA-Belgien als Dividenden, so dass Belgien darauf eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben darf.6 Für Deutschland als Wohnsitzstaat besteht aufgrund der ausdrücklichen Regelung in Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Belgien keine Bindungswirkung an diese Dividendendefinition, so dass ein Anrechnung der belgischen Quellensteuer nicht geboten ist (vgl. auch Art. 23A/B Rz. 119). Deutschland als Quellenstaat ist in der Besteuerung seiner Personengesellschaften durch Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DBA-Belgien nicht eingeschränkt.

235

Einkünfte aus stiller Beteiligung. Die Erweiterung des Dividendenbegriffs durch Art. 10 Abs. 5 Satz 3 DBA-Belgien auf Einkünfte aus stillen Beteiligungen, die in Deutschland als Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifiziert werden, hat schließlich zur Folge, dass sowohl Deutschland als auch Belgien als Quellenstaaten auf Einkünfte aus typisch stiller Beteiligung eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben dürfen. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Belgien nur dann der Fall ist, wenn die stille Beteiligung an einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 179). Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Belgien herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20087 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 23 Abs. 3 DBA-Belgien enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 179).

236

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Belgien als Wohnsitzstaat. Belgien als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden zunächst gem. Art. 23 Abs. 2 Nr. 2 DBA-Belgien durch Anwendung der Anrechnungsmethode, allerdings begrenzt auf einen belgischen Pauschalbetrag.8 Daneben gewährt Art. 23 Abs. 2 Nr. 3 DBA-Belgien ein Schachtelprivileg für Dividenden einer in Belgien ansässigen Gesellschaft an eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft, soweit diese Befreiung gewährt würde, wenn die beiden Gesellschaften in Belgien ansässig wären.

1 2 3 4 5

Schwenke/Malinski in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Belgien Rz. 18. BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919. Schwenke/Malinski in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Belgien Rz. 19, 21. Portner in G/K/G/K, Art. 10 DBA-Belgien, Rz. 4. Schwenke/Malinski in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Belgien Rz. 27; Portner in G/K/G/K, Art. 10 DBA-Belgien, Rz. 4. 6 Schwenke/Malinski in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Belgien Rz. 41 f. 7 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 8 Vgl. Schwenke/Malinski in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Belgien Rz. 43.

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Art. 10 Rz. 238 238

Dividenden

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden zunächst gem. Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a DBA-Belgien durch Anwendung der Anrechnungsmethode, mit Ausnahme der Einkünfte aus dem Kapitalvermögen, das in einer in Belgien ansässigen offenen Handelsgesellschaft oder KG investiert ist (vgl. näher Art. 23 DBA-Belgien, Art. 23A/B Rz. 119). Der anzurechnende Betrag darf aber den Teil der sich ohne die Anrechnung ergebenden Steuer nicht übersteigen, der anteilig auf diese in Belgien steuerpflichtigen Einkünfte entfällt. Daneben gewährt Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 DBA-Belgien ein Schachtelprivileg für Dividenden einer in Belgien ansässigen AG oder KGaA, die eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft bezieht, der mindestens 25 % der stimmberechtigten Anteile der belgischen Gesellschaft gehören, sofern die aus dritten Staaten stammenden Bruttodividenden, abzüglich der ausländischen Steuer, nicht mehr als 20 % der Gewinne der belgischen Gesellschaft ausmachen. Dividenden, die auf Grund eines zwischen Deutschland und einem dritten Staat geschlossenen DBA in Deutschland steuerbefreit wären, wenn sie unter den gleichen Umständen unmittelbar an die in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft gezahlt worden wären, gelten für die Anwendung des Schachtelprivilegs nicht als Dividenden, die aus einem dritten Staat stammen (vgl. näher Art. 23 DBABelgien, Art. 23A/B Rz. 121).

II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA 239

Art. 10 Abs. 1 DBA-China. Art. 10 Abs. 1 DBA-China entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.

240

Art. 10 Abs. 2 DBA-China. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 DBA-China entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA. Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 DBA-China entspricht in seiner Grundkonzeption ebenfalls Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA. Jedoch ist für die Anwendung des Schachtelprivilegs in Buchst. a keine Mindesthaltedauer der Beteiligung vorgesehen. Für steuerbefreite Investmentvehikel, die Dividenden ausschütten, die unmittelbar oder mittelbar aus unbeweglichem Vermögen erzielt werden, wird gemäß Buchst. b der Steuersatz auf 15 % angehoben. Für alle übrigen Fälle gilt weiterhin nach Buchst. c eine vom OECD-MA abweichende Quellensteuerbegrenzung auf 10 %. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-China entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA.

241

Art. 10 Abs. 3 DBA-China. Art. 10 Abs. 3 DBA-China entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Es wird lediglich allgemein von „Gesellschaftsanteilen oder anderen Rechten“ gesprochen.

242

Art. 10 Abs. 4 DBA-China. Art. 10 Abs. 4 DBA-China entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt, enthält aber noch den Verweis auf Art. 14 DBA-China.

243

Art. 10 Abs. 5 DBA-China. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-China entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung, enthält aber auch hier noch den für Einkünfte aus selbständiger Arbeit wesentlichen Verweis auf eine „feste Einrichtung“.

244

Protokoll. Nr. 4 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat schließlich ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter oder der Einkünfte aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen im Sinne des Steuerrechts der Bundesrepublik Deutschland, beruhen), wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. 2. Konsequenzen

245

Außerhalb Schachtelprivileg gilt grds. Quellensteuerbegrenzung auf 10 %. Sofern das Schachtelprivileg in Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 Buchst. a DBA-China nicht greift, gilt eine einheitliche Quellensteuerbegrenzung auf 10 % für sämtliche grenzüberschreitenden Dividendenzahlungen.

246

Sondersatz für steuerbefreite Immobilieninvestmentvehikel. Für steuerbefreite Investmentvehikel, die Dividenden ausschütten, die unmittelbar oder mittelbar aus unbeweglichem Vermögen erzielt werden, gilt abweichend von der Quellensteuerbegrenzung auf 10 % gemäß Buchst. b eine Begrenzung auf 15 %.

247

Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. 4 des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-China für Dividenden (und Zinsen) wieder aufleben, wenn diese (a) auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen im Sinne des Steuerrechts der Bundesrepublik Deutsch762

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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 254 Art. 10

land) beruhen und (b) bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden oder Zinsen abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und China derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung China als Wohnsitzstaat. China als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden zunächst gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-China durch Anwendung der Anrechnungsmethode (direkte Steueranrechnung). Die anzurechnende deutsche Steuer darf dabei nicht den Betrag an chinesischer Steuer übersteigen, der nach den steuerlichen Vorschriften der Volksrepublik China auf diese Einkünfte entfällt. Daneben gewährt Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-China eine indirekte Steueranrechnung für Dividenden, die eine in Deutschland ansässige Gesellschaft an eine in China ansässige Gesellschaft zahlt, der mindestens 20 % des Kapitals der erstgenannten Gesellschaft gehört. In diesem Fall wird die von der deutschen Gesellschaft gezahlte Steuer auf die von China erhobene angerechnet.1

248

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von 249 grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 24 Abs. 2 Buchst. a DBA-China durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 24 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-China durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in China ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Nr. 6 Buchst. b des Schlussprotokolls unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die Einnahmen der ausschüttenden Gesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich stammen (aa) aus einer der folgenden in China ausgeübten aktiven Tätigkeiten: Herstellung oder Verkauf von Gütern oder Waren, technische Beratung oder technische Dienstleistung oder Bank- oder Versicherungsgeschäfte oder (bb) aus Dividenden, die von einer oder mehreren in China ansässigen Gesellschaften gezahlt werden, deren Kapital zu mehr als 25 % der erstgenannten Gesellschaft gehört und die ihre Einkünfte wiederum ausschließlich oder fast ausschließlich aus einer der folgenden in China ausgeübten Tätigkeiten beziehen: Herstellung oder Verkauf von Gütern oder Waren, technische Beratung oder technische Dienstleistung oder Bank- oder Versicherungsgeschäfte (vgl. näher Art. 24 DBA-China, Art. 23A/B Rz. 124 ff.).

III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 9 Abs. 1 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 1 DBA-Frankreich entspricht fast wörtlich Art. 10 Abs. 1 OECD-MA. Die geringfügigen sprachlichen Abweichungen sind ohne praktische Relevanz.

250

Art. 9 Abs. 2 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 DBA-Frankreich entspricht im Ergebnis Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA. Demgegenüber regelt Art. 9 Abs. 2 Satz 2 DBA-Frankreich lediglich die (dem OECD-MA entsprechende) Quellensteuerbegrenzung auf 15 %, ohne aber das Konzept des Nutzungsberechtigten umzusetzen.

251

Art. 9 Abs. 3 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 3 DBA-Frankreich enthält eine Regelung zu Schachteldividenden, die von einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft an eine in Frankreich ansässige Gesellschaft gezahlt werden. Sofern der französischen Gesellschaft, die diese Dividenden empfängt, mindestens 10 % des Gesellschaftskapitals gehören, darf Frankreich die Dividenden nicht besteuern. Die in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA 2017 neu aufgenommene Voraussetzung der Mindesthaltedauer bei Schachteldividenden hat im DBA-Frankreich keine Entsprechung.

252

Art. 9 Abs. 4 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 4 DBA-Frankreich enthält eine Regelung zur besonderen französischen Vorsteuer (précompte), die aufgrund der Nichterhebung seit dem 1.1.2005 keine praktische Relevanz mehr entfaltet.

253

Art. 9 Abs. 5 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 5 DBA-Frankreich enthält eine Regelung zu Schachteldividenden, die von einer in Frankreich ansässigen Gesellschaft an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft gezahlt werden. Sofern der deutschen Gesellschaft, die diese Dividenden empfängt, mindestens 10 % des Gesellschaftskapitals gehören, ist die deutsche Quellensteuer auf 5 % des Bruttobetrags der Dividende begrenzt (10 % für Dividenden v. 1.1.1990 bis 31.12.1991). Die in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA

254

1 Pfaar/Hackemann in Wassermeyer, Art. 23 DBA-China Rz. 11 f.

Schönfeld

763

Art. 10 Rz. 254

Dividenden

2017 neu aufgenommene Voraussetzung der Mindesthaltedauer bei Schachteldividenden hat im DBAFrankreich keine Entsprechung. 255

Art. 9 Abs. 6 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 6 Satz 1 DBA-Frankreich entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition der ersten beiden Fallgruppen des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Art. 9 Abs. 6 Satz 2 DBA-Frankreich enthält für Zwecke der Anwendung von Art. 9 Abs. 2 bis 5 (nicht Abs. 1!) die dritte Fallgruppe (Buchst. a) sowie eine Erweiterung des Dividendenbegriffs für Zwecke der deutschen Besteuerung auf Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter, Einkünfte aus einem partiarischen Darlehen oder aus Gewinnobligationen und ähnliche gewinnabhängige Entgelte sowie Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen (Buchst. b). Anstelle von „Genussaktien“ wird ferner von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe verzichtet darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „Einkünfte“.

256

Art. 9 Abs. 7 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 7 DBA-Frankreich enthält eine Regelung, die zugunsten von Frankreich ein Quellenbesteuerungsrecht nach Art. 9 Abs. 2 DBA-Frankreich (maximal 15 %) für Einkünfte aus bestimmten französische Personengesellschaften ermöglicht, sofern diese Einkünfte nach französischem Recht als Dividenden qualifizieren.

257

Art. 9 Abs. 8 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 8 DBA-Frankreich enthält einen Art. 10 Abs. 4 OECD-MA zumindest vergleichbaren Betriebsstättenvorbehalt. Allerdings verlangt Art. 9 Abs. 8 DBA-Frankreich – anders als Art. 10 Abs. 4 OECD-MA – nicht, dass die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft „tatsächlich zu dieser Betriebsstätte“ gehören. Vielmehr müssen diese Anteile nach Art. 9 Abs. 8 DBA-Frankreich nur zum „Vermögen dieser Betriebsstätte gehören“.

258

Art. 9 Abs. 9 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 9 DBA-Frankreich lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates für Einkünfte aus hybriden Finanzierungsinstrumenten wieder aufleben, wenn diese bei der Ermittlung des Gewinns des Schuldners abzugsfähig sind.

259

Art. 9 Abs. 10 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 10 DBA-Frankreich wurde mit dem Zusatzabkommen vom 31. März 2015 neu eingefügt. Diese Vorschrift, die keine Entsprechung im OECD-MA findet, regelt, dass die niedrigeren Quellensteuersätze der Absätze 2, 3 und 5 nicht für Dividenden aus einem Investmentvermögen gelten, sofern der Nutzungsberechtigte unmittelbar oder mittelbar über mindestens 10 % des Kapitals des die Dividenden zahlenden Investmentvermögens verfügt. In diesem Fall werden die Dividenden regulär nach dem jeweiligen nationalen Recht des Quellenstaats besteuert. 2. Konsequenzen

260

Quellenbesteuerungsverbot für französische Schachteldividenden. Das in Art. 9 Abs. 3 DBA-Frankreich enthaltene Schachtelprivileg unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA. Zum einen wird das Schachtelprivileg nur einseitig für Ausschüttungen einer in Frankreich ansässigen Gesellschaft an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft gewährt. Für Dividenden deutscher Gesellschaften gilt aber ggf. Art. 9 Abs. 5 DBA-Frankreich (vgl. Rz. 261). Zum anderen greift das Schachtelprivileg bereits ab einer Mindestbeteiligung von 10 % am Gesellschaftskapital und Frankreich ist die Erhebung einer Quellensteuer vollständig versagt. Aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden MTR dürfte die praktische Relevanz aber mittlerweile eher gering sein.

261

Quellensteuerbegrenzung auf 5 % für deutsche Schachteldividenden. Das in Art. 9 Abs. 5 DBA-Frankreich enthaltene Schachtelprivileg unterscheidet sich ebenfalls in mehrfacher Hinsicht von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA. Zum einen wird das Schachtelprivileg nur einseitig für Ausschüttungen einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft an eine in Frankreich ansässige Gesellschaft gewährt. Für Dividenden französischer Gesellschaften gilt aber ggf. Art. 9 Abs. 3 DBA-Frankreich (vgl. Rz. 260). Zum anderen greift das Schachtelprivileg bereits ab einer Mindestbeteiligung von 10 % am Gesellschaftskapital und die deutsche Quellensteuer ist auf 5 % des Bruttobetrags der Dividende begrenzt. Aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden MTR dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein. Hinzuweisen ist aber darauf, dass Art. 9 Abs. 6 DBA-Frankreich nicht das ansonsten übliche und umstrittene Unmittelbarkeitserfordernis enthält, weshalb die Regelung zumindest auch dann eingreifen sollte, wenn die Anteile über eine Personengesellschaft gehalten werden (zum Problem vgl. Rz. 96).

262

Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 9 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DBA-Frankreich verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 9 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DBA-Frankreich mit „Einkünften“. Insoweit besteht eine 764

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 266 Art. 10

Abweichung zum OECD-MA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 9 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DBA-Frankreich entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 125 ff.). Erweiterung des Dividendenbegriffs auf hybride Finanzierungsformen. Art. 9 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DBA-Frankreich erweitert den Dividendenbegriff auf hybride Finanzierungsformen. Danach umfasst der Ausdruck „Dividenden“ für die Zwecke der deutschen Besteuerung auch Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter, Einkünfte aus einem partiarischen Darlehen oder aus Gewinnobligationen und ähnliche gewinnabhängige Entgelte.1 Dies hat zur Folge, dass Deutschland als Quellenstaat auf Einkünfte aus derartigen Finanzierungsformen eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben darf. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 9 Abs. 2 DBA-Frankreich nur dann der Fall ist, wenn die Finanzierungsform zu einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 179). Selbst dann erscheint aber fraglich, ob auch das Schachtelprivileg des Art. 9 Abs. 5 DBA-Frankreich gewährt wird, weil es an einer Beteiligung am Kapital fehlen dürfte. Deutschland als Wohnsitzstaat soll an diese Dividendendefinition offenbar nicht gebunden sein, weil die Erweiterung der Dividendendefinition nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 9 Abs. 6 Satz 2 DBA-Frankreich nur für die Anwendung von Art. 9 Abs. 2 bis 5 DBA-Frankreich gelten soll, nicht aber auch für den das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates geltenden Art. 9 Abs. 1 DBA-Frankreich.

263

Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Art. 9 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DBAFrankreich erweitert den Dividendenbegriff ferner auf Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.2

264

Quellenbesteuerungsrecht für Gewinnausschüttungen französischer Personengesellschaften. Art. 9 Abs. 7 DBA-Frankreich ermöglich Frankreich als Quellenstaat die Erhebung einer Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen von bestimmten, in Art. 4 Abs. 3 DBA-Frankreich erwähnten Personengesellschaften. Nach Art. 4 Abs. 3 DBA-Frankreich können Anteile an den Gewinnen einer „société de fait“, einer „association en participation“ oder einer „société civile“ französischen Rechts nur in dem Staat besteuert werden, in dem das Unternehmen eine Betriebstätte hat, jedoch nur in Höhe des Anteils des Mitunternehmers an den auf die Betriebstätte entfallenden Gewinnen. Soweit Frankreich danach das Besteuerungsrecht für Gewinne dieser Personengesellschaften zusteht und die Ausschüttung dieser Gewinne nach französischem Recht zu Dividenden führt, kann Frankreich eine Quellensteuer nach Art. 9 Abs. 2 DBA-Frankreich i.H.v. maximal 15 % erheben. In Frankreich unterliegen Personengesellschaften, bei denen die Haftung beschränkt ist, der Körperschaftsteuer (vgl. Art. 206 Abs. 4 Code Général des Impôts), zum Teil können Personengesellschaften auch darauf optieren (vgl. Art. 206 Abs. 3 Code Général des Impôts). Im Schrifttum wird zudem die Auffassung vertreten, dass Art. 9 Abs. 7 DBA-Frankreich nicht nur auf die in Art. 4 Abs. 3 DBA-Frankreich ausdrücklich genannten Personengesellschaften anzuwenden ist.3

265

Keine tatsächliche Zuordnung erforderlich. Abweichend von Art. 10 Abs. 4 OECD-MA verlangt der Be- 266 triebsstättenvorbehalt des Art. 9 Abs. 8 DBA-Frankreich nicht, dass die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft „tatsächlich zu dieser Betriebsstätte“ gehören. Es soll vielmehr genügen, wenn diese Anteile zum „Vermögen dieser Betriebsstätte“ gehören. Im Schrifttum wird trotz des abweichenden Wortlautes die Auffassung vertreten, dass sich an der Notwendigkeit der tatsächlichen Zuordnung unter funktionalen Gesichtspunkten nichts ändere.4 Die Formulierung unterscheidet sich von der in Art. 13 Abs. 2, die von „Betriebsvermögen einer Betriebsstätte“ spricht. Nach der Entscheidung des BFH v. 13.2.2008 erscheint diese Sichtweise zumindest fraglich.5 Dort hat der BFH nämlich dem ebenfalls anderslautenden Wortlaut des Betriebsstättenvorbehalts des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA („Betriebsvermögen einer Betriebsstätte“) durchaus 1 Vgl. näher Kramer in Wassermeyer, Art. 9 DBA-Frankreich Rz. 52 ff. 2 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBAGroßbritannien Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347 (351), dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung. 3 Vgl. näher Kramer in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Frankreich Rz. 57 ff. 4 Kramer in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Frankreich Rz. 66. 5 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414.

Schönfeld

765

Art. 10 Rz. 266

Dividenden

Gewicht beigemessen. Der BFH versteht letztere Formulierung dahin, dass auch eine rein steuerrechtliche Zuordnung zu einer Betriebsstätte genügt, so dass z.B. ein im Gesamthandsvermögen einer gewerblich tätigen Mitunternehmerschaft befindlicher Gesellschaftsanteil zum „Betriebsvermögen“ dieser Betriebsstätte für Zwecke des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA wird.1 Es spricht einiges dafür, dass dies auch im Rahmen von Art. 9 Abs. 8 DBA-Frankreich gilt. 267

Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Art. 9 Abs. 9 DBA-Frankreich lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates für Dividenden wieder aufleben, wenn diese aus Rechten oder Anteilen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Genussrechte oder Genussscheine und im Fall Deutschlands der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter und der Einkünfte aus partiarischen Darlehen und Gewinnobligationen) stammen und bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Frankreich derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

268

Frankreich als Wohnsitzstaat. Frankreich als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa und bb DBA-Frankreich durch Anwendung der Anrechnungsmethode, allerdings mit Besonderheiten bzgl. des Anrechnungshöchstbetrages.

269

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. b DBA-Frankreich durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. c DBA-Frankreich durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg ist dabei nur auf die Nettoeinkünfte anzuwenden, die den Dividenden entsprechen, die von einer in Frankreich ansässigen Kapitalgesellschaft an eine in Deutschland ansässige Kapitelgesellschaft gezahlt werden, der mindestens 10 % des Gesellschaftskapitals der erstgenannten Gesellschaft gehören. Den Begriff des „Zahlens“ versteht der BFH dahin, dass z.B. auch eine KGaA in den Genuss des Schachtelprivilegs kommen kann, selbst wenn die persönlich haftenden Gesellschafter natürliche Personen und in Drittstaaten ansässig sind.2 Die daraus resultierenden Gestaltungsmöglichkeiten hat der Gesetzgeber versucht, mit der Regelung des § 50d Abs. 11 EStG einzuschränken (vgl. näher Art. 20 DBA-Frankreich, Art. 23A/B Rz. 132 ff.).

IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA 270

Art. 10 Abs. 1 DBA-Großbritannien. Art. 10 Abs. 1 DBA-Großbritannien entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.

271

Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Großbritannien entspricht im Wesentlichen dem Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA, wobei abweichend vom OECD-MA das Schachtelprivileg bereits ab einer Beteiligung am Kapital von 10 % gewährt wird. Die in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA 2017 neu aufgenommene Voraussetzung der Mindesthaltedauer bei Schachteldividenden hat im DBA-Großbritannien keine Entsprechung. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. c DBA-Großbritannien entspricht der in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b OECD-MA geregelten Quellensteuerbegrenzung auf 15 % in allen anderen Fällen. Ohne Pendant im OECD-MA ist demgegenüber Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b DBA-Großbritannien, der eine Quellensteuerbegrenzung von 10 % für Altersvorsorgeeinrichtungen als Nutzungsberechtigte vorsieht. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Großbritannien entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.

272

Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien. Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die Aufnahme von „Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen“ verfügt über kein Pendant im OECD-MA. Die dritte Fallgruppe verzichtet schließlich darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“.

1 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; zur Diskussion auch Gosch in G/K/G/K, Art. 13 OECD-MA Rz. 82. 2 BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919.

766

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 281 Art. 10

Art. 10 Abs. 4 DBA-Großbritannien. Art. 10 Abs. 4 DBA-Großbritannien entspricht dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.

273

Art. 10 Abs. 5 DBA-Großbritannien. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Großbritannien entspricht dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.

274

Art. 10 Abs. 6 DBA-Großbritannien. Art. 10 Abs. 6 DBA-Großbritannien ist ohne Pendant im OECDMA. Die Regelung soll unerwünschten Abkommensmissbräuchen begegnen.

275

Protokoll. Das Schlussprotokoll zum DBA-Großbritannien enthält wesentliche Ergänzungen. So bestimmt Nr. 1 des Schlussprotokolls, was unter einer „Altersvorsorgeeinrichtung“ zu verstehen ist. Nr. 2 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. Nr. 3 des Schlussprotokolls enthält schließlich eine Regelung für Dreieckssachverhalte, in denen ein deutsches Unternehmen Einkünfte aus Großbritannien bezieht und diese einer in einem Drittstaat gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen sind.

276

2. Konsequenzen Schachtelprivileg bereits ab 10 %-Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Großbritannien mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten zwar größer, aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden MTR dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein.1

277

Altersvorsorgeeinrichtungen als Nutzungsberechtigte. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b DBAGroßbritannien enthält eine besondere Quellensteuerermäßigung auf 10 % für den Fall, dass der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte eine „Altersvorsorgeeinrichtung“ ist. Den Begriff definiert Nr. 1 des Schlussprotokolls. Danach bedeutet „Altersvorsorgeeinrichtung“ (a) in Deutschland eine als solche nach deutschem Recht errichtete und deutschem Recht unterliegende Altersvorsorgeeinrichtung und (b) in Großbritannien nach Teil 4 des Finance Act 2004 erfasste „Pension Schemes“ (außer Sozialversicherungseinrichtungen), einschließlich Versorgungsfonds oder „Pension Schemes“, die durch Versicherungsgesellschaften und Investmentfonds vermittelt werden, deren Anteilseigner ausschließlich „Pension Schemes“ sind. Die zuständigen Behörden können auch die Einbeziehung wirtschaftlich oder rechtlich gleichartiger oder im Wesentlichen ähnlicher Altersvorsorgeeinrichtungen vereinbaren, die in einem der Staaten nach der Unterzeichnung des Abkommens kraft Gesetz oder durch Rechtsvorschrift eingeführt werden.

278

Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECD-MA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 125 ff.).

279

Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 3 DBAGroßbritannien enthält faktisch eine 4. Fallgruppe, indem auch Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen als Dividenden qualifizieren sollen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nur deutsche Investmentvermögen erfasst, nicht aber auch britische Investmentvermögen. Was ein deutsches Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.2

280

Missbrauchsbekämpfung. Auf Wunsch Großbritanniens ist Art. 10 Abs. 6 DBA-Großbritannien aufgenommen worden, der eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien verhindern soll. Danach werden Entlastungen nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien nicht gewährt,

281

1 Vgl. Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien Rz. 31; Häuselmann, Ubg 2010, 347 (351). 2 So Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347 (351), dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung.

Schönfeld

767

Art. 10 Rz. 281

Dividenden

„wenn der Hauptzweck oder einer der Hauptzwecke einer der Personen, die an der Begründung oder Übertragung der Aktien oder anderen Rechte, für die die Dividende gezahlt wird, beteiligt waren, darin bestand, diesen Artikel mithilfe dieser Begründung oder Übertragung in Anspruch zu nehmen“. Mit anderen Worten: Besteht der Hauptzweck der Anschaffung oder Übertragung der Anteile oder anderen Rechte, für die die Dividende gezahlt wird, darin, eine Quellensteuerreduktion nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien zu erreichen, dann wird diese Ermäßigung nicht gewährt. Denkbar sind z.B. Fälle, in denen kurz vor dem Dividendenstichtag die Anteile an eine abkommensberechtigte Person übertragen werden. Die weite Formulierung dürfte aber auch solche Fälle erfassen, in denen der Steuervorteil bei eher mittelbar beteiligten Personen eintritt. Zu denken ist z.B. auch die missbräuchliche Zwischenschaltung einer britischen Gesellschaft in den Bezug von Dividenden einer deutschen Gesellschaft durch eine nicht abkommensberechtigte Person. Hier stellt sich unmittelbar die Frage nach § 50d Abs. 3 EStG und § 42 AO. Normalerweise sollen entsprechende DBA-Vorschriften (wie z.B. Art. 28 DBA-USA) die innerstaatliche Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG verdrängen.1 Die Finanzverwaltung will dies zumindest in den Fällen bejahen, in denen „das einschlägige DBA eine abschließende Regelung enthält.“2 Ob dies vorliegend relevant ist, wird zum Teil bezweifelt, weil sich die Vertragsparteien in der Gemeinsamen Erklärung anlässlich der Vertragsunterzeichnung darauf verständigt haben, dass Art. 10 Abs. 6 DBA-Großbritannien einen Vertragsstaat nicht daran hindere, seine Bestimmungen nach innerstaatlichem Steuerrecht zur Verhinderung von Abkommensmissbräuchen anzuwenden.3 Zu beachten ist schließlich, dass der Steuervorteil aus Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien der Hauptzweck der entsprechenden Maßnahme sein muss. Als bloßer Nebenzweck ist er unschädlich.4 282

Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. 2 des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBAGroßbritannien für Dividenden (und Zinsen) wieder aufleben, wenn diese (a) auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen) beruhen und (b) bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden (oder Zinsen) abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Großbritannien derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern.

283

Dreieckssachverhalte mit Drittstaatenbetriebsstätten. Nr. 3 des Schlussprotokolls enthält eine Regelung, die die Abkommensvergünstigungen nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien einschränkt bzw. versagt, wenn ein deutsches Unternehmen Dividenden aus Großbritannien bezieht und diese Einkünfte einer in einem Drittstaat gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens zuzurechnen sind, sofern die für diese Einkünfte in Deutschland und im Drittstaat tatsächlich gezahlte Steuer insgesamt weniger als 60 % der Steuer beträgt, die in Deutschland zu entrichten gewesen wäre, wenn das Unternehmen die Einkünfte in Deutschland erzielt hätte und die Einkünfte nicht der im Drittstaat gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen wären. Die Regelung greift damit zunächst nur dann ein, wenn aus Großbritannien stammende Dividenden durch ein deutsches Unternehmen bezogen werden. Sie gilt nicht, wenn die Dividenden aus Deutschland stammen und von einem britischen Unternehmen bezogen werden. Weitere Voraussetzung ist, dass die Dividenden einer in einem Drittstaat gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Das ist nach abkommensrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, weil die Nr. 3 des Schlussprotokolls diejenigen Fälle erfassen will, in denen die in der Betriebsstätte anfallenden Dividenden von der deutschen Besteuerung aufgrund einer in einem mit dem Drittstaat vereinbarten Betriebsstättenfreistellung ausgenommen sind. Weil Deutschland der Anwenderstaat der Betriebsstättenfreistellung ist, richtet sich die Zurechnung auch nach der deutschen Sicht. Daraus folgt aber auch zugleich, dass Nr. 3 des Schlussprotokolls nicht eingreift, wenn die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte z.B. durch § 20 Abs. 2 AStG oder § 50d Abs. 9 EStG versagt wird.5 Greift die Betriebsstättenfreistellung für die Dividenden ein, dann ist in einem weiteren Schritt eine hypothetische Prüfung dahin durchzuführen, welcher deutschen Besteuerung die Dividenden ohne die Einschaltung der Drittstaatenbetriebsstätte unterlegen hätten. Nur wenn die in Deutschland und im Drittstaat tatsächlich gezahlte Steuer insgesamt weniger als 60 % als die im hypothetischen Vergleichsfall ohne Drittstaatenbetriebsstätte zu zahlende Steuer beträgt, kommt die Rechtsfolge von Nr. 3 des Schlussprotokolls zum Tragen. Daraus folgt aber, dass dann, wenn Deutschland die Einkünfte schon selbst nicht besteuert, z.B. weil § 8b Abs. 1 KStG anzuwenden ist, eine Anwendung von Nr. 3 des Schlussprotokolls ausscheidet.6 Man wird auch nicht so weit gehen können, dass man die nach § 8b Abs. 2 KStG auf die Fiktion nichtabzugsfähiger

1 2 3 4 5 6

Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619; Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 3 EStG Anm. 32. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Rz. 10. Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien Rz. 93 f. Vgl. Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien Rz. 93; Häuselmann, Ubg 2010, 347. Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien Rz. 88; Häuselmann, Ubg 2010, 347 (352). Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien Rz. 88; Häuselmann, Ubg 2010, 347 (352).

768

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 286 Art. 10

Betriebsausgaben anfallende Steuer in die hypothetische Vergleichsrechnung einbezieht.1 Die Bedeutung der Vorschrift dürfte daher primär in Fällen des § 8b Abs. 7 und 8 KStG bestehen. Dies auch deshalb, weil die Rechtsfolge von Nr. 3 des Schlussprotokolls abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien eine Quellensteuerbegrenzung von 15 % vorsieht. Damit dürften primär die Fälle des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a (Schachtelprivileg) und b Altersvorsorgeeinrichtungen) DBA-Großbritannien angesprochen sein. Nr. 3 des Schlussprotokolls sieht schließlich Ausnahmen vor. Dabei stellt sich die Frage, ob die „sonstige Einkünfte“ ansprechende Regelung von Nr. 3 Buchst. b des Schlussprotokolls auf „Dividenden“ anzuwenden ist. Aus der Systematik der Regelung im Schlussprotokoll sollte dies aber zu beantworten sein, weil sich Nr. 3 des Schlussprotokolls nach der Überschrift auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren bezieht, und weil Nr. 3 Buchst. a des Schlussprotokolls lediglich „Lizenzgebühren“ anspricht. Dann müssen „sonstige Einkünfte“ nach Nr. 3 Buchst. b des Schlussprotokolls jedenfalls auch „Dividenden“ sein. Nach Nr. 3 Buchst. b des Schlussprotokolls gilt die Regelung damit nicht für Dividenden, die aus Großbritannien stammen und im Zusammenhang mit einer von der Betriebsstätte im Drittstaat aktiv ausgeübten gewerblichen Tätigkeit erzielt werden oder aus Anlass dieser Tätigkeit anfallen (mit Ausnahme der Tätigkeit der Platzierung, Verwaltung oder der bloßen Verwahrung von Kapitalanlagen für eigene Rechnung der Person, es sei denn, es handelt sich um Banktätigkeiten oder Wertpapierhandel einer Bank oder eines zugelassenen Wertpapierhändlers). Damit wird wohl den Anliegen des britischen Finanzplatzes Rechnung getragen. Besondere Verfahrensregel für die Quellensteuerbegrenzung. Nr. 5 des Protokolls (zu Art. 29 DBA- 284 Großbritannien) enthält eine besondere Verfahrensregel für die Quellensteuerbegrenzung. Danach können Treuhänder oder Verwalter von Investmentvermögen oder geschäftsführende Gesellschafter von Personengesellschaften, die in einem Vertragsstaat niedergelassen sind, für die Investoren des Investmentvermögens oder die Gesellschafter der Personengesellschaft einen Anspruch nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien geltend machen, soweit diese Investoren oder Gesellschafter Anspruch auf diese Vergünstigungen haben. Die vollständige oder teilweise Anerkennung eines Anspruchs durch den anderen Vertragsstaat kann Bedingungen unterworfen werden, die nach dem Ermessen des anderen Vertragsstaats auferlegt werden. Mit der Anerkennung eines Anspruchs des Treuhänders, Verwalters oder geschäftsführenden Gesellschafters erlischt das Recht des eigentlichen Investors, einen Anspruch auf dieselbe Vergünstigung geltend zu machen. Im Übrigen ist auf Art. 29 DBA-Großbritannien hinzuweisen. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Großbritannien als Wohnsitzstaat. Großbritannien als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Großbritannien durch Anwendung der Anrechnungsmethode, d.h. durch Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die britische Steuer (direkte Anrechnung). Darüber wird nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. b DBA-Großbritannien bei Dividenden, die von einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft an eine in Großbritannien ansässige Gesellschaft gezahlt werden, welcher unmittelbar oder mittelbar mindestens 10 v.H. der stimmberechtigten Anteile der die Dividenden auszahlenden Gesellschaft gehören, in die Anrechnung (neben den nach Buchst. a anrechnungsfähigen deutschen Quellensteuern) auch die deutsche Steuer einbezogen, die die Gesellschaft von den Gewinnen zu entrichten hat, aus denen die Dividenden gezahlt werden (indirekte Anrechnung).

285

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Großbritannien durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Großbritannien durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in Großbritannien ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört, und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA-Großbritannien unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in Großbritannien ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 AStG fallenden Tätigkeiten bezieht. Das Schachtelprivileg kann nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DBAGroßbritannien in Fällen eines Qualifikations- bzw. Zurechnungskonfliktes versagt sein (vgl. näher Art. 23 DBA-Großbritannien, Art. 23A/B Rz. 139).

286

1 Zum Verhältnis der Betriebsstättenfreistellung zu § 8b Abs. 1 KStG vgl. Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 40.

Schönfeld

769

Art. 10 Rz. 287

Dividenden

V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA 287

Art. 10 Abs. 1 DBA-Indien. Art. 10 Abs. 1 DBA-Indien entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.

288

Art. 10 Abs. 2 DBA-Indien. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 DBA-Indien entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA. Demgegenüber regelt Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 DBA-Indien eine vom OECD-MA abweichende Quellensteuerbegrenzung auf 10 % und enthält kein Schachtelprivileg, wie es in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b OECD-MA enthalten ist. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Indien entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.

289

Art. 10 Abs. 3 DBA-Indien. Art. 10 Abs. 3 DBA-Indien entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die Fallgruppen in Buchstaben a und b untergliedert. Die dritte Fallgruppe verzichtet schließlich darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“.

290

Art. 10 Abs. 4 DBA-Indien. Art. 10 Abs. 4 DBA-Indien entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt, enthält aber noch den Verweis auf Art. 14 DBA-Indien.

291

Art. 10 Abs. 5 DBA-Indien. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Indien entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung, enthält aber auch hier noch den für Einkünfte aus selbständiger Arbeit wesentlichen Verweis auf eine „feste Einrichtung“.

292

Protokoll. Nr. 3 des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff auf Einkünfte aus einer stillen Beteiligung und aus Ausschüttungen aus Kapitalanlagegesellschaften. Nr. 4 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat schließlich ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. 2. Konsequenzen

293

Einheitliche Quellensteuerbegrenzung auf 10 %. Aufgrund des fehlenden Schachtelprivilegs in Art. 10 Abs. 2 DBA-Indien gilt eine einheitliche Quellensteuerbegrenzung auf 10 % für sämtliche grenzüberschreitenden Dividendenzahlungen.

294

Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Indien verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Indien mit „sonstigen Einkünften“.1 Insoweit besteht eine Abweichung zum OECD-MA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Indien entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 125 ff.).2

295

Einkünfte aus stiller Beteiligung. Nr. 3 des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff auf Einkünfte aus stiller Beteiligung. Dies hat zur Folge, dass sowohl Deutschland als auch Indien als Quellenstaaten auf Einkünfte aus typisch stiller Beteiligung eine Quellensteuer von maximal 10 % erheben dürfen.3 Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Indien nur dann der Fall ist, wenn die stille Beteiligung an einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 179). Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Indien herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20084 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Indien enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 179).

296

Einkünfte aus Kapitalanlagegesellschaften. Nr. 3 des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff zudem auf Einkünfte aus Ausschüttungen aus Kapitalanlagegesellschaften. Das Abstellen auf den Begriff „Kapitalanlagegesellschaften“ dürfte aus deutscher Sicht der Zeit des DBA geschuldet sein, bei der das 1 2 3 4

Strauß in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Indien Rz. 65. Portner in G/K/G/K, Art. 10 DBA-Indien Rz. 4. Strauß in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Indien Rz. 67. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793.

770

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 299 Art. 10

KAGG noch in Kraft war. Nach § 1 Abs. 1 KAGG sind Kapitalanlagegesellschaften Kreditinstitute, deren Geschäftsbereich darauf gerichtet ist, bei ihnen eingelegtes Geld im eigenen Namen für gemeinschaftliche Rechnung der Einleger (Anteilinhaber) nach dem Grundsatz der Risikomischung in den nach diesem Gesetz zugelassenen Vermögensgegenständen gesondert vom eigenen Vermögen in Form von Geldmarkt-, Wertpapier-, Beteiligungs-, Investmentfondsanteil-, Grundstücks-, Gemischten Wertpapier- und Grundstücks- oder Altersvorsorge-Sondervermögen anzulegen und über die hieraus sich ergebenden Rechte der Anteilinhaber Urkunden (Anteilscheine) auszustellen. Heute wird man mit Blick auf das das KAGG ablösende InvG – wie in anderen neuen DBA – eher von Investmentvermögen sprechen. Für die Frage, was ein Investmentvermögen ist, sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1 Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. 4 des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Indien für Dividenden (und Zinsen) wieder aufleben, wenn diese (a) auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen im Sinne des Steuerrechts der Bundesrepublik Deutschland) beruhen und (b) bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden oder Zinsen abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Indien derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern.2

297

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Indien als Wohnsitzstaat. Indien als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden gem. Art. 23 Abs. 2 DBA-Indien durch Anwendung der Anrechnungsmethode, wobei das DBA missverständlich von „Abzug“ spricht, da sich der Abzug aber auf die Steuer bezieht, entspricht er einer Anrechnung. Indien lässt dabei einen Betrag zur Anrechnung zu, der der in Deutschland entweder unmittelbar oder im Abzugsweg gezahlten Einkommensteuer entspricht. Die Anrechnung darf aber in keinem Fall den Teil der (vor dem Abzug der Steuer ermittelten) Einkommensteuer übersteigen, der auf das Einkommen entfällt, das in Deutschland besteuert werden kann. Trotz des Wortlautes soll die Anrechnung nicht auf die deutsche Einkommensteuer beschränkt sein, sondern auch die Körperschaftsteuer umfassen.3

298

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von 299 grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Indien durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-Indien durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in Indien ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DBA-Indien unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die Einkünfte der in Indien ansässigen Gesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten stammen. Für Einkünfte im Sinne von Art. 10 DBA-Indien gilt die Freistellung auch dann, wenn die Dividenden aus Beteiligungen an anderen in Indien ansässigen Gesellschaften stammen, die aktive Tätigkeiten ausüben und an denen die zuletzt ausschüttende Gesellschaft zu mehr als 25 v.H. beteiligt ist. Aktive Tätigkeiten sind in Indien ausgeübte Herstellung und Verkauf von Gütern oder Waren, technische Beratung und technische Dienstleistung und Bank- und Versicherungsgeschäfte. Das Schachtelprivileg kann in Fällen eines Qualifikations- bzw. Zurechnungskonfliktes versagt sein (Nr. 6 Buchst. c des Schlussprotokolls, vgl. näher Art. 23 DBA-Indien, Art. 23A/B Rz. 146 ff.).

1 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBAGroßbritannien Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347 (351), dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung. 2 Strauß in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Indien Rz. 39. 3 Strauß in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Indien Rz. 114.

Schönfeld

771

Art. 10 Rz. 300

Dividenden

VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA 300

Art. 10 Abs. 1 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 1 DBA-Italien entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.

301

Art. 10 Abs. 2 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 DBA-Italien entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b OECD-MA. Zudem entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 2 und 3 DBA-Italien den in Art. 10 Abs. 2 Satz 2 und 3 OECD-MA enthaltenen Regelungen.

302

Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien enthält eine Regelung zu Schachteldividenden, die von einer in Italien ansässigen Gesellschaft an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft gezahlt werden. Sofern die deutsche Gesellschaft, die diese Dividenden empfängt, unmittelbar über mindestens 25 % des Gesellschaftskapitals der italienischen Gesellschaft verfügt, darf die italienische Steuer 10 % des Bruttobetrags der Dividenden nicht übersteigen. Die in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA 2017 neu aufgenommene Voraussetzung der Mindesthaltedauer bei Schachteldividenden hat im DBA-Italien hingegen keine Entsprechung.

303

Art. 10 Abs. 4 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 4 DBA-Italien enthält eine (gegenstandslos gewordene und damit praktisch irrelevante) Regelung zur Vergütung eines Körperschaftsteuererhöhungsbetrages für Dividenden einer deutschen Gesellschaft an eine italienische Gesellschaft.

304

Art. 10 Abs. 5 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 5 DBA-Italien enthält eine (gegenstandslos gewordene und damit praktisch irrelevante) Regelung zur Vergütung eines Körperschaftsteuererhöhungsbetrages („maggiorazione“) für Dividenden einer italienischen Gesellschaft an eine deutsche Gesellschaft.

305

Art. 10 Abs. 6 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 6 DBA-Italien entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, unterteilt aber die Fallgruppen in Buchst. a und Buchst. b. Anstelle von „Genussaktien“ wird ferner von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe verzichtet darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“. Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-Italien erweitert den Dividendenbegriff für Zwecke der deutschen Besteuerung auf Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter an einem gewerblichen Unternehmen und auf Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen.

306

Art. 10 Abs. 7 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 7 DBA-Italien entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.

307

Art. 10 Abs. 8 DBA-Italien. Auch Art. 10 Abs. 8 DBA-Italien entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.

308

Protokoll. Nr. 8 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. Nr. 9 des Schlussprotokolls definiert den Begriff des Nutzungsberechtigten dahin, dass diesem das den Dividendenzahlungen zugrundeliegende Recht zustehen muss und ihm die Einkünfte hieraus nach dem Steuerrecht beider Staaten zuzurechnen sind. Nr. 10 des Schlussprotokolls stellt lediglich klar, dass der in Art. 10 Abs. 7 DBA-Italien enthaltene Betriebsstättenvorbehalt die Anwendung von Art. 7 und 14 DBA-Italien unberührt lässt. 2. Konsequenzen

309

Engeres Konzept des Nutzungsberechtigten. Anders als in anderen deutschen DBA wird der Begriff des Nutzungsberechtigten in Nr. 9 des Schlussprotokolls näher definiert. Zunächst muss diesem das den Dividendenzahlungen zugrundeliegende Recht zustehen, d.h. aus deutscher Sicht muss er wirtschaftlicher Eigentümer des Gesellschaftsanteils sein (vgl. Rz. 72 ff.). Insoweit ergeben sich keine Abweichungen zu dem zum OECD-MA entwickelten Verständnis. Wichtig ist aber weiterhin, dass Nutzungsberechtigter nur ist, wem die Einkünfte aus dem Recht nach dem Steuerrecht beider Staaten zuzurechnen sind. Diese Sicht entspricht dem in Rz. 73 entwickelten Gedanken, nicht aber wohl der Sicht der herrschenden Auffassung. Jedenfalls im Anwendungsbereich des Art. 10 DBA-Italien folgt daraus, dass die Quellensteuerherabsetzung nach diesem Artikel nicht gewährt wird, wenn Deutschland oder Italien z.B. aufgrund eines Qualifikationskonfliktes eine unterschiedliche Zurechnung der Einkünfte vornehmen, d.h. im Falle eines Qualifikationskonfliktes kann niemand eine Quellensteuerherabsetzung nach Art. 10 Abs. 2 oder 3 DBA-Italien beanspruchen.1

1 Vgl. Weggenmann in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Italien Rz. 19.

772

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 315 Art. 10

Einseitiges qualifiziertes Schachtelprivileg. Das in Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien enthaltene Schachtelprivileg unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA. Zum einen wird das Schachtelprivileg nur einseitig für Ausschüttungen einer in Italien ansässigen Gesellschaft an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft gewährt. Für Dividenden deutscher Gesellschaften bleibt es bei dem einheitlichen Quellensteuersatz von 15 %. Zum anderen ist die italienische Quellensteuer nur auf 10 % des Bruttobetrages der Dividenden begrenzt. Aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden MTR dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein.

310

Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECD-MA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 125 ff.).

311

Stille Beteiligung. Art. 10 Abs. 6 Buchst. b DBA-Italien erweitert den Dividendenbegriff für Zwecke der deutschen Besteuerung auf Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter an einem gewerblichen Unternehmen. Dies hat zur Folge, dass Deutschland als Quellenstaat auf Einkünfte aus derartigen Finanzierungsformen eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben darf. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Italien nur dann der Fall ist, wenn die Finanzierungsform zu einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 179). Selbst dann erscheint es aber fraglich, ob auch das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien gewährt wird, weil es an einer Beteiligung am Kapital fehlen dürfte. Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Italien herleitet, jedoch können nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 24 Abs. 3 Buchst. a DBA-Italien nur Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 6 Buchst. a DBA-Italien in den Genuss des im Methodenartikel enthaltenen Schachtelprivilegs kommen, nicht also auch die hybriden Finanzierungsformen des Art. 10 Abs. 6 Buchst. a DBA-Italien.

312

Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 6 Buchst. b DBA-Italien erweitert den Dividendenbegriff ferner auf Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nicht nur deutsche Investmentvermögen erfasst, sondern auch italienische Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1

313

Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. 3 des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Italien für Dividenden wieder aufleben, wenn diese auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen) beruhen und bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Italien derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern.

314

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Italien als Wohnsitzstaat. Italien als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 24 Abs. 2 Buchst. b DBA-Italien durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 24 Abs. 2 Buchst. a DBA-Italien durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur für Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 6 Buchst. a DBA-Italien (nicht also auch für steuerlich gleichgestellte Dividenden der dritten Fallgruppe) und nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Italien ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine

1 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBAGroßbritannien Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347 (351), dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung.

Schönfeld

773

315

Art. 10 Rz. 315

Dividenden

Personengesellschaft) von einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 25 % unmittelbar der italienischen Gesellschaft gehört. 316

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 24 Abs. 3 Buchst. a DBA-Italien durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 24 Abs. 3 Buchst. b DBA-Italien durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur für Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 6 Buchst. a DBA-Italien (nicht also auch für steuerlich gleichgestellte Dividenden der dritten Fallgruppe) und nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in Italien ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört (vgl. näher Art. 24 DBA-Italien, Art. 23A/B Rz. 153 ff.).

VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 317

Art. 10 Abs. 1 DBA-Japan. Art. 10 Abs. 1 DBA-Japan entspricht wörtlich Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.

318

Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan. Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan entspricht in seiner Ausgestaltung grundsätzlich Art. 10 Abs. 2 OECD-MA. Im Unterschied zum OECD-MA sieht Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan eine Mindestbeteiligung der Gesellschaft in Höhe von 10 % der Stimmrechte vor. Zudem müssen die Stimmrechte der Gesellschaft während der sechs Monate vor dem Tag, an dem die Dividendenberechtigung bestimmt wird, gehört haben. Im Gegensatz zu Art. 10 Abs. 2 OECD-MA 2017 besteht hier der Klammerzusatz, dass die Gesellschaft „jedoch keine Personengesellschaft“ sein darf, weiterhin fort.

319

Art. 10 Abs. 3 DBA-Japan. Art. 10 Abs. 3 DBA-Japan findet so keine Entsprechung in Art. 10 OECD-MA. Die Vorschrift ist eine Erweiterung der Regelung des Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan und postuliert ein Quellenbesteuerungsverbot für den Fall, dass der Gesellschaft, die im anderen Vertragsstaat ansässig ist, mindestens 25 % der Stimmrechte der die Dividenden zahlenden Gesellschaft während der achtzehn Monate vor dem Tag, an dem die Dividendenberechtigung bestimmt wird, unmittelbar gehören.

320

Art. 10 Abs. 4 DBA-Japan. Art. 10 Abs. 4 DBA-Japan entspricht inhaltlich Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECDMA.

321

Art. 10 Abs. 5 DBA-Japan. Art. 10 Abs. 5 Halbs. 1 DBA-Japan entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Allerdings werden „Genussaktien“ nicht genannt und die dritte Fallgruppe stellt sprachlich ausdrücklich auf das „Steuerrecht“ des Quellenstaates ab. Art. 10 Abs. 5 Halbs. 2 DBA-Japan erweitert den Dividendenbegriff auf Einkünfte auf Einkünfte aus stillen Beteiligungen, die in Deutschland als Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifiziert werden.

322

Art. 10 Abs. 6 DBA-Japan. Art. 10 Abs. 6 DBA-Japan entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.

323

Art. 10 Abs. 7 DBA-Japan. Auch Art. 10 Abs. 7 DBA-Japan entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.

324

Protokoll. Nr. 4 Buchst. a (i) des Protokolls zum DBA-Japan 2015 lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht Japans für Dividenden wieder aufleben, die von einer Gesellschaft gezahlt werden, die bei der Berechnung ihres zu versteuernden Einkommens Anspruch auf einen Abzug für an ihre Begünstigten gezahlte Dividenden hat. Ebenso hat Japan für Einkünfte aus stiller Beteiligung nach Nr. 4 Buchst. a (iii) ein unbeschränktes Besteuerungsrecht. Ist Deutschland der Quellenstaat können abweichend von Art. 10 alle dort erzielten Einkünfte nach den nationalen Vorschriften besteuert werden, wenn sie auf Rechten und Forderungen mit Gewinnbeteiligung beruhen (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters und solcher aus partiarischen Darlehen) und bei der Ermittlung der Gewinne des Schuldners der Einkünfte abzugsfähig sind. 2. Konsequenzen

325

Herabsetzung Mindestbeteiligung auf 10 % für allgemeines Schachtelprivileg. Abweichend zum OECDMA ist die Mindestbeteiligung für das allgemeine Schachtelprivileg (Quellensteuerbegrenzung auf 5 %) herabgesetzt auf 10 %. Diese Beteiligung muss innerhalb von 6 Monaten vor der Ausschüttung (Dividendenberechtigung) bestanden haben.

774

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 337 Art. 10

Quellenbesteuerungsverbot. Darüber hinaus enthält Abs. 3 ein besonderes Schachtelprivileg, welches ein Quellenbesteuerungsverbot für eine unmittelbare Beteiligung von mindestens 25 % anordnet. Diese Beteiligung muss 18 Monate vor der Ausschüttung bestehen.

326

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Japan als Wohnsitzstaat. Japan als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden gem. Art. 22 Abs. 1 DBA-Japan durch Anwendung der Anrechnungsmethode.

327

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von 328 grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 22 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 DBA-Japan durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 22 Abs. 2 Buchst. c (i) DBA-Japan durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft von einer in Japan ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der erstgenannten Gesellschaft gehört (vgl. näher Art. 22 DBA-Japan, Art. 23A/B Rz. 159 ff.).

VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-Kanada. Art. 10 Abs. 1 DBA-Kanada entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.

329

Art. 10 Abs. 2 DBA-Kanada. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 DBA-Kanada entspricht im Wesentlichen Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Lediglich wird abweichend vom OECD-MA das Schachtelprivileg bereits dann gewährt, wenn der Nutzungsberechtigte 10 % der Stimmrechte der die Dividenden zahlenden Gesellschaft kontrolliert. Eine zu Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA 2017 korrespondierende Regelung über die Mindesthaltedauer kennt Art. 10 DBA-Kanada nicht. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Kanada entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.

330

Art. 10 Abs. 3 DBA-Kanada. Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Kanada entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, unterteilt aber die Fallgruppen in Buchst. a und Buchst. b. Anstelle von „Genussaktien“ wird ferner von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe verzichtet darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“. Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-Kanada erweitert den Dividendenbegriff für Zwecke der deutschen Besteuerung auf Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter, Einkünfte aus einem partiarischen Darlehen oder aus Gewinnobligationen und ähnliche gewinnabhängige Entgelte sowie Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen.

331

Art. 10 Abs. 4 DBA-Kanada. Art. 10 Abs. 4 DBA-Kanada entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt, enthält aber noch den Verweis auf Art. 14 DBA-Kanada.

332

Art. 10 Abs. 5 DBA-Kanada. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Kanada entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung, enthält aber auch hier noch den für Einkünfte aus selbständiger Arbeit wesentlichen Verweis auf eine „feste Einrichtung“.

333

Art. 10 Abs. 6 DBA-Kanada. Art. 10 Abs. 6 DBA-Kanada enthält eine Regelung zur Erhebung der sog. „branch tax“, die über kein Pendant im OECD-MA verfügt.

334

Protokoll. Nr. 3 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können.

335

2. Konsequenzen Schachtelprivileg bereits ab 10 %-Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Kanada mit einer Beteiligung von 10 % an den Stimmrechten. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten größer.

336

Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Kanada verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich

337

Schönfeld

775

Art. 10 Rz. 337

Dividenden

Art. 10 Abs. 3 DBA-Kanada mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECD-MA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Kanada entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 125 ff.).1 338

Erweiterung des Dividendenbegriffs auf hybride Finanzierungsformen. Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBAKanada erweitert den Dividendenbegriff auf hybride Finanzierungsformen. Danach umfasst der Ausdruck „Dividenden“ für die Zwecke der deutschen Besteuerung auch Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter, Einkünfte aus einem partiarischen Darlehen oder aus Gewinnobligationen und ähnliche gewinnabhängige Entgelte.2 Dies hat zur Folge, dass Deutschland als Quellenstaat auf Einkünfte aus derartigen Finanzierungsformen eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben darf. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Kanada nur dann der Fall ist, wenn die Finanzierungsform zu einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 179). Selbst dann erscheint aber fraglich, ob auch das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Kanada gewährt wird, weil es an einer Beteiligung am Kapital fehlen dürfte. Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Kanada herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20083 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Kanada enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 179).

339

Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-Kanada erweitert den Dividendenbegriff ferner auf Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nicht nur deutsche Investmentvermögen erfasst, sondern auch kanadische Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich.4 § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.5

340

Branch tax. Art. 10 Abs. 6 Satz 1 DBA-Kanada erlaubt es Kanada als Quellenstaat, auch für Gewinne einer kanadischen Betriebsstätte sowie für die Veräußerung in Kanada belegenen unbeweglichen Vermögens durch ein mit dem Handel von unbeweglichem Vermögen tätiges Unternehmen neben der eigentlichen kanadischen Steuer, die auf die Einkünfte einer in Kanada ansässigen Gesellschaft entfällt, auch eine Zweigniederlassungssteuer zu erheben. Die zusätzliche Steuer darf jedoch höchstens zu dem nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-Kanada begrenzten Satz von den Einkünften erhoben werden, die dieser zusätzlichen Steuer in vorhergegangenen Steuerjahren nicht unterworfen waren. Art. 10 Abs. 6 Satz 2 DBA-Kanada definiert für Zwecke dieser Regelung, was der Ausdruck „Einkünfte“ bedeutet, nämlich (a) die Einkünfte, die auf die Veräußerung des in Kanada liegenden unbeweglichen Vermögens entfallen, soweit sie in Kanada gemäß den Bestimmungen von Art. 6 oder Art. 13 Abs. 1 DBA-Kanada besteuert werden können, und (b) die Gewinne, die den in Kanada gelegenen Betriebsstätten (einschließlich der in Art. 13 Abs. 2 DBA-Kanada bezeichneten Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen, das Betriebsvermögen dieser Betriebsstätten ist) in Übereinstimmung mit Art. 7 DBA-Kanada in einem Jahr und vorhergehenden Jahren nach Abzug nachstehender Beträge zuzurechnen sind: (aa) diesen Betriebsstätten in dem betreffenden Jahr und vorhergehenden Jahren zuzurechnende Geschäftsverluste (einschließlich der Verluste aus der Veräußerung von Vermögen, das Betriebsvermögen dieser Betriebsstätten ist); (bb) alle Steuern, die in Kanada von diesen Gewinnen erhoben werden, ausgenommen die in diesem Absatz erwähnte zusätzliche Steuer; (cc) in Kanada reinvestierte Gewinne, vorausgesetzt, dieser Abzugsbetrag wird nach den geltenden Bestimmungen des kanadischen Rechts über die Ermittlung des Abzugs bei Vermögensinvestitionen in Kanada einschließlich etwaiger späterer Änderungen dieser Bestimmungen, soweit sie deren allgemeine Grundsätze nicht berühren, berechnet, und (dd) fünfhunderttausend kanadische Dollar (500 000 $) oder ihr Gegenwert in der Währung der Bundes1 2 3 4 5

Vgl. auch W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Kanada Rz. 69a. Vgl. näher Schuch/Fürnsinn in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Österreich Rz. 11 ff. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Kanada Rz. 75. Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBAGroßbritannien Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347 (351), dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung.

776

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 346 Art. 10

republik Deutschland, vermindert um alle nach Art. 10 Abs. 6 DBA-Kanada von der Gesellschaft oder von einer mit ihr verbundenen Person im Zusammenhang mit der gleichen oder einer ähnlichen wie der von der Gesellschaft ausgeübten Tätigkeit abgezogenen Beträge.1 Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. 3 des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Kanada für Dividenden wieder aufleben, wenn diese auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen) beruhen und bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Kanada derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern.

341

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Kanada als Wohnsitzstaat. Kanada als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Kanada durch Anwendung der Anrechnungsmethode, d.h. durch Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die kanadische Steuer (direkte Anrechnung). Darüber hinaus wird nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-Kanada bei Dividenden, die von einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft an eine in Kanada ansässige Gesellschaft gezahlt werden, welcher unmittelbar oder mittelbar mindestens 10 v.H. der Stimmrechte der die Dividenden auszahlenden Gesellschaft kontrolliert, bei der Anrechnung die Steuer berücksichtigt, die die deutsche Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland auf die Gewinne schuldet, aus denen diese Dividende gezahlt wird (indirekte Anrechnung).

342

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von 343 grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Kanada durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Kanada durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft von einer in Kanada ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Kanada unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in Kanada ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten oder aus unter § 8 Abs. 2 AStG fallenden Beteiligungen bezieht. Der Verweis auf § 8 AStG dürfte wohl jedenfalls insoweit ein statischer sein, als es § 8 Abs. 2 AStG anbelangt, weil das dort geregelte Privileg für Landes- und Funktionsholdings längst aufgehoben worden ist. Anderenfalls sind Dividenden stets passiv, weil der Verweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG fehlt.2 Das Schachtelprivileg kann auch in Fällen eines Qualifikationskonfliktes versagt sein (Nr. 9 des Schlussprotokolls; vgl. näher Art. 23 DBA-Kanada, Art. 23A/B Rz. 168 ff.).

IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-Luxemburg. Art. 10 Abs. 1 DBA-Luxemburg entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.

344

Art. 10 Abs. 2 DBA-Luxemburg. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a und b DBA- Luxemburg entspricht im Wesentlichen Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Lediglich die in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA- Luxemburg geregelten Ausschlüsse von Personengesellschaften sowie Investmentgesellschaften aus dem Kreis der Nutzungsberechtigten und die in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. c DBA- Luxemburg enthaltene Quellensteuerbegrenzung auf 15 % für Ausschüttungen von Immobilieninvestmentgesellschaften verfügen über kein Pendant im OECD-MA. Zudem wird abweichend vom OECD-MA das Schachtelprivileg bereits ab einer Beteiligung am Kapital von 10 % gewährt, die auch anders als im neuen OECD-MA 2017 keine Mindesthaltedauer voraussetzt. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Luxemburg entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.

345

Art. 10 Abs. 3 DBA-Luxemburg. Art. 10 Abs. 3 DBA-Luxemburg entspricht inhaltlich im Wesentlichen 346 der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die Aufnahme von „Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Invest1 Ausführlich dazu W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Kanada Rz. 110 ff. 2 In diesem Sinne auch W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Kanada Rz. 149; vgl. auch für das DBA-Russland Wagner/Wellmann in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Russland Rz. 6 f.

Schönfeld

777

Art. 10 Rz. 346

Dividenden

mentvermögen“ verfügt über kein Pendant im OECD-MA. Die dritte Fallgruppe verzichtet schließlich darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“. 347

Art. 10 Abs. 4 DBA-Luxemburg. Art. 10 Abs. 4 DBA-Luxemburg entspricht dem in Art. 10 Abs. 4 OECDMA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.

348

Art. 10 Abs. 5 DBA-Luxemburg. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Luxemburg entspricht dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.

349

Protokoll. Das Schlussprotokoll zum DBA-Luxemburg enthält wesentliche Ergänzungen. So sieht Nr. 1 des Schlussprotokolls vor, Investmentvermögen und Investmentgesellschaften die Rechte aus Art. 10 DBA-Luxemburg wahrnehmen können. Zugleich werden die entsprechenden Begriffe definiert. Nr. 2 Abs. 1 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. Nr. 2 Abs. 2 des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff „im Falle Luxemburgs“ auf Einkünfte aus Obligationen, die neben einer festen Verzinsung auch eine Zusatzverzinsung enthalten, die sich nach der Höhe der Gewinnausschüttung richtet, und auf Einkünfte aus einer stillen Beteiligung. Nr. 3 des Schlussprotokolls bestimmt, dass die entsprechenden EU-RL (Fusionsrichtlinie, MTR und Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie ungeachtet der Art. 10, 11, 12, 13 und 22 DBA-Luxemburg anzuwenden sind. 2. Konsequenzen

350

Ausschluss von Investmentgesellschaften als Nutzungsberechtigte. Der Ausschluss von Investmentgesellschaften aus dem Kreis der Nutzungsberechtigten im Rahmen des Schachtelprivilegs hat zunächst zur Folge, dass Investmentgesellschaften die Quellensteuerherabsetzung auf 5 % grds. nicht beanspruchen können. In einem gewissen Widerspruch hierzu steht Nr. 1 Abs. 2 des Schlussprotokolls, wonach auch Investmentgesellschaften die in Art. 10 DBA-Luxemburg vorgesehenen Beschränkungen selbständig geltend machen können, wobei der Begriff der Investmentgesellschaft (a) in Deutschland die Investmentaktiengesellschaft und (b) in Luxemburg die Risikoanlagegesellschaft (société d’investissement en capital à risque [SICAR]), die Anlagegesellschaft mit variablem Kapital (société d’investissement à capital variable [SICAV]) sowie die Anlagegesellschaft mit festem Kapital (société d’investissement à capital fixe [SICAF]) bedeutet. Dieser Widerspruch besteht zumindest insoweit nicht, als Investmentgesellschaften nur vom Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Luxemburg ausgenommen sind, nicht aber von der allgemeinen Quellensteuerbegrenzung auf 15 % des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b DBA-Luxemburg. Jedenfalls letztere Abkommensvergünstigung kann damit auch eine Investmentgesellschaft beanspruchen. Zudem sieht Nr. 1 Abs. 1 des Schlussprotokolls vor, dass ein nach dem Recht eines Vertragsstaates gebildetes Investmentvermögen, das aus dem anderen Vertragsstaat stammende Dividenden bezieht, die in den Art. 10 DBA-Luxemburg vorgesehenen Beschränkungen des Besteuerungsrechts des anderen Vertragsstaats geltend machen kann, soweit die Anteile an dem Investmentvermögen von in dem erstgenannten Staat ansässigen Personen gehalten werden. Der Begriff des Investmentvermögens bedeutet nach der Legaldefinition im Protokoll (a) in Deutschland ein durch eine Kapitalanlagegesellschaft verwaltetes Sondervermögen im Sinne des InvG und (b) in Luxemburg ein Investmentfond (fonds commun de placement). Daraus sollte sich ergeben, dass dann, wenn eine Investmentgesellschaft zugleich ein Investmentvermögen im Sinne des Schlussprotokolls darstellt, und die Anteile an dem Investmentvermögen von einer „Gesellschaft“ gehalten werden, die im Staat des Investmentvermögens ansässig ist (Wohnsitzstaat), zumindest insoweit auch das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Luxemburg durch das Investmentvermögen beansprucht werden kann. Mit Anerkennung eines Anspruchs des Investmentvermögens erlischt nach dem Schlussprotokoll indes das Recht der Anteilscheininhaber an diesem Investmentvermögen, einen Anspruch auf dieselbe Vergünstigung geltend zu machen.

351

Ausschüttungen von Immobilieninvestmentgesellschaften. Nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. c DBA-Luxemburg darf die Quellensteuer ungeachtet der Bestimmungen der Buchstaben a und b 15 % des Bruttobetrags der Dividenden nicht übersteigen, wenn die ausschüttende Gesellschaft eine Immobilieninvestmentgesellschaft ist, deren Gewinne vollständig oder teilweise von der Steuer befreit sind oder die die Ausschüttungen bei der Ermittlung ihrer Gewinne abziehen kann.

352

Schachtelprivileg bereits ab 10 %-Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Luxemburg mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit

778

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 358 Art. 10

wird der Kreis der Anspruchsberechtigten zwar größer, aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden MTR dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein. Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Luxemburg verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Luxemburg mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECDMA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Luxemburg entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 125 ff.).

353

Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 3 DBA-Luxemburg enthält faktisch eine 4. Fallgruppe, indem auch Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen als Dividenden qualifizieren sollen. Was ein „Investmentvermögen“ ist, wird in Nr. 1 Abs. 1 des Schlussprotokolls definiert. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1

354

Einkünfte aus stiller Beteiligung. Nr. 2 Abs. 2 Buchst. b des Schlussprotokolls erweitert den Dividenden- 355 begriff „im Falle Luxemburgs“ auf Einkünfte aus einer Beteiligung als stiller Gesellschafter. Dies hat zur Folge, dass Luxemburg als Quellenstaat auf Einkünfte aus typisch stiller Beteiligung eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben darf. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Luxemburg nur dann der Fall ist, wenn die stille Beteiligung an einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 179). Ob dann auch die im Schachtelprivileg niedergelegte Quellensteuerbegrenzung auf null eingreift, erscheint mit Blick auf die Entscheidung des BFH v. 4.6.20082 zumindest fraglich, weil es wohl an einer Beteiligung am „Kapital“ der Gesellschaft fehlen dürfte, und zwar wohl auch dann, wenn neben der stillen Beteiligung eine Schachtelbeteiligung an der Gesellschaft besteht, wobei man dies auch durchaus anders sehen könnte. Für Luxemburg als Quellenstaat hätte diese Rspr. des BFH ohnehin keine bindende Wirkung, mglw. aber doch Bedeutung für die Auslegung (Stichwort: Entscheidungsharmonie). Deutschland als Wohnsitzstaat könnte an diese Dividendendefinition mglw. gebunden sein, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Luxemburg herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20083 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Luxemburg enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 179). Zudem soll die Erweiterung des Dividendenbegriffs ohnehin nur „im Falle Luxemburgs“ gelten (s.o.). Einkünfte aus Obligationen. Nr. 2 Abs. 2 Buchst. a des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff „im Falle Luxemburgs“ auch auf Einkünfte aus Obligationen, die neben einer festen Verzinsung auch eine Zusatzverzinsung enthalten, die sich nach der Höhe der Gewinnausschüttung richtet. Die Ausführungen in Rz. 355 gelten entsprechend.

356

Investmentvermögen als Anspruchsberechtigte. Zu der in Nr. 1 Abs. 1 des Schlussprotokolls vorgesehenen Möglichkeit, dass auch Investmentvermögen die in Art. 10 DBA-Luxemburg geregelten Abkommensvergünstigungen beanspruchen können, soweit die Anteile an dem Investmentvermögen von in demselben Staat ansässigen Personen gehalten werden, vgl. die Ausführungen in Rz. 350. Zu beachten ist, dass mit Anerkennung eines Anspruchs des Investmentvermögens das Recht der Anteilscheininhaber an diesem Investmentvermögen, einen Anspruch auf dieselbe Vergünstigung geltend zu machen, erlischt. Der Begriff des Investmentvermögens bedeutet nach der Legaldefinition im Protokoll (a) in Deutschland ein durch eine Kapitalanlagegesellschaft verwaltetes Sondervermögen im Sinne des InvG und (b) in Luxemburg ein Investmentfond (fonds commun de placement).

357

Investmentgesellschaften als Anspruchsberechtigte. Zu der in Nr. 1 Abs. 2 des Schlussprotokolls vorgesehenen (und in gewisser Weise in Widerspruch zu Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Luxemburg stehenden) Möglichkeit, dass auch Investmentgesellschaften die in Art. 10 DBA-Luxemburg vorgesehenen Beschränkungen selbständig geltend machen können, vgl. ebenfalls die Ausführungen in Rz. 350. Der Begriff der Investmentgesellschaft bedeutet (a) in Deutschland die Investmentaktiengesellschaft und (b) in Luxemburg die Risikoanlagegesellschaft (société d’investissement en capital à risque [SICAR]), die Anlage-

358

1 So zur (fast) identischen Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien z.B. Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBAGroßbritannien Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347 (351), dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung. 2 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 3 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793.

Schönfeld

779

Art. 10 Rz. 358

Dividenden

gesellschaft mit variablem Kapital (société d’investissement à capital variable [SICAV]) sowie die Anlagegesellschaft mit festem Kapital (société d’investissement à capital fixe [SICAF]). 359

Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. 2 Abs. 1 des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBALuxemburg für Dividenden (und Zinsen) wieder aufleben, wenn diese (a) auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen) beruhen und (b) bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden (oder Zinsen) abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Luxemburg derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern.

360

Vorrang der EU-Richtlinien lediglich klarstellender Natur. Der in Nr. 3 des Schlussprotokolls geregelte Vorrang der EU-RL auf dem Gebiet des Steuerrechts, der im Rahmen von Art. 10 DBA-Luxemburg insbesondere für die MTR relevant ist, dürfte lediglich deklaratorischer Natur und ohne praktische Bedeutung sein. Denn ein DBA könnte als bilateraler völkerrechtlicher Vertrag ohnehin kein sekundäres Unionsrecht außer Kraft setzen. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

361

Luxemburg als Wohnsitzstaat. Luxemburg als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 22 Abs. 2 Buchst. b DBA-Luxemburg durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus Deutschland bezogenen Einkünfte entfällt.

362

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Luxemburg durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Luxemburg durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in Luxemburg ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört, und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA-Luxemburg unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in Luxemburg ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 AStG fallenden Tätigkeiten bezieht. Das Schachtelprivileg kann nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. e DBA-Luxemburg in Fällen eines Qualifikations- bzw. Zurechnungskonfliktes versagt sein (vgl. näher Art. 22 DBA-Luxemburg 2012, Art. 23A/B Rz. 175 ff.).

X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA 363

Art. 10 Abs. 1 DBA-Niederlande. Art. 10 Abs. 1 DBA-Niederlande entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.

364

Art. 10 Abs. 2 DBA-Niederlande. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Niederlande entspricht im Wesentlichen dem Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA, wobei abweichend vom OECD-MA das Schachtelprivileg bereits ab einer Beteiligung am Kapital von 10 % gewährt wird und keine Mindesthaltedauer erforderlich ist. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. c DBA-Niederlande entspricht der in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b OECD-MA geregelten Quellensteuerbegrenzung auf 15 % in allen anderen Fällen. Ohne Pendant im OECD-MA ist demgegenüber Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b DBA-Niederlande, der eine Quellensteuerbegrenzung von 10 % für in den Niederlanden ansässige Pensionsfonds als Nutzungsberechtigte vorsieht. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Niederlande entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.

365

Art. 10 Abs. 3 DBA-Niederlande. Art. 10 Abs. 3 DBA-Niederlande entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die Aufnahme von „Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen“ verfügt über kein Pendant im OECD-MA.

366

Art. 10 Abs. 4 DBA-Niederlande. Art. 10 Abs. 4 DBA-Niederlande entspricht dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.

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Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 372 Art. 10

Art. 10 Abs. 5 DBA-Niederlande. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Niederlande entspricht dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.

367

Art. 10 Abs. 6 DBA-Niederlande. Art. 10 Abs. 6 DBA-Niederlande enthält eine Regelung zu Dividendenzahlungen im Wegzugsfall, die ohne Pendant im OECD-MA ist.

368

Protokoll. Das Schlussprotokoll zum DBA-Niederlande enthält wesentliche Ergänzungen. So enthält Nr. I Abs. 2 des Schlussprotokolls eine Regelung für den Fall, dass der Dividendenempfänger eine Person ist, die durch die Vertragsstaaten steuerlich unterschiedlich qualifiziert wird (hybride Rechtsträger). Nr. VIII des Schlussprotokolls bestimmt, was unter einem „Pensionsfonds“ zu verstehen ist und welchen Umständen dieser die Abkommensvergünstigungen aus Art. 10 DBA-Niederlande beanspruchen kann. Nr. IX des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. Nr. X des Schlussprotokolls enthält schließlich eine Zuweisung zu Art. 10 DBA-Niederlande (anstelle zu Art. 13 DBA-Niederlande 2012) für Einkünfte aus der Liquidation einer Gesellschaft sowie für Einkünfte aus dem Erwerb eigener Anteile. Nach Nr. XVAbs. 1 DBA-Niederlande soll die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG legitimiert werden.

369

2. Konsequenzen Schachtelprivileg bereits ab 10 %-Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Niederlande mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten zwar größer, aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden MTR dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein.

370

Niederländische Pensionsfonds als Nutzungsberechtigte. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b DBANiederlande enthält eine besondere Quellensteuerermäßigung auf 10 % für den Fall, dass der in den Niederlanden ansässige Nutzungsberechtigte ein „Pensionsfonds“ ist. Den Begriff definiert Nr. VIII Abs. 1 des Schlussprotokolls. Danach ist ein „Pensionsfonds“ eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung, die (a) im Wege des Kapitaldeckungsverfahrens Leistungen der betrieblichen Altersversorgung für einen oder mehrere Arbeitgeber zugunsten von Arbeitnehmern erbringt, (b) die Höhe der Leistungen oder die Höhe der für diese Leistungen zu entrichtenden künftigen Beiträge nicht für alle vorgesehenen Leistungsfälle durch versicherungsförmige Garantien zusagen darf, (c) den Arbeitnehmern einen eigenen Anspruch auf Leistung gegen den Pensionsfonds einräumt und (d) Folgendes zahlen muss: (aa) lebenslange Ruhestandsleistungen zugunsten von Arbeitnehmern oder ehemaligen Arbeitnehmern („ouderdomspensioen“), (bb) Leistungen zugunsten des Ehe-/Lebenspartners nach dem Tod des Arbeitnehmers („partnerpensioen“), (cc) Leistungen zugunsten der Kinder nach dem Tod des Arbeitnehmers („wezenpensioen“), (dd) Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit („arbeidsongeschiktheidspensioen“), (ee) Leistungen im Rahmen einer Vorruhestandsregelung („regeling voor vervroegde uittreding“ oder „prepensioenregeling“) oder (ff) vorübergehende Leistungen für Arbeitnehmer oder ehemalige Arbeitnehmer als Ersatz für eine Sozialversicherungsrente oder -leistungen bis zum Alter von 65 („overbruggingspensioen“), und (e) bei der Ausübung ihrer Tätigkeit einer aufsichtsrechtlichen Kontrolle unterliegt. Nach Nr. VIII Abs. 2 des Schlussprotokolls hat ein in den Niederlanden ansässiger Pensionsfonds nur Anspruch auf Abkommensvergünstigungen nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Niederlande, wenn zum Ende des vorhergehenden Veranlagungsjahres mehr als 75 % der Begünstigten, Gesellschafter oder Teilhaber des Pensionsfonds natürliche Personen sind, die in den Niederlanden ansässig sind oder in Deutschland ansässig sind und aufgrund von an einen in den Niederlanden ansässigen Arbeitgeber geleisteten Diensten Anspruch auf Leistungen aus dem Pensionsfonds haben. Nr. VIII Abs. 3 und 4 des Schlussprotokolls enthalten Verfahrensregeln, auf die verwiesen wird.

371

Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 3 DBA-Niederlande enthält faktisch eine 4. Fallgruppe, indem auch Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen als Dividenden qualifizieren sollen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nur deutsche Investmentvermögen erfasst, nicht aber auch niederländische Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das in-

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Schönfeld

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Art. 10 Rz. 372

Dividenden

nerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1 373

Dividendenzahlungen im Wegzugsfall. Art. 10 Abs. 6 DBA-Niederlande enthält eine Regelung für Dividendenzahlungen im Wegzugsfall. Danach können Dividenden oder Ausschüttungen auf Gewinnobligationen, die von einer nach dem Recht eines Vertragsstaats in diesem Staat ansässigen Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige natürliche Person gezahlt werden, bei der wegen Beendigung der Ansässigkeit im erstgenannten Staat der Vermögenszuwachs im Sinne von Artikel 13 Abs. 6 DBA-Niederlande besteuert wird, ungeachtet des Art. 10 Abs. 1, 2 und 5 DBA-Niederlande auch in diesem Staat nach dem Recht dieses Staates besteuert werden, jedoch nur während eines Zeitraums von zehn Jahren nach dem Wegzug der natürlichen Person, „soweit die Veranlagung des Vermögenszuwachses noch nicht abgeschlossen ist“. Angesprochen ist also der Fall, in dem eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in den anderen Vertragsstaat zieht und dabei mit einem Anteil an einer im erstgenannten Vertragsstaat (Wegzugsstaat) ansässigen Gesellschaft einer Wegzugsbesteuerung unterliegt. In diesem Fall können Dividenden und Ausschüttungen auf Gewinnobligationen im Wegzugsstaat (= Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Gesellschaft) ungeachtet der Regelungen in Art. 10 DBA-Niederlande 2012 für einen Zeitraum von 10 Jahren besteuert werden, insbesondere greift die Quellensteuerbegrenzung des Art. 10 Abs. 2 DBA-Niederlande nicht ein. Nach Benz/Kroon2 soll Art. 10 Abs. 6 DBA-Niederlande nur für Wegzüge aus den Niederlanden relevant sein, weil dort die Veranlagung für den genannten 10-Jahreszeitraum nicht abgeschlossen sei. Andererseits sehen die Autoren aber auch einen Anwendungsbereich für Wegzüge aus Deutschland, die unter § 2 AStG fallen (was bei den Niederlanden als Zuzugsstaat an der Niedrigbesteuerung scheitert). In diesem Fall stellt sich aber schon die Frage, warum nur in diesem Fall ein deutsches Interesse an einer uneingeschränkten Besteuerung der Dividenden nach Wegzug besteht. Denn Beteiligungserträge kann man nicht nur aus einer (fiktiven) Veräußerung, sondern auch aus laufenden Dividenden erzielen. So ist z.B. denkbar, dass der Wegzug mit Anteilen an einer Gesellschaft erfolgt, die über erhebliche thesaurierte Gewinne verfügt. Im Falle des Wegzuges in die Niederlande kommt es zwar zu einer Festsetzung der Steuer, diese wird aber gem. § 6 Abs. 5 AStG gestundet. Schüttet der Gesellschafter nach Wegzug die thesaurierten Gewinne aus, verfügt Deutschland nur noch über ein Besteuerungsrecht von 15 % (im Falle der Einbringung des Anteils in eine ausländische Gesellschaft ggf. sogar 0 %). Vor diesem Hintergrund kann die Regelung des Art. 10 Abs. 6 DBA-Niederlande auch aus deutscher Sicht ggf. Sinn machen, zumal im Falle eines (späteren) ausschüttungsbedingten Veräußerungsverlustes die auf die Dividenden erhobene deutsche Kapitalertragsteuer eine Berücksichtigung gem. § 6 Abs. 6 Satz 4 AStG erfährt. Die Frage ist nur, wie man die technische Formulierung „soweit die Veranlagung des Vermögenszuwachses noch nicht abgeschlossen ist“ versteht. Diese könnte aus deutscher Sicht bei einem technischen Verständnis ggf. die Anwendung von Art. 10 Abs. 6 DBA-Niederlande hindern.

374

Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. IX des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Niederlande für Dividenden (und Zinsen) wieder aufleben, wenn diese (a) auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen) beruhen und (b) bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden (oder Zinsen) abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und die Niederlande derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern.

375

Liquidationsgewinne. Nach Nr. X des Schlussprotokolls werden Einkünfte, die in Verbindung mit der (Teil-)Abwicklung einer Gesellschaft oder dem Erwerb eigener Aktien durch eine Gesellschaft erzielt werden, wie Einkünfte aus Aktien und nicht wie Veräußerungsgewinne behandelt. Damit wird für derartige Einkünfte Art. 10 DBA-Niederlande (anstelle Art. 13 DBA-Niederlande 2012) zugewiesen.

376

Missbrauchsbekämpfung. Nr. XV (zu Art. 23 DBA-Niederlande) bestimmt, dass auf Seiten der Bundesrepublik Deutschland die innerstaatlichen Rechtsvorschriften über die Verhinderung der Steuerumgehung oder Steuerhinterziehung im Wesentlichen § 42 AO, § 50d Abs. 3 EStG EStG und den vierten, fünften und siebten Teil des AStG in ihrer jeweils gültigen Fassung umfassen. Im Rahmen von Art. 10 DBA-Niederlande soll dabei insbesondere die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG legitimiert werden, was zwar einen (ggf. verfassungsrechtlich problematischen) „Treaty override“ beseitigt, nicht aber die unverändert bestehende (potentielle) EU-Rechtswidrigkeit der Vorschrift. Ein mit höherrangigem EU-Recht kollidierender Rechtszustand kann nicht dadurch geheilt werden, dass zwei Staaten diesen Zustand für sich akzeptieren wollen. 1 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBAGroßbritannien Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347 (351), dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung. 2 Benz/Kroon, IStR 2012, 799.

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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 382 Art. 10

Anderenfalls könnte die EU-rechtlichen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote durch ein bilaterales DBA einfach unterlaufen werden. Besondere Verfahrensregel für die Quellensteuerbegrenzung. Nr. XIX Abs. 1 des Protokolls (zu Art. 29 DBA-Niederlande) enthält eine besondere Verfahrensregel für die Quellensteuerbegrenzung. Danach können bei in einem Vertragsstaat niedergelassenen Investmentvermögen oder Personengesellschaften, die keine intransparenten Gesellschaften sind, die Verwalter oder geschäftsführenden Gesellschafter für die Investoren des Investmentvermögens oder die Gesellschafter der Personengesellschaft einen Anspruch bzgl. der durch das Abkommen gewährten Vergünstigungen geltend machen, soweit diese Investoren oder Gesellschafter Anspruch auf diese Vergünstigungen haben. Im Sinne dieser Bestimmung bedeuten Investmentvermögen oder Personengesellschaften Rechtsträger, die in einem oder beiden Vertragsstaaten nicht wie juristische Personen behandelt werden. Mit der Anerkennung eines Anspruchs des Verwalters oder geschäftsführenden Gesellschafters erlischt das Recht des eigentlichen Investors oder Gesellschafters, einen Anspruch auf dieselbe Vergünstigung geltend zu machen. Eine ähnliche Regelung enthält Nr. XIX Abs. 2 des Protokolls (zu Art. 29 DBA-Niederlande) sog. „Geschlossene Fonds für gemeinsame Rechnung (FGR)“. Hierbei wird auch ausdrücklich geregelt, dass die Einkünfte aus einem solchen Fonds den Fondsanlegern zuzurechnen sind. Im Übrigen ist auf Art. 29 DBA-Niederlande hinzuweisen.

377

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Niederlande als Wohnsitzstaat. Die Niederlande als Wohnsitzstaat vermeiden eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 22 Abs. 2 Buchst. c DBA-Niederlande durch Anwendung der Anrechnungsmethode (mit kompliziert formuliertem Anrechnungshöchstbetrag).

378

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Niederlande durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Niederlande durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in den Niederlanden ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört, und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA-Niederlande unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in den Niederlanden ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 AStG fallenden Tätigkeiten bezogen hat (vgl. näher Art. 22 DBA-Niederlande, Art. 23A/B Rz. 183 ff.). Das Schachtelprivileg kann auch in Fällen eines Qualifikationskonfliktes versagt sein (Art. 22 Abs. 1 Buchst. e Doppelbuchst. aa DBA-Niederlande).

379

XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-Österreich. Art. 10 Abs. 1 DBA-Österreich entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.

380

Art. 10 Abs. 2 DBA-Österreich. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 DBA-Österreich entspricht im Wesentlichen Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Lediglich wird abweichend vom OECD-MA das Schachtelprivileg bereits ab einer Beteiligung am Kapital von 10 % gewährt und keine Mindesthaltedauer erforderlich ist. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Österreich entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.

381

Art. 10 Abs. 3 DBA-Österreich. Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Österreich entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe verzichtet darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“. Art. 10 Abs. 3 Satz 2 DBA-Österreich erweitert den Dividendenbegriff auf Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter, Einkünfte aus partiarischen Darlehen, Gewinnobligationen und ähnliche Vergütungen, wenn sie nach dem Recht des Staates, aus dem sie stammen, bei der Ermittlung des Gewinns des Schuldners nicht abzugsfähig sind, sowie auf Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen.

382

Schönfeld

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Art. 10 Rz. 383

Dividenden

383

Art. 10 Abs. 4 DBA-Österreich. Art. 10 Abs. 4 DBA-Österreich entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt, enthält aber noch den Verweis auf Art. 14 DBA-Österreich.

384

Art. 10 Abs. 5 DBA-Österreich. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Österreich entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung, enthält aber auch hier noch den für Einkünfte aus selbständiger Arbeit wesentlichen Verweis auf eine „feste Einrichtung“.

385

Protokoll. Nr. 3 des Schlussprotokolls definiert, nimmt zu der Frage Stellung, wann ein stiller Gesellschafter wie ein Unternehmer behandelt wird. 2. Konsequenzen

386

Schachtelprivileg bereits ab 10 %-Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Österreich mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten zwar größer, aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden MTR dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein.

387

Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Österreich verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Österreich mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECDMA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Österreich entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 125 ff.).1

388

Erweiterung des Dividendenbegriffs auf hybride Finanzierungsformen. Art. 10 Abs. 3 Satz 2 DBA-Österreich erweitert den Dividendenbegriff auf hybride Finanzierungsformen. Danach umfasst der Ausdruck „Dividenden“ auch Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter, Einkünfte aus partiarischen Darlehen, Gewinnobligationen und ähnliche Vergütungen, wenn sie nach dem Recht des Staates, aus dem sie stammen, bei der Ermittlung des Gewinns des Schuldners nicht abzugsfähig sind.2 Dies hat zur Folge, dass sowohl Deutschland als auch Österreich als Quellenstaaten auf Einkünfte aus derartigen Finanzierungsformen eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben dürfen. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Österreich nur dann der Fall ist, wenn die Finanzierungsform zu einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 179). Selbst dann erscheint aber fraglich, ob auch das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Österreich gewährt wird, weil es an einer Beteiligung am Kapital fehlen dürfte. Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Österreich herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20083 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Österreich enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 179). Nr. 3 des Schlussprotokolls stellt im Übrigen klar, dass ein stiller Gesellschafter wie ein Unternehmer behandelt wird, wenn mit seiner Einlage eine Beteiligung am Vermögen des Unternehmens verbunden ist. In diesem Fall kommt für die Einkünfte aus der stillen Beteiligung nicht Art. 10 DBA-Österreich, sondern z.B. Art. 7 DBA-Österreich zur Anwendung. In der Sache entspricht dies auch der deutschen Sichtweise, da ein atypisch stiller Gesellschafter mitunternehmerische Einkünfte und nicht solche aus Kapitalvermögen bezieht.

389

Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 3 Satz 2 DBA-Österreich erweitert den Dividendenbegriff ferner auf Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nicht nur deutsche Investmentvermögen erfasst, sondern auch österreichische Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich.4 § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttun1 Vgl. auch Schuch/Fürnsinn in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Österreich Rz. 7. 2 Vgl. näher Schuch/Fürnsinn in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Österreich Rz. 11 ff.; Gaffron in Haase3, Art. 10 OECDMA Rz. 245. 3 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 4 Schuch/Fürnsinn in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Österreich Rz. 23 ff.

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Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 397 Art. 10

gen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Österreich als Wohnsitzstaat. Österreich als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Österreich durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. b DBA-Österreich durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Österreich ansässige Gesellschaft von einer in den Deutschland ansässigen Gesellschaft gezahlt werden und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind. Ein Mindestbeteiligungserfordernis ist nicht vorgesehen (vgl. näher Art. 23 DBA-Österreich, Art. 23A/B Rz. 190).

390

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von 391 grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Österreich durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Österreich durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in den Österreich ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört, und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind (vgl. näher Art. 23 DBA-Österreich, Art. 23A/B Rz. 191 ff.).

XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-Russland. Art. 10 Abs. 1 DBA-Russland entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.

392

Art. 10 Abs. 2 DBA-Russland. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 DBA-Russland entspricht im Wesentlichen Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Lediglich wird abweichend vom OECD-MA das Schachtelprivileg bereits ab einer Beteiligung am Kapital von 10 % gewährt und der Kapitalanteil beträgt mindestens EUR 80.000 oder den entsprechenden Betrag in Rubel. Eine Mindesthaltedauer der Beteiligung vergleichbar mit derjenigen in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA 2017 kennt das DBA-Russland nicht. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Russland entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.

393

Art. 10 Abs. 3 DBA-Russland. Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Russland entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe verzichtet darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“.

394

Art. 10 Abs. 4 DBA-Russland. Art. 10 Abs. 4 DBA-Russland entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt, enthält aber noch den Verweis auf Art. 14 DBA-Russland.

395

Art. 10 Abs. 5 DBA-Russland. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Russland entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung, enthält aber auch hier noch den für Einkünfte aus selbständiger Arbeit wesentlichen Verweis auf eine „feste Einrichtung“.

396

Protokoll. Nr. 4 des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff auf Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen und auf Seiten der Bundesrepublik Deutschland auch auf Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter. Nr. 5 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können.

397

1 Schuch/Fürnsinn in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Österreich Rz. 26 f.; zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347 (351), dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung.

Schönfeld

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Art. 10 Rz. 398

Dividenden

2. Konsequenzen 398

Schachtelprivileg bereits ab 10 %-Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Russland mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten größer.

399

Mindestkapital von EUR 80.000. Zusätzlich ist allerdings erforderlich, dass der Kapitalanteil mindestens EUR 80.000 oder den entsprechenden Wert in Rubel beträgt. Die Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. In den Verständigungsgesprächen zur Vereinbarung vom 18. Oktober 20011 ist die Frage diskutiert worden, ob das nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland erforderliche Mindestkapital nur im Zeitpunkt der Investition oder jährlich im Zeitpunkt der Ausschüttung von Dividenden erfüllt sein muss. Mit Blick auf die Zielrichtung dieser Bestimmung hat man sich bindend darauf verständigt, dass die Erfüllung der Mindestbeteiligung im Zeitpunkt der Investition ausreichend ist. Damit soll allerdings nach teilweise vertretener Auffassung im Schrifttum noch nicht die Frage beantwortet sein, ob das „Nennkapital“ oder der „gemeine Wert“ der Beteiligung maßgeblich ist.2 Wortlaut und Systematik von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a DBA-Russland sprechen dafür, dass das „Nennkapital“ gemeint ist. Denn es würde etwas merkwürdig anmuten, für das Mindestbeteiligungserfordernis von 10 % den Begriff des Kapitals als im gesellschaftsrechtlichen Sinne als Nennkapital zu verstehen (vgl. Rz. 91 ff.), dem für das Mindestkapitalanteil maßgeblichen Begriff des „Kapitalanteils“ aber nicht im gesellschaftsrechtlichen, sondern in einem verkehrswertorientierten Sinne zu verstehen. Hinzu kommt aus teleologischer Sicht, dass die Regelung auf Wunsch Russlands aufgenommen worden ist, weil die Mindestkapitalanforderungen an russische Kapitalgesellschaften nach dem russischen Gesellschaftsrecht sehr gering3 sein sollen. Insoweit erscheint die ganze Diskussion nur wenig nachvollziehbar. Allerdings muss man auch sehen, dass die Verständigungsvereinbarung eigentlich nur richtig Sinn macht, wenn man auf einen (veränderbaren) Marktwert abhebt, weil durch die Vereinbarung vermutlich ein ständiges Bewerten der Anteile verhindert werden sollte. Es wäre zumindest merkwürdig, wenn beim Abstellen auf das Nennkapital nur der Zeitpunkt der Investition maßgeblich sein soll, weil dann im Falle einer nachfolgenden Kapitalherabsetzung die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs bestehen blieben. Insoweit ist man wohl gut beraten, beide Voraussetzungen im Zeitpunkt der Investition zu erfüllen.

400

Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Russland verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Russland mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECDMA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Russland entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 125 ff.).

401

Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Nr. 4 des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff auf Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nicht nur deutsche Investmentvermögen erfasst, sondern auch russische Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.4

402

Einkünfte aus stiller Beteiligung. Nr. 4 des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff „auf Seiten der Bundesrepublik Deutschland“ ferner auf Einkünfte aus stillen Beteiligungen. Dies hat zur Folge, dass Deutschland als Quellenstaat auf Einkünfte aus typisch stiller Beteiligung eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben darf. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage 1 BStBl. I 2001, 777. 2 Zur Diskussion vgl. Wagner/Wellmann in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Russland Rz. 12; Kramer, IStR 2003, 159 (161). 3 Wagner/Wellmann in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Russland Rz. 10. 4 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBAGroßbritannien Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347(351), dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung.

786

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 408 Art. 10

von Art. 10 Abs. 2 DBA-Russland nur dann der Fall ist, wenn die stille Beteiligung an einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 179). Selbst dann erscheint aber fraglich, ob auch das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Russland gewährt wird, weil es an einer Beteiligung am Kapital fehlen dürfte. Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Russland herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20081 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Russland enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 179). 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Russland als Wohnsitzstaat. Russland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 22 Abs. 1 DBA-Russland durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Steuerbetrag, der von diesen Einkünften gemäß den Gesetzen und Vorschriften der Russischen Föderation ermittelt wird, nicht übersteigen.

403

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von 404 grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Russland durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Russland durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in Russland ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Russland unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in Russland ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten oder aus unter § 8 Abs. 2 AStG fallenden Beteiligungen bezieht. Der Verweis auf § 8 AStG dürfte wohl jedenfalls insoweit ein statischer sein, als es § 8 Abs. 2 AStG anbelangt, weil das dort geregelte Privileg für Landes- und Funktionsholdings längst aufgehoben worden ist. Anderenfalls sind Dividenden stets passiv, weil der Verweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG fehlt (vgl. näher Art. 23 DBA-Russland, Art. 23A/B Rz. 198 ff.).2 Das Schachtelprivileg kann auch in Fällen eines Qualifikationskonfliktes versagt sein (Art. 23 Abs. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa DBA-Russland).

XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-Schweiz. Art. 10 Abs. 1 DBA-Schweiz entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.

405

Art. 10 Abs. 2 DBA-Schweiz. Art. 10 Abs. 2 DBA-Schweiz weicht in wesentlichen Punkten vom OECD-MA ab. Zunächst wird das Konzept des Nutzungsberechtigten zumindest sprachlich nicht umgesetzt. Ferner enthält Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz eine Quellensteuerbegrenzung von 5 % für Grenzkraftwerke am Rhein vor. Art. 10 Abs. 2 Buchst. b DBA-Schweiz begrenzt die Quellensteuer für bestimmte (hybride) Finanzierungsformen auf 30 %. Art. 10 Abs. 2 Buchst. c DBA-Schweiz entspricht demgegenüber der allgemeinen Quellensteuerbegrenzung auf 15 % des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b OECD-MA.

406

Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz. In Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz ist ein Quellenbesteuerungsverbot für Schachteldividenden niedergelegt, welches über kein Pendant im OECD-MA verfügt. Zugleich werden Dividenden von bestimmten deutschen Investmentgesellschaften vom Schachtelprivileg ausdrücklich ausgenommen.

407

Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz. Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und der Dividendenbegriff wird abweichend vom OECD-MA auf Einnahmen aus Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter im Sinne des deutschen Rechts, aus Gewinnobligationen oder aus partiarischen Darlehen sowie der Ausschüttungen auf die Anteilscheine von Kapitalanlagegesellschaften (Investmentfonds).

408

1 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 2 Wagner/Wellmann in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Russland Rz. 6 f.

Schönfeld

787

Art. 10 Rz. 409

Dividenden

409

Art. 10 Abs. 5 DBA-Schweiz. Art. 10 Abs. 5 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.

410

Art. 10 Abs. 6 DBA-Schweiz. Auch Art. 10 Abs. 6 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.

411

Protokoll. Nr. 1 Buchst. a des Schlussprotokolls enthält eine Regelung zur verfahrensrechtlichen Umsetzung des Schachtelprivilegs. Nr. 1 Buchst. b des Schlussprotokolls stellt klar, dass auch die über eine Personengesellschaft gehaltene Beteiligung eine „unmittelbare“ Beteiligung i.S.v. Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz sein kann. Nr. 1 Buchst. c des Schlussprotokolls bestimmt, dass die Mindestbehaltedauer auch erst nach der Ausschüttung der Dividenden erfüllt sein kann. 2. Konsequenzen

412

Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz: Grenzkraftwerke. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz begrenzt das Quellenbesteuerungsrecht auf 5 % des Bruttobetrags der Dividenden, wenn diese von einer Gesellschaft gezahlt werden, die ein Kraftwerk zur Ausnutzung der Wasserkraft des Rheinstroms zwischen dem Bodensee und Basel betreibt (Grenzkraftwerk am Rhein). Die Dividenden müssen nach dem Wortlaut nicht aus Einkünften aus dem Betrieb eines Grenzkraftwerkes stammen; es genügt vielmehr, dass die die Dividenden zahlende Gesellschaft ein solches Kraftwerk betreibt. Ist die Beteiligung an einer solchen Gesellschaft im Übrigen eine Schachtelbeteiligung i.S.v. Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz, dann kann auch das weitergehende Quellenbesteuerungsverbot in Anspruch genommen werden.1

413

Art. 10 Abs. 2 Buchst. b DBA-Schweiz: hybride Finanzierungsformen. Art. 10 Abs. 2 Buchst. b DBASchweiz begrenzt das Quellenbesteuerungsrecht auf relativ hohe 30 %, wenn es sich um Einnahmen aus Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter im Sinne des deutscher Rechts, aus Genussrechten, aus Gewinnobligationen oder aus partiarischen Darlehen handelt und wenn diese Beträge bei der Gewinnermittlung des Schuldners abzugsfähig sind. Aus deutscher Sicht dürfte die Regelung gegenwärtig keine praktische Relevanz haben, da nach innerstaatlichem Recht (wenn überhaupt) eine Kapitalertragsteuer von 25 % zzgl. SolZ erhoben wird.

414

Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz: Quellenbesteuerungsverbot. Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz verbietet schließlich vollständig eine Quellenbesteuerung, wenn der Empfänger der Dividenden eine im anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft ist, die während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens 12 Monaten unmittelbar über mindestens 10 v.H. des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz für das Quellenbesteuerungsverbot mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten grundsätzlich größer. Als eines der wenigen DBA, die Deutschland abgeschlossen hat, enthielt Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz bereits vor der Änderung des Art. 10 im OECD-MA 2017 für das Eingreifen des Quellenbesteuerungsverbots die zusätzliche Voraussetzung eines Mindestbeteiligungszeitraums. Diese findet nun in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA 2017 ihre Entsprechung, auch wenn anstatt „12 Monate“ die Zeiteinheit „365 Tage“ verwendet wird. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf Nr. 1 Buchst. c des Schlussprotokolls, wonach die Voraussetzung der Mindestdauer der Beteiligung gem. Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz auch dann erfüllt ist, wenn der Beteiligungszeitraum erst nach dem Zeitpunkt der Zahlung der Dividenden vollendet wird. Zudem wird in Nr. 1 Buchst. b des Schlussprotokolls klarstellend festgehalten, dass das Halten von Anteilen an einer Gesellschaft über eine Personengesellschaft der Anwendung von Artikel 10 Abs. 3 DBA-Schweiz nicht entgegensteht. Hinzuweisen ist auch auf Art. 15 Abs. 1 ZBstA, welches ebenso wie Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz ein Quellensteuerverbot für zwischengesellschaftliche Dividenden vorsieht, allerdings von einer Mindestbehaltedauer von zwei Jahren und einem Mindestbeteiligungsumfang von 25 % abhängig macht. Deutschland hat daher auch Art. 15 Abs. 1 ZBstA nicht in innerstaatliches Recht transformiert (vgl. Rz. 20). Nach Art. 10 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz ist im Fall von Dividenden, die von einer deutschen Immobilien-AG mit börsennotierten Anteilen (REIT-AG), einem deutschen Investmentfonds oder einer deutschen Investmentaktiengesellschaft gezahlt werden, nicht Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz, sondern Art. 10 Abs. 2 Buchst. c DBA-Schweiz (15 %) anzuwenden.

415

Erweiterung des Dividendenbegriffs auf hybride Finanzierungsformen. Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz erweitert den Dividendenbegriff auf hybride Finanzierungsformen. Danach umfasst der Ausdruck „Dividenden“ auch Einnahmen aus Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter im Sinne des

1 Hamminger in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Schweiz Rz. 50.

788

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 418 Art. 10

deutschen Rechts, aus Gewinnobligationen oder aus partiarischen Darlehen.1 Dies hat zur Folge, dass sowohl Deutschland als auch die Schweiz als Quellenstaaten auf Einkünfte aus derartigen Finanzierungsformen eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben dürfen. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Schweiz nur dann der Fall ist, wenn die Finanzierungsform zu einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 179). Selbst dann erscheint aber fraglich, ob auch das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz gewährt wird, weil es an einer Beteiligung am Kapital fehlen dürfte. Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Schweiz herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20082 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 24 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweiz enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 179). Ausschüttungen auf Anteilsscheine von Kapitalanlagegesellschaften. Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz erweitert den Dividendenbegriff ferner auf Ausschüttungen Ausschüttungen auf die Anteilscheine von Kapitalanlagegesellschaften (Investmentfonds). Das Abstellen auf den Begriff „Kapitalanlagegesellschaften“ dürfte aus deutscher Sicht der Zeit des DBA geschuldet sein, bei der das KAGG noch in Kraft war. Nach § 1 Abs. 1 KAGG sind Kapitalanlagegesellschaften Kreditinstitute, deren Geschäftsbereich darauf gerichtet ist, bei ihnen eingelegtes Geld im eigenen Namen für gemeinschaftliche Rechnung der Einleger (Anteilinhaber) nach dem Grundsatz der Risikomischung in den nach diesem Gesetz zugelassenen Vermögensgegenständen gesondert vom eigenen Vermögen in Form von Geldmarkt-, Wertpapier-, Beteiligungs-, Investmentfondsanteil-, Grundstücks-, Gemischten Wertpapier- und Grundstücks- oder Altersvorsorge-Sondervermögen anzulegen und über die hieraus sich ergebenden Rechte der Anteilinhaber Urkunden (Anteilscheine) auszustellen. Heute wird man mit Blick auf das das KAGG ablösende InvG – wie in anderen neuen DBA – eher von Investmentvermögen sprechen. Für die Frage, was ein Investmentvermögen ist, sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.3

416

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Schweiz als Wohnsitzstaat. Die Schweiz als Wohnsitzstaat gewährt verschiedene Entlastungsmöglichkeiten, nämlich bestehend (a) in der Anrechnung der nach Art. 10 DBA-Schweiz in Deutschland erhobenen Steuer auf die vom Einkommen des Dividendenempfängers geschuldete schweizerische Steuer, wobei der anzurechnende Betrag jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten schweizerischen Steuer nicht übersteigen darf, der auf die Dividenden entfällt, oder (b) in einer pauschalen Ermäßigung der schweizerischen Steuer oder (c) in einer vollen oder teilweisen Befreiung der Dividenden von der schweizerischen Steuer, mindestens aber im Abzug der in Deutschland erhobenen Steuer vom Bruttobetrag der Dividenden. Die Entlastung besteht im Abzug der in Deutschland erhobenen Steuer vom Bruttoertrag der Dividenden, wenn der in der Schweiz ansässige Empfänger die in Art. 10 DBA-Schweiz vorgesehene Begrenzung der deutschen Steuer von den Dividenden nicht beanspruchen kann.

417

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von 418 grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 24 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweiz durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 24 Abs. 2 DBA-Schweiz durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft von einer in der Schweiz ansässigen Gesellschaft gezahlt werden und die deutsche Gesellschaft über mindestens 20 % des Kapitals der ausschüttenden Gesellschaft verfügt. Das Schachtelprivileg steht ferner unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in Kanada ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten oder aus unter § 8 Abs. 2 AStG fallenden Beteiligungen

1 Vgl. näher Hamminger in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Schweiz Rz. 82 ff.; Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 250. 2 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 3 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBAGroßbritannien Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347(351), dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung.

Schönfeld

789

Art. 10 Rz. 418

Dividenden

bezieht. Der Verweis auf § 8 Abs. 2 AStG ist nach der ausdrücklichen Regelung im DBA ein statischer, wobei die am 1.1.1990 geltende Fassung des AStG maßgeblich ist. Die statische Anwendung ist auch deshalb erforderlich, weil das in § 8 Abs. 2 AStG geregelte Privileg für Landes- und Funktionsholdings längst aufgehoben worden ist. Anderenfalls wären Dividenden stets passiv, weil der Verweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG fehlt (vgl. näher Art. 24 DBA-Schweiz, Art. 23A/B Rz. 205 ff.).

XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA 419

Art. 10 Abs. 1 DBA-Spanien. Art. 10 Abs. 1 DBA-Spanien entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.

420

Art. 10 Abs. 2 DBA-Spanien. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a und b DBA-Spanien 2011 entspricht im Wesentlichen Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Lediglich der in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Spanien geregelte Ausschluss von Personen- sowie REIT-Gesellschaften aus dem Kreis der Nutzungsberechtigten verfügt über kein Pendant im OECD-MA. Zudem wird abweichend vom OECD-MA das Schachtelprivileg bereits ab einer Beteiligung am Kapital von 10 % gewährt und es ist keine Mindesthaltedauer erforderlich. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.

421

Art. 10 Abs. 3 DBA-Spanien. Art. 10 Abs. 3 DBA-Spanien entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die Aufnahme von „Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen“ verfügt über kein Pendant im OECD-MA. Die dritte Fallgruppe verzichtet schließlich darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“.

422

Art. 10 Abs. 4 DBA-Spanien. Art. 10 Abs. 4 DBA-Spanien entspricht dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.

423

Art. 10 Abs. 5 DBA-Spanien. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Spanien entspricht dem in Art. 10 Abs. 5 OECDMA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.

424

Protokoll. Nr. V des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. 2. Konsequenzen

425

Ausschluss von REIT-Gesellschaften als Nutzungsberechtigte. Der Ausschluss von REIT-Gesellschaften aus dem Kreis der Nutzungsberechtigten im Rahmen des Schachtelprivilegs hat zunächst zur Folge, dass REIT-Gesellschaften die Quellensteuerherabsetzung auf 5 % grds. nicht beanspruchen können. Was unter dem Begriff der REIT-Gesellschaft zu verstehen ist, wird im DBA nicht definiert. Daher ist auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates zurückzugreifen. Für Deutschland als Anwenderstaat ergibt sich die Definition aus § 1 REITG. Danach ist eine REIT-Gesellschaften eine Aktiengesellschaften, deren Unternehmensgegenstand sich darauf beschränkt, (1.) Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte an (a) inländischem unbeweglichen Vermögen mit Ausnahme von Bestandsmietwohnimmobilien, (b) ausländischem unbeweglichen Vermögen, soweit dies im Belegenheitsstaat im Eigentum einer REIT-Körperschaft, -Personenvereinigung oder -Vermögensmasse oder einer einem REIT vergleichbaren Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse stehen darf und (c) anderen Vermögensgegenständen im Sinne des § 3 Abs. 7 REITG zu erwerben, zu halten, im Rahmen der Vermietung, der Verpachtung und des Leasings einschließlich notwendiger immobiliennaher Hilfstätigkeiten zu verwalten und zu veräußern, (2.) Anteile an Immobilienpersonengesellschaften zu erwerben, zu halten, zu verwalten und zu veräußern, (3.) Anteile an REITDienstleistungsgesellschaften zu erwerben, zu halten, zu verwalten und zu veräußern, (4.) Anteile an Auslandsobjektgesellschaften zu erwerben, zu halten, zu verwalten und zu veräußern sowie (5.) Anteile an Kapitalgesellschaften zu erwerben, zu halten, zu verwalten und zu veräußern, die persönlich haftende Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 REITG und an dieser vermögensmäßig nicht beteiligt sind.

426

Schachtelprivileg bereits ab 10 %-Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Spanien mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit wird

790

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 432 Art. 10

der Kreis der Anspruchsberechtigten zwar größer, aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden MTR dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein. Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Spanien verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Spanien mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECDMA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Spanien entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 125 ff.).

427

Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 3 DBA-Spanien enthält faktisch eine 4. Fallgruppe, indem auch Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen als Dividenden qualifizieren sollen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nur deutsche Investmentvermögen erfasst, nicht aber auch spanische Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1

428

Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. V des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Spanien für Dividenden (und Zinsen) wieder aufleben, wenn diese (a) auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen) beruhen und (b) bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden (oder Zinsen) abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Spanien derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern.

429

3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Spanien als Wohnsitzstaat. Spanien als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus Deutschland bezogenen Einkünfte entfällt.

430

Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von 431 grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 22 Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 22 Abs. 2 Buchst. b DBA-Spanien durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in Spanien ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört, und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA-Spanien unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in Spanien ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 AStG fallenden Tätigkeiten bezieht. Das Schachtelprivileg kann nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. e DBA-Spanien in Fällen eines Qualifikations- bzw. Zurechnungskonfliktes versagt sein (vgl. näher Art. 22 DBA-Spanien, Art. 23A/B Rz. 210 ff.).

XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Art. 10 DBA-USA in der Fassung des Änderungsprotokolls 2006 gehört wohl zu den komplexesten Dividendenartikeln in deutschen DBA. Aus Sicht der Praxis dürfte es sich auch um eine Kernvor1 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBAGroßbritannien Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347 (351), dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung.

Schönfeld

791

432

Art. 10 Rz. 432

Dividenden

schrift des neuen DBA-USA 2006 handeln. In weiten Teilen ist die Regelung zwar dem OECD-MA nachgebildet, bringt aber auch in wesentlichen Bereichen die Besonderheiten der US-amerikanischen Abkommenspolitik zum Ausdruck. 433

Art. 10 Abs. 1 DBA-USA. Art. 10 Abs. 1 DBA-USA entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.

434

Art. 10 Abs. 2 DBA-USA. Art. 10 Abs. 2 DBA-USA ist in seinem Aufbau der parallelen Regelung im OECD-MA weitgehend nachgebildet. Allerdings verlangt Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 DBA-USA, dass „die Dividenden von einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person als Nutzungsberechtigtem bezogen werden“, während sich das OECD-MA damit begnügt, dass „der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist“. Ferner begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a DBA mit einer Beteiligungsquote von 10 %, während das OECD-MA 25 % fordert. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA wurde nicht ins DBA-USA übernommen. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-USA entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.

435

Art. 10 Abs. 3 DBA-USA. Art. 10 Abs. 3 DBA-USA enthält ein Quellenbesteuerungsverbot bei der Beteiligung von Pensionsfonds sowie bei sonstigen qualifizierten Beteiligungen (mind. 80 %-Beteiligung; mind. 12 Monate). Die Norm ist durch ihr Zusammenwirken mit Teilen des Art. 28 DBA-USA äußerst komplex und nur schwer zu handhaben.

436

Art. 10 Abs. 4 DBA-USA. Art. 10 Abs. 4 DBA-USA enthält eine Sonderreglung für bestimmte Investmentgebilde (US-REITs, US-RICs).

437

Art. 10 Abs. 5 DBA-USA. Die Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DBA-USA entspricht weitgehend Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, wobei die vom DBA-USA vorgenommene Einbeziehung von Einkünften aus „sonstigen Rechten“ weiter als die Formulierung des OECD-MA „aus sonstigen Gesellschaftsanteilen“ ist. Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DBA-USA erweitert den Dividendenbegriff für Zwecke der deutschen Besteuerung auf Einkünfte aus einer stillen Gesellschaft, aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen sowie Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen.

438

Art. 10 Abs. 6 DBA-USA. Die Regelung in Art. 10 Abs. 6 DBA-USA ist ohne Pendant im OECD-MA und soll für eine angemessene Besteuerung hybrider Finanzierungsformen (Abzugsfähigkeit der Dividende) sorgen.

439

Art. 10 Abs. 7 DBA-USA. Der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 10 Abs. 7 DBA-USA unterscheidet sich vom OECD-MA zum einen dadurch, dass anstelle eine „Geschäftstätigkeit“ eine „gewerbliche Tätigkeit“ verlangt wird und zum anderen die Beteiligung nicht „tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehören“, sondern „Betriebsvermögen dieser Betriebsstätte“ sein muss.

440

Art. 10 Abs. 8 DBA-USA. Auch Art. 10 Abs. 8 DBA-USA entspricht im Ergebnis dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung, enthält aber u.a. einen Vorbehalt zugunsten der in Art. 10 Abs. 9 DBA-USA geregelten Branch Profits Tax.

441

Art. 10 Abs. 9 und 10 DBA-USA. Die Regelungen in Art. 10 Abs. 9 und 10 DBA-USA sind wiederum eine Besonderheit des DBA-USA und öffnen das Abkommen für die in den USA erhobene Branch Profits Tax.

442

Art. 10 Abs. 11 DBA-USA. Neu aufgenommen wurde in Art. 10 Abs. 11 DBA-USA schließlich die insbesondere für Art. 10 Abs. 3 DBA-USA wesentliche Definition des Begriffes des Pensionsfonds.

443

Protokoll. Nr. 8 des Schlussprotokolls regelt für Zwecke des Art. 10 Abs. 3 DBA-USA, dass dann, wenn Deutschland eine Regelung einführt, nach der Grundstücksgesellschaften (Real Estate Investment Companies) von der Besteuerung freigestellt sind, Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA auf Ausschüttungen einer solchen in Deutschland ansässigen Gesellschaft keine Anwendung findet. Im Fall Deutschlands soll Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA ferner auf die Person anzuwenden sein, die nach § 39 AO als Eigentümer des Vermögens des Pensionsfonds gilt, sofern die Dividenden ausschließlich zur Gewährung von Ruhegehältern durch einen solchen Fonds genutzt werden können. Nr. 9 des Schlussprotokolls regelt für Zwecke des Art. 10 Abs. 9 DBA-USA, dass das tragende Prinzip des „ausschüttungsgleichen Betrages“ nach dem Recht der Vereinigten Staaten darin besteht, den Teil der in Art. 10 Abs. 9 DBA-USA genannten Einkünfte darzustellen, der dem Betrag vergleichbar ist, der als Dividende ausgeschüttet würde, wenn eine inländische Tochtergesellschaft diese Einkünfte erzielt hätte.

792

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 447 Art. 10

2. Konsequenzen a) Art. 10 Absatz 1 DBA-USA Keine. Aufgrund fehlender Abweichungen zu Art. 10 Abs. 1 OECD-MA ergeben sich keine Konsequenzen.1

444

b) Art. 10 Absatz 2 DBA-USA Begrenztes Besteuerungsrecht des Quellenstaates. Art. 10 Abs. 2 DBA-USA räumt dem Quellenstaat ein der Höhe nach begrenztes Besteuerungsrecht ein. Die Regelung vermittelt dem Dividendenempfänger einen Rechtsanspruch gegen den Quellenstaat, die erhobene Quellensteuer auf die in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a und b bezeichneten Höchstgrenzen abzusenken („die Steuer darf … nicht übersteigen“).2 Deutschland als Quellenstaat setzt diesen Anspruch um, indem die über den jeweiligen Höchstsatz erhobene Kapitalertragsteuer auf fristgebundenen Antrag hin gem. Art. 29 Abs. 2 DBA-USA i.V.m. § 50d Abs. 1 EStG erstattet wird. Für Schachteldividenden (unmittelbare Beteiligung von 10 %) sieht § 50d Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbs. EStG die darüber hinausgehende Möglichkeit vor, von einem Kapitalertragsteuereinbehalt (ggf. auch teilweise) abzusehen. Im Gegensatz zu Deutschland erheben die USA als Quellenstaat unter den Voraussetzungen von sec. 1.441–6 Treasury Regulations von vornherein nur Quellensteuern zum maßgebenden Abkommenssatz.3 Der Anspruch auf Begrenzung der Quellensteuern ist wie im OECD-MA grds. nicht von einer angemessenen Besteuerung im Ansässigkeitsstaat abhängig. Die zum DBA 1989 hiergegen gerichtete Auffassung der USA4 hat im DBA 2006 nur im Rahmen der „triangular provision“ des Art. 28 Abs. 5 DBA-USA einen ausdrücklichen Niederschlag gefunden.

445

Anspruchsberechtigte Person. Der Anspruch steht derjenigen Person zu, die die Dividenden als Nutzungsberechtigte bezieht. Anders als im OECD-MA war der Begriff des Nutzungsberechtigten in Nr. 10 des Protokolls zum DBA 1989 legal definiert. Danach galt derjenige als Nutzungsberechtigter, dem die Einkünfte nach dem Recht des Quellenstaates steuerlich zuzurechnen sind.5 Art. XVI des Protokolls v. 1.6.2006 hat die Regelung indes aufgehoben. Dies war notwendig, weil sich nach Art. 1 Abs. 7 DBA-USA (neu angefügt durch Protokoll v. 1.6.2006) für den Bezug von Einkünften durch oder über ein steuerlich transparentes Gebilde die Qualifikation durch den Ansässigkeitsstaat des Gebildes durchsetzen soll, soweit dieser Staat nach seinem Steuerrecht die Einkünfte den hinter dem Gebilde stehenden Personen zurechnet.6 Man wird deshalb für die Bestimmung des Nutzungsberechtigten einerseits zu berücksichtigen haben, dass es dem Begriff darum geht, eine missbräuchliche Inanspruchnahme des DBA durch die Zwischenschaltung eines in einem Vertragsstaat ansässigen lediglich formal Berechtigten zu vermeiden. Dann muss aber die Ansässigkeit derjenigen Person entscheidend sein, der die Dividenden wirtschaftlich zustehen (z.B. Treugeber, Nießbraucher etc.).7 Andererseits wird man bei der Zwischenschaltung eines steuerlich transparenten Gebildes, insbes. bei Personengesellschaften, wegen Art. 1 Abs. 7 DBA zu beachten haben, dass insoweit die Qualifikation durch den Ansässigkeitsstaat des Gebildes maßgeblich sein kann.

446

Beispiel: Anteile an einer US-Corp. gehören zum Gesamthandsvermögen einer deutschen oHG, die nach US-Recht nach den check-the-box-rules auf Besteuerung als Corp. optiert hat. An der oHG sind eine in Deutschland ansässige AG und die natürliche Person D beteiligt. Wer ist „Nutzungsberechtigter“? – Aus Sicht des Quellenstaates USA handelt es sich bei der oHG eigentlich um eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-USA, weil sie nach USSteuerrecht wie eine juristische Person besteuert wird. Nach deutschem Recht ist die oHG aber nicht steuerpflichtig (und deshalb auch nicht im anderen Staat ansässig, vgl. Art. 4 Abs. 1 DBA-USA). Das deutsche Steuerrecht rechnet den Gesellschaftern der oHG die Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu. Daher gelten die Dividenden nach Art. 1 Abs. 7 DBA-USA als von den Gesellschaftern der oHG erzielt. Diese sind die Nutzungsberechtigten der Dividenden.

Limitation on Benefits. Zur Vermeidung von DBA-Missbräuchen steht dem Nutzungsberechtigten der Anspruch auf Quellensteuerherabsetzung nach Art. 10 Abs. 2 DBA-USA nur dann zu, wenn er eine „berechtigte Person“ i.S.v. Art. 28 Abs. 2 DBA-USA ist. Hierzu müssen die nachfolgenden Tests alternativ erfüllt sein:

1 Wegen der Einzelheiten vgl. ausführlich Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 56 ff.; Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 23 ff. 2 BFH v. 24.3.1992 – VIII R 51/89, BStBl. II 1992, 941. 3 Ausführlich dazu Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 56. 4 Vgl. West, TNI 1996, 987 (1004 ff.). 5 Zur Quellensteuerrichtlinie des IRS für Ausschüttungen von US-Gesellschaften vgl. Apelt, IStR 1997, 234 (235). 6 Vgl. ausführlich dazu mit Beispielen z.B. Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 31 ff.; Schönfeld, IStR 2007, 274 (278); Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 61 ff. 7 Vgl. ausführlich Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 68 ff.; Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 58 ff.

Schönfeld

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447

Art. 10 Rz. 447

Dividenden

Quellensteuer 5 %

Beteiligungsvoraussetzung

unmittelbare Beteiligung ≥ 10 %

Quellensteuer 15 %

keine

Die die Dividenden empfangende Person muss mindestens einen der nachfolgenden Tests (alternativ) erfüllen:

„Limitation on Benefits“ (Art. 28 DBA-USA)

1. publicly traded corporationtest 2. international headquarters test 3. ownership test 4. Gemeinnütziger Rechtsträger 5. Pensionsgesellschaft 6. a) indirect ownership test + b) base erosion test 7. a) derivative benefit test + b) base erosion test 8. active business test 9. „Gnadenklausel“

1. natürliche Person 2. Gebietskörperschaft 3. publicly traded corporation test 4. international headquarters test 5. ownership test 6. Gemeinnütziger Rechtsträger 7. Pensionsgesellschaft 8. a) indirect ownership test + b) base erosion test 9. a) derivative benefit test + b) base erosion test 10. active business test 11. „Gnadenklausel“

448

Verhältnis zu § 50d Abs. 3 EStG. Inwieweit neben Art. 28 DBA-USA auch § 50d Abs. 3 EStG angewendet werden kann, erscheint sehr fraglich. Bereits nach der allgemeinen Auslegungsregel „lex specialis derogat legi generali“ ist Art. 28 DBA-USA die gegenüber § 50d Abs. 3 EStG speziellere Vorschrift. Daher sollen entsprechende DBA-Vorschriften die innerstaatliche Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG verdrängen.1 Die Finanzverwaltung will dies zumindest in den Fällen bejahen, in denen „das einschlägige DBA eine abschließende Regelung enthält.“2 Wegen der extrem hohen Regelungsdichte von Art. 28 DBA-USA sollte dies zu bejahen sein.

449

Quellensteuerherabsetzung bei Schachteldividenden (Buchst. a). Die Quellensteuer ist auf 5 % des Bruttobetrages der Dividende begrenzt, wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft ist, der unmittelbar mind. 10 % der stimmberechtigten Anteile der die Dividenden zahlenden Gesellschaft gehören. Der Begriff des Bruttobetrages entspricht dem des OECD-MA.3 Der Nutzungsberechtigte muss eine im anderen Staat ansässige Gesellschaft i.S.v. Artt. 3 Abs. 1 Buchst. e, 4 Abs. 1 DBA-USA sein.

450

Besonderheiten bei transparenten Dividendenempfängern. Das kann bei einem Bezug der Dividende über eine Personengesellschaft problematisch sein, wenn der Quellenstaat die Personengesellschaft als Gesellschaft i.S.v. Art. 4 Abs. 1 DBA-USA qualifiziert, der Ansässigkeitsstaat jedoch die Steuersubjektqualität verneint. In diesem Fall ist wegen Art. 1 Abs. 7 DBA-USA und der fehlenden Ansässigkeit der Personengesellschaft (Art. 4 Abs. 1 DBA-USA erklärt das Recht des potentiellen Ansässigkeitsstaates für maßgeblich) auf die hinter der Personengesellschaft stehenden Personen abzustellen.4 Soweit es sich dabei um im anderen Staat ansässige Gesellschaften handelt und der Quellenstaat trotz der Zwischenschaltung der Personengesellschaft eine unmittelbare Beteiligung bejaht,5 kann Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA eingreifen. Wird

1 2 3 4

Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619; Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 3 EStG Anm. 32. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Rz. 10. Vgl. zum Begriff Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 67. Vgl. Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 31 ff.; Schönfeld, IStR 2007, 274 (278); Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 61 ff. 5 Im Gegensatz zur deutschen Rechtslage bejaht die US-Finanzverwaltung eine unmittelbare Beteiligung bei Zwischenschaltung einer Personengesellschaft; vgl. dazu Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 83 f.; Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 73 m.w.N.; dazu auch ein jüngstes Ruling des Internal Revenue Services v. 6.3.2005 zum DBA-USA-UK, No. 200522006; zu finden unter https://www.irs.gov/pub/irs-wd/0522006.pdf.

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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 452 Art. 10

umgekehrt die die Dividenden empfangende Person nach dem Recht des Quellenstaates, nicht aber nach dem Rechts des potentiellen Ansässigkeitsstaates als Personengesellschaft qualifiziert (sondern als selbständiges Steuersubjekt) setzt sich wegen Art. 1 Abs. 7 DBA-USA die Qualifikation des Ansässigkeitsstaates durch. Beispiel 1: Anteile an einer US-Corp. gehören zum Gesamthandsvermögen einer deutschen oHG, die nach US-Recht nach den check-the-box-rules auf Besteuerung als Corp. optiert hat. An der oHG sind eine in Deutschland ansässige AG zu 80 % und die natürliche Person D zu 20 % beteiligt. Die US-Corp. schüttet 100 an die oHG aus. In welchem Umfang wird die Dividende von einer Gesellschaft als Nutzungsberechtigte bezogen? – Die AG und die natürliche Person D sind gem. Art. 1 Abs. 7 DBA-USA die Nutzungsberechtigten. Lediglich bei der AG handelt es sich aber um eine in Deutschland ansässige Gesellschaft, weshalb nur i.H.v. 80 die Dividende durch eine Gesellschaft als Nutzungsberechtigte bezogen wird. Insoweit kommt die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA in Betracht. Beispiel 2: Anteile an einer US-Corp. werden von einer deutschen GmbH gehalten, die nach US-Recht nach den check-the-box-rules auf transparente Besteuerung optiert hat. An der GmbH sind eine in Deutschland ansässige AG zu 80 % und die natürliche Person D zu 20 % beteiligt. Die US-Corp. schüttet 100 an die GmbH aus. In welchem Umfang wird die Dividende von einer Gesellschaft als Nutzungsberechtigte bezogen? – Nach dem Steuerrecht der USA als Anwenderstaat (= Quellenstaat) schüttet die US-Corp. nur bezogen auf die an der (aus US-Sicht transparenten) GmbH beteiligte AG an eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-USA aus. Art. 1 Abs. 7 DBA-USA zwingt die USA jedoch dazu, der Qualifikation durch Deutschland als Ansässigkeitsstaat der GmbH zu folgen.1 Folglich wird i.H.v. 100 (und nicht nur i.H.v. 80) eine Dividende durch eine Gesellschaft als Nutzungsberechtigte bezogen. Insoweit kommt die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA in Betracht.

Schachtelprivileg bereits ab 10 %-Beteiligung. Abweichend vom OECD-MA verlangt Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA keine Mindestbeteiligung am Kapital i.H.v. 25 %, sondern eine solche von 10 % der stimmberechtigten Anteile der die Dividenden zahlenden Gesellschaft. Was „stimmberechtigte Anteile“ sind, bestimmt sich nach dem jeweiligen nationalen Gesellschaftsrecht. Insbesondere ist die gesellschaftsrechtliche Einräumung von Mehrstimmrechten (nicht aber die Übertragung von Stimmrechten) zu berücksichtigen, weil der Telos von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA auf die Stimmberechtigung abstellt (der korrespondierende Abs. 3 spricht jetzt ausdrücklich von „Stimmrechten“).2

451

Unmittelbarkeitserfordernis. Die Voraussetzung des „unmittelbaren“ Verfügens über die stimmberechtigten Anteile bestimmt sich gem. Art. 3 Abs. 2 DBA-USA nach dem Recht des Quellenstaates (= Anwenderstaat) und ist insbes. bei einer Beteiligung über eine Personengesellschaft von Bedeutung. Die USA als Quellenstaat beurteilen dies als unschädlich. Das kommt auch in einem Ruling des IRS v. 6.3.2005 (No. 200522006) zum DBA-USA-UK zum Ausdruck, in welchem einer britischen Mutter mit Blick auf den Telos von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA-UK die Quellensteuerermäßigung gewährt wurde, obwohl sie über eine in einem Drittstaat ansässige Tochter, die nach den check-the-box-rules auf eine nach US-Steuerrecht transparente Behandlung optierte, an einer US-Enkelin beteiligt war. Demgegenüber soll nach bisheriger deutscher Rechtsauffassung die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft eine unmittelbare Beteiligung zumindest dann verhindern, wenn sich die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft im Gesamthandsvermögen befindet. Das ist aus den in Rz. 96 genannten Gründen wenig überzeugend. Man sollte mit Blick auf den Telos von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA überlegen, ob man die vom BFH und vom IRS angestellten Überlegungen nicht auf diese Regelung übertragen kann.3 Im Übrigen ist auf Art. 1 Abs. 7 DBA-USA hinzuweisen, dessen Anwendung zu einer autonomen abkommensrechtlichen Bestimmung der Frage der unmittelbaren Beteiligung führen kann.4 Darüber hinaus dürfte ein unmittelbare Beteiligung auch dann zu bejahen sein, wenn die transparente US-Gesellschaft (z.B. eine aus deutscher steuerlicher Sicht transparente LLC) nur über einen US-Gesellschafter (z.B. US-Corp.) verfügt; denn in diesem Fall handelt es sich bei dem transparenten Gebilde aus deutscher steuerlicher Sicht lediglich um eine USBetriebsstätte des US-Gesellschafters.5

452

Beispiel 3: Wie Beispiel 1. – Aus US-Sicht liegt eigentlich schon keine mittelbare Beteiligung über eine Personengesellschaft vor, weil die oHG steuerlich als Corp. qualifiziert wird. Letztlich kann das jedoch dahinstehen, weil für USsteuerliche Zwecke selbst eine mittelbare Beteiligung über eine Personengesellschaft nicht schadet. Beispiel 4: Wie Beispiel 2. – Aus US-Sicht liegt zwar eine mittelbare Beteiligung über die transparente GmbH vor, die aber aus den dargelegten Gründen unschädlich ist. Beispiel 5: Anteile an einer AG gehören zum Gesamthandsvermögen einer US-Partnership. An der US-Partnership sind eine in den USA ansässige US-Corp. zu 80 % und die natürliche Person U zu 20 % beteiligt. Ist die US-Corp. für 1 2 3 4 5

Vgl. das Beispiel in der Denkschrift zu Art. 1 Abs. 7. Ausführlich dazu Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 85; Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 72. Vgl. Baumann, Tax Notes International 2006 (October 2), 49; Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 83 f. Vgl. Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 84. Vgl. Beispiel 6 m.w.N.; dem Vernehmen nach wird diese Auffassung auch vom BZSt geteilt.

Schönfeld

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Art. 10 Rz. 452

Dividenden

Zwecke des Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA unmittelbar an der AG beteiligt? – Nach bisheriger deutscher Rechtsauffassung soll keine unmittelbare Beteiligung i.S.v. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA gegeben sein. Ob die Anwendung von Art. 1 Abs. 7 DBA-USA daran etwas ändert, ist noch nicht abschließend geklärt, wird aber in ersten Stellungnahmen so gesehen, weil danach die Dividenden „als von einer in einem Staat ansässigen Person erzielt“ gelten. Beispiel 6: Anteile an einer AG gehören zum Gesamthandsvermögen einer US-LLC, die aus deutscher steuerlicher Sicht nach dem Rechtstypenvergleich als „Personengesellschaft“ qualifiziert. Alleinige Gesellschafterin ist eine USCorp. Ist die US-Corp. für Zwecke des Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA unmittelbar an der AG beteiligt? – Die Frage ist zu bejahen. Zwar liegt auch hier – wie im Beispiel 5 – an sich eine aus deutscher Sicht schädliche „mittelbare“ Beteiligung vor. Nach dem BMF-Schr. v. 19.3.20041 zur Behandlung der Delaware-LLC ist die US-LLC bloße Betriebsstätte des einzigen Gesellschafters (US-Corp.). Die Beteiligung über eine Betriebsstätte ist jedoch keine „mittelbare“ Beteiligung. Insoweit auch Hinweis auf Diskussion um sog. „Betriebsstättenpersonengesellschaft“.2

453

Quellensteuerherabsetzung in sonstigen Fällen (Buchst. b). Werden die Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA nicht erfüllt, liegen aber die übrigen Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 erster Halbs. DBA-USA sowie von Art. 28 DBA-USA vor, dann ist die Quellensteuer gem. Art. 10 Abs. 2 Buchst. b DBA-USA auf 15 % begrenzt. c) Art. 10 Absatz 3 DBA-USA aa) Voraussetzungen (ohne LoB-Klausel)

454

Quellenbesteuerungsverbot. Art. 10 Abs. 3 DBA-USA enthält mit dem Verbot der Quellenbesteuerung bei qualifizierten Beteiligungen von Gesellschaften (Buchst. a) oder Pensionsfonds (Buchst. b) die entscheidende Aussage des neuen Dividendenartikels.3 Das entspricht auch der jüngsten US-Abkommenspraxis im Verhältnis zu entwickelten Industrienationen.4 Systematisch steht Art. 10 Abs. 3 DBA-USA dabei unabhängig neben Art. 10 Abs. 2 DBA-USA („ungeachtet des Absatzes 2“), so dass bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 3 DBA-USA als Rückfallposition eine Quellensteuerherabsetzung auf 5 % (Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA) oder auf 15 % (Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA) bleibt.

455

Qualifizierte Beteiligungen von Gesellschaften (Buchst. a). Darüber hinaus ist für Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA erforderlich, dass die die Dividenden empfangende Gesellschaft im Zeitpunkt des Entstehens des Dividendenanspruches seit einem Zeitraum von 12 Monaten unmittelbare Anteile i.H.v. mindestens 80 % der Stimmrechte an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft hält. Im Vergleich zu Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA bringt der Wortlaut dabei klar zum Ausdruck, dass es um die gesellschaftsrechtliche Stimmberechtigung geht. Die Wahl des Beteiligungsumfanges von 80 % dürfte auf den 80-percent voting test des § 1504 (2) (A) IRC zurückzuführen sein, der Voraussetzung für ein Besteuerung als „affiliated group“ (sog. „privilege to file consolidated return“) nach US-Steuerrecht ist. Wann eine unmittelbare Beteiligung vorliegt, insbes. bei Zwischenschaltung einer Personengesellschaft, ist in Rz. 452 mit zahlreichen Beispielen erläutert. Der für die 12-Monatsfrist entscheidende Zeitpunkt des Entstehens des Dividendenanspruches ist nicht im DBA geregelt; er bestimmt sich deshalb gem. Art. 3 Abs. 2 DBA-USA grds. nach dem Gesellschaftsrecht des Anwenderstaates (= Quellenstaat). Aus deutscher Sicht entsteht der Dividendenanspruch bei einer offenen Ausschüttung mit Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses. Auf die Fälligkeit der Dividende soll es nicht ankommen.5 Mit Blick auf den Telos der Vorschrift, einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Art. 10 Abs. 3 DBA-USA durch kurzfristige Zwischenschaltung einer abkommensberechtigten Gesellschaft zu begegnen, kann man dies auch durchaus anders sehen. Nicht maßgeblich ist in jedem Fall aber die steuerliche Entstehung der Kapitalertragsteuer.6 Gleiches gilt für die Feststellung des Jahresabschlusses. Zu beachten ist auch, dass durch Satzung eine abweichende Regelung möglich ist (z.B. kein Gewinnverwendungsbeschluss erforderlich). Bei einer verdeckten Gewinnausschüttung wird kein Gewinnverwendungsbeschluss gefasst, so dass in Übertragung der Überlegungen zur offenen Gewinnausschüttung der Zeitpunkt der Entstehung des 1 BStBl. I 2004, 411, Tz. IV. 2 Vgl. BFH v. 1.10.1992 – IV R 130/90, BStBl. II 1993, 574. 3 Dazu ausführlich mit zahlreichen Fallbeispielen Dannecker/Werder, BB 2006, 1716 (1718); Mundaca/O’Connor/Eckhardt, Tax Notes International 2006 (July 3), 63 (64); Swoboda/Dorfmueller, IStR-Länderbericht, 13/06, 2 f.; Wassermeyer/Schönfeld, DB 2006, 1970 ff. 4 Vgl. Art. 10 Abs. 3 DBA USA-Australien i.d.F. des Prot. v. 27.9.2001; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-Dänemark i.d.F. des Prot. v. 2.5.2006; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-Finnland i.d.F. des Prot. v. 31.5.2006; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-Japan i.d.F. des Prot. v. 6.11.2003; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-Mexiko i.d.F. des Prot. v. 26.10.2002; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-Niederlande i.d.F. des Prot. v. 8.3.2004; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-Schweden i.d.F. des Prot. v. 30.9.2005; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-UK i.d.F. des Prot. v. 19.7.2002. 5 Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 97. 6 Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 87.

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Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 456 Art. 10

fälligen und durchsetzbaren Anspruches auf die der verdeckten Gewinnausschüttung zugrundeliegende Leistung maßgeblich sein sollte, spätestens aber der Zeitpunkt der Leistung. Aus US-Sicht ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Dividendenanspruch definitiv bestimmt wird (sog. „dividend record date“).1 Beispiel 1: Eine US-Corp. ist seit dem 1.5.2006 Alleingesellschafterin einer deutschen AG. Der Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses wird am 15.4.2007 gefasst, der über die Ergebnisverwendung am 10.5.2007. – Weil nicht der Zeitpunkt der Entstehung des mitgliedschaftlichen Gewinnanspruches (15.4.2007) maßgeblich ist, sondern der des Dividendenzahlungsanspruches (10.5.2007) ist die 12-Monatsfrist erfüllt. Beispiel 2: Wie Beispiel 1, nur ist die US-Corp. Alleingesellschafterin einer deutschen GmbH, in deren Satzung auf einen Ergebnisverwendungsbeschluss verzichtet worden ist. – Wegen des fehlenden Ergebnisverwendungsbeschlusses wird der Dividendenzahlungsanspruch mit Feststellung des Jahresabschlusses fällig (15.4.2007), weshalb die 12-Monatsfrist nicht erfüllt ist. Beispiel 3: Eine US-Corp., die seit dem 1.5.2006 Alleingesellschafterin einer deutschen AG ist, vereinbart mit der AG ein unangemessen hoch verzinstes Darlehen. Die Zinsen sind nach dem Darlehensvertrag am 1.6.2007 fällig, werden aber a) am 1.7.2007 bzw. b) am 1.4.2007 gezahlt. – In der Fallvariante a) ist die 12-Monatsfrist wegen der Fälligkeit der Zinsen (anteil. vGA) nach dem 1.5.2007 erfüllt, in der Fallvariante b) wegen der Leistung vor dem 1.5.2007 nicht.

bb) Verweis auf bestimmte Teile der „Limitation on Benefits“-Klausel Überblick. Zur Eindämmung von „Treaty-shopping“ schränkt Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA den Kreis 456 der Anspruchsberechtigten ferner durch einen Verweis auf ausgewählte Regelungen der LoB-Klausel ein.2 Wegen der komplexen und sprachlich wenig geglückten LoB-Klausel kann dies die Rechtsanwendung wesentlich erschweren. Sie wirft auch in der Sache zahlreiche Auslegungsprobleme auf. Aufgrund des Verweises müssen alternativ die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA („publiclytraded corporation-/international headquarters test“) oder von Doppelbuchst. bb („ownership test“), von Art. 28 Abs. 2 Buchst. f i.V.m. Art. 28 Abs. 4 DBA-USA („indirect ownership-/base erosion-/active businesstest“), von Art. 28 Abs. 3 DBA-USA („derivative benefit-/base erosion test“) oder die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 7 DBA-USA („Gnadenklausel“) erfüllt sein. Die Unterschiede im Überblick: Quellensteuer 5 % (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA nF)

Beteiligungsvoraussetzung

Mindestbeteiligung i.H.v. 10 %

Quellensteuer 0 % (Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA nF)

– Mindestbeteiligung i.H.v. 80 % – Beteiligung seit mind. 12 Monaten

Die die Dividenden empfangende Person muss mindestens einen der nachfolgen-den Tests (alternativ) erfüllen:

„Limitation on Benefits“ (Art. 28 DBA-USA nF)

1. publicly traded corporation test 2. international headquarters test 3. ownership test 4. Gemeinnütziger Rechtsträger 5. Pensionsgesellschaft 6. a) indirect ownership test + b) base erosion test 7. a) derivative benefit test + b) base erosion test 8. active business test 9. „Gnadenklausel“

1. publicly traded corporation test 2. international headquarters test 3. ownership test 4. a) indirect ownership test + b) base erosion test + c) active business test 5. a) derivative benefit test + b) base erosion test 6. „Gnadenklausel“

1 Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 87. 2 Dazu ausführlich mit zahlreichen Beispielen die Darstellung von Wassermeyer/Schönfeld, DB 2006, 1970 ff.

Schönfeld

797

Art. 10 Rz. 457

Dividenden

(1) Art. 28 Absatz 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA 457

„Publicly-traded corporation test“ bzw. „international headquarters test“. Die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA sind erfüllt, wenn die Hauptaktiengattung (und alle Vorzugsaktiengattungen) der nutzungsberechtigten Gesellschaft regelmäßig an einer oder mehreren anerkannten Börsen gehandelt wird, und entweder ihre Hauptaktiengattung hauptsächlich an einer in ihrem Ansässigkeitsstaat gelegenen Börse gehandelt wird („publicly-traded corporation test“)1 oder der hauptsächliche Ort der Geschäftsführung und Überwachung der Gesellschaft sich in ihrem Ansässigkeitsstaat befindet („international headquarters test“).2 Beispiel 1: D

Beispiel 2: hauptsächlicher Handel an deutscher Börse

D

börsennotierte AG

börsennotierte AG

Dividende

hauptsächlicher Ort der GF in Deutschland

Dividende

>80 %

>80 % Corp.

Corp. USA

USA

Im Beispiel 1 ist der „publicly-traded corporation test“ und im Beispiel 2 der „international headquarters test“ aus Sicht einer deutschen AG als Dividendenempfängerin i.S.v. Art. 10 Abs. 1 dargestellt. In welchem Umfang im Quellenstaat USA eine Quellensteuerherabsetzung gewährt wird, hängt von den weiteren Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Buchst. a DBA-USA ab, insbesondere vom Beteiligungsumfang.

458

Hauptsächlicher Handel der Hauptaktiengattung an anerkannter Börse. Was eine anerkannte Börse ist, definiert Art. 28 Abs. 8 Buchst. a DBA-USA. Der Ausdruck „Hauptaktiengattung“ ist in Art. 28 Abs. 8 Buchst. b DBA-USA legal definiert und bezieht sich primär auf die Stammaktien der Gesellschaft, sofern sie die Mehrheit der Stimmrechte und des Wertes der Gesellschaft darstellen.3 Wann der Handel i.S.v. Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa Großbuchst. A DBA-USA schließlich hauptsächlich an einer anerkannten Börse erfolgt, wird im DBA nicht definiert. Die Auslegung obliegt daher gem. Art. 3 Abs. 2 DBA-USA an sich dem Anwenderstaat. Aus dem systematischen Zusammenhang zum Begriff „hauptsächlich“ in Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa Großbuchst. B DBA-USA, der mit „größeren Teil (…) als in jedem anderen Staat“ legal definiert wird,4 könnte man jedoch eine abkommensrechtliche Auslegung dahingehend bejahen, dass der quantitativ überwiegende Handel im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft während des maßgeblich Besteuerungszeitraumes ausreicht. Die USA begnügen sich gleichwohl in den Technical Explanation damit, dass die jeweilige Aktiengattung in nennenswertem Umfang an mindestens 60 Tagen während eines Steuerjahres gehandelt wird und mindestens 10 % der durchschnittlich während des Steuerjahres ausgegebenen Zahl der Aktien dieser Gattung entsprechen.5 Für Deutschland als Quellenstaat könnte man eine Auslegung in Anlehnung an den Begriff „nachhaltig“ in § 15 Abs. 2 EStG in Erwägung ziehen.6

459

Hauptsächlicher Ort der Geschäftsführung und Überwachung der Gesellschaft. Der hauptsächliche Ort der Geschäftsführung und Überwachung der Gesellschaft ist gem. Art. 28 Abs. 8 Buchst. d DBA-USA im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft, wenn die Mehrzahl der „strategie-, finanz- und geschäftspolitischen Entscheidungen“ im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft getroffen werden, und wenn die Entscheidungsträger die Mehrzahl der zur Vorbereitung und Herbeiführung dieser Entscheidungen erforderlichen laufenden 1 2 3 4 5 6

Art. 28 Abs. 2 Buchst. c aa Großbuchst. A DBA-USA. Art. 28 Abs. 2 Buchst. c aa Großbuchst. B DBA-USA. Zum Ausdruck „Vorzugsaktiengattung“ vgl. Art. 28 Abs. 8 Buchst. c DBA-USA. Vgl. Art. 28 Abs. 8 Buchst. d DBA-USA. Gohr in E/J/G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 33. Gohr in E/J/G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 34.

798

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 461 Art. 10

Tätigkeiten im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft ausüben. Durch das Tätigkeitsmerkmal soll vermutlich verhindert werden, dass eine im Übrigen substanzlose Holding in den Genuss von Art. 10 Abs. 3 DBA-USA kommt, nur weil die Entscheidungsträger zum Treffen der genannten Entscheidungen vorübergehend den Ansässigkeitsstaat der Holding aufsuchen. Zu beachten ist ferner, dass die genannten Voraussetzungen nicht nur für Entscheidungen bzgl. der Gesellschaft selbst gelten, sondern auch für unmittelbare oder mittelbare Tochtergesellschaften. Befinden sich diese im Ausland und werden dort auch Entscheidungen getroffen, so ist das nicht per se schädlich. Aus der Formulierung „größeren Teil der (…) Entscheidungen (…) als in jedem anderen Staat“ lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass Entscheidungen auch im Ausland getroffen werden können, ohne dass die Abkommensvergünstigungen versagt werden, wenn nur der (quantitativ und qualitativ) überwiegende Teil der Entscheidungen im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft getroffen und die zugehörigen Tätigkeiten dort ausgeübt werden. Im Einzelfall kann das gleichwohl zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Allerdings dürfte sich diese Problematik dadurch entschärfen, dass mit der Beschränkung auf „strategie-, finanz- und geschäftspolitische Entscheidungen“ nur wesentliche Unternehmensentscheidungen mit perspektivischer Komponente und nicht die gewöhnlichen Entscheidungen des Tagesgeschäftes angesprochen sind.1 (2) Art. 28 Absatz 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA „Ownership test“. Erfüllt die die Dividenden empfangende Gesellschaft zwar nicht selbst die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA („publicly-traded corporation test“), werden aber mindestens 50 % ihrer Anteile mittelbar oder unmittelbar von fünf oder weniger Gesellschaften gehalten, die ihrerseits die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA erfüllen, dann greift über Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA („ownership test“) gleichwohl das Verbot der Quellenbesteuerung. Beispiel 1:

Beispiel 2: max. 5 börsennotierte AGn

max. 5 börsennotierte AGn

≥50 %

≥50 %

GmbH?

AG

≥80 %

≥80 %

Dividende

460

Corp.

Dividende

Corp.

In Beispiel 1 wird der Grundfall aus Sicht einer deutschen AG als Dividendenempfängerin i.S.v. Art. 10 Abs. 1 DBA-USA dargestellt. Die in Betracht kommenden Abkommensvergünstigungen hängen insbes. vom weiteren Beteiligungsumfang an der US-Corp ab. Beispiel 2 stellt die ggf. problematische Konstellation der Zwischenschaltung einer GmbH dar.

Halten von GmbH-Anteilen? Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA verlangt ausdrücklich das Halten von „Aktien“ an der die Dividenden beziehenden Gesellschaft. Zur ähnlichen Vorschrift des Art. 28 Abs. 1 Buchst. e Doppelbuchst. aa DBA-USA 1989 genügte z.B. das Halten von GmbH-Anteilen nicht.2 Für Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA wird man dies gleichwohl nicht fordern können, weil sich der Sinn der Begrenzung nicht wirklich erschließt.3 Geht Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA davon aus, dass ein Abkommensmissbrauch ausgeschlossen ist, wenn eine börsennotierte Gesellschaft an der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft qualifiziert beteiligt ist, und überträgt Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA diese Wertung auf tiefergegliederte Beteiligungsstrukturen, so macht es keinen Unterschied, ob der Nutzungsberechtigte eine AG oder eine GmbH 1 Gohr in E/J/G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 41 ff. 2 Vgl. Debatin/Endres, DBA Deutschland-USA, 1990, Art. 28 DBA-USA Rz. 12; zu Recht kritisch auch Becker in G/K/ G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 66. 3 Ebenso Gohr in E/J/G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 49; Wassermeyer/Schönfeld, DB 2006, 1970 (1972); Wolff/Eimermann, IStR 2006, 837 (840).

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461

Art. 10 Rz. 461

Dividenden

ist. Zudem spricht die englische Fassung lediglich von „shares“ und nicht von „stocks“, weshalb sich auch insoweit keine Begrenzung auf „Aktien“ ergibt. Möglicherweise hat sich die deutsche Abkommensseite daher bei der Formulierung darüber überhaupt keine Gedanken gemacht. Dafür spricht, dass die Denkschrift zu Abs. 2 lediglich von „Gesellschaften“ spricht. Auch aus US-Sicht ist die bloße Aufnahme von „shares“ nachvollziehbar, weil das US-Steuerrecht grds. nur die „Corporation“ als Körperschaft besteuert; die „Limited Liability Company (LLC)“ kann lediglich auf eine Besteuerung als Corporation optieren. Selbst wenn man aber zu dem Ergebnis gelangt, dass der Wortlaut eine Einbeziehung von GmbH-Anteilen nicht zulässt (was man bei dem den Wortlaut einer Vorschrift betonenden I. Senat des BFH nicht ausschließen kann), wird man insoweit jedenfalls eine planwidrige Regelungslücke bejahen müssen, die über eine teleologische Erweiterung auf GmbH-Anteile zu schließen ist. Jedenfalls dürfte in einem solchen Fall das von der sog. „Gnadenklausel“ des Art. 28 Abs. 7 DBA-USA eröffnete Ermessen reduziert sein. 462

Mehrstufige Beteiligungsstrukturen. Der „ownership test“ kann auch dann gelingen, wenn die Beteiligung an der die Dividenden empfangenden Gesellschaft mittelbar über eine oder mehrere andere Gesellschaften gehalten wird.1 Entscheidend ist gem. Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb letzter Halbs. DBA-USA nur, dass jeder zwischengeschaltete Beteiligte in den USA oder in Deutschland ansässig ist. Einer Ansässigkeit in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden empfangende Gesellschaft ansässig ist, bedarf es nicht. Das ergibt sich nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Es entspricht auch dem Sinn der Regelung, lediglich nicht abkommensberechtigte Personen von den Abkommensvergünstigungen auszuschließen. Dieser Zweck führt im Übrigen zu der weiteren praktisch relevanten Konsequenz, dass – wie im nachfolgenden Beispiel 2 dargestellt – diejenigen beteiligten Obergesellschaften, die die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA erfüllen müssen, ebenfalls in jedem der beiden Vertragsstaaten ansässig sein können. Die Abkommensregelung verlangt nicht, dass die Obergesellschaften einen Anspruch auf dieselben Abkommensvergünstigungen wie die die Dividenden empfangende Gesellschaft haben (was im Beispiel 2 nicht der Fall wäre, weil für hypothetische Dividenden der Corp. an die börsennotierte Corp. schon gar kein DBA greifen würde). Die Obergesellschaften müssen lediglich abstrakt einen Anspruch auf Vergünstigungen gem. Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA haben. Beispiel 1:

Beispiel 2: D

D

max. 5 börsennotierte AGn

25 %

25 %

AG

LLC Dividende

100 % D

max. 5 börsennotierte AGn

max. 5 börsennotierte AGn

>50 %

USA

USA

>80 %

Corp.

AG USA >80 %

USA

Dividende

Corp.

In Beispiel 1 wird der Fall der Zwischenschaltung von weiteren Gesellschaften mit Ansässigkeit in einem der beiden Abkommensstaaten dargestellt, im Beispiel 2 die Beteiligung von in einem der beiden Abkommensstaaten ansässigen Obergesellschaften. Die in Betracht kommenden Abkommensvergünstigungen hängen insbes. vom weiteren Beteiligungsumfang an der US-Corp ab.

1 Gohr in E/J/G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 53 f.

800

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 467 Art. 10

(3) Art. 28 Absatz 2 Buchst. f i.V.m. Absatz 4 DBA-USA Verhinderung von Durchlaufgesellschaften. Art. 28 Abs. 2 Buchst. f DBA-USA enthält eine Art. 28 Abs. 1 Buchst. e DBA 1989 in den Grundzügen vergleichbare Vorschrift, die dem Einsatz sog. „Durchlaufgesellschaften“1 begegnen soll. Durch die Zwischenschaltung einer in demselben Abkommensstaat ansässigen und von dort beherrschten Gesellschaft („indirect ownership test“) sollen sich in Drittsaaten ansässige Personen nicht dadurch Abkommensvergünstigungen erschleichen können, dass sie aus Geschäftsbeziehungen mit der zwischengeschalteten Gesellschaft mehr als 50 % deren Rohgewinnes in Drittstaaten absaugen („base erosion test“).

463

„Indirect ownership test“. Vor diesem Hintergrund fordert Art. 28 Abs. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa DBA-USA („indirect ownership test“), dass an mehr als der Hälfte der Tage des Steuerjahres mindestens 50 % jeder „Aktiengattung oder sonstigen wirtschaftlichen Eigentums“ an der die Einkünfte erzielenden Person unmittelbar oder mittelbar von Personen gehalten werden, die die die Vergünstigungen nach diesem Abkommen gem. Art. 28 Abs. 2 Buchst. a (natürliche Person), Buchst. b (Gebietskörperschaft), Buchst. c Doppelbuchst. aa („publicly-traded corporation-/international headquarters test“), Buchst. d (gemeinnütziger Rechtsträger) oder Buchst. e (Altersversorgungseinrichtung) beanspruchen können. Zu beachten ist, dass diese Personen abweichend von Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb („ownership test“; vgl. Rz. 462) in demselben Abkommensstaat wie die die Einkünfte erzielende Gesellschaft ansässig sein müssen. Gleiches gilt für den Fall, dass Beteiligungen mittelbar über eine andere Gesellschaft gehalten werden. Auch diese müssen im Vertragsstaat der die Einkünfte erzielenden Gesellschaft ansässig sein.

464

Halten von GmbH-Anteilen? Mit der Formulierung „Aktiengattungen“ ist ferner das bereits oben zu Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA diskutierte Problem angesprochen, ob auch z.B. GmbH-Anteile begünstigt sind (vgl. Rz. 460). Allerdings soll anders als im Rahmen des „ownership tests“ auch das sonstige wirtschaftliche Eigentum an der Person genügen, was den Verdacht einer planwidrigen Regelungslücke bestärkt, jedenfalls aber im Rahmen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. f DBA-USA das Halten von GmbH-Anteilen definitiv als unschädlich erscheinen lässt.

465

Abstrakte Abkommensberechtigung genügt. Eine weitere Frage ist die, ob die an der die Einkünfte erzie- 466 lenden Person beteiligte Person in den Genuss derselben (konkreten) Vergünstigung wie die erstgenannte Person kommen muss, oder ob es genügt, wenn sie abstrakt nach den genannten Vorschriften abkommensberechtigt ist. Der Wortlaut spricht nicht von „diese Vergünstigungen“, sondern nur von „die Vergünstigungen“. Dies deutet darauf hin, dass eine abstrakte Abkommensberechtigung nach den genannten Vorschriften ausreichend ist. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Telos der Norm, die sich nur allgemein gegen eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen durch Drittstaatenangehörige wenden will. Anders als im Rahmen von § 50d Abs. 3 EStG ergeben sich aus dem Wortlaut von Art. 28 Abs. 2 Buchst. f DBA-USA keine Anhaltspunkte dafür, dass nach einem fiktiven Abkommensvergünstigungsanspruch bei unmittelbarem Bezug der Einkünfte zu fragen ist. Beispiel: An der deutschen D-AG sind seit mehreren Jahren die natürlichen und in Deutschland ansässigen Personen A und B zu je 50 % beteiligt. D-AG ist eine reine Holdinggesellschaft, die u.a. auch eine 20 %ige Beteiligung an einer US-Corp. hält. Kann D-AG eine Quellensteuerherabsetzung auf 5 % gem. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a i.V.m. Art. 28 Abs. 2 Buchst. f DBA-USA verlangen? Unter den Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb DBA-USA („base erosion test“) ist diese Frage zu bejahen. An D-AG sind zu mehr als 50 % Personen beteiligt, die als natürliche und in Deutschland ansässige Personen Vergünstigungen nach dem DBA-USA beanspruchen können (Abs. 2 Buchst. a). Es ist unbeachtlich, dass A und B bei unmittelbarem Bezug der Einkünfte lediglich einen Anspruch nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. b DBA-USA (Quellensteuerherabsetzung auf 15 %) beanspruchen könnten.

„Base erosion test“. Zusätzlich müssen die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb 467 DBA-USA („base erosion test“) gegeben sein. Danach darf die die Dividenden empfangende Gesellschaft nicht mehr als 50 % ihres Rohgewinnes durch solche Zahlungen steuerlich mindern, die an nicht abkommensberechtigte Personen erfolgen. Der hinter dieser Regelung stehende Zweck besteht darin, nicht abkommensberechtigte Personen, insbesondere solche in Drittstaaten, nicht dadurch in den Genuss von Abkommensvergünstigungen kommen zu lassen, dass die von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft bezogenen Dividenden in Form z.B. von Zinsen an diese Personen weitergeleitet werden. Diese gegen „Treaty-shopping“ gerichtete Regelung schießt deutlich über das gebotene Ziel hinaus. Unter Rohgewinn soll die Gesamtleistung des Unternehmens abzüglich des Materialaufwandes zu verstehen sein. Entsprechend werden nicht nur die problematischen Zins- und Lizenzzahlungen erfasst, sondern jede Gegenleistung im Rahmen der Wertschöpfung, die nicht für den Erwerb von Material getätigt wird. Die Dividenden empfangende 1 So die Begrifflichkeit zu Art. 28 Abs. 1 Buchst. e DBA-USA 1989; vgl. nur Becker in G/K/G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 62; Debatin/Endres, DBA Deutschland-USA, 1990, Art. 28 DBA-USA Rz. 13.

Schönfeld

801

Art. 10 Rz. 467

Dividenden

Gesellschaft wird mithin dazu gezwungen, entweder andere Leistungen als Material nur noch auf dem räumlichen Beschaffungsmarkt ihres Ansässigkeitsstaates einzukaufen oder ein entsprechendes Kontroll- und Warnsystem bezogen auf die Herkunft dieser Leistungen zu installieren. Die Vertragsstaaten dürften bei der Aufnahme dieser Regelung von der ökonomischen Realität verlassen gewesen sein; dies insbesondere vor dem Hintergrund einer zunehmend globaleren, arbeitsteiligen Welt. 468

„Active business test“. Die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 4 DBA-USA („active business test“) müssen ebenfalls erfüllt sein.1 Art. 10 Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb DBA-USA formuliert etwas unklar, dass „die Gesellschaft (…) hinsichtlich der Dividenden die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 4 DBA-USA“ erfüllen muss. Denkbar wäre, dass die Dividenden selbst aus aktiven Tätigkeiten der die Dividenden zahlenden Gesellschaft gespeist werden müssen. Vernünftigerweise kann mit Gesellschaft aber wohl nur die die Dividenden empfangende Gesellschaft gemeint sein. Im Vergleich zu dem vormals geltenden „active business test“ des Art. 28 Abs. 1 Buchst. c DBA-USA 1989 sind ferner die Tatbestandsvoraussetzungen erheblich erweitert und sprachlich verkompliziert worden. Nach Art. 28 Abs. 4 Buchst. a DBA-USA muss die die Dividenden empfangende Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat „aktiv gewerblich tätig“ sein. Was darunter zu verstehen ist, wird auch vom neuen DBA nicht definiert. Fest steht nur, dass Tätigkeiten mit Kapitalanlagecharakter aufgrund ihrer ausdrücklichen Ausnahme nicht aktiv sind. Auch im Teil A Abs. 3 des Notenwechsels v. 29.8.1989 wird das Vorliegen einer aktiven gewerblichen Tätigkeit lediglich anhand von Beispielen näher erläutert. Auf diese wird man aber zur Auslegung nach wie vor zurückgreifen können. Teilweise wird auch auf § 8 Abs. 1 AStG verwiesen.2 Der von der Rechtswirklichkeit in weiten Teilen überholte Katalog des § 8 Abs. 1 AStG kann aber allenfalls ein Indiz für das Vorliegen einer aktiven gewerblichen Tätigkeit sein. Im Übrigen ist weitere Voraussetzung, dass die Dividenden im Zusammenhang mit der aktiven Tätigkeit bezogen werden oder aus Anlass dieser aktiven Tätigkeit anfallen. Aus den Beispielen im vorgenannten Notenwechsel ergibt sich, dass die Verfasser des DBA-USA 1989 primär Einkünfte aus betrieblichen Funktionen vor Augen hatten, die der gewerblichen Tätigkeit der Muttergesellschaft dienen (z.B. Vertrieb). Man sollte allerdings keine überhöhten Anforderungen an diesen Zusammenhang stellen. Das vormals nur im Notenwechsel anhand von Beispielen entwickelte Kriterium der „Erheblichkeit“ ist nunmehr in Art. 28 Abs. 4 Buchst. b DBA-USA kodifiziert. Danach soll die gewerbliche Tätigkeit der Muttergesellschaft gegenüber der gewerblichen Tätigkeit der Tochtergesellschaft erheblich sein. Das dürfte von der (im Einzelfall zweifelhaften) Vorstellung eines Subordinationsverhältnisses zwischen den betreffenden Tätigkeiten getragen sein, wonach nur eine untergeordnete Tätigkeit einer übergeordneten Tätigkeit dienen kann. Die Regelung setzt ferner implizit voraus, dass die Tochtergesellschaft selbst gewerblich tätig ist. Eine abkommensrechtliche Forderung dieser Voraussetzung sucht man indes vergeblich. Insbesondere muss die Tochtergesellschaft in Ermangelung einer entsprechenden Regelung nicht notwendiger Weise selbst eine aktive Tätigkeit ausüben. Die Voraussetzung der Erheblichkeit ändert daran nichts. Auch die zentrale Verwaltung des aus einer aktiven gewerblichen Tätigkeit der Muttergesellschaft erwirtschafteten Kapitals durch eine im anderen Vertragsstaat ansässige Tochtergesellschaft kann der aktiven Tätigkeit der Muttergesellschaft dienen (z.B. Erhaltung des Betriebskapitals3), solange nur die gewerbliche Tätigkeit der Muttergesellschaft gegenüber der Tätigkeit der Tochtergesellschaft ein wirtschaftliches Übergewicht einnimmt. Letztendlich gelten für die Feststellung, ob die die Dividenden empfangende Gesellschaft in einem Vertragsstaat aktiv gewerblich tätig ist, die Tätigkeiten verbundener Personen als Tätigkeiten dieser Gesellschaft (Art. 28 Abs. 4 Buchst. c DBA-USA). Von verbundenen Personen spricht man dann, wenn eine Person mindestens 50 % des wirtschaftlichen Eigentums an der anderen Person innehat, jedenfalls aber dann, wenn sie die andere Person tatsächlich beherrscht. Einer Muttergesellschaft werden danach die Tätigkeiten verbundener Tochtergesellschaften zugerechnet. Ob das auf solche Tochtergesellschaften beschränkt ist, die in demselben Vertragsstaat wie die Muttergesellschaft ansässig sind, lässt sich Art. 28 Abs. 4 Buchst. c DBA-USA nicht eindeutig entnehmen. Nach dem Wortlaut ist eigentlich keine Beschränkung gegeben. Die Tochtergesellschaft muss lediglich eine verbundene Person sein. Eine bestimmte Ansässigkeit wird nicht gefordert. Im Übrigen kann es keinen Unterschied machen, ob die Tochtergesellschaft im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft oder im Ausland aktiv gewerblich tätig ist. Der Grundfall des Art. 28 Abs. 2 Buchst. f i.V.m. Abs. 4 DBAUSA n.F. lässt sich vereinfacht wie folgt darstellen:

1 Ausführlich dazu Gohr in E/J/G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 157 ff. 2 Arthur Andersen, DBA Deutschland – USA, 1990, Art. 28 DBA-USA Rz. 39; kritisch Becker in G/K/G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 43. 3 Vgl. Beispiel VI des Notenwechsels v. 29.8.1989.

802

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 469 Art. 10

Beispiel:

– natürliche Personen – Gebietskörperschaft – „publicly-traded corporation test“ – gemeinnütziger Rechtsträger – Pensionsgesellschaft in Deutschland ansässige Personen

D

≥50 % AG

≥80 %

Dividenden

keine abzugsfähigen Zahlungen an nicht abkommensberechtigte Personen i.H.v. mehr als 50 % des Rohgewinns

aktive gewerbliche Tätigkeit hinsichtlich der Dividenden

Corp.

USA

Im Beispiel wird der Grundfall aus Sicht einer deutschen AG als Dividendenempfängerin i.S.v. Art. 10 Abs. 1 DBA-USA dargestellt. Die in Betracht kommenden Abkommensvergünstigungen hängen insbes. vom weiteren Beteiligungsumfang an der US-Corp ab. Bei einer Quellensteuerherabsetzung auf Null gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA muss die AG ferner den „active business test“ gem. Abs. 4 erfüllen.

(4) Art. 28 Absatz 3 DBA-USA „Derivative benefit-/base erosion-test“). Art. 28 Abs. 3 DBA-USA knüpft die Abkommensvergünstigungen an die Voraussetzung, dass mindestens 95 % der Anteile der die Dividenden empfangenden Gesellschaft (und mindestens 50 % aller Vorzugsaktiengattungen) von maximal sieben gleichberechtigten Begünstigten gehalten werden („derivative benefit test“)1 und der „base erosion test“2 erfüllt wird. Beispiel: max. 7 gleichberechtigte Begünstigte ≥95 % keine abzugsfähigen Zahlungen an nicht gleichberechtigte Begünstigte i.H.v. mehr als 50 % des Rohgewinns GmbH

Dividenden

≥80 %

Corp.

1 Art. 28 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA n.F. 2 Art. 28 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA n.F.; zum „base erosion test“ vgl. die Ausführungen zu Art. 28 Abs. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb DBA-USA n.F.

Schönfeld

803

469

Art. 10 Rz. 469

Dividenden

Im Beispiel wird der Grundfall aus Sicht einer deutschen AG als Dividendenempfängerin i.S.v. Art. 10 Abs. 1 dargestellt. Die in Betracht kommenden Abkommensvergünstigungen hängen insbes. vom weiteren Beteiligungsumfang an der US-Corp ab.

470

Halten von GmbH-Anteilen? Anders als Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA n.F. („ownership test“) spricht Art. 28 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA nicht von „Aktien“, sondern von „Anteilen“. Ungeachtet dessen, dass nach den Ausführungen in Rz. 460 auch GmbH-Anteile vom Begriff der „Aktien“ erfasst sein sollten, gilt dies vorliegend wegen der Verwendung des Begriffes „Anteile“ ausdrücklich. Der zusätzliche Verweis auf „Vorzugsaktiengattungen“ muss so verstanden werden, dass nur im Falle einer AG und nur für den Fall, dass Vorzugsaktien bestehen, mindestens 50 % dieser Aktien von gleichberechtigten Personen gehalten werden.

471

Gleichberechtigter Begünstigter. Was unter einem gleichberechtigten Begünstigten zu verstehen ist, wird in Art. 28 Abs. 8 Buchst. e DBA-USA legal definiert. Der einleitende Halbs. bestimmt dabei in einem ersten Schritt, dass als gleichberechtigte Begünstigte solche Personen gelten, die in einem Mitgliedstaat der EU, in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes oder in einem Vertragsstaat des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens1 ansässig sind. Damit können unter den weiteren Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. bb DBA-USA auch in den USA oder Deutschland ansässige Personen als gleichberechtigte Begünstigte gelten. Die übrigen Personen müssen die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa DBA-USA nachweisen.

472

Nicht in den USA oder Deutschland ansässige gleichberechtigte Begünstigte. Als gleichberechtigter Begünstigter gilt eine nicht in den USA oder Deutschland ansässige Person nur dann, wenn sie die weiteren Voraussetzungen von Doppelbuchst. aa erfüllt. Danach ist erforderlich, dass die betreffende Person aus einem DBA mit demjenigen Abkommensstaat, vom dem die Abkommensvergünstigung beansprucht wird, eine vergleichbare Vergünstigung beanspruchen kann. Für Dividenden wird dabei von Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa Großbuchst. B DBA-USA ausdrücklich gefordert, dass nur dann ein Anspruch auf eine Quellensteuerherabsetzung auf Null gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA n.F. (bzw. gem. Art. 10 Abs. 2 DBA-USA n.F. auf 5 % bzw. 15 %) besteht, wenn der nach dem anderen DBA mit dem Ansässigkeitsstaat des gleichberechtigten Begünstigten geltende Steuersatz ebenso niedrig ist. Ferner verlangt Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa Großbuchst. A DBA-USA n.F. so, dass das betreffende DBA mit dem Ansässigkeitsstaat des gleichberechtigten Begünstigten einen bezogen auf Art. 28 Abs. 2 Buchst. a, Buchst. b, Buchst. c Doppelbuchst. aa, Buchst. d oder Buchst. e DBA-USA vergleichbaren umfassenden Artikel zur Begrenzung von Abkommensvergünstigungen enthalten muss, dessen Voraussetzungen der Begünstigte erfüllt. Anderenfalls muss die Person, will sie gleichberechtigter Begünstigter sein, unmittelbar die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. a (natürliche Person), Buchst. b (Gebietskörperschaft), Buchst. c Doppelbuchst. aa („publicly-traded corporation test“), Buchst. d (gemeinnütziger Rechtsträger) oder Buchst. e (Pensionsgesellschaft) DBA-USA erfüllen. Beispiel:

börsennotierte schwedische AB ≥95 %

GmbH Dividenden

≥80 % Corp.

1 USA, Kanada und Mexiko.

804

Schönfeld

0 % Quellensteuer gem. Art. 10 Abs. 3 DBA Schweden-USA

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 474 Art. 10

Im Beispiel wird die Konstellation eines gleichberechtigten Begünstigten i.S.v. Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa für eine in Schweden ansässige AG dargestellt, die die Voraussetzungen des „publicly-traded corporation test“ des neuen Art. 17 Abs. 2 Buchst. c DBA Schweden-USA erfüllt und deren Ansässigkeitsstaat (= Schweden) mit den USA ein DBA geschlossen hat, welches in Art. 10 Abs. 3 DBA Schweden-USA ein Quellenbesteuerungsverbot enthält. In diesem Fall kommt für die GmbH eine Quellensteuerherabsetzung auf Null gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBAUSA in Betracht.

In den USA oder Deutschland ansässige gleichberechtigte Begünstigte. Eine in den USA oder Deutschland ansässige Person gilt demgegenüber bereits dann als gleichberechtigter Begünstigter i.S.v. Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. bb DBA-USA, wenn sie die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. a (natürliche Person), Buchst. b (Gebietskörperschaft), Buchst. c Doppelbuchst. aa („publicly-traded corporation-/ international headquarters test“), Buchst. d (gemeinnütziger Rechtsträger) oder Buchst. e (Altersversorgungseinrichtung) DBA-USA erfüllt. Hinzuweisen ist darauf, dass die Obergesellschaft in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen nicht in einem bestimmten Abkommensstaat ansässig sein muss; es genügt vielmehr dass sie in den USA oder in Deutschland ansässig ist.

473

Beispiel:

börsennotierte AG ≥95 %

GmbH Dividenden

≥80 % Corp.

Im Beispiel wird die Konstellation eines gleichberechtigten Begünstigten i.S.v. Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. bb DBA-USA für eine in Deutschland ansässige AG dargestellt, die die Voraussetzungen des „publicly-traded corporation test“ des Art. 28 Abs. 2 Buchst. aa DBA-USA erfüllt. In diesem Fall kommt für die GmbH eine Quellensteuerherabsetzung auf Null gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA in Betracht.

Sonderregelung für Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 DBA-USA. Art. 28 Abs. 8 Buchst. e letzter Satz DBAUSA enthält eine speziell für die Quellensteuerermäßigung nach Art. 10 Abs. 3 DBA-USA geltende Sonderregelung. Danach soll diejenige Person, die an der die Quellensteuerherabsetzung beanspruchenden Gesellschaft beteiligt ist, für Zwecke der Feststellung, ob sie ein gleichberechtigter Begünstigter ist, so behandelt werden, als halte sie dieselben Stimmanteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft wie die die Quellensteuerherabsetzung beanspruchende Gesellschaft. Die Formulierung „dieselben Stimmanteile“ deutet dabei darauf hin, dass die Regelung einen quantitativen Bezug hat. Der Sinn der Regelung dürfte darin bestehen, dem (potenziell) gleichberechtigten Begünstigten den Umfang der Beteiligung an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft mit der Folge zuzurechnen, dass bei der Prüfung der Frage, ob dem (potenziell) gleichberechtigten Begünstigten eine Quellensteuerherabsetzung auf Null nach einem DBA seines Ansässigkeitsstaates mit dem Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zusteht, nicht auf dessen tatsächliche Beteiligungsquote an der die Dividenden empfangenden Gesellschaft abzustellen ist, sondern auf die Beteiligungsquote der die Dividenden zahlenden Gesellschaft an der die Dividenden empfangenden Gesellschaft.1

1 Vgl. auch Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 92.

Schönfeld

805

474

Art. 10 Rz. 474

Dividenden

Beispiel:

börsennotierte schwedische AB

börsennotierte AG 50 %

50 %

GmbH Dividenden

0 % Quellensteuer gem. Art. 10 Abs. 3 DBA Schweden-USA

100 %

Corp.

Im Beispiel wird aufgrund der Regelung des Art. 28 Abs. 8 Buchst. e letzter Satz DBA-USA eine Beteiligung der börsennotierten schwedischen AB i.H.v. 100 % an der Corp. fingiert. Dies ist deshalb erforderlich, weil Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa Großbuchst. B DBA-USA verlangt, dass die schwedische AB nach dem DBA Schweden-USA n.F. eine Quellensteuerermäßigung auf Null erhält, diese Ermäßigung aber gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA Schweden-USA nur bei einer Beteiligung von mindestens 80 % gewährt wird, die zwischen der schwedischen AB und der GmbH nicht besteht. Bei der Bestimmung der Beteiligungsquote wird also nur auf die Beteiligung der GmbH an der Corp. abgestellt.

475

Weitere Besonderheiten in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen. Der „derivative benefit test“ verlangt anders als der „ownership test“ nach Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. b DBA-USA bei einer bloßen mittelbaren Beteiligung an der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft nicht von den zwischengeschalteten Beteiligten, in einem (oder in einem bestimmten) Vertragsstaat ansässig zu sein. Insoweit können von den gleichberechtigten Begünstigten auch Beteiligungen an der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft mittelbar über Drittstaatengesellschaften gehalten werden. Aus dem klaren Wortlaut von Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. b DBA-USA ergibt sich ferner, dass von einem in den USA oder Deutschland ansässigen gleichberechtigten Begünstigten nicht gefordert wird, in demselben Vertragsstaat wie die die Einkünfte erzielende Gesellschaft ansässig zu sein; es genügt die Ansässigkeit in einem der Vertragsstaaten. Beispiel 1:

Beispiel 2: börsennotierte schwedische AB

börsennotierte AB

100 %

100 %

NL-BV

NL-BV

≥95 %

0 % Quellensteuer gem. Art. 10 Abs. 3 DBA Schweden-USA

≥95 % Corp.

GmbH Dividenden

Dividenden ≥80 % Corp.

806

Schönfeld

≥80 % GmbH

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 477 Art. 10

Im Beispiel 1 wird die Konstellation einer in Schweden ansässigen AG als gleichberechtigte Begünstigte i.S.v. Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa DBA-USA bei Zwischenschaltung einer niederländischen BV dargestellt, und zwar für die Möglichkeit der Quellensteuerherabsetzung auf Null gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA zugunsten der GmbH.1 Im Beispiel 2 wird das Beispiel 1 insoweit abgewandelt, als eine in Deutschland ansässige AG gleichberechtigte Begünstigte i.S.v. Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. bb DBA-USA ist.

Maßgeblichkeit der Quellensteuersätze der Mutter-Tochter-Richtlinie. Schließlich ist in diesem Zusam- 476 menhang auf Art. 28 Abs. 8 Buchst. f DBA-USA hinzuweisen, der die Situation vor Augen hat, dass ein in den USA ansässiger Nutzungsberechtigter, an dem in der EU ansässige Gesellschaften beteiligt sind, u.a. Dividenden aus deutschen Quellen bezieht. Für Zwecke des Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa Großbuchst. B DBA-USA muss für die Feststellung, ob der US-Nutzungsberechtigte einen Anspruch auf Abkommensvergünstigungen nach Art. 10 hat, eigentlich auf die vergleichbaren Abkommensvergünstigungen des DBA zwischen Deutschland und dem betreffenden EU-Staat abgestellt werden (vgl. Rz. 471). Art. 28 Abs. 8 Buchst. f DBA-USA modifiziert die Regelung in Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa Großbuchst. B DBA-USA allerdings dahin, dass der US-Nutzungsberechtigte auch dann einen Anspruch auf Abkommensvergünstigungen haben soll, wenn für die Zahlungen aus deutschen Quellen zwar in dem deutschen DBA mit dem betreffenden EU-Staat ein höherer Steuersatz als in dem DBA-USA vereinbart ist, aber nach einer EG-RL ein Besteuerungsverbot existiert. Anders gewendet: Art. 28 Abs. 8 Buchst. f DBA-USA fragt danach, ob eine EU-Gesellschaft bei unmittelbarem Bezug der Dividenden aus deutschen Quellen einen Anspruch aus einer EG-RL geltend machen könnte. Ist dies der Fall, dann soll die Zwischenschaltung eines US-Nutzungsberechtigten nicht missbräuchlich sein und der Anspruch nach Art. 10 bestehen. Gegenwärtig kommt im Bereich der Dividenden als Regelung einer EG-RL die Quellensteuerherabsetzung auf Null nach der sog. MTR2 in Betracht. D.h. selbst wenn der Quellensteuersatz nach einem DBA zwischen Deutschland und dem betreffenden EU-Staat höher sein sollte als in Art. 10, soll auf das Quellenbesteuerungsverbot des Art. 5 Abs. 1 MTR (für Dividenden) abzustellen sein. Beispiel:

börsennotierte italienische SpA ≥95 % US-Corp. Dividenden

0 % Quellensteuer gem. Art. 5 Abs. 1 Mutter-Tochter-RL

≥80 % GmbH

Im Beispiel wird die Konstellation des Art. 28 Abs. 8 Buchst. f DBA-USA für die Quellensteuerherabsetzung auf Null gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA zugunsten einer US-Corp. dargestellt, deren Anteile von einer börsennotierten italienischen SpA gehalten werden. Für die vergleichbaren Abkommensvergünstigungen aus Sicht der italienischen SpA als gleichberechtigten Begünstigten kommt es dabei nicht auf das DBA-Deutschland-Italien an, sondern auf die MTR.

(5) Art. 28 Absatz 7 DBA-USA „Gnadenklausel“. Wird keiner der vorgenannten „Tests“ von der die Einkünfte erzielenden Person erfüllt, können die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die begehrte Abkommensvergünstigung gleichwohl gem. Art. 28 Abs. 7 DBA-USA gewähren. Diese sog. „Gnadenklausel“ war bereits in Art. 28 Abs. 2 DBAUSA 1989 enthalten. Allerdings enthält die neue Regelung konkretere Vorgaben, wann die Abkommensvergünstigung versagt werden soll. Entscheidend soll danach insbesondere sein, ob die Errichtung, der Erwerb oder das Bestehen der die Abkommensvergünstigungen beanspruchenden Person hauptsächlich dazu dient, 1 Die niederländische BV ist selbst nicht gleichberechtigte Begünstigte, obwohl sie in einem EG-Mitgliedstaat ansässig ist und nach Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-Niederlande i.d.F. des Protokolls v. 8.3.2004 ein Quellenbesteuerungsverbot existiert. Denn die NL-BV erfüllt weder die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. a (natürliche Person), Buchst. b (Gebietskörperschaft), Buchst. c Doppelbuchst. aa („publicly-traded corporation test“), Buchst. d (gemeinnütziger Rechtsträger) oder Buchst. e (Altersversorgungseinrichtung) DBA-USA n.F., noch die vergleichbaren Vorschriften des Art. 26 Abs. 2 DBA USA-Niederlande n.F. 2 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8.

Schönfeld

807

477

Art. 10 Rz. 477

Dividenden

die Vergünstigungen nach dem DBA in Anspruch zu nehmen. Dies geht in die Richtung der bereits an anderer Stelle geäußerten Auffassung, dass es Konstellationen geben kann, in denen das Ermessen der Behörden gebunden ist. Im Notenwechsel zum Protokoll v. 30.9.2005 des DBA Schweden-USA1 findet sich der Hinweis, dass die Behörden der Vertragsstaaten „the legal requirements for the facilitation of the free flow of capital and persons within the European Union, together with the differing internal income tax systems, tax incentive regimes, and existing tax treaty policies among member states of the European Union“ bei ihrer Entscheidung berücksichtigen werden. Es wäre zu begrüßen, wenn sich Deutschland und die USA in einem Notenwechsel auf eine ähnliche RL verständigen könnten. 478

Kosten. Für einen nach dem 4.5.2006 gestellten Antrag auf Gewährung von Abkommensvergünstigungen nach der „Gnadenklausel“ wird von US-Seite eine Gebühr von 15 000 US-$ erhoben. Die Gebühr ist unabhängig davon zu zahlen, ob es sich um eine erstmalige Entscheidung, eine Verlängerung einer bestehenden oder eine ergänzende Entscheidung handelt. Im Falle einer Rücknahme des Antrages wird die Gebühr grundsätzlich nicht erstattet.2 Aus deutscher Sicht handelt es sich bei dem Antrag nach Art. 28 Abs. 7 DBA-USA um keinen i.S.v. § 89 Abs. 2 AO, so dass eine Gebühr danach nicht erhoben werden dürfte. cc) Sonderregelung für Pensionsfonds

479

Beteiligungen von Pensionsfonds (Buchst. b). In den Genuss des Quellenbesteuerungsverbotes kommt nach Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA auch ein die Dividenden empfangender Pensionsfonds. Der Begriff Pensionsfonds wird in Art. 10 Abs. 11 legal definiert (vgl. Rz. 489). Die Dividenden dürfen allerdings weder unmittelbar noch mittelbar aus einer gewerblichen Tätigkeit des die Dividenden empfangenden Fonds stammen. d) Art. 10 Absatz 4 DBA-USA

480

Ausschüttungen von US-RICs und deutschen Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 4 DBA-USA stellt im Ergebnis sicher, dass für Ausschüttungen von US-Regulated Investment Companies (RICs) und deutschen Investmentfonds bzw. -aktiengesellschaften lediglich eine Quellensteuerherabsetzung auf 15 % beansprucht werden kann, es sei denn, die Investmentgebilde sind Pensionsfonds; dann gilt Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA (0 %). Der erhöhte Quellensteuersatz für US-RICs soll verhindern, dass deutsche Streubesitzanteile an US-Gesellschaften (für die die Quellensteuer auf 15 % begrenzt ist) in einem US-RIC zu einer Schachtelbeteiligung i.S.v. Abs. 2 Buchst. a oder Abs. 3 Buchst. a DBA-USA gebündelt werden. Eine solche Übertragung wäre nach US-Recht relativ einfach möglich und wegen der Abzugsfähigkeit der Ausschüttungen des US-RIC von der Bemessungsgrundlage der KSt. auch steuerlich ohne Nachteil.3

481

Ausschüttungen von US-REITs. Ausschüttungen von US-Real Estate Investment Trusts (REITs) können nach Art. 10 Abs. 4 DBA-USA grds. der vollen US-Quellensteuer (derzeit 30 %) unterliegen. Dadurch soll zum einen eine angemessene Besteuerung deutscher Anteilseigner sichergestellt werden, weil US-REITs wegen der Abzugsfähigkeit der Ausschüttungen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage de facto steuerfreie Einkünfte generieren. Zum anderen soll eine Transformation von Immobilieneinkünften, die in den USA einer Quellenbesteuerung i.H.v. 30 % unterliegen, in ggf. steuerfreie Dividenden verhindert werden. Eine Quellensteuerherabsetzung auf 15 % oder für Pensionsfonds unter den Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA auf 0 % ist allerdings unter folgenden engen Voraussetzungen möglich: (i) die Dividende bezieht eine natürliche Personen oder ein Pensionsfonds, die zu max. 10 % an einem US-REIT beteiligt sind; (ii) die Dividende wird von einer zu max. 5 % beteiligten natürlichen Person bzw. Gesellschaft von einem börsennotierten REIT bezogen; oder (iii) die Dividende wird von einer zu max. 10 % beteiligten natürlichen Person bzw. Gesellschaft von einem sog. „diversifizierten REIT“ bezogen. Was ein diversifizierter REIT ist, definiert Art. 10 Abs. 4 Sätze 4 bis 6 DBA-USA.

482

Ausschüttungen von deutschen REITs. Abs. 8 des Protokolles zum DBA v. 1.6.2006 enthält eine Regelung für den Fall der Einführung eines deutschen REIT. Wird der G-REIT von der Besteuerung freigestellt, dann soll das Quellenbesteuerungsverbot nicht greifen. Wenn das Protokoll allerdings zu diesem Zweck auf „Abs. 3 Buchst. b“ verweist, muss es sich dabei um einen Schreibfehler handeln; gemeint dürfte Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA gewesen sein.

1 Zu finden unter https://www.irs.gov/pub/irs-trty/swedente06.pdf. 2 Vgl. Revenue Procedure 2006-26; Wolff, IStR-Länderbericht, Heft 23/2006, 8. 3 Vgl. Technical Explanation des Treasury Departments zum Prot. zur Änderung des DBA-USA-Schweden v. 30.9.2005.

808

Schönfeld

H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 487 Art. 10

e) Art. 10 Absatz 5 DBA-USA Dividendendefinition. Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DBA-USA definiert den Begriff der Dividenden in weitestgehender Anlehnung an das OECD-MA. Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DBA-USA enhält eine Erweiterung des Dividendenbegriffs für Zwecke der deutschen Besteuerung auf Einkünfte aus einer stillen Beteiligung, aus partiarischen Darlehen oder aus Gewinnobligationen sowie Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen. Anstelle von „Genussaktien“ wird ferner von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe verzichtet darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen vielmehr „aus sonstigen Rechten stammende andere Einkünfte.

483

f) Art. 10 Absatz 6 DBA-USA Unbeschränktes Besteuerungsrecht bei abzugsfähigen Dividenden. Nach Art. 10 Abs. 6 DBA-USA behält der Quellenstaat ungeachtet der Quellensteuerbegrenzungen nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 DBAUSA (sowie des Besteuerungsverbotes für Zinsen nach Art. 11 Abs. 1 DBA-USA) das uneingeschränkte Besteuerungsrecht für gewinnabhängige Vergütungen, wenn diese bei der Ermittlung des Gewinns der zahlenden Person abzugsfähig sind. In Deutschland als Quellenstaat sind von Art. 10 Abs. 6 DBA-USA insbesondere die in Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DBA-USA genannten Einkünfte betroffen. Für die USA als Quellenstaat nennt Art. 10 Abs. 6 DBA-USA ausdrücklich Zinsen, deren Höhe sich nicht in einem Bruchteil des Kapitals bemisst und die keine Portfoliozinsen („contingent interest“) sind.

484

g) Art. 10 Absatz 7 DBA-USA Betriebsstättenvorbehalt. Art. 10 Abs. 7 DBA-USA enthält den Betriebsstättenvorbehalt in weitgehender Anlehnung an das OECD-MA. Das zentrale Tatbestandsmerkmal des Art. 10 Abs. 7 DBA-USA ist das der Betriebsvermögenszugehörigkeit. Das DBA 1954/65 enthielt das heute noch im OECD-MA verwandte Merkmal der „tatsächlichen“ Zugehörigkeit. In Nr. 3 der Verständigungsvereinbarung v. 18.10.1965 wurde dieses Merkmal unter Bezugnahme auf die Kriterien des US-Steuerrechts („effective connection“) erläutert. Das DBA 1989 hat den Begriff allerdings nicht übernommen. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Bindung an die vormalige Definition nicht besteht, vielmehr die Bestimmung des – im DBA nicht definierten – Begriffes der Betriebsvermögenszugehörigkeit dem jeweiligen Anwenderstaat obliegt.1 Art. 10 Abs. 7 DBA-USA stellt dabei – in Abweichung zum OECD-MA („Geschäftstätigkeit“) – klar, dass die Tätigkeit eine gewerbliche sein muss. Nach dem Verständnis des BFH dürfte das aber eine bloße Selbstverständlichkeit sein, da rein vermögensverwaltende Tätigkeiten keine „Betriebsstätte“ begründen. Aus US-Sicht gelten für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern ähnliche, mitunter sogar strengere Regeln. Ausgangspunkt ist die Frage, ob es sich um „effectively connected income“ i.S.v. secs. 864 (c), 871 (a), 881 (a) IRC handelt. Eine ausführliche Erläuterung findet sich in § 1.864–4 Treasury Regulations. Danach müssen die Voraussetzungen des sog. „asset use test“ erfüllt sein, was aber bei einer Beteiligung an einer inl. oder ausl. Kapitalgesellschaft grds. verneint wird.2

485

h) Art. 10 Absatz 8 DBA-USA Verbot extraterritorialer Besteuerung. Art. 10 Abs. 8 enthält in Anlehnung an das OECD-MA das Verbot der sog. „extraterritorialen Besteuerung“. Dieses Verbot war im DBA 1989 noch nicht enthalten und ist – dem OECD-MA entsprechend – erst durch das Protokoll v. 1.6.2006 aufgenommen worden. Es richtet sich primär gegen bestimmte Besteuerungspraktiken der USA.3

486

i) Art. 10 Absatz 9 DBA-USA Branch Profits Tax. Verfügt eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft über eine im anderen Vertragsstaat belegene Betriebsstätte (Art. 10 Abs. 9 Buchst. a DBA-USA) oder ist die Gesellschaft im anderen Staat mit Einkünften i.S.v. Art. 6 oder Art. 13 Abs. 1 DBA-USA auf Nettobasis (und nicht auf Bruttobasis durch Erhebung einer Abzugssteuer) steuerpflichtig (Art. 10 Abs. 9 Buchst. b DBA-USA), so gewährt Art. 10 1 So Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 177. 2 § 1.864–4 (c) (2) (iii) (a) Treasury Regulations: „Except as provided in paragraph (c)(2)(iii)(b) of this section [Stock held by foreign insurance companies – bisher nicht geregelt], stock of a corporation (whether domestic or foreign) shall not be treated as an asset used in, or held for use in, the conduct of a trade or business in the United States.“ 3 Vgl. dazu ausführlich Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 186 ff., der auch darauf hinweist, dass diese Besteuerungspraktiken bereits unter dem DBA 1989 vom Anwendungsbereich des DBA ausgenommen waren.

Schönfeld

809

487

Art. 10 Rz. 487

Dividenden

Abs. 9 DBA-USA das Recht, neben einer nach anderen Bestimmungen des DBA möglichen Quellensteuer eine weitere Steuer zu erheben. Obwohl das Recht beiden Vertragsstaaten zusteht, beschränkt sich die Bedeutung von Art. 10 Abs. 9 DBA-USA auf die Möglichkeit der Erhebung der sog. „Branch-Profits-Tax“ (BPT) durch die USA.1 Mit der BPT sollen bestimmte aus US-Quellen stammende Einkünfte so behandelt werden, als würde die ausländische Gesellschaft diese Einkünfte als Dividenden einer in den USA ansässigen Tochtergesellschaft beziehen. Damit stellen die USA zum einen sicher, dass die einer Betriebsstätte zurechenbaren gewerblichen Gewinne aus US-Quellen zunächst auf Nettobasis besteuert und sodann einer Quellensteuer von 30 % unterworfen werden können. Zum anderen können die aus US-Quellen stammenden Einkünfte i.S.v. Art. 6 DBA-USA (unbewegliches Vermögen) und Art. 13 Abs. 1 DBA-USA (Veräußerungsgewinne) zunächst auf Nettobasis besteuert werden, um die „ausschüttungsgleichen Beträge“ sodann der Quellensteuer von 30 % zu unterwerfen. Wann gewerbliche Gewinne einer Betriebsstätte zuzurechnen sind, regelt sec. 884 (d) IRC i.V.m. § 1.864–4 Treasury Regulations („effectively connected earnings and profits“). Für Beteiligungen an anderen (Kapital-)Gesellschaften verneint das US-Steuerrecht grds. eine Zuordnung zu einer Betriebsstätte, weshalb schon von daher keine Doppelbelastung mit US-Einkommensteuer und BPT droht. Im Übrigen würde eine solche Doppelbelastung auch dem Gedanken der Gleichbehandlung von Betriebsstätte und Tochterkapitalgesellschaft widersprechen, weil letztere in den Genuss der „dividends received deductions“ kommen würde (secs. 243 et seq. IRC). Was für Zwecke des Art. 10 Abs. 9 Buchst. b DBA-USA unter „ausschüttungsgleichen Beträgen“ zu verstehen ist, regelt sec. 884 (b) IRC. Ausgangspunkt ist ein auf die betreffenden Wirtschaftsgüter der ausländischen Gesellschaft bezogener Betriebsvermögensvergleich vermindert bzw. erhöht um bestimmte Korrekturbeträge. j) Art. 10 Absatz 10 DBA-USA 488

Begrenzung des Besteuerungsrechtes für Branch Profits Tax. Der dem Art. 10 Abs. 9 DBA-USA zugrundeliegende Gedanke der Gleichbehandlung von unselbständiger Zweigniederlassung und Tochterkapitalgesellschaft wird dadurch ergänzt, dass Art. 10 Abs. 10 DBA-USA das Besteuerungsrecht des Quellenstaates der Höhe nach beschränkt. Den Grundsatz formuliert dabei Art. 10 Abs. 10 Satz 1 DBA-USA mit der Aussage, dass die BPT den in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA genannten Steuersatz (5 %) nicht übersteigen darf. Es handelt sich nach dem Wortlaut um einen bloßen Rechtsfolgenverweis, weshalb es auf die in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA genannten weiteren Beteiligungsvoraussetzungen nicht ankommt. Nach Art. 10 Abs. 10 Satz 2 DBA-USA gilt ein Erhebungsverbot, sofern die im anderen Staat ansässige Gesellschaft (bei BPT eine in Deutschland ansässige Gesellschaft) bestimmte Tatbestände des Art. 28 DBA-USA erfüllt. Auch hier greift der Gedanke der Gleichbehandlung von unselbständiger Zweigniederlassung und Tochterkapitalgesellschaft insoweit Platz, als im Ergebnis die (Mutter-)Gesellschaft unter den Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA (bezogen auf den Verweis auf Teile des Art. 28 DBA-USA) eine Quellensteuerherabsetzung auf Null beanspruchen könnte. k) Art. 10 Absatz 11 DBA-USA

489

Definition des Begriffes „Pensionsfonds“. Art. 10 Abs. 11 DBA-USA definiert für Zwecke des Quellenbesteuerungsverbotes nach Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA den Begriff des „Pensionsfonds“. Zunächst muss es sich um eine Person handeln, die nach dem Recht eines Vertragsstaates errichtet wurde. Die Errichtung und Unterhaltung muss ferner vorwiegend zu dem Zweck erfolgen, Ruhegehälter oder ähnliche Vergütungen, einschließlich Sozialversicherungsleistungen, Invaliditätsrenten und Witwenrente, zu verwalten oder zu gewähren oder zugunsten einer oder mehrerer dieser Personen Einkünfte zu erzielen. Ein in den USA ansässiger Pensionsfonds muss schließlich für die vorgenannten Tätigkeiten dort von der Steuer befreit sein, ein in Deutschland ansässiger Pensionsfonds für geleistete Beiträge die Vergünstigungen nach dem EStG (z.B. § 4e EStG) beanspruchen können. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung

490

USA als Wohnsitzstaat. Die USA als Wohnsitzstaat vermeiden eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-USA durch Anwendung der Anrechnungsmethode, d.h. durch Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die amerikanischen Steuer (direkte Anrechnung). Darüber hinaus wird nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-USA bei Dividenden, die von einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft an eine in den USA ansässige Gesellschaft gezahlt werden, welcher mindestens 10 v.H. der stimmberechtigten Anteile der die Dividenden auszahlenden Gesellschaft gehören, in die Anrechnung (neben den nach Buchst. a anrechnungsfähigen deutschen Quellensteuern) auch die 1 Ausführlich zur BPT vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA Rz. 202 ff.

810

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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten

Rz. 491 Art. 10

deutsche Steuer einbezogen, die die Gesellschaft von den Gewinnen zu entrichten hat, aus denen die Dividenden gezahlt werden (indirekte Anrechnung). Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 3 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBAUSA durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft von einer in den USA ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren stimmberechtigte Anteile zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehören, und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind. Das Schachtelprivileg kann nach Art. 23 Abs. 4 Buchst. b DBA-Großbritannien in Fällen eines Qualifikations- bzw. Zurechnungskonfliktes versagt sein (vgl. näher Art. 23 DBA-USA, Art. 23A/B Rz. 218 ff.).

Schönfeld

811

491

Artikel 11 Zinsen (1) Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, können im anderen Staat besteuert werden. (2)1 1Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen, können jedoch auch in diesem Vertragsstaat nach dem Recht dieses Staats besteuert werden; die Steuer darf aber, wenn der Nutzungsberechtigte der Zinsen eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist, 10 v.H. des Bruttobetrags der Zinsen nicht übersteigen. 2Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten regeln in gegenseitigem Einvernehmen, wie diese Begrenzungsbestimmung durchzuführen ist. (3) 1Der in diesem Artikel verwendete Ausdruck „Zinsen“ bedeutet Einkünfte aus Forderungen jeder Art, auch wenn die Forderungen durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners ausgestattet sind, und insbesondere Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und aus Obligationen einschließlich der damit verbundenen Aufgelder und der Gewinne aus Losanleihen. 2Zuschläge für verspätete Zahlung gelten nicht als Zinsen im Sinne dieses Artikels. (4) Die Absätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat, aus dem die Zinsen stammen, eine Geschäftstätigkeit durch eine dort gelegene Betriebstätte ausübt und die Forderung, für die die Zinsen gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebstätte gehört. In diesem Fall ist Artikel 7 anzuwenden. (5) 1Zinsen gelten dann als aus einem Vertragsstaat stammend, wenn der Schuldner eine in diesem Staat ansässige Person ist. 2Hat aber der Schuldner der Zinsen, ohne Rücksicht darauf, ob er in einem Vertragsstaat ansässig ist oder nicht, in einem Vertragsstaat eine Betriebstätte und ist die Schuld, für die die Zinsen gezahlt werden, für Zwecke der Betriebstätte eingegangen worden und trägt die Betriebstätte die Zinsen, so gelten die Zinsen als aus dem Staat stammend, in dem die Betriebstätte liegt. (6) 1Bestehen zwischen dem Schuldner und dem Nutzungsberechtigten oder zwischen jedem von ihnen und einem Dritten besondere Beziehungen und übersteigen deshalb die Zinsen, gemessen an der zugrundeliegenden Forderung, den Betrag, den Schuldner und Nutzungsberechtigter ohne diese Beziehungen vereinbart hätten, so wird dieser Artikel nur auf den letzteren Betrag angewendet. 2In diesem Fall kann der übersteigende Betrag nach dem Recht eines jeden Vertragsstaats und unter Berücksichtigung der anderen Bestimmungen dieses Abkommens besteuert werden. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis zu Art. 10 (Dividenden) . . . . b) Verhältnis zu weiteren Art. des OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbeziehung hybrider Instrumente . . . d) Switch-over bei abkommensrechtlichen Qualifikationskonflikten . . . . . . . . . e) Remittance-Klausel . . . . . . . . . . . . f) Bekämpfung des Treaty-Shopping/ Art. 29 OECD-MA i.d.F. des „Update 2017“ . . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1 6 7 8 8 8 15 17 19 20 21 23 37

II. III. IV. V. C. I. II. III. D. I. II. 1.

Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Stammen“ aus einem Vertragsstaat . . . . Im anderen Vertragsstaat ansässige Person Rechtsfolge: Besteuerung in dem anderen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besteuerungsrecht des Quellenstaats (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . Grundsatz: Limitiertes Besteuerungsrecht (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . Ausübung des limitierten Besteuerungsrechts (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . Zinsbegriff (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . Positive Abgrenzung: Einkünfte aus Forderungen jeder Art, auch bei Beteiligung am Gewinn des Schuldners (Abs. 3 Satz 1) . . Forderungsbegriff . . . . . . . . . . . . . .

. . .

44 46 47

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48

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49 49

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50

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53 54 54

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56 56

43 43

1 Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ist eine inoffizielle Übersetzung der ursprünglichen OECD-Fassung, die in englischer Sprache unter dem Titel „Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017“, OECD Publishing, Paris 2017 unter https://doi.org/10.1787/20745419 abrufbar ist. In Zweifelsfällen ist die ursprüngliche, englische Fassung maßgeblich.

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Art. 11

2. 3. III. E. I. II. III. F. I. II. III. G. I. II. III.

H. I. I. 1. 2. 3. II. 1. 2. 3. III. 1. 2. 3. IV. 1. 2. 3. V.

Zinsen

a) Abgrenzung des Forderungsbegriffs vom Anteilsbegriff, insbesondere bei Beteiligung am Gewinn des Schuldners: Hybride Instrumente . . . . . . . . . . . b) Zahlungen ohne Hauptforderungen: Swaps und andere Zinsderivate/ -termingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . Unschädlichkeit von Immobiliarbesicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und Obligationen . . . . . . . . . . . . . . . Negative Abgrenzung: Keine Zuschläge für verspätete Zahlung (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . Betriebsstättenvorbehalt für erhaltene Zinsen (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . Rechtsfolgen (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . . . Quellenstaat der Zinsen (Abs. 5) . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsatz: Personenbezogene Zuordnung (Abs. 5 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsstättenvorbehalt für Zinszahlungen (Abs. 5 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdvergleichsvorbehalt (Abs. 6) . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbegrenzung des Zinsartikels auf den fremdüblichen Betrag (Abs. 6 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungseröffnung anderer Vorschriften hinsichtlich des übersteigenden Betrags (Abs. 6 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . . Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . . . . . . . Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56 82 83 84 85 86 86 87 90 91 91

1. 2. 3. VI. 1. 2. 3. VII. 1. 2. 3. VIII. 1. 2. 3. IX. 1. 2. 3. 4.

92 93 94 94 95 96 97 98 98 98 101 104 106 106 109 110 112 112 116 117 119 119 124 125 127

X. 1. 2. 3. 4.

XI. 1. 2. 3. XII. 1. 2. 3. XIII. 1. 2. 3. XIV. 1. 2. 3. XV. 1. 2. 3.

Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . DBA-Luxemburg a.F. . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA . . . b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . DBA-Niederlande a.F. . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA . . . b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . . .

OECD-Musterkommentar Abrufbar in englischer Version unter: https://doi.org/10.1787/20745419.

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127 131 132 134 134 138 139 141 141 145 146 148 148 152 153 155 155 159 160 162 162 165 166 168 168 172 173 175 175 178 179 181 181 184 185 187 187 191 192 194 194 198 199 201 201 204 205 207 207 213 214

A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 2 Art. 11

KOMMENTIERUNG ZU ART. 11 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Abkommensrechtliche Aufteilung der Besteuerungsrechte für Zinsen. In den meisten Rechtsordnungen ist es üblich, dass innerhalb eines Landes erfolgende Zinszahlungen beim Zahlenden vorbehaltlich spezifischer Abzugsverbote1 steuerlich abzugsfähig sind und beim Empfänger besteuert werden. Dieses Symmetriekonzept soll Art. 11 auch im internationalen Fall verwirklichen. Art. 11 sieht für Zinsen grundsätzlich eine Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen Quellen- und Ansässigkeitsstaat vor. Die grundsätzliche steuerliche Abzugsfähigkeit der Zinsen beim Zahlenden bleibt unberührt. Der Staat, aus dem die Zinsen gezahlt werden, hat gem. Art. 11 Abs. 2 die Möglichkeit, eine Quellensteuer in Höhe von bis zu 10 % zu erheben. Im Ansässigkeitsstaat des Zinsempfängers besteht die Möglichkeit der vollen Besteuerung der Zinsen, jedoch unter Anrechnung der Quellensteuer, Art. 11 Abs. 1, Art. 23A Abs. 2 oder Art. 23B. Die Quellensteuer soll nicht nur rechtlich, sondern auch ökonomisch den Zinsempfänger treffen. Theoretisch wird auf diese Weise dieselbe Symmetrie wie im Inlandsfall erreicht und das Besteuerungssubstrat zwischen Quellen- und Ansässigkeitsstaat aufgeteilt. Hat der Zinsgläubiger keine Refinanzierungsaufwendungen, so führt das Konzept des Art. 11 in der Tat zu dem sachgerechten Ergebnis, dass beide Staaten jeweils auf einen Teil des gesamten Besteuerungssubstrats zugreifen dürfen und dass auch keine Doppelbesteuerung erfolgt. Es ist aber eines der zentralen Probleme des Zinsartikels, dass in der Praxis eigenkapitalfinanzierte Fremdmittelausreichungen die rare Ausnahme sind und dass deswegen der Mechanismus des Art. 11 i.V.m. Art. 23A/B Doppelbesteuerungen hervorruft.

1

Quellensteuererhebung auf Bruttobasis kann zu Doppelbesteuerungsproblemen führen. International 2 ist es üblich, entsprechend der Ermächtigung des Art. 11 Abs. 1 Quellensteuern auf Bruttobasis zu erheben. Bemessungsgrundlage der Quellensteuern sind also die vollen Zinszahlungen ohne Berücksichtigung etwaiger Refinanzierungsaufwendungen des Zinsgläubigers. Da eine verzinsliche Refinanzierung in der Praxis die Regel ist, führt die Quellensteuererhebung auf Bruttobasis häufig zu massiven Problemen. Institutionelle Investoren wie insbesondere Banken, aber auch Konzernfinanzierungsgesellschaften refinanzieren häufig ihre Fremdmittelausreichungen nahezu vollständig durch Fremdmittelaufnahmen, die in nahezu derselben Höhe verzinslich sind. Bei derartigen Margengeschäften bewirkt die Erhebung einer (10%igen) Quellensteuer auf Bruttobasis generell die Entstehung nicht anrechenbarer Quellensteuerüberhänge. Die auf die Marge im Ansässigkeitsstaat des Zinsgläubigers entfallende Steuer entspricht regelmäßig nur einem kleinen Bruchteil der Quellensteuer, so dass überwiegend keine Anrechnung möglich ist. Die Anrechnung im Rahmen der Besteuerung anderer Einkünfte des Zinsgläubigers ist typischerweise durch die per-country-limitation2 eingeschränkt – regelmäßig hat der Zinsgläubiger zwar noch andere Fremdmittelausreichungen vorgenommen, diese aber auf diverse Staaten verteilt. Somit ist keine Kompensation von Anrechnungsüberhängen mit An1 Ein solches Abzugsverbot kann sich bspw. aus der Zinsschranke oder ausländischen thin capitalisation rules ergeben. Nunmehr besteht innerhalb der EU für alle Mitgliedstaaten die Vorgabe, mit Wirkung ab 1.1.2019 eine Zinsschranke ähnlich dem deutschen Vorbild einzuführen, und diese Richtlinie erlaubt es, für Zwecke einer solchen Zinsschrankenregelung eine steuerkonsolidierte Gruppe innerhalb eines Mitgliedstaats als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Somit sind nunmehr jedenfalls hinsichtlich des Grundkonzepts der Zinsschranke frühere europarechtliche Bedenken entkräftet. Insbesondere der Aspekt, dass eine Regelung wie die deutsche Zinsschranke angesichts der organschaftsweiten Konsolidierung effektiv neben Zinszahlungen an konzernexterne Empfänger vor allem grenzüberschreitende konzerninterne Zinszahlungen trifft, nicht aber konzerninterne Zahlungen innerhalb der deutschen Organschaft, dürfte angesichts des Richtlinienwortlauts europarechtskonform sein, vgl. Art. 4 der Richtlinie ATAD I (Anti Tax Avoidance Directive) v. 12.7.2016, Richtlinie (EU) 2016/1164, ABl. EU 2016 Nr. L 193, 1 ff., i.d.F. d. (ATAD II-)Richtlinie (EU) 2017/952 des Rates v. 29.5.2017 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2016/1164 bezüglich hybrider Gestaltungen mit Drittländern, ABl. EU 2017 Nr. L 144, 1–11. 2 Per-country-limitation: Begrenzung der Anrechnung von Quellensteuern auf die Einkünfte aus einem Staat, Verbot der Anrechnung auf Einkünfte aus einem anderen Staat. Die per-country-limitation ergibt sich abkommensrechtlich nach Art. 23A Abs. 2 Satz 2/23B Abs. 1 Satz 2, nach nationalem Recht in Deutschland aus § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG/§ 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG: „ist die […] ausländische Steuer auf die deutsche Einkommen/Körperschaftsteuer anzurechnen, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt“. Zwar ist die Höchstbegrenzung der Anrechnung auf das Belastungsniveau des Ansässigkeitsstaats nach dem Urt. des EuGH v. 12.5.1998 – C-336/96 – Gilly, ECLI:EU:C:1998:221 europarechtskonform. Durch die per-country-limitation wird jedoch die Investition in verschiedenen anderen Mitgliedstaaten im Gegensatz zur Investition in nur einem anderen Mitgliedstaat benachteiligt. Sie ist daher möglicherweise durch eine „per-community-limitation“ zu ersetzen, also die Zusammenfassung der Anrechnungsbeträge aus sämtlichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft.

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Art. 11 Rz. 2

Zinsen

rechnungsunterhängen möglich. Noch größere Probleme als die per-country-limitation bewirkt die Tatsache, dass beim Zinsgläubiger in Gestalt einer Bank oder Konzernfinanzierungsgesellschaft nahezu alle Geschäfte Margengeschäfte sind. In diesen Fällen geht es gar nicht um die Kompensation von Anrechnungsüberhängen und -unterhängen, es gibt vielmehr ausschließlich Anrechnungsüberhänge. Bei Banken ist das Margengeschäft der geschäftsmodellseitig und aufsichtsrechtlich vorgegebene Standard. Die finanzielle Steuerung bezieht sich auf eine gewünschte Eigenkapitalquote und -rendite, was eine überwiegende Fremdmittelrefinanzierung aller Fremdmittelausreichungen erfordert. Bei Konzernfinanzierungsgesellschaften ist eine höhere Eigenkapitalausstattung als bei Banken üblich. Dennoch entstehen in der Praxis vielfach auch bei Konzernfinanzierungsgesellschaften Anrechnungsüberhänge, da derartige Gesellschaften nicht nur Eigenkapital einsetzen, sondern typischerweise gebündelt Mittel am Markt aufnehmen und diese international gestreut an diverse Konzerngesellschaften mit einem geringen Margenaufschlag verzinslich weiterreichen. Wegen der internationalen Streuung dieser Weiterreichung und wegen der geringen Margen entsteht hier das Problem eher aus der per-country-limitation. Die (Mit-)Verwendung von Eigenkapital für Zwecke der Refinanzierung kann dieses Problem reduzieren, löst es aber in der Praxis meist nicht komplett. 3

Abwendung der Doppelbesteuerung bei Margengeschäften durch abkommens- oder europarechtliche Quellensteuerfreiheit. Die bei Margengeschäften durch Anrechnungsüberhänge drohende Doppelbesteuerung (s. Rz. 2) wird am effektivsten durch Quellensteuerfreiheit abgewendet. Aus diesem Grund ordnet europäisches Recht für bestimmte Konstellationen vollständige Quellensteuerfreiheit an. Für konzerninterne Zinszahlungen, die in den Anwendungsbereich der Zins-/Lizenzrichtlinie1 fallen, besteht Quellensteuerfreiheit. Der Anwendungsbereich dieser RL ist jedoch in persönlicher und sachlicher Hinsicht gegenüber dem Zinsartikel deutlich eingeschränkt (vgl. Rz. 25, 26). Die RL lässt abkommensrechtliche Regelungen unberührt, die mit derselben Intention wie die RL, aber für einen weiteren Anwendungsbereich abweichend von Art. 11 Abs. 2 kategorisch die vollständige Quellensteuerfreiheit von Zinsen anordnen. Teilweise ordnen die Abkommen auch nur für bestimmte Zinszahlungen die vollständige Quellensteuerfreiheit an, bspw. für Zahlungen an Banken und Finanzunternehmen. Theoretisch geht der komplette Ausschluss des Quellensteuerrechts für alle Zahlungen oder für bestimmte Zahlungen zwar zu Lasten des Steuersubstrats des Quellenstaats. Angesichts dessen, dass ansonsten die meisten Zinsgeschäfte nicht getätigt würden, vergibt sich in der Realität der Quellenstaat kein Besteuerungssubstrat, sondern macht sich lediglich standortpolitisch attraktiver und generiert infolgedessen ein höheres Aufkommen anderer Abgaben. Insbesondere die Abkommen Deutschlands mit den klassischen Standorten für Finanzierungsgesellschaften und/oder Banken (Großbritannien, Luxemburg, Niederlande, Schweiz) sehen generell für Zinszahlungen ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats des Zinsgläubigers vor. Aus standortpolitischen Gründen haben diese Staaten auch in vielen DBA mit anderen Staaten als Deutschland gleichermaßen die vollständige Quellensteuerfreiheit vereinbart. Um vor dem Hintergrund der Üblichkeit von Margengeschäften als Standorte für Emissionen am Kapitalmarkt faktisch überhaupt in Frage zu kommen, erheben viele dieser Staaten bereits nach nationalem Recht grundsätzlich keine Quellensteuer auf nationale wie internationale Zinszahlungen. Deutschland hat sich nicht dazu durchringen können, diesem Beispiel zu folgen. Vielmehr differenziert Deutschland nach nationalen und internationalen Sachverhalten einerseits und nach Art und Weise des zinstragenden Instruments andererseits. Outbound-Zinszahlungen auf einfache Darlehen sind nach deutschem Recht quellensteuerfrei,2 auf vergleichbare innerdeutsche Zahlungen wird dagegen in der Regel Kapitalertragsteuer erhoben, wenn ein deutsches Kreditinstitut Zahlstelle ist. Outbound-Zahlungen auf die meisten anderen zinstragenden Instrumente unterliegen sowohl im nationalen als auch im internationalen Fall vorbehaltlich abkommens- oder europarechtlicher Regelungen deutscher Quellensteuer.3

4

Abwehr der Doppelbesteuerung im Gestaltungswege. Wird die bei Margengeschäften durch Anrechnungsüberhänge drohende Doppelbesteuerung4 nicht bereits durch vollständige Quellensteuerfreiheit auf nationaler,5 abkommensrechtlicher oder europarechtlicher Basis6 abgewendet, so lassen sich Anrechnungs-

1 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003 Nr. L 157, 49, geändert durch RL 2004/66/EG und RL 2004/76 EG. 2 Umkehrschluss zu § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Hintergrund dieser Regelung ist, dass Zinsen für deutsche Staatsanleihen, die von Investoren aus nicht-DBA-Staaten gehalten werden, quellensteuerfrei bleiben sollen, da der sonst von diesen Investoren verlangte Ausgleich für die Quellensteuer (gross-up, s.o. Rz. 5) die Finanzierungskosten der öffentlichen Hand steigern würde. Aus diesem Grund darf auch vermutet werden, dass die generelle Quellensteuerfreiheit einfacher Outbound-Zinsen nicht vom deutschen Gesetzgeber beseitigt werden wird. 3 Vgl. §§ 43, 43a EStG für die nationalen Fälle sowie § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG für die internationalen Fälle, zu Details s. Rz. 37 ff. 4 Vgl. Rz. 2. 5 Zur Quellensteuerpflicht und -freiheit nach deutschem Recht s.u. Rz. 37 ff. 6 Vgl. Rz. 3, 24 ff.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 5 Art. 11

überhänge im Gestaltungswege verhindern. Insbesondere kommt es in Betracht, ein Margengeschäft auf zwei Rechtsträger aufzuteilen und es dabei durch eine Eigenkapitalebene zu trennen. Beispiel: Kapitalgesellschaft 1 nimmt Mittel am Kapitalmarkt verzinslich auf. Mit den erhaltenen Mitteln erhöht Kapitalgesellschaft 1 das Eigenkapital ihrer Tochterkapitalgesellschaft (2). Kapitalgesellschaft 2 reicht die Mittel verzinslich an weitere Kapitalgesellschaften (3) aus. Lösung: Quellensteuern, die auf Zahlungen der Kapitalgesellschaften 3 an Kapitalgesellschaft 2 erhoben werden, führen grundsätzlich nicht zu Anrechnungsüberhängen bei Kapitalgesellschaft 2. Grund dafür ist, dass Kapitalgesellschaft 2 sich aus Eigen- und nicht aus Fremdmitteln refinanziert, also technisch kein Margengeschäft betreibt. Damit die Gestaltung insgesamt erfolgreich ist, muss sichergestellt werden, dass bei Kapitalgesellschaft 1 der Abzug der Refinanzierungsaufwendungen für ihre Beteiligung an Kapitalgesellschaft 2 rechtlich und ökonomisch erreicht wird. Ist Kapitalgesellschaft 1 in Deutschland ansässig, so ist dieser Abzug vorbehaltlich der Zinsschranke1 wegen § 8b Abs. 5 KStG grundsätzlich möglich. Es kommt lediglich zur 25%igen gewerbesteuerlichen Hinzurechnung aus § 8 Nr. 1 GewStG, soweit der Freibetrag von 100.000 Euro überschritten ist. Handelt es sich bei Kapitalgesellschaft 1 um eine deutsche Obergesellschaft eines internationalen Konzerns, liegt regelmäßig auch das entsprechende Einkommen (tax capacity) vor, so dass ökonomisch der Abzug erreicht wird. Da Kapitalgesellschaft 1 sich am Kapitalmarkt refinanziert, ist überdies darauf zu achten, dass auch die Zahlungen an die Investoren am Kapitalmarkt quellensteuerfrei erfolgen, da sich ansonsten die Problematik der Doppelbesteuerung durch ein Margengeschäft bei den Investoren stellt. In der Praxis lässt sich dies am besten bewerkstelligen, indem Kapitalgesellschaft 1 nicht direkt an die Investoren herantritt, sondern indirekt über eine ausländische Konzernfinanzierungstochter, die in einem Staat ansässig ist, der bereits nach nationalem Recht keine Quellensteuer erhebt.2 Die Gestaltung ist nicht nur völlig legitim, da sie der Abwendung einer Doppelbesteuerung dient und dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit3 entspricht. Sie ist auch europarechtlich fundiert, wenn Kapitalgesellschaft 1 im Inland und Kapitalgesellschaft 2 im Ausland ansässig ist. Das pauschale 5 %ige Abzugsverbot des § 8b Abs. 5 KStG repräsentiert den Versuch4 des deutschen Gesetzgebers, von der Ermächtigung des Art. 4 Abs. 2 der europarechtlichen MTRL5 Gebrauch zu machen. Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der MTRL darf zwar ein pauschales Betriebsausgabenabzugsverbot vom nationalen Gesetzgeber in Höhe von maximal 5 % der erhaltenen Ausschüttungen angeordnet werden, aber nur dann, wenn daneben die konkreten Ausgaben zum Abzug zugelassen werden. Nimmt bspw. Kapitalgesellschaft 2 gar keine Ausschüttungen vor, da Kapitalgesellschaft 1 die Vergütungen an die Investoren aus anderen Quellen speist, etwa aus Liquidität aus dem operativen Geschäft, wirkt sich daher die Regelung des § 8b Abs. 5 KStG ausschließlich vorteilhaft aus. Auch das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG für Ausgaben, die in unmittelbarem Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften stehen, ist unanwendbar. Nach dem Wortlaut des § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG ist ausdrücklich die Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG gesperrt. Selbst wenn man eine Sperrung des § 3c Abs. 1 EStG nur für den Fall der tatsächlichen Entstehung nichtabzugsfähiger Aufwendungen aus § 8b Abs. 5 KStG annähme, ergäbe sich nichts anderes, da dann die vor Einführung der 5 %-Regelung geltende Rspr. zu § 3c Abs. 1 EStG zur Anwendung käme: Ohne Dividendenzufluss im selben VZ war auch vor Einführung der 5 %-Regelung § 3c Abs. 1 EStG mangels unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs unanwendbar.6

Übernahme der Quellensteuer durch den Zahlenden (gross-up). Für den Fall, dass sich Quellensteuerfreiheit nicht gewährleisten lässt, hat es sich am Kapitalmarkt zum Standard entwickelt, dass der Zahlende die Zinszahlungen um die Quellensteuer erhöht, sog. gross-up. Der Hintergrund dafür ist, dass es am Kapitalmarkt der empirische Regelfall ist, dass der Zinsgläubiger ein Margengeschäft tätigt und infolgedessen generell keine Quellensteuer anrechnen kann (vgl. Rz. 2). Die somit definitiv werdende Quellensteuer wird in diesen Fällen vom Zinsgläubiger auf den Zinsschuldner überwälzt. Dies verteuert die Finanzierung für den Zinsschuldner, lässt aber die Marge des Zinsgläubigers unberührt. Wegen dieser Verteuerung ist ein gross-up regelmäßig auch nicht von vornherein vorgesehen, sondern vielmehr als hilfsweise eintretender Mechanismus für den Fall, dass ein ursprünglich quellensteuerfreies Geschäft quellensteuerbelastet wird. Dies kann sich bspw. durch eine Änderung der Rechtslage während der Laufzeit eines Geschäfts ergeben. Quellensteuererhebung kann aber auch bei unveränderter Rechtslage dadurch auftreten, dass sich die Fehleinschätzung der Quellensteuerfreiheit durch die Parteien herausstellt. Um das Volumen des gross-up zu minimieren, sehen die entsprechenden Klauseln regelmäßig die Verpflichtung des Zinsgläubigers vor, sich um eine Anrech1 Zu offenen Praxisfragen zur Zinsschranke allgemein siehe Körner, Ubg. 2011, 610; in europarechtlicher Hinsicht vgl. Rz. 1 Fn. 1. 2 Beispielsweise die Niederlande oder Luxemburg, s.o. Rz. 3. 3 Es steht im deutschen Steuerrecht grundsätzlich im Belieben des Steuerpflichtigen, wie er seine Aktivitäten finanziert, so genannter Grundsatz der Finanzierungsfreiheit, BFH v. 8.12.1997 – GrS 1-2/95, BStBl. II 1998, 197; v. 8.2.1992 – I R 127/90, BStBl. II 1992, 532. 4 Dieser Versuch ist an der Nichtberücksichtigung des Diskriminierungsverbots aus der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit gescheitert. Dieses primärrechtliche europäische Diskriminierungsverbot ist auch bei der Umsetzung sekundärrechtlicher europarechtlicher RL zu beachten, Körner, BB 2003, 2436; Körner, IStR 2006, 376. 5 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. EU 2011 Nr. L 345, 8. 6 BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57; v. 29.5.1996 – I R 167/94, BStBl. II 1997, 60; v. 29.5.1996 – I R 21/96, BStBl. II 1997, 63.

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Art. 11 Rz. 5

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nung bestmöglich zu bemühen und enthalten ein vorzeitiges Kündigungsrecht des Schuldners für den unerwünschten Fall der Entstehung einer Quellensteuerpflicht (aufgrund einer Rechtsänderung).

II. Aufbau der Vorschrift 6

Allgemeine Regelung sowie Hilfs- und Spezialnormen. Art. 11 enthält im Wesentlichen drei Geltungsanordnungen. Neben einer allgemeinen Regelung, deren Voraussetzungen und Rechtsfolgen inklusive der Definitionen und Hilfsnormen über die Abs. 1, 2, 3, 5 verteilt sind, gibt es noch eine speziellere Regelung in Gestalt des Betriebsstättenvorbehalts des Abs. 4 sowie einen Fremdvergleichsvorbehalt in Abs. 6, welcher der Höhe nach die Anwendung sowohl der allgemeinen Regelung als auch der speziellen Betriebstättenvorbehaltsvorschrift limitiert. Die allgemeine Regelung der Abs. 1, 2, 3, 5 sieht vor, dass aus dem einem Abkommensstaat stammende Zinsen in diesem Quellenstaat einer 10%igen Besteuerung unterworfen werden dürfen (Abs. 2) und im Ansässigkeitsstaat des Nutzungsberechtigten in grundsätzlich unbeschränkter Höhe besteuert werden dürfen (Abs. 1), wobei aber nach Art. 23A/B die Quellensteuer auf die im Ansässigkeitsstaat anfallende Steuer1 anzurechnen ist. Für Zwecke dieser allgemeinen Regelung definiert Abs. 3 den Begriff der Zinsen. Dies ist weniger innerhalb des Regelungsmechanismus des Art. 11 selbst von Bedeutung, als für die Abgrenzung gegenüber anderen Verteilungsnormen des OECD-MA, insbesondere gegenüber Art. 10 (Dividenden; s. dazu Art. 10 Rz. 113 ff. sowie Art. 11 Rz. 14 und 54 ff.) sowie gegenüber Art. 13 (Veräußerungsgewinne; s. dazu Art. 11 Rz. 82) und Art. 21 (Andere Einkünfte; s. dazu Art. 11 Rz. 82). Unter welchen Voraussetzungen Zinsen aus einem Abkommensstaat stammen, regelt Abs. 5. Dabei ist nach Abs. 5 Satz 1 grundsätzlich auf die Person des Schuldners abzustellen. Ist dieser in einem Abkommensstaat ansässig, stammen die Zinsen aus diesem Staat. Ausnahmsweise kommt es nach Abs. 5 Satz 2 nicht auf die Person des Schuldners an. Ist die zinstragende Verbindlichkeit funktional einer Betriebsstätte in einem Abkommensstaat zuzuordnen, gelten die Zinsen als aus diesem Staat stammend, unabhängig von der Ansässigkeit des Schuldners. Die allgemeine Regelung der Abs. 1, 2, 3, 5 tritt unter den Voraussetzungen des Abs. 4 zurück, so dass sich die Besteuerungskompetenzen verändern. Im Falle der tatsächlichen Zugehörigkeit der zinstragenden Forderung zu einer Betriebsstätte im Quellenstaat tritt gem. Abs. 4 ein unbeschränktes Besteuerungsrecht des Betriebsstätten-/Quellenstaats an die Stelle des beschränkten Besteuerungsrechts aus Abs. 2, die Zinsen gehören dann also zu den Betriebsstättengewinnen. In diesen Fällen ist der Ansässigkeitsstaat nach Art. 23A/B zur Abwendung der Doppelbesteuerung gehalten. Befindet sich die Betriebsstätte außerhalb Deutschlands, werden in der deutschen Abkommenspraxis die der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinne generell freigestellt. Der Fremdvergleichsvorbehalt des Abs. 6 für überhöhte Zinsen gilt ausweislich des Wortlauts für den gesamten Anwendungsbereich des Art. 11. Nach Abs. 6 Satz 1 wird mithin die Anwendung sowohl der allgemeinen Regelung (Abs. 1, 2, 3, 5) als auch des Betriebsstättenvorbehalts (Abs. 4) auf den fremdüblichen Betrag der Zinsen limitiert. Abs. 6 Satz 2 eröffnet die Anwendung anderer Vorschriften des OECD-MA für den übersteigenden Teil.

III. Rechtsentwicklung 7

Regelungsstabilität einerseits, zunehmende Einschränkung des Anwendungsbereichs andererseits. Der Regelungsinhalt des Zinsartikels ist seit vielen Jahren stabil; in den OECD-MA 1977, 1998, 2000, 2005, 2010 sowie im sog. „Update 2017“ des OECD-MA ist er in unverändertem Text enthalten. Auch gegenüber der Vorgängerversion des OECD-MA 1963 besteht der Unterschied lediglich darin, dass im OECD-MA 1963 noch nicht die Regelung enthalten war, wonach Zuschläge für verspätete Zahlung nicht als Zinsen im Sinne des Zinsartikels gelten. Dennoch ist im Zusammenhang mit dem Zinsartikel eine für die Praxis äußerst praxisrelevante historische Entwicklung zu beobachten, die sich allerdings erst aus der Zusammenschau mit den Änderungen anderer Regelungen des OECD-MA ergibt. Die allgemeinen Regelungen des OECDMA, die Abkommensvorteile aus Qualifikationskonflikten kassieren, entfalten insbesondere im Bereich der Qualifikationskonflikte zwischen Zins- und Dividendenartikel ihre Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist vor allem Art. 23A Abs. 4 zu nennen, wonach grundsätzlich der Wechsel zur Anrechnungsmethode erfolgt, wenn aufgrund einer inkongruenten Abkommensanwendung durch die involvierten Staaten Einkünfte unterschiedlichen Abkommensbestimmungen oder verschiedenen Personen zugerechnet werden, sich dieser Konflikt nicht durch ein Verständigungsverfahren im Sinne des Art. 25 Abs. 3 lösen lässt und infolgedessen eine Nicht- oder Minderbesteuerung eintritt, s. dazu Rz. 19. Diverse weitere Ausnahmevorschriften für die Fälle der Erzielung nicht intendierter Abkommensvorteile hatten sich vor dem „Update 2017“ jenseits des OECD-MA in der Abkommenspraxis etabliert, namentlich komplette oder teilweise Rücknah1 Zu dem Doppelbesteuerungsproblem durch Anrechnungsüberhänge s. Rz. 2 ff.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 12 Art. 11

men der Quellensteuerbegrenzung des Zinsartikels in bestimmten Fällen hybrider Finanzierung sowie in Fällen von Treaty-shopping, s. dazu Rz. 16–21. In diesem Sinne hat auch die OECD in ihrem „Update 2017“ des OECD-MA eine derartige Vorschrift aufgenommen, den neu eingefügten Art. 29: „entitlement to benefits“; der bisherige Art. 29 ist zum Artikel 30 geworden. Hinsichtlich des „entitlement to benefits“ sieht jedoch das „Update 2017“ diverse Umsetzungsvarianten vor: entweder eine bloße Regelung in der Fremdvergleichsvorschrift des Art. 9 oder aber effektiv weitergehend anhand diverser spezieller Regelungen, wie sie im Art. 29 sowie dem dazugehörigen OECD-MK definiert sind. Bei den in Art. 29 vorgesehenen Mechanismen handelt es sich im Wesentlichen um die bereits in der Abkommenspraxis etablierten Regelungen, die sich insbesondere gegen treaty shopping richten, s. dazu Rz. 16–21. Eine ähnliche Entwicklung hatte früher hinsichtlich Art. 23A Abs. 4 stattgefunden – bevor Art. 23A Abs. 4 ins OECD-MA eingefügt wurde, hatte sich eine vergleichbare Regelung zunächst in der Abkommenspraxis etabliert. Wenig erfreulich ist an der gesamten Entwicklung, dass es ausschließlich um die Bekämpfung tatsächlicher sowie vermeintlicher Abkommensmissbräuche geht. Aus Sicht der Steuerpflichtigen hat sich somit eine erhebliche Gefahr aus der drohenden Versagung von Abkommensvorteilen in Fällen nichtsteuerlich getriebener Finanzierungen entwickelt. Zu vermissen ist eine Weiterentwicklung des Regelungsgehalts des Zinsartikels für den Bereich der nicht missbräuchlichen praxistypischen Fälle. Insbesondere fehlt nach wie vor eine Regelung, die den kompletten Ausschluss des Quellenbesteuerungsrechts zur Abwendung von Anrechnungsüberhängen bei Margengeschäften bewirkt, s. dazu Rz. 2.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht a) Verhältnis zu Art. 10 (Dividenden) Unterschiedliche Regelungsbereiche. Art. 10 (Dividenden) regelt grundsätzlich die abkommensrechtliche Behandlung von Vergütungen für die Überlassung von Eigenkapital. Art. 11 (Zinsen) betrifft dagegen die abkommensrechtliche Behandlung von Vergütungen für die Überlassung von Fremdkapital.

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Unterschiedliche Voraussetzungen. Auf der Voraussetzungsseite erfolgt die Abgrenzung über die Unterschiede zwischen den Definitionsnormen des Art. 10 Abs. 3 einerseits und des Art. 11 Abs. 31 andererseits. Anhand der entsprechenden Begriffsbestimmungen sind Eigen- und Fremdkapital abkommensrechtlich voneinander zu unterscheiden.

9

Unterschiedliche Rechtsfolgen. Sowohl Art. 10 als auch Art. 11 betreffen die Überlassung von Kapital, ordnen jedoch unterschiedliche Rechtsfolgen an.2 Diese unterschiedlichen Rechtsfolgen liegen nicht nur in den unterschiedlich hohen Quellensteuerbegrenzungen. Für die Praxis viel bedeutsamer sind die international vorherrschenden unterschiedlichen Besteuerungskonzepte beim Zahlenden einerseits und beim Empfänger andererseits. Diese unterschiedlichen Konzepte sind nicht im Abkommensrecht, sondern auch im jeweiligen nationalen Recht gebräuchlich. Zwar zielen beide Konzepte auf Symmetrie, jedoch wird diese in unterschiedlicher Weise verfolgt.

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Allgemeines Besteuerungskonzept bezüglich Zinsen. International ist es üblich, dass in Inlandssachverhalten Zinsen beim Zahlenden steuerlich abzugsfähig sind und beim Empfänger besteuert werden. Durch Art. 11 soll dies auch im grenzüberschreitenden Fall erreicht werden;3 die Quellensteuererhebung dient dabei lediglich der Aufteilung des Besteuerungssubstrats zwischen den beiden Abkommensstaaten.

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Allgemeines Besteuerungskonzept bezüglich Dividenden. In den allermeisten Rechtsordnungen sind in nationalen wie internationalen Sachverhalten Dividenden im Gegensatz zu Zinsen steuerlich beim Zahlenden nicht abzugsfähig. Zinsen betreffen nach diesem Konzept die Ebene der Gewinn-/Einkommensermittlung des Zahlenden, Dividenden dagegen die Verwendung eines zuvor ermittelten Gewinns. Der Gewinn, aus dem die Dividenden gezahlt werden, hat regelmäßig bereits der Ertragsbesteuerung auf Ebene des Zahlenden unterlegen. Diese Vorbelastung der ausgeschütteten Gewinne wird üblicherweise durch teilweise oder vollständige Freistellung der Dividenden beim Empfänger berücksichtigt. In Deutschland erfolgt dies bspw. durch § 8b Abs. 1, 5 KStG bei interkorporalen Dividenden und durch die Abgeltungssteuer oder das Teileinkünfteverfahren bei Ausschüttungen an natürliche Personen. Die allgemeine Regelung, dass Dividenden nicht abzugsfähig sind, gilt in Deutschland wie in vielen Rechtsordnungen auch für internationale Fälle. Die Freistellung internationaler Dividendenzahlungen auf Empfängerebene ergibt sich regelmäßig abkommens-

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1 S. dazu Rz. 54 ff. 2 S. zu den Details der Abgrenzung auf der Voraussetzungsseite Rz. 54 ff. 3 S.o. Rz. 1.

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Art. 11 Rz. 12

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rechtlich oder nach nationalem Recht. In der (deutschen) Abkommenspraxis wird für Schachteldividenden i.S.d. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a auf Empfängerseite regelmäßig die Freistellung vereinbart. Überdies ergibt sich unabhängig von einer Beteiligungsquote aus deutscher Sicht die 95 %ige Freistellung interkorporaler Dividenden bereits aus der nationalen Vorschrift des § 8b Abs. 1, 5 KStG. Allerdings wird gemäß § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG die Freistellung des § 8b Abs. 1, 5 KStG in all den Fällen versagt, in denen die entsprechenden Dividenden bei der ausschüttenden Körperschaft steuerlich abgezogen worden sind; gemäß § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG werden auch DBA-Freistellungen unter diesen Voraussetzungen kassiert.1 Die Freistellung nach § 8b Abs. 1, 5 KStG hängt also nunmehr von einer symmetrischen (= korrespondierenden) Besteuerung bei Zahlendem und Zahlungsempfänger ab. Der Anwendungsbereich des § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG, der zuvor ein derartiges Korrespondenzprinzip nur für verdeckte Gewinnausschüttungen aus in- und ausländischen Körperschaften anordnete, wurde auf sämtliche Bezüge ausgeweitet, also auch auf offene Gewinnausschüttungen aus in- und ausländischen Körperschaften. Gerade für den Fall, dass im Ausland eine Abzugsfähigkeit bewusst gewährt wird, ist eine derartige Regelung äußerst verdächtig, eine europarechtlich verbotene Hinzurechnungsbesteuerung zu bewirken.2 Vor allem stellt sich innerhalb Europas die Frage nach konsequenter Anwendung dieses spezifischen Korrespondenzprinzips auch in umgekehrter Richtung. Seit der Ausweitung des § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG auf sämtliche Bezüge i.S.d. § 8b KStG müsste es im Sinne einer Diskriminierungsfreiheit und Konsistenz im Falle der Auslösung von Abzugsverboten im Ausland zur Freistellung entsprechender bislang steuerpflichtiger (Zins-)Zahlungen in Deutschland nach § 8b Abs. 1, 5 KStG kommen, innerhalb der EU ist eine Korrespondenz nur zu Gunsten des deutschen Fiskus äußerst fragwürdig.3 Eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 8b Abs. 1, 5 KStG ist in Gestalt einer Einführung einer Mindestbeteiligungsschwelle von 10 % am Nennkapital durch § 8b Abs. 4 KStG erfolgt.4 Dadurch werden auch bei Erfüllung der Voraussetzung der Vorbelastung im Sinne des § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG Instrumente, die grundsätzlich für die Anwendung des § 8b Abs. 1, 5 KStG qualifizieren würden, da sie eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 KStG umfassen, aus dem Anwendungsbereich der Freistellung ausgenommen: derartige Instrumente, wie etwa eigenkapitalähnliche Genussrechte, umfassen regelmäßig gar keine Nennkapitalbeteiligung, da sie zivilrechtlich als Forderungen einzustufen sind. Die Grundregelung des § 8b KStG, wonach Beteiligungserträge beim Empfänger freigestellt werden, ist also in Deutschland durch einige bedeutsame Ausnahmen stark eingeschränkt. Im Übrigen ist aber das Prinzip der interkorporalen Freistellung von Eigenkapitalerträgen erhalten geblieben; es ist auch international äußerst verbreitet. Im Ausland existieren vielfach dem § 8b KStG vergleichbare Vorschriften, zum Teil mit Mindestbeteiligungsschwelle und -dauer.5 Viele EU-Mitgliedstaaten setzen durch eine solche Freistellung die MTRL6 um. Zwar erfordert die MTRL grundsätzlich eine 10 %ige Beteiligungsquote, überdies erlaubt sie den Mitgliedstaaten, eine Mindestbeteiligungsdauer von maximal zwei Jahren zu fordern. Jedoch setzen viele EU-Mitgliedstaaten die RL über ihre Voraussetzungen hinaus für praktisch alle interkorporalen Dividenden durch Anordnung einer Freistellung um. Eine wesentliche Konsequenz der Freistellung ist, dass Quellensteuer auf Dividenden grundsätzlich nicht beim Empfänger anrechenbar ist, da es sich (technisch) um steuerfreie Einkünfte handelt. Da eine Quellensteuererstattung an Gebietsfremde in den meisten Rechtsordnungen und Abkommen nicht vorgesehen ist, wird die Quellensteuer in diesen Fällen definitiv. Um die insofern drohende Doppelbesteuerung abzuwenden, ordnet die MTRL unter anderem die Quellensteuerfreiheit von Dividenden an. Jenseits des Anwendungsbereichs der MTRL, also bei Dividenden aus Nicht-EU-Quellen oder aus EU-Quellen und bei einer Beteiligungsquote von weniger als 10 %, kommt es jedoch darauf an, ob durch nationales Recht oder durch das konkrete DBA die Quellensteuerfreiheit erreicht werden kann. Deutschland erhebt bspw. auf Outbound-Dividendenzahlungen grundsätzlich Kapitalertragsteuer, so dass zur Abwendung einer Definitivbelastung eine Abkommensvorschrift erforderlich ist, die vollständige Quellensteuerfreiheit anordnet. Der EuGH hat die Definitivbelastung im Falle der Beteiligungsquote von weniger als 10 % bei Zahlungen an EU-Ausländer als europarechtlich verbotene Diskriminierung eingestuft.7 Dies war auch der Hintergrund der im Jahr 2013 erfolgten Einführung eines 10%igen Mindestbeteiligungserfordernisses in Gestalt des § 8b Abs. 4 KStG. Es ist jedoch fraglich, ob auf diese Weise die Europarechtskonformität hinsichtlich der Quellensteuer hergestellt werden kann. Schließlich wird so nicht un1 Die Ausweitung der Korrespondenzregelung des § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG auf sämtliche Bezüge i.S.d. § 8b KStG erfolgte mit dem Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. Die Regelung ist grundsätzlich mit Wirkung ab 1.1.2014 anzuwenden. 2 Kraft/Körner/Türksch, DB 2012, 1592 (1593, unter 2.). 3 Kraft/Körner/Türksch, DB 2012, 1592 (1593, unter II.3.). 4 Gesetz v. 21.3.2013 zur Umsetzung des EuGH-Urt. v. 20.10.2011 (C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670), BGBl. I 2013, 561. 5 Zu den entsprechenden Regelungen typischer Holdingstandorte innerhalb der EU s. Eggeling, Ubg. 2011, 676. 6 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. EU 2011 Nr. L 345, 8. 7 EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670 = FR 2011, 1112.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 13 Art. 11

bedingt sichergestellt, dass nicht weiterhin faktisch grenzübergreifende Dividendenzahlungen einer höheren Belastung unterworfen werden als inländische Zahlungen. Kritik der Rechtsfolgenunterschiede. Zwar zielen der Zins- und der Dividendenartikel sowie die zugrunde 13 liegenden Konzepte generell auf die Abwendung der Doppelbesteuerung und auf eine Gesamtbetrachtung von Zahlenden und Zahlungsempfänger. Durch die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte ergeben sich jedoch massive Rechtsfolgenunterschiede. Zunächst einmal gibt es erhebliche Unterschiede bei der Quellenbesteuerung: Die Finanzierungskosten für Eigenkapital werden durch Quellensteuern verteuert, dieser Effekt tritt beim Fremdkapital grundsätzlich nicht auf. Bei Dividenden sind Quellensteuern regelmäßig im internationalen Fall wegen der Freistellung der Dividenden beim Empfänger nicht anrechenbar und nicht erstattbar. Sie führen somit zu einer Doppelbesteuerung und echten Mehrbelastung. Bei Zinsen sind Quellensteuern theoretisch generell und praktisch unter Berücksichtigung üblicher Gestaltungen anrechenbar und führen somit zu keiner Doppelbesteuerung. Bereits das ist nicht nachvollziehbar, da die Quellensteuern abkommensrechtlich in beiden Fällen im Wesentlichen die Aufteilung des Besteuerungssubstrats bezwecken, aber keine Doppelbesteuerung hervorrufen sollen. Ein weiteres Problem ist, dass die Steuersatzunterschiede zwischen Zahlendem und Zahlungsempfänger sich bei Dividenden und Zinsen äußerst unterschiedlich auswirken, wie das folgende Beispiel zeigt: Beispiel: Die in Deutschland ansässige Mutterkapitalgesellschaft ist an zwei Tochterkapitalgesellschaften 1 und 2 beteiligt. Tochterkapitalgesellschaft 1 ist in einem Staat ansässig, der einen niedrigeren Ertragsteuersatz als Deutschland aufweist, Tochterkapitalgesellschaft 2 ist in einem Staat mit einem höheren Ertragsteuersatz als Deutschland ansässig. Lösung: Die unterschiedlichen Besteuerungskonzepte für Zinsen und Dividenden legen nahe, Tochterkapitalgesellschaft 1 mit Eigenkapital auszustatten, Tochterkapitalgesellschaft 2 dagegen mit (Gesellschafter-)Fremdkapital. Durch die Eigenkapitalfinanzierung werden die Gewinne von Tochterkapitalgesellschaft 1 dem niedrigen Steuersatz ihres Ansässigkeitsstaats unterworfen. Ausschüttungen der Tochterkapitalgesellschaft 1 werden in Deutschland nach § 8b Abs. 1, 5 KStG überwiegend freigestellt. Die Gewinne von Tochterkapitalgesellschaft 2, die ohne Fremdfinanzierung komplett dem hohen Steuersatz ihres Ansässigkeitsstaats unterliegen würden, werden in Höhe der abzugsfähigen Zinszahlungen (Hinweis auf etwaige thin capitalisation rules) stattdessen zur Mutterkapitalgesellschaft verlagert und dem deutschen Steuersatz unterworfen. Die Allokation von Eigen- oder Fremdkapital in die diversen Gesellschaften ist grundsätzlich frei wählbar, vgl. das Beispiel in Rz. 4. Daher ist wegen der unterschiedlichen Besteuerungskonzepte für Eigen- und Fremdkapitalerträge auch die internationale Allokation der steuerpflichtigen Finanzierungserträge an Standorten mit niedrigem Steuersatz und damit die Minimierung der steuerlichen Gesamtbelastung grundsätzlich möglich; extremen Gestaltungen wird allerdings durch spezifische Missbrauchsbekämpfungsvorschriften vorgebeugt.

In ökonomischer Hinsicht sind diese Unterschiede wenig nachvollziehbar, da sowohl für die Überlassung von Eigen- als auch von Fremdkapital eine Vergütung üblich ist. Der rechtliche Unterschied besteht lediglich darin, dass diese beim Fremdkapital typischerweise von vornherein vertraglich fixiert wird, während sie beim Eigenkapital seitens des Investors in Form von Dividenden oder einer Wertsteigerung erwartet wird. Tendenziell wird jedoch die Eigenkapitalfinanzierung steuerlich nachteiliger behandelt, insbesondere hinsichtlich der definitiven Quellensteuern. Ökonomisch sachgerecht wäre es, das für Fremdkapital geltende Besteuerungskonzept auch für Eigenkapital zur Anwendung zu bringen, also die Kosten der Eigenkapitalfinanzierung steuerlich abzugsfähig zu machen.1 Eine derartige „notional interest deduction“ oder „allowance for corporate equity“, also einen typisierten Eigenkapitalkostenabzug, gewähren nach geltendem Recht bspw. Italien, Malta, die Schweiz, Zypern, zuvor existierte eine solche Regelung auch in Belgien. In diesen Systemen ist eine in einer bestimmten Höhe typisierte Eigenkapitalrendite steuerlich abzugsfähig, entsprechend der Überlegung, dass auch Eigenkapital nicht kostenlos ist. Die Höhe der auf diese Weise abzugsfähigen typisierten Eigenkapitalkosten variiert zwischen diesen Rechtsordnungen, üblich ist eine Orientierung an der Verzinsung von Staatsanleihen zuzüglich eines Aufschlags für das unternehmerische Risiko. Mit derartigen Regelungen wird zugleich auch ein Anreiz zur Thesaurierung geschaffen, da der Abzug nicht an die Zahlung einer Dividende anknüpft, sondern an den Eigenkapitaleinsatz an sich. Standortpolitisch hat sich diese Regelung für die entsprechenden Staaten sehr vorteilhaft ausgewirkt, da sie massive Kapitalerhöhungen und Investitionen bewirkte. Indem die tendenzielle steuerliche Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung beseitigt wurde, wurden Zentren der Wertschöpfung gestärkt und der Anreiz zu erodierender Fremdfinanzierung beseitigt. In diesem Zusammenhang sollte man sich die jüngste Finanzkrise(n), die Diskussion um die künftig höhere Eigenkapitalausstattung insbesondere von Banken (Basel III/ CRR IV) und den Effekt der Stärkung operativ tätiger Unternehmen in ihrer Investitionskraft durch einen Thesaurierungsanreiz vor Augen führen. Beachtenswert ist, dass eine derartige Regelung zur Aufkommensstabilisierung nur für das Eigenkapital eingeführt werden kann, welches ab einem bestimmten Stichtag neu 1 Kraft/Körner/Türksch, DB 2012, 1592 (1594, 1995, unter III.2. und unter IV.); Körner in Köhler/Goebel/Körner, Handbuch der steueroptimalen Unternehmensfinanzierung2, 5 ff.: Kritik der konzeptionellen Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung sowie 713 ff. zu den Systemen diverser anderer Mitgliedstaaten der EU.

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Art. 11 Rz. 13

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gebildet worden ist, so z.B. in Italien. Eine in ihren Anreizwirkungen dem Eigenkapitalkostenabzug ähnliche Regelung gilt seit einigen Jahren in Estland, Lettland hat sie nunmehr auch übernommen. In Estland und Lettland entsteht Körperschaftsteuer lediglich im Falle einer Ausschüttung. Solange Gewinne thesauriert werden, bleiben sie komplett steuerbefreit. Eine derartige Ausschüttungssteuer ist übrigens im Gegensatz zu einer Quellensteuer (s. dazu Rz. 12) auch abkommens- und europarechtlich unproblematisch, da sie keine Quellensteuer darstellt und daher ihre Erhebung keinen Einschränkungen unterliegt. Die Europarechtskonformität der estnischen Ausschüttungssteuer bestätigt unter Anderem Art. 11 Abs. 4 der ATAD.1 Dadurch, dass Deutschland keinen Eigenkapitalkostenabzug gewährt, ist im Übrigen auch der Anreiz entstanden, italienische, maltesische, zypriotische, estnische oder lettische Tochtergesellschaften mit Eigenkapital auszustatten und die entsprechenden Refinanzierungsaufwendungen in Deutschland zu allozieren.2 In den meisten Rechtsordnungen wird nicht der grundlegende Befund der Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung beseitigt. Stattdessen werden in Deutschland und andernorts die Symptome der Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung durch Auferlegung ähnlicher Nachteile für bestimmte Formen der Fremdfinanzierung bekämpft, indem der Abzug durch thin capitalisation rules oder andere Abzugsbegrenzungen im Ausland und in Deutschland durch die Zinsschranke nebst gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen ganz oder teilweise eingeschränkt wird. Dies ist vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips äußerst problematisch, da sowohl die Kosten der Fremd- als auch der Eigenkapitalfinanzierung echte ökonomische Belastungen sind. Überdies wäre die Gewährung eines Abzugs für Eigenkapitalkosten standortpolitisch sehr viel geschickter als die gegenwärtige steuerliche Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung beizubehalten.3 In Deutschland betrug im Jahr 2016 das Aufkommen der von Bund, Ländern und Gemeinden insgesamt vereinnahmten Steuern ca. 706 Mrd. t, davon ca. 29 Mrd. t KSt inklusive SolZ, ca. 50 Mrd. t GewSt, ca. 217 Mrd. t USt und ca. 185 Mrd. t LSt. Diese Zahlen plausibilisieren, dass eine Begünstigung der Eigenkapitalbildung und damit der Investition in Kapitalgesellschaften sich über zusätzliche Investitionen und damit über ein höheres USt- und LSt-Aufkommen, ggf. auch durch zusätzliche Sozialabgaben für den Fiskus auszahlen dürfte. Insbesondere gilt dies, wenn nach italienischem Vorbild eine derartige Regelung nur für das Eigenkapital eingeführt wird, das ab einem bestimmten Stichtag zusätzlich gebildet wird, da auf diese Weise auch einem Rückgang des vorhandenen KSt- und GewSt-Aufkommens vorgebeugt wird. 14

Gestaltungschancen und -risiken. Der vor dem ökonomischen Hintergrund seltsam anmutende steuerkonzeptionelle Unterschied in der Behandlung von Eigen- und Fremdkapital führt in der Praxis nicht nur zu fehlender Finanzierungsneutralität, s. dazu das Beispiel in Rz. 13. Er eröffnet auch umfangreiche Gestaltungschancen. Dabei geht es einerseits um die schlichte Ausnutzung des Steuersatzgefälles, was angesichts des weltweiten Trends zu Steuersatzsenkungen wieder zunehmend bedeutsam werden dürfte. Andererseits lagen traditionellerweise umfangreiche Chancen im Grenzbereich der Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung, der hybriden Finanzierung. Dabei handelte es sich m.E. aber immer schon um ein eher theoretisches Phänomen, welches durch die Aktivitäten der OECD im Bereich von BEPS sowie die daran orientierten neuen europarechtlichen Vorgaben in Gestalt der Anti-Tax-Avoidance Directive (ATAD)4 jedenfalls aus Sicht europäisch beheimateter Unternehmen nunmehr komplett praxisfern geworden ist. Besonders vorteilhaft aus Sicht des Steuerpflichtigen sind in dieser betontermaßen theoretischen Sphäre (konzerninterne) Gestaltungen, bei denen Qualifikationskonflikte genutzt werden, die eine Kombination der Vorteile der beiden bezüg1 Nach Art. 11 Abs. 4 der ATAD (s.o. Rz. 1 Fn. 1) darf Estland, solange es thesaurierte Gewinne nicht besteuert, den Transfer von Wirtschaftsgütern aus Estland ins Ausland als Gewinnausschüttung betrachten und besteuern und muss dabei in Abweichung von der allgemeinen Regelung des Art. 5 Abs. 2 der ATAD dem Steuerpflichtigen keine Stundungs-/Ratenzahlung über 5 Jahre gewähren, d.h. anders als bei anderen Mitgliedstaaten darf eine Entstrickung seitens Estland sofort versteuert werden. Dass der europarechtliche Gesetzgeber (bzw. Richtliniengeber) anlässlich der Vorarbeiten zur ATAD keine Änderung des estnischen Systems verlangt hat, sondern vielmehr bei der Verabschiedung der ATAD eine das estnische System besonders berücksichtigende Regelung geschaffen hat, belegt, dass der europarechtliche Gesetzgeber von der Europarechtskonformität des estnischen Systems ausgeht. Neben diesem historisch-/systematischen Argument spricht aber auch der generelle Charakter dieses Systems für seine Europarechtskonformität – infolgedessen sind weder im Hinblick auf die Grundfreiheiten verbotene Diskriminierungen erkennbar, noch im Hinblick auf das europarechtliche Beihilfeverbot unzulässige selektive Begünstigungen. Zwar existiert in Bezug auf Lettland keine vergleichbare Regelung in der ATAD. Jedoch ist dies offensichtlich allein der Tatsache zuzuordnen, dass das Rechtsetzungsverfahren für die ATAD bereits abgeschlossen war, bevor Lettland das estnische System übernahm. Unter normativen Gesichtspunkten gilt somit im Hinblick auf Lettland nichts anderes als im Hinblick auf Estland. 2 Tochterkapitalgesellschaft 1 des Beispiels wäre also z.B. auf Zypern ansässig. Wegen der höheren praktischen Bedeutung der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG gilt bezüglich entsprechender außereuropäischer Rechtsordnungen, wie etwa bezüglich der Schweiz, dieser Trend nur in schwächerem Maße, vgl. Rz. 42. 3 Kraft/Körner/Türksch, DB 2012, 1592 (1594, 1595, unter III.2. und unter IV.). 4 S.o. Rz. 1 Fn. 1.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 16 Art. 11

lich Eigen- und Fremdkapital gängigen Besteuerungskonzepte beinhalten: Wird dieselbe Vergütung im Quellenstaat als abzugsfähiger Zins, im Ansässigkeitsstaat als freizustellende Dividende eingestuft, ergeben sich in der Gesamtbetrachtung steuerfreie (= weiße) Einkünfte durch eine sog. one-sided deduction, also einen Abzug bei einem Steuerpflichtigen, dem keine Steuerpflicht beim anderen Steuerpflichtigen gegenübersteht. Ein derartiger Qualifikationskonflikt basiert typischerweise auf unterschiedlichen Abgrenzungskriterien für Eigen- und Fremdkapital in den beiden involvierten Rechtsordnungen oder aufgrund abweichender Anwendungen des Abkommens (vgl. Rz. 9 sowie Rz. 54 ff.). Nach dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit1 ist die Missbräuchlichkeit entsprechender Gestaltungen i.S.d. § 42 AO nicht aus der bloßen Tatsache abzuleiten, dass der Steuerpflichtige die steuerlichen Unterschiede in der Behandlung von Eigen- und Fremdkapital gezielt nutzt. Die steuerliche Korrektur derartiger Gestaltungen zu Gunsten des Fiskus kann daher nur unter den Voraussetzungen abkommensrechtlicher2 oder nationaler Spezialvorschriften3 erfolgen. Zwar sind in europarechtlicher Hinsicht der Bekämpfung von Gestaltungen aufgrund allgemeiner Missbrauchsregelungen wie § 42 AO durch die Rspr. des EuGH sehr enge Grenzen gesetzt.4 Umgekehrt ist aber die Anwendung von spezifischen Regelungen wie § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG (s. dazu Rz. 12) sowie § 50d Abs. 9 EStG (s. dazu Rz. 77) angesichts der Vorgaben der ATAD europarechtlich grundsätzlich rechtmäßig. Spiegelbildlich zu § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG, für die umgekehrte Zahlungsrichtung, muss zur Umsetzung der ATAD im deutschen Recht überdies mit Wirkung ab 1.1.2020 ein neues spezielles Betriebsausgabenabzugsverbot für Schuldzinsen eingeführt werden. Aufgrund der Freistellung von Zinseinnahmen beim Zahlungsempfänger ist demgemäß der Schuldzinsabzug beim Zahlenden zu versagen, vorausgesetzt dass die Freistellung beim Empfänger aufgrund der hybriden Natur und der daher rührenden asymmetrischen steuerlichen Behandlung in der Rechtsordnung des Zahlenden einerseits und des Zahlungsempfängers andererseits herrührt, vgl. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a der ATAD (s. Rz. 34). Aus praktischer Sicht ergeben sich im Zusammenhang mit hybriden Finanzierungen somit kaum Gestaltungschancen, sondern vielmehr Doppelbesteuerungsrisiken aus der gleichzeitigen Anwendung diverser Abzugsverbote und switch-over-Regelungen verschiedener Rechtsordnungen hinsichtlich ein und derselben Zahlung. Das Gleiche gilt für die tendenziell überschießenden abkommensrechtlichen und einzelstaatlichen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften (s. Rz. 16–22). Derartige Risiken liegen bspw. in der Doppelbesteuerung, die sich ergibt, wenn der Quellenstaat eine Zahlung als nicht abzugsfähige Dividende einstuft, der Ansässigkeitsstaat dieselbe Zahlung dagegen als steuerpflichtigen Zins. Eine derartige Doppelbesteuerung aufgrund einer inkongruenten Einstufung einer Zahlung kann verschiedene Ursachen haben, materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Art. Beispielsweise kann bereits die jeweilige Einstufung nach nationalem Recht die Doppelbesteuerung bewirken, d.h. bereits nach nationalem Recht handelt es sich aus der Sicht des Staats des Zahlenden um eine nicht abzugsfähige Dividende, aus der Sicht des Staats des Zahlungsempfängers um steuerpflichtige erhaltene Zinsen. Statt dessen kommt aber auch in Betracht, dass einer der beiden Staaten eine bestimmte switch-over-Klausel oder ein Abzugsverbot zur Anwendung bringt, eine korrespondierende Entlastung im anderen Staat aber aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr möglich ist, weil die Veranlagung dort bereits endgültig erfolgt ist. b) Verhältnis zu weiteren Art. des OECD-MA Verhältnis zu Art. 21 und Art. 13. Zahlungen, die mangels zu Grunde liegender Forderung nicht als Zinsen qualifizieren (s. Rz. 82), z.B. Zahlungen auf einen Zinsswap, fallen grundsätzlich unter den Residualartikel des MA, Art. 21 (Andere Einkünfte). In diesen Fällen besteht somit ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats. Im Ergebnis gilt dasselbe nach Art. 13 Abs. 5 für Zahlungen, die als Entgelt für die Veräußerung einer Forderung einzustufen sind, wie bspw. beim Factoring.

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Verhältnis des Art. 11 zu Missbrauchsbekämpfungsvorschriften, insbesondere zu Art. 29 OECD-MA (i.d.F. d. „Update 2017“5). Art. 11 ist ebenso wie Art. 10 eine der Vorschriften des OECD-MA, deren generelles Regelungskonzept grundsätzlich diverse steuerliche Gestaltungschancen und -risiken erzeugt. Diese Chancen und -risiken betreffen grundsätzlich verschiedene Facetten. Zunächst einmal geht es um die schlichte Allokation von Einkünften in einem oder dem anderen Staat und damit um die Ausnutzung des Steuersatzgefälles (s. Rz. 13). Darüber hinaus geht es auch um abkommensrechtlich oder aus nationalem Recht in-

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1 Es steht im deutschen Steuerrecht grundsätzlich im Belieben des Steuerpflichtigen, wie er seine Aktivitäten finanziert, so genannter Grundsatz der Finanzierungsfreiheit, BFH v. 8.12.1997 – GrS 1-2/95, BStBl. II 1998, 197; v. 8.2.1992 – I R 127/90, BStBl. II 1992, 532. 2 Z.B. switch-over oder subject-to-tax-Klauseln, s.u. Rz. 16 ff. 3 Z.B. § 50d Abs. 9 EStG, s.u. Rz. 76, sowie § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG (vgl. Rz. 12). 4 Sogar die zielgerichtete Ausnutzung des Steuersatzgefälles ist bei ökonomischer Minimalsubstanz legitim, s. EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544, insbes. Rz. 54, 63, 65, 68 = IStR 2006, 670 m. Anm. Körner. 5 S. dazu Rz. 21 ff.

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Art. 11 Rz. 16

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duzierte steuerlich vorteilhafte Asymmetrien, namentlich die one-sided deduction, welche aber ein eher theoretisches Phänomen ist (s. Rz. 14). Des Weiteren geht es um Treaty-Shopping, also die Erzielung von Abkommensvorteilen insbesondere im Quellensteuerbereich über Durchleitungskonstruktionen (Rz. 21). Das OECD-MA sieht zwar nicht für alle diese Fälle spezifische Missbrauchsbekämpfungsvorschriften vor. Insbesondere neuere Abkommen enthalten jedoch typischerweise entsprechende Vorschriften. Diese sind häufig nicht im Abkommen selbst, sondern in Protokollen oder ähnlichen Zusatzvereinbarungen enthalten. Nachfolgend werden die in der Abkommenspraxis gebräuchlichsten, für den Bereich des Art. 11 relevanten spezifischen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften erörtert. Zu betonen ist, dass die Nutzung der Besteuerungskompetenzen aus entsprechenden abkommensrechtlichen Vorschriften nach allgemeinen Grundsätzen immer eine hinreichend präzise gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erfordert. Allerdings ist diese aus deutscher Sicht insbesondere in Gestalt von § 50d Abs. 9 EStG (s. Rz. 77) und in Gestalt der allgemeinen Quellensteuertatbestände des § 49 EStG i.V.m. §§ 43 ff. EStG (s. Rz. 37) für die meisten Fälle vorhanden. Durch § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG (s. Rz. 12) werden die Fälle der one-sided deduction (s. Rz. 14) unterbunden, die von § 50d Abs. 9 EStG nicht bekämpft werden. c) Einbeziehung hybrider Instrumente 17

Einbeziehung typisch stiller Beteiligungen und anderer hybrider Instrumente in den Dividendenartikel. Vielfach werden in der deutschen Abkommenspraxis in Abweichung vom OECD-MA typische stille Beteiligungen,1 partiarische Darlehen (s. Rz. 74) und vergleichbare hybride Instrumente, die nach der Systematik des OECD-MA unter den Zinsartikel fallen würden, in den Anwendungsbereich des Dividendenartikels überführt, indem die entsprechenden Instrumente als Eigenkapital im Sinne des Dividendenartikels definiert werden. Diese Definition gilt dabei teilweise nur für den Outbound-Fall, teilweise bidirektional. Wegen des gegenseitigen Exklusivitätsverhältnisses des Zins- und des Dividendenartikels (s. Rz. 54, 56) greift jedenfalls bei Outbound-Zahlungen damit das 15%ige Quellenbesteuerungsrecht aus dem Dividendenartikel und nicht das 10 %ige Besteuerungsrecht aus dem Zinsartikel. Vorsichtshalber ist dabei davon auszugehen, dass das für Schachteldividenden niedrigere, nur 5%ige Besteuerungsrecht aus dem Dividendenartikel in diesen Fällen aus deutscher Sicht nicht anwendbar ist. Der BFH hat jedenfalls für den Fall des Empfängers von Vergütungen aus einer typisch stillen Beteiligung trotz bidirektionaler Einbeziehung in den Dividendenartikel das Schachtelprivileg wegen der nur „fingierten“ Einbeziehung in den Dividendenartikel für generell nicht anwendbar gehalten. Die 25 %ige Beteiligung könne nicht über derartige Instrumente erreicht werden, auch nicht über eine daneben gehaltene 25%ige Beteiligung am klassischen Eigenkapitalanteil im Sinne des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA (Aktien/Anteile), s. Rz. 77.2 Vorsichtshalber sollte daher davon ausgegangen werden, dass dieses Verständnis auch für Zwecke der Anwendung des Dividendenartikels auf Outbound-Zahlungen aus deutscher Sicht gilt. Die Einbeziehung entsprechender hybrider Instrumente ist aus Sicht des Steuerpflichtigen daher in Deutschland ausschließlich nachteilig, da sie nur für Outbound-Zahlungen aus deutscher Sicht ein höheres Quellenbesteuerungsrecht bewirkt und da im Falle einer Inbound-Zahlung selbst bei Abzugsfähigkeit im Ausland eine one-sided deduction (s. Rz. 14) an der o.g. Rspr. und an § 50d Abs. 9 EStG (s. Rz. 77) und/oder § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG sowie § 8b Abs. 4 KStG (s.o. Rz. 12) scheitert.

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Unbegrenztes Quellenbesteuerungsrecht für hybride Finanzierungsinstrumente. Neuere DBA enthalten regelmäßig eine spezifische Vorschrift zu den Artikeln 10 (Dividenden) und 11 (Zinsen), die folgenden Wortlaut hat: „Ungeachtet der Artikel 10 und 11 können Dividenden und Zinsen in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden, wenn sie auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung, einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter oder der Einkünfte aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen im Sinne des Steuerrechts Deutschlands, beruhen und bei der Ermittlung der Gewinne des Schuldners der Dividenden oder Zinsen abzugsfähig sind.“ Dem Wortlaut nach sind damit Outbound-Zahlungen aus Sicht beider Abkommensstaaten erfasst, vorausgesetzt ist lediglich, dass es sich um eines der genannten hybriden Instrumente handelt und dass die Vergütung beim Schuldner abzugsfähig ist. Insbesondere erfordert eine derartige Vorschrift keine one-sided deduction (s. Rz. 14), sondern allein die Existenz einer abzugsfähigen Vergütung aus einem hybriden Instrument. Aus deutscher Sicht bedeutet dies, dass deutsche Quellensteuer, vgl. §§ 49, 43 ff. EStG, grundsätzlich in ungeminderter Höhe erhoben werden darf (s. Rz. 37 ff.). Die Tatsache, dass eine derartige Abkommensregelung in der Regel lediglich eine Ermächtigung beinhaltet („können“), ändert für die Praxis nichts daran, dass vorsichtshalber davon auszugehen ist, dass von dieser Ermächtigung in aller Regel Gebrauch gemacht wird. Angesichts dessen, dass im deutschen Recht noch die Einführung eines spezifischen 1 Betroffen sind nach allgemeinen Grundsätzen nur typisch stille Beteiligungen, nicht atypische, die unter den Artikel über Unternehmensgewinne fallen, s.u. Rz. 76, 77. 2 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793 m. Anm. Teufel/Hasenberg, IStR 2008, 724.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 20 Art. 11

Betriebsausgabenabzugsverbots für bestimmte Zahlungen für die Überlassung hybriden Kapitals ansteht,1 tun sich im Bereich der hybriden Finanzierungen somit zunehmende Risiken der Mehrfachbesteuerung auf. d) Switch-over bei abkommensrechtlichen Qualifikationskonflikten Art. 23A Abs. 4 OECD-MA und ähnliche Vorschriften. Abkommensrechtliche Freistellungen stehen in 19 der Praxis vielfach unter dem Vorbehalt, dass keine aus Sicht des Steuerpflichtigen vorteilhafte divergierende Anwendung der abkommensrechtlichen Vorschriften durch die beiden Abkommenstaaten erfolgt, dass also kein abkommensrechtlicher Qualifikationskonflikt ausgenutzt wird. In Anlehnung an Artikel 23A Abs. 4 OECD-MA wird demnach vielfach eine switch-over-Klausel in die Abkommen aufgenommen, wobei die Ausgestaltung im Einzelfall nur selten dem OECD-MA entspricht. Nach Art. 23A Abs. 4 OECD-MA erfolgt grundsätzlich der Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode, wenn Einkünfte unterschiedlichen Abkommensbestimmungen oder verschiedenen Personen zugerechnet werden, sich dieser Konflikt nicht durch ein Verständigungsverfahren im Sinne des Art. 25 Abs. 3 OECD-MA lösen lässt und infolgedessen eine Nicht- oder Minderbesteuerung eintritt. Dies trifft insbesondere den Fall der abkommensrechtlich induzierten one-sided deduction (s. Rz. 14) durch einen persönlichen oder sachlichen Qualifikationskonflikt. Da aus Sicht Deutschlands als Ansässigkeitsstaat grundsätzlich diverse Einkünfte freigestellt werden, unter anderem Schachteldividenden, ist eine derartige switch-over-Vorschrift regelmäßig in dem Passus des Methodenartikels enthalten, der Deutschland als Ansässigkeitsstaat betrifft. Für den Fall, dass ein Abkommen eine Switch-over-Klausel enthält, bewegt sich § 50d Abs. 9 EStG (s. Rz. 77) innerhalb dieser Ermächtigung und bewirkt daher bzgl. des entsprechenden DBA kein Treaty override (s. allgemein Art. 1 Rz. 131 ff.). Vor der Ausweitung des Korrespondenzprinzips des § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG durch das JStG 2013 (s. Rz. 12) bewirkte bei symmetrischer abkommensrechtlicher Behandlung und dennoch asymmetrischer Rechtsfolgen aufgrund nationaler Vorschriften (§ 8b KStG a.F. in Deutschland) weder der abkommensrechtliche switchover noch § 50d Abs. 9 EStG eine Besteuerung in Deutschland, da eine Freistellung nach nationalen Vorschriften unberührt blieb. Durch die mit dem JStG 2013 erfolgte Ausweitung des Korrespondenzprinzips in § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG (s. Rz. 12) hat sich dies allerdings geändert, nunmehr existiert aus Sicht Deutschlands als Ansässigkeitsstaat eine Ermächtigungsgrundlage für die Bekämpfung der Fälle der one-sided deduction (s. Rz. 14), die § 50d Abs. 9 EStG nicht bekämpfen kann. Der abkommensrechtliche switch-over des § 50d Abs. 9 EStG wird also durch einen switch-over nach nationalem Recht ergänzt, so dass die one-sided deduction aus Sicht Deutschlands als Ansässigkeitsstaat/Staat des Vergütungsempfängers nicht mehr erreicht werden kann. Für die umgekehrten Fälle, in denen Deutschland der Quellenstaat/Staat des Vergütungsschuldners ist, ist bereits jetzt vielfach aufgrund abkommensrechtlicher Spezialregelungen das Quellenbesteuerungsrecht des Zahlungsstaats nicht begrenzt (s. Rz. 18). Bei substanzieller Quellensteuererhebung bedeutet dies, dass bei Zahlungen aus Deutschland ins Ausland die one-sided deduction aus Gestaltungssicht uninteressant wird, da diese Quellensteuer eine definitive Mehrbelastung darstellt. Wegen der Freistellung beim Zahlungsempfänger ist sie nicht auf dessen Steuerschuld anrechenbar. Im Ergebnis kann dann zwar der Vorteil der Abzugsfähigkeit beim Zahlenden erreicht werden; der Vorteil aus der Freistellung beim Empfänger wird jedoch durch die definitive Quellensteuer weitgehend aufgezehrt. Vor diesem Hintergrund relativiert sich jedenfalls im Hinblick auf Deutschland als Quellenstaat/Staat des Zahlenden die Bedeutung des aufgrund der ATAD2 einzuführenden spezifischen Betriebsausgabenabzugsverbots. Zahlungen für die Überlassung hybriden Kapitals, die grundsätzlich wegen der steuerlichen fremdkapitalähnlichen Einstufung des Kapitals aus deutscher Sicht abzugsfähig sind, werden demzufolge künftig in Deutschland infolge des spezifischen Verbots nicht abzugsfähig, wenn beim Zahlungsempfänger im Ausland aufgrund der abweichenden eigenkapitalähnlichen Einstufung keine Steuerpflicht, sondern eine Beteiligungsertragsbefreiung greift. Aus praktischer Sicht wird diese Regelung keine weiteren Gestaltungen unterbinden, da dies bereits das unbegrenzte Quellenbesteuerungsrecht aus den DBA bewirkt. Es besteht aber die Gefahr, dass aufgrund eines überschießenden Anwendungsbereichs auch Fälle ohne one-sided deduction vom Abzugsverbot erfasst werden, falls der deutsche Gesetzgeber keine sachgerechte, zielgenaue Umsetzung der ATAD-Vorgaben vornimmt.3 e) Remittance-Klausel Verbreitung in angelsächsischen Jurisdiktionen. In diversen dem angelsächsischen Rechtskreis angehörenden Rechtsordnungen werden bestimmte Erträge im Ansässigkeitsstaat nur dann und nur insoweit besteuert, wie sie dorthin überwiesen worden sind. Im UK galt diese Regelung früher für jegliches Auslandseinkommen 1 Vgl. Körner, RdF 2018, 125 ff. 2 S.o. Rz. 1 Fn. 1. 3 Vgl. Körner, RdF 2018, 125 ff.

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Art. 11 Rz. 20

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ansässiger, aber nicht „domizilierter“ Personen. Mittlerweile ist ihr sachlicher Anwendungsbereich dort soweit reduziert worden, dass man faktisch von einer Abschaffung sprechen kann. Nichtsdestotrotz existiert diese Regelung noch in anderen Rechtsordnungen des angelsächsischen Rechtskreises. Entsprechend diesem remittance basis-Konzept sehen viele Abkommen insoweit die Versagung von Abkommensvorteilen im Quellenstaat vor, als infolge einer remittance basis keine Besteuerung im Ansässigkeitsstaat erfolgt. Insoweit wird also ein abkommensrechtliches Korrespondenzprinzip angestrebt. Der typische Wortlaut einer solchen Klausel ist: „Gilt nach diesem Abkommen für Einkünfte oder Gewinne in einem Vertragsstaat eine Steuervergünstigung und ist nach dem im anderen Vertragsstaat geltenden Recht eine Person hinsichtlich dieser Einkünfte oder Gewinne mit dem Betrag dieser Einkünfte oder Gewinne steuerpflichtig, der in den anderen Staat überwiesen oder dort bezogen wird, nicht aber unter Zugrundelegung des Gesamtbetrags dieser Einkünfte oder Gewinne, so ist die nach diesem Abkommen im erstgenannten Staat zu gewährende Steuervergünstigung nur auf den Teil der Einkünfte oder Gewinne anzuwenden, der in dem anderen Staat besteuert wird.“ Aus deutscher Sicht bewirkt eine derartige Klausel für Zahlungen, die in Deutschland abzugsfähig sind, im anderen Abkommensstaat dagegen nur einer remittance Basis-Besteuerung unterliegen, dass deutsche Quellenbesteuerungsrechte aus §§ 49 i.V.m. 43 ff. EStG, insoweit, wie (noch) keine Besteuerung im Ausland erfolgt, keiner Begrenzung unterliegen. Zu betonen ist, dass die remittance-Klausel auch nur für einen Teilbetrag von Einkünften greifen kann. f) Bekämpfung des Treaty-Shopping/Art. 29 OECD-MA i.d.F. des „Update 2017“ 21

Einschränkung der Abkommensvergünstigungen (Limitation on Benefits). Neuere Doppelbesteuerungsabkommen enthalten vielfach Klauseln, die darauf zielen, die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommen im Wege von Durchleitungskonstruktionen (Treaty-Shopping) zu bekämpfen. Technisch geschieht dies dadurch, dass entsprechende Gestaltungen durch eine Einschränkung aus dem Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen werden. Entsprechende Einschränkungsnormen, sog. Limitation on Benefits-Klauseln, sind vor allem in den US-amerikanischen Abkommen üblich (vgl. z.B. Art. 28 DBA-USADeutschland). Sie werden aber neuerdings zunehmend auch von anderen Staaten verwendet, bspw. enthält Art. 21 des DBA Japan-NL eine umfangreiche derartige Klausel. Eine andere Technik verwendet Art. 23 des DBA-Deutschland-Schweiz; dort wird schlicht explizit abkommensrechtlich die Anwendbarkeit der nationalen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften bestätigt; in der Protokollerklärung dazu wird ausgeführt, dass dies nicht nur allgemeine Missbrauchsbekämpfungsvorschriften sind, sondern auch die spezifischen nationalen Anti-treaty-shopping-Vorschriften Deutschlands und der Schweiz, also § 50d Abs. 3 EStG sowie der Schweizer Bundesratsbeschluss v. 14.12.1962 (s. Rz. 196). Ähnliche Öffnungsklauseln enthalten die DBASpanien, -Luxemburg, -Niederlande, wobei zum Teil eine detaillierte Bezugnahme auf einzelne nationale Regelungen erfolgt, zum Teil eine nur pauschale Bezugnahme. Art. 29 OECD-MA i.d.F. d. „Update 2017“ enthält auch eine derartige Klausel, dabei handelt es sich allerdings nicht um eine explizit in Voraussetzungen und Rechtsfolgen fixierte Klausel, sondern eher eine Klausel, die Eckpunkte diverser in der Abkommenspraxis zuvor üblichen Klauseln umschreibt. Sowohl die in der Abkommenspraxis gebräuchlichen Klauseln als auch Art. 29 OECD-MA i.d.F. d. „Update 2017“ sind unter dem Aspekt offen, dass sie keine abschließende Aufzählung der anwendbaren nationalen Missbrauchsbekämpfungsnormen vornehmen, sondern deren uneingeschränkte Anwendbarkeit explizit eröffnen. Durch eine derartige Öffnungsklausel wird für die beiden Abkommenstaaten die Diskussion um ein etwaiges Treaty override (s. allgemein Systematik Rz. 181 ff.) im Falle der Anwendung jeweiliger nationaler Missbrauchsbekämpfungsvorschriften obsolet. Aus praktischer Sicht ergeben sich ansonsten jedenfalls aus deutscher Sicht kaum Änderungen, da die deutsche Finanzverwaltung die nationalen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften bislang auch im Falle eines etwaigen Treaty override angewandt hat und da die Rechtsprechung des BFH durch eine möglicherweise zielorientierte Abkommensinterpretation bei bestimmten Qualifikationskonflikten sogar dieselben Rechtsfolgen ohne Treaty override aus den Abkommen selbst hergeleitet hat (s. Rz. 77). Aus praktischer Sicht schützt also nach wie vor am ehesten höherrangiges europäisches Recht vor der Anwendbarkeit typisierender Missbrauchsbekämpfungsvorschriften wie §§ 7 ff. AStG (s. Rz. 42). Klassische Limitation-on-Benefits-Klauseln sind Klauseln, die vor allem auf Durchleitungskonstruktionen zur Erzielung von Quellensteuerreduktionen abzielen, als auf Treaty-Shopping. Limitation-on-Benefits-Klauseln sind im Zusammenhang mit dem Zinsartikel von besonderer Bedeutung. Eine Darstellung ihrer sämtlichen Verästelungen würde den Rahmen der vorliegenden Darstellung sprengen.1 Genügen soll an dieser Stelle der Hinweis auf ihre generelle Technik. Nach den anderen Vorschriften des DBA an sich abkommensberechtigten Personen wird die Abkommensberechtigung grundsätzlich wieder entzogen, soweit nicht einer von mehreren Tests erfüllt ist. Diese alternativ zu erfüllenden Tests enthalten regelmäßig jeweils ein gegabeltes Erfordernis: Einerseits ist Substanz erforderlich, bspw. 1 Wegen einer detaillierteren Darstellung s. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 121 ff.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 23 Art. 11

aufgrund der Existenz eines umfangreichen aktiven Geschäftsbetriebs, der Funktion als Konzernzentrale, wegen der Börsennotierung oder wegen der Beherrschung durch im selben Staat ansässige Personen. Andererseits wird daneben regelmäßig verlangt, dass nicht ein konkretes Geschäft künstlich dem substanzstarken Unternehmen zugeordnet worden ist. Anders als der Ausdruck „Limitation-on-Benefits“ vermuten lässt, sind in entsprechenden Klauseln nicht nur einschränkende, sondern im Einzelfall auch erweiternde Klauseln enthalten. Als Konsequenz des Gedankens des Abstellens auf die hinter einer Gesellschaft stehenden Personen wird ausnahmsweise ein Abkommensvorteil auch nur deshalb gewährt, weil ihn diese Personen nach einem anderen DBA ebenfalls erhalten würden, so genannte derivative Vorteile. Beispiel 1: Treaty-Shopping – Bekämpfung durch Limitation-on-Benefits Eine auf Zypern ansässige Mutterkapitalgesellschaft ist 100 %ig an einer niederländischen substanzarmen Tochterkapitalgesellschaft beteiligt. Die Mutterkapitalgesellschaft selbst würde nicht abkommensrechtlich für die Quellensteuerfreiheit von Zinszahlungen aus den USA nach dem DBA Zypern-USA qualifizieren. Für Zinszahlungen aus den USA direkt an die zypriotische Muttergesellschaft würde lediglich eine abkommensrechtliche Quellensteuerbegrenzung auf 10 % greifen. Lösung: Die niederländische Kapitalgesellschaft wird über die Limitation-on-Benefits-Klausel des DBA USA-Niederlande grundsätzlich gleichermaßen von der Quellensteuerfreiheit ausgeschlossen wie ihre zypriotische Muttergesellschaft. Wegen der Substanzarmut der niederländischen Gesellschaft scheitern die diversen (Aktivitäts-/Substanz-)Tests der Limitation-on-Benefits-Klausel, eine originäre Berechtigung nach dem DBA Niederlande-USA zur Quellensteuerfreiheit der Zinszahlungen aus den USA scheidet somit aus. Derivative benefits scheitern an der Nichtberechtigung der zypriotischen Muttergesellschaft zur Quellensteuerfreiheit nach dem DBA USA-Zypern. Gegenbeispiel 2: derivative Vorteile – Ausnahme von den Limitation-on-Benefits Eine deutschansässige Mutterkapitalgesellschaft ist 100 %ig an einer niederländischen substanzarmen Tochterkapitalgesellschaft beteiligt. Die Mutterkapitalgesellschaft ist börsengehandelt und qualifiziert daher originär für die vollständige Quellensteuerfreiheit von Zinszahlungen aus den USA nach der Limitation-on-Benefits-Klausel des Art. 28 Abs. 2 Buchst. c DBA DeutschlandUSA (Börsen-Test). Lösung: Die niederländische Kapitalgesellschaft qualifiziert zwar wegen ihrer Substanzarmut nicht originär nach dem DBA USA-Niederlande für die Quellensteuerfreiheit der Zinszahlungen aus den USA, ggf. jedoch derivativ: Die Limitation-on-Benefits-Klausel des DBA USA-Niederlande sieht eine Ausnahme in Gestalt einer derivative benefits-Klausel vor: Da die niederländische Kapitalgesellschaft von einer deutschen Mutterkapitalgesellschaft gehalten wird, die originär nach dem DBA Deutschland-USA für die Quellensteuerfreiheit qualifiziert, wird der niederländischen Gesellschaft grundsätzlich derselbe Vorteil gewährt (equivalent beneficiary test). Zusätzliche Voraussetzung ist aber, dass die niederländische Gesellschaft nachweist, dass sie ihre Einnahmen nicht überwiegend durch abzugsfähige Zahlungen an Dritte weiterleitet, die nicht gleichermaßen zur Quellensteuerfreiheit qualifizieren (base erosion test). In der Praxis stellt die Nachweispflicht aus dem base erosion test für die meisten Konzernfinanzierungsgesellschaften ein nicht überwindbares Hindernis dar. Wegen der Vielzahl von Refinanzierungen und Investoren ist regelmäßig nicht ermittelbar, ob eine schädliche Weiterleitung durch abzugsfähige Schuldzinsen erfolgt oder nicht. Da die Beweislast aber dem Steuerpflichtigen auferlegt ist, trägt er den Nachteil aus dieser Nichterweislichkeit.

Überschießende Tendenz. Limitation-on-Benefits-Klauseln weisen häufig eine überschießende Tendenz auf. Auch Fälle, die gar nicht missbräuchlich sind, werden sanktioniert. Die Bekämpfung des Treaty-Shopping innerhalb der EU durch die Mitgliedstaaten dürfte ohnehin angesichts der EuGH-Rspr.1 außer in Fällen völliger Substanzarmut unzulässig sein. Das dürfte nicht nur für abkommensrechtliche Vorschriften gelten, sondern auch für vergleichbare Regelungen nationalen Rechts, wie bspw. § 50d Abs. 3 EStG (s. Rz. 40, 41), die aufgrund ähnlich pauschaler Voraussetzungen dieselbe überschießende Tendenz bei der Bekämpfung des Treaty-Shopping aufweisen.

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2. EU-Recht Zinsertragsteuerrichtlinie. Um die rechtmäßige Besteuerung der Zinserträge von Individuen zu sichern, wurde die sog. Zinsertragsteuerrichtlinie2 eingeführt. Sie sieht grundsätzlich einen Informationsaustausch über Zinszahlungen im Gemeinschaftsgebiet im Wege automatisierter Kontrollmitteilungen vor. Ausnahmsweise kann statt des Informationsaustausches eine abgeltende Quellensteuer erhoben werden und deren Aufkommen zu 75 % an den Wohnsitzstaat weitergeleitet werden. Eine derartige abgeltende Quellensteuer erheben Österreich, Belgien und Luxemburg. Der Zinsbegriff des Art. 6 dieser RL ist angesichts der Zielsetzung, private Kapitalerträge zu erfassen, weiter gefasst als der des OECD-MA und der der Zins-/Lizenzrichtlinie (s. Rz. 26). Die EU hat zwecks effektiver Umsetzung der RL inhaltsgleiche Abkommen mit Andorra, Liechten1 Der EuGH verpflichtet Mitgliedstaaten dazu, Betriebsstätten dieselben Abkommensvorteile einzuräumen wie Tochtergesellschaften, EuGH v. 21.9.1999 – C-307/97 – Saint-Gobain, ECLI:EU:C:1999:438. Substanzerfordernisse dürften dabei ähnlich restriktiv zu handhaben sein wie für Zwecke von CFC-Regelungen. Nach dem Maßstab des Urt. des EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544, genügt eine nicht völlig künstliche Präsenz, selbst die gezielte Ausnutzung von Steuervorteilen ist dabei nicht schädlich. 2 RL 2003/48/EG des Rates v. 3.6.2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, ABl. EU 2003 Nr. L 157, 38.

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Art. 11 Rz. 23

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stein, Monaco und der Schweiz abgeschlossen.1 Die Schweiz erhebt generell auf Zinszahlungen, die von Schweizer Banken geleistet werden, eine 35 %ige Abgeltungssteuer und entspricht damit unter anderem dem mit der EU abgeschlossenen Abkommen, s. Rz. 198. 24

Zins-/Lizenzrichtlinie. Für bestimmte Zinszahlungen zwischen bestimmten verbundenen Unternehmen inklusive deren Betriebsstätten ordnet die EU-Zins/Lizenzrichtlinie2 komplette Quellensteuerfreiheit an. Diese RL wurde in Deutschland durch § 50g EStG umgesetzt. Entsprechend der allgemeinen Normenhierarchie, nach der europäisches Recht nationalen Vorschriften vorgeht, hat die RL Geltungsvorrang vor etwaigen für den Steuerpflichtigen weniger vorteilhaften abkommensrechtlichen Regelungen. Da sich europäisches Recht aber grundsätzlich nur zu Gunsten des Steuerpflichtigen auswirkt, bleiben etwaige gegenüber der RL vorteilhaftere abkommensrechtliche Regelungen anwendbar, über die RL/§ 50g EStG hinausgehende Quellensteuerentlastungen und -freistellungen bleiben nach § 50g Abs. 5 EStG unberührt.

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Persönlicher Anwendungsbereich der Zins-/Lizenzrichtlinie. Das zentrale Problem hinsichtlich der EUZins-/Lizenzrichtlinie ist, dass der persönliche Anwendungsbereich dieser RL stark limitiert ist. Erfasst sind gem. Art. 3 Buchst. b der RL grundsätzlich lediglich EU-interne grenzüberschreitende Zahlungen einer Mutterkapitalgesellschaft an ihre mindestens 25 %ige Tochterkapitalgesellschaft und umgekehrt, sowie EUinterne grenzüberschreitende Zahlungen einer solchen Tochterkapitalgesellschaft an eine weitere 25 %ige direkte Tochterkapitalgesellschaft derselben Mutterkapitalgesellschaft. Weshalb nicht über dieses Dreieck direkter Verbindungen hinausgehend sämtliche konzerninterne Zahlungen von der RL erfasst werden, lässt sich nicht sinnvoll begründen. Aus diesem Grund hat bspw. Belgien bei der Umsetzung der RL den persönlichen Anwendungsbereich auf EU-interne grenzüberschreitende Zahlungen zwischen sämtlichen direkt oder indirekt 25%ig verbundenen, in der EU ansässigen Unternehmen ausgeweitet (s. Rz. 103). Diesem Beispiel sind zwar nur wenige andere Mitgliedstaaten gefolgt. Dies liegt aber daran, dass einige generell keine Quellensteuer auf Zinsen erheben, bspw. die Niederlande und Luxemburg.

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Sachlicher Anwendungsbereich der Zins-/Lizenzrichtlinie: Ausschlussmöglichkeit bei gewinnabhängiger Vergütung. Neben dem persönlichen ist auch der sachliche Anwendungsbereich der RL begrenzt, da die Mitgliedstaaten für gewinnabhängige Zahlungen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der RL die Vorteile der RL ausschließen können. Von dieser Möglichkeit pflegen die Mitgliedstaaten jedenfalls dann Gebrauch zu machen, wenn sie nach nationalem Recht für gewinnabhängige Vergütungen generell Quellensteuerpflicht angeordnet haben. Deutschland unterwirft gewinnabhängige Vergütungen grundsätzlich nach nationalem Recht der Quellenbesteuerung3 und hat dementsprechend bei der Umsetzung der Zins-/Lizenzrichtlinie in § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG eine Ausnahme von der Quellensteuerfreiheit angeordnet. Zinsen, welche auf Forderungen beruhen, die einen Anspruch auf Beteiligung am Gewinn des Schuldners begründen, sind demnach vom Anwendungsbereich des § 50g Abs. 1 EStG ausgenommen. Gewinnabhängig in diesem Sinne sind jedenfalls alle Vergütungen, die sowohl dem Grunde als auch der Höhe und der Fälligkeit nach komplett oder teilweise vom Gewinn des Schuldners abhängen, also nur bei Profitabilität des Schuldners entstehen und in diesem Fall in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Gewinns des Schuldners. Um eine Gewinnbeteiligung zu begründen, ist ausweislich des Wortlauts eine Verlustteilnahme nicht erforderlich. Schließlich ist nicht vom „Ergebnis“ oder „Einkommen“, sondern vom „Gewinn“ die Rede. Umgekehrt beseitigt aber im Grundsatz eine Verlustbeteiligung nicht die Gewinnbeteiligung (zu Ausnahmen s Rz. 30). Eine weitestgehend dem Grunde, der Höhe und der Fälligkeit nach gewinnabhängige Vergütung sehen die verkehrstypischen Erscheinungsformen von Genussrechten, partiarischen Darlehen und typischen stillen Beteiligungen vor, so dass diese ausweislich der Gesetzesbegründung4 unter den Ausschluss des § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG fallen. Gewinnabhängig sind des Weiteren Zahlungen, die zwar keine gewinnproportionale Vergütung, aber eine vom Gewinn des Schuldners abhängige höhere oder niedrigere Verzinsung vorsehen,5 bspw. in Form gewinnabhängig gestaffelter Verzinsungen. Ökonomisch sind dies schließlich Zahlungen, die sich von der komplett gewinnabhängigen Vergütung nur dadurch unterscheiden, dass die Vergütung lediglich teilweise am Gewinn des Schuldners orientiert ist. Grundsätzlich keine Gewinnabhängigkeit bewirken Wandlungsrechte (s. Rz. 29).

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Teilweise Gewinnabhängigkeit genügt. „Beteiligt am Gewinn“ bedeutet nach dem üblichen Wortlautverständnis nicht zwingend den Anspruch auf den vollen kapitalquotalen Gewinn, sondern ggf. nur auf einen Bruchteil dieses kapitalquotalen Gewinns. Daher ist auch eine nur teilweise gewinnabhängige Vergütung 1 Pöllath/Löbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 9. 2 RL 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003, ABl. EU 2003 Nr. L 157, 49, geändert durch die RL 2004/66/EG des Rates v. 26.4.2004, ABl. EU 2004 Nr. L 168, 35. 3 Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a und c EStG, s.u. Rz. 39. 4 BT-Drucks. 15/3679, 20. 5 Wagner in Blümich, § 50g EStG Rz. 72.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 30 Art. 11

gewinnabhängig im Sinne des § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG. Wegen der hohen Flexibilität in der rechtlichen Ausgestaltung von Genussrechten, stillen Beteiligungen, partiarischen Darlehen, Gewinnobligationen etc.1 sind diverse Kombinationen nicht gewinnabhängiger und gewinnabhängiger Vergütungen denkbar. Liegt nur überhaupt ein dem Grunde und der Höhe nach gewinnabhängiges Element vor, ist bereits insgesamt die Gewinnabhängigkeit im Sinne des § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG gegeben, da eine teilweise Gewinnabhängigkeit genügt. Referenzgröße muss aber der Gewinn sein, keine andere Größe. Beispielsweise sind umsatzabhängig bemessene Zinsen nicht „gewinnabhängig“.2 Grundsätzlich genügt auch spartenbezogene Gewinnabhängigkeit. Entsprechend der Überlegung, dass keine volle Gewinnbeteiligung erforderlich ist, genügt auch eine spartenbezogene Gewinnbeteiligung, sofern diese einen Teil des gesamten Gewinns des Schuldners umfasst. Der Ausschluss einer Gewinnabhängigkeit kann sich in diesen Fällen nur dann ergeben, wenn anhand des zusammengefassten Ergebnisses aller Sparten insgesamt gar kein Gewinn vorliegt und dennoch eine Vergütung zu zahlen ist. Dies wird allerdings verkehrstypischerweise durch eine Vereinbarung ausgeschlossen, wonach eine Auszahlung erst im Zeitpunkt der Wiedererreichung der Gesamtprofitabilität erfolgt (s. Rz. 30).

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Zinsen auf Wandelanleihen/-schuldverschreibungen sind grundsätzlich nicht gewinnabhängig. Grundsätzlich (zu Ausnahmen s.u. Rz. 81) nicht gewinnabhängig sind nach der Gesetzesbegründung Zinsen auf Wandelanleihen.3 Rechtstechnisch hat dies den Hintergrund, dass nach dem deutschen Recht Wandelanleihen in aller Regel bis zur Wandlung wie Fremdkapital und erst ab der Wandlung wie Eigenkapital behandelt werden. Wird vor der Wandlung eine nicht an den Gewinn gekoppelte Vergütung geschuldet, kann man angesichts dieser strikten Trennung Gewinnabhängigkeit ausschließen, indem man gedanklich die Wandelanleihe in eine nicht gewinnabhängig verzinste Forderung einerseits und das eingebettete Derivat, die Kaufoption andererseits zerlegt. Da auf diese Weise Ungleichbehandlungen von Wandelschuldverschreibungen gegenüber Optionsanleihen verhindert werden, bei denen zwei tatsächlich separate handelbare Instrumente gegeben sind, ist die Gesetzesbegründung sachgerecht. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass die Frage, ob die Kaufoption anfangs am Geld, im Geld oder aus dem Geld liegt, bei marktüblicher Preisbildung die Höhe der Vergütung für die Kapitalüberlassung direkt beeinflusst. Beispielsweise wird ein bereits im Geld befindliches Wandlungsrecht typischerweise mit einer Verzinsung kompensiert, die unterhalb derer vergleichbarer Darlehen ohne Wandlungsrecht liegt. Ökonomisch handelt es sich bei zergliedernder Betrachtung um nichts anderes als eine Aufrechnung der Zahlungsströme aus der Verzinsung der Forderung einerseits und aus dem Erwerb des eingebetteten Derivats andererseits. Diese gedachte Aufrechnung bewirkt keine gewinnabhängige Verzinsung des Forderungselements, das gewinnabhängige Element liegt im getrennt zu betrachtenden Derivat. Dem steht auch nicht Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der RL entgegen, wonach die Mitgliedstaaten die Vorteile der RL nicht bei Forderungen gewähren müssen, die den Gläubiger berechtigen, seinen Anspruch auf Zinszahlungen gegen einen Anspruch auf Beteiligung am Gewinn des Schuldners einzutauschen. Einerseits hat von dieser konkreten Ausschlussermächtigung Deutschland keinen expliziten Gebrauch gemacht und andererseits wird bei einer Wandelschuldverschreibung oder Optionsanleihe in aller Regel nicht der Coupon in eine gewinnabhängige Vergütung getauscht, sondern die Kapitalforderung nebst ggf. aufgelaufener Forderungen aus nicht gewinnabhängigen Zinsen in einen Anteil/eine Aktie.

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Verlustunabhängige Vergütungen sind grundsätzlich nicht gewinnabhängig. Zuzustimmen ist der Auffassung, dass jedenfalls die Zahlung einer Vergütung auch im Verlustfall mit dem Wesen einer Gewinnbeteiligung nicht zu vereinbaren ist.4 Auf den ersten Blick mutet die Vorstellung merkwürdig an, dass durch ein als gewinnabhängig konzipiertes Vergütungsinstrument überhaupt in Verlustsituationen eine Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung entstehen soll. Praktisch ist dies aber in der Situation denkbar, dass die Vergütung auf den Gewinn einer Sparte bezogen ist, die in einem konkreten Jahr profitabel ist, während bei Gesamtbetrachtung aller Sparten der Schuldner im selben Jahr defizitär ist. Derartige spartenbezogene Instrumente sind nicht ungebräuchlich. Verkehrstypisch ist allerdings bei diesen Instrumenten eine Stundung, d.h. Nichtauszahlung im Verlustjahr nebst Herausschieben der Fälligkeit bis zur Wiedererreichung der Profitabilität des Schuldners insgesamt, d.h. bis zu dem Jahr, in dem der Schuldner wieder insgesamt ein positives Jahresergebnis erzielt. Ein derartiges Herausschieben über mehrere Verlustjahre ist dabei ebenfalls nicht unüblich. Eine solche verkehrstypische Vereinbarung sollte die Gewinnabhängigkeit des Vergütungselements bewirken, während die verkehrsatypische Vereinbarung einer Auszahlung auch in Verlustjahren sie widerle-

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1 S.u. ABC der hybriden Instrumente, Rz. 72 ff. 2 Wagner in Blümich, § 50g EStG Rz. 72. 3 BT-Drucks. 15/3679, 20, worauf Wagner in Blümich, § 50g EStG Rz. 72 verweist. S. außerdem BMF v. 26.4.2004 – IV B 4 - S 1316 - 8/04, BStBl. I 2004, 479, 5. Abs., wonach Wandelanleihen nicht von den Vorteilen der Richtlinie ausgenommen sein sollen. 4 Kratzsch, BB 2005, 2603 (2607).

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Art. 11 Rz. 30

Zinsen

gen würde. Die Tatsache, dass bei Wiedererreichung der Profitabilität in einem bestimmten Jahr noch ein Bilanzverlust aus der Vergangenheit vorliegen kann, ändert nichts an der Gewinnabhängigkeit einer aufgrund der o.g. verkehrstypischen Vereinbarung in diesem Jahr gezahlten Vergütung. Schließlich ist es angesichts der Existenz anderer (Kapital-)Rücklagen auch bei einfachen GmbH-Anteilen nichts unübliches, dass trotz eines Bilanzverlusts jedenfalls nach Gewinnjahren Ausschüttungen aus diesen Anteilen getätigt werden. Dadurch, dass der künftige Anspruch nicht nur der Fälligkeit, sondern auch weiterhin (spartenbezogen) der Höhe nach gewinnabhängig ist, ist der Fall überdies strikt von dem einer Stundungsabrede (s. hierzu Rz. 38) zu unterscheiden. Wie auch in anderem Zusammenhang ist hier zu berücksichtigen, dass das Unternehmenssteuerrecht grundsätzlich nicht an Zahlungsvorgänge anknüpft, sondern an die handelsrechtliche Rechnungslegung, § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG. Das Unternehmenssteuerrecht ist also grundsätzlich nicht cash flow-orientiert, sondern rechnungslegungsbasiert.1 Bei einer bloßen Stundungsabrede ist die Vergütung bereits entstanden, aber nur noch nicht vor Wiedererreichung der Profitabilität fällig. Dahingegen besteht bei einer spartenbezogenen gewinnabhängigen Vergütung, die in einem Verlustjahr nicht ausgezahlt wird, die Möglichkeit, dass durch künftige Verluste der Sparte auch bei Wiedererreichung der Profitabilität insgesamt gar keine Vergütung geschuldet wird. Die Stundungsabrede begründet also nach Realisationsgrundsätzen für den Emittenten bereits eine nach Grund und Höhe gewisse Verbindlichkeit und für den Empfänger einen korrespondierenden Anspruch. Dahingegen begründet eine bei Verlustjahren nicht auszuzahlende, auch der Höhe nach spartenabhängige gewinnbezogene Vergütung allenfalls eine ungewisse Verbindlichkeit für den Emittenten, aber für den Empfänger auf keinen Fall einen gewissen Anspruch. Nach allgemeinen Grundsätzen genügt eine teilweise Gewinnabhängigkeit der Vergütung, um insgesamt Gewinnabhängigkeit zu bewirken (s. Rz. 27). Dementsprechend lässt auch die Kombination eines im o.g. Sinne spartenbezogenen gewinnabhängigen Vergütungselements, bei Gesamtverlusten nicht durch Zahlungen zu bedienenden Instruments mit einem trotz der Gesamtverluste zu bedienenden (fixen) Vergütungselement die Gewinnabhängigkeit insgesamt unberührt. 31

Ausschluss von Eigenkapitalinstrumenten. Von der Ausschlussermächtigung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Zins-/Lizenzrichtlinie, wonach ein Mitgliedstaat die Vorteile der RL nicht für Forderungen gewähren muss, die nicht mit einer Bestimmung über die Rückzahlung des Kapitals verbunden sind oder bei denen die Rückzahlung mehr als 50 Jahre nach der Begebung fällig ist, hat Deutschland zwar nicht ausdrücklich, aber konkludent bei der Implementierung Gebrauch gemacht. Dies ergibt sich aus der unveränderten Beibehaltung des § 8 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 KStG, da in diesen Fällen unter bestimmten Voraussetzungen nach deutschem Recht Eigenkapital angenommen wird (zur Abgrenzung s. Rz. 61 ff.) und somit nach deutschem Verständnis keine Zinsen, sondern Dividenden gezahlt werden. Allerdings ergeben sich in diesen Fällen regelmäßig ähnliche Quellensteuervorteile aus Vorschriften über Dividenden, z.B. aus der MTRL2 oder aus abkommensrechtlichen Vorschriften.

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Ausweitung der Zins-/Lizenzrichtlinie auf die Schweiz. Infolge eines bilateralen Abkommens der EU mit der Schweiz wurde der Anwendungsbereich der Zins-/Lizenzrichtlinie faktisch auch auf die Schweiz ausgeweitet.3 § 50g Abs. 6 EStG beinhaltet die entsprechende Umsetzung in nationales deutsches Recht.

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Rechtsfolgenunterschiede zwischen Zins-/Lizenzrichtlinie und abkommensrechtlichen Regelungen. Selbst wenn Quellensteuerfreiheit sich bereits aus dem Zinsartikel eines DBA ergibt, kann dennoch die Regelung der Zins-/Lizenzrichtlinie/des § 50g EStG von Vorteil sein. Grund dafür ist, dass auf Basis der RL eine Freistellung im Abzugsverfahren nach § 50d Abs. 2 EStG resultiert, Quellensteuerfreiheit nach einem Abkommen dagegen nur durch eine Erstattung nach vorherigem Abzug erreicht wird, vgl. § 50d Abs. 1 EStG. Umgekehrt sind aus deutscher Sicht die nach § 50g Abs. 5 EStG von der RL unberührten weitergehenden abkommensrechtlichen Vorschriften von besonderer Bedeutung für die nach § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG ausgenommenen gewinnabhängigen Zinsen (s. Rz. 26 ff.) sowie für Zahlungen, die nicht in den persönlichen Anwendungsbereich (Rz. 25) der RL fallen. In Abhängigkeit davon, wie andere Mitgliedstaaten die Ausschlussermächtigungen der RL angewandt haben, ergeben sich entsprechende Rechtsfolgenunterschiede auch aus Sicht dieser Staaten.

1 Zu den weiteren Implikationen dieses Aspekts s. Rz. 38 und Rz. 45. 2 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. EU 2011 Nr. L 345, 8. 3 Abkommen in Form eines Notenwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Zeitpunkt der Anwendung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind, ABl. EU 2004 Nr. L 385, 51, in Verbindung mit dem Beschluss 2004/912/EG des Rates v. 25.10.2004, ABl. EU 2004 Nr. L 385, 50.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 35 Art. 11

ATAD. Mit der europarechtlichen Missbrauchsbekämpfungsrichtlinie (Anti-Tax-Avoidance-Directive I), die durch eine ergänzende Richtlinie (sog. Anti-Tax-Avoidance-Directive II) noch speziell in Bezug auf hybride Finanzierungen modifiziert und ausgeweitet wurde, hat sich der europäische Gesetzgeber darum bemüht, einige OECD-BEPS-Vorgaben umzusetzen. Diese im Folgenden insgesamt als ATAD1 bezeichnete Richtlinie enthält mehrere Vorgaben, die für den Bereich der Finanzierung und damit im Umfeld des Art. 11 OECD-MA von Bedeutung sind. Die EU-Mitgliedstaaten sind nach der ATAD u.a. gehalten, folgende Regelungen zu implementieren: – eine Zinsschrankenregelung ähnlich dem deutschen § 4h EStG/§ 8a KStG, Art. 4 ATAD; – Hinzurechnungsbesteuerungsregelungen ähnlich den deutschen §§ 7 ff. AStG, Art. 7 und 8 der ATAD; – Regelungen zur Bekämpfung einer one-sided deduction oder eines double dip aus hybriden Gestaltungen oder Finanzierungen, Art. 9 der ATAD, was in Deutschland durch § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG sowie § 4i EStG für bestimmte Teilbereiche bereits erledigt ist. Art. 9 der ATAD erfordert jedoch überdies insbesondere die Einführung eines Betriebsausgabenabzugsverbots für Outbound-Vergütungen für die Überlassung von Hybridkapital für den Fall, dass ansonsten eine one-sided-deduction erzielt werden könnte (s.o. Rz. 14). Als „Missbrauchsbekämpfungsweltmeister“ hat Deutschland auch bereits vor der Erarbeitung und Verabschiedung der ATAD weite Teile der ATAD übermäßig umgesetzt. Zur Umsetzung in nationales Recht bedarf es mithin im Wesentlichen lediglich noch eines neuen Betriebsausgabenabzugsverbots für OutboundVergütungen in bestimmten Fällen der Überlassung von Hybridkapital i.S.d. Art. 9 der ATAD. Hinsichtlich dieser Regelung wird es aus praktischer Sicht aber kaum um Missbrauchsbekämpfung gehen, da angesichts abkommensrechtlicher Rücknahme von Quellensteuerreduktionen derartige Finanzierungen ohnehin steuergestalterisch längst nicht mehr vorteilhaft sind, auch ohne Betriebsausgabenabzugsverbot (s.o. Rz. 18, 19). Bei der Einführung dieses neuen Betriebsausgabenabzugsverbots geht es aus deutscher Sicht also primär darum, überschießende Tendenzen einzugrenzen. Dies ist zunächst einmal eine Notwendigkeit höherrangigen primären Europarechts; die Grundfreiheiten des EuGH sind als primäres Europarecht schließlich Maßstab der Umsetzung sekundären Europarechts in nationales Recht, d.h. nachteiligere Rechtsfolgen als in vergleichbaren Inlandsfällen sind unter dem Gesichtspunkt des aus den Grundfreiheiten resultierenden Diskriminierungsverbots zu unterbinden.2 Die Rechtsfolgen der Umsetzung sekundären Europarechts dürfen im grenzübergreifenden Fall auch grundsätzlich nicht belastender sein als in einem vergleichbaren Inlandsfall, und damit keine (offene oder verdeckte) Diskriminierung gegenüber den Inlandsfällen auftritt, müssen die entsprechenden Inlandsfälle auch unter faktischen Gesichtspunkten überhaupt vergleichbar und bei empirischer Betrachtung hinreichend relevant sein, nicht bloß theoretischer Natur. Dieser Aspekt bedeutet im Hinblick auf Deutschland insbesondere, dass die ATAD i.V.m. den europäischen Grundfreiheiten verlangt, die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der §§ 7 ff. AStG dergestalt gegenüber geltendem Recht zurückzunehmen, dass nicht bspw. wegen der Niedrigbesteuerungsgrenze von 25 % aufgrund der GewSt die Steuerlast höher sein kann als im vergleichbaren Inlandsfall. So bedeutet dies für §§ 7 ff. AStG bspw., dass Rechtsfolgenidentität gegenüber § 8b KStG im Falle der Erzielung von Beteiligungserträgen über Zwischengesellschaften i.S.d. §§ 7 ff. AStG gewährt wird. Überdies sind unter Wettbewerbs- und standortpolitischen Aspekten überschießende Tendenzen einzugrenzen; dies betrifft insbesondere den Bereich des Art. 9 der ATAD, Zinsaufwand aus genuinen Mittelbeschaffungen am Kapitalmarkt ist von dem Anwendungsbereich des neuen Betriebsausgabenabzugsverbots auszunehmen.3 Angesichts der aktuellen allgemeinen steuerpolitischen Ausrichtung drohen auf dem Gebiet der Finanzierung aus einer nicht auszuschließenden überschießenden deutschen Umsetzungsgesetzgebung diverse neue Doppelbesteuerungsprobleme.

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Gewerbesteuerliche Hinzurechnungen keine Quellensteuer im Sinne der Richtlinie. Der EuGH4 hat entschieden, dass die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Schuldzinsen beim Schuldner keine Quellensteuererhebung im Sinne der Zins-/Lizenzrichtlinie ist. Die Urteilsbegründung stützt sich dabei auf die Tatsache, dass die Erhöhung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage beim Schuldner die Zahlung der vereinbarten Zinsen an den Gläubiger der Höhe nach unverändert lässt. Diese Urteilsbegründung ist in ökonomi-

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1 S.o. Rz. 1 Fn. 1. 2 Anhand der Mutter-Tochter-Richtlinie hat der EuGH für den Bereich des Steuerrechts bereits explizit entschieden, dass bei der Umsetzung sekundären Europarechts in nationales Recht der Prüfmaßstab das „im Lichte der Grundfreiheiten“ auszulegende sekundäre Europarecht ist, EuGH v. 18.9.2003 – C-168/01 – Bosal Holding, ECLI:EU:C: 2003:479, dazu Körner, BB 2003, 2436. Anhand dieser äußerst grundsätzlichen Rechtsprechung wird deutlich, dass typischerweise nicht sekundäres Europarecht gegen primäres Europarecht verstößt, sondern die verfehlte nationale Umsetzung der Vorgaben sekundären Europarechts gegen primäres Europarecht, wenn sie bspw. den grenzübergreifenden Fall schlechter stellt als den inländischen. 3 Körner, RdF 2018, 125 ff. 4 EuGH v. 21.7.2011 – C-397/09 – Scheuten Solar, ECLI:EU:C:2011:499.

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Art. 11 Rz. 35

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scher Hinsicht verfehlt, da das allgemeine Besteuerungskonzept für Zinsen grundsätzlich einen Abzug beim Schuldner nebst Besteuerung beim Empfänger vorsieht. Durch die gewerbesteuerliche Hinzurechnung wird insoweit eine Ineffizienz geschaffen, der Schuldner hat theoretisch die entsprechenden Beträge nicht mehr als Vergütung für den Gläubiger zur Verfügung.1 Viel wichtiger ist jedoch, dass in dem EuGH-Urt. keine Auseinandersetzung mit primärem Europarecht erfolgte, obwohl dieses dem sekundären Richtlinienrecht normenhierarchisch vorgeht. RL sind nach der Rspr. des EuGH im Lichte der höherrangigen Grundfreiheiten auszulegen.2 Etwaige von der RL nicht erfasste Bereiche sind somit erst Recht am Maßstab der Grundfreiheiten zu prüfen. Dass der EuGH keine Grundfreiheitenprüfung vornahm, ist wohl der Tatsache geschuldet, dass der EuGH vom BFH im Vorabentscheidungsverfahren angerufen wurde und dass dabei die vom BFH formulierten Vorlagefragen ausschließlich auf die RL abzielten.3 Da zumindest im realtypischen inländischen Konzernsachverhalt wegen der Existenz einer Organschaft und der damit verbundenen gewerbesteuerlichen Betriebsstättenfiktion (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) bei Zahlungen innerhalb des Inlandskonzerns faktisch keine Schuldzinsen-Hinzurechnung erfolgt, wäre die Frage hochinteressant gewesen, ob darin eine unzulässige Diskriminierung des vergleichbaren grenzüberschreitenden Falls liegt. Diese lässt sich jedenfalls nicht mit dem einfachen Hinweis auf die EuGH-Rspr. zur grenzüberschreitenden Verlustnutzung ausschließen. Insbesondere halte ich es für unzulässig, diese Diskriminierung als bloße Konsequenz der Organschaft als hinzunehmend zu deklarieren, etwa mit dem Argument, die Organschaft müsse wegen des EuGH-Urt. „Marks & Spencer“4 grundsätzlich nicht grenzübergreifend installiert werden, ein grenzübergreifender Verlustimport sei nach diesem Urt. nur im seltenen Ausnahmefall geboten. Dazu muss man in aller Deutlichkeit sagen, dass es hier nicht um die in „Marks & Spencer“ diskutierte Frage des Verlustimports geht und dass generell eine Flucht in die Organschaftsnormen nicht im Geringsten von der Beachtungsnotwendigkeit europäischen Rechts entbindet. Überdies wurde im EuGH-Urt. „Marks & Spencer“ zu all dem nichts gesagt, da es dort nicht um das System der deutschen Organschaft ging, so dass derartige Überlegungen deutliche Überinterpretationen wären. Es erscheint daher eher fraglich, aus der EuGH-Entscheidung „Marks & Spencer“ abzuleiten, man könne praktisch jede Regelung durch den Import in das Geflecht der Organschaftsvorschriften europarechtskonform machen.5 Es ist vielmehr entsprechend früherer EuGH-Rspr. zu einem gewerbesteuerlichen Hinzurechnungstatbestand,6 der allerdings seinerzeit noch offen diskriminierend war, angesichts der realtypischen Situationen eine nicht zu rechtfertigende verdeckte Diskriminierung gegeben. 36

Primärrechtliches Verbot der Quellensteuererhebung auf Bruttobasis? Die Vorgaben der Zins-/Lizenzrichtlinie lassen weitergehende europarechtliche Vorgaben, wie das allgemeine Diskriminierungsverbot aus den höherrangigen europarechtlichen Grundfreiheiten unberührt. Hinsichtlich der Besteuerung natürlicher Personen hat der EuGH zwar nicht für Zinsen, aber für andere quellensteuerpflichtige Einkünfte entschieden, dass es eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung bewirkt, wenn im Falle eines beschränkt Steuerpflichtigen eine definitive, also nicht erstattungsfähige Quellensteuer auf die Einnahmen und nicht auf die Einkünfte, also auf Brutto- und nicht auf Nettobasis erhoben wird, während bei Gebietsansässigen im Gegensatz dazu nur die Nettobeträge, also die Einkünfte besteuert werden.7 Hinsichtlich der zu berücksichtigenden Betriebsausgaben befinden sich Gebietsansässige und Gebietsfremde in einer vergleichbaren Situation, da diese Ausgaben unmittelbar mit der Tätigkeit zusammenhängen, welche in beiden Fällen in demselben Staat besteuert wird, nämlich demjenigen, der hinsichtlich der Gebietsfremden der Quellenstaat, hinsichtlich der Gebietsansässigen der Herkunftsstaat ist.8 Da anderenfalls ein Liquiditätsnachteil entstünde, welcher auch einen Verstoß gegen Grundfreiheiten begründen kann,9 ist die Möglichkeit einer Erstattung nicht genügend, um einen Verstoß gegen Europarecht zu verhindern. Es muss auch die Möglichkeit einer Freistellung bzw. der teilweisen Nichterhebung der Quellensteuer bei der Glaubhaftmachung voraussichtlicher Ausgaben geben, analog § 50d Abs. 2 EStG. Unklar ist die Rechtslage bei nach DBA-Vorschriften reduzierten Quellensteuersätzen, wie bei Art. 11 Abs. 2 OECD-MA. Es ist davon auszugehen, dass ein Verstoß nur in Betracht kommt, wenn der durch DBA reduzierte Satz höher ist als derjenige, der sich ergäbe, würden die Einkünfte, also die Nettobeträge, zum nicht reduzierten Satz besteuert. Praktisch ist dies allerdings aufgrund der Üblichkeit von Margengeschäften (s. Rz. 2) der Regelfall. 1 Die Problematik ähnelt der Problematik der Quellensteuer, die theoretisch der Gläubiger trägt, dieser aber regelmäßig dem Schuldner durch gross-up überwälzt, falls sie nicht ausgeschlossen werden kann, s.o. Rz. 5. 2 EuGH v. 18.9.2003 – C-168/01 – Bosal Holding, ECLI:EU:C:2003:479, dazu Körner, BB 2003, 2436. 3 BFH v. 27.5.2009 – I R 30/08, FR 2010, 139. 4 EuGH v. 13.12.2005 – C-446/03 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2005:763. 5 Körner, Ubg. 2011, 610 (616, zu Zinsschranke, 5 %-Regelung und gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen). 6 EuGH v. 26.10.1999 – C-294/97 – Eurowings, ECLI:EU:C:1999:524, Rz. 38. 7 EuGH v. 12.6.2003 – C-234/01 – Gerritse, ECLI:EU:C:2003:340, Ls. 1 sowie Rz. 25–29. 8 EuGH v. 12.6.2003 – C-234/01 – Gerritse, ECLI:EU:C:2003:340, Rz. 27. 9 Vgl. dazu EuGH v. 8.3.2001 – verb. Rs. C-397/98, C-410/98 – Hoechst/Metallgesellschaft, ECLI:EU:C:2001:134.

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 38 Art. 11

3. Innerstaatliches Recht Quellensteuerfreiheit von Outbound-Zinszahlungen. Nach deutschem Steuerrecht sind Outbound-Zinszahlungen für Darlehen grundsätzlich nicht quellensteuerpflichtig, im Gegensatz zu den meisten vergleichbaren innerdeutschen Zahlungen. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a und c EStG, da dort für Outbound-Zinszahlungen nur in bestimmten Ausnahmefällen, nicht aber im Grundsatz Quellensteuerpflicht angeordnet ist. Insbesondere gilt die grundsätzliche Quellensteuerfreiheit nicht nur für festverzinsliche, sondern auch für variabel verzinsliche Darlehen. Damit bei variabler Verzinsung Quellensteuerfreiheit vorliegt, darf es sich aber bei der variablen Verzinsung nicht um eine gewinnabhängige Verzinsung1 handeln. Vielmehr muss die Höhe der variablen Vergütung an eine externe Referenzgröße gekoppelt sein, bspw. den Monats- oder Dreimonats-Euribor oder an einen anderen Referenzzins. Mit Ausnahme der Immobiliarbesicherung2 ist die Gestellung von Sicherheiten für die Quellensteuerfreiheit unschädlich. Auch die Nachrangigkeit einer Darlehensverbindlichkeit ist für die Quellensteuerfreiheit unschädlich. Deshalb wird diese generelle Regelung herkömmlicherweise3 insbesondere für die Emission verkehrstypischer Nachrangdarlehen genutzt. Hintergrund dieser allgemeinen Quellensteuerfreiheit „normaler“ Zinszahlungen ist, dass die Refinanzierung der öffentlichen Hand nicht verteuert werden soll. Wäre es bspw. der Fall, dass Outbound-Zinsen auf deutsche öffentliche Schuldverschreibungen grundsätzlich quellensteuerpflichtig wären, würden die ausländischen Inhaber dieser Schuldverschreibungen einen gross-up (s. Rz. 5) einfordern, wenn sie entweder mangels Existenz eines DBA oder mangels kompletter Quellensteuerfreiheit nach einem DBA die Zinsen gemindert um eine Quellensteuerbelastung erhalten würden. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die grundsätzliche Quellensteuerfreiheit von Outbound-Zinszahlungen auf absehbare Zeit nicht vom Gesetzgeber beseitigt werden dürfte. Da ohnehin viele DBA sowie die EU-Zins-/Lizenzrichtlinie (s. Rz. 24 ff.) für Outbound-Zinszahlungen Quellensteuerfreiheit ermöglichen, ist auch nicht zu befürchten, dass eine Quellensteuerpflicht nur für Zinszahlungen privatrechtlicher, nicht aber öffentlichrechtlicher Schuldner eingeführt würde. Wünschenswert wäre es allerdings, dass die Quellensteuerfreiheit nicht nur für Outbound-Zahlungen, sondern auch in innerdeutschen Fällen angeordnet würde. Damit würde Deutschland gegenüber den klassischen Emissionsstandorten wie den Niederlanden und Luxemburg in standortpolitischer Hinsicht aufholen und vermutlich gar nicht unbedingt ein geringeres Steuersubstrat generieren, insbesondere für den Fall, dass zugleich durch Einführung eines Steuerabzugs für Eigenkapitalkosten die Eigenkapitalbildung inzentiviert würde (s. dazu Rz. 13).

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Schädlichkeit einer Stundungsabrede für die Quellensteuerfreiheit von Outbound-Zinszahlungen. Nach einem nicht in der amtl. Sammlung veröffentlichten BFH-Urt.4 kann sich die Quellensteuerpflicht bereits aus einer Stundungsabrede ergeben. Eine Stundungsabrede beinhaltet die Vereinbarung, dass bei einer Verlustsituation des Schuldners Zinsen zwar geschuldet werden, aber die Fälligkeit dieser Zinsen auf den Zeitpunkt herausgeschoben wird, zu dem der Schuldner wieder profitabel ist. Eine Stundungsabrede bedeutet also keine strikte Gewinnabhängigkeit der Verzinsung nach Grund, Höhe und Fälligkeit. Es handelt sich also um keine klassische gewinnabhängige (partiarische) Vergütung, die in Verlustjahren des Schuldners überhaupt nicht entsteht und in Gewinnjahren des Schuldners einem bestimmten Prozentsatz des Gewinns des Schuldners entspricht. Vielmehr bedeutet eine Stundungsabrede, dass eine Vergütung nicht dem Grunde nach, sondern lediglich der Fälligkeit nach gewinnabhängig ist. Das deutsche Unternehmenssteuerrecht ist wie die Systeme der meisten Staaten grundsätzlich nicht cash flow-orientiert, sondern rechnungslegungsbasiert (s. zu den weiteren Implikationen dieses Aspekts Rz. 30 und Rz. 45). Daher ist eine mangels Fälligkeit lediglich noch nicht zahlungswirksame, aber für einen späteren Fälligkeitszeitpunkt fixierte Zinszahlungsverpflichtung im Grundsatz bereits steuerlich entstanden. Sie unterscheidet sich daher massiv von einer Vergütung, die bei Verlusten gar nicht entsteht. Dieser Unterschied zeigt, dass die Generalisierung des Urt. problematisch wäre. Obwohl keine Gewinnabhängigkeit dem Grunde und der Höhe nach, sondern nur der Fälligkeit nach (Stundungsabrede) vorlag, nahm der BFH im konkreten Fall an, dass es sich nicht um den Normalfall quellensteuerfreier Darlehenszinsen handelte, sondern um den Ausnahmefall quellensteuerpflichtiger Zinsen für ein partiarisches Darlehen. In der Literatur wird zu Recht vertreten, dass die Entscheidung den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls geschuldet ist und dass die Charakterisierung als partiarisches Darlehen im konkreten Fall nur durch das Hinzutreten weiterer Elemente, nicht aber durch die Stundungsvereinbarung an sich begründet wurde.5 Für den Ausnahmecharakter spricht ganz wesentlich, dass mangels Veröffentlichung in der amtl. Sammlung die Finanzverwaltung sich dieses Urt. nicht zu Eigen

38

1 2 3 4 5

Die Abgrenzung ist m.E. dieselbe wie im Rahmen des § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG, s. Rz. 26 ff. Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa. Zur Frage der Quellensteuerpflicht aufgrund der bei Nachrangdarlehen üblichen Stundungsabrede s. Rz. 38. BFH v. 22.6.2010 – I R 78/09, BFH/NV 2011, 12. Rödding/Dann, IStR 2011, 342.

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Art. 11 Rz. 38

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gemacht hat. Vor diesem Hintergrund kann man in der Praxis jedenfalls in den Fällen, in denen durch ein konkretes DBA komplette Quellensteuerfreiheit von Zinsen angeordnet wird, auch weiterhin in Fällen einer bloßen Stundungsvereinbarung grundsätzlich von der Quellensteuerabführung absehen. Zwar bleiben nach § 50d Abs. 1 EStG Entrichtungspflichten durch DBA-Quellensteuerreduktionen/-befreiungen grundsätzlich unberührt, es gilt der Grundsatz der Abführung nebst Erstattung. Es spricht hier aber vieles dafür, dass gar keine Abführungsverpflichtung besteht. Überdies besteht entsprechend dem Gedanken des Vorrangs des Veranlagungsvor dem Abzugsverfahren1 bei DBA mit Quellensteuerbefreiung kein echtes ökonomisches Interesse des Fiskus an der Quellensteuererhebung nebst umgehender Erstattung. Daher wäre es grob unbillig, dem Steuerpflichtigen wegen eines „Ausreißer“-Urteils ein aufwändiges Abzugs- und Erstattungsverfahren und vor allem einen Liquiditätsnachteil bei Transaktionen, wie bspw. verkehrstypischen Nachrangdarlehen, aufzuerlegen, die seit Jahrzehnten von allen Beteiligten am Kapitalmarkt als quellensteuerfrei eingestuft worden sind. 39

Quellensteuerpflicht bei Immobiliarbesicherung oder Gewinnabhängigkeit der Vergütung. Für praktisch alle anderen nicht unter Rz. 37 genannten Formen der von Art. 11 erfassten Fremdkapitalüberlassung ordnet das deutsche Recht die Quellensteuerpflicht entsprechender Outbound-Vergütungen an. Quellensteuerpflichtig sind insbesondere Zinserträge aus in Deutschland immobiliarbesicherten Darlehen.2 Hat der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitungssitz oder statutarischen Sitz im Inland, sind quellensteuerpflichtig ferner Zinserträge aus typischen stillen Beteiligungen,3 Wandelanleihen,4 Gewinnobligationen,5 obligationsähnlichen6 und eigenkapitalähnlichen7 Genussrechten sowie Zinssurogate, die bei der Veräußerung der Zinsscheine oder der Wertpapiere im Rahmen von sog. Tafelgeschäften erzielt werden.8 Die Höhe der Quellensteuer beträgt nach § 43a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG 25 %. Zuzüglich SolZ ergibt sich eine Belastung von 26,375 %. Ist Empfänger der Vergütung eine in Deutschland beschränkt steuerpflichtige Körperschaft, werden nach § 44a Abs. 9 EStG 2/5 der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer erstattet, so dass anstelle der 25 %igen Belastung eine 15%ige Belastung tritt; weitergehende Entlastungen aufgrund Abkommens- oder Richtlinienrecht bleiben unberührt. Im Falle der Quellensteuerpflicht durch bloße Immobiliarbesicherung kann im Anwendungsbereich der Zins-/Lizenzrichtlinie im Ergebnis trotz grundsätzlicher Quellensteuerpflicht nach nationalem Recht Quellensteuerfreiheit von vornherein erzielt werden, da unter den Voraussetzungen der RL die Freistellung im Abzugsverfahren gewährt wird, vgl. §§ 50d Abs. 2, 50g EStG (s. Rz. 33). Für jegliche Form gewinnabhängiger Vergütung, insbesondere also bei typischen stillen Beteiligungen und Genussrechten, ergibt sich jedoch wegen § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG die Unanwendbarkeit der Freistellung im Abzugsverfahren. Es bleibt selbst im Falle eines die Quellensteuer ausschließenden DBA bei der Abführung nebst Erstattung, § 50d Abs. 1 EStG. Für die Praxis bedeutet dies einen wesentlichen Verfahrensaufwand und Liquiditätsnachteil.9

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Bekämpfung des Treaty-Shopping durch § 50d Abs. 3 EStG. § 50d Abs. 3 EStG schließt in bestimmten Fällen Abkommensvergünstigungen aus. Dadurch sollen missbräuchliche Durchleitungskonstruktionen zur Erschleichung von Abkommensvorteilen verhindert werden, sog. Treaty-Shopping. § 50d Abs. 3 EStG zielt dabei auf Quellensteuerreduktionen/-erstattungen auf Outbound-Zahlungen aus deutscher Sicht und betrifft daher unter anderem den Bereich nach nationalem Recht quellensteuerpflichtiger (s. Rz. 39) Zinszahlungen aus Deutschland ins Ausland. Der Grundgedanke des § 50d Abs. 3 EStG ist daher, dass einer in einem ausländischen Staat ansässigen Gesellschaft Abkommens- und Richtlinienvorteile in all den Fällen versagt werden sollen, in denen der Gesellschafter dieser auslandsansässigen Gesellschaft in einem weiteren Staat ansässig ist und im Falle einer direkten Zahlung aus Deutschland an diesen Gesellschafter kein Anspruch auf identische Abkommens- oder Richtlinienvorteile bestünde (persönlicher Aspekt) und außerdem die Annahme einer missbräuchlichen Durchleitungsgestaltung nicht unter Substanzgesichtspunkten ausgeschlossen ist (sachlicher Aspekt). Dieser in der Theorie einfache Grundgedanke ist jedoch einer praktikablen und zugleich europarechtsauglichen Umsetzung in hinreichend präzise Voraussetzungen offensichtlich nicht zugänglich, wie die jüngste Entwicklung zeigt. Als Reaktion auf ein Vertragsverletzungsverfahren, welches die EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet hatte,10 sind die Voraussetzun1 2 3 4 5 6 7 8 9

BFH v. 28.11.1961 – I 40/60 S, BStBl. III 1962, 107; v. 3.7.1968 – I 191/65, BStBl. II 1969, 4. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Halbs. 2 EStG. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG a.E. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG a.E. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. bb EStG. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Halbs. 1 EStG. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG. Zur Frage der Europarechtswidrigkeit der Quellensteuererhebung auf Bruttobasis, die unter anderem diese Fälle betreffen kann, s.o. Rz. 36. 10 Europäische Kommission v. 18.3.2010 (2007/4435).

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A. Grundaussagen der Vorschrift

Rz. 41 Art. 11

gen des § 50d Abs. 3 EStG durch den Gesetzgeber etwas liberalisiert worden.1 Nach wie vor erfordert die (teilweise) Versagung von Abkommens-/Richtlinienvorteilen nach der (Grund-)Regelung des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG die kumulative Erfüllung sowohl einer persönlichen als auch einer sachlichen Komponente. Unverändert ist die persönliche Voraussetzung. Ausgangspunkt ist also, dass die Gesellschafter der auslandansässigen Gesellschaft im Falle einer hypothetischen direkten Zahlung keinen Anspruch auf identische Abkommensvorteile hätten, § 50d Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG. Leicht entschärft wurde die sachliche Komponente des § 50d Abs. 3 Satz 1 Halbs 2 EStG. Zuvor genügte es in sachlicher Hinsicht für die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG, wenn entweder für die Einschaltung der Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlten oder die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 Prozent ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielte oder die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnahm; die Schädlichkeit konnte also über jede einzelne dieser Varianten für sich begründet werden. Nunmehr ist die sachliche Schwelle für die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG insofern erhöht worden, als kumulativ erforderlich ist, dass die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen und außerdem kein Escape-Tatbestand erfüllt ist. Alternativ erfüllbare Escape-Tatbestände sind dabei die Existenz wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder die Teilnahme der ausländischen Gesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG). Unverändert erhalten geblieben ist der generelle Escape § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG, wonach alle Gesellschaften ausgenommen sind, die substanziell börsengehandelt sind oder in den Anwendungsbereich des InvStG fallen. Zwar bewirkt die Neufassung der sachlichen Komponente des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG aus Sicht der Steuerpflichtigen theoretisch eine Erleichterung gegenüber der vorherigen Fassung. Jedoch sind aus praktischer Sicht im Gegensatz zu dem Escape des § 50d Abs. 3 S. 5 EStG die Escapes des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG trotz der gesetzlichen Änderung immer noch deshalb schwierig zu erfüllen, da die Regelungen eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe2 beinhalten, die Feststellungslast für die entsprechenden Tatsachen der ausländischen Gesellschaft aufgebürdet ist (§ 50d Abs. 3 Satz 4 EStG) und da für Zwecke dieser Escape-Vorschriften ausschließlich die Verhältnisse der ausländischen Gesellschaft maßgebend sind, nicht aber die Verhältnisse nahestehender Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG (§ 50d Abs. 3 Satz 2 EStG). Die praktische Schwierigkeit, einen Escape zu bemühen, wird außerdem durch die unverändert beibehaltene Regelung des § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG erschwert. Danach fehlt es an einer eigenen Wirtschaftstätigkeit, soweit die ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erzielt oder ihre wesentlichen Geschäftstätigkeiten auf Dritte überträgt. Europarechtsinkonformität von § 50d Abs. 3 EStG. In der Pauschalität, wie § 50d Abs. 3 EStG Abkommensvorteile ausschließt, ist er gleichermaßen wie entsprechende abkommensrechtliche (Limitation on Benefits-)Regelungen mit der europäischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit unvereinbar (s. Rz. 22), was sowohl für § 50d Abs. 3 EStG a.F. (2007)3 als auch für die aktuelle Fassung des § 50d Abs. 3 EStG durch den EuGH bestätigt worden ist.4 Sowohl hinsichtlich § 50d Abs. 3 EStG a.F. als auch hinsichtlich der aktuellen Fassung des § 50d EStG war die Europarechtsinkonformität jeweils in der Pauschalität der Regelung begründet; eine europarechtlich zulässige Bekämpfung von Missbräuchen ist nur auf Basis einer konkreten Einzelfallprüfung, nicht aber in derart genereller Weise möglich. Vermögensverwaltung, Outsourcing oder die Nutzung konzerninterner Synergien generell zu inkriminieren, wie es der Regelungsmechanismus des § 50d Abs. 3 EStG a.F. tat, ist nicht europarechtskonform. Vor allem ist auch eine Umkehr der Beweislast, die das Treaty-Shopping als Regelfall annimmt und dem Steuerpflichtigen den in der Praxis vielfach nicht führbaren Nachweis aufbürdet, dass ausnahmsweise kein Treaty-Shopping vorliegt, unverhältnismäßig. Es widerspricht dem EU-Recht, im Rahmen des § 50d Abs. 3 EStG höhere Substanzanforderungen zu stellen als bspw. im Rahmen des § 8 Abs. 2 AStG, dem Substanz-Escape von den deutschen CFC-Regelungen (s. Rz. 42). Bezüglich der CFC-Regelungen sind die Vorgaben des EuGH äußerst strikt. Eine ausländische Ge1 Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – BeitRLUmsG), BT-Drucks. 17/7469. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171interpretiert diese unbestimmten Rechtsbegriffe überwiegend verschärfend und zum Teil durch Verwendung weiterer unbestimmter Rechtsbegriffe – in der Praxis kann bspw. niemand sagen, was geschäftsleitende Funktionen und Führungsentscheidungen im Sinne der Tz. 5.3 des Schreibens sein sollen. 3 EuGH v. 20.12.2017 – C-504/16 u. C-613/16 – Deister Holding und Juhler Holding, ECLI:EU:C:2017:1009 = GmbHR 2018, 427. 4 EuGH v. 14.6.2018 – C-440/17 – GS, ECLI:EU:C:2018:437; s. Vorlagebeschl. FG Köln v. 17.5.2017 – 2 K 773/16, EFG 2017, 1518.

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sellschaft darf demnach nur dann einer CFC-Besteuerung unterworfen werden, wenn sie in ihrem Sitzstaat keine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit in einer festen Einrichtung über eine gewisse Zeit ausübt. Ist eine solche Präsenz jedoch gegeben, sind sogar steuerliche Motive unschädlich. Eine nicht wirkliche Präsenz, die als einzige bekämpft werden darf, ist gem. dem EuGH-Urt. „Cadbury Schweppes“ praktisch ausschließlich bei bloßen Briefkastengesellschaften anzunehmen; dieser Maßstab gilt nunmehr auch im Hinblick auf AntiTreaty-Shopping-Regelungen. 42

Konzernfinanzierung und §§ 7 ff. AStG. Vielfach etablieren multinationale Konzerne mit deutscher Obergesellschaft Konzernfinanzierungsgesellschaften im europäischen Ausland. Zunehmend wird diese Gestaltungsstrategie aber auch im Mittelstand gebräuchlich. Regelmäßig sind hinsichtlich dieser Gesellschaften die allgemeinen Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung, nämlich Passivität, Niedrigbesteuerung und Deutschbeherrschung erfüllt. Jedoch ist ebenso regelmäßig innerhalb der EU der Substanz-Escape des § 8 Abs. 2 AStG erfüllt. Auch falls verwaltungsseitig umfangreiche Anforderungen gestellt werden sollten, sind die Einschränkungen derartiger Anforderungen durch die Rspr. des EuGH1 zu beachten, die schließlich Anlass für die Etablierung des § 8 Abs. 2 AStG war. In diesem Sinne hat auch jüngst der BFH entschieden, dass die Ausnutzung von Skaleneffekten und anderen Synergien durch schlanke, geschäftsadäquate Personalausstattung bei umfangreicher, geschäftstypischer Eigenkapitalausstattung nicht den Vorwurf der Substanzlosigkeit begründen darf, wenn im Inland ein vergleichbares Geschäft in ähnlich kosteneffizienter Form betrieben würde.2 Die zum Rückversicherungsgeschäft ergangene Rspr. lässt sich nahezu unverändert auf den Bereich der Konzernfinanzierung übertragen. Entsprechendes gilt auch bzgl. mittelständischer Unternehmensgruppen. Die im Finanzierungsbereich vorhandenen Gestaltungschancen (s. Rz. 14) werden somit innerhalb der EU auch nicht im Wege einer indirekten Vorteilskassation über eine Hinzurechnungsbesteuerung zerstört. Darin liegt aus Gestaltungssicht der entscheidende Unterschied zu Nicht-EU-Sachverhalten, weshalb die Auswahl von Nicht-EU-Standorten für Konzernfinanzierungsgesellschaften jedenfalls in einer Situation mit deutscher Obergesellschaft sehr ungebräuchlich geworden ist (s. insbesondere Rz. 198). Der Gebrauch derartiger Finanzierungsgesellschaften dient vielfach weniger der Erzielung von Steuersatzvorteilen als der Abwehr nicht sachgerechter Mehrfachbelastungen aus Regelungen des deutschen Steuerrechts. So würde bspw. der Betrieb eines internationalen cash pools eines Industriekonzerns durch die gewerbesteuerliche Schuldzinsen-Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 GewStG3 in einer Nachsteuerbetrachtung in aller Regel zum Zuschussgeschäft, bis an die Grenze der faktischen/wirtschaftlichen Unmöglichkeit. Es ist leider nicht auszuschließen, dass mit einer vermeintlichen Umsetzung der Vorgaben der ATAD die §§ 7 ff. AStG künftig erneut verschärft würden. Dies würde allerdings angesichts der Vorgaben der europäischen Grundfreiheiten m.E. nicht die gebotene Umsetzung (sekundären) Europarechts in Gestalt der ATAD bedeuten, sondern vielmehr erneute Verstöße gegen (primäres) Europarecht in Gestalt der Grundfreiheiten (s. Rz. 34). Was das Steuersatzgefälle innerhalb der EU angeht, so ist ohnehin einmal der Blick zu wenden; der durchschnittliche nominelle Satz der Unternehmenssteuerbelastung liegt innerhalb der EU bei ca. 20 %. Es ist mithin eher so, dass die deutsche Belastung in Verbindung mit den diversen ertragsunabhängigen Elementen im Bereich der Finanzierung besonders nachteilig ist, als dass im Ausland besondere Vorteile zu erzielen wären. Mithin geht es beim Gebrauch derartiger Finanzierungsgesellschaften weniger um das Nutzen steuerlicher Oasen als um die Flucht vor der immer weiter voranschreitenden steuerlichen Desertifikation im Inland.

B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats (Abs. 1) I. Regelungszweck 43

Unbeschränktes Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats. Entsprechend dem international üblichen Besteuerungskonzept für Zinsen sieht Art. 11 Abs. 1 ein grundsätzlich unbeschränktes Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats des Zinsgläubigers für aus dem anderen Abkommensstaat gezahlte Zinsen vor. Dabei ist der Ansässigkeitsstaat nach Art. 23A/23B verpflichtet, im Rahmen der üblichen Höchstbegrenzung und per-country-limitation Quellensteuern im Sinne des Art. 11 Abs. 2 anzurechnen. Sinn und Zweck des Art. 11 Abs. 1 ist es, das in den meisten Rechtsordnungen übliche symmetrische Besteuerungskonzept für Zinsen auch in grenzüberschreitenden Fällen umzusetzen (s. Rz. 1), was allerdings vielfach wegen der Entste1 EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, ECLI:EU:C:2006:544 = IStR 2006, 670 m. Anm. Körner. 2 BFH v. 13.10.2010 – I R 61/09, BStBl. II 2011, 249. Besonders instruktiv sind diesbezüglich die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz, FG Nds. v. 13.5.2009 – 6 K 476/06, IStR 2009, 624 = EFG 2009, 1721. 3 Bizarrerweise existiert für cash pools operativ geprägter Konzerne anders als für diverse andere Bereiche (vgl. § 19 GewStDV) auch keine Ausnahme von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsregelung des § 8 Nr. 1 GewStG.

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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats (Abs. 1)

Rz. 48 Art. 11

hung von Quellensteuerüberhängen nicht funktioniert. Durch nicht anrechenbare Quellensteuern entstehen häufig Mehrbelastungen gegenüber vergleichbaren Zinszahlungen innerhalb eines Staates (s. Rz. 2 ff.).

II. Zinsen Zinsen sind Einkünfte aus Forderungen. Nach der Legaldefinition des Art. 11 Abs. 3 bedeutet der Ausdruck „Zinsen“ Einkünfte aus Forderungen jeder Art, s. ausführlich Rz. 54 ff.

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Begriff der Zahlung als Hilfsbegriff zum Zinsbegriff. Art. 11 Abs. 1 setzt „Zahlung“ der Zinsen voraus. Der Begriff der Zahlung ist nach Art. 11 Rz. 5 OECD-MK sehr weit auszulegen, da er die Erfüllung der Verpflichtung beinhaltet, dem Gläubiger auf die vertragsmäßige oder übliche Weise Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Der Musterkommentar ist an dieser Stelle nur beispielhaft; statt von Geldmitteln sollte man eher von „Geldeswert“ sprechen, Zahlung ist daher jegliche Art der Erfüllung des Zinsanspruchs, wie auch immer sie geschieht.1 Eigenständige Bedeutung gegenüber dem Zinsbegriff könnte der Begriff des „Zahlens“ nur dann haben, wenn er den Zeitpunkt des Besteuerungszugriffs abkommensrechtlich festlegen würde. Dies lässt sich aber Art. 11 nicht in dieser Deutlichkeit entnehmen, da lediglich davon die Rede ist, dass überhaupt gezahlt wird („gezahlt werden“). Nicht gefordert ist, dass die Zahlung vor dem Besteuerungszugriff liegt, dann hätte die Formulierung lauten müssen: „gezahlt worden sind“. Es lässt sich also aus dem Begriff der Zahlung lediglich die Konsequenz ziehen, dass Zinsen, die gar nicht gezahlt werden, weil bspw. ein Zinsanspruch annulliert wird oder wirtschaftlich durch Insolvenz des Schuldners (teilweise) seinen Wert verliert, auch nicht besteuert werden sollten. Dies sehen aber die meisten nationalen Steuerrechtsysteme ohnehin vor. Der Zeitpunkt der Ausübung der Besteuerungsrechte aus Art. 11 kann im Übrigen frei durch die jeweiligen Steuerrechtsordnungen geregelt werden.2 Wie im deutschen Steuerrecht kommt es in den meiste