Die Wirkung von Direktkommunikation unter Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation: Ansatzpunkte für eine Kommunikationsstrategie des Personal-Marketing [1 ed.] 9783428476299, 9783428076291


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German Pages 479 Year 1993

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Die Wirkung von Direktkommunikation unter Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation: Ansatzpunkte für eine Kommunikationsstrategie des Personal-Marketing [1 ed.]
 9783428476299, 9783428076291

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Schriften zum Marketing Band 35

Die Wirkung von Direktkommunikation unter Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation Ansatzpunkte für eine Kommunikationsstrategie des Personal-Marketing Von

Werner Beba

Duncker & Humblot · Berlin

WERNER

BEBA

Die Wirkung von Direktkommunikation unter Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation

SCHRIFTEN ZUM

MARKETING

hrsg. von Prof. Dr. Erwin Dichtl, Mannheim Prof. Dr. Franz Böcker f, Regensburg Prof. Dr. Hermann Diller, Nürnberg Prof. Dr. Hans H. Bauer, Koblenz Prof. Dr. Stefan Müller, Dresden Band 35

Die Wirkung von Direktkommunikation unter Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation Ansatzpunkte für eine Kommunikationsstrategie des Personal-Marketing

Von

Werner Beba

Duncker & Humblot * Berlin

Gedruckt mit Unterstützung der Universität der Bundeswehr Hamburg

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Beba, Werner: Die Wirkung von Direktkommunikation unter Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation : Ansatzpunkte für eine Kommunikationsstrategie des Personal-Marketing / von Werner Beba. - Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zum Marketing ; Bd. 35) Zugl.: Hamburg, Hochsch. der Bundeswehr, Diss., 1992 ISBN 3-428-07629-X NE : GT

Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0343-5970 ISBN 3-428-07629-X

Vorwort

Die vorliegende Arbeit greift Marketing-Schnittstellen zwischen den Bereichen Kommunikationsstrategie, Direktkommunikation und interpersonelle Kommunikation auf und versucht Ansatzpunkte fiir neue Wege der Gestaltung von kommunikativen Austauschprozessen, die sich zwischen Unternehmen und ihren Zielgruppen vollziehen, aufzuzeigen. Die Anwendung auf das Gebiet des Personal-Marketing bedeutet das Aufgreifen einer weiteren Schnittstelle, die interdisziplinärer Natur ist. Besonders danken möchte ich meinem akademischen Mentor, Herrn Prof. Dr. Hermann Diller, Universität Erlangen-Nürnberg, ohne dessen Ideen, konstruktive Kritik und aktive Unterstützung ein erfolgreicher Abschluß der Arbeit wohl nicht möglich gewesen wäre. Viele Gespräche mit ihm, auch im Vorfeld der Untersuchung, führten zu dem Konzept, wie es sich in der vorliegenden Arbeit widerspiegelt.

Hamburg, im Januar 1993 Werner Beba

Inhaltsverzeichnis Α. Problemstellung und Aufbau der Arbeit /.

Personalgewinnimg

als Problemfeld

des Marketing

19

//. Ziel der Untersuchung

21

III. Gang der Untersuchung

22

B. Herausforderungen für die Kommunikationspolitik I.

Umweltdynamik

II.

Die Intensivierung

und werbliche Kommunikation werblicher Kommunikation

26

1. Die Entwicklung des Werbeaufkommens

26

2. Die Entwicklung der Werbeträger

27

III. Die Entwicklung

der Informationsnutzung

IV. Die Informationsüberlastung V.

24

30

durch werbliche Kommunikation

Konsequenzen für die Kommunikationspolitik

33 36

C. Ansatzpunkte für Kommunikationsstrategien im Personal-Marketing I. Personal-Marketing

als Gestaltungsfeld

strategischer Kommunikationsentscheidungen

1. Zum Begriffsverständnis und zur Charakteristik des Personal-Marketing

42

2. Stellenwert des Personal-Marketing für die betriebliche Praxis

44

2.1. Der Wettbewerbsfaktor Personal im Wandel

44

2.2. Rahmenbedingungen des Personal-Marketing fur die neunziger Jahre

47

3. Wesensmerkmale einer Personal-Marketing-Konzeption

52

3.1. Begriffslegung

52

3.2. Bezug zur Unternehmensstrategie

54

3.3. Coiporate-Identity-Konzept als strategischer Rahmen des Personal-Marketing ..54 3.4. Instrumente der Personal-Marketing-Konzeption

57

3.5. Personalimage als Bestandteil der Personal-Marketing-Kommunikation

59

3.5.1. Begriffliche Abgrenzungen

59

3.5.2. Charakteristische Merkmale des Personalimage

61

41

nsverzeichnis

8

3.5.3. Bedeutung des Personalimage

62

3.5.4. Dimensionen des Personalimage

64

3.5.5. Der Einfluß des Personalimage auf die Praferenzbildung

70

3.5.6. Personal-Marketing-Kommunikation

72

IL Direktkommunikation

als Option des Personal-Marketing

77

1. Begriffliche Grundlagen und Abgrenzungen

77

1.1. Direktweibung als Form nichtpersönlicher Direktkommunikation

80

1.2. Persönliche Direktkommunikation

81

2. Theoretische Grundlagen der Wirkungen von Direktkommunikation 3. Stellenwert der Direktkommunikation

84 91

3.1. Die Bedeutung im Rahmen werblicher Kommunikation

91

3.2. Die Akzeptanz von Direktkommunikation

94

3.3. Der Stellenwert der Direktkommunikation in der Marketingkonzeption

96

3.4. Stellenwert der Direktkommunikation im Personal-Marketing

99

4. Das Kontaktketten-Konzept der Direktkommunikation

102

4.1. Begriffslegung und Charakteristik

102

4.2. Stellenwert von Kontaktketten-Konzepten

104

4.2.1. Kommunikationspolitische Relevanz

104

4.2.2. Die Relevanz von Kontaktketten-Konzepten für das Personal-Marketing 106 4.3. Database-Management zur Implementation von Kontaktketten

108

4.4. Merkmale von Kontaktketten-Konzepten

112

4.4.1. Die Zielbildung in Kontaktketten-Konzepten

113

4.4.2. Kommunikationsinhalte

113

4.4.3. Qualitativer Charakter und Reihenfolge der Maßnahmen

114

4.4.4. Die Dialoginitialisierung

118

4.4.5. Die Dialogfoitpflanzung

120

4.4.6. Der zeitliche Abstand zwischen den Maßnahmen

124

4.5. Ausgestaltungsformen der Kontaktkette

III. Interpersonelle

Kommunikation als werblicher Erfolgs-

124

und Wirkungsfaktor

1. Grundlagen und Abgrenzung der interpersonellen Kommunikation 1.1. Begriffslegung und Abgrenzung

131 131 132

1.2. Rahmenbedingungen der Wirkung interpersoneller Kommunikationsprozesse.. 134 2. Die Relevanz der interpersonellen Kommunikation für das Personal-Marketing 2.1. Möglichkeiten zur unspezifischen Steuerung

137 137

2.1.1. Die Simulation von interpersoneller Kommunikation

137

2.1.2. Die Stimulation von interpersoneller Kommunikation

139

2.1.3. Die aktive Teilnahme an der interpersonellen Kommunikation 2.2. Möglichkeiten zur spezifischen Steuerung

144 145

nsverzeichnis

9

2.2.1. Indirekte mediale Ansprache von Meinungsfuhrer-Segmenten

145

2.2.2. Direkte Ansprache von Meinungsfuhrern

146

2.3. Zusammenfassende Bewertung der Einflußmöglichkeiten auf die interpersonelle Kommunikation

148

3. Bestimmungsgrößen interpersoneller Kommunikation

149

3.1. Modelle interpersoneller Kommunikation

149

3.1.1. Die Entwicklung des klassischen Meinungsfuhrer-Modells

150

3.1.2. Modelle des Informationsaustausches

152

3.1.3. Mehrstufige Kommunikation

155

3.2. Determinanten der graduellen Meinungsfuhrerschaft

158

3.2.1. Merkmale von Meinungsfuhrerschaft

158

3.2.2. Informatiousverhalten und Meinungsfuhrerschaft

160

3.2.3. Motivationale Determinanten des Informationsverhaltens von Meinungsfuhrern

165

3.3 Kommunikantenbezogene Determinanten

166

3.4. Soziale Determinanten

168

4. Konzepte zur Messung der Bestimmungsgrößen 4.1. Die Messung der Soziozentralität

174 174

4.2. Messung von Meinungsfuhrerschaft

178

4.3. Die Ermittlung des Ausmaßes interpersoneller Kommunikation

184

5. Zusammenfassung

186

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage /. Wirkungsanalytischer

Bezugsrahmen

188

1. Überblick über ausgewählte Modeliansatze

188

2. Der gedächtnispsychologische Bezugsrahmen

192

II. Untersuchungsanlage

198

1. Untersuchungsdesign und Aufbau des Experiments

198

2. Auswahl der Probanden

201

3. Ablauf des Experiments

202

4. Der Analyseansatz im Experiment

203

4.1. Wirkungsmessung 4.2. Die Operationalisierung der Treatment-Variablen 5. Methodische Vorgehensweise in der Analyse

203 204 207

5.1 Die empirische Prüfung verhaltenswissenschaftlicher Modelle und Hypothesen 207 5.2 Die Analyse von verhaltenswissenschaftlichen Modellen 5.2.1 Das Konzept der Kausalität

207 207

5.2.2 Der Test von Kausalhypothesen im Rahmen konfirmatorischer Analysen 209

nsverzeichnis

10 6. Die Kausalanalyse

210

6.1. Die Konstruktion von Kausalmodellen

210

6.2. Die Entwicklung von Methoden der Kausalanalyse

212

7. Der LISREL-Ansatz der Kausalanalyse

213

7.1. Die simultane konfirmatorische Analyse im Rahmen des LISREL-Ansatzes ....214 7.2. Die Aufstellung eines LISREL-Modells

216

7.3. Der Aufbau des LISREL-Modellansatzes

216

7.4. Stnikturgleichungen im LISREL-Ansatz 7.5. Schätzverfahren im LISREL-Modell

217 ..220

7.6. Annahmen im LISREL-Ansatz

223

7.7. Die Identifizierbarkeit eines LISREL-Modells

224

8. Kriterien und Gütemaße zur Beurteilung von LISREL-Modellergebnissen

225

E. Empirische Ergebnisse I. Ergebnisse zur Einstellung zum Arbeitsplatz

Bundeswehr

228

1. Theoretisches und empirisches Konzept der Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr 2. Ergebnisse zur Dimensionalität der Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr 2.1. Réhabilitât der Items

228 236 238

2.2. Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalysen der Einstellung mit fünf Dimensionen 2.3. Die Reduktion des Merkmalsraumes

240 247

3. Die Bedeutung der Einstellungsfaktoren im mehrdimensionalen Einstellungsmodell.. 252 3.1. Struktur des mehrdimensionalen Einstellungsmodells

252

3.1.1 Beurteilung der Zuverlässigkeit der Schätzungen

255

3.1.2 Die Beurteilung der Gesamtstruktur

257

3.1.3 Die Beurteilung der Teilstrukturen

258

3.1.4 Zusammenfassende Beurteilung der Modellgüte

260

3.1.5 Inhaltliche Beurteilung der Ergebnisse

260

3.2. Verbesserung der Modellanpassung im Rahmen der hierarchischen Faktorenanalyse 3.3. Die Stabilität der Einstellungsstruktur unter dem Kommunikationseinfluß

261 265

4. Ergebnisse zu den spezifischen Wirkungen der Kommunikationsinstrumente auf die Einstellung

268

4.1. Deskriptive Befunde zur Einstellungsänderung

268

4.2. Wirkungsanalytischer Ansatz zur Änderung der Einstellungen

270

4.3. Der Einfluß werblicher Kommunikation auf die Einstellung

274

5. Simultane Einstellungsanalyse auf der Grundlage eines reduzierten Indikatorraumes . 283 6. Zusammenfassung

288

nsverzeichnis IL Ergebnisse zur Wirkung

11

auf momentane Reaktionen und dauerhafte

Gedächtnisreaktionen

1. Konstrukte der momentanen Reaktionen und dauerhaften Gedächtnisreaktionen

290

290

2. Kommunikationswirkungen auf das emotionale Erleben als Kriterium der momentanen Reaktionen

303

3. Kommunikationswirkungen auf Kriterien der dauerhaften Gedächtnisreaktionen 3.1. Kommunikationswirkungen auf das Involvement

306 306

3.2. Kommunikationswirkungen auf die wahrgenommene Attraktivität des Arbeitsplatzes Bundeswehr

309

3.3. Kommunikationswirkungen auf den Kenntnisstand zum Arbeitsplatz Bundeswehr

311

4. Hierarchie der Wirkungen motivationaler Konstrukte

313

5. Hierarchien der Wirkungen auf die Attraktivität unter Berücksichtigung motivationaler und kognitiver Konstrukte

317

5.1. Wirkungen unter Berücksichtigung des Involvements

317

5.2. Wirkungen unter Berücksichtigung des emotionalen Erlebens

321

5.3. Wirkungen unter Einbeziehung des themenbezogenen Kenntnisstandes

322

5.4. Wirkungen unter Berücksichtigung der generellen Einstellung

326

III. Ergebnisse zur Wirkung

auf das wahrgenommene Risiko

329

1. Das wahrgenommene Risiko als motivationale Wirkungsgröße

329

2. Deskriptive Befunde

333

3. Die Wirkung werblicher Kommunikation auf das wahrgenommene Risiko

334

4. Ergebnisse zur Wirkung auf das wahrgenommene Risiko unter Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation

337

5. Zusammenfassung

IV. Ergebnisse zur Glaubwürdigkeit

341

von Kommunikatoren

und Informationsquellen

342

1. Die Akzeptanz des Kommunikators als Wirkungsvoraussetzung und Wirkungsgröße. 342 2. Ergebnisse zum Ausmaß der Glaubwürdigkeit der unterschiedlichen Kommunikatoren 3. Ergebnisse zur Struktur der Kommunikatoren

348 350

4. Das Ausmaß der Glaubwürdigkeit unterschiedlicher Kommunikatorgruppen

351

5. Der Einfluß werblicher Kommunikation auf die Glaubwürdigkeit

354

6. Die Glaubwürdigkeit als Wirkungsfaktor von Einstellungsänderungen

361

nsverzeichnis

12 V. Ergebnisse zu den Wirkungen

auf verhaltensbezogene Größen

365

1. Verhaltensabsichten und -reaktionen als Kriterien der Kommunikationswirkung

365

2. Ergebnisse zur Wirkung auf die Verhaltensabsicht

369

3. Ergebnisse zu den Wirkungen auf das Informationsverhalten

374

4. Ergebnisse zum Gesamtmodell verhaltensbezogener Größen

377

5. Exkurs: Ergebnisse zur Beziehung zwischen Informationsverhalten und Verhaltensabsicht

379

6. Exkurs: Hierarchie der Wirkungen auf der Verhaltensebene unter Berücksichtigung der IPKOM

381

VI. Ergebnisse zur interpersonellen

Kommunikation

384

1. Ergebnisse zur graduellen Meinungsfuhrerschaft

384

2. Erklärung der interpersonellen Kommunikation

401

2.1. Die Wirkung der Kommunikationsinstrumente auf das Ausmaß interpersoneller Kommunikation

401

2.2. Motivationale Größen als Determinanten der interpersonellen Kommunikation 402

VII. Ergebnisse zur Wirkung

interpersoneller

und werblicher Kommunikation

in einem komplexen Modell

409

1. Kommunikationswirkungen auf das Interesse, die Einstellung und das intentionale Entscheidungsverhalten

410

2. Kommunikationswirkungen unter Einbeziehung der Wirkungsgrößen emotionales Erleben und Informationsverhalten 3. Exkurs: Modellansatz der mehrstufigen Kommunikation

416 419

F. Zusammenfassende Bewertung der Ergebnisse

Anhang

427

Literaturverzeichnis

455

Verzeichnis der Tabellen Tab . 3 . 1

Gewichtungsfaktoren der Wahlsumme

177

Tab. 4.1

Operationalisierung der Treatments (Treatment-Ansatz 1)

205

Tab. 4.2

Operationalisierung der Treatments CTreatment-Ansatz 2)

206

Tab. 4.3

Gütekriterien in LISREL V I I

227

Tab . 5 . 1

Verteilungsmaße der Einstellungsvariablen (Vorher/Nachher)

235

Tab. 5.2

Eindimensionales Einstellungsmodell

240

Tab . 5 . 3

Gütekriterien zum Modell Abb . 5 . 2

241

Tab . 5 . 4

Gütekriterien der alternativen Schätzverfahren

243

Tab. 5.5

Etgebnisvergleich von M L - und UL-Schätzung

244

Tab. 5.6

Korrelationen der Konstrukte

245

Tab. 5.7

Ergebnisse des Vier-Faktor-Modells mit bzw. ohne "Kameradschaft"

249

Tab. 5.8

Gütekriterien der Modelle in Tab.5.7

250

Tab. 5.9

Gütekriterien der hierarchischen Faktorenanalyse

255

Tab. 5.10a

Einstellungsänderungen in den Experimentalgruppen

269

Tab. 5.10b

Einstellungsänderungen in den Experimentalgruppen

270

Tab . 5 . 1 1

Wirkungen auf negativ-emotionale Einstellungsaspekte

276

Tab . 5 . 1 2

Wirkungen auf Umfeldverlust und Gesellschaftliches Image

277

Tab . 5 . 1 3

Wirkungen auf positiv-emotionale Einstellungsaspekte

279

Tab. 5.14

Wirkungen auf Bemfsfeldaspekte

279

Tab. 5.15

Wirkungen auf die Aspekte der Berufsperspektive

282

Tab. 5.16

Vergleich der Faktorladungen und Bestimmtheitsmaße

284

Tab. 6.1

Verteilungsmaße der Variablen emotionales Erleben

303

Tab. 6.2

Verteilungsmaße der Variablen Interesse (Vorher/Nachher)

306

Tab. 6.3

Kausale Wirkungen auf das Involvement

309

Tab . 6 . 4

Verteilungsmaße der Variablen Attraktivität

310

Tab. 6.5

Kausale Wirkungen bei simultaner Berücksichtigung von Involvement und emotionalem Erleben

315

Tab. 6.6

Kausale Wirkungen unter Berücksichtigung des Vorher-Involvements

317

Tab. 6.7

Kausale Wirkungen im Modell 6.11

322

Tab. 6.8

Kausale Wirkungen auf den Kenntnisstand

325

Tab. 6.9

Kausale Wirkungen unter Einbeziehung der Einstellung

328

Tab. 7.1

Verteilungsmaße für das Informations-, Entscheidungs- und soziale Risiko

333

14

blnverzeichnis

Tab . 8 . 1

Verteilungsmaße der Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

Tab. 8.2

Verteilungsmaße der Variablen Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit

349

der werblichen Kommunikatoren

353

Tab. 8.3

Verteilungsmaße der Variablen Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit

354

Tab. 8.4

Glaubwürdigkeit von Kommunikationsquellen der Bundeswehr (Mittelwerte)

Tab. 8.5

Wahlgenommene Kompetenz von Kommunikationsquellen der Bundeswehr

355

Tab. 8.6

Vertrauenswürdigkeit von Kommunikationsquellen der Bundeswehr

356

Tab. 9.1

Verteilungsmaße der Variablen Veriialtensabsicht

370

Tab. 9.2

Verteilungsmaße der Variablen Verhaltensabsicht (Vorher/Nachher)

370

Tab. 9.3

Vergleich der totalen kausalen Wirkungen mit und ohne Einbeziehung der interpersonellen Kommunikation

374

Tab. 9.4

Verteilungsmaße der Variablen Informationsverhalten (Couponnutzung)

375 379

Tab. 9.5

Kausale Wirkungen im Modell Abb. 9.5

Tab. 9.6

Kausale Wirkungen im Modell 9.5

381

Tab. 9.7

Kausale Wirkungen im Modell Abb. 9.6

383

Tab. 10.1

Verteilungsmaße der Variablen Kommunikationsposition und themenbezogene Kommunikationsposition

385

Tab. 10.2

Verteilungsmaße der Variablen Interpersonelle Kommunikation

388

Tab. 10.3

Kausale Wirkungen im Modell 9.7

389

Tab. 10.4

Verteilungsmaße der Persönlichkeitsmerkmale

390

Tab. 10.5

Verteilungsmaße der Indikatoren zum generellen Kommunikationsverhalten

390

Tab. 10.6

Kausale Wirkungen im Modell 10.4

394

Tab. 10.7

Kausale Wirkungen im Modell 10.8

400

Tab. 10.8

Kausale Wirkungen des Risikos im Modell 10.12

406

Tab. 10.9

Kausale Wirkungen im Modell 10.12

407

Tab. 11.1

Kausale Wirkungen im Modell 11.1

412

Tab. 11.2

Totale kausale Wirkungen der Kommunikationsinstrumente im Modell 11.2

415

Tab. 11.3

Kausale Wirkungen im Modell 11.3

418

Tab. 11.4

Kausale Wirkungen im Gesamtmodell

422

Verzeichnis der Abbildungen Abb. 1

Zweidimensionales Ergebnis einer MDS- und PROFIT-Analyse

Abb. 2

Kontaktketten-Modell im Personal-Marketing

68

127

Abb . 3 . 1

Einflußmöglichkeiten auf interpersonelle Kommunikationsprozesse

138

Abb. 3.2

Weiterentwickelte Modellstrukturen interpersoneller Kommunikation

153

Abb. 3.3

Das Modell der interpersonellen Kommunikation von Hummrich

154

Abb. 3.4

Informationsverhalten und soziale Integration

170

Abb. 3.5

Modellansatz zur Bestimmung der interpersonellen Kommunikation

187

Abb . 4 . 1

Theoretischer Bezugsrahmen der Kommunikationswirkung

193

Abb. 4.2

Das Untersuchungsdesign

200

Abb. 4.3

Grundform eines Kausalmodells

210

Abb . 5 . 1

Mehrdimensionales EinstellungenVerhaltens-Modell

233

Abb. 5.2

Faktormodell mit fünf Dimensionen

242

Abb. 5.3

Faktormodell mit vier Dimensionen (13 Indikatoren)

248

Abb. 5.4

Faktorenmodell mit vier Dimensionen (11 Indikatoren)

251

Abb. 5.5

Struktur des mehrdimensionalen Einstellungsmodells

253

Abb. 5.6

Hierarchische Faktorenanalyse der Einstellung

256

Abb. 5.7

Hierarchische Faktorenanalyse der Einstellung mit erweitertem Meßmodell

263 267

Abb.5.8

Vergleich der Vorher-Nachher-Modelle

Abb. 5.9

Die Stobiiitat der Einstellung

272

Abb. 5.10

Wirkungen auf die negativ-emotionale Dimension der Einstellung

275

Abb. 5.11

Wirkungen auf die positiv-emotionale Dimension der Einstellung

278

Abb. 5.12

Wirkungen auf die Berufsfeld-Dimension der Einstellung

280

Abb .5.13

Wirkungen auf die Dimension Berufsperspektive

281

Abb. 5.14

Wirkungen der Kommunikationsinstrumente auf die Einstellung

287

Abb. 6.1

Wirkungen auf das emotionale Erleben

304

Abb. 6.2

Wirkungen auf das emotionale Erleben unter Berücksichtigung

Abb. 6.3

Wirkungen auf das Involvement

307

Abb. 6.4

Wirkungen auf das Involvement unter Einbeziehung der IPKOM

308

Abb. 6.5

Wirkungen auf die wahrgenommene Attraktivität

310

der interpersonellen Kommunikation

305

16

Abbildungsverzeichnis

Abb . 6 . 6

Wirkungen auf den Kenntnisstand

Abb. 6.7

Wirkungen bei simultaner Berücksichtigung von Involvement

312

und emotionalem Erleben

314

Abb. 6.8

Wirkungen bei Einbeziehung des Vorher-Involvements

316

Abb. 6.9

Wirkungen unter Einbeziehung der Attraktivität

318

Abb. 6.10

Wirkungen unter Berücksichtigung der Beziehung Vorher-Involvement Attraktivität

320

Abb. 6.11

Wirkungen unter Einbeziehung des emotionalen Erlebens

321

Abb. 6.12a Wirkungen unter Einbeziehung der Kenntnisse (1)

323

Abb. 6.12b Wirkungen unter Einbeziehung der Kenntnisse (2)

325

Abb .6.13

Wirkungen unter Einbeziehung der generellen Einstellung

327

Abb. 7.1

Wirkungen auf das Informationsrisiko

335

Abb. 7.2

Wirkungen auf das Entscheidungsrisiko

336

Abb. 7.3

Wirkungen auf das Informationsrisiko unter Berücksichtigung

Abb. 7.4

Wirkungen auf dasfentscheidungsrisiko unter Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation

339

Abb. 7.5

Wirkungen des Entscheidungsrisikos auf die interpersonelle Kommunikation

340

Abb. 8.1

Faktorenanalyse der Kommunikatoren

351

Abb. 8.2

Hierarchische Faktorenanalyse zur Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

352

Abb. 8.3

Wirkungen auf die Glaubwürdigkeit von Publikationen

358

Abb. 8.4

Wirkungen auf die Glaubwürdigkeit von Truppenbesuchen

359

Abb. 8.5

Wirkungen auf die Glaubwürdigkeit von Jugendoffizieren

360

Abb. 8.6

Der Einfluß der Glaubwürdigkeit von Publikationen auf die Einstellung

362

Abb. 8.7

Der Einfluß der Glaubwürdigkeit von Truppenbesuchen auf die Einstellung

363 371

der inteipersonellen Kommunikation

338

Abb. 9.1

Wirkungen auf das intentionale Entscheidungsverhalten

Abb. 9.2

Wirkungen auf die Verhaltensabsicht unter Berücksichtigung

Abb. 9.3

Wirkungen auf das Informationsverhalten

376

Abb. 9.4

Hierarchie der Wirkungen auf der Verhaltensebene

378

Abb. 9.5

Wirkungen auf das Informationsverhalten

380

Abb. 9.6

Hierarchie der Wirkungen: Berücksichtigung der

der interpersonellen Kommunikation

interpersonellen Kommunikation Abb. 10.1

373

382

Involvement und Kommunikationsposition als Determinanten der Meinungsfuhrerschaft

386

Abb. 10.2

Graduelle Meinungsfuhrerschaft und IPKOM

389

Abb. 10.3

Bestimmungsgroßen der graduellen Meinungsfuhrerschaft (1)

391

Abb. 10.4

Bestimmungsgrößen der graduellen Meinungsfuhrerschaft (2)

393

Abbildungsverzeichnis Abb. 10.5

Das wahrgenommene Entscheidungsrisiko als Bestimmungsgröße der Meinungsfuhrerschaft und der interpersonellen Kommunikation

Abb. 10.6

397

Das emotionale Erleben als Bestimmungsgröße der Meinungsfuhrerschaft und der interpersonellen Kommunikation

Abb. 10.9

396

Informations- und Entscheidungsrisiko als Bestimmungsgrößen der Meinungsfuhrerschaft und der interpersonellen Kommunikation

Abb. 10.8

395

Das wahrgenommene Informationsrisiko als Bestimmungsgröße der Meinungsfuhrerschaft und der interpersonellen Kommunikation

Abb. 10.7

17

399

Direkter Einfluß der Kommunikationsinstrumente auf die interpersonelle Kommunikation

Abb. 10.10 Modell zur Erklärung der interpersonellen Kommunikation Abb. 10.11 Der Einfluß des Involvements und des emotionalen Erlebens auf die interpersonelle Kommunikation

401 403 404

Abb. 10.12 Risiko und emotionales Erleben als Determinanten der interpersonellen Kommunikation Abb. 11.1

406

Der Zusammenhang zwischen INTERESSE, EINSTELLUNG und H A L T U N G in einem komplexen Modell

410

Abb . 1 1 . 2

Wirkungen in einem komplexen Modell

414

Abb. 11.3

Wirkungen unter Berücksichtigung des emotionalen Erlebens und des

Abb. 11.4

Ein Wirkungsmodell unter Berücksichtigung der graduellen

Informationsverhaltens in einem komplexen Modell Meinungsfuhrerschaft

2 Beba

417 420

Α . Problemstellung und Aufbau der Arbeit I . Personalgewinnung als Problemfeld des Marketing Die hohe Umweltdynamik stellt die meisten marktlichen Akteure vor vielfältige neue Herausforderungen. Ausprägungen dieser Dynamik sind eine zunehmende Sättigung der Absatzmärkte und eine, zum Teil hieraus resultierende, zunehmende Wettbewerbsintensität der Anbieter. 1 Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich auch auf Personalmärkten, da aufgrund spezifischer gesellschaftlicher und ökonomischer Einflußfaktoren in zunehmendem Maße mit einer relativen Zunahme des Angebotes (an bestimmten Arbeitsplätzen) gegenüber einer Verringerung der Nachfrage nach Arbeitsplätzen gerechnet werden muß. 2 Aufgrund der Verschärfung des Wettbewerbs auf den Personalmärkten kann eine Zunahme der akquisitorischen Aktivitäten und damit der Personal-Akquisitionskosten erwartet werden. Diese veränderten Umweltbedingungen fordern gewissermaßen marktgesetzlich eine Personalmarkt-orientierte Denkhaltung, der die Erkenntnis zugrunde liegt, daß dem Faktor Personal in zunehmenden Maße eine strategische Bedeutung fur den langfristigen Unternehmenserfolg zukommt.3 Aus diesem Grund lassen sich Chancen fur eine stärkere Etablierung des Personal-Marketing als bisher absehen. Dies setzt allerdings die Kenntnis konzeptioneller und instrumenteller Inhalte des Marketing sowie deren Umsetzung auf die spezifischen Erfordernisse des Personalmarktes voraus. Die Entwicklung und Instrumentalisierung effizienter Strategien zur Personalgewinnung stellt eine besondere Herausforderung fur das PersonalManagement, aber auch einen wesentlichen Erfolgsfaktor fur die Schaffung von Präferenzen bei potentiellen Mitarbeitern zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen auf dem (Personal-) Markt dar. Ein strategisch ausgerichtetes und marktorientiertes Personal-Marketing beinhaltet allerdings eine Fülle von zu bewältigenden Aufgaben. Zur Umsetzung bedarf es allerdings einzelner Strategien, u.a. solcher für die Kommunikation mit den potentiellen Mitarbeitern. Erschwerend wirkt 1 2 3

Vgl. Raffée, 1989, S.4. Vgl. Laukamm, 1989, S.244. Vgl. Fröhlich, 1987, S.527.

20

Α. Problemstellung

sich hierbei eine weitere, gleichermaßen fur das Absatz- und das PersonalMarketing bedeutsame Ausprägung der Umweltdynamik aus. Dies ist zum einen die zunehmende Veränderung der Rahmenbedingungen werblicher Kommunikation.4 Eine dieser Rahmenbedingungen ist die steigende Sättigung auf den "Kommunikationsmärkten". Für den Personalmarkt muß aufgrund der wachsenden Wettbewerbsintensität ein ähnlich hoher Kommunikationsdruck, wie er auf den gesättigten Absatzmärkten herrscht, erwartet werden. Hierbei schlägt vor allem die zunehmende Informationskonkurrenz und die Erhöhung des (werblichen) Informationsangebotes zu Buche. Sie fuhren aus Gründen, die an späterer Stelle erörtert werden, zur Informationsüberlastung beim Empfanger und insofern zu einer Wirkungsminderung werblicher Kommunikation. Gleichzeitig schränkt die Austauschbarkeit werblicher Kommunikation die Profilierung der Anbieter mit werblichen Mitteln ein. Die zunehmenden Wirkungsminderungen herkömmlicher werblicher Kommunikation und die spezifischen Besonderheiten personalorientierter werblicher Kommunikation lassen die Forderung nach Entwicklung und Einsatz von Kommunikationsinstrumenten, die dem strategischen Ziel der langfristigen Schaffung von Präferenzen bei potentiellen Mitarbeitern dienen, als gerechtfertigt erscheinen. Diesem Ziel können Dialogformen zwischen Anbietern und potentiellen Mitarbeitern dienen, die insbesondere eine Kontinuität des Kontaktes während des gesamten Berufswahl-Entscheidungsprozesses unter Berücksichtigung spezifischer Empfangereigenschaften ermöglichen. Dies erfordert allerdings eine in hohem Maße individuell ausgerichtete werbliche Kommunikation. Hierfür erscheinen insbesondere Instrumente der Direktkommunikation geeignet, da sie einerseits den individuellen Dialog mit der Zielgruppe ermöglichen und andererseits eine Berücksichtigung spezifischer Empfangereigenschaften zulassen.5 Aus den genannten Aspekten heraus ergeben sich wichtige Anforderungen, die im Rahmen kommunikationspolitischer Entscheidungen und fur die Entwicklung von Kommunikationsstrategien zu berücksichtigen sind. Eine dieser Anforderungen ist die Entwicklung übergreifender, auf Nutzung von Synergieeffekten bedachter Kommunikationsprogramme.6 Sie beinhalten eine Vielzahl von Kommunikationsaktivitäten, die unter der Zielsetzung größtmöglicher Wirkungen aufeinander abgestimmt sein müssen. Hierauf wirkt sich die Vernetztheit und Vielschichtigkeit aller auf den Empfanger einwirkenden Informationen zur Berufswahl erschwerend aus. 4 5 6

Vgl. Kroeber-Riel, 1987, S.257f. Vgl. Haseloff, 1981, S.177f. Die Bedeutung synergetischer Effekte insbesondere für Kommunikationsstrategien wird bei Raffée und Wiedmann, 1989, dargestellt.

Π. Ziel der Untersuchung

21

Neben der Vernetztheit unterschiedlicher Formen werblicher Kommunikation sind hierbei insbesondere die interaktiven Wirkungen interpersoneller, d.h. zwischenmenschlicher Kommunikationsprozesse von Bedeutung. Vor allem bei risikoträchtigen und stark involvierenden Entscheidungen, wie man sie zunächst auch fur die Berufswahl-Entscheidung unterstellen kann, kommt der Kommunikation innerhalb der Empfangergruppe oftmals eine stärkere Einflußkraft als der werblichen Kommunikation zu. 7 Dabei kann die zwischenmenschliche Kommunikation Chance und Risiko zugleich sein, da sie (im Sinne der werblichen Zielsetzungen) sowohl entscheidungsfordend als auch entscheidungshemmend sein kann. Aus Sicht des (Personal-) Marketing ist deshalb die Beantwortung der Frage von Bedeutung, welche Ansatzpunkte und Steuerungsmöglichkeiten die interpersonelle Kommunikation im Rahmen einer personalwerbenden Kommunikationsstrategie bietet. Hiermit verbunden ist die Frage, welche Instrumente der Direktkommunikation mögliche Synergieeffekte, die aufgrund der Aktivierung interpersoneller Kommunikationsprozesse entstehen, bewirken.

I I . Ziel der Untersuchung Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, die Wirkung bestimmter Formen der Direktkommunikation, die im Personal-Marketing einsetzbar erscheinen, unter Berücksichtigung der zwischenmenschlichen Kommunikation innerhalb der Zielgruppe zu ermitteln. Im einzelnen ergeben sich Fragestellungen zu (1) Wirkungen persönlicher versus nichtpersönlicher Direktkommunikation, (2) Wirkungen von werblicher versus interpersoneller Kommunikation, (3) Wirkungen von Direktkommunikation mit einmaliger versus mehrmaliger Ansprache (Kommunikationsprogramme) und (4) Wirkungen der mehrstufigen Kommunikation, die aufgrund der Verflochtenheit von werblicher und interpersoneller Kommunikation entstehen. Mit der Beantwortung dieser Fragestellungen sollen unter pragmatischen Gesichtspunkten Aussagen über Möglichkeiten zur besseren kommunikativen Ansprache von Zielgruppen des Personal-Marketing, insbesondere über die

Vgl. zur Bedeutung zwischenmenschlicher Kommunikation für die Entscheidung Cox, 1967, S.179, Meffert, 1979, S.53, Gruner+Jahr Verlag, 1984, S.216ff., Kroeber-Riel, 1984, S.247 und Brüne, 1989, S.25ff.

22

Α. Problemstellung

Erfolgsträchtigkeit bestimmter Formen der Direktkommunikation, gewonnen werden. Auf der Grundlage bisheriger Erkenntnisse der Kommunikationsforschung, insbesondere bezüglich der Kommunikationswirkung, der Direktkommunikation und der interpersonellen Kommunikation, wird ein theoretischer Bezugsrahmen entwickelt, auf Basis dessen Hypothesen gebildet werden, die im Rahmen einer empirischen Untersuchung geprüft werden. In die Entwicklung des theoretischen Bezugsrahmens fließen die Grundlagen des Personal-Marketing, konzeptionelle Überlegungen zu Kommunikationsstrategien und Erkenntnisse zum Berufswahlverhalten insoweit mit ein, als sie für die Untersuchungsfragestellungen von Relevanz sind. Dabei beschränkt sich die empirische Untersuchung auf den Bereich des Personal-Marketing der Bundeswehr (Nachwuchswerbung). Dieses Anwendungsgebiet ist deshalb besonders reizvoll, weil die (langfristige) Personaldeckung für die Bundeswehr aus noch darzustellenden Gründen bereits heute ein erhebliches Problem darstellt. Eine umfassende Behandlung unterschiedlicher "Branchen" hätte zum einen den Rahmen der vorliegenden Arbeit gesprengt, ist andererseits für die Zielsetzung der Arbeit auch nur von nachrangiger Bedeutung. Wenngleich die Übertragbarkeit der Ausführungen und empirischen Befunde auf andere Bereiche und Branchen sicherlich nicht ohne weiteres möglich ist, so können sich jedoch interessante Ansatzpunkte für die Entwicklung von Kommunikationsstrategien aufgrund der wirkungsanalytischen Zusammenhänge ergeben.

I I I . Gang der Untersuchung Der Untersuchungsgang gestaltet sich wie folgt: Zunächst werden die Herausforderungen für die Kommunikationspolitik der neunziger Jahre, insbesondere Probleme herkömmlicher werblicher Kommunikation, dargestellt (zweiter Abschnitt). Anschließend werden strategische Optionen für die werbliche Kommunikation im Personal-Marketing näher behandelt (dritter Abschnitt). Hierbei wird zunächst auf die inhaltlichen bzw. konzeptionellen Grundlagen des Personal-Marketing eingegangen. Dabei geht es insbesondere um marktliche Rahmenbedingungen und das Instrumentarium des PersonalMarketing. Ein besonderer Stellenwert kommt in diesem Teilabschnitt dem Personalimage als inhaltlichem Ansatzpunkt einer Kommunikationsstrategie für das Personal-Marketing zu. In zwei weiteren Teilabschnitten werden dann die Optionen Direktkommunikation und interpersonelle Kommunikation behandelt. Bei den

ΠΙ. Gang der Untersuchung

23

Ausführungen zur Direktkommunikation wird vor allem auf die Entwicklung von Kommunikationsprogrammen - dort als Kontaktketten-Konzepte bezeichnet - eingegangen. Mit den Ausführungen zur interpersonellen Kommunikation sollen - nach notwendigen begrifflichen Grundlagen Ansatzpunkte für deren werbliche Nutzbarkeit aufgezeigt werden. Dabei wird der Versuch unternommen, auf der Grundlage der bisherigen theoretischen Erkenntnisse, insbesondere zur Meinungsfuhrerforschung, einen Ansatz zu entwickeln, der die interpersonelle Kommunikation zwischen Individuen erklärt und gleichzeitig zur Ermittlung des Wirkungspotentials der mehrstufigen Kommunikation dient. Hieraus sollen theoretische Möglichkeiten zur effizienten werblichen Ansprache von kommunikationsaktiven Rezipienten bzw. für die Einflußnahme des Marketing auf interpersonelle Kommunikationsprozesse abgeleitet werden. Im vierten Abschnitt wird zunächst ein theoretischer Bezugsrahmen zur Ermittlung der Wirkungen von Direkt- bzw. interpersoneller Kommunikation entwickelt. Dabei wird auf Erkenntnisse der Werbewirkungsforschung zurückgegriffen. Anschließend wird die Untersuchungsanlage und das zur Anwendung kommende methodische Instrumentarium vorgestellt. Im fünften Abschnitt werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung dargestellt. Dabei werden zunächst Hypothesen über jene verhaltenswissenschaftlichen Konstrukte, die als Wirkungsgrößen von Relevanz sind, gebildet. Anschließend erfolgt die empirische Prüfung der Hypothesen. In der Analyse sollen die o.a. Fragestellungen zu den Wirkungen werblicher versus zwischenmenschlicher Kommunikation unter Berücksichtigung ihrer Verflochtenheit aufgezeigt und erklärt werden. Gleichzeitig dient der Modellansatz dem Vergleich der Wirkungen unterschiedlicher Formen der Direktkommunikation. Im sechsten Abschnitt erfolgt eine zusammenfassende Bewertung der Ergebnisse und eine Darstellung personalpolitischer Implikationen.

Β. Herausforderungen für die Kommunikationspolitik I . Umweltdynamik und werbliche Kommunikation Auf den Absatzmärkten findet die Umweltdynamik in der zunehmenden Sättigung der Märkte ihren Ausdruck; hieraus resultiert eine zunehmende Wettbewerbsintensität.1 Auf den Personalmärkten ist aus Gründen, die an späterer Stelle dargelegt werden, mit einer ähnlichen Entwicklung zu rechnen, wobei bereits heute erste Anzeichen des steigenden Wettbewerbs um die knapper werdenden "Human Resources" festzustellen sind.2 Die Umweltdynamik und der zunehmende Wettbewerb fuhren zu einer Intensivierung der werblichen Kommunkation. Hierfür können folgende Gründe angeführt werden: Durch den Konzentrationsprozeß in der Wirtschaft nimmt die Bedeutung der werblichen Kommunikation zur Uberwindung der größeren Marktdistanz zu. Dabei gewinnen zunehmend überregionale werbliche - auch personalwerbliche - Aktivitäten, die einen höheren Mittel- bzw. Streueinsatz als regionale Aktivitäten erfordern, an Bedeutung. Die Märkte zeichnen sich durch ein hohes und steigendes Innovationsaufkommen aus.3 Innovationen sind mit zunehmender Marktreife besonders werbeaktiv. Eine hohe Innovationsrate führt deshalb zu hohen werblichen Aktivitäten. Hinzu kommt, daß neue Unternehmensleistungen entwickelt und intensiv beworben werden. Außerdem bedienen sich bestimmte Branchen, vor allem aus dem Dienstleistungssektor wie Banken und Versicherungen, die früher nur in geringem Maße kommunikationsaktiv waren, zunehmend des werblichen Instrumentariums. Die Unternehmenswerbung hat dabei einen steilen Aufschwung genommen.4 Die situativen Markt- und Wettbewerbsbedingungen bestimmen ebenfalls die Intensität werblicher Kommunikation. Markt- und Wettbewerbsstrukturen 1 2

Vgl. Meffeit, 1988, S.400. Fröhlich, 1987, S.527f.

3

Meffeit, 1988, S.401.

4

Vgl. ZAW, 1990, S. 14.

I. Umweltdynamik und werbliche Kommunikation

25

unterliegen einer ständigen Veränderung. 5 Bedingt durch den technologischen Fortschritt können neue Anbieter schlagartig die Wettbewerbsstruktur verändern. So kann angenommen werden, daß mit dem Ausmaß der Unsicherheit über den Marktbesitz bzw. der Marktposition die Intensität der werblichen Kommunikation zunimmt.6 Darüber hinaus bewirkt die Instabilität des Marktes bzw. die Labilität des Bedarfsfeldes, wie sie sich in zunehmenden Wechselbereitschaften beim Konsumverhalten zeigt, eine Intensivierung der werblichen Kommunikation. Die zunehmende Ähnlichkeit bei anderen Marketinginstrumenten (z.B. der Angebotsgestaltung) zwischen den Wettbewerbern bewirkt ein Strategiepatt; dies hat im allgemeinen eine Verstärkung der Werbung zur Folge, die aus Sicht der betreibenden Unternehmen das Erreichen einer möglichst einzigartigen Stellung im Markt fordern soll. 7 Umweltdynamik und Wettbewerbsintensität drücken sich demnach in der Intensivierung der kommunikativen Aktivitäten der Wettbewerber aus. Intensivierung bedeutet in diesem Zusammenhang sowohl die Ausdehnung des Umfangs als auch die qualitative Veränderung der werblichen Aktivitäten, wie z.B. zusätzliche Kommunikationswege und -techniken oder neue Formen der Ansprachemöglichkeiten. Dies ist verknüpft mit der zunehmenden Atomisierung der Medienlandschaft, was letztlich den Werbungtreibenden die Auswahl zielgruppengenauer Werbeträger und -mittel erschwert. Auf den Empfanger bezogen bedeutet die Intensivierung der kommunikativen Aktivitäten in erster Linie eine Zunahme der Informationsmenge, der der Einzelne ausgesetzt ist. Dabei konkurriert werbliche Kommunikation direkt mit nichtwerblicher Kommunikation; da überwiegend dieselben Medien bzw. Informationsträger benutzt werden. Bei zunehmender Kommunikationskonkurrenz besteht allerdings die Gefahr der Reaktanzerzeugung beim Werbeempfänger. Reaktanz kann als psychischer Widerstand gegen die versuchte Beeinflussung verstanden werden. Sie bewirkt, daß der Empfanger sich der Kommunikation entzieht oder entgegen den Absichten des Kommunikators reagiert. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem Ausmaß der Intensivierung werblicher Kommunikation und nach der Entwicklung der Informationsnutzung durch die Individuen. Dies wird im folgenden Abschnitt behandelt. 5

Vgl. hierzu Meffert, 1988, S.400f.

6

Vgl. Tietz, 1982, S.3182. Tietz, 1982, S.3182f.

7

Β. Herausforderungen fur die Kommunikationspolitik

26

I I . Die Intensivierung werblicher Kommunikation 1. Die Entwicklung des Werbeaufkommens Der Umfang der erfaßbaren Ausgaben von Unternehmen fur werbliche ist in den letzten fünf Jahren kontinuierlich um durchschnittlich 5 % auf rund 37 Mrd. D M im Jahre 1990 gestiegen. Gemessen an dieser Gesamtentwicklüng sind die Nettowerbeumsätze der Medien überproportional um durchschnittlich jährlich 7,5%, im Jahre 1990 sogar um 8,3% auf 24.5 Mrd. D M gestiegen.8 Im Vergleich zu der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sich das Werbewachstum der Medien in den letzten Jahren überdurchschnittlich erhöht. 9 Die größten Steigerungsraten im Zeitraum 1988 bis 1990 konnten bei der Fernsehwerbung (33%) und der Direktwerbung (14%) verzeichnet werden. Insgesamt aber dominieren in der Bundesrepublik die Printmedien. 10 Bei den Brutto-Werbeumsätzen der klassischen Medien 11 sind die Steigerungsraten noch deutlicher: Vor allem das Werbefernsehen erreichte nach Zuwachsraten von jährlich knapp 30% im Zeitraum 1989 bis 1991 einen Anteil von 3 1 % . 1 2 Kommunikation

Bemerkenswert ist auch die branchen- bzw. objektbezogene Differenzierung der Werbeinvestitionen. In erster Linie weisen jene Branchen hohe Steigerungsraten bei den Werbeinvestitionen auf, in denen hohe Wettbewerbsintensität besteht.13 Unternehmenswerbung nimmt im Vergleich zu produktoder branchenbezogener Werbung den dritten Platz (1989: zweiter Platz) beim Zuwachs der Werbeinvestitionen ein. 1 4 Dies ist bedeutsam für personalbezogene Kommunikationsaktivitäten, die zum Teil der Unternehmenswerbung zuzurechnen sind. Sie dürften einem zunehmenden Kommunikationswettbewerb ausgesetzt sein. Differenzierte Belege für die Zunahme der Inten8

9

10

11

12 13 14

ZAW, 1991, S.5. Nettowerbeumsätze sind die Bruttoumsätze der Medien abzüglich der Schaltungsrabatte. Sowohl in Bezug auf das Bruttosozialprodukt als auch im Vergleich zum verfügbaren Einkommen und zum privaten Verbrauch trifft dieser Trend zu, vgl. ZAW, 1991, S.8f. 31 Prozent der Netto-Werbeeinnahmen entfallen auf Tageszeitungen, 13 Prozent bzw. 9.5 Prozent auf Publikums- und Fachzeitschriften. Auf Fernsehwerbung entfallen knapp 19 Prozent, auf Direktwerbung (nur Streukosten) 11 Prozent; alle übrigen Werbeträger nehmen zwischen 1 und 5 Prozent vom Gesamtumsatz ein. Vgl. Gruner + Jahr Verlag, 1992, S.llf. Hierzu zählen die von Schmidt + Pohlmann erfaßten Medien Zeitungen, Publikums· und Fachzeitschriften, Fernsehen und Hörfunk. Gruner + Jahr Verlag, 1992, S.12 und 58. Vgl. hierzu ZAW, 1991, S.llf. Hier erhöhten sich die Aufwendungen von 1981 bis 1990 um 454 Prozent auf nunmehr 259 Mio. D M .

Π. Die Intensivierung werblicher Kommunikation

27

sität werblicher Kommunikation lassen sich beim Vergleich der einzelnen Mediengattungen gewinnen. 2. Die Entwicklung der Werbeträger Die Bundesrepublik weist eine insgesamt hohe und weiter steigende Mediendichte auf; gleichzeitig ist eine weitgehende Fragmentierung der Medienstruktur zu verzeichnen. Unter Mediendichte soll im weiteren die auf die Bevölkerung bezogene Anzahl unterschiedlicher Medien verstanden werden. Von 1981 bis 1990 stieg in der Bundesrepublik die Anzahl der vom Institut für Werbeträgerkontrolle (IVW) geprüften Publikumszeitschriften um nahezu 100 Prozent auf 529 Titel (1981: 277 Titel) an, wobei sich im Vergleich dazu die Gesamtauflage lediglich um 25% von 85 Mio. (1981) auf rd. 149 Mio. Exemplare (IV. Quartal 1990) steigerte (allein die zehn größten Zeitschriften erreichen eine Auflage von rd. 21 Mio. Exemplaren). 15 Der Nettowerbeumsatz betrug 3 Mrd. D M . Die Menge der Anzeigen stieg im Zeitraum 1986 bis 1989 um 17 Prozent, im Zeitraum von 1981 bis 1991 sogar um 62 Prozent, auf mehr als 190.000 an. 1 6 Absolut betrachtet haben sich also die Werbeaktivitäten in Publikumszeitschriften deutlich erhöht, sie verteilen sich allerdings auf immer mehr Titel. Der Markt der Publikumszeitschriften kann mittlerweise als gesättigt angesehen werden. Ein Hauptproblem dieses Marktes ist die hohe Fluktuation der Leserschaft bzw. der Verlust der Kernleserschaft. Dieser Effekt ist zum einen auf das Erscheinen neuer Publikumstitel, zum anderen auf das Wachstum von Fach- bzw. Special-Interest-Zeitschriften zurückzuführen. Allerdings spielt auch die Veränderung des Nutzungsverhaltens eine Rolle. Die Anzahl der in der Bundesrepublik verbreiteten Fachzeitschriften beträgt insgesamt 3215 Titel, von denen 1343 überwiegend wissenschaftlichen Inhalts sind. 17 Bei einer kontinuierlichen Auflagensteigerung im Zeitraum 1986-1990 um jährlich 5 Prozent wuchsen die Werbeumsätze überproportional um jährlich 7 Prozent (1990: 2.1 Mrd. D M ) . 1 8 Anscheinend gibt es im bundesdeutschen Markt immer noch unentdeckte Nischen und Marktsegmente, wie die Titelentwicklung der Zeitschriften zeigt. Für das Wachstum von Special15 16 17 18

ZAW, 1991, S. 165. Gruner + Jahr Verlag, 1992, S.61. ZAW, 1991, S.187f. ZAW, 1991, S.188f.

28

Β. Herausforderungen fur die Kommunikationspolitik

Interest-Titeln scheinen sich noch keine Sättigungstendenzen zu ergeben. Allerdings muß mit einer zunehmenden Leseraufsplitterung auf die Gesamtheit der Zeitschriften gerechnet werden. Dies birgt fur Werbungtreibende den scheinbaren Vorteil besserer Segmentierbarkeit, worauf an späterer Stelle noch eingegangen wird. Die stärkste Entwicklung haben allerdings die elektronischen Medien zu verzeichnen. Innerhalb der letzten fünf Jahre hat sich das Informationsangebot - gerechnet in Sendezeit - von 52 Stunden pro Tag im Jahre 1983 auf 229 Stunden (1990) enorm erhöht. Dieser Trend wird von der Entwicklung des Werbezeitenangebotes noch übertroffen: Im selben Zeitraum stieg die tägliche Werbezeit von 40 Minuten pro Tag auf sechs Stunden bei den sechs größten Sendern bzw. insgesamt auf 36 Stunden (!) pro Tag an. 1 9 Dieser Entwicklung stehen nur unterproportionale, aber im Vergleich zu den anderen Medien die stärksten Umsatzzuwächse gegenüber. Insgesamt konnte das Fernsehen einen jährlichen Werbezuwachs von 28 Prozent im Zeitraum von 1988 bis 1990 auf 2.9 Mrd. D M im Jahr 1990 verzeichnen. 20 Zurückzuführen ist dieser Trend auf den Markteintritt privater TV-Anbieter, die - begünstigt durch die stark wachsende Zahl der an das Kabelnetz angeschlossenen Haushalte21 sowie durch die Zuteilung terrestrischer Frequenzen - hohe Werbeumsatzsteigerungen erzielten (SAT 1 erzielte eine Steigerung von 166 Prozent auf 413 Mio. DM). Sieht man von dem durch Reichweitenzuwächse begünstigten Preissteigerungseffekt, der nur bei dem Privatfernsehen eintrat, einmal ab, so ist die stark zuwachsträchtige Entwicklung auf die extrem hohen Steigerungen der Werbeeinschaltungen zurückzuführen. Im Zeitraum 1988-1990 wuchs die Zahl der von den sechs Hauptsendern ausgestrahlten Werbespots von 240.000 auf 382.000 an. 2 2 Die Direktwerbimg konnte in den vergangenen Jahren jährliche Steigerungsraten von über 10 Prozent auf 8.1 Mrd. D M im Jahre 1990 erzielen. 23 Hierin enthalten sind Portokosten, Adresskosten, Kosten für die 19 2 0

2 1

2 2 2 3

Gruner + Jahr Verlag, 1991, S.26. Im Fünf-Jahres-Zeitraum stiegen die Werbeumsätze um 60 Prozent von 1.8 Mrd auf 2.9 Mrd, ZAW, 1991, S.212. 1989 war bereits jeder vierte Haushalt angeschlossen, wobei für weitere 29 Prozent der Haushalte die unmittelbare Anschlußmöglichkeit besteht, vgl. ZAW, 1991, S.211. Eigene Berechnungen. Die Gesamtaufwendungen für Direktmarketing betrugen 1990 13 Mrd. D M . Hierin sind allerdings weitere, überwiegend unternehmensinterne Kosten enthalten, die eine Vergleichbarkeit mit den Werbeaufwendungen für andere Werbeträger verhindern, vgl. hierzu ZAW, 1991, S.277.

. Die I n t n s e r u n g werbliche Kommunikation

29

Werbemittel und die Versandkosten. Die Post-Streukosten haben sich von 1979 (1.2 Mrd. D M ) bis 1989 (2.5 Mrd. D M ) verdoppelt; der Umfang der Aussendung von Werbemitteln per Post hat sich dabei um jährlich 10 bis 15 Prozent erhöht. 24 Insgesamt wurden 1990 2.87 Mrd. Massendrucksachen und 1 Mrd. Wurfsendungen zugestellt. Die Direktwerbung hat sich im Vergleich zu den anderen klassischen Medien deutlich überproportional entwickelt. Die Bedeutung und der Stellenwert dieser Kommunikationsform werden an anderer Stelle dargelegt. Der mit der Direktwerbung verwandte Bereich Messen und Ausstellungen erzielte sowohl hinsichtlich der Besucherzahlen (über 20 Prozent) als auch hinsichtlich der Standflächen (13 Prozent) hohe Steigerungsraten. Messen und Ausstellungen nehmen einen zunehmend bedeutsameren Platz im Kommunikationsmix der Werbungtreibenden ein. Auf die Entwicklung bei weiteren Werbeträgern soll nicht eingegangen werden, da sich keine grundsätzlichen Unterschiede zu den dargestellten Trends ergeben. Parallel zu der Zunahme des Angebots an Werbeträgern und der Zunahme des Umfangs werblicher Aktivitäten hat sich auch das Angebot verfügbarer Werbemittel verändert. Bei den Printmedien haben sich neben den herkömmlichen Werbemitteln wie Beilagen und Anzeigen weitere Formen, z.B. Beihefter, 3-D-Anzeigen, Beikleber, redaktionelle Werbung bzw. Sponsoring von redaktionellen Beiträgen u.a.m. etabliert. Im TV-Bereich, allerdings lediglich bei den privaten Anbietern, bildet die Integration von Werbung in die Programme eine neue Form werblicher Kommunikation.25 Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, daß bei bestimmten Formen eine hohe Akzeptanz seitens der Zuschauer erzielt wird. 2 6 Mit der Penetration von Videogeräten hat sich auch die Nutzung von Videofilmen erhöht. Diese

2 4

2 5

2 6

Nur die Streukosten können aufgrund von Erfassungsproblemen mit denen anderer Werbeträger (Netto-Werbeumsätze) verglichen werden. Eine Vielzahl von Direktwerbeaktivitäten kann allerdings nicht exakt zugerechnet werden. Werbedrucke, wie Kataloge u.a., die nicht postalisch an den Empfanger gelangen, erreichten 1990 bei einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 6 Prozent einen Umfang der Produktionskosten von 7.3 Mrd. D M (!), ZAW, 1991, S.237f. Hierzu zählen die Werbeblockeinbindung in Programme, Product-Placement in Form von Quizsendungen, Direct-Response-Werbung bzw. Teleshopping (Möglichkeit zur sofortigen telefonischen Bestellung), TV-Sponsoring (Auftritt des werbungtreibenden Unternehmens als Sponsor einer Fernsehübertragung), Messejournale und Patronatssendungen (z.B. bei dem Wetterbericht). Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei Krüger, 1990, S.214ff. So ist die Sendung "GLÜCKSRAD" die reichweitenstärkste Sendung von SAT 1. Krüger, 1990, S.218.

30

Β. Herausforderungen fur die Kommunikationspolitik

Entwicklung ermöglicht die Nutzung des Videofilms als Werbeträger. In den USA werden bereits heute Werbespots in Videofilmen eingesetzt, die vom inhaltlichen und gestalterischen Umfeld dem jeweiligen Film genau und synergetisch angepaßt werden. Man geht davon aus, daß hierdurch eine wesentlich höhere Aufmerksamkeit des Zuschauers erzielt wird. 2 7 Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Zahl der Instrumente bzw. Kanäle, mittels derer ein Individuum durch werbliche Kommunikation erreicht werden kann, stark zugenommen hat. Damit einher geht sowohl die Zunahme des Umfangs an redaktionellen Informationen als auch an werblicher Kommunikation. Neue Formen von Werbemitteln tragen ebenfalls zu der Angebotsvielfalt werblicher Kommunikation bei. Nach wie vor stellen dabei klassische massenmediale Medien die dominierenden Werbeträger dar. Dennoch zeichnet sich ab, daß der Direktwerbung zunehmend Bedeutung zukommt. Aufgrund der angeführten Trends in der Entwicklung des Werbeaufkommens von einer Intensivierung der werblichen Aktivitäten und damit des kommunikativen Wettbewerbs ausgegangen werden. Die Entwicklung des Informationsangebotes allein stellt allerdings noch kein Problem fur die Werbungtreibenden dar, denn grundsätzlich eröffnen sich bei einem steigenden Werbeträger- und Werbemittelangebot zusätzliche Möglichkeiten bzw. Alternativen zur genauen Ansprache der Zielpersonen. Ob die Intensivierung werblicher Kommunikation zu einer Reduzierung der Wirkung fuhrt, hängt vom Informationsverhalten des Empfängers ab. Von Interesse ist daher die Beantwortung der Frage, wie sich die Informationsnutzung durch die Zielpersonen darstellt.

I I I . Die Entwicklung der Informationsnutzung Zu repräsentativen Erfassung der Informationsnutzung wird in der Werbeplanungspraxis auf das Kriterium der Werbeträgerkontakte zurückgegriffen. Man stützt sich hierbei in erster Linie auf die sog. quantitativen Reichweitendaten verschiedener Mediaanalysen.28 Derartige Daten liegen allerdings lediglich für die Medien Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen und Hörfunk vor. Zur Erfassung des Kontaktes wird bei Printmedien die Zahl der Leser zugrundegelegt, bei Funkmedien dagegen die Anzahl der Personen, die sich bei eingeschaltetem Gerät während einer bestimmten Sendezeit im 2 7 2 8

Stipp, 1989, S. 165. Die Leistungen der Media-Analyse, der Allensbacher Werbeträger-Analyse und der Verbraucher-Analyse sind in Motor Presse, 1985, übersichtlich dargestellt.

ΠΙ. Die Entwicklung der Informationsnutzung

31

Empfangsraum aufgehalten haben. 29 Dieses, fur die Ermittlung der Informationsnutzung sehr grobe Maß kann allerdings nur eingeschränkt fur den Vergleich verschiedener Medien herangezogen werden. Vor allem ist die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einem Kontakt mit dem Werbemittel des jeweiligen Werbeträgers kommt (Werbemittel-Kontaktwahrscheinlichkeit), bei den verschiedenen Medien sehr unterschiedlich.30 Desweiteren erschweren zusätzliche Einflußgrößen die Abgrenzbarkeit. Hierbei sind medien- und situationsspezifische Faktoren wie Kontaktdauer, Wiederholbarkeit und Medienfunktion einerseits sowie die Situation des Medienkonsums und parallele Mediennutzung (Fernsehen plus Lesen von Zeitungen/Zeitschriften), parallele Tätigkeiten (z.B.Essen, Kochen u.a.) 3 1 andererseits von Bedeutung.32 Neben der Abgrenzbarkeit stellt die Vergleichbarkeit des Kontaktes mit unterschiedlichen Medien ein zentrales Problem dar. Hierauf soll allerdings an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, da zunächst lediglich die Entwicklung des Nutzungsverhaltens betrachtet werden soll. Bei der Nutzungsdauer kann fur das Medium Fernsehen eine durchschnittliche Sehdauer von 116 Minuten pro Tag im Jahre 1990 festgestellt werden. 33 Interessanterweise ist diese Größe trotz der Angebotsausdehnung von 52 Stunden (1983) auf 229 Stunden (1990) nahezu konstant geblieben. Die Nutzung des Werbefernsehens hat sich im selben Zeitraum von sechs auf lediglich acht Minuten (gegenüber einer Angebotsentwicklung von 40 Minuten auf 36 Stunden) erhöht. 34 Die durchschnittliche tägliche Lesedauer von Print-Werbeträgern hat sich dagegen von 10 Minuten auf 12 Minuten geringfügig erhöht. Schließt man die Nichtnutzer aus der Betrachtung aus, so ergeben sich für das Fernsehen 133 Minuten, für das Radio 128 Minuten und für Zeitungen 42 Minuten sowie für Zeitschriften 36 Minuten. 35

2 9 3 0 3 1

3 2

3 y 3 4 3 5

Vgl. hierzu AG.MA, 1988, S.70ff. Vgl. hierzu Freier, 1974, S.77f. In einer Befragung der Aachener Bevölkerung gaben 93% der Befragten an, beim Radiohören eine Paralleltätigkeit (58% der Befragten hören beim Autofahren Radio) auszuüben, vgl.Tolle, 1987, S.5. Vgl. Freter, 1974, S.100 und Tolle, 1987, S.3. Die Werbemittel-Kontaktwahrscheinlichkeit wird repräsentativ allerdings erst ab 1992 erfaßt werden. Gruner + Jahr Verlag, 1991, S.39 und Saxer, 1989, S.57f. Gruner + Jahr Verlag, 1991, S.39. Seit 1986 hat sich die tägliche Lesedauer allerdings nicht mehr verändert. Vgl. hierzu die Befunde einer repräsentativen Studie zum Kommunikationsverhalten von Saxer, 1989, insbes. S.56ff.

32

Β. Herausfordengen f r die Kommunikationspolitik

Die unterschiedliche Verfügbarkeit von TV- und Print-Werbeträgern läßt eine Vergleichbarkeit der Reichweiten nur bedingt zu. Grundsätzlich kann man aber aussagen, daß die Reichweiten der öffentlich-rechtlichen TV-Sender absinken, die der privaten TV-Sender zunehmen. Im Print-Bereich hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre die durchschnittliche Reichweite der Tageszeitungen um 50 Prozent, die der Zeitschriften um 30 Prozent verringert, 36 was mit der bereits angeführten Verdopplung der Titelzahl korrespondiert. Innerhalb einer Mediengattung nutzt der Einzelne zunehmend mehrere Medien. So hat sich die Nutzung von Zeitschriften im Zeitraum von 1979 bis 1989 von durchschnittlich 1.3 auf 2.8 Titel erhöht. 37 Beschränkt man sich nur auf den Werbeträgerkontakt, so kann für den Zeitraum 1980 bis 1990 eine Verdoppelung der in der Mediaanalyse ermittelten Bruttokontakte festgestellt werden. 38 Folglich liegt die Vermutung nahe, daß bei konstanter Lese- bzw. Betrachtungsdauer von Zeitschriften und Zeitungen bzw. eletronischen Medien flüchtigere Kontakte mit den einzelnen Titeln vorliegen. Gestützt wird diese Folgerung durch den Trend des zunehmenden Medienverbundes, womit die (zeitlich) parallele Nutzung von Medien gemeint ist. Bei hoher Verfügbarkeit werden mehr Medien, auch unterschiedlicher Mediengattungen, genutzt.39 Bedeutsam ist dabei auch, daß sich in den vergangenen zehn Jahren das Ausmaß der Nebentätigkeiten während der Mediennutzung beträchtlich erhöht hat. 4 0 In diesem Zusammenhang erscheinen auch Befunde bedeutsam, die ein Anwachsen der "passiven Medienkonsumenten" zeigen.41 Die Habitualisierung des gleichzeitigen Gebrauchs mehrerer Medien sowie die Flüchtigkeit des Kontakts mit einem Medium hat, so ist zu vermuten, eine Oberflächlichkeit der Wahrnehmung von Informationen zur Folge. Der Vergleich von Medienangebot und Mediennutzung auf aggregierter Ebene zeigt deutlich die überproportionale Entwicklung des Angebots gegenüber der Nutzung von Medien bzw. Werbeträgern. Fraglich ist aber, ob nicht 3 6 3 7 3 8

3 9

4 0

4 1

Gruner -I- Jahr Verlag, 1991, S.65. Saxer, 1989, S.75f. Dies ist die Summe aller Kontakte, die bei den erfaßten Werbeträgern erzielt wurden. Gruner -I- Jahr Verlag, 1991, S.36f. Bei der parallelen Nutzung unterschiedlicher Medien steht an erster Stelle das Radio in Kombination mit der Zeitung (62 Prozent) bzw. der Zeitschrift (48%) und an zweiter Stelle das Fernsehen in Verbindung mit der Zeitung (35 Prozent) bzw. der Zeitschrift (28%). Vgl. Saxer, 1989, S.75ff. und S.106. Fundierte Zahlen liegen nur für den Bereich der elektronischen Medien, insbesondere für das Fernsehen, vor: Hier erhöhte sich der Anteil deijenigen, die neben dem Fernsehen auch andere Tätigkeiten ausübten, von 42% (1979) auf 75% (1991). Axel Springer Verlag, 1992, S.23ff. Saxer fand heraus, daß der Anteil dieser Gruppe 27 Prozent beträgt. Vgl. Saxer, 1989, S.236.

IV. Die Informationsüberlastung durch werbliche Kommunikation

33

dennoch eine intensive Nutzung des einzelnen, tatsächlich genutzten Mediums bzw. der dort placierten Werbung durch den Empfanger vorliegt. Zur Erhärtung der Vermutung über die Kontaktflüchtigkeit müssen allerdings genauere, auf der Individualebene gewonnene Befunde der näheren Betrachtung unterzogen werden. Als Ansatzpunkt hierfür eignen sich die Erkenntnisse zur Informationsüberlastung.

I V . Die Informationsüberlastung durch werbliche Kommunikation Der in der verhaltenswissenschaftlichen Forschung geprägte Begriff der Informationsüberlastung kennzeichnet die zunehmende Informationsüberflutung, die sich in weiten Teilen der Gesellschaft zeigt. 42 Hierunter wird der Anteil der nicht beachteten Informationen an den insgesamt angebotenen Informationen verstanden.43 Im einzelnen ist hiermit gemeint (1) der Tatbestand des Informationsüberschusses, der entsteht, weil von dem Einzelnen nur ein Teil der verfügbaren Informationen beachtet und aufgenommen wird, (2) der Tatbestand des Informationsüberschusses, der zur Beeinträchtigung der Informationsverarbeitung führt und (3) der Tatbestand des subjektiv empfundenen Informationsstresses aufgrund hohen Informationsangebotes. Wie bereits gezeigt wurde, wird das Informationsangebot von Jahr zu Jahr gesteigert, wobei die Zeit, die fur die Mediennutzung aufgewandt wird, im wesentlichen aber konstant bleibt; das Angebot an Informationen nimmt stärker als der Informationskonsum zu. Der Informationsüberschuß kennzeichnet demnach den Anteil der nicht aufgenommenen Informationen am gesamten Informationsangebot. Die Ursachen für die geringe Steigerung der Informationsnutzung liegen letzlich im Informationsaufhahmeund verarbeitungssytem des Individuums. Der Fähigkeit des Menschen, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, sind enge, biologisch bedingte Grenzen gesetzt.44 Aus den aufgeführten Zusammenhängen kann die These der steigenden Informationsüberlastung abgeleitet werden. 45

4 2 4 3

Kroeber-Riel, 1987, S.257. Kroeber-Riel, 1988, S. 11 und ders.,1987, S.257.

4 4

Hagemann, 1988, S.175. Es existieren aber sowohl große interindividuelle als auch intraindividuelle Unterschiede. So kann bei einem Individuum die Menge der aufgenommenen Informationen von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Dies ist mit dem unterschiedlichen Aktivitätsgrad eines Individuums bei der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen zu erklären. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Involviertheitsgrad des Einzelnen, vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 5.2.

4 5

ders., 1987, S.258.

3 Beba

34

Β. Herausforderungen f r die Kommunikationspolitik

Zum Nachweis dieser These werden verschiedene Modelle angewandt. Die in den USA entwickelten "Makromodelle" beschranken sich auf die Ermittlung des Informationsangebotes und des Informationskonsums, verstanden als die Menge von Wörtern, die in einem Medium ( = Einzelquelle) dargeboten bzw. vom Individuum aufgenommen werden. 46 Zur Berechnung wird die fur den Medienkonsum aufgewandte Zeit mit einem Durchschnittswert fur die dabei aufgenommenen Wörter multipliziert; zur Berechnung des Angebotes wird das Produkt aus Reichweite, durchschnittlicher Seitenzahl (Sendezeit) und Zahl der jeweils durchschnittlich enthaltenen Wörter gebildet. 47 Den Ergebnissen zufolge beträgt die Informationsüberlastung in den USA 95 Prozent bei Zeitschriften, 99.9 Prozent beim Rundfunk und 99.1 beim Fernsehen. Da in den letzten zwanzig Jahren der Informationskonsum durchschnittlich um 3.2 Prozent und das Informationsangebot dagegen um durchschnittlich 8.4 Prozent angestiegen ist, geht man von steigender Informationsüberlastung aus. 48 Eine Variante dieses Ansatzes stellt das "Mikromodell" von Kroeber-Riel dar; hier werden aufgenommene und dargebotene Informationseinheiten zueinander in Beziehung gesetzt.49 Als Informationseinheit werden dabei alle visuellen und akustischen Elemente bezeichnet, die ein Individuum gleichzeitig aufnimmt. Zur Ermittlung der Aufnahme von Informationseinheiten werden technische Hilfsmittel, wie z.B. Blickaufzeichnungsgeräte, herangezogen. Mit ihnen kann gemessen werden, wieviel (und welche) Informationseinheiten ein Individuum aufnimmt und wie hoch der Zeitbedarf hierfür ist. Der Anzahl der tatsächlich aufgenommenen Informationseinheiten wird die Anzahl der Informationseinheiten, die insgesamt im jeweiligen Medium (in der Zeitschrift, in der empfangenen Sendung eines TV- oder Rundfunkprogramms) enthalten ist, gegenübergestellt.50 Der Zeitaufwand zur Aufnahme aller Informationen einer Zeitschrift wie dem STERN würde zwischen viereinhalb und sieben Stunden betragen, tatsächlich umfaßt der Informationskonsum aber lediglich 60 Minuten. 51 Die durchschnittliche Informationsüberlastung macht

4 6 4 7

4 8

4 9 5 0

51

De Sola Pool, 1984, zit. bei Kroeber-Riel, 1987, S.258. Kroeber-Riel, 1987, S.258f. Bildinformationen können in diesem Modell nicht adäquat berücksichtigt werden. Dies entspricht einer Rate von 260%. De Sola Pool, 1984, zit. bei Kroeber-Riel, 1987, S.259. Vgl. hierzu Kroeber-Riel, 1987, S.259ff. und ders., 1990, S.88, S.90 und S.596. Zur Vergleichbarkeit werden die Einheiten in Zeitbedarf umgerechnet. Für die Aufnahme einer Informationseinheit ist ein Zeitbedarf von 200-300 Millisekunden erforderlich, vgl. Hagemann, 1988, S.176f. Kroeber-Riel, 1987, S.260.

IV. Die Informationsüberlastung durch werbliche Kommunikation

35

demnach 83 Prozent aus, was fur die Zeitschrift STERN im Vergleich zu anderen Zeitschriften ein geradezu hervorragendes Ergebnis darstellt. 52 Von besonderem Interesse ist die mit Werbung verbundene Informationsüberlastung. Hierzu konnte ermittelt werden, daß für das Betrachten einer Anzeige im STERN durchschnittlich lediglich 1.8 Sekunden bis 2.1 Sekunden - j e nachdem, ob nur geblättert oder die Anzeige tatsächlich "gelesen" wird aufgewandt werden. Bei einer erforderlichen Betrachtungsdauer von 35-40 Sekunden ergibt sich hieraus eine Informationsüberlastung von 95 Prozent. 53 Insgesamt beträgt die Informationsüberlastung in der Bundesrepublik durchschnittlich 98 Prozent, wobei sich allerdings dieselben mediengattungsspezifischen Unterschiede (deutlich höhere Werte bei elektronischen Medien) wie in den USA ergeben. 54 Bedeutsam ist, daß die durch Werbung in verschiedenen Medien entstehende Informationsüberlastung im allgemeinen noch höher als bei redaktionellen Beiträgen ist. Kritisch muß an den vorgestellten Modellen allerdings die meßtechnische und methodische Problematik, insbesondere die laborähnliche Untersuchungssituation und die Erfassung des Informationsangebotes, angesehen werden. Ferner stellt sich die Frage, ob die Ergebnisse der Modellrechnung in der Tat generalisierbar sind; vergleichbare Untersuchungen stehen zur Zeit noch aus. Desweiteren bestehen große interindividuelle Unterschiede in der Informationsüberlastung, wie Untersuchungen zum Zusammenhang von Involvement und Informationsüberlastung zeigen.55 Außerdem sind die Aussagen über die Werbewirkung beschränkt, da diese von vielen anderen Faktoren mitbeeinflußt wird. So liegen zum Problem der Ermittlung des Zeitbedarfs für das Wiedererkennen einer bereits häufiger gesehenen Anzeige noch keine Befunde vor; man nimmt allerdings an, daß hier die Informationsaufhahme rascher erfolgt. 56 Anhaltspunkte für den möglichen zunehmenden Wirkungsverlust der Werbung aufgrund der Erhöhung des Angebotes werblicher Informationen geben Befunde, denen zufolge sich die Erinnerung an die beworbenen Produkte deutlich verringert hat. Bei Zeitschriftenanzeigen hat sich die ungestützte Erinnerung um ca. 20% im Vergleich 1980-1990 verringert. 57 5 2 5 3 5 4 5 5

Ebenda. Ebenda. Vgl. hierzu Kroeber-Riel, 1990, S.88f. Vgl. hierzu Leven, 1988, S.171.

5 6

Vgl. Tostmann, 1988, S.154f.

5 7

Vgl. die Befunde der Repräsentativ-Studie Seherqualität II, Axel Springer Verlag, 1992, S.28f.

36

Β. Herausforderungen fur die Kommunikationspolitik

Bei TV-Spots ist diese Entwicklung noch dramatischer: Hier hat sich die 1991 ermittelte ungestützte Erinnerung um 73 % gegenüber 1979 reduziert; deutlich verschlechtert hat sich dabei auch die Erinnerung an Detailelemente der Werbespots. 58 Ferner konnte ermittelt werden, daß lediglich 32% aller Zuschauer während der TV-Nutzung einen durchgängigen Bildschirmkontakt haben. Als bedeutsames Ergebnis der zunehmenden Flüchtigkeit der Werbekontakte ist zu werten, daß der Anteil der Markenverwechslung sich um mehr als die Hälfte auf nunmehr 53% erhöht hat. 5 9 Für den Zeitschriftenbereich konnte festgestellt werden, daß der Anteil des "Überfliegens" (punktuelle, oberflächliche und sporadische Betrachtung) im Vergleich zum Leseanteil in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat. Insgesamt kann - unter Vorbehalt der vorangestellten Probleme - der These von der hohen Informationsüberlastung gefolgt werden. Von hoher Bedeutung für die Werbungtreibenden ist der dynamische Charakter der Informationsüberlastung. Sie hat sich in den vergangenen Jahren stark erhöht und dürfte auch in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen, da das Informationsangebot auf Grund neuer Angebotsformen steigen wird. 6 0 Die steigende Informationsüberlastung führt zu einem veränderten Informationsaufhahmeverhalten der Empfanger, wobei insbesondere Werbung nur noch bruchstückhaft oder gar nicht aufgenommen wird. Flüchtigere Kontakte mit der Werbung erschweren die Etablierung von Marken- und Unternehmensimages. Aus den aufgeführten Aspekten kann die These abgeleitet werden, daß die Intensivierung der kommunikativen Aktivitäten der Werbungtreibenden zur Wirkungsreduzierung werblicher Kommunikation führt.

V. Konsequenzen für die Kommunikationspolitik Bei Empfängern, die in hohem Maße der Informationsüberlastung unterliegen, zeigt sich eine Bevorzugung von Medien, die eine rasche und weniger anstrengende Informationsverarbeitung begünstigen.61 Dieses sind in erster Linie bildbetonte Medien, wobei die Bildbetonung nicht nur auf visuellen,

5 8

5 9 6 0

6 1

Die gestützte Erinnerung hat sich im selben Zeitraum "nur" um 37% verringert. Ders., S.4 und 7. Ders., 1992, S. 17. Für die zukünftige Entwicklung wird mit einer Verdopplung der Zahl der eingesetzten Werbemittel in den nächsten 12 Jahren gerechnet, vgl. hierzu Tostmann, 1988, S.152f. und Kroeber-Riel, 1988, S.14f. Vgl. hierzu Leven, 1988, S.169f.

V . Konsequenzen fur die Kommunikationspolitik

37

sondera auch auf akustischen bzw. gemischten Bildern beruht. Derartige Medien erhöhen die Bereitschaft der Empfanger, sich einer Information zuzuwenden. Bildbetonte Informationsdarbietung ermöglicht dem Empfänger, sich raschen Uberblick über ein Informationsangebot zu verschaffen, die fur ihn wesentlichen Informationen aus den Medien schnell aufzunehmen, und mit geringer gedanklicher Anstrengung bzw. mit geringer gedanklicher Beteiligung zu verarbeiten. Insbesondere gering involvierte und hinsichtlich der Informationsverarbeitung "bequeme" Empfänger präferieren diese Art der Informationsdarbietung. 62 Die verstärkte Nutzung von Medien mit Betonung der Bildkommunikation prägt auch die Erwartungen und Verhaltensmuster der Empfanger bezüglich zukünftiger Formen der Informationsvermittlung. So vermutet man, die Informationsaufnahme werde zunehmend passiver und erlebender Natur sein. 63 Wirkungssteigerungen aufgrund stärker bildhafter Kommunikation sind in klassischen Medien aufgrund des wachsenden Werbeangebotes aber enge Grenzen gesetzt. Die Neuetablierung und Intensivierung werblich nutzbarer Kommunikationsformen hat zu einem Ansteigen der Werbedichte 64 gefuhrt. Bei den Empfängern bewirkt das Ansteigen der Werbedichte eine zunehmende Informationsüberlastung und ein verändertes Informationsverhalten: Medien werden "schneller" und teilweise parallel konsumiert. Ferner hat sich die Leser-Titel- bzw. Seher-Sendung-Bindung (Stammnutzeranteil) stark verringert; 65 Zeitschriften und TV-Programme werden immer häufiger gewechselt. Beim Fernsehen tritt Untersuchungen zufolge zunehmend das " Zapping "Verhalten von Zuschauern in den Vordergrund. Mit Zapping wird der häufige Programmwechsel, der insbesondere bei Werbeblöcken auftritt, bezeichnet.66 Der bei redaktionellen Beiträgen und insbesondere bei Werbung auftretende häufige Programmwechsel charakterisiert das "Vagabundieren" des Zuschauers. In diesem Zusammenhang ist die Zunahme der Penetration von Videorecordern in Haushalten ein weiteres Problem für das Fernsehen. Mit 6 2 6 3

Bernhardt, 1988, S. 167. Saxer, 1989, S.106f. Dennoch darf nicht das individuelle Informationsinteresse bzw. der Involviertheitsgrad des Einzelnen hinsichtlich des beworbenen Themas außer acht gelassen werden. Es steuert in weitaus stärkerem Maße als die Aktivierungskraft des Werbemittels das Informationsverhalten. Kroeber-Riel, 1990, S.90.

6 4

Die Werbedichte gibt die Zahl der ausgesandten Werbeappelle bzw. -anstoße je Zuschauer wieder, Tostmann, 1988, S.155.

6 5

Gruner + Jahr Verlag, 1991, S.78ff. Einer amerikanischen Untersuchung zufolge "zappen" durchschnittlich 62% der Zuschauer; 78% "zappen", wenn sie Videoaufzeichnungen vornehmen, vgl. Reiss, 1986, S.97. In Deutschland "zappen" rd. 38% der Zuschauer, weitere 21% nutzen die Werbepausen für andere Tätigkeiten, vgl. Heinrich Bauer Verlag, 1992, S.13f.

6 6

38

Β. Herausforderungen f r die Kommunikationspolitik

der Verbreitung von Videorecordern steigt die Anzahl der Zuschauer, die beim Abspielen aufgezeichneter Sendungen die Werbung überspringen. 67 Für den Werbungtreibenden bestehen in der Angebotsentwicklung aber zunächst Vorteile, da mehr Werbeträger, mehr Werbemittel, mehr Programme im unterschiedlichsten redaktionellen Umfeld, flexiblere Buchungen und eine hohe Verfügbarkeit Möglichkeiten bieten, Zielgruppen selektiver anzusprechen. Die nachlassende Zuschauerbindung sowie die stetig wachsende Differenzierung des Angebotes an massenmedialen Werbeträgern hat aber für die Mediaplanung deutlich negative Konsequenzen: Eine zielgruppenbezogene Medienauswahl erscheint kaum noch möglich, da - auch unter Berücksichtigung der methodischen Unzulänglichkeiten von Werbeplanungstechniken - enorme Streuverluste hingenommen werden müssen. Dies schränkt die Planbarkeit von Werbung in den klassischen Medien stark ein. Die Kompensation von Streuverlusten durch zusätzliche Werbeeinschaltungen in demselben und in weiteren Medien führt dann zu höheren Kosten. Um den hohen Streuverlusten in der (werblichen) Ansprache zu entgehen und der Forderung einer zielgruppengerechten Angebots- und Kommunikationspolitik gerecht zu werden, werden heute in erhöhten Maße Medien eingesetzt, die eine gezielte Ansprache bestimmte Kundensegmente erlauben. Damit ist allerdings ein Anwachsen von speziellen (zielgruppengerechten) Medien bzw. von Insertionen in speziellen Medien verbunden. 68 Die Segmentierbarkeit von werblich interessanten Zielgruppen wird allerdings auch durch den Trend der zunehmenden Individualisierung des Einzelnen stark erschwert; bei den Interessen zeichnet sich eine steigende Heterogenisierung ab. Nur ein Teil der Interessen des Einzelnen spiegelt sich z.B. auch in der Nutzung eines "special interest "-Titels wider. Zielpersonen mit einem typischen Mediennutzungsverhalten sind deshalb immer schwieriger zu lokalisieren; sie verteilen sich auch eine zunehmende Zahl von Medien. Um aber dennoch eine größtmögliche Zahl von Zielpersonen anzusprechen, müssen die Werbeaktivitäten auf eine Vielzahl von Werbeträgern verteilt werden. Aus verschiedenen Gründen ist es auf den meisten Märkten kaum noch möglich, objektive Produkt- oder Leistungsvorteile als Entscheidungsgrundlage in ihre Präferenzwahl einzubeziehen. Hierzu tragen natürlich auch die in einer hochentwickelten Industriegesellschaft hohen Qualitätsstandards von Gütern und Dienstleistungen bei. In Verbindung mit der Informationsüberlastung führt dies auch zu einem Nachlassen des Informationsinteresses an

6 7 6 8

Vgl. Tostmann, 1988, S.154. Kroeber-Riel, 1990, S.90.

V . Konsequenzen für die Kommunikationspolitik

39

Leistungsvorteilen. Werbliche Kommunikation mit informativem Charakter kann deshalb nur noch in wenigen Bereichen erfolgreich sein. Personalbezogene Werbung dürfte im allgemeinen zwar auf ein höheres Informationsinteresse als herkömmliche Produktwerbung treffen. Insofern kann traditionelle informative Werbung bei den im Berufswahlprozeß stehenden Adressaten auf höhere Akzeptanz als produktspezifische Werbung stoßen. Es ist allerdings zu vermuten, daß personalwerbende Kommunikation in Zukunft einen immer größeren Stellenwert erlangen wird. Mit der zunehmenden Wettbewerbsintensität auf dem Personalmarkt wird auch personalbezogene Kommunikation in immer stärkerem Maße entsprechenden Aktivitäten der Wettbewerber ausgesetzt sein. Deshalb muß auch für diesen Bereich ein Nachlassen des Informationsinteresses, z.B. an Leistungsmerkmalen des Arbeitsplatzangebotes, befürchtet werden. Für diesen Fall ist es also fraglich, ob die objektiven Leistungsvorteile eines Unternehmens wirksam gegenüber den Leistungsvorteilen der Wettbewerber kommuniziert werden können. Hinzu kommt, daß die Vielschichtigkeit der Leistungsvorteile von Unternehmen bei ihrem Arbeitsplatzangebot im allgemeinen nicht im vollen Umfang kommunizierbar ist. Bereits heute läßt sich feststellen, daß die aktuelle personalbezogene werbliche Kommunikation einen austauschbaren Charakter aufweist. 69 Den vorliegenden Ausführungen zufolge kann von einem zunehmenden Wirkungsverlust herkömmlicher bzw. klassischer werblicher Kommunikation ausgegangen werden. Auch für die personalwerbende Kommunikation dürften die geschilderten Probleme werblicher Kommunikation relevant sein. Sie stellen Herausforderungen dar, aus denen das Bestreben von Werbungtreibenden resultiert, nach neuen Kommunikationsformen zu suchen. Auf der Empfängerseite tritt aufgrund veränderter Wertetrends, insbesondere bei jüngeren Gruppen, zunehmend das Bedürfnis nach emotionaler Anregung und individuellem Dialog auf. 7 0 Hieraus entwickeln sich auch die Anforderungen, die die Rezipienten an die Marktkommunikation stellen: Sie wird in zunehmendem Maße an die emotionale Erlebniswelt der Empfänger und an bestimmte empfängerspezifische bzw. -individuelle Prädispositionen anzupassen sein. In kommunikationspolitischer Hinsicht bedeutet dies eine Neuorientierung in Richtung zunehmender Individualisierung und Dialogisierung werblicher Kommunikation. Ansatzpunkte hierfür bieten die kommunikationspolitischen Konzepte der Direktkommunikation und der

6 9 7 0

Simon, 1984, S.340. Als für die Marktkommunikation bedeutsame Wertetrends werden vorrangig die Erlebnis- und Genußorientierung, das Gesundheits- und Umweltbewußtsein die Betonung der Freizeit angesehen. Vgl. hierzu Kroeber-Riel, 1988, S.27, Raffée, 1988, Silberer, 1989.

40

Β. Herausforderungen f r die Kommunikationspolitik

Steuerung interpersoneller Kommunikationsprozesse. Hierauf soll im folgenden Abschnitt unter Berücksichtigung der Besonderheiten der PersonalMarketing-Kommunikation näher eingegangen werden.

C. Ansatzpunkte für Kommunikationsstrategien im Personal-Marketing I . Personal-Marketing als Gestaltungsfeld strategischer Kommunikationsentscheidungen Den "Human Resources" kommt eine zunehmende Bedeutung als strategischer Wettbewerbsfaktor zu. Aus unterschiedlichen Gründen, insbesondere dem der steigenden Verknappung qualifizierten Personals, kann von einem zunehmenden Wettbewerb der Unternehmen um Mitarbeiter ausgegangen werden. Umso wichtiger wird fur die Unternehmen die aktive Bearbeitung der Personalmärkte auf der Grundlage eines Personal-Marketing-Konzeptes sein. Dies erfordert eine Neuorientierung der betrieblichen Personalpolitik hin zu einem strategisch ausgerichteten Personal-Marketing. Die Komplexität der Zusammenhänge zwischen unternehmensinternen und -externen personalpolitisch relevanten Faktoren hat allerdings bislang die Etablierung ganzheitlich-konzeptioneller Ansätze verhindert. 1 Die in Abschnitt Β bereits dargestellten Kommunikationsprobleme erschweren die Wirksamkeit bisheriger kommunikationspolitischer Konzepte auf den Personalmärkten. Der Suche nach neuen Strategien, mit denen wirksam Präferenzen bei potentiellen und aktuellen Mitarbeitern geschaffen werden können, kommt deshalb eine strategische Bedeutung zu. Im vorliegenden Abschnitt soll - nach notwendigen begrifflichen Grundlagen - zunächst auf den Stellenwert sowie auf die Rahmenbedingungen des Personal-Marketing eingegangen werden, im Anschluß daran auf die Grundlagen von Personal-Marketing-Konzeptionen sowie ihre instrumentelle Ausgestaltung. Eine besondere Rolle spielt hierbei das Corporate-IdentityKonzept. Im Hinblick auf den kommunikationspolitischen Schwerpunkt dieser Arbeit wird im weiteren Verlauf auf den präferenzbildenden Faktoren, vor allem dem Personalimage und den Möglichkeiten, die sich dem Unternehmen in der präferenzwirksamen Gestaltung des Personalimage bieten, das Hauptaugenmerk liegen. 1

Staffelbach, 1986, S.47. Vgl. hierzu auch Becker, 1988, S.45 und Krulis-Randa, 1986, S.141.

42

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

1. Zum Begriffsverständnis und zur Charakteristik des Personal-Marketing Mit dem Begriff des Personal-Marketing eng verbunden ist die Diskussion um eine strategische Orientierung des Personalmanagements.2 Unter Personal-Marketing wird in einer begrifflich weiten Fassung die Denkhaltung eines Unternehmens verstanden, die sich an den Vorstellungen und Bedürfnissen der vorhandenen und potentiellen Mitarbeiter ausrichtet. Personal-Marketing wird hierbei analog zum absatzorientierten Marketing als strategisch ausgerichtete, marktorientierte Denkhaltung bezeichnet, nach der alle den internen Personalbereich sowie den externen (Arbeits-)Markt berührenden Entscheidungen konsequent ausgerichtet werden. 3 Diese Grundhaltung wirkt sich zum einen auf der instrumentellen Ebene, die alle Entscheidungen und Maßnahmen der Personalpolitik umfaßt, zum anderen auf der normativen Ebene, die die Wertehaltung im Unternehmen gegenüber dem Mitarbeiter und die Beziehung zu ihm umfaßt, aus.4 So sehen Eckardstein und Schnellinger im Personal-Marketing ein Konzept konsequent mitarbeiterorientierter Personalpolitik.5 Hierfür wird auch der Begriff "Human Resources Management" verwendet.6 Neben dieser, eher als Maxime zu verstehenden, normativen Definition finden sich auch starker handlungsorientierte Begriffslegungen. So wird Personal-Marketing als ein langfristiges Konzept zur systematischen Schaffung von Präferenzen bei aktuellen und potentiellen Mitarbeitern gegenüber dem Unternehmen aufgefaßt. 7 Hunziker stellt Personal-Marketing als Konzept dar, das "alle zu treffenden Maßnahmen des Unternehmens als Anbieter umfaßt, die dazu dienen, eine latent vorhandene, eine bereits manifeste oder eine noch zu erzeugende Erwartungshaltung derzeitiger oder

2 3

4

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7

Seiwert, 1985, S.348; Fröhlich, 1987a, S.527. Schmidtbauer, 1975, S.24; Ruhleder, 1975, S.146. Vgl. auch Freimuth, 1989, S.41. In der personalwirtschaftlichen Literatur findet man überwiegend eine Verknüpfung von mitarbeiterorientierter Personalpolitik und Personal-Marketing, vgl. Fröhlich, 1987a und Freimuth, 1989. Personal-Marketing wird als arbeitsmarktund mitarbeiterorientierte Strategie aufgefaßt, die sowohl Maßnahmen und Entscheidungen nach außen als auch nach innen umfaßt. Vgl. Eckardstein und Schnellinger, 1975, Sp. 1596f. und Seiwert, 1985, S.349. Vgl. Fröhlich, 1987a, S.527 und von Eckardstein und Schnellinger, 1975, Sp.l596f. Mit dem Begriff "Human Resources Management" ist die Gesamtheit aller personalpolitischen Maßnahmen, in deren Mittelpunkt der Mensch mit seinen Bedürfnissen und Erwartungen steht, gemeint. Vgl. Schmidbauer, 1975, S.24. Ruhleder, 1978, S. 145.

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

43

zukünftiger Arbeitnehmer durch eine entsprechende marktkonforme Leistung zu befriedigen. " 8 In einem enger gefaßten Sinn beinhaltet Personal-Marketing alle zu treffenden Maßnahmen des Unternehmens zur Schaffung von Nachfrage nach Arbeitsplätzen.9 Hierbei wird Personal-Marketing lediglich als marktbezogene Beschaffung und gezielte Personalwerbung fur externe MitarbeiterPotentiale definiert. 10 Diese Begriffsfassung ist in den siebziger Jahren aus der akuten Problemsituation des Mangels an qualifiziertem Personal und weniger aus der Perspektive, einen umfassend-systematischen und marktorientierten Ansatz fur den Personalbereich zu entwickeln, entstanden.11 Hauptsächlich ist hiermit die Personalwerbung gemeint. Dem Personal-Marketing ist in begrifflicher Hinsicht auch das "Arbeitsplatz-Marketing" zuzurechnen.12 Hierunter wird die personalpolitische Orientierung hinsichtlich der Gestaltung des Arbeitsplatzes an den Interessen der Mitarbeiter verstanden. Der Arbeitsplatz soll den Mitarbeitern so wichtig und attraktiv erscheinen, daß sie auf den Eintritt in andere Unternehmungen verzichten. 13 Hierdurch verschafft sich das Unternehmen eine besondere Stellung auf dem anonymen Personalmarkt und differenziert sich gegenüber den Wettbewerbern. In der Diskussion der vorangestellten Begriffslegungen muß zunächst die begrifflich weite Fassung, nach der Personal-Marketing eine Orientierung an den Bedürfhissen der Mitarbeiter darstellt, als wenig realistisch und praktikabel beurteilt werden. Konsequenterweise müßte eine mitarbeiterorientierte Ausrichtung der Unternehmens- und Personalpolitik das gesamte Unternehmen umfassen und implizit die Forderung erfüllen, möglichst alle Funktionsbereiche nach dem Engpaßfaktor Personal auszurichten. Diese Maxime stellt erheblich höhere Anfordungen an das Unternehmen als die des Absatzmarketing. Wenn in diesem Zusammenhang von einer "Dienstfunktion " 1 4 des Unternehmens gegenüber den Mitarbeitern als Maxime des Personal-Marke8

Hunziker, 1975, S.7.

9

Seiwert, 1985, S.349 und Hunziker, 1973, S.7. Vgl. hierzu Wunderer, 1975, Sp.l689ff. und Seiwert, 1985, S.348. Vgl. Fröhlich, 1987b, S.41. Ruhleder, 1978, S. 145.

10 11 12 13

14

Dieser Sachverhalt läßt sich auch mit der Anreiz-Beitrags-Theorie umschreiben, die im wesentlichen besagt, daß eine Organisation ihren Mitgliedern mindestens so hohe Anreize bieten muß, daß sie bereit sind, ihr zukünftig weiterhin anzugehören, vgl. Eckardstein und Schnellinger, 1975, Sp.1595 und Berthel, 1989, S.131. Eckardstein und Schnellinger, 1975, Sp.1597.

44

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

ting gesprochen wird, so besteht die Gefahr, daß der Bedeutung übergeordneter Unternehmensziele nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Der Begriff "Arbeitsplatz-Marketing" erscheint demgegenüber aber zu eng angelegt, da er weitere präferenzbildende Faktoren nicht mit einbezieht. Außerdem kann er auch mit dem "Arbeitsplatzmix", als Teil des PersonalMarketing-Instrumentariums, gleichgesetzt werden. Ebenso wird der konservative Ansatz mit Schwerpunkt auf die Personalbeschaffung bzw. -Werbung den komplexen Strukturen von Arbeit und Personal in Zukunft nicht mehr gerecht werden können. Ein derart verstandenes Personal-Marketing-Konzept wäre nicht fur alle denkbaren Rahmenbedingungen der Umwelt anwendbar und könnte lediglich ein Reaktionsinstrument zur Bewältigung akuter Problemsituationen sein. Zweckmäßig erscheint deshalb jenes Verständnis, demzufolge PersonalMarketing ein Konzept zur Schaffung von Präferenzen für eine Unternehmung bzw. zur Steigerung ihrer Attraktivität gegenüber potentiellen und aktuellen Mitarbeitern mittels bestimmter Instrumentarien darstellt. Personal-Marketing kann in diesem Sinne als marktbezogene Denk- und Handlungskonzeption einer Unternehmens- und Personalpolitik verstanden werden, die auf interne Mitarbeiter und externes Mitarbeiterpotential gleichermaßen zielt: Personal-Marketing soll dem Unternehmen Mitarbeiter erhalten und in ihrem Leistungsbild positiv beeinflussen sowie Präferenzen bei potentiellen Mitarbeitern aufbauen bzw. neue qualifizierte Mitarbeiter für das Unternehmen gewinnen.15 Personal-Marketing zielt demnach auf die Schaffung von Präferenzen bei potentiellen und vorhandenen Mitarbeitern, um hierdurch Wettbewerbsvorteile auf dem Personalmarkt zu erringen. In diesem Sinne hat Personal-Marketing eine strategische Ausrichtung mit nicht zu unterschätzendem, aber auch keinesfalls dominierendem Einfluß auf globale Unternehmensentscheidungen.16 2. Stellenwert des Personal-Marketing für die betriebliche Praxis 2.1. Der Wettbewerbsfaktor

Personal im Wandel

Die Ursachen fur die steigende Bedeutung des Personal-Marketing liegen insbesondere in den Entwicklungen der Unternehmensumwelt.17 Das Stagnieren des Wirtschaftswachstums, die raschen strukturellen und technologischen Änderungen und die zunehmende internationale Konkurrenz sind 15 16 17

Eckhardstein und Schnellinger, 1975, Sp.1597. Vgl. Fröhlich, 1987b, S.43. Staffelbach, 1986, S.49; Fröhlich, 1987b, S.44f.; Strutz, 1989, S.lf.

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

45

hierfür wesentliche Aspekte. Hinzu kommt, daß die materiellen Ressourcen zunehmend begrenzt sein werden. Diese Faktoren bewirken eine stärkere Orientierung an den "human resources"; sie dürften schon mittelfristig zu dem Hauptengpaß der Unternehmung werden. 18 Der generelle Zug hin zur strategischen Orientierung in der Unternehmensführung zwingt auch zu einer strategischen Ausrichtung der Personalpolitik. Desweiteren setzt sich verstärkt die Erkenntnis durch, daß dem Faktor Personal eine entscheidende Bedeutung fur den Erfolg des Unternehmens im Wettbewerb zukommt. Hierdurch wird die strategische Bedeutung des Faktors Personal fundamentiert. Die Formulierung und Implementation von Unternehmensstrategien läßt auch Veränderungen im sozio-kulturellen Kontext, psychologische, soziologische und politische Fragen zum Bestandteil der Unternehmensstrategie bzw. als funktionale Strategie bedeutsam werden. 19 So kann beispielsweise eine auf kontinuierliche Innovation ausgerichtete Unternehmensstrategie zur Formulierung einer Personalstrategie fuhren, die auf die ständige Suche bzw. Förderung innovativen Mitarbeiterpotentials gerichtet ist. Mit dem Begriff Unternehmenskultur wird dabei auch eine zunehmende Personal-Orientierung verbunden. Dennoch kann eine nur marginale und zögernde Rezeption des PersonalMarketing in der betrieblichen Praxis festgestellt werden; sie begründet sich vor allem in der Tatsache, daß Strukturen und Mechanismen des Arbeitsmarktes weitestgehend reguliert sind, d.h. wegen strikter arbeits-, tarifrechtlicher und anderer Regelungen bestehen nur enge Gestaltungsspielräume. Die bestehenden Gestaltungsräume wurden bislang überwiegend nur rein monetär und wenig kreativ ausgefüllt. 20 Desweiteren bestanden bisher nur in geringem Umfang personelle Engpässe; sie lagen überwiegend in Bereichen, in denen keine hohe Qualifikation erforderlich war. Der Bedarf konnte auch ohne weitreichende Konzepte, etwa durch die Gewinnung ausländischer Arbeitskräfte, gedeckt werden. Insofern lag kein "Marktdruck" zum Uberdenken bisheriger Konzepte vor. Darüber hinaus wurden von Unternehmen bzw. Personalverantwortlichen oft ethische oder diffuse und unbestimmte Vorbehalte gegen eine "Anwendung" des Marketinggedankens im Personalbereich erhoben. 21 Ein weiterer Aspekt der zunehmenden Bedeutung des Personal-Marketing ist die veränderte Stellung des Menschen im Betrieb bzw. ein daraus er18 19 2 0 21

Lattmann, 1986, S.26f. Vgl. Staffelbach, 1986, S.50. Strutz,1989, S.2. Fröhlich, 1987b, S.42; Strutz, 1989, S.2.

46

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

wachsendes neues Rollenverstandnis der Unternehmung in der Beziehung zu den Mitarbeitern. 22 Einer der wesentlichen Einflußfaktoren hierfür ist die Abkehr von der Denkhaltung, den Menschen im betrieblichen Geschehen primär als Produktionsfaktor aufzufassen, der im beruflichen Leben überwiegend von monetären Anreizen geleitet wird. 2 3 Im Rahmen der soziologischen und sozialpsychologischen Forschung wurde erkannt, daß auch das Verhalten des Menschen im betrieblichen Alltag von einer Vielzahl von Umweltfaktoren, von individuellen Motiven und interpersonellen Beziehungen geprägt wird. Insbesondere die Human-Relations-Forschung verdeutlichte die Bedeutung von sozialen Beziehungen im Arbeitsleben. Hieraus resultierten die ersten Konzepte fur eine mitarbeiterorientierte Personalpolitik. 24 Besondere Bedeutung fur die Entwicklung derartiger Konzepte kommt auch den Erkenntnissen aus der Erforschung der Arbeitsmotivation und ihrer Bestimmungsgrößen zu. 2 5 Sie stellen letztlich auch Anstoßpunkte fur das PersonalMarketing dar. Die Notwendigkeit einer stärkeren Personalorientierung wird auch seitens des klassischen Marketing zunehmend diskutiert. Unter dem Begriff "Internes Marketing" werden Ansätze fur Konzepte zur Verstärkung der Kundenorientierung des Personals, was ein wichtiger Aspekt für die Implementation von Marketingstrategien ist. Das Personal wird hier als "interne Kundschaft" des Unternehmens angesehen, wobei die organisatorisch verankerten Aufgaben als Gestaltungsfeld und das Personalverhalten als zentraler Bezugspunkt des Handels interpretiert werden, das mittels differenzierter Instrumente beeinflußt werden soll. 26 Gesellschaftliche Entwicklungen haben zu einer veränderten Stellung des Menschen im betrieblichen Leben beigetragen. Die Relativierung des Stellenwertes von Berufs- und Erwerbstätigkeit 27 geht einher mit einem steigenden Selbstbewußtsein der Mitarbeiter und der Bildung von Anforderungen, die sie an ihre Arbeitswelt stellen. 2 2 2 3 2 4

2 6 2 7

Strutz, 1989, S.2. Schmidbauer, 1975, S.24f. Soziologische Ansätze zur Erklärung des Leistungsverhaltens werden meist als solche der "Human Relations" bezeichnet, vgl. Berthel, 1989, S . l l . Vgl. Berthel, 1989, S.13ff. Hierbei ist zwischen verschiedenen motivationstheoretischen Ansätzen zu unterscheiden. Zum einen handelt es sich um humanistische Konzepte - wie Alderfers ERG-Theorie und Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie - und zum anderen um kognitivistische Konzepte - wie Ansätze der Leistungsmotivation und Erwartungs-Valenz-Ansätze. Vgl. die ausführliche Darstellung bei Berthel, 1989, S.12-25. Vgl. hierzu Diller, 1991, S.157ff sowie Stauss und Schulze, 1990, S.149ff. Strutz, 1989, S.2.

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

47

Die genannten Aspekte intensivieren den Wettbewerb zwischen personalsuchenden Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt. Man kann deshalb erwarten, daß der Wettbewerbsdruck auf dem Personalmarkt steigen, die Konkurrenzsituation zwischen den Unternehmen sich also zunehmend verschärfen wird. Aus den aufgeführten Gründen heraus kann man eine zunehmende Orientierung der betrieblichen Personalpolitik hin zum Personal-Marketing erwarten, mit der die Suche nach langfristigen, strategischen Konzepten zur Bewältigimg personalpolitischer Herausforderungen verbunden ist. Welche Rahmenbedingungen für das Personal-Marketing in Zukunft gelten werden, soll im nächsten Abschnitt behandelt werden. 2.2. Rahmenbedingungen des Personal-Marketing für die neunziger Jahre Der wachsende Stellenwert des Personal-Marketing resultiert auch aus der Entwicklung verschiedener Rahmenbedingungen für die neunziger Jahre. Dabei können für Personal-Marketing-Entscheidungen wichtige externe und interne Faktoren unterschieden werden. Sie stellen zum Teil qualitative, zum Teil quantitatve Einflußgrößen des Personal-Marketing dar. Zunächst soll auf die externen Größen eingegangen werden. Hier ist als wichtiger externer Umweltfaktor zunächst die Veränderung der demographischen Struktur zu nennen. Dies läßt sich nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in den meisten anderen westlichen Industrienationen feststellen. Vorliegende Prognosen zur Arbeitsmarktbilanz der Bundesrepublik lassen für die 90er Jahre eine sinkende Tendenz des Erwerbspersonenpotentials erkennen. 28 Ab Mitte der 90er Jahre wird sich die Zahl des Arbeitskräftenachwuchses auf einem gleichgbleibenden Niveau einpendeln; bei deutlich mehr Abgängen aus dem Arbeitsmarkt ist mit einem Sinken des verfügbaren Arbeitskräftepotentials zu rechnen. 29 Hauptgrund hierfür ist die zunehmende Überalterung der Bevölkerung. Verantwortlich für diesen Trend ist die Verringerung der Anzahl der Lebendgeborenen vom Beginn der sechziger Jahre (ca. 1.2 Mio.) bis heute (ca. 600.000) bei gleichzeitiger Konstanz der jährlichen Sterberate (ca. 620.000). 30 Dies bedeutet, daß sich im Zeitraum von 1985 bis 1995 der Umfang der Bevölkerung im Alter 2 8 2 9

3 0

Vgl. Ackermann, 1989, S.137. Himmelreich, 1989, S.30. Die Veränderung der Arbeitskräftezahl aufgrund von Zuwanderungen ist kaum prognostizierbar. Entscheidend für die Zuwandererintegration auf dem Arbeitsmarkt wird allerdings ihre Qualifikation hinsichtlich der Arbeitsplatzanforderungen sein. Vgl. hierzu Töpfer und Poersch, 1989, S.2 und S.35.

48

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

zwischen 18 und 19 Jahren um 46% verringern wird; der Geburtsjahrgang 1977 wird im Jahre 1995 einen Umfang von rd. 598.000 Personen aufweisen. 31 Insgesamt muß also mit einer sinkenden Zahl von Erwerbstätigen gerechnet werden. Ein weiterer externer quantitativer Faktor ist die derzeitige Arbeitsmarktentwicklung. Die bundesdeutsche Wirtschaft befindet sich zumindest in den alten Bundesländern noch in einem konjunkturellen Aufschwung. Der Rückgang der Arbeitslosenquote von 7.7% im Jahr 1989 auf 6.6% im Jahr 1990 ist verbunden mit einem gleichzeitigen Anwachsen der Zahl offener Arbeitsstellen. 32 Diese scherenartige Entwicklung betrifft insbesondere den Facharbeiterbereich. Während von 1975 bis 1989 der Anteil der qualifizierten Facharbeiter an der Gesamtbeschäftigtenzahl in der bundesdeutschen Industrie von 34% auf 56% anstieg, ging gleichzeitig der Anteil der angelernten bzw. ungelernten Arbeitskräfte von 64% auf 44% zurück; hinzu kommt, daß sich bei einer steigenden Zahl von Ausbildungsplätzen für Facharbeiter das Bewerberaufkommen verringert. 33 Neben der Besetzung von Arbeitsplätzen mit qualifiziertem Personal wird also zunehmend die Besetzung von Ausbildungsplätzen zum personalpolitischen Problem. Insofern kommt der langfristigen Sicherung des Personalnachwuchses eine bedeutende Rolle z u . 3 4 Für die Arbeitsmarktentwicklung sind gleichzeitig qualitative Aspekte bedeutsam: Von 1990 bis zum Jahr 2000 wird sich der Anteil der Erwerbstätigen im Sekundären Sektor von 44.2% auf 38% verringern, im Tertiären Sektor wird er dagegen im selben Zeitraum von 50.4% auf 57.6 % steigen.35 Die Verschiebung der Arbeitsplätze in Richtung des Tertiären Sektors wird mit qualitativ stark veränderten, d.h. insgesamt anspruchsvolleren Arbeitsplätzen einhergehen. Für einige Branchen, wie bspw. die der Software-Entwicklung, der Elektronik-Entwicklung und -fertigung sowie des Maschinenbaus, fehlt bereits heute ausreichend qualifiziertes Personal. 36 Desweiteren ist neben dem Bedarf an Fach- auch eine zunehmende Verknappung von Führungspersonal festzustellen. 37 Für diese Entwicklung

3 1

3 2 3 3

3 4 3 5 3 6 3 7

Ebenda. Nach 1995 wird sich der Umfang nicht mehr wesentlich verändern. Eine (geringfügige) Erhöhung des Anteils dieser Gruppe kann erst ab dem Jahr 2006 erwartet werden, dies., S.35. Vgl. Arbeitsamt Hamburg, 1990, S.9. Arbeitgeberverband Metallindustrie, 1989, S.12ff. Für Mitte 1990 wird eine Nichtbesetzungsquote von 25% prognostiziert. Vgl. hierzu Fröhlich, 1987b, S.15f. Strutz, 1989, S.32f. Freimuth, 1990, S.315. Fröhlich, 1987b, S. 16.

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

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sind zwei qualitative Aspekte bedeutsam: Der anhaltende technologische Fortschritt - und der hierdurch bedingte - wirtschaftliche Strukturwandel wird den Arbeitskräftebedarf qualitativ stark verändern; diese Entwicklung wird nicht zuletzt auch aufgrund der immer komplexer werdenden Aufgabengebiete - höhere Anforderungen in Hinblick auf fachliche und soziale Kompetenz der Mitarbeiter, vor allem von Führungskräften, mit sich bringen. 38 Ein weiterer externer Faktor ist die zunehmende Internationalisierung des Wettbewerbs. Sie zwingt die Unternehmen auch zu Aktivitäten auf internationalen Personalmärkten, andererseits fuhrt die Internationalisierung zu einer weiteren Erhöhung in den Anforderungen an Mitarbeiter. Schließlich stellt auch die tarifpolitische Entwicklung einen wichtigen Umweltfaktor dar. Neben den lohn- und gehaltspolitischen Aspekten ist vor allem die Arbeitszeitverkürzung anzuführen, die sowohl zur Verteuerung als auch zur Verknappung von Personal fuhrt, sofern der Arbeitszeitverkürzung keine sich im gleichen Maße positiv entwickelnde Produktivitätssteigerung gegenübersteht. Das scherenhafte Auseinanderklaffen zwischen Qualifikationsanstieg und rückläufigem Arbeitskräftepotential wird, so ist zu erwarten, zu einem erhöhten Wettbewerbsdruck auf den Personalmärkten - und damit zu einem Anstieg der Personal- und Personalakquisitions-Kosten - führen. Den internen Einflußgrößen ist der Wertewandel bei Mitarbeitern, bezogen auf die Einstellung zur erwerbsbezogenen Arbeit, zuzurechnen. Der veränderte Stellenwert des Erwerbslebens ist Ausdruck einer Wertelabilität bzw. Werte- und Normenkonkurrenz zwischen Arbeits- und Freizeitwelt. 39 Die Werte beider Welten sind nur noch partiell deckungsgleich. Einer sekundärstatistischen Analyse verschiedener Zeitreihendaten zufolge zeichnen sich eine abnehmende Arbeitszufriedenheit und eine abnehmende Bedeutung von Leistungs- und Aufstiegsmotiven ab. So wünschen immer mehr Menschen interessante Tätigkeiten im Beruf, den Kontakt zu anderen Menschen und die Möglichkeit, eigene Ideen zu entwickeln. Die Bedeutung des Einkommens

3 8

Vgl. Fröhlich, 1987a, S.527. Die Veränderung der technologischen Umwelt ist insbesondere durch die fortschreitende Technisierung in Fertigung und Büro, durch verstärkten PC-Einsatz bzw. neue Kommunikationssysteme, aber auch durch neue Formen der Arbeitsgestaltung und eine erhöhte Innovationsrate gekennzeichnet.

3 9

Strutz, 1989, S.3. Unklar ist allerdings, ob es sich um einen tiefgreifenden "Wertewandel" oder um eine durchaus rationale Reaktion auf die subjektiv verringerte Freizeit bei Vergrößerung des materiellen Freizeitangebotes handelt.

4 Beba

50

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

und der Aufstiegsmöglichkeiten geht vergleichsweise zurück. 40 Demgegenüber kann aber eine zunehmende Bedeutung von "Lebensgenüssen" festgestellt werden. 41 Neben den veränderten Einstellungen zur Arbeit ist dem Wertewandel auch die wachsende Bedeutung sog. postmaterialistischer Werte zuzurechnen. Insbesondere bei der Auswahl aus mehreren Berufsalternativen fallen Aspekte wie das Eintreten des Unternehmens fur den Umweltschutz oder Fragen der Legitimität unternehmerischen Tuns zunehmend ins Gewicht. 42 Ein weiterer interner Aspekt sind zunehmende Forderungen nach Änderung des Führungsstils und der Art der Personalbetreuung. Zum einen wird dies bedingt durch die "erstarkte" Position des Mitarbeiters gegenüber dem Unternehmen aufgrund der Personalmarktentwicklung, zum anderen hängt diese Entwicklung mit der steigenden Bedeutung des Selbstentfaltungsstrebens zusammen.43 Hieraus resultieren verstärkte Partizipationswünsche und die Forderung nach zunehmender Individualisierung der Arbeitsbedingungen.44 Es läßt sich festhalten,, daß alle aufgeführten Bedingungsfelder eine Arbeitsmarktsituation erwarten lassen, die die Position des (potentiellen) Mitarbeiters stärken wird. Die Veränderungen der Arbeitsmarktsituation, die demographische Entwicklung, der technologische und strukturelle Wandel der Wirtschaft und - im Zusammenhang damit - die Veränderung der qualitativen Anforderungen an Mitarbeiter stellen wichtige externe Rahmenbedingungen des Personal-Marketing dar. Unter Hinzuziehung der internen Faktoren Wertewandel und Partizipationsstreben - wird es für Unternehmen zwingend sein, stärker als bisher nach innen und nach außen gerichtetes Personal-Marketing zu betreiben, wenn man Wettbewerbsvorteile auf dem. Personalmarkt erhalten oder gar gewinnen möchte. Dieses Ziel kann aufgrund der Vielfältigkeit und Veraetztheit der geschilderten Einflußgrößen nur mit der Entwicklung und Implementation von Personal-Marketing-Konzeptionen erreicht werden. Ansatzpunkte hierfür werden im nächsten Abschnitt dargestellt, zunächst soll jedoch auf die spezifischen Rahmenbedingungen der Bundeswehr eingegangen werden.

4 0

Saterdag, 1989, S.38f. Vgl. zum Wertewandel im Arbeitsleben von Rosenstiel, 1989, S.17. Untersuchungen bei Führungskräften und Führungskräftenachwuchs zeigen allerdings, daß die Karriereperspektiven für diese Gruppe von hoher Bedeutung sind, vgl. Simon, 1984b, S.323 und Böckenholt/Homburg, 1990, S. 1172f.

4 1

Achterholt, 1989, S.38; Saterdag, 1989, S.44f.

4 2

Von Rosenstiel, 1989, S.59.

4 3

Fröhlich, 1988, S.561. Von Rosenstiel, 1989, S.60f.

4 4

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

51

Für die Bundeswehr stellen die demographische und arbeitsmarktpolitische Entwicklung in besonderem Maße Problemfelder dar. Der Anteil der (die Bundeswehr fast ausschließlich interessierenden) mannlichen Bevölkerung wird sich von 523.000 (1985) auf 291.000 Personen (1995) verringern. Hinzu kommt, daß die Zahl der Antragsteller für die Anerkennung auf Kriegsdienstverweigerung kontinuierlich steigt; für 1989 ergaben sich 77.400 anerkannte Kriegsdienstverweigerer, bezogen auf den männlichen Geburtsjahrgang entspricht dies einer Quote von 19,2%. 4 5 Bei sinkenden Jahrgangsstärken ist diese Quote von 1987 bis 1989 von 14,2% auf 19.2% angestiegen.46 Noch dramatischer hat sich die Bewerberquote der Berufs- und Zeitsoldaten entwickelt. Zwischen 1985 und 1990 konnte ein Rückgang der Bewerber um 31,2% festgestellt werden; diese Rate liegt deutlich über der durch die demographische Entwicklung verursachten Verringerung des (männlichen) Bewerberpotentials. 47 Als besonders problematisch muß aber der Trend des steigenden Durchschnittsalters der Bewerber angesehen werden. Dies bedeutet, daß das Bewerberaufkommen in immer geringer werdendem Maße von 18 bzw. 19 Jahre alten Männern gebildet wird. Wenngleich genaue Zahlen nicht zur Verfügung stehen, läßt sich abschätzen, daß die Bewerberquote der 18 bzw. 19- Jährigen überproportional absinkt. Dabei betrifft diese Entwicklung in erster Linie den "mittleren" Dienst (Laufbahngruppe der Unteroffiziere), dem vom Umfang her die größte Bedeutung zukommt; für den höheren und gehobenen Dienst (Offiziere und Stabsoffiziere), vergleichbar mit dem mittleren und höheren Management, ist seit 1989 ein Rückgang der Bewerberquote um 34% festzustellen. 48 Wenngleich diese Entwicklung erst seit zwei Jahren vorliegt, kann jedoch von einer eher steigenden Tendenz ausgegangen werden. Die Reduzierung des Umfangs der Streitkräfte auf 370.000 Mann bringt keine wesentlichen Entlastungen, da sie in erster Linie eine Reduzierung der Zahl von Wehrpflichtigen bedeutet. Der Bedarf an Zeit- und Berufssoldaten wird sich dagegen nur in geringem Umfang verringern. 49 Auch für die Bundeswehr gilt der Trend fortschreitender technologischer Entwicklung, die zu einem veränderten Anforderungsprofil, insbesondere an Soldaten des mittleren Dienstes, führt. Aufgrund der hohen technischen 4 5 4 6

Bundesamt für den Zivildienst, 1990, S.7. ebenda, S.8.

4 7

Personalstammamt der Bundeswehr, 1991. Es handelt sich hierbei um Durchschnittsgrößen, da die Bewerber innerhalb eines Jahres verschiedenen Geburtsjahrgängen angehören.

4 8

Dem mittleren Dienst sind 74% aller Zeit -und Berufssoldaten zuzurechnen, vg. Personalstammamt der Bundeswehr, 1991, S.4. BMVg-Pressestab, 1990, S.15. Genaue, von den bisherigen Planungen abweichende Zahlen liegen noch nicht vor.

4 9

52

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Komplexität moderner Waffen- und Informationssysteme werden seitens der Bundeswehr stärker jene qualifizierten Mitarbeiter gesucht, um die auf dem Personalmarkt auch die Unternehmen ringen bzw. stärker ringen werden. In besonderem Maße dürfte die Bundeswehr aber vom Wertewandel und dem zunehmenden Partizipationsstreben betroffen sein. Untersuchungsergebnissen zufolge scheint die "Unternehmenslegitimität" der Bundeswehr aus Sicht potentieller Mitarbeiter in zunehmendem Maße in Mitleidenschaft gezogen zu werden. 50 Hinzu kommt, daß gerade gegenüber den Streitkräften hohe Vorbehalte hinsichtlich des Führungsstils bestehen, die durch das steigende Partizipationsbestreben weiter erhöht werden. Es läßt sich somit festhalten, daß wesentliche Rahmenbedinungen für die Bundeswehr in gleichem, wenn nicht sogar in verschärftem Maße gelten. Sie stellen für die Bundeswehr eine hohe personalpolitische Herausforderung dar. Insbesondere aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks, dem die Bundeswehr zukünftig ausgesetzt sein wird, stellt sich deshalb die Frage nach neuen personalpolitischen Konzepten. Die Notwendigkeit eines strategisch ausgerichteten Personal-Marketing-Konzepts gilt aus den aufgeführten Gründen für die Bundeswehr in erhöhtem Maße. Welche Gestaltungskomponenten und Wesensmerkmale Personal-Marketing-Konzeptionen aufweisen, soll im nächsten Abschnitt behandelt werden. 3. Wesensmerkmale einer Personal-Marketing-Konzeption 3.1. Begrijfslegung Der Begriff der Konzeption wird im Zusammenhang mit dem Strategiebegriff in Theorie und Praxis sehr unterschiedlich diskutiert. In der Unternehmens· und Marketingplanung reichen die Auffassungen von der konzeptionellen Planung der Unternehmenspolitik51 bis zur Festlegung langfristiger Verhaltensweisen der Unternehmung. In einem weit gefaßten Sinne kann eine Marketing-Konzeption als umfassender gedanklicher Entwurf bezeichnet werden, der sich an einer Leitidee bzw. an bestimmten Zielen orientiert und grundlegende Handlungsrahmen (Strategien) wie auch die notwendigen operativen Handlungen (Instrumenteeinsatz) in einem schlüssigen Plan zusammenfaßt. 52 Strategien stellen das Ergebnis unternehmenspolitischer Überlegungen und Entscheidungen dar; sie bestimmen die Unternehmensent-

5 0

Vgl. SINUS, 1989; S. 14.

5 1

Vgl. Meffert, 1988,S.3.

5 2

Becker, 1983, S.2.

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

53

wicklung in Inhalt, Ausmaß, Richtung und Struktur. 53 Im Rahmen einer strategischen Unternehmensführung kommen sie systematisch zustande und richten sich auf der Grundlage eines verbindenen Konzepts sowohl auf die Potentiale wie auch auf die Strukturen der Unternehmung. Für Personal-Marketing-Konzeptionen liegen nur wenig explizit formulierte Begriffslegungen vor. Einige Autoren vertreten die Auffassung, daß PersonalMarketing an sich ein strategisches Konzept des Personalmanagements sei. 5 4 Anderen Auffassungen zufolge stellt eine Personal-Marketing-Konzeption ein operatives Konzept des strategischen Personalmanagements dar. 55 Der integrative Charakter wird in der Begriffslegung deutlich, eine Personal-Marketing-Konzeption sei ein langfristiger Plan, bestehend aus Teilzielen und Maßnahmen, der zur Realisation der Personal-Marketing-Ziele im Kontext der Unternehmensziele dient. 56 Langfristigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, daß strategisches Personal-Marketing nicht nur markt- und konkurrenzorientiert, sondern vor allem auch potentialorientiert ist. 5 7 In Anlehnung an Staffelbach soll strategisches Personal-Marketing als die in einem Konzept zusammengefaßte Gesamtheit aller Maßnahmen aufgefaßt werden, die dazu dienen, die personellen Probleme zu lösen. 58 Strategisches Personal-Marketing wird als wesentlicher Teil des strategischen Personalmanagements und gleichzeitig als Bestandteil der strategischen Unternehmensfuhrung aufgefaßt. Das strategische Personal-Marketing erhält in Abhängigkeit von der integrativ-ganzheitlichen Betrachtung der übergeordneten Unternehmensstrategie eine unterschiedliche konzeptionelle Ausgestaltung.59

5 3 5 4

5 5

5 6 5 7

5 8

5 9

Meffert, 1988, S.4. Personal-Marketing-Konzeptionen werden als langfristig angelegte mitarbeiterorientierte Personalpolitik verstanden, vgl. Fröhlich, 1987a, S.527 und Seiwert, 1985, S.351. Personalmanagement-Strategien sollen die Umsetzung der Unternehmensstrategien in der Organisations- und Ablaufstruktur sicherstellen. Vgl. Berthel, 1989, S.378. Vgl. Ohrhallinger und Schönleitner, 1990, S.63. Vgl. Töpfer, 1984, S.49f. Von einigen Autoren wird vertreten, daß der Begriff des Personal-Marketing im Sinne einer marktbezogenen Denk- und Handlungskonzeption bereits den strategischen Charakter enthält. Vgl. hierzu Hunziker, 1975, S.7f., Seiweit, 1985, S.349, Fröhlich, 1987a, S.528. Vgl. Staffelbach, 1986, S. 49. Personelle Maßnahmen beinhalten Aktivitäten, die auf die personellen Bestände in ihrer aktuellen und zukünftigen quantitativen und qualitativen Strukturierung gerichtet sind, ebenda. Vgl. Staffelbach, 1986, S.49f.

54

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

3.2 Bezug zur Unternehmensstrategie Gemeinsam ist den meisten Begriffslegungen die Betonung des Kontextcharakters von Personal-Marketing-Konzeptionen fur die Unternehmensstrategie. In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff eines "flankierenden Unterstützungsystems" gebraucht. 60 Ist die Personal-Marketing-Konzeption jedoch in die Unternehmenspolitik "eingebettet", geht ihre Aufgabe weit über eine auf die Zukunft gerichtete, derivative Beobachtung, Analyse und Planung quantitativer und qualitativer Personal-Marketing-Aspekte hinaus. Unter "Einbettung" ist die systematische und bewußte Einbeziehung des Personal-Marketing in die Unternehmensstrategie im Sinne einer vertikalen Verknüpfung zu verstehen. Das Personalsystem nimmt dabei die Stellung einer "critical strategy resource" ein. 6 1 Mit anderen Einflußbereichen des Unternehmens, z.B. dem Finanz- oder Produktionsbereich, ist das PersonalMarketing horizontal verknüpft. Eine generelle Dominanz des Personal-Marketing als Ausgangspunkt der strategischen Planung erscheint demnach unangebracht,62 wenngleich auch unter bestimmten Umstanden die "Human Resources" zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil (z.B. in innovativ technologischen Bereichen) werden können. Sie bilden dann eine wesentliche Voraussetzung zur Formulierung und Implementierung von Wettbewerbsstrategien. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß Personal-Marketing-Konzeptionen in vertikaler Beziehung zur Unternehmensstrategie stehen; gleichzeitig liegt eine wechselseitige Verzahnung vor, da gerade unter den weiter oben dargelegten Rahmenbedingungen Unternehmensstrategien zunehmend auch von personalrelevanten Aspekten mitbestimmt werden. Als übergreifender und gleichermaßen Unternehmens- und Personal-Marketingstrategie verbindender Ansatz gilt das Corporate-Identity-Konzept. Hierauf wird im folgenden Abschnitt eingegangen. 3.3. Corporate-Identity-Konzept

als strategischer

Rahmen des Personal-Marketing Birkigt und Stadler folgend kann unter Corporate Identity "die strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und Verhaltensweise eines

6 0

Becker, 1988, S.45.

6 1

Baird et al., 1983, S.21.

6 2

Becker, 1988, S.48.

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

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Unternehmens nach innen und außen auf Basis einer festgelegten Unternehmensphilosophie, einer langfristigen Unternehmenszielsetzung und eines definierten (Soll-)Images" verstanden werden. 63 Sie ist die inhaltliche Umsetzung der Unternehmensidentität im Erscheinungsbild, im Verhalten sowie in allen Kommunikationsaktivitäten des Unternehmens,64 an der alle Handlungsinstrumente des Unternehmens einheitlich in Inhalt und Form zur Wirkung gebracht werden sollen. Corporate Identity kennzeichnet das Selbstbild des Unternehmens, Corporate Image dagegen sein Fremdbild. Zur Umsetzung von Corporate Identity stehen die drei Aktivitätsfelder äußeres Erscheinungsbild des Unternehmens (Corporate Design), Unternehmensverhalten (Corporate Behavior) und Unternehmenskommunikation (Corporate Communication) zur Verfugung, deren Zusammenwirken Synergien erzielen soll. 65 Alle drei Felder gewinnen als Gestaltungsinstrumente in Personal-Marketing-Konzeptionen an Relevanz. Sie sind damit ein wichtiger Teil der strategischen Unternehmensfuhrung in Richtung markt- und mitarbeiterorientierter Unternehmensfuhrung. 66 Im folgenden werden die Ausfuhrungen auf jene Aspekte der Corporate Identity beschränkt, die fur Personal-Marketing-Konzeptionen von Bedeutung sind. Unter Personal-Marketing-Gesichtspunkten zielt Corporate Identity auf die Profilierung des Unternehmens als Arbeitsstätte zur Schaffung von konkurrenzüberlegener Attraktivität, um Mitarbeiter bester Qualifikation zu gewinnen und zu halten. 67 Wenngleich auch das Corporate Design und das Corporate Behavior hierzu beitragen, soll lediglich die kommunikationspolitische Ausprägung des CI-Konzepts aufgrund ihrer besonderen Relevanz fur das Personal-Marketing näher betrachtet werden. Corporate Communication wird "von oben" entwickelt und unter Wahrung des Gesamtkonzepts den kommunikativen Erfordernissen der einzelnen Aufgabenbereiche angepaßt.68 Die gemeinsame Basis absatz- und personalmarktorientierter Unternehmenskommunikation stellt die Kommunikation des Unternehmens- (Corporate-)image dar. Unter Corporate Image ist die Projektion der Corporate Identity im sozioökonomischen Umfeld des Unternehmens

6 3

Birkigt und Stadler, 1985, S.23.

6 4

Birkigt und Stadler, 1985, S.48.

6 5

Stadler, 1987, S.4.

6 6

Töpfer, 1990, S.17. Die Aktivitätsfelder der Corporate Identity werden bei Birkigt und Stadler, 1985, S.22-27 ausführlich dargelegt und diskutiert. Stadler, 1987, S.3.

6 7 6 8

Stadler, 1987, S. 14.

C. Ansatzpunkte fìir Kommunikationsstrategien

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zu verstehen. 69 Soll im Rahmen der Unternehmenskommunikation die Identität des Unternehmens wirksam vermittelt werden, so muß - sowohl in der unternehmensinternen als in der unternehmensexternen Umsetzung - die Atomisierung des kommunikativen Auftritts verhindert werden, 70 d.h. es müssen alle kommunikativen Bestandteile der Corporate Communication stimmig sein. Dies erfordert eine langfristig und ganzheitlich geplante Unternehmenskommunikation, die die Teilbereiche Produktkommunikation, Unternehmenswerbung und Personal-Marketing-Kommunikation einbezieht, um dort möglichst starke Synergien hinsichtlich der Verbesserung des Unternehmensimage zu erzielen. 71 Synergiepotentiale lassen sich zum einen unter kostenwirtschaftlichen Aspekten realisieren (z.B. durch Kosteneinsparungen bei der Entwicklung, Gestaltung und Produktion von Kommunikationsmitteln). Desweiteren können sie vor allem aufgrund zusätzlicher Wirkungen eines durchgehenden Gestaltungskonzepts erwartet werden. Ein besonderes Synergiepotential besteht darin, daß bei einer Überschneidung von Zielgruppen des Absatzmarketing und des Personal-Marketing, z.B. wenn potentielle Mitarbeiter zugleich Kunden des Unternehmens sind, sich die Wirkungen der einzelnen Aktivitäten gegenseitig im Aufbau des Unternehmensimage verstärken. Welche Erfolgspotentiale Corporate-Identity- und insbesondere CorporateCommunication-Konzepte haben, untersuchten Hinterhuber, Höfher und Winter. 72 Unternehmen, die ein professionelles Corporate-Identity-Konzept mit gezielt entwickelten und eingesetzten Corporate-Communication-Maßnahmen betreiben, sind sowohl auf dem Absatzmarkt (insbesondere hinsichtlich der Ertragssituation), als auch auf dem Personalmarkt erfolgreicher. Vor allem zur Verbesserung der Mitarbeitermotivation und zur externen Beschaffung von Personal hat sich die Einführung und Umsetzung von Corporate Communication bei den befragten Unternehmen als positiv erwiesen und bewährt. Der Vergleich von Unternehmen mit ausgeprägter bzw. weniger oder nicht ausgeprägter Corporate-Identity-Konzeption zeigt, daß Imagegewinne als Ergebnis unterschiedlicher kommunikativer Maßnahmen bei ausgeprägtem Corporate-Identity-Konzept höher ausfallen. 73 Der Corporate Communication als Konzept strategisch ausgerichteter Unternehmenspolitik messen die Unternehmen generell den größten Einfluß auf die Erreichung einzelner Corporate-Identity-Ziele bei. 7 4 6 9

Wiedmann und Jugel, 1987, S.189f.

7 0

Stadler, 1987, S.13 und Töpfer, 1990, S.17.

7 1

V g l . hierzu Wiedmann, 1989, S.665f.

7 2

Hinterhuber, Höfner und Winter, 1989, S.39ff.

7 3

Dies, 1989, S.41.

7 4

Ebenda.

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

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Das Corporate-Identity-Konzept bildet ein strategisches Dach fur PersonalMarketing-Aktivitäten. Wesentliche Aspekte der Corporate Identity werden dabei in der Unternehmensstrategie festgelegt. Die unterschiedlichen Beziehungen der Corporate Identity zum Personal-Marketing kommen in der internen und externen Identitätsvermittlung zum Ausdruck. Bei der internen Identitätsvermittlung stehen die "Human Relations", wie der Aufbau einer positiven Einstellung der Mitarbeiter zur Unternehmenspolitik und die Schaffung eines Identifikationspotentials, im Vordergrund. Bei der externen Identitätsvermittlung werden im Rahmen der Unternehmenskommunikation alle attraktivitätswirksamen Merkmale des Unternehmens als Arbeitgeber der relevanten Zielgruppe übermittelt. Welche Instrumente der Personal-Marketing-Konzeption hierzu herangezogen werden können, soll im folgenden Abschnitt dargelegt werden. 3.4. Instrumente der Personal-Marketing-Konzeption Auf der instrumentellen Ebene umfaßt das Personal-Marketing vergleichbar mit dem absatzmarktorientierten Marketing - nach Informationsund Aktionsseite differenzierte Instrumente, die sowohl im internen Mitarbeiterbereich als auch gegenüber dem externen Arbeitsmarkt zum Einsatz kommen. Das Personal-Marketing-Mix stellt eine "Kombination und Koordination aller Maßnahmen" zur Präferenzbildung und -erhaltung gegenüber den Mitarbeitern bzw. dem Mitarbeiterpotential dar. 75 In der Literatur finden sich allerdings unterschiedliche Mix-Modelle. So schlägt Wunderer in Anlehnung an das absatzorientierte Marketing einen Ansatz vor, bei dem das Positionsmix, das Potentialmix, das Rekrutierungsmix, das Kontrahierungsmix und das Kommunikationsmix unterschieden werden: 76 Das Positionsmix zielt auf die arbeitsmarktgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes. Das Potentialmix beinhaltet die anforderungs- und arbeitsmarktgerechte Bildung von Zielgruppen des Bewerberpotentials sowie die Personalauslese und -förderung. Unter Rekrutierungsmix versteht Wunderer alle Maßnahmen und -kombinationen zur Personalbeschaffung; das Kontrahierungsmix umfaßt alle Maßnahmen zur vertraglichen Gestaltung der Arbeitsplatzbedingungen. Im Kommunikationsmix sind Unternehmens- und Personalwerbung zusammengefaßt.

7 5

Ruhleder, 1978, S.146; Fröhlich, 1987b, S.44. Vgl. hierzu auch von Eckardstein und Schnellinger, 1975, Sp.1596, Ruhleder, 1978, S.145f. und Fröhlich, 1985, S.350.

7 6

Wunderer, 1975, S.1689ff.

58

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Dieses Mix-Konzept berücksichtigt nur in geringem Maße Beziehungen zur Personal-Marketing-Strategie bzw. zum Corporate-Identity-Konzept. Es ist in seiner Grundstruktur schwerpunktmäßig an externe Ansprechpartner gerichtet und vernachlässigt den ganzheitlichen Charakter attraktivitätsbestimmender und präferenzbildender Merkmale. Ruhleder differenziert das Personal-Marketing-Mix in das Forschungsmix, das Arbeitsplatz- und das Kommunikationsmix.77 Im Forschungsmix sind die Informationsinstrumente interne Personalmarktforschung, externe Arbeitsmarktforschung, Arbeitsplatzforschung und Kommunikationsforschung zusammengefaßt. 78 Das Arbeitsplatz-Mix bezieht sich auf die attraktivitätswirksamen Merkmale des Arbeitsplatzes; es enthält alle fur die Gestaltung des Arbeitsplatzes relevanten Handlungsinstrumente, die auf die Teilbereiche Motivation, Führungsstil, Betriebsklima, Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten, Aufstiegsmöglichkeiten sowie Unternehmens- und Personalimage zielen. 7 9 Die Ausgestaltung dieser Maßnahmen ist an dem Ziel orientiert, die von der Zielgruppe wahrgenommene Attraktivität des Arbeitsplatzes bzw. des Berufsfeldes positiv zu beeinflussen. Zu den Maßnahmen zählen zum Teil sehr komplexe Faktoren, wie die Karriereperspektiven, der Führungsstil der Vorgesetzten, die Art der Aufgabengebiete, das vermutete bzw. wahrgenommene Klima im Unternehmen und andere mehr. Als eng verbunden mit der wahrgenommenen Attraktivität des Arbeitsplatzes wird auch die von den Mitarbeitern empfundene Arbeitszufriedenheit angesehen.80 Im Kommunikationsmix

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7 9

8 0

Ruhleder, 1978, S. 147. Unter interner Personalforschung werden zum einen Methoden der Primärforschung wie Befragungen (Mitarbeiterbefragung, Personalinterview und Betriebsuntersuchung), Beobachtungen (Assessment Center, Personalbeurteilung und Arbeitsbewertung) sowie Tests (zur Personalauswahl oder zur Personalwerbung) und Experimente verstanden. Zum anderen umfaßt die Personalforschung sekundärstatistische Methoden zur Auswertung interner Daten wie Dokumenten- und Inhaltsanalysen von Personalstatistiken sowie Fehlzeiten- und Fluktuationsanalysen. Unter Arbeitsmarktforschung versteht man auf Arbeitskräfteentwicklungen, Mobilität, Konjunktureinflüsse und Berufswahl gerichtete Informationsgewinnung. Vgl. auch Seiwert, 1985, S.351, Fröhlich, 1987b, S.46, Fröhlich und Gieffers, 1989, S.18ff. Berthel bezeichnet mit dem Arbeitsplatzmix alle Entscheidungen und Maßnahmen, die die Eigenschaften des "Produktes Arbeitsplatz" beeinflussen. Berthel, 1989, S.132. In der Erforschung von Einflußgrößen der Arbeitsleistung nehmen die Konstrukte Arbeitszufriedenheit und -motivation eine zentrale Stellung ein. Dabei bestehen sehr komplexe Zusammenhänge, die aber in der vorliegenden Arbeit nicht weiter verfolgt werden.

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

59

sind alle nach innen und außen gerichteten kommunikativen Aktivitäten zur Vermittlung der Attraktivitätspotentiale zusammengefaßt. Ruhleders Konzept verknüpft die auf interne und externe Mitarbeiter gerichteten Instrumente, mithilfe derer systematisch Präferenzen bezüglich der eigenen Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Sie erfassen wesentliche Bereiche des betrieblichen Personalmanagement. Allerdings muß auch hier, wie am Ansatz von Wunderer, die mangelnde Verknüpfung mit dem Corporate-Identity-Konzept sowie die unzureichende Berücksichtigung des kommunikationspolitischen Aspekts kritisiert werden. Hieran setzen einige neuere Arbeiten an, in denen das Personalimage im Personal-Marketing-Mix stärker betont wird. 8 1 Als Personal-Marketing-relevante Zielsetzung im Corporate-Indentity-Konzept wurde bereits weiter oben die Profilierung des Unternehmens gegenüber potentiellen und vorhandenen Mitarbeitern zur Schaffung konkurrenzüberlegener Attraktivität formuliert. Für die vorliegende Untersuchung gewinnt deshalb zum einen die Frage nach den präferenzbildenden Attraktivitätsfaktoren an Relevanz. Desweiteren stellt sich die Frage nach den Personal-Marketing-Instrumenten, mit denen die Attraktivität wirksam beeinflußt werden kann. In erster Linie soll die Betrachtung dabei auf Instrumente zur werblichkommunikativen Beeinflussung der wahrgenommenen Attraktivität des Unternehmens bzw. deren Arbeitsplätze gerichtet werden. Zentrale Bedeutung für die Attraktivität kommt dem Personalimage, d.h. der Einstellung des (potentiellen) Mitarbeiters gegenüber dem Unternehmen zu. Hierauf wird im folgenden Abschnitt eingegangen. 3.5. Personalimage als Bestandteil der Personal-Marketing-Kommunikation 3.5.1. Begriffliche Abgrenzungen Unter Image kann die Gesamtheit aller Einstellungen gegenüber einem bestimmten Meinungsgegenstand verstanden werden. Im weitesten Sinne stellt das Image ein aus subjektiven Ansichten und Vorstellungen sowie gefühlsmäßigen Bewertungen gebildetes Bild über ein bestimmtes Objekt bzw.

8 1

V g l . hierzu Simon, 1984, sowie Böckenholt und Homburg, 1990. Fröhlich und Gieffers heben ein aus Imageforschung und Imagewerbung bestehendes M i x Konzept besonders hervor, Fröhlich und Gieffers, 1989, S.22f. V g l . auch Fröhlich, 1987b, S.61f.

60

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Meinungsgegenstand dar, 8 2 welches ebenso wie die Einstellung selbst aus kognitiven, gefühlsmäßigen und motivationalen Komponenten besteht. Der Unterschied zur Einstellung besteht aber im ganzheitlichen Charakter des Image; es vereint alle als relevant erachteten Einstellungsdimensionen des Bezugsobjektes. Das Image kann insofern auch als mehrdimensionales Einstellungskonstrukt verstanden werden. 83 Mit Personalimage ist in diesem Zusammenhang das subjektive Bild von Individuen, insbesondere (potentiellen) Mitarbeitern, über ein Unternehmen gemeint, 84 welches die Gesamtheit aller relevanten Dimensionen der Einstellung zum Unternehmen als Arbeitgeber repräsentiert. Es gibt somit das Bild des Unternehmens als Arbeitsgeber in der Öffentlichkeit bzw. beim Einzelnen wieder. In einem stärker verhaltensbezogenen Verständnis wird das Personalimage mit der allgemeinen Attraktivität eines Unternehmens gleichgesetzt.85 Für die vorliegende Untersuchung erscheint es allerdings zweckmäßig, daß Personalimage lediglich als einen wesentlichen Bestimmungsfaktor der Attraktivität aufzufassen. Sie kann als ein von weiteren, insbesondere individuellen Faktoren beeinflußtes Präferenzkonstrukt angesehen werden. 86 Das Personalimage ist ein Teil bzw. eine spezifische Ausprägung des Unternehmensimage. Einige Autoren sehen das Personalimage sogar als deckungsleich mit dem Unternehmensimage an. 8 7 Hierbei geht man davon aus, das Bild eines potentiellen oder aktuellen Mitarbeiters über das Unternehmen sei letztlich von allen Merkmalen und Verhaltensweisen des Unternehmens mehr oder weniger stark geprägt. Wie stark Personal- und Unternehmensimage assoziiert oder identisch sind, hängt allerdings von der Differenziertheit der Einstellungen des potentiellen Mitarbeiters ab; 8 8 in hohem Maße differenzierte Einstellungen ermöglichen die Diskriminierung beider Images. Im folgenden soll unter Personalimage jener Teil des Unternehmensimage verstanden werden, der die Gesamtheit der Einstellungen des 8 2

Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.190 und die dort zitierte Literatur.

83

Einstellungen werden als gelernte, relativ stabile Prädispositionen bzw. Bereitschaften eines Indidivuums verstanden, sich gegenüber einem bestimmten Einstellungsobjekt zu verhalten. Einstellungen sind als Antriebskräfte, Motivationen zu verstehen, die eine kognitive Gegenstandsbeurteilung umfassen, Kroeber-Riel, 1984, S.191. Vgl. zur Begriffsdiskussion Neibecker, 1990, S.242 und die dort zitierte Literatur. Becker, 1989, S.127; Henzler, 1975, Sp.1564. Simon, 1984b, S.327. Vgl. auch Fopp, 1975, S.129f., Simon, 1984b, S.335f.

8 4 85 8 6 8 7

8 8

Böckenholt und Homburg, 1990, S.1160; Henzler, 1975, Sp.1564; Simon, 1984b, S.326. Böckenholt und Homburg, 1990, S.1162f.

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

61

(potentiellen) Mitarbeiters über das Unternehmen als Arbeitgeber ganzheitlich repräsentiert. Wie differenziert das Personalimage ausgeprägt ist, hängt auch davon ab, welche Informationen zur Bildung des Image beitragen. Nur selten beruhen die personalimagebildenden Informationen auf eigene Erfahrungen mit dem Unternehmen. 89 Die Konstituierung des Personalimage erfolgt in nicht unerheblichem Maße durch Informationen, die von Dritten stammen und über verschiedene Kommunikationskanäle vom Unternehmen an den potentiellen Mitarbeiter gelangen.90 Dies können sowohl werbliche, aber auch interpersonelle Kommunikationswege sein. 91 Die Entstehung des Personalimage beim potentiellen Mitarbeiter kann insofern als das Ergebnis eines vielschichtigen (mehrstufigen) Kommunikationsprozesses bezeichnet werden. 3.S.2. Charakteristische Merkmale des Personalimage Die tatsächlichen Beschaffenheiten bzw. das Anreizsystem eines Unternehmens sind für potentielle Mitarbeiter häufig nicht vollständig transparent. 92 Die meist geringe Einzelkenntnis bewirkt, daß wesentliche Einzelqualitäten zugunsten einer unkritischen Pauschalbewertung weniger differenziert betrachtet werden bzw. bestimmte Einzelqualitäten zu einer Gesamtbewertung vereinfachend zusammengefaßt werden. Ähnlich vergleichbaren Prozessen im Konsumentenverhalten neigen Bewerber dazu, die Informationsdefizite durch globale, möglicherweise nicht in direktem Zusammenhang mit ihrer Bewerbung stehende Schlüsselinformationen über das Unternehmen zu ergänzen und so das Gesamtbild über die Unternehmung abzurunden.93 Aufgrund der Vielzahl verschiedener Unternehmen und deren Anreizsysteme dürfte sich die Gesamtbeurteilung zunächst nur auf wenige, selektiv ausgewählte Schlüsselinformationen begründen. Das Image nimmt die Rolle eines "information chunk" 94 ein, mit dem in Anbetracht der Informationsvielfalt Informationsüberlastungen vermieden werden können. Es dient in dieser Hinsicht dem Einzelnen als Mittel zur Reduzierung von Komplexität.

8 9 9 0 91 9 2 9 3

9 4

Fröhlich, 1987b, S. 47f. Vgl. Groenewald und Horn, 1986, S.494. Groenewald und Horn, 1986, S.343f, Henzler, 1975, Sp. 1565. Böckenholt und Homburg, 1990, S.1166f. Diese Vereinfachungstendenz wird in der Verhaltenswissenschaft auch als Halo-Effekt bezeichnet, vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.298ff. Raffée und Wiedmann, 1989, S.672.

62

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

3.5.3. Bedeutung des Personalimage Aufgrund der bereits beschriebenen Rahmenbedingungen des PersonalMarketing wird sich das Angebot an Arbeitsplätzen fur den einzelnen qualifizierten Bewerber erhöhen. Dies bedeutet, daß das "relevant set", also die Gruppe relevanter Berufswahlalternativen, 95 umfangreicher wird. Insofern nimmt nicht nur die reale Konkurrenz der Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch die "psychologische" Konkurrenz im Wahrnehmungsraum der fur den Einzelnen relevanten Alternativen zu. Dies wiederum läßt vor allem aus Gründen der Informationsüberlastung - eine zunehmende Imageorientierung bei der Berufswahl des Einzelnen erwarten. Die nicht zu unterschätzende Bedeutung des Personalimage bei der Stellenwahl wurde bereits in Arbeiten verschiedener Autoren hervorgehoben, 96 allerdings lassen sich dort nur wenige Anhaltspunkte über das Ausmaß der Entscheidungsrelevanz gewinnen. Für das Unternehmen kann das Personalimage von nicht zu unterschätzender ökonomischer Relevanz sein: Befunden zufolge hat die Position des Unternehmens auf der Image- und Präferenz"Rangliste" Auswirkungen auf die Einstiegsgehälter, die das jeweilige Unternehmen seinem Führungskräftenachwuchs zahlen muß. 97 Bezogen auf den Prozeß der Berufs- bzw. Arbeitsplatzwahl ist das Personalimage in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Zum einen bestimmt es in der Suchphase mit, ob das Unternehmen zum "relevant set" bzw. zum "accepted set" 98 des Bewerbers gehört, d.h. von diesem überhaupt als potentieller Arbeitgeber erwogen wird. Da gerade in frühen Phasen der Informationsstand über das Unternehmen im allgemeinen nicht sehr detailliert ist, kann aufgrund der Orientierungsfunktion des Personalimage sogar von einer großen Bedeutung ausgegangen werden. 99 Desweiteren wird dem bereits bestehenden Personalimage in der Entscheidungsphase, in der intensive Informationsaktivitäten des Bewerbers auftreten, ebenfalls eine bedeutende Rolle zugewiesen. Da der Informationsbeschaffung über den zukünftigen Arbeitsplatz oft relativ

9 5 9 6

9 7

Simon, 1984b, S.326. Vgl. Apitz, Benad und Poth 1987, Fopp, 1975, Henzler, 1975, Simon, 1984b und Wiegel 1983. Vgl. Becker, 1989, S.129. Simon ermittelte, daß bei einem marktüblichen Eintrittsgehalt für kaufmännischen Führungsnachwuchs (Index=100) das erstplacierte Unternehmen nur 97,3 Einheiten, hingegen das zweit- bzw. zehntplazierte Unternehmen bereits 111,7 bzw. 129 Einheiten zahlen muß. Vgl. Simon, 1984b, S.340.

9 8

Simon, 1984b, S.326.

9 9

Ebenda.

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

63

enge Grenzen gesetzt sind, 1 0 0 werden fehlende Informationen häufig durch allgemeine Informationen ersetzt - ein Verhalten, wie es auch für Kaufentscheidungen unter unvollkommener Information typisch ist. 1 0 1 Das Image bildet dann eine zentrale Urteilsbasis für potentielle Mitarbeiter. Aufbau und Pflege eines positiven Unternehmens- und Personalimage bilden eine wichtige Stoßrichtung des Personal-Marketing. Einen strategischen Charakter gewinnt die Imagepolitik aufgrund der Möglichkeit zur Profilierung gegenüber den Wettbewerbern; dies ist vor allem unter langfristigen Perspektiven bedeutsam. Hierzu bedarf es allerdings der Einbindung in das Corporate-Identity-Konzept der Unternehmung. Wichtig für die Imagewirksamkeit des Corporate-Identity-Konzeptes ist allerdings die Übereinstimmung von internem und externem B i l d . 1 0 2 Dies bedeutet letztlich, daß das nach außen kommunizierte Unternehmens- bzw. Personalimage bzw. der subjektiv akzentuierte Eindruck den realen internen Gegebenheiten entsprechen muß. Eine wichtige Voraussetzung der Imagegestaltung sind die Erkenntnisse der Imageforschung, die bereits weiter oben als Instrument des Personal-Marketing charakterisiert wurde. Da das Image eines Unternehmens und auch das Personalimage einem Wandel unterliegen können, ist die Imageforschung eine ständige Aufgabe des Personal-Marketing. Die kontinuierliche Imageforschung stellt jene Informationen zur Verfügung, aufgrund derer Entscheidungen über den Einsatz der Kommunikationsinstrumente getroffen werden können. Da Imageveränderungen sich behutsam, permanent und eher langsam vollziehen, 103 muß die Imageforschung diesen Veränderungsprozeß begleiten und insofern eine Kontrollfunktion ausüben. Die Imageforschung muß dabei sowohl auf das interne wie auch auf das externe Personalimage gerichtet sein, damit auftretende Diskrepanzen insbesondere bei Imageveränderungen, die sich als Folge der Personalimage-Kommunikation einstellen, frühzeitig erkannt werden. Eine wichtige Aufgabe der Imageforschung stellt die Ermittlung relevanter Wahrnehmungs- und Präferenzstrukturen potentieller Mitarbeiter dar. Sie läßt Aussagen über die Struktur bzw. die relevanten Dimensionen des Personalimage zu. Hierauf wird im folgenden Abschnitt eingegangen.

1 0 0

Vgl. Henzler, 1975, Sp.1565.

101

Simon, 1984b, S.327. Achternholt, 1989, S.146. Fröhlich, 1987b, S.62.

1 0 2 103

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

64

3.5.4. Dimensionen des Personalimage Zahlreiche Unternehmen glauben, von einem positiven Produkt- oder Unternehmensimage hinsichtlich der Leistungsfähigkeit auf ein positives Personalimage schließen zu können. 104 Personal- und Unternehmensimage sind aber nur in wenigen Fällen deckungsgleich. So ist eine überschneidungsfreie Differenzierung von Unternehmensimage und Personalimage nicht eindeutig vornehmbar. 105 Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, daß das Personalimage ein Konglomerat verschiedener zusammenwirkender Imagefaktoren ist, die sich unterscheiden lassen i n 1 0 6 (1) Generelles Unternehmensimage, (2) Branchenimage, (3) Gesellschaftliche Wertschätzung der gesuchten Berufsgruppen, (4) Image der Region bzw. Standortimage (5) Imagebildende personalpolitische Faktoren, wie Entwicklungsmöglichkeiten, Entlohnung, Attraktivität des Arbeitsplatzes und Sicherheitsaspekte sowie (6) Produkt- und Markenimage. Den Ergebnissen einer empirischen Untersuchung zufolge sind für das generelle Unternehmensimage die wahrgenommene Kompetenz, die vermutete Leistungsfähigkeit und die Innovationskraft des Unternehmens die wichtigsten Einflußgrößen. 107 Häufig wird auch die (Produkt-) Marktpräsenz sowie die kommunikationspolitische Präsenz als Indikator für die oben angeführten Aspekte zum Tragen kommen. 108 Die Branchenzugehörigkeit wird ebenfalls als Faktor des Personalimage gewertet. 109 Sie kann eine hohe Barriere auf dem Personalmarkt darstellen, wenn das Unternehmen einer Branche ange1 0 4

Henzler, 1975, Sp.l565f.; Simon, 1984b, S.326; Böckenholt und Homburg, 1990, S. 1161. 105 Vgl. hierzu Schmidbauer, 1975, S.54; Fröhlich, 1987b, S.65 und Freimuth, 1989, S.43. 106 Ygi Fröhlich, 1987b, S.66f. Es ist anzunehmen, daß es sehr starke zielgruppenspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung der einzelnen Imagedeterminanten gibt. 1 0 7

Vgl. Freimuth, 1989, S.43.

108

Schmidtbauer, 1975, S.54; Fröhlich, 1987b, S.65. Vgl. Becker, 1989, S.132.

1 0 9

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

65

hört, deren generelles Image hinsichtlich gesellschaftlicher Wertehaltungen problembehaftet i s t . 1 1 0 Die Auswirkungen eines "negativen" Branchenimages sind z.B. fur den wehrtechnischen Bereich festzustellen. Befragungsergebnissen zufolge lehnen rund 80 Prozent der Hochschulabsolventen von Ingenieurwissenschaften die Arbeit an Wehrtechnik a b . 1 1 1 Zum Personalimage wird auch das Ansehen, bzw. die gesellschaftliche Wertschätzung der gesuchten Berufsgruppe gerechnet. Eine Untersuchung bei 1120 Personen zum Personalimage und zur Berufmotivation zeigte, daß vor allem fur Mitarbeiter, die in dem jeweiligen Unternehmen gerade neu begonnen hatten, das "Berufsstandansehen" von hoher Bedeutung w a r . 1 1 2 Das Standortimage stellt ebenfalls einen relevanten Teilaspekt des Personalimage dar; für den Bereich der Fachkräfte, insbesondere Ingenieure, konnte nachgewiesen werden, daß Betriebe mit einem relativ "schlechten" Standortimage bis zu 500.- D M monatlich mehr für eine entsprechende Fachkraft zahlen müssen. 113 Der Standort eines personalsuchenden Unternehmens kann zu einem wichtigen Faktor für Bewerberentscheidungen werden. Großstädte haben als Unternehmensstandorte einen deutlichen Bonus, da hier die Lebensqualität, z.B. in Form des Freizeit- und Kulturangebotes und der höheren Chance zu sozialen Kontakten, von den Bewerbern als höher und somit als "geldwerter Vorteil" 1 1 4 erachtet wird. Außerdem sind Standorte in Ballungsgebieten aus Gründen erhöhter Chancen für einen unproblematischen Arbeitgeberwechsel attraktiver als Standorte in ländlichen Regionen. 115 Unter Wettbewerbs- und kommunikationspolitischen Gesichtspunkten ist die Frage von Bedeutung, in welchem Ausmaß die aufgeführten Imagefaktoren das Arbeitgeberbild potentieller Mitarbeiter über das Unternehmen prägen und zu einer Profilierung gegenüber den relevanten Wettbewerbern beitragen. Hierbei sind die Imageunterschiede zu den relevanten Wettbewerbern von Interesse. 1 1 0

111 1 1 2 113 1 1 4 115

Dies trifft z.B. für die Chemische Industrie zu, die zum einen durch die umweltpolitische Diskussion in die Defensive gedrängt wurde und zum anderen als Nachfolger der IG Farben eine historische Erblast trägt. Vgl. Freimuth, 1989, S.44. Vgl. Dries, 1991, S.253. Vgl. Möller, 1987, S.295. Becker, 1989, S.128f. Bei der Kommunikation von Standortvorteilen kann an in bestimmte Wertetrends, wie z.B. das veränderte Umweltbewußtsein, appelliert werden. So warb die Baussparkasse "Schwäbisch Hall" mit dem Slogan "Kennen Sie die Stadt Deutschlands, in der Umweltverschmutzung ein Fremdwort ist?", vgl. Tangermann, 1986, S.50.

5 Beba

66

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

Für diese, im Rahmen von Imageanalysen zu beantwortenden Fragen, existieren aussagekräftige empirische Befunde. In einer Untersuchung von Simon zur Wahrnehmung und Attraktivität von 20 Großunternehmen als Arbeitgeber beim kaufmännischen Führungsnachwuchs wurden 613 Studenten der Wirtschaftswissenschaften an sieben deutschen Universitäten befragt. 116 Zur Analyse der Personalimages wurde ein Positionierungsmodell117 unter Nutzung der mehrdimensionalen Skalierung aufgestellt. 1 1 8 Für alle 20 Unternehmen wurde ein gemeinsamer Wahrnehmungsraum erzeugt, in den mithilfe des Property-Fitting-Programmes Eigenschaftsvektoren als Interpretationshilfe gelegt wurden. 119 Den Befunden zufolge wird der Wahrnehmungsraum von den zwei Dimensionen "Karriere'' und "Sicherheit" aufgespannt. 120 Innerhalb dieses Raumes nehmen die beurteilten Unternehmen sehr unterschiedliche Positionen ein, d.h. ihnen werden in unterschiedlichem Ausmaß Karrieremöglichkeiten bzw. Arbeitsplatzsicherheit zugebilligt. Die Dimension "Karriere" umfaßt die von potentiellen Bewerbern wahrgenommenen Karriere- und Berufsaussichten, wobei als Indikatoren die Entwicklungsperspektiven, die Weiterbildungsmöglichkeiten, der Umfang der Handlungsspielräume, die AufgabenHerausforderung sowie die Gehälter dienten. 121 Die Dimension "Sicherheit" wird von Aspekten der Arbeitsplatzsicherheit geprägt; als Indikatoren wurden die Unternehmensgröße (Umsatzstärke), der Organisationsgrad, der Umfang von Sozialleistungen, das Ausmaß nationaler und internationaler Mobilitätser-

116

Simon, 1984b, S.328ff. Positionierungsmodelle dienen dazu, die Position des Unternehmens und relevanter Wettbewerber im psychologischen Wahrnehmungs- und Präferenzraum der Zielgruppe (d.h. der potentiellen Mitarbeiter) darzustellen. In diesem Zusammenhang kann man auch vom psychologischen Imageraum sprechen. 118 Grundlage im vorliegenden Fall sind Ähnlichkeitsurteile der Probanden, die mit der Mehrdimensionalen Skalierung in Positionen der Unternehmen in einem mehrdimensionalen Raum umgesetzt werden. Da meist a priori nicht bekannt ist, anhand welcher Kriterien oder Produkteigenschaften die Bewerber ihre Urteile fallen, liegt ein Schwerpunkt der Analyse in der Herausarbeitung der für die Dimensionierung relevanten Eigenschaften. Derartige dekompositionelle, d.h. Globalurteile zerlegende Modelle weisen gegenüber kompositioneilen, also aus mehreren, meist vorgegebenen Einzelurteilen anhand bestimmter Verknüpfungsregeln zusammenfügende Modelle den Vorteü auf, daß nur jene Merkmale herangezogen werden, die den Probanden als relevante Beurteilungskriterien dienen.

1 1 7

1 1 9

ders., S.332ff.

1 2 0

Vgl. Simon, 1984, S.334.

121

Vgl. hierzu auch Becker, 1989, S.131.

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

67

fordernisse und insbesondere die vermutete Dauerhaftigkeit der Beschäftigung herangezogen. 122 Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Böckenholt und Homburg. Ebenfalls mittels der Mehrdimensionalen Skalierung konnten sie im Rahmen einer Untersuchung bei Hochschulabsolventen die Imagedimension "Karriere und Zukunftsorientierung" (gebildet aus den Indikatoren Karrieremöglichkeiten, Entgelt, Weiterbildung und innovations- bzw. zukunftsorientierte Unternehmensfuhrung) sowie als weitere Dimension "Sicherheit und Ansehen" (Umsatz- und Finanzstärke, krisensichere Arbeitsplätze, Bekanntheit und Markenfuhrung, Ansehen sowie Lebens- und Freizeitqualität am Standort) herausarbeiten. 123 Die Ausagen der Studien sind zwar auf den Bereich "Führungskräftenachwuchs" beschränkt und somit nur zum Teil auf andere Mitarbeitergruppen beziehbar. Dennoch erscheinen die herausgearbeiteten Dimensionen des Personalimage aufgrund des eher generellen Charakters geeignet, auch bei anderen Zielgruppen als zentrale Imagefaktoren zu gelt e n . 1 2 4 So lieferte eine auf das Personalimage bei Auszubildenden und Schülern bezogene Untersuchung vergleichbare Befunde. In einer Studie an der Universität der Bundeswehr in Hamburg wurde der Imageraum der Bundeswehr und einiger ausgewählter Wettbewerber auf dem Arbeitsmarkt analysiert. 125 Hierzu wurden die Ähnlichkeitsurteile von 18 bis 19 jährigen Gymnasial-, Real- und Hauptschülern bzw. Auszubildenden bezüglich der Bundeswehr und verschiedenen Unternehmen herangezogen und einer mehrdimensionalen Skalierung unterzogen. Um Aufschluß über die inhaltliche Charakterisierung des Imageraumes zu erhalten, wurde ausgewählte Imagemerkmale in den

1 2 2

Vgl. Simon, 1984b, S.84ff. Vgl. Böckenholt und Homburg, 1990, S.1164f. 1 2 4 Mit einer ähnlichen Methodik wie in den vorangestellten Studien haben Krett und Stright das Personalimage von Mitarbeitern des mittleren Managements analysiert. Sie lokalisierten drei wesentliche Gruppen, die sich hinsichtlich ihres Personalimage voneinander abgrenzen lassen: Die "Professionals" favorisieren die Modernität der Unternehmensfuhrung und die Reputation des Unternehmens (vergleichbar den Dimensionen "Zukunftsorientierung" und "Ansehen" aus der Studie von Böckenholt und Homburg). Die "Superstars" sind als besonders karriereorientiert und die "Comfort Seekers" als besonders sicherheitsorientiert zu kennzeichnen. Vgl. Krett und Stright, 1985, S.33f. 123

125

Hierzu wurden 1988 insgesamt 320 Personen (Schüler und Auszubildende) mündlich befragt. Vgl. Oetker, 1988.

68

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

derart gebildeten Wahrnehmungsraum "projiziert 11 . 126 Ergebnis der Analyse wieder.

Abb.

1 gibt das

Abb. 1 Zweidimensionales Ergebnis einer MDS- und PROFIT-Analyse

1 2 6

Hierzu wurde ein Präferenzraum auf der Grundlage von Eigenschaftsbewertungen (Imagemerkmale) gebildet. Als Datengrundlage wurden Ratings über Unternehmensbewertungen anhand von sechs ausgewählten Image-Merkmalen verwandt, die mit dem sog. property fitting in Vektoren umgerechnet und in dem vorher ermittelten Imageraum dargestellt werden (vgl. Abb.l). Die Pfeilrichtung des jeweiligen Vektors kennzeichnet die intensitätsmäßige Zunahme der betreffenden Eigenschaft, die Lotrechten von den Unternehmenspositionen auf den jeweiligen Vektor geben die Präferenzrangfolge der Unternehmen bezüglich dieser Eigenschaft wieder.

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

69

Den Ergebnissen zufolge sind nur wenige zentrale Faktoren fur die Imagebildung relevant; sie entsprechen im wesentlichen denen, die auch in den bereits o.a. Untersuchungen von Simon sowie Böckenholt und Homburg als wichtige Faktoren erkannt wurden. Alle Unternehmen lassen sich in einem zweidimensionalen Imageraum abbilden. 127 Die den Raum aufspannenden Dimensionen lassen sich mit "Sicherheit des Arbeitsplatzes" und "Attraktivität des Arbeitsplatzes" umschreiben; letztere vereingt gewissermaßen die wahrgenommenen Karriereperspektiven, die Verdienstaussichten und das Tätigkeitsfeld. Die Bundeswehr wird den Ergebnissen zufolge als relativ unähnlich mit den (in der Untersuchung ausgewählten) Wettbewerbern angesehen. Im Vergleich zu den Wettbewerbern der Wirtschaft kann sie kaum Vorteile hinsichtlich der Attraktivität ihrer Arbeitsplätze aufweisen. Hinsichtlich der Dimension "Sichere Arbeitsplätze" nimmt die Bundeswehr dagegen nach der "Deutschen Bundespost" und der "Allianz" einen gehobenen Platz e i n . 1 2 8 Insgesamt weist die Bundeswehr aber erhebliche Imagedefizite hinsichtlich der Attraktivität ihrer Arbeitsplätze, vor allem im Vergleich zu Wettbewerbern des Bereichs Großunternehmen, auf. Die empirischen Befunde der aufgeführten Studien, die sowohl in inhaltlicher wie auch methodischer Hinsicht als durchaus vergleichbar gelten können, zeigen, daß fur das Personalimage sowohl generelle unternehmenspolitische als auch spezifische, auf den Arbeitsplatz bezogene Faktoren von Relevanz sind. Dies verdeutlicht, daß einzelne personalpolitische Instrumente wie Gehalt, Weiterbildungsmaßnahmen u.a. nur zum Teil fur die Positionierung des Unternehmens im "relevant set" potentieller Mitarbeiter verantwortlich sind. Unter dem Gesichtspunkt der bewußten Imagegestaltung müssen deshalb alle relevanten Imagefaktoren beachtet werden. Dies kann nur im Rahmen einer ganzheitlich-konzeptionellen Strategie, wie dem CorporateIdentity-Konzept, geschehen. Gleichzeitig zeigen die Befunde den Informationsbedarf bei Unternehmen zur Feststellung der relativen Wettbewerbsposition auf dem Personalmarkt auf. Bedeutsam ist dabei, daß dem Unternehmen auf diesem Wege das imagerelevante Konkurrenzumfeld bewußt wird. Die Kenntnis der imagebildenden Merkmale sowie der relativen Wettbewerbsposition im Imageraum ist für die Strategiebestimmung hilfreich. Gleichzeitig dient sie der Entwicklung

1 2 7

Der Streßwert für die zweidimensionale Lösung betrug .0214; die dreidimensionale Lösung ergab einen Streßwert von .0131. 1 2 8 In nach Schulbildung differenzierten Analysen konnte für die Gruppe der Hauptund Realschüler eine etwas verbesserte Attraktivitätsposition der Bundeswehr lokalisiert werden.

70

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

von Konzepten zur Neupositionierung des Personalimage. Die Frage, ob die aktuelle Position des Unternehmens im "relevant set" als zufriedenstellend erachtet werden kann, ist nur unter dem Gesichtspunkt der Segmentierung bzw. der Zielgruppenselektion zu beantworten. 129 Entscheidet sich ein Unternehmen für den leistungsorientierten, hinsichtlich der Aufstiegschancen aber auch anspruchsvollen Kandidaten, so sollte sich das Unternehmen möglichst weit in Richtung "Karriere" positionieren. 130 In diesem Fall tritt das Unternehmen allerdings in den Wettbewerb mit jenen Unternehmen, die von den potentiellen Mitarbeitern als besonders karrierefördernd wahrgenommen werden. Eine Repositionierung ist insbesondere bei jenen Unternehmen erforderlich, die im undifferenzierten Mittelfeld positioniert sind. 1 3 1 Sie verfugen weder bei sicherheits- noch bei karriereorientierten Zielgruppen über besondere Attraktivität. Für die vorliegende Untersuchung erscheint es erforderlich, das Personalimage als besonderes Kriterium für die Wirkung kommunikationspolitischer Konzepte des Personal-Marketing aufzufassen. Die Frage nach den Dimensionen des Personalimage wird deshalb im empirischen Teil der Arbeit erneut zu stellen sein. Die Befunde und Erkenntnisse zum Personalimage leiten zu weiteren Aspekten bzw. Fragen hin, die in der vorliegenden Untersuchung für Personal-Marketing-Konzeptionen von Bedeutung sind. Zum einen ergeben sich kommunikationspolitische Ansatzpunkte, die unter dem Begriff Personalimage-Kommunikation zusammengefaßt werden können und sich auf die Positionierung des "Personalangebotes" beziehen. Zum zweiten ergeben sich Fragen hinsichtlich der präferenzbildenden Wirkung des Personalimage bzw. hinsichtlich des Einflusses des Personalimage auf die Berufswahlentscheidung. Hierauf soll im folgenden Abschnitt eingegangen werden. 3.5.5. Der Einfluß des Personalimage auf die Präferenzbildung Im Mittelpunkt bisheriger Studien zum Personalimage stand vor allem die Messung der Konstrukte Unternehmens- bzw. Personalimage und die Attraktivität als Arbeitgeber. 132 Von besonderer Bedeutung ist jedoch die Frage, durch welche Komponenten des Personalimage und in welchem Maße die Attraktivität eines Unternehmens als Arbeitgeber beeinflußt wird.

129 1 3 0

Vgl. Simon, 1984b, S.342; Böckenholt und Homburg, 1990, S.1168f.

Simon, 1984, S.342. Ebenda. 132 Ygi insbesondere Apitz, Benad und Fopp, 1987; Einsiedler, Rau und von Rosenstiel, 1987; Fopp, 1975; Simon, 1984b.

131

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

71

Zur Erklärung der Attraktivität eines Unternehmens auf dem Personalmarkt liegt nach Wissen des Verfassers in der relevanten Literatur kein umfassender, allgemein akzeptierter Ansatz vor. Simon stellt die in seiner Untersuchung lokalisierten Dimensionen Sicherheit und Karriere als zentrale, attraktivitätsbestimmende Merkmale in den Vordergrund. 133 Apitz et al. sehen in den Faktoren Innovationsorientierung und Arbeitsplatzsicherheit eines Unternehmens wesentliche Bestimmungsgrößen der Attraktivität. 134 Zimmer dagegen sieht sowohl materielle als auch immaterielle Anreize als bedeutsam fur die Attraktivität beim potentiellen Mitarbeiter a n . 1 3 5 Zur Ermittlung der Attraktivität der Unternehmen wurde von Simon eine Präferenzbewertung der Unternehmen herangezogen. 136 Es zeigte sich, daß die Karriere nicht bei allen Probanden eine stärkere Präferenzwirksamkeit als die Arbeitsplatzsicherheit ausübt. 137 Folglich ergeben sich unterschiedliche Favoriten. Karriereorientierte Nachwuchskräfte favorisieren Daimler Benz und IBM, Sicherheitsorientierte hingegen bevorzugen die Deutsche Bank. In der Untersuchung von Böckenholt und Homburg spielten die Fragen nach den wahrgenommenen Imagedimensionen und deren Relevanz fur die Attraktivität des Unternehmens eine besondere Rolle. Die Untersuchung ist deshalb auch bemerkenswert, weil sie die Imageanalyse, d.h. die Ermittlung der Struktur des Personalimage, mit einer firmenspezifischen Attraktivitätsanalyse verbindet. Sie zeigt am Beispiel von fünf ausgewählten Unternehmen auf, welche unternehmensspezifischen Bestimmungsgrößen der Attraktivität vorliegen. So zeigten die regressionsanalytischen Befunde, daß die einzelnen Imagedimensionen bei jedem Unternehmen einen unterschiedlichen Attraktivitatsbeitrag leisten. 138 Die Karrieremöglichkeiten beeinflussen die Attraktivität von Industrieunternehmen stärker (bei Bosch am stärksten) als die von Handelsunternehmen; so ist bei Kaufhof die Arbeitsplatzsicherheit das wichtigste attraktivitätsbestimmende Merkmal. 1 3 9

133

Simon, 1984b, S.337ff.

1 3 4

Apitz, Benad und Poth, 1987, S.35.

135

Zimmer, 1979, S.250ff. Hierzu wurde eine Regressionsanalyse mit den Präferenzurteilen als abhängiger und den Unternehmenskoordinaten als unabhängiger Variablen vorgenommen. 1 3 7 Vgl. Simon, 1984b, S.339. Mit einer Differenzierung der Präferenzurteile zweier Untergruppen ("Gute" Studenten versus "schwächere" Studenten) konnte ferner gezeigt werden, daß "schwächere" Studenten in der Bewertung der Unternehmen eher sicherheitsorientiert, "gute" Studenten dagegen eher karriereorientiert Präferenzen bilden. 136

138

Zur Untersuchung wurden die Unternehmen Daimler Benz, IBM, Siemens, Bosch und Kaufhof herangezogen. Dies., S.1173. 139 Dies., S.1172f.

72

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Bei IBM bestimmen ausschließlich Karriere und Ansehen die Attraktivität, bei Kaufhof dagegen Karriere, Ansehen und Sicherheit; bei Daimler Benz dagegen liegt das Attraktivitätspotential vor allem in der Zukunftsorientierung und - in deutlich geringerem Maße - in den Karriereperspektiven. 140 Als Implikation fur das Personal-Marketing ergibt sich, daß zur Steigerung der Attraktivität und damit zur Verbesserung der Wettbewerbsposition die wichtigsten präferenzbildenden Größen sowie das Ausmaß ihres Einflusses bekannt sein müssen. Im empirischen Teil der vorliegenden Untersuchung soll deshalb das Personalimage als Wirkungsgröße werblicher (Personalimage-) Kommunikation besondere Berücksichtigung finden; gleichzeitig soll dabei der Frage nachgegangen werden, welches präferenzbildende Potential das Personalimage beinhaltet. Hierdurch werden wesentliche Voraussetzungen fur die inhaltliche Gestaltung der PersonalMarketing-Kommunikation geschaffen. 3.5.6. Personal-Marketing-Kommunikation Personal-Marketing-Kommunikation umfaßt alle werblich-kommunikativen Aktivitäten, die auf Erhaltung bzw. Schaffung von Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber gerichtet sind. 1 4 1 Ihre Aufgabe ist es, das "Angebot" des Unternehmens so darzustellen, daß es den Präferenzstrukturen der Zielgruppe möglichst nahe kommt. 1 4 2 Personal-Marketing-Kommunikation ist Teil einer strategisch ausgerichteten Kommunikationspolitik, die - weiter oben als Corporate Communication bezeichnet - als Teil des übergeordneten Corporate-Identity-Konzepts der Übersetzung der Unternehmensidentität dient. 1 4 3 In diesem strategischen Zusammenhang kommt der PersonalimageKommunikation besondere Bedeutung zu.

1 4 0

Böckenholt und Homburg, 1990, S.1171. Insgesamt ist der Einfluß wahrgenommener Karrieremöglichkeiten bzw. der Zukunftsorientierung auf die Attraktivität am größten bzw. zweitgrößten; der Einfluß der Arbeitsplatzsicherheit fallt demgegenüber deutlich geringer aus. Die Regressionskoeffizienten betragen - je nach in die Analyse einbezogenem Unternehmen - fur Karriere zwischen .398 und .800, für Zukunftsorientierung zwischen .168 und .658 sowie für Arbeitsplatzsicherheit .221 (nur in einem Fall erwies sich der Einfluß der Arbeitsplatzsicherheit als signifikant). Böckenholt und Homburg, 1990, S.1172f.

141

Groenewald und Hünerberg, 1984, S.657.

1 4 2

Simon, 1984, S.343. Dies., S.665.

143

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

73

In der außengerichteten werblichen Kommunikation umfaßt sie die Personalwerbung 144 und die Personalimage-Kommunikation. Unter PersonalimageKommunikation kann jene werbliche Kommunikation verstanden werden, die dem Unternehmen bei festgelegten Ansprechpartnern, in der Regel potentiellen Mitarbeitern, ein definiertes, unverwechselbares typisches Image als Arbeitgeber verschaffen soll. 1 4 5 Simon sieht die Image-Kommunikation sogar als wesentlichste Aufgabe der Kommunikationspolitik des Personal-Marketing. Zur Schaffung eines unverwechselbaren und typischen Image muß sich das Unternehmen gegenüber den Wettbewerbern in deutlicher Weise profilieren; es engt damit gleichzeitig im Sinne einer Segmentierung des Personalmarktes die Zielgruppe der werblichen Ansprache e i n . 1 4 6 "Optimale" Positionierung bedeutet in diesem Sinne, die Gestaltung und Kommunikation des Arbeitsplatzangebotes möglichst am Nachfrageprofil der Zielgruppe auszurichten. 1 4 7 Betrachtet man jedoch die Praxis der Personal-Marketing-Kommunikation, so läßt sich ein recht unterschiedlicher Stellenwert feststellen. In einer Befragung bei 155 Großunternehmen gaben 60,9% bzw. 37% der Unternehmen an, bei der Akquisition von mittleren Führungskräften sei die ImageKommunikation ein Instrument von "hervorragender'' bzw. "mittlerer Bedeutung". 148 Für die Akquisition von Fachkräften wird der ImageKommunikation nur von 8,7% der Unternehmen eine "hervorragende", von 43,5% bzw. 45,6% der Unternehmen gar nur eine "mittlere" bzw. "recht begrenzte Bedeutung" zugebilligt. 149 Offenbar, so läßt sich folgern, wird Personalimage-Kommunikation nur für den kleinen Kreis der Führungskräfte - und auch dort nicht generell - als bedeutsam angesehen. Als eine Ursache 1 4 4

Unter Personalwerbung wird in erster Linie die Werbung um beurteilungsfähige Bewerbungen geeigneter Mitarbeiter mittels bestimmter Informationsinstrumente verstanden, Wunderer, 1975, Sp.1689 und Sp.1693. Groenewald und Hünerberg differenzieren weiter in "gezielte Personalwerbung" (Werbung, die auf konkrete Positionen bezogen ist) und "allgemeine Personalsuchwerbung" (Werbung, die auf generelle Beschäftigungsmöglichkeiten in bestimmten Funktionsbereichen hinweist), Groenewald und Hünerberg, 1984, S.657. Auf die Darstellung einzelner Aspekte der Personalwerbung soll verzichtet werden. Z.T. ausföhrliche Darstellungen finden sich bei Wunderer, 1975, Sp.l689ff., Groenewald und Hünerberg, 1984, S.657ff., Groenwald und Hünerberg, 1985, S.230ff., Britsch, 1985, S.403ff., Groenewald und Horn, 1986, S.491ff., Scherl und Thomas, 1988, S.156ff.

145

Fröhlich faßt Personalimage-Werbung als zielgerichtete Beeinflussung zu einer den Unternehmensvorgaben im Personalbereich entsprechenden Entscheidung auf. Fröhlich, 1987b, S.63. Diese Definition erscheint allerdings etwas unscharf.

146 1 4 7 1 4 8 1 4 9

Groenewald und Horn, 1986, S.490. Simon, 1984, S.324. Groenewald und Horn, 1986, S.491. Ebenda.

74

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

fur die Zurückhaltung der Unternehmen bei der Image-Kommunikation gegenüber dem Facharbeiterpotential mag die starke Orientierung dieser Gruppe auf regional eingegrenzte Märkte gelten; dies erschwert Ausweichstrategien zur räumlichen Erweiterung des Marktes. 150 Als Werbeträger für die Personalimage-Kommunikation werden von den Unternehmen in erster Linie klassische Werbemedien, insbesondere Personalimage-Anzeigen in zielgruppenaffmen Titeln, eingesetzt.151 In einer Untersuchung bei Großunternehmen wurde der Frage nachgegangen, mit welchen Kommunikationsmitteln und -trägem imageprägende Informationsinhalte effizient an Zielgruppen herangetragen werden können. Hierbei ergab sich, daß für die Zielgruppe Fachkräfte der Mundpropaganda über Mitarbeiter des Unternehmens und deren Angehörige erhebliche Bedeutung zukommt (95,5% der Unternehmen sprechen von "mittlerer" bzw. "hervorragender" Bedeutung). 1 5 2 An zweiter Stelle folgt die Personalwerbung in der lokalen Presse (91,3%), dann Tage der offenen Tür und direkte Kontakte mit Firmenvertretern. 1 5 3 Bei mittleren Führungskräften rangieren Personalwerbung bzw. Personalimage-Werbung in der überregionalen Presse (93,5% "mittlere" bzw. "hervorragende" Bedeutung), direkte Kontakte mit Firmenvertretern (84,8%), Public-Relations-Aktivitäten (84%) sowie spezielle Image-Kampagnen in Fachzeitschriften (80,4%) vor Berichten über das Unternehmen in der Presse. 154 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Britsch 155 in seiner Untersuchung zur Personal-Marketing-Kommunikation von 82 Großunternehmen. Nur 12,3% der Unternehmen betreiben überhaupt eine von der herkömmlichen Personalwerbung mit Stellenanzeigen differenzierbare Personalimage-Kommunikation. 1 5 6 Als positive Beispiele können die Imagekampagnen in Zeitschriften von einigen Großunternehmen, wie z.B. BMW, Siemens und A E G , 1 5 7 hervorgehoben werden. Den Befunden zufolge kommen bei der Personalwerbung Anzeigen in regionalen und überregionalen Zeitungen die größte Bedeutung zu. Während 1 5 0

Rossberg und Busch, 1989, S.178. 151 Vgl hierzu die ausfuhrliche Darstellung bei Nawrocki, 1986b, S.7; Fröhlich, 1987b, S.67. 1 5 2 153 1 5 4 155 156 1 5 7

Groenewald und Horn, 1986, S.494. Ebenda. Dies., S.493f. Britsch, 1985, S.406. Ebenda. Vgl. hierzu Fröhlich und Sitzenstock, 1989, S.135f.

I. Personal-Marketing als Gestaltungsfeld

75

bei Fachkräften (Facharbeiter und Sachbearbeiter) 66 % bzw. 69 % der Unternehmen regionale Stellenanzeigen als Akquisitionsinstrument nutzen, so sind dies bei Führungskräften nur 34%; hier präferieren die befragten Unternehmen überwiegend überregionale Stellenanzeigen. Direktkontakte (zu Schulen und Universitäten) werden nur für die Zielgruppe Führungsnachwuchs in nennenswertem Umfang (29%) unterhalten. Bedeutsam ist, daß rund 70% der Unternehmen bei der Mitarbeitergewinnung von Fachkräften dem Kontakt über vorhandene Mitarbeiter den höchsten Stellenwert einräumen; bei Führungskräften halten lediglich 16% der Unternehmen dies für ein Akquisitionsinstrument. Auch anhand dieser Befunde wird deutlich, daß aktive PersonalimageKommunikation in nennenswertem Ausmaß fast ausschließlich nur zur Gewinnung von Führungskräften betrieben wird, wobei allerdings Skepsis anzumelden ist, ob mit Stellenanzeigen herkömmlichen Typs imagebildende Wirkungen herbeigeführt werden können. 158 Simon kommt zu dem Schluß, daß - auch gegenüber Nachwuchs-Führungskräften - nur wenig Unternehmen ausgeprägte Personalimage-Kommunikation betreiben. 159 Der weit überwiegende Teil der Personal-Marketing-Kommunikation besteht aus Personalwerbung in herkömmlichen Medien (regionale und überregionale Tageszeitungen sowie ausgewählte Zeitschriften). Wenngleich die Bedeutung des direkten und persönlichen Dialogs grundsätzlich erkannt wird, scheinen nur wenige Unternehmen diese Form der Kommunikation im Personal-Marketing zu nutzen. 160 Der Stellenwert der zwischenmenschlichen Kommunikation für Imagebildung und Personalgewinnung wird zwar ebenfalls durchaus erkannt, 161 allerdings sind Konzepte für deren Steuerung nach Wissen des Verfassers bislang noch nicht entwickelt worden. Die Direktkommunikation mit der Zielgruppe bietet - wie noch im folgenden Abschnitt näher erläutert wird - besondere Möglichkeiten zur Imagebildung bzw. zur Profilierung des Unternehmens bei potentiellen Bewerbern. Gleichzeitig stellt die interpersonelle Kommunikation einen

158

Simon, 1984b, S.342f.

159

Simon, 1984b, S.343. 1 6 0 In den USA wird nach Einschätzung von Simon und Fröhlich in erheblich stärkerem Umfang die direkte und persönliche Form der Kommunikation mit potentiellen Bewerbern - auch in relativ frühen Phasen des Entscheidungsprozesses genutzt. Vgl. Simon, 1984, S.343; Fröhlich, 1987b, S.67. 161

Einer Befragung bei 1120 Mitarbeitern eines großen Versicherungsunternehmens ergab, daß sowohl bei Fach- als auch bei Führungskräften der direkte Kontakt zum Unternehmen (31,5% bzw. 39,6%) vor der Anzeige in Zeitungen (35,6% bzw. 22.9%) deren erste Kontaktform mit ihrem neuen Arbeitgeber darstellte. Vgl. Dries, 1991, S.253f.

76

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

interessanten Ansatzpunkt zur Image- und Präferenzbildung dar. Beide Kommunikationsarten erscheinen vor allem unter Berücksichtigung der im zweiten Abschnitt dargestellten wachsenden Kommunikationsprobleme als erfolgversprechende Optionen des Personal-Marketing. In den folgenden Abschnitten C.II, und C.III sollen deshalb konzeptionelle Ansatzpunkte, die die Direktkommunikation und die interpersonelle Kommunikation fur das Personal-Marketing bieten, herausgearbeitet werden.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

77

I I . Direktkommunikation als Option des Personal-Marketing 1. Begriffliche Grundlagen und Abgrenzungen Direktkommunikation ist als ein Teilbereich werblicher Kommunikation1 anzusehen. Sie unterscheidet sich von der Massenkommunikation durch die unmittelbar gesteuerte Ausrichtung der Kommunikation auf den Empfanger. Unter Massenkommunikation ist dabei jene Kommunikation zu verstehen, bei der mittels technischer Verbreitungsmittel (Medien) Informationen ohne direkte Rückkopplungsmöglichkeit des Empfangers an ein disperses Publikum vermittelt werden. 2 Als technische Verbreitungsmittel können alle zur Verfügung stehenden Medien bezeichnet werden. Unter Direktkommunikation soll im weiteren die direkte, unmittelbare und individuelle Ansprache von Adressaten durch die Kommunikatoren ohne die Zwischenschaltung von selbständig kommunizierenden Gliedern verstanden werden, die auf den Dialog mit dem Adressaten zielt. 3 Lediglich eine übermittelnde Funktion kann einem anderen Medium bzw. einer anderen, z.B. postalischen Institution übertragen werden. 4 Direktkommunikation findet also statt, wenn der Informationskontakt zwischen Kommunikator und Empfanger ohne Relais-Kommunikatoren zustandekommt, wenn die Kommunikationsbeziehung (für den Rezipienten) individueller Natur ist und wenn die Beziehung die Folge einer gezielten Kontaktaufhahme zu ausgewählten Adressaten ist. Relais-Kommunikatoren sind Personen oder Institutionen, die als selbständig kommunizierende Zwischenglieder auftreten, wie z.B. Verlage oder Sendeanstalten in der klassischen massenmedialen Werbung oder selbständige Händler bzw. Makler u. a. m. in Form des Verkaufs- oder Beratungsgesprächs.5

1

2

3

4 5

Werbliche Kommunikation wird im allgemeinen als beeinflussende Kommunikation mittels besonderer Instrumente verstanden, vgl. Kroeber-Riel, 1988, S.29 und ders., 1990, S.180 und S.621ff. Vgl. auch Küche, 1979, S.174f., Mühlbacher, 1982, S.14 und Steffenhagen, 1984, S.6. Maletzke, 1963, S.32; Kroeber-Riel, 1990, S.665; Köhler, 1976, S.165. Einige Autoren differenzieren werbliche Kommunikation nach persönlicher Kommunikation und Massenkommunikation, vgl. Kroeber-Riel, 1990, S.517f. und Silberer, 1979, S.40f. Anderen Begriffsfassungen zufolge werden persönliche Kommunikation, direkte (nichtpersönliche) Kommunikation und Massenkommunikation unterschieden, vgl. Engel, Kollat und Blackwell, 1973, S.245. Köhler nimmt eine Einteilung in direkte persönliche, direkte nichtpersönliche sowie indirekte persönliche und indirekte nichtpersönliche Kommunikation vor, vgl. Köhler, 1976, S.165ff. Köhler spricht von Direktkommunikation, wenn sich der Informationskontakt mit den Adressaten in unmittelbarer Ausrichtung auf die Zielpersonen vollzieht. Köhler, 1991, S.135. Vgl. auch Dallmer, 1991, S.6. Lerg, 1991, S. 137. Vgl. Köhler, 1991, S. 156.

78

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Direktkommunikation ist letztlich ein relativer Begriff, der erst durch die nähere Angabe der jeweils unmittelbar Kontaktbeteiligten an Genauigkeit gewinnt.6 Direktkommunikation zielt insbesondere auf den Aufbau einer individualisierten Kommunikationsbeziehung zum Adressaten.7 Die Instrumente der Direktkommunikation müssen hierzu spezifische Gestaltungselemente aufweisen, die die Rückkopplung des Adressaten zum Kommunikator ermöglichen. Grundsätzlich lassen sich hinsichtlich der Art der Ansprache persönliche und nichtpersönliche Direktkommunikation unterscheiden.8 Zu den Kommunikatoren der Direktkommunikation zählen gemäß der vorliegenden Begriffslegung insofern auch Mitglieder der Außendienst- oder Vertriebsorganisation von Unternehmen, Verkäufer oder Messe-Betreuungs-Personal. In Zusammenhang mit der Direktkommunikation sind die Begriffe Direktmarketing und Direktwerbung von Bedeutung. Mit Direktmarketing werden an Marktdaten orientierte, planvolle Konzeptionen bezeichnet, in denen jene marktgerichteten Aktivitäten zusammengefaßt sind, die sich der Direktkommunikation bedienen.9 Hierbei sollen bestimmte Zielgruppen in individueller Ansprache und mit möglichst kontrollierbarem Erfolg erreicht werden. Mit der direkten Ansprache von Zielpersonen sollen Waren, Dienstleistungen oder (personalrelevante) Informationen individuell angeboten sowie die Reaktionen der Adressaten erfaßt werden. 10 Als strategisches Ziel steht der Aufbau eines mehrstufigen Dialogs mit der Zielgruppe im Vordergrund. Mit dieser Begriffsfassung wird deutlich, daß Direktmarketing nicht nur ein spezifisches Instrument des Marketing, sondern ein geschlossenes Konzept von marktgerichteten Aktivitäten bzw. zur Marktgestaltung und insofern eine besondere Ausprägungsform des Marketing darstellt. Die jeweilige Ausgestaltung des Direktmarketing ist deshalb abhängig von der übergeordneten

6 7 8

9 1 0

Köhler, 1991, S. 157. Dallmer, 1981, S.13f. und S.18. Meyer, 1981, S.27f; Dallmer, 1991, S.4f. Köhler unterscheidet in mündliche, schriftliche und mit Hilfe von Produktproben entstehende Informationsübermittlung, vgl. Köhler, 1991, S.152f. Diese Differenzierung erscheint allerdings aufgrund der technischen Entwicklung bei Trägermedien der Direktkommunikation (Büdplatte, Datendiskette u.ä.) zu eng. Köhler, 1981, S. 136. In einer marktorientierten Differenzierung kann sich Direktmarketing auf Absatzmärkte, Absatzmittlerstrukturen, auf "Business-to-Business"-Geschäfte, auf öffentliche Märkte und auf Personalmärkte beziehen, vgl. Bamler, 1987, S.41.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

79

Marketingstrategie und in diesem Zusammenhang auch von der Wettbewerbssituation, dem zu bewerbenden Objekt und der anvisierten Zielgruppe. 11 Der Begriff Direktkommunikation hebt in erster Linie auf den Kommunikationsvorgang oder -prozeß ab; der Begriff Direktmarketing bezieht sich auf die konzeptionelle und instrumenteile Ebene. 12 Prozessuale und konzeptionell-instrumentelle Aspekte sind aber gleichermaßen von Bedeutung, wenn es um die Analyse der Wirkungen bestimmter Formen und Konzepte der Direktkommunikation und damit um die Gewinnung von strategischen Ansatzpunkten fur die werbliche Kommunikation geht. In der vorliegenden Untersuchung sollen deshalb auch konzeptionelle und instrumentelle Aspekte der Direktkommunikation berücksichtigt werden. Die Beibehaltung des Begriffs Direktkommunikation erscheint deshalb zweckmäßig, weil im Vordergrund der Untersuchung die Ermittlung von kommunikativen Wirkungen steht. Zur Ausgestaltung der Aktivitäten kann auf bestimmte Teile des MarketingMix-Instrumentariums, hauptsächlich aus der Kommunikations- und Distributionspolitik, zurückgegriffen werden. 13 Als aktvitätsbezogene Grundlage des Direktmarketing dienen Datenbanken (Database), mit Hilfe derer eine Sammlung und Auswertung von individuellen Zielgruppendaten und ferner eine gezielte Auswahl (Selektion) der Adressaten fur individualisierte Direktmarketing-Aktivitäten nach vorab definierten Kriterien bzw. Zielgruppenmerkmalen ermöglicht werden soll. 14 Direktmarketing bietet dabei spezifische Voraussetzungen, um einzelne Maßnahmen oder Bestandteile von Maßnahmen hinsichtlich Anspracheform, -inhalt und -Zeitpunkt zu testen, damit Wirkungsaussagen über bestimmte Aktivitäten gewonnen werden können. 15 Der Dialog kann mittels persönlicher oder nichtpersönlicher Direktkommunikation bzw. einer Kombination beider Formen gefuhrt werden. Aufgrund der in der Literatur vorzufindenden begrifflichen Überschneidungen soll im folgenden eine Abgrenzung beider Formen der Direktkommunikation vorgenommen werden.

11

Töpfer, 1990, S.5.

12

Vgl. Köhler, 1981, S.135 und Wagner, 1981, S.65ff.

13

Direktmarketing umfaßt traditionelle Instrumente der Direktwerbung, wie DirectMailing, Coupon-Anzeigen und Kataloge sowie neuere Instrumente, wie Telefon, Bildschirmtext, Video und Bildplatte. Töpfer, 1990, S.57. ders., S.5f. Auf das Database-Management wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch näher eingegangen. Vgl. Wagner, 1981, S.74f. und Dallmer, 1991, S.14ff.

14

15

80

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

1.1. Direktwerbung

als Form nichtpersönlicher

Direktkommunikation

Die in der Literatur formulierten Begriffsabgrenzungen der Direktwerbung sind uneinheitlich.16 Direktwerbung umfaßt jene Werbemaßnahmen, die den Empfanger direkt ansprechen. Die Werbebotschaft selbst wird in Form eines selbständigen Werbemittels direkt und nicht als Teil eines anderen Mediums den einzelnen Adressaten übermittelt. 17 Dallmer und Thedens ordnen der Direktwerbung sowohl alle persönlichen als auch alle medialen werblichen Aktivitäten zu, die den Empfänger gezielt ansprechen.18 Hierzu zählen auch jene Werbemaßnahmen, die bei bestimmten Anlässen, wie z.B. bei einer Messe, einer Betriebsbesichtigung, oder einem persönlichen Gespräch übergeben werden. Andere Autoren zählen zur Direktwerbung lediglich schriftliche bzw. nichtpersönliche Werbemittel. 19 Sowohl im deutschen, aber überwiegend im US-amerikanischen Sprachraum findet man häufig eine Gleichsetzung von Direktwerbung mit "direct-mail-Werbung ". Hierbei werden lediglich jene schriftlichen Maßnahmen erfaßt, die mittels Postversand oder postähnlichem Versand von Direktwerbemitteln auf eine Kontaktaufhahme mit dem Empfanger zielen. 20 Im weiteren sollen als Direktwerbung nur nichtpersönliche Formen der Direktkommunikation verstanden werden. Gestaltungsformen der Direktwerbung sind schriftliche Werbesendungen (Werbebriefe, Kataloge, Handzettel), massenmediale Direct-Response-Mittel, (Coupon-Anzeigen, Beilagen mit Antwortkarten, TV-Spots mit Responseelementen), Werbesendungen mittels neuer Medien (Btx, Kabelfernsehen, Bildplatte, Video, CD-ROM, Mailbox)

16

Vgl. Bamler, 1987, S.35, Dallmer, 1991, S.14f., Zorn, 1991, S.54 und Köhler, 1991, S.154f.

17

Vgl. Geradi, 1974, S.403, Uhrek, 1979, S.887 sowie Pflaum und Eisenmann, 1981, S.160. Vgl. Dallmer und Thedens, 1981, S.19. Mayer (1981, S.28) unterscheidet in personale und mediale Direktwerbung. Seiner Meinung nach betreiben alle im Marketing Tätigen, speziell die Außendienstmitarbeiter, personale Direktwerbung. Unter medialer Direktwerbung werden alle Maßnahmen zusammengefaßt, bei denen Werbeträger die Werbemittel als selbständige Objekte zu vorher festgelegten Adressen befördern.

18

19

2 0

Henninger, 1981, S.305; Mayer, 1981, S.325; Bamler, 1987, S.35; Volk, 1990, S.44; Gutschke, 1991, S.189. Bamler, 1987, S.43f; Graham, 1986, S.144f. Hierzu zählen Werbebriefe, Postkarten, Kundenzeitschriften, Kataloge und Preislisten, Beigaben und ähnliche Werbemittel sowie Reaktionsmittel wie Antwortkarten und Bestellscheine. Die einzelnen Mailings bestehen häufig aus mehreren Bestandteilen, wobei dem Anschreiben eine zentrale Bedeutung zukommt. Vgl. hierzu Mayer, 1981, S.326ff.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

81

und Telefonmarketing. 21 Es ergeben sich allerdings einige Zuordnungsprobleme. So wird zur Direktwerbung auch die "Direct-Response-Werbung " gerechnet, wenngleich sie vom Charakter her massenmediale Werbung darstellt. Hierunter werden jene Einzelmaßnahmen erfaßt, die in erster Linie auf das Entstehen eines direkten, individuellen Kontakts (wie z.B. mit Couponanzeigen in Zeitschriften, Coupons in Beilagen und Beiklebern) zielen, und dabei selbst Teil eines anderen Mediums (auch eines Massenmediums) sind. 22 Derartigen "kontaktquirierenden " Werbemitteln kommt insbesondere dann hohe Bedeutung zu, wenn die Verfügbarkeit von Zielgruppenadressen stark eingeschränkt ist. Nicht unproblematisch ist auch die Zuordnung von Werbemitteln wie Hauswurfsendungen sowie Prospekten bzw. Katalogen, die während Messen und Ausstellungen "zur Verfügung gestellt" werden. Hierbei handelt es sich nur dann um Direktwerbemittel, wenn eine planmäßige, individuelle Verteilung mit der Zielung auf den Kontaktaufbau vorliegt. Auch die Anforderung von bestimmten Werbemitteln durch Einzelpersonen stellt Direktwerbung dar, sofern diese Anforderung z.B. im Wege des "Follow up" einer Anzeigenkampagne direkt gesteuert wird. 2 3 Zusammenfassend ist für die vorliegende Untersuchung jene Abgrenzung zweckmäßig, derzufolge unter Direktwerbung alle nichtpersönlichen Mittel der Direktkommunikation verstanden werden, die den Adressaten direkt ansprechen oder auf einen direkten Response bzw. einen direkten Kontakt zielen. Hinsichtlich des Transports sind sowohl postalisch verbreitete (directmail-Werbung) als auch direkt (z.B. Messebroschüren) und massenmedial verbreitete Mittel (direct-response-Werbung) mit einzubeziehen. Für die Klassifikation des (Direkt-) Werbemittels ist demnach die Zielsetzung in der zugrundeliegenden Konzeption entscheidend, sie bestimmt die Funktion des jeweiligen Werbemittels für den Kommunikator und damit deren Ausgestaltung. Persönliche Kommunikationsformen stellen keine Werbemittel im herkömmlichen Sinn, sondern eine besondere Klasse von Verhaltensweisen der Direktkommunikation dar. Hierauf wird im folgenden Abschnitt eingegangen. 1.2. Persönliche Direktkommunikation Unter persönlicher Direktkommunikation kann die mündliche unmittelbare ("face-to-face"-) Ansprache von werblichen Zielpersonen verstanden werden, 2 1 2 2

2 3

Vgl. hierzu Gutschke, 1991, S.190ff. Vgl. Daller und Thedens, 1981, S.18f. Zielsetzung ist entweder die Adreßakqusition oder - im absatzorientierten Direktmarketing - die Herbeiführung sofortiger Bestellungen der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen. Bamler, 1987, S.35.

6 Beba

82

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

die die Möglichkeit zum sofortigen Dialog beinhaltet.24 Aus kommunikationstheoretischer Sicht differenziert man weiter in gesteuerte (mittels beauftragter Kommunikatoren) und nicht gesteuerte persönliche Direktkommunikation (Kommunikation zwischen den Adressaten).25 Persönliche Direktkommunikation wird deshalb sowohl in Arbeiten zum persönlichen Verkauf 26 als auch in Arbeiten zur interpersonellen Kommunikation behandelt. Die Unterteilung in gesteuerte und ungesteuerte Kommunikation erscheint etwas unscharf, da Kommunikation sowohl zwischen dem "kommerziellen" Kommunikator und dem Adressaten, als auch innerhalb der Adressatengruppe, z.B. durch Ansprache von Meinungsfuhrera, zum Ziel werblicher Steuerung eingesetzt werden kann. Im folgenden soll deshalb unter persönlicher Direktkommunikation jene Form der persönlichen Kommunikation gegenüber Adressaten verstanden werden, bei der ein selbständig agierender Kommunikator werblichen Zielsetzungen folgt. Die Kommunikation zwischen den Adressaten wird dagegen als interpersonelle Kommunikation bezeichnet. Für beide Formen lassen sich allerdings ähnliche Bestimmungsgrößen herleiten, da Struktur und Ablauf der persönlichen Direktkommunikation gegenüber der interpersonellen Kommunikation keine besonderen Unterschiede aufweist. 27 Aussagen über die Wirkungszusammenhänge interpersoneller Kommunikation können deshalb im wesentlichen auf die persönliche Direktkommunikation übertragen werden; dies gilt für die Bedeutung der Merkmale von Sender und Quelle ebenso wie für die Merkmale der Kommunikationssituation. 28 Weitere Unterschiede zur nichtpersönlichen Direktkommunikation sind die höhere Kontaktfrequenz und die höhere Kontaktintensität der persönlichen Kommunikation, die auf die geringere Distanz zwischen dem Kommunikator und dem Adressaten zurückzuführen sind. 29 Persönliche Direktkommunikation kann als ein Wechselwirkungsprozeß charakterisiert werden, der nicht nur in einer Richtung, sondern auch umgekehrt verläuft, da der Adressat zeitweise auch selbst Kommunikator sein kann. 30 Die Möglichkeit der unmittelbaren Rückkopplung zum Kommunikator ist bei persönlicher Direktkommunikation in weitaus größerem Maße als bei schriftlicher Direktkom2 4 2 5 2 6

2 7 2 8 2 9 3 0

Ernd, 1991, S.248. Vgl. Haseloff, 1981, S.184. Vgl. hierzu die Arbeiten von Leigh und MacGraw, 1989, Leong, Busch und John, 1989, Willett und Pennington, 1976 und Sheth, 1975. Kroeber-Riel, 1990, S.531ff. Kroeber-Riel, 1990, S.533. Kroeber-Riel, 1990, S.517. Hartmann, 1981, S.733.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

83

munikation gegeben. Der persönliche Kontakt ermöglicht deshalb ein genaues Anpassen an spezifische Empfangereigenschaften, ein schnelleres Erkennen der Situation sowie eine schnelle Reaktion auf die Wünsche des Kontaktpartners. 31 Hinsichtlich des Ziels, einen Dialog mit dem Adressaten aufzubauen, kann persönliche Kommunikation gewissermaßen als klassische Form der Direktkommunikation angesehen werden. Persönliche Kommunikatoren können in ganz unterschiedlicher Weise mit unterschiedlichen Funktionen eingesetzt werden. So wird persönliche Kommunikation bei Gesprächskontakten im Rahmen von Messen und Ausstellungen betrieben; desweiteren zählt der Besuch von Mitgliedern des Unternehmens bei dem Adressaten oder der Besuch von Adressaten beim Unternehmen dazu. 32 Auch Gespräche, die sich im Rahmen anderer Anlässe (z.B. gesellschaftliche Ereignisse) entwickeln, können zur persönlichen Direktkommunikation gerechnet werden, sofern sie auf den Dialogaufbau zielen. Die persönliche Direktkommunikation, wie sie durch Vertreter, Mitarbeiter des Außendienstes oder Berater ausgeführt wird, hat einen hohen Gestaltungsspielraum: Nicht nur Mittel der Sprache, sondern auch Mittel der nonverbalen Kommunikation bzw. der Körpersprache wie Mimik und Gestik, stellen relevante Gestaltungsmerkmale dar. 33 Hinzu kommt, daß vielfaltige andere Mittel (ζ. B. Prospektfolder, Filme) sowie andere Hilfsmittel ergänzend eingesetzt werden können. Nachteilig auf die Ersetzbarkeit wirkt sich die Intensivierung des Wettbewerbs aus. Im Bereich des persönlichen Verkaufs kann eine kontinuierliche Steigerung der Kosten bei gleichzeitig sinkendem Durchschnittsumsatz je Verkaufsgespräch nachgewiesen werden. 34 Für das Personal-Marketing liegen vergleichbare Aussagen nicht vor, lediglich fur den Bereich der Rekrutierung von Führungskräften ließ sich feststellen, daß der vermehrte Einsatz von Personalberatern die Personal-Akquisitionskosten in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt hat. 35 Andererseits ergibt sich aus der Veränderung der Marktbedingungen die Forderung nach mehr qualifizierenden und individualisierten Dialogen mit den Zielgruppen. Die Auflösung dieses Gegensatzes ist 3 1 3 2 3 3

3 4

3 5

Kroeber-Riel, 1990, S.517f. Köhler, 1991, S. 155. Vgl. zur nonverbalen Kommunikation Frey und Hirsbrunner, 1981, S.204ff; Bekmeier, 1989a. Ernd, 1991, S.249. Der Frage des effizienten Verkäufereinsatzes kommt deshalb wachsende Bedeutung zu. Fröhlich, 1987a, S. 117.

84

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

eng verbunden mit der Integration von Maßnahmen der persönlichen und nichtpersönlichen Direktkommunikation. Hierauf wird im Rahmen des Kontaktketten-Konzeptes eingegangen. 2. Theoretische Grundlagen der Wirkungen von Direktkommunikation Sowohl fur persönliche als auch fur nichtpersönliche Direktkommunikation gelten besondere Unterschiede der Kommunikationswirkung im Vergleich zu massenmedialer Kommunikation. Überlegungen zur Wirkung der Direktkommunikation werden überwiegend im Vergleich zu Wirkungen der Massenkommunikation dargelegt. Über die Wirkung unmittelbarer persönlicher Kommunikation im Verkauf finden sich zahlreiche empirische Arbeiten, 36 vernachlässigt wurde dagegen die Untersuchimg von Wirkungen der nichtpersönlichen Direktkommunikation, also der Direktwerbung. In beiden Fällen handelt es sich - im Gegensatz zur Massenkommunikation - um wechselseitige Prozesse der Kommunikation. Im folgenden soll zunächst auf die gegenüber der Massenkommunikation besonderen Wirkungen der Direktkommunikation eingegangen werden. Die besonderen Wirkungen resultieren aus der Art des Kommunikationsprozesses, den spezifischen Eigenschaften der Direktkommunikation und den spezifischen, für den Kommunikationserfolg bedeutsamen Eigenschaften des Kommunikators. Zunächst soll die Art des Kommunikationsprozesses behandelt werden. Die fundamentale Verschiedenheit zwischen direkter und indirekter Kommunikation ist in der sog. Imparitätshypothese artikuliert, nach der die direkten Kommunikationsbeziehungen den indirekten sowohl im Hinblick auf ihre Frequenz, in der sie den einzelnen Rezipienten erreichen können, als auch in ihrer Eigenschaft des stärkeren Beeinflussungspotentials hinsichtlich bestimmter psychischer Konstrukte wie Einstellungen und Verhaltensweisen überlegen sind. 37 Man geht dabei von der Annahme aus, daß die unmittelbaren Interaktionsprozesse über direkte Kanäle wirksam bestimmte psychische Reaktionen und Prädispositionen wie Aufmerksamkeit, Einstellungen und Verhaltensabsichten verändern können, da (1) die kommunikative Distanz zwischen den Beteilig-

3 6

3 7

Vgl. u.a. Engel und Timaeus, 1983, Willett und Pennington, 1976, Busch und Wilson, 1976. Vgl. Lerg, 1981, S.117f. und ders., 1991, S.139.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

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ten geringer und (2) die Gesprächs- und Aufhahmebereitschaft des Rezipierten aufgrund der angebotenen Dialogmöglichkeit höher ist. 3 8 Die geringe kommunikative Distanz ermöglicht verzögerungsfreie Rückkopplungen ("feed back"), die die Fehlerkorrektur, die Ergänzung und Differenzierung der Botschaft in laufender kommunikativer Anpassung sichern. 39 Je geringer das Ausmaß der Verzögerung ist, desto geringer sind die Unsicherheiten bezüglich Verständnis und Akzeptanz der Botschaft. Innerhalb dieses Regelkreises können die Direktkommunikationsmaßnahmen auf die Erwartungsstrukturen unterschiedlicher Empfänger abgestimmt werden; dies erleichtert das Verständnis und hierdurch auch die Akzeptanz von Kommunikationsformen und -inhalten. Dieser Zusammenhang kann als besondere Zielgruppenadäquanz bezeichnet werden. Sie stellt ein besonderes Wirkungspotential der Direktkommunikation dar. Haseloff vertritt die Auffassung, daß mit zunehmendem Individualisierungsgrad die vom Empfanger wahrgenommene Intimität des Kommunikationsprozesses steigt; dadurch wird der Wirkungsgrad der Botschaft positiv beeinflußt. 40 Der Dialog verschafft dem Kommunikator dabei jene Informationen über die Zielgruppe, die zur Anpassimg der Gestaltung des Kommunikationsprozesses an die Merkmale des Adressaten erforderlich sind. Aufgrund des hierdurch erzielten höheren Verständnisses der Botschaft wird die Stimulusmehrdeutigkeit gesenkt.41 Gleichzeitig führt die Dialoganpassung zur Erhöhung der Aufmerksamkeit bzw. des Involvements und zur Beeinflussung von motivationalen Größen, die wiederum einstellungsändernd wirken können. Die gegenüber der Massenkommunikation besonderen Wirkungen ergeben sich aus den spezifischen Eigenschaften der Direktkommunikation: 42 - Direktkommunikation ist personifiziert, - Direktkommunikationsformen sind gleichzeitig auch eigenständige Werbeträger, was eine — eigene Gegenständlichkeit, — eine mediale Alleinstellung sowie — ein unbegrenztes Informationspotential bedeutet, - Direktkommunikation läßt die Rückkopplung des Adressaten zu.

3 8 3 9

Lerg, 1991, S.140f. Haseloff, 1981, S.203. Bei der Rückkopplung können beobachtete und erwartete Wirkungen laufend miteinander verglichen werden.

4 0

Ders., S.206.

41

Dallmer, 19794, S.55.

4 2

Vgl. Kirchner, 1986, S.61; Schefer, 1981, S.991f.; Töpfer, 1990, S.12.

86

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

Untersuchungen konnten belegen, daß die Personifizierung in Werbebriefen im Vergleich zu unadressierten Werbebriefen zu einer fünffachen Resonanz fuhrt; man fuhrt dies auf die Verringerung des Einflusses ablenkender Störgrößen bzw. die Erhöhung der Aufmerksamkeit als Folge des hohen Individualisiertheitsgrades zurück. 43 Das Erkennen des eigenen Namens fordert den Eindruck einer individuellen Ansprache und besonderen Auswahl des Adressaten und spricht das Prestigemotiv an. Hierdurch wird die Informationsaufnahme stimuliert. Rückkopplungsmechanismen erlauben über den Dialog ein "unmittelbares Lernen" aufgrund des Einsatzes direkter Belohnungen bzw. Erfolge für den Adressaten. Andere Medien sind dagegen eher auf das "Modellernen" des Empfangers angewiesen.44 In der Direktkommunikation treten deshalb geringere Lernhemmnisse auf, die durch Abstraktion oder "Übersetzung" verursacht werden. Zur Steigerung der Rückkopplung bei schriftlicher Direktkommunikation können Incentives eingesetzt werden; hiermit wird das Gewinnmotiv angesprochen, wodurch - wie bei der Ansprache des Prestigemotives - eine Aufmerksamkeitssteigerung bewirkt und die Informationsaufnahme stimuliert wird. 4 5 Auch die Eigenständigkeit der Direktmaßnahme als Werbeträger begünstigt die Informationsaufhahme, da in räumlicher wie auch zeitlicher Hinsicht der Empfanger entsprechend seiner Akzeptanzbereitschaft sich der Maßnahme zuwenden kann. 46 So kann der Empfanger bei schriftlichen Formen die Aufnahmegeschwindigkeit selbst bestimmen bzw. das Lesen wiederholen, wodurch die Voraussetzung für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Werbemittel und eine längere Nutzungsdauer geschaffen wird. 4 7 Dies stellt gegenüber den Printmedien noch keine besondere Eigenschaft dar. Abhängig von der subjektiven Wertbeimessung des Informationsträgers durch den Adressaten bzw. einer entsprechenden Ausstattung können die Direktwerbemittel jedoch länger im Besitz des Adressaten bleiben und so zu nachhaltigen Wirkungen, insbesondere auf Lernkonstrukte, fuhren. 48 Dieser Zusammenhang betont die Bedeutung der Gestaltung schriftlicher Kommunikationsformen.

4 3 4 4 4 5 4 6

4 7 4 8

Vgl. Vögele, 1985, S.157f.; Dallmer, 1979, S.100. Vgl. Dallmer, 1979, S.62; Schmidt, 1989, S.19. Vögele, 1985, S. 158. Dies gilt vor allem fur schriftliche Direktkommunikation. Vgl. Dallmer, 1979, S.163f. und Reiser, 1981, S.93. Schefer, 1981, S.991. Vgl. Dallmer, 1979, S.29f.; Schefer, 1981, S.991.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

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Die mediale Alleinstellung kommt den meisten Direktkommunikationsformen zugute. Da kein redaktionelles Umfeld und meist keine zeitlich gleiche direkte Konkurrenz gegeben ist, werden günstige Voraussetzungen fur die Wirkungen auf die Aufmerksamkeit geschaffen. 49 Allerdings muß berücksichtigt werden, daß bei Massenmedien von deren medialem bzw. redaktionellem Umfeld zwar ablenkende, aber auch umfangreiche positive, unterstützende Wirkungen für die Akzeptanz der Werbebotschaft ausgehen können. Als Vorteil wirkt sich eher die Alleinstellung der Werbebotschaft aus, die bei Massenmedien aufgrund der hohen Werbekonkurrenz nicht gegeben ist. Ein weiterer Unterschied ergibt sich hinsichtlich des Informationsumfanges. Grundsätzlich ist der Informationsumfang weder bei schriftlichen noch bei mündlichen Direktkommunikationsformen begrenzt, wenngleich psychologische Restriktionen existieren. Dallmer vertritt die Auffassung, ein verstärktes Informationsangebot wirke einer subjektiven Veränderung der Werbebotschaft durch den Empfanger entgegen, da die Stimulusmehrdeutigkeit hierdurch eingeschränkt und das Ausmaß der Wahrnehmungsverzerrung gesenkt wird. 5 0 Dem ist entgegenzuhalten, daß mit dem Umfang an werblicher Information das Reaktanz- und Selektionsverhalten der Empfanger zunimmt. Aufgrund der eigenen Gegenständlichkeit, der medialen Alleinstellung und des hohen Individualisiertheitsgrades dürften mit Direktkommunikation höhere Aufmerksamkeits- und Lernwirkungen erzielt und somit umfangreichere und komplexere Informationen vermittelt werden können. Dies ist gerade für das Personal-Marketing von Vorteil, da es sich bei ArbeitsplatzInformationen häufig um komplexe Sachverhalte handelt. Desweiteren ergeben sich besondere Wirkungen der Direktkommunikation aus den spezifischen Kommunikatormerkmalen. Entscheidungen über die Gestaltung eines Direktkontaktes sind zugleich Entscheidungen über die Wahl des Kommunikators, der in der Direktkommunikation deutlich stärker als in der Massenkommunikation wahrgenommen wird. 5 1 Die unmittelbare Ansprache fordert den Adressaten wesentlich stärker zum Identifizieren und Bewerten der Quelle heraus, als dies bei den nichtdirekten Kommunikationsformen der Fall ist. Die Möglichkeit des Rückgriffs auf firmen- und perso-

4 9

Hartmann, 1981, S.742; Mayer, 1981, S.329; Schefer, 1981, S.991.

5 0

Vgl. Dallmer, 1979, S.45 und S.55.

5 1

Dies gilt auch für die schriftliche Direktkommunikation, bei der z.B. aufgrund der Unterschrift bzw. Absendermarkierung eine unmittelbare Identifikation des Kommunikators durch den Empfanger vorgenommen wird. Vgl. Vögele, 1985, S.158.

88

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

nenbezogene Images kann deshalb besonders wirkungsvolle Ansatzpunkte bieten. Genießt das Unternehmen bereits hohe Bekanntheit und Reputation, so kann sie durch Nutzung visueller Imagemerkmale den Aufmerksamkeitswert schriftlich übermittelter Informationen erhöhen und ihre Glaubwürdigkeit auf den Text übertragen. 52 Die Wiedererkennung des Kommunikators (bzw. des Unternehmens) bietet bei zunehmendem Dialog die Chance, die aktive Bekanntheit des Unternehmens zu erhöhen und die Verankerung im "Arbeitsplatz"-relevant-set des Empfangers zu starken. Werbliche Anstöße im Rahmen der Direktkommunikation rufen stets die Kommunikatoreigenschaften ins Gedächtnis des Adressaten, insbesondere dann, wenn auf vorangegegangene Kommunikationsaktivitäten Bezug genommen wird. 5 3 Als bedeutsame Eigenschaften des Kommunikators haben sich im Rahmen vielfaltiger empirischer Arbeiten die Glaubwürdigkeit, die Attraktivität und der Darbietungsstil des Kommunikators bestätigt.54 Als Komponenten der Glaubwürdigkeit werden die fachbezogene Kompetenz und die Vertrauenswürdigkeit, d.h. die Zuverlässigkeit der Aussage des Kommunikators, bezeichnet. Besondere Bedeutung haben diese Konstrukte deshalb, weil sie das Urteil des Adressaten über die Qualität der Argumentation prägen und als Bestimmungsgrößen des Einstellungswandels angesehen werden können. 55 Mit der Intensivierung und der Individualisierung des Dialogs können Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit des Kommunikators positiv entwickelt werden. 56 Kompetenzsteigerungen sind vor allem durch die dauerhafte Vermittlung von Sachinformationen möglich. Die Vertrauenswürdigkeit läßt sich im Dialog durch die Darbietung ausgewogener Informationen und die emotionale Bindung herbeiführen. Die Attraktivität eines Kommunikators kann demgegenüber auf thematisch völlig unbedeutende, aber emotional wirkende Umstände zurückgehen. Sie wird u.a. auch von der vom Adressaten wahrgenommenen Ähnlichkeit mit dem Kommunikator beeinflußt. Hier bieten sich für die Direktkommunikation des Personal-Marketing besondere Chancen, da eine kontinuierliche Orien5 2 5 3 5 4

5 5 5 6

Köhler, 1991, S. 164. Köhler, 1991, S. 160. Insbesondere die Glaubwürdigkeit kann als wichtige Einflußgröße des Einstellungswandels gelten. Vgl. Kroeber-Riel, 1990, S.328ff; Mühlbacher, 1982, S.117ff. Mühlbacher, 1982, S.120. Köhler, 1991, S.183.

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tierung in der Kommunikation an spezifischen Adressateninteressen und - wünschen die Identifikation mit dem Kommunikator erhöhen kann. 57 Damit ist nicht gemeint, daß jede Art der zunehmenden Gleichheit zwischen Kommunikator und Empfanger die Kommunikationswirkungen erhöht. Vielmehr ist zu vermuten, daß eine Kongruenz der Einstellungen über bestimmte Sachverhalte, die den Zielpersonen wichtig sind und zu denen der Kommunikator seinen Standpunkt erkennen läßt, die zuerkannte Attraktivität steigert. 58 Die vom Adressaten wahrgenommene Attraktivität und Glaubwürdigkeit des Kommunikators können mittels Direktkommunikation und insbesondere mit kontinuierlichen Dialogen beeinflußt werden. Hohe Glaubwürdigkeit und hohe Attraktivität tragen im langfristigen Dialog mit dem Adressaten zu einer Profilierung des Kommunikators bei. 5 9 Zwischen persönlicher und nichtpersönlicher Direktkommunikation können Unterschiede hinsichtlich ihres Wirkungspotentials vermutet werden. Die Bedeutung der persönlichen Direktkommunikation resultiert aus ihrem gegenüber der nichtpersönlichen Kommunikation mutmaßlich größerem Wirkungspotential, Interessen, Einstellungen und Verhaltensweisen des Empfangers zu beeinflussen; 60 hierzu konnten empirische Untersuchungen Anhaltspunkte liefern. 61 Hierbei spielt die Akzeptanz des Kommunikators und vor allem dessen Glaubwürdigkeit als Wirkungsvoraussetzung und damit als Faktor des Kommunikationseinflusses eine wichtige Rolle, 6 2 da durch den persönlichen Kontakt Sachentscheidungen eher emotionalisiert werden können, als dies mit nichtpersönlichen Formen der Ansprache möglich ist. 63 Die Personifizierung des Unternehmens kann durch die Assoziation von Quelle und Kommunikator erzielt werden; dies festigt die Kundenbindung in besonderem Maße. 6 4 Emotionalisierung und Personifizierung stellen wichtige Faktoren zur Schaffung von Vertrauenswürdigkeit dar und tragen damit - neben der fachlichen Sachkompetenz - zur erhöhten Glaubwürdigkeit von Botschaft und Kommuni -

5 7 5 8

5 9 6 0 6 1

6 2 6 3

6 4

Köhler, 1991, S.166. Für den persönlichen Verkauf konnten diesbezügliche Befunde bereits gewonnen werden, vgl. Tillman und Kirkpatrick, 1972, S.102f. Köhler, 1991, S. 163. Kroeber-Riel, 1990, S.530f., Ernd, 1991, S.248, Köhler, 1991, S.162. Vgl. Assael, 1981, S.372, Katz, 1983, S.43ff., Haseloff, 1981, S.207f. Auf die besonderen Wirkungsaspekte wird im Rahmen der Behandlung der interpersonellen Kommunikation eingegangen. Vgl. Köhler, 1991, S. 157. Die Emotionalisierungsfahigkeit eines Kommunikators trägt in hohem Maße zu seiner Attraktivität bei, vgl. Mühlbacher, 1982, S.120. Wilde, 1988, S.143.

90

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

kator bei. 6 5 Sie kann als wichtige Bestimmungsgröße bzw. Voraussetzung des Einstellungswandels beim Botschaftsempfänger angesehen werden. 66 Aussagen über die Wirkungszusammenhänge interpersoneller Kommunikation können zwar grundsätzlich auf die persönliche Direktkommunikation übertragen werden; 67 dies gilt vor allem für die Bedeutung der Merkmale von Sender und Quelle sowie wie für die Merkmale der Kommunikationssituation.68 Unterschiede bestehen allerdings hinsichtlich des Ausmaßes der Glaubwürdigkeit und der sozialen Kontrolle: Kommerzielle Kommunikatoren haben im allgemeinen aufgrund größerer sozialer Distanz ein geringeres Maß an Glaubwürdigkeit und können deshalb nur in sehr begrenztem Umfang soziale Kontrolle ausüben.69 Hinsichtlich des direkten Vergleichs der Wirkungen von nichtpersönlicher und persönlicher Direktkommunikation bestehen allerdings Forschungsdefizite. 70 Erkenntnisse über spezifische Wirkungsunterschiede und bedingungen sind jedoch erforderlich, um die Planungsunsicherheit bei der Entwicklung von Konzepten der Direktkommunikation, insbesondere bestimmter Maßnahmenfolgen bzw. Maßnahmen über mehrere Stufen, zu reduzieren. Für das Personal-Marketing sind Erkenntnisse über Wirkungsunterschiede von besonderer Bedeutung, da dort bislang wenig Erfahrungen mit dem Einsatz der Direktkommunikation bestehen. Die Analyse der Wirkungsunterschiede zwischen persönlicher und nichtpersönlicher Direktkommunikation stellt deshalb einen zentralen Untersuchungsschwerpunkt dar. Alle aufgeführten Wirkungsmerkmale der Direktkommunikation resultieren aus theoretischen Überlegungen, die allerdings nur zum Teil empirisch überprüft wurden. Zur Gewinnung von Aussagen über die Effizienz von Direktkommunikation, insbesondere von persönlicher vs. nichtpersönlicher Direktkommunikation, ist eine empirische Prüfung der Imparitätshypothese notwendig. Dies soll im empirischen Teil vorgenommen werden. Die Imparitätshypothese und damit die Wirkungsqualität der Direktkommunikation kann 6 5 6 6 6 7

6 8 6 9

7 0

Vgl. Mühlbacher, 1982, S.119. Köhler, 1991, S. 158. Wirkungsaspekte der interpersonellen Kommunikation werden ausführlich in Abschn. 3.3.3 behandelt. Kroeber-Riel, 1990, S.533. Kaas, 1973, S.54ff.; Kroeber-Riel, 1990, S.531f; Köhler, 1991, S.156. Soziale Kontrolle entsteht dadurch, daß der Kommunikator im Verlauf der (üblicherweise wiederholten) Kontake prüfen kann, inwieweit seine Ratschläge übernommen wurden. Der Kommunikant fühlt sich gebunden, da er soziale Belohnungen oder Bestrafungen erwartet. Arndt, 1967, S.202. Lerg, 1991, S. 118.

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jedoch nur anhand eines theoretischen Bezugsrahmens, der alle wesentlichen Komponenten der Kommunikationswirkung umfaßt, vorgenommen werden. Die Komplexität möglicher Beeinflussungswirkungen, die sich im Rahmen werblicher Direktkommunikation einstellen, erfordert deshalb eine genaue Betrachtung der einzelnen psychischen Komponenten sowie ihrer Beziehungen zueinander. Hierauf wird im vierten Teil der Arbeit eingegangen. 3. Stellenwert der Direktkommunikation 3.1. Die Bedeutung im Rahmen werblicher Kommunikation Angesichts der überproportionalen Entwicklung des Aufkommens fur Direktwerbeaktivitäten im Vergleich zum Aufkommen der klassischen Werbeaktivitäten kann von einer steigenden Präferenz der Werbungtreibenden gegenüber der Direktkommunikation gesprochen werden. 71 Die Bedeutung der Direktkommunikation resultiert aus einem schwindenden Vertrauen der Werbungtreibenden in die Wirkung klassischer werblicher Kommunikation. Verantwortlich für diesen Trend sind jene Faktoren, die z.T. bereits im zweiten Abschnitt dieser Arbeit als Problemfelder (klassischer) werblicher Kommunikation angeführt wurden. Zunehmender Konkurrenzdruck, sowohl auf gesättigten Märkten als auch auf Wachstumsmärkten, sowie eine aus Sicht der Zielgruppe abnehmende Unterscheidbarkeit der Angebots- und Leistungsprofile von Unternehmen tragen zu einer Verringerung der Bindung der Zielgruppe an das Unternehmen bei. 7 2 Hieraus resultieren Bemühungen der Unternehmen, neue Konzepte und Instrumente, insbesondere der Direktansprache, zu entwickeln, um die Zielgruppenbindung zu erhöhen. Desweiteren sind Werbeplanungsprobleme, die aufgrund einer differenzierteren und damit schlechter überschaubar bzw. planbar werdenden (klassischen) Medienlandschaft auftreten, von Bedeutung. Unter Berücksichtigung des veränderten Nutzungsverhaltens gegenüber klassischen Medien (nachlassende Bindung an spezielle Werbeträger) und der für das Kommunikationsverhalten relevanten Veränderungen im Wertedenken der Empfänger (zunehmende Individualisierung) wird die zielgruppengenaue Mediaplanung zunehmend erschwert. Hieraus resultieren hohe Streuverluste, die man durch Intensivierung werblicher Kommunikation zu kompensieren versucht. Dies allerdings führt zu zunehmenden Streukosten. Bei der Direktkommunikation 71

7 2

Die Entwicklung der Werbeinvestitionen für Direktwerbung ist in Abschn. 2 dargestellt. Töpfer, 1990, S.7.

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

92

treten dagegen aufgrund der zielpersonengenauen Ansprache geringere Streukosten auf. 7 3 Hinzu kommt, daß häufig ein unscharfes Bild von speziellen wichtigen Wünschen und Bedürfhissen der Zielgruppe besteht.74 Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn Zielgruppen hinsichtlich ihrer Bedürfhisstruktur und ihrer Zusammensetzung starken Veränderungen unterliegen. Die Differenzierung und Lokalisation von Zielgruppen wird hierdurch stark erschwert. Vor allem in der Gewinnung von Zielgruppeninformationen weist die Direktkommunikation aufgrund individualisierter Informationsbeziehungen Vorteile gegenüber klassischer werblicher Kommunikation auf. Desweiteren stellen steigende Sach- und Personalkosten in Vertrieb und Außendienst, Schwierigkeiten bei der Rekrutierung leistungsfähiger Außendienstmitarbeiter und ein zu hoher Anteil ineffektiver Zeiten im Vergleich zu Kontaktzeiten im Außendienst weitere Probleme dar, 75 welche die Unternehmen dazu zwingen, über neue bzw. komplementäre Wege zu den Zielgruppen nachzudenken. Dies gilt - weitgehend unabhängig von der Branche - für Investirions· und Konsumgüter, aber auch für Dienstleistungen. Hieraus resultiert der verstärkte Einsatz der Direktwerbung zur Qualifizierung der Zielgruppe für nachfolgende persönliche Kontakte. Mittels Direktkommunikation kann auch der Einfluß bestimmter Mittlerebenen reduziert werden, die zum einen kostenintensiv und zum anderen - aufgrund individueller Interessen und ihres selbst kommunizierenden Charakters - nur wenig direkt steuerbar sind. In bezug auf den Personalbereich kann in diesem Zusammenhang die Direktkommunikation als Alternative zu Personalberatern und anderen personalvermittelnden Institutionen angesehen werden. Ein weiterer ursächlicher Faktor der steigenden Bedeutung von Direktkommunikation ist das Anwachsen von Servicefunktionen. Sie nehmen im Rahmen der Marktkommunikation an Bedeutung zu, sind aber auch sehr kostenintensiv.76 Hieraus erwachsen Probleme der effizienten Gestaltung von Servicefunktionen. Aufgrund technischer bzw. technologischer Aspekte erscheint die Direktkommunikation auch unter kostenwirtschaftlichen Überlegungen als attraktive 7 3 7 4

Vgl. hierzu die Arbeit von Schmidt, 1989. Töpfer, 1990, S.7.

7 5

ders., S.8.

7 6

Den Ergebnissen einer Studie von Anderson zufolge stellt der Wunsch nach schnellem und gezieltem Service ein an Bedeutung gewinnendes Kundenbedürfnis dar, vgl. Anderson, 1987, S.38.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

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Alternative zur klassischen werblichen Kommunikation. Hierbei spielt insbesondere die verbesserte Verfügbarkeit EDV-gestützter Techniken zur Auswahl von Zielpersonen und zur zielorientierten Datenpflege sowie die Rationalisierung im Abwicklungsbereich (z.B. durch Letter-Shops) eine Rolle. Auch die Komplexität bestimmter Informationsgegenstände wie Dienstleistungen, Unternehmens- und Arbeitsplatz-Charakteristika sowie die damit zusammenhängende Erklärungsbedürftigkeit kann als Faktor zunehmender Bedeutung der Direktkommunikation gewertet werden. Klassische Werbung, so wurde bereits dargelegt, verliert aufgrund flüchtiger Kontaktsituationen auch bei interessierten Adressaten zunehmend ihre Informationsfunktion. Dem auf Seiten der Empfänger durchaus bestehenden Bedarf an Informationen muß allerdings unter sachlicher, zeitlicher und umfänglicher Relevanz entsprochen werden, um so den Selektionsaufwand des Adressaten zu verringern. 77 Mit direkter und vor allem dialogorientierter Kommunikation kann unterschiedlichem Informationsbedarf jeweils angemessen begegnet werden. Nicht zu vernachlässigen für die Bedeutung ist auch die Exklusivität des Kontaktes bei der Direktkommunikation ohne zeitgleichen bzw. zeitnahen Konkurrenzeinfluß. Dies verschafft dem Kommunikator eine gewisse Autonomie. Dieser Vorteil wird allerdings durch die Intensivierung von Direktaktivitäten zunehmend aufgezehrt. Um in einer sich verschärfenden Wettbewerbssituation Konkurrenzvorteile zu erlangen, setzen immer mehr Unternehmen Direktkommunikation ein. Dabei läßt sich eine hohe und weiter steigende Konzentration auf klassische Instrumente der Direktwerbung feststellen. 78 Eine Zunahme der Aktivitäten in diesem dicht besiedeltem Feld muß u.a. aufgrund des Stellenwerts im internationalen Umfeld erwartet werden. 79 Die Entwicklung im Bereich der klassischen Direktkommunikation dürfte die Informationsüberlastung weiter anwachsen lassen und damit die Probleme für die Kommunikationspolitik weiter verstärken. Es stellt sich deshalb die

7 7 7 8

7 9

Trommsdorff, 1989, S.82f. In einer empirischen Untersuchung der Deutschen Bundespost bei Direktwerbung betreibenden Unternehmen konnte ermittelt werden, daß neben dem Einsatz von Fernsehen der Einsatz von Direktwerbung mittelfristig überproportional steigen und einen immer größer werdenden Anteil am Werbebudget einnehmen wird, vgl. Deutsche Bundespost, 1985, S.123f. Bereits 1989 nutzten mehr als die Hälfte aller Werbungtreibenden Direktwerbung, wie in einer weiteren Studie der Deutschen Bundespost (1989, S.17) ermittelt wurde. Im internationalen Vergleich nimmt die Bundesrepublik lediglich einen mittleren Platz in der Nutzung von Direktwerbung ein, vgl. Greff und Töpfer, 1988, S.12.

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C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

Frage, ob die fast euphorisch anmutende verstärkte Nutzung der Direktkommunikation auf eine entsprechende Akzeptanz beim Adressaten stößt. 5.2. Die Akzeptanz von Direktkommunikation Verschiedenen Untersuchungsergebnissen zufolge kann bereits jetzt eine nachlassende Akzeptanz bestimmter Formen der Direktwerbung beim Adressaten festgestellt werden. So ist der Anteil deijenigen, die an Direktwerbung persönlich interessiert sind, im Zeitraum von 1981 bis 1986 von 47% auf 38% zurückgegangen.80 Hinsichtlich der grundsätzlichen Einstellung zur Direktwerbung äußerten dabei lediglich 10.5% eine positive, 45.5% aber eine negative Haltung, wobei bei einer differenzierten Betrachtung allerdings auch wesentliche Vorzüge in der Direktwerbung gegenüber anderen, insbesondere massenkommunikativen Werbeformen genannt werden. 81 Diese Befunde müssen allerdings unter Vorbehalt betrachtet werden, da Ergebnisse direkter Fragestellungen zur Einstellung gegenüber bestimmten Werbeformen häufig durch Rationalisierungseffekte verzerrt werden. Von besonderer Bedeutung ist die nachlassende Dialogaufbauwirkung der Direktwerbung: Bestimmte Responseaktivitäten der Adressaten, wie die Anforderung von Informationen oder eines Beratungsgesprächs, stagnieren bzw. verringern sich. Während 1981 noch 29% der Adressaten Informationen bzw. 8% ein Beratungsgespräch angefordert haben, so waren es 1986 nur noch 27% bzw. 4% gewesen.82 Knapp 60% der Befragten sind noch nie aufgrund einer Direktwerbemaßnahme aktiv geworden (1981: 57%). 8 3 Hinzu kommt, daß der Anteil deijenigen, die sich dem schriftlichen Kontakt durch einen Eintrag in die Robinson-Liste oder durch Anbringung eines Briefkastenaufklebers zur Vermeidung der Zustellung von Direktwerbung entzie-

8 0 81

Vgl. Deutsche Bundespost, 1986, S.llff. Vgl. Kunz, 1988, S.191. Die vorliegenden Ergebnisse sind eher widersprüchlich: Rund 40% der Befragten bekundeten in einer Studie zum Thema Werbung eine positive Einstellung gegenüber Print- und TV-Werbung, vgl. ZAW, 1991, S.51. Tendenziell scheint Print- und vor allem TV-Werbung auf höhere Zustimmung zu stoßen. In einer Studie der Deutschen Bundespost werden dagegen bestimmte Aspekte der Direktkommunikation, wie der Hinweis auf spezielle Angebote (76%), die Möglichkeit zur Information ohne Zeitdruck (66%) und der informative Charakter der Direktwerbung (59%) von einer überwiegenden Mehrheit der Befragten als wesentliche Vorteile gegenüber herkömmlicher Werbung genannt. Vgl. Kunz, 1988, S.192.

8 2

Ebenda. Vgl. auch Kunz, 1988, S.191.

83

Deutsche Bundespost, 1986, S. 111.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

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hen möchten, zunimmt. 84 Insgesamt steht aber ein großer Teil von Adressaten der postalischen Direktwerbung aufgeschlossen gegenüber: 65% möchten "lieber alles bekommen" und "selber auswählen".85 Ein Problem für die Direktkommunikation stellen die deutlichen Verunsicherungen und das zunehmende Mißtrauen der Empfänger gegenüber den direktwerbungtreibenden Unternehmen und deren Umgang mit personenbezogenen Daten dar. 8 6 Den Befunden einer neuen Untersuchung zufolge hängt das Mißtrauen insbesondere mit der zeitweisen Überfüllung von Briefkästen der Adressaten zusammen.87 Zugenommen hat die Kritik an bestimmten Gestaltungsformen von Werbemitteln, insbesondere an Werbebriefen. Für die Adressaten hat postalische Direktwerbung häufig den Charakter von "Massenware". 88 Interessant erscheinen Ergebnisse, wonach jene Maßnahmen, bei denen die Adressaten den Eindruck eines stärkeren Zuschnitts auf ihre Person haben, weitaus weniger kritisch als typische "Massenware" betrachtet werden. 89 Man kann deshalb befürchten, daß für bestimmte Direktwerbeaktivitäten seitens der Empfänger die Differenzierung gegenüber klassischer Massenkommunikation geringer wird. 9 0

8 4

Nach einer von der GfK-Marktforschung durchgeführten Studie im Jahre 1989 nutzen 10% der befragten Adressaten eine der beiden Möglichkeiten, weitere 18% allerdings beabsichtigen, in Zukunft von einer der Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Vgl. GfK- Marktforschung, 1989, S.124. 1987 waren es lediglich 16% der Empfanger, die eine "Streichung aus der Liste" bzw. keine Zustellung wünschten sowie 19%, die eine eingeschränkte Zustellung möchten. Kunz, 1988, S.198f.

85

Vgl. GfK-Marktforschung, 1989, S.124f. Schineis, 1991, S.90f. Die mit der Direktwerbung zusammenhängende Speicherung von personenbezogenen Daten wird insbesondere von Personen höherer Büdung (Abitur) und auch von Personen, die eine grundsätzlich kritischere Einstellung zur Werbung haben, besonders negativ bewertet. Weitaus negativer als die Speicherung von personenbezogenen Daten wird deren Weitergabe angesehen.

8 6

8 7

8 8 8 9

9 0

Hauptanliegen der 1990 durchgeführten Untersuchung war die Analyse des Zusammenhangs zwischen bestimmten Maßnahmen der Direktwerbung und der Akzeptanz beim Adressaten. Vgl. Schineis, 1991, S.90. Deutsche Bundespost, 1986, S.13 und Töpfer, 1990, S.12. So ist die visuelle Erscheinung, wie z.B. die Art der Integration des Adressatennamens in den Werbebrief, nicht unbedeutend für den Eindruck der Individualisiertheit. Die Haltung des Adressaten gegenüber Direktwerbung scheint auch von der Art des Inhalts und vom Typ des Kommunikators abhängig zu sein; so werden Informationen von Banken positiver als Informationen über Leistungen von Versicherern oder gar Angebote typischer Gebrauchsgüter angesehen. Schineis, 1991, S.88.

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C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

Die Ergebnisse der verschiedenen Studien belegen, daß Direktkommunikation grundsätzlich zwar auf Akzeptanz stößt, deutlich negative Vorbehalte aber gegenüber jenen Direktwerbemaßnahmen bestehen, die eher Massencharakter aufweisen. Geringe Akzeptanz weisen vor allem jene Formen auf, die kurzfristig und aktionistisch eingesetzt werden. 91 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Werbungtreibende das Instrumentarium der Direktkommunikation unsachgemäß oder dilettantisch einsetzen und dabei eher auf kurzfristigen Erfolg statt auf langfristige Dialogwirkungen vertrauen. Von der langfristigen Orientierung und der konzeptionellen Einbindung der Direktkommunikation in die Marketingkonzeption können wesentliche Vorteile erwartet werden. Hierauf soll im folgenden Abschnitt eingegangen werden. 3.3. Der Stellenwert

der Direktkommunikation

in der Marketingkonzeption

Der Stellenwert der Direktkommunikation in einem umfassenden Marketing-Konzept hängt vom Integrationsgrad der Direktkommunikation ab. Hinsichtlich des Integrationsgrades unterscheidet man das separativ-instrumentelle, das integrativ-instrumentelle und das funktional-spezifikative Konzept der Direktkommunikation. 92 Mit dem separativ-instrumentellen Konzept werden auf instrumenteller Ebene Direkt- und klassisches Marketing hinsichtlich ihrer Art und Ausgestaltung voneinander separiert. Eine konzeptionelle Einbindung erfolgt durch Kombination der Instrumente der klassischen Marketing-Kommunikation mit denen der Direktkommunikation. Mit dem funktional-spezifikativen Konzept klassifiziert man die Instrumente des Direktmarketing als funktionale Erscheinungsformen der Marketing-MixInstrumente. Jedes Marketinginstrument (z.B. Öffentlichkeitsarbeit) kann durch eine spezifische Ausgestaltung eine Erscheinungsform der Direktkommunikation annehmen (im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit können dies z.B. Pressekonferenzen oder Multiplikatorenseminare sein). Je nach Flexibilität eignet es sich besser oder schlechter fur den Einsatz in der Direktkommunikation. Im integrativ-instrumentellen Konzept ist das Instrumentarium in zweifacher Hinsicht in das Marketing-Mix eingebettet: Auf der horizontalen Ebene erfolgt die Abstimmung mit den übrigen Instrumenten; in vertikaler bzw. 91

Schineis, 1991, S.91.

9 2

Vgl. Wagner, 1981, S.66f. und Meffeit, 1991, S.38ff.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

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prozessualer Hinsicht ist das Instrumentarium der Direktkommunikation einbezogen in die integrierte Planung der Strategien und in die Kontrolle des Marketingerfolges. 93 Hierzu wird eine konsequente Ableitung von strategischen Zielen fur die Direktkommunikation aus den Marketingzielen vorgenommen. Dies bedeutet eine stärkere Einbeziehung des Direktmarketing und der Direktkommunikation in den strategischen Marketingplanungs- und entscheidungsprozeß, als es beim separativ-instrumentellen und funktionalspezifikativen Konzept der Fall ist. 9 4 Ein derartiges Konzept hat sich im wesentlichen an langfristigen Marketingzielen wie Unternehmenszweck (Business Mission) und Unternehmensgrundsätzen, der Unternehmensidentität (Corporate Identity), den strategischen Oberzielen sowie an den Funktionszielen der Unternehmung zu orientieren. 95 Mit dem integrativ-instrumentellen Konzept soll ein Höchstmaß an persönlicher Zielgruppennähe realisiert werden. Hierdurch sollen - unter intensivem Einsatz der vernetzten Kommunikationstechnologien96 - maßgeschneiderte Zielgruppenlösungen im Sinne eines "Customized Marketing" umgesetzt werden. 97 Nicht zuletzt dürfte die Entwicklung von Informationstechnologien, die ein professionelles Kundenstamm- bzw. Database-Marketing ermöglichen, den Wandel des heute überwiegend vertretenen spezifikativfunktionalen Konzepts hin zum integrativ-instrumentellen Konzept im Sinne eines strategisch orientierten "Integrated Direct Marketing" beschleunigen und in Zukunft einen stärkeren Stellenwert zukommen lassen. An Bedeutung gewinnt ein eher strategisch ausgerichtetes Konzept der Direktkommunikation aufgrund besserer Möglichkeiten zur Profilierung des Unternehmens, als dies durch den Einsatz von Massenkommunikation und lediglich kurzfristig eingesetzter klassischer Instrumente der Direktkommunikation möglich ist. 9 8 Die Profilierung verschafft dem Unternehmen zusätzliche Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz. Zur Profilierung kommt es vor allem auf die Ganzheitlichkeit und Leitbildhaftigkeit des Konzepts an, wodurch positive Auswirkungen auf das Unternehmens- bzw.

9 3 9 4 95

Wagner, 1981, S.68. Vgl. Meffert, 1991, S.39. Meffert, 1991, S.40f.

9 6

Vor allem bestimmte Produktionstechnologien wie CAD/CAM werden mit den Kommunikationstechnologien zusammenwachsen und so die Grenze zwischen handwerklicher Einzelfertigung und industrieller Massenproduktion zunehmend aufweichen.

9 7

Vgl. hierzu Kotler, 1988, S.25ff. Vgl. Meffert, 1991, S.41.

9 8

7 Beba

98

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Personalimage - was letztlich eine zentrale Zielsetzung des Personal »Marketing ist - erreicht werden können. Mit Ganzheitlichkeit ist die Geschlossenheit des Konzepts und des kommunikativen Auftritts gemeint. Leitbildhaftigkeit zielt in diesem Zusammenhang auf ein positives Abheben von der Konkurrenz. Sie läßt sich durch die unternehmensspezifische (und zielgruppenbezogene) Auswahl aus der Vielzahl einsetzbarer Instrumente und durch die unternehmensspezifische bzw. zielgruppenbezogene inhaltliche Gestaltung der Direktkommunikation erreichen." Hierbei nimmt die Corporate Identity als im Dialog zu vermittelnde Unternehmensidentität eine zentrale Rolle e i n . 1 0 0 Das Corporate-Identity-Konzept weist im besonderen Maße die zur Profilierung notwendigen Merkmale Ganzheitlichkeit und Leitbildhaftigkeit auf und bietet deshalb einen konzeptionellen Rahmen fur sowohl für integrativ-instrumentelle Direktkommunikation als auch für das Personal-Marketing. 101 Die in der Direktkomunikation umgesetzte Unternehmensidentität soll die Kompetenz des Unternehmens und die konsequente Zielgruppenorientierung und -nähe vermitteln. Dies stellt gleichzeitig eine inhaltliche Komponente der Corporate Identity dar. Das integrativ-instrumentelle Konzept und das übergeordnete CorporateIdentity-Konzept bilden den Rahmen der Direktkommunikation, in den alle Aktivitäten der Direktkommunikation im Sinne eines langfristig geplanten, ganzheitlich-geschlossenen und leitbildhaften Auftritts eingebunden sind. Für die Umsetzung ist von Bedeutung, daß alle Maßnahmen, mit denen eine Adressatengruppe konfrontiert wird, auch unter Corporate-Design-Gesichtspunkten stimmig sein müssen. Das Corporate Design trägt zum Bild, das der Empfänger vom Kommunikator hat, wesentlich b e i . 1 0 2 Dies gilt sowohl für neue Medien, aber vor allem auch für die klassischen Medien der Direktkommunikation wie Direct-Mailing und Couponanzeigen, denen meist eine besondere Eingangsfunktion im Dialogaufbau zukommt. Gerade beim ersten Kontakt ist das visuelle Erscheinungsbild des Unternehmens für das Wecken von Interesse und Aufmerksamkeit von hoher Bedeutung. Aber auch für die weiterführenden Kontakte ist das Corporate Design relevant. Hier kommt dem Corporate Design auch die Funktion des Transports des UnternehmensGoodwills zu, um im Rahmen des Dialogs die Aufnahme und Akzeptanz der Informationen zu fordern.

9 9

Vgl. Töpfer, 1990, S.13. 100 Vgl. die Ausführungen in Abschn. 3.1. 101 1 0 2

Vgl. Birkigt und Stadler, 1986, S.49 und Töpfer, 1990, S.15f. Töpfer, 1990, S.18.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

3.4. Stellenwert

der Direktkommunikation

99

im Personal-Marketing

Im Vergleich zum absatzorientierten Marketing ist die Bedeutung der Direktkommunikation für das Personal-Marketing in der Praxis vergleichsweise bescheiden. Wie eine Studie aus dem Jahre 1986 belegt, stellen mit über 90 Prozent aller Aktivitäten zur Gewinnung von Mitarbeitern Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften den am stärksten präferierten Akquisitionsweg dar. 1 0 3 Bei der Gewinnung von Personalnachwuchs aus dem Kreise von Hochschulabsolventen wird etwas differenzierter vorgegangen. So stellen zwar Anzeigen in überregionalen Zeitungen (Stellenausschreibungen) und Anzeigen in Zeitschriften die überwiegende Mehrheit aller Aktivitäten dar (65%). Aber auch Stellenangebote, die zum Direktaushang an Hochschulen versandt werden (21 %) sowie Akquisitionen im Umfeld von Hochschul Veranstaltungen (10%) werden zunehmend genutzt. 104 Lediglich Hochschulveranstaltungen und m.E. Response-Anzeigen in Zeitschriften können als Instrumente der Direktkommunikation bezeichnet werden. Allerdings läßt sich ein steigender Trend im Einsatz von Direktkommunikationsformen attestieren. 105 So haben jene (Personalimage-) Anzeigenkampagnen an Bedeutung gewonnen, die Responseelemente, wie Coupons, Nennung von Ansprechpartnern und Telefonnummern, enthalten. 106 Auch Publikationen, wie Firmenbroschüren oder Unternehmensreporte, werden häufiger mit Responseelementen versehen und interessierten Personen übermittelt; oft werden diese Werbemittel nach einem bereits initiierten Kontakt den Interessierten übersandt. 107 Maßnahmen der Direktkommunikation werden in erster Linie an Führungskräfte und Führungskräftenachwuchs, weniger an Arbeiter, Facharbeiter und tarifliche Angestellte gerichtet. 108

103

Vgl. Freimuth, 1987, S.145. Eine speziell auf Mittelstandsunternehmen ausgerichtete Untersuchung zur Personalbeschaffung lieferte ähnliche Ergebnisse, vgl. Schneider et al., 1991, S.38f.

1 0 4

Ebenda. Fröhlich, 1987b, S.66f. Vgl. auch Nawrocki, 1986, S.7 und ders., 1986, S.32. 106 Vgl. hierzu Nawrocki, 1986, S.7; Groenewald und Hünerberg, S.231; Poppe und Bartscher, 1990, S.27 sowie Fröhlich, 1987b, S.66f. und 69. 105

1 0 7 108

Fröhlich, 1987b, S.67. In einer Untersuchung bei 82 Industrieunternehmen zeigte sich, daß 23% der befragten Unternehmen bei der Personalsuche nach Führungskräften bzw. Führungsnachwuchs Kontakte zu Schulen, Universitäten und anderen Institutionen herstellen; es dominiert allerdings die überregionale Stellenanzeige (67%). Bei Facharbeitern und tariflichen Angestellten (Sachbearbeitern) werden Kontakte vornehmlich über das Arbeitsamt (78%) und über regionale Anzeigen (66%) hergestellt. Nur 7% der Unternehmen versuchen über Kontakte zu Schulen u.a. den Kontakt zu Fachkräften herzustellen. Vgl. Britsch, 1987, S.406.

100

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

An Bedeutung gewinnen Direktkontakte zu Hochschulen. Hierzu zahlen Veranstaltungen wie Hochschulmessen bzw. messeähnliche Veranstaltungen, sog. "Karrierebörsen" und Firmenkontaktgespräche, in deren Rahmen der Dialog mit dem Einzelnen gesucht wird. Einer Untersuchung bei Personalleitern deutscher Großunternehmen zufolge beabsichtigen 79 Prozent der befragten Personalleiter der Kooperation mit den Universitäten einen größeren Stellenwert als bisher einzuräumen. 109 Der in diesem Zusammenhang geprägte Begriff des "Hochschul-Marketing" deutet darauf hin, daß die Direktkommunikation mit Hochschulen sich nicht nur auf einige wenige Schlüsselbereiche beschränkt, sondern auch das Umfeld stärker erfaßt. 110 Hierzu werden Aktivitäten- und Zielgruppenkataloge ständig ausgeweitet sowie spezifische Materialen entwickelt und verbreitet. Das Bemühen um persönliche Kontakte mit potentiellen Mitarbeitern rückt heute stärker in den Mittelpunkt der Aktivitäten. Persönlicher Direktkommunikation kommt im Rahmen des Personal-Marketing ein steigender Stellenwert zu, da in erster Linie mit dieser Kommunikationsform Hemmschwellen beseitigt bzw. die Motivation gefördert wird, sich beim bereits bekannten Unternehmen zu bewerben. 111 Um diese Form der Direktkommunikation stärker ausüben zu können, müssen Unternehmen jene "Treffpunkte H lokalisieren, an denen sie ihre spezifische Zielgruppe vorfinden und ansprechen kann. 1 1 2

1 0 9

Derartige Veranstaltungen dienen den Unternehmen zur Vorstellung ihres Unternehmens, der Unternehmensziele oder -philosophie. Hochschul-Veranstaltungen zielen auf eine Steigerung des Interesses der Absolventen bzw. Studenten an der betreffenden Firma. Der Stellenwert von Hochschulaktivitäten begründet sich in dem hohen Potential zur frühzeitigen und dauerhaften Bindung der Zielgruppe an das eigene Unternehmen. Fröhlich, 1987b, S.16f, Fröhlich und Langecker, 1989, S.16.

1 1 0

Als Instrumente der Direktkommunikation mit Hochschulen gelten Angebote von Praktikantenplätzen oder Kooperationen bei Diplomarbeiten, Unterstützungen bei Dissertationen, Präsenz auf Fachmessen, Mitarbeit in Hochschulgremien bzw. Mitarbeit von Hochschulvertretern in Unternehmensgremien, Teilnahme an Kolloquien im Rahmen von Hochschultagen und Firmenpräsentationen. Darüber hinaus gelten auch Forschungsprojekte, befristete Projekttatigkeiten, Vergabe von Stipendien, Weiterbildungsangebote wie die "Sommerakademie", Ausschreiben von Preisen fur Abschlußarbeiten und auch Schenkungen als Instrumente des "Hochschul-Marketing". Vgl. Fröhlich, 1987b, S.18.

111

Schneider, et al., 1991, S.39. Zu diesem Zweck haben einige Arbeitgeber-Verbände aus Industrie und Handwerk sog. "Informationsbusse" entwickelt, die - regional und überregional eingesetzt - bei verschiedenen Anlässen wie Fachausstellungen, Messen und ähnlichen Veranstaltungen, als Kontakt- und Anlaufpunkt zur Berufinformation dienen. Neben verschiedenen medialen Darbietungen zur Informationsvermittlung (Video, Personal-Computer, Broschüren) steht insbesondere das persönliche Gespräch im Vordergrund.

1 1 2

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

101

Einer Untersuchung zur Effizienz von Firmenkontaktgesprächen im Rahmen von Hochschulmessen zufolge weisen aus Unternehmenssicht persönliche Gespräche ein hohes Wirkungspotential auf: 55% der befragten Unternehmen schätzen die Wirksamkeit höher als die von Stellenanzeigen e i n . 1 1 3 Fast alle Unternehmen (86%) halten eine derartige Veranstaltung fur eine wichtige Ergänzung zu anderen Personal-Marketing-Maßnahmen. Zwar haben Einstellungen aufgrund schriftlich eingehender Bewerbungen immer noch ein deutliches Ubergewicht; dennoch verdeutlicht das Ergebnis der Studie, demzufolge 71% aller befragten Unternehmen ein bis zwei Einstellungen nach diesen Gesprächen vornehmen, den wachsenden Stellenwert dieser Maßnahme. 114 Direktkommunikation, wie sie Hochschulaktivitäten darstellen, verursachen höhere Einstiegskosten als klassische Personal Werbung. Mittelfristig können sie aber aufgrund frühzeitiger Unternehmensbindung der potentiellen Kandidaten und der dadurch verbesserten Bewerberselektion die Gesamtkosten senken. 115 Hierbei spielt vor allem die Kontinuität und Langfristigkeit von Direktkommunikation eine Rolle. 1 1 6 Voraussetzung ist allerdings die synergetische Einbettung in ein kommunikatives Gesamtkonzept. Den vorliegenden Befunden zufolge gibt es im Personal-Marketing durchaus Beispiele fur die erfolgreiche Anwendung der Direktkommunikation. Allerdings handelt es sich hierbei um Einzelaktivitäten, denen kein geschlossenes Konzept der Direktkommunikation des Personal-Marketing zugrundeliegt. Insgesamt kann deshalb fur das Personal-Marketing nur ein geringer Stellenwert der Nutzung von Direktkommunikation attestiert werden. Möglicherweise spielt hierfür die Unsicherheit über die Effizienz der Direktkommunikation eine Rolle. Hinzu kommt, daß eine Übertragung der Absatzmarkt113

12% der Befragten halten die Wirksamkeit für gleich und nur 15% für schlechter (18% machten keine Angabe). Diese Ergebnisse stammen aus einer Untersuchung bei 50 Unternehmen, die an einer Hochschulmesse teilgenommen haben, vgl. Poppe und Bartscher, 1990, S.27. 1 1 4 Ebenda. Vor allem Unternehmen aus den Bereichen Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung rekrutieren den Ergebnissen zufolge überproportional viele Bewerber auf diesem Wege. Insbesondere für regional agierende Unternehmen dürfte diese Form der Ansprache erfolgversprechend sein, vgl. Poppe und Bartscher, 1990, S.28. 115

Fröhlich, 1987b, S.17. Den Ergebnissen der bereits angeführten Studie zufolge sind 97% der befragten Unternehmen der Auffassung, daß der Nutzen des Firmenkontaktgesprächs die Kosten übersteigt, vgl. Poppe und Bartscher, 1990, S.30.

116

In der Untersuchung über die Firmenkontaktgespräche sind 79% der befragten Unternehmen der Auffassung, daß bei kontinuierlicher Teilnahme an den Gesprächen die Kommunikationswirkung in hohem Maße gesteigert werden kann. Vgl. Poppe und Bartscher, 1990, S.30.

102

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

Direktkommunikation nur begrenzt möglich scheint. Dies gilt vor allem für kurzfristige Aktionen der Direktkommunikation. Sie dürften im Personalbereich zu einem deutlich geringeren Erfolg führen, da Berufsentscheidungen in höherem Maße risikoträchtig als Produktentscheidungen sind und deshalb weniger spontan, sondern erst nach einem intensiven, zeitlich ausgedehnten Entscheidungsprozeß getroffen werden. Im Personal-Marketing kann deshalb nur von einem geschlossenen, ganzheitlichen und langfristigen, an den Berufswahlprozeß adaptierenden integrativ-instrumentalen Konzept 117 der Direktkommunikation, das gleichermaßen mit dem Corporate-IdentityKonzept und der Personal-Marketing-Konzeption verzahnt bzw. abgestimmt ist, ein hoher Erfolg erwartet werden. Dabei müssen Maßnahmen zum Dialogaufbau, zur Dialogentwicklung und -gestaltung harmonisch zusammengefügt werden. Ein derartiges Vorgehen führt zur Entwicklung eines Kontaktketten-Konzeptes. 4. Das Kontaktketten-Konzept der Direktkommunikation 4.1. Begriffslegung

und Charakteristik

Unter einem Kontaktketten-Konzept ist ein geplantes, auf Langfristigkeit und Ganzheitlichkeit ausgerichtetes Konzept zum Aufbau und zur Führung eines mehrstufigen und mehrphasigen direkten Dialogs mit einer bestimmten Zielgruppe zu verstehen. In einem Kontaktketten-Konzept werden mehrere Maßnahmen der Direktkommunikation zusammengefaßt und hinsichtlich ihrer Art bzw. ihres qualitativen Charakters, der Reihenfolge und des zeitlichen Abstandes logisch aufeinander aufbauend in Beziehung gesetzt. Dabei sollen die Einzelmaßnahmen derart angeordnet sein, daß möglichst hohe Verstärkungs- und Synergieeffekte erzielt werden. 118 Kontaktketten-Konzepte stellen insofern unter Wirkungsgesichtspunkten in Abhängigkeit von unterschiedlichen Adressatenreaktionen geplante Maßnahmenfolgen dar. Durch Intensivierung der Zielgruppenbindung soll eine langfristige Sicherstellung des Zielgruppenkontakts gewährleistet werden. Eine entscheidende Voraussetzung für den Aufbau von Kontaktketten und die Dialogführung ist das Database-Management. Bei der Konzeptentwicklung stellt sich insbesondere das Problem der Kommunikationsplanung. Hierbei müssen unter Berücksichtigung der Kommunikationsziele und spezifischer Adressatenmerkmale Vergleiche im Hinblick auf die Auswahl der einzusetzenden Direktkommunikationsformen 1 1 7 1 1 8

Fröhlich, 1987b, S. 17. Vgl. Töpfer, 1990, S.51.

II. Direktkommunikation im Personal-Marketing

103

bzw. der Direkt-Werbeträger und -Werbemittel anhand vorgegebener Kriterien vorgenommen werden. 119 Eine besondere Aufgabe stellt die Maßnahmenplanung dar: Je länger und je vielfaltiger die Kontaktkette ausgestaltet ist, umso komplexer stellt sich das Planungsproblem fur Folgeaktivitäten dar. Die Beantwortung jeder individuellen Reaktion des Adressaten mit einer individuellen Maßnahme kann zu einer Explosion des Umfangs vorgeplanter Maßnahmen fuhren. Hinsichtlich einer zweckmäßigen Begrenzung tritt die Frage auf, welche der möglichen Adressatenreaktionen zu bestimmten Kategorien zusammengefaßt werden können, um eine "kategorienbezogene" Maßnahmenfolge zu ermöglichen. Hierbei müssen sowohl Wirkungsals auch Kostenwirtschaftlichkeitsüberlegungen dahingehend angestellt werden, wie differenziert Kontaktketten auszugestalten sind. Die Bandbreite der Differenzierung erstreckt sich dabei von einer einheitlichen Kontaktkette (jeweils die gleiche Folgemaßnahme fur alle Zielpersonen) bis zur vollständigen Differenzierung der Kontaktkette (jede Kontaktperson erhält eine individuelle Maßnahmenfolge). Eine weitere Aufgabe ist der Vergleich der Wirksamkeit von Maßnahmen bzw. Maßnahmenfolgen gegenüber einer definierten Zielgruppe. Dabei stellen sich allerdings mehrere Probleme. Neben den direkten Wirkungen einer Maßnahme treten bei mehrphasigen Ansprachen auch indirekte Wirkungen auf, die aufgrund der Maßnahmen- und Reaktionshistorie als Synergieeffekte entstehen. Für die Konzeptentwicklung bedeutet dies, daß die unterschiedlichen Maßnahmen sowie die verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten bereits von vornherein im Konzept berücksichtigt werden müssen, wobei jeder Reaktion jene Maßnahme als Folgeaktivität zuzuordnen ist, die zu größtmöglichen Gesamtwirkungen der Kontaktkette führt. In Abhängigkeit von einer bestimmten Reaktion auf eine bestimmte Ansprache wird also die jeweils folgende Anspracheform ausgewählt und umgesetzt. Bei der Planung der Kontaktkette müssen ferner mehrere Prognoseaufgaben bewältigt werden: Zum einen sind die möglichen Reaktionen der Adressaten zu antizipieren. Um die Folgemaßnahmen zu entwickeln, sind zusätzlich die Wirkungszusammenhänge zwischen der erfolgten Reaktion und den weiteren alternativen Anspracheformen zu berücksichtigen. Hierzu müssen die Einzelwirkungen hierarchisiert, d.h. Wirkungsziele in jeder Maßnahmenphase festgelegt werden.

119

Vgl. Schefer, 1991b, S.318.

104

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

Erkenntnisse über die Wirkungen alternativer Direktkommunikationsmaßnahmen liegen nur in vereinzelter Form, unter Berücksichtigung möglicher Synergieeffekte bei Kontaktketten aber kaum v o r . 1 2 0 In der DirektMarketing-Praxis werden als Indikatoren für derartige Wirkungen in erster Linie Responsegrößen verwandt, die aus den aktuellen Aktivitäten oder aus Testläufen gewonnen werden. 121 Damit wird aber lediglich ein Ausschnitt aus dem Wirkungsgefüge abgebildet, der zudem noch auf die konkreten Maßnahmen beschränkt ist. Diese deskriptive Vorgehensweise muß zwangsläufig unbefriedigend bleiben, da hierdurch keine generalisierbaren Erkenntnisse über die Wirkung von Kontaktketten gewonnen werden. Eine wichtige Fragestellung der vorliegenden Arbeit zielt deshalb auf das Ausmaß der Wirkungen von Direktkommunikation, die durch Kombination unterschiedlicher Anspracheformen entstehen, ab. 4.2. Stellenwert

von Kontaktketten-Konzepten

4.2.1. Kommunikationspolitische Relevanz Der Stellenwert von Kontaktketten-Konzepten ergibt sich zum einen aus bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungen, wie der Wertepluralität und der Fragmentierung der Interessen des einzelnen. 122 Eine der Auswirkungen ist die zunehmende Individualisierung der Lebensansprüche und Verhaltensweisen, deren Auswirkungen auf das Kommunikationsverhalten bereits im zweiten Abschnitt geschildert wurden. Mit der zunehmenden Individualisierung ist die Aufsplitterung in eine steigende Zahl von werblichen Zielgruppen verbunden. Differenzierten Zielgruppen mit vielfaltigen Interessenstrukturen müssen anspruchsgerechte Informationen deshalb auf individuelleren Wegen als bisher angeboten werden. Dies setzt voraus, daß die Kommunikationsmedien in der Lage sind, unterschiedliche Wünsche und Interessen von den Zielgruppen zum Unternehmen zu transportieren und umgekehrt auch differenzierte Informationen des Unternehmens spezifischen Zielgruppen zuleiten zu können. Individualorientierte Kontakte stellen eine zweckmäßige Form des Dialogs mit einem Empfängerkreis dar, der sich zunehmend "multi-optional" verhält. Eine an den Vorstellungen und Erwartungen des Einzelnen möglichst eng angepaßte Dialogform reduziert den Umfang der Streuverluste, wie sie bei klassischer Massenkommunikation, aber zum Teil auch bei wenig dialoghafter Direktkommunikation auftreten. 120

121 1 2 2

V g l . Schmidt, 1989, S.74; Thedens, 1991, S.19; Schefer, 1991b, S.326f.; Töpfer, 1990, S.51; Kreutzer und Ernd, 1991, S.608ff.; Wittenberg, 1991, S.716f. Schefer, 1991, S.326. Gerken, 1987, S.8f.; Köhler, 1987, S.153.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

105

Ein weiterer, für Kontaktketten relevanter gesellschaftlicher Trend ist der steigende Wert individueller, persönlicher Beziehungen.123 Untersuchungsergebnissen zufolge gewinnt der Aufbau von Beziehungen sowie die aktive Entwicklung des eigenen sozialen Umfeldes einen immer größer werdenden Stellenwert. 124 Mit Kontaktketten kann diesem Trend entsprochen werden, da die Beziehungen der Zielgruppe zum Unternehmen individualisiert und als quasi-persönliche Beziehung etabliert werden.Bei zunehmend selektivem Informationsverhalten haben jene Kommunikationsformen eine höhere Kontaktchance, die auf einer bereits bestehenden Beziehung zum Adressaten aufbauen. 125 Der kontinuierliche Dialog dient auch dem frühzeitigen Erkennen neuen Informationsbedarfs von Zielpersonen. Die individualisierte und gezielte Gestaltung der Beziehungen erfordert eine standige Sammlung von Einzelinformationen über die Zielgruppe, die anschließend zu Maßnahmen umgesetzt werden müssen. In der Anwendungsphase von Kontaktketten steigen die Möglichkeiten, Mittel und Wissensdetails über die Zielgruppe. Kontaktketten können deshalb andere Marketingfunktionen ergänzen, erweitern oder ganz neue Anspracheebenen gestalten.126 Die Individualisierung des Dialogs kann ein hohes Maß an Zielgruppenbindung bewirken. Vor dem Hintergrund austauschbarer Leistungen von Unternehmen wird die Differenzierbarkeit von Wettbewerbern für den Adressaten zunehmend erschwert. 127 Der daraus resultierenden Pattsituation kann durch eine Profilierung des Unternehmens über eine individuelle Betreuung von Zielpersonen begegnet werden. Kontaktketten-Konzepte stellen deshalb Zielgruppenkontakt- bzw. Zielgruppenbindungsprogramme zum Aufbau des Unternehmensprofils bei den Adressaten dar. Die individuelle Betreuung soll die Austauschbarkeit der Unternehmensleistungen und ein Eindringen der Wettbewerber in dieses Segment verhindern. 128

123

Vgl. Volk, 1990, S.44. Saxer et al., 1989, S. 18. 125 Bei jedem Dialogschritt werden frühere Kontakte, Kommunikationsinhalte und Reaktionen mit berücksichtigt.

1 2 4

126

1 2 7 128

Von hoher Bedeutung ist deshalb die Marktforschungsfunktion von Kontaktketten. Sie ermöglicht die informationsbedarfsorientierte Ansprache der Zielgruppen zur Minimierung von Streuverlusten sowie die systematische Neuerschließung von Zielgruppen (aufgrund des Vergleichs von neuen mit bisherigen Zielgruppenprofilen). Vgl. Kreutzer, 1991, S.626f. Vgl. Kreutzer, 1991, S.625. Ders., S.626. Aufgrund der hohen Bindung können die Adressaten gegenüber der werblichen Ansprache des Wettbewerbers immunisiert werden. Vgl. auch Töpfer, 1990, S.20.

106

C. Ansatzpunkte ur Kommunikationsstrategien

Im absatzwirtschaftlichen Bereich haben Kontaktketten bereits einen beachtlichen Stellenwert erlangt. Hier kommen unter dem Begriff Interessentengewinnungs- bzw. Kundenbetreuungsprogramme in verschiedenen Branchen Dialogsysteme zum Einsatz, 129 wobei vor allem das Erkennen neuer Produkt- bzw. Dienstleistungsbedarfe von Bedeutung ist. 4.2.2. Die Relevanz von Kontaktketten-Konzepten fur das Personal-Marketing Die besondere Relevanz von Kontaktketten-Konzepten fur das PersonalMarketing ist vor allem in den Besonderheiten des Entscheidungsprozesses bei der Berufswahl und der Wirkung auf das Personalimage begründet. Arbeitsplatz- und Berufsentscheidungen sind Ergebnisse eines meist extensiven und komplexen Entscheidungsprozesses, der sich in zeitlicher Hinsicht stark ausdehnen kann. 1 3 0 Berufswahlentscheidungen können sich über mehr als zehn Jahre hinziehen, wobei die Entscheidung einen weitgehenden irreversiblen Charakter gewinnt, d.h. eine einmal getroffene Entscheidung nur schwer rückgängig gemacht werden kann. 1 3 1 Für das Personal-Marketing bedeutet dies, daß erste Ansatzpunkte zur Beeinflussung der Berufsentscheidung bereits in möglichst frühen Phasen bzw. Stadien des Entscheidungsprozesses liegen müssen. Um sich gegenüber den vielfaltigen anderen Beeinflussungsformen (z.B. aus dem sozialen Umfeld) präferenzwirksam zu behaupten, muß der Entscheidungsprozeß möglichst kontinuierlich begleitet werden. Die Gestaltung und die Aussendung kommunikativer Maßnahmen muß deshalb an den einzelnen Entscheidungsphasen orientiert werden. Hierfür erscheinen Kontaktketten besonders geeignet, da sie eine genaue Abstimmung auf individuelle Entscheidungsphasen und daraus resultierenden Interessen erlauben. 1 2 9

Im Konsumgüterbereich setzen sich Kundenbindungsprogramme unter dem Stichwort Club-Marketing durch. Hierzu zählen Konzepte wie der OetkerBackclub, der Barbie-Club, der Bertelsmann-Buch-Club, der Camel-Club oder das der IKEA-Family durch. Hier soll mittels Dialogeinbindung eine langfristige Kundenzufriedenheit erzielt werden. Mit frühzeitig eingesetzten AktivierungsMailings, gekoppelt mit Incentive-Aktionen, sollen z.B. ab sprunggefährdete Mitglieder wieder intensiv eingebunden werden. Werbemittel, wie InfoDepeschen, Club-Magazine oder als Magazin gestaltete Kataloge (sog. Magalogs), flankiert durch Solo-Mailings oder Telefonbetreuung sollen eine intensive und tragfahige Kundenbeziehung aufbauen. Die Einzelreaktionen werden bei allen genannten Konzepten grundsätzlich in der Database verwertet. Vgl. hierzu Schaller, 1988, S. 12ff., Kreutzer, 1991,S.636f. und Hagenlücke, 1991, S.701ff.

1 3 0

Koch und Kosup, 1987, S.3; Freimuth, 1989, S.72ff, Lange, 1986, S.480f. Nach Auffassung von Vertretern der sog. entwicklungspsychologischen Ansätze wird die Berufswahl in Zusammenhang mit der Persönlichkeitsentwicklung betrachtet. Vgl. Seiffert, 1977, S.181, Lange, 1986, S.482.

131

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

107

Besondere Relevanz kommt Kontaktketten-Konzepten auch hinsichtlich des Ziels, die Präferenzen und das Personalimage potentieller Mitarbeiter wirksam zu beeinflussen, zu. Die kommunikative Beeinflussung des Personalimage der Zielgruppe muß bereits vor der eigentlichen Entscheidungssituation vorgenommen werden. Der Dialog über Kontaktketten erleichtert aufgrund der Vielfältigkeit und Häufigkeit der Kommunikation die Übermittlung sowohl komplexer Sachverhalte über das Unternehmen als auch ganzheitlicher emotionaler Vorstellungen wie die Ausstrahlungskraft und die Identität des Unternehmens. Vor allem von der Kontinuität des Dialogs ist eine positive Förderung der Profilierung des Unternehmens und die Imagebildung bei der Zielgruppe zu erwarten, da das Unternehmen mit einer Vielzahl von Anstoßpunkten spezifische Facetten seines Images verdeutlichen kann. Die Individualisierung des Dialogs erlaubt den Aufbau einer emotional ausgestalteten Beziehungsatmosphäre zwischen potentiellem Mitarbeiter und dem Unternehmen, die langfristig Sympathie erzeugen bzw. fördern kann. Gerade fur das Personal-Marketing ist die Schaffung einer positiv und emotional ausgestalteten Atmosphäre von hoher Bedeutung, da dies dem Unternehmen Möglichkeiten bietet, eine Werte-Aura aufzubauen, mit deren Hilfe der relative objektive Leistungsvorteil des Unternehmens mit zusätzlichen Anreiz- bzw. emotionalen Interpretationsmustern aufgeladen werden kann. 1 3 2 Zusätzliche, immaterielle Kompetenzfelder des Unternehmens, wie Mitarbeiterkultur, Life-Style und "added values" (z.B. besondere soziale und kulturelle Aktivitäten), können so leichter verdeutlicht bzw. vertieft werden. Dies dient der Verstärkung der emotionalen Bindung der Zielgruppe an das Unternehmen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die "Erlebniskompetenz", 133 die ein wichtiges Profilierungsmerkmal von Unternehmen gegenüber ihren potentiellen Mitarbeitern darstellen kann. Zusammenfassend kann man festhalten, daß Kontaktketten-Konzepte in weitaus stärkerem Maße als herkömmliche Kommunikationsformen geeignet sind, eine in weite Bereiche individueller Mitarbeiterbedürfhisse und -interessen hineinreichende Profilierung des Unternehmens zu bewirken. Kontaktketten kommt aufgrund ihres hohen Bindungspotentials und der besonderen Imagerelevanz ein strategischer Stellenwert im Personal-Marketing zu. Zur Ausgestaltung von Kontaktketten müssen die Instrumente der Direktkommunikation hinsichtlich bestimmter Kriterien aufeinander abgestimmt 1 3 2 133

Volk spricht in diesem Zusammenhang von "Softnomics", vgl. Folk, 1990, S.44. Fröhlich, 1987b, S.70.

108

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

werden. Ferner erfordert die Entwicklung von Kontaktketten-Konzepten bestimmte datentechnische Voraussetzungen und Konzeptelemente, um den quasi-individuellen Dialog mit verschiedenen Zielgruppen zu fuhren. Hierauf soll zunächst eingegangen werden. 4.3. Database-Management zur Implementation von Kontaktketten Mit Database-Management wird der konzeptionelle Aufbau, die Pflege und die konzeptionelle Nutzung der Database zur Führung des Dialogs im Rahmen der Kontaktkette mit der Zielgruppe bezeichnet. Database-Management bezieht sich insofern auf die Entwicklung von datenbankbezogenen Konzepten zur Informationsaufbereitung und zur Segmentierung im Rahmen der Direktkommunikation. 134 Als Database wird die EDV-gestützte Zielgruppendatei bezeichnet, die neben den Adressen der Zielpersonen auch Informationen über eine Vielzahl weiterer Merkmale, wie sozio- und psychographische Merkmale (Profil- bzw. Merkmalsdaten) sowie Informationen über Reaktionen der Zielpersonen (Reaktionsdaten) auf bestimmte Direktkommunikationsaktivitäten (Aktionsdaten) enthält. 135 Mit Profildaten sind soziodemographische, sozioökonomische und psychographische Merkmale (Interessen, Hobbies, Life-Style-Merkmale) gemeint. Aktionsdaten beziehen sich auf Art und Zeitpunkt des Erstkontaktes sowie auf Art und Zeitpunkt weiterer werblicher Ansprachen. 136 Mit Reaktionsdaten sind Zeitpunkt und Art der Reaktion, Dauer der Beziehung zur Zielperson, Klassifikationen hinsichtlich Attraktivität und Zugänglichkeit der Zielperson u.a. Größen gemeint. Die Auswahl der Zielgruppen sowie die zielorientierte Datenpflege sind eine wesentliche Voraussetzung für den Aufbau und die Führung des Dialogs. Die in der Database enthaltenen Adressen werden dabei sukzessive um weitere Merkmale der Zielgruppe erweitert. Die ständige Aktualisierung und sukzessive Erweiterung der Daten ermöglicht eine effektivere und

1 3 4

135 136

Als Synonym wird auch der Begriff Database-Marketing verwandt, vgl. Kreutzer, 1991, S.627f. und Töpfer, 1990, S.20. Vgl. Kreutzer, 1991, S.627. Vgl. Kreutzer, 1991, S.630 und Böhler, 1991, S.450.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

109

erfolgreichere Pflege der bisherigen Zielpersonen sowie die Gewinnung von neuen Zielpersonen. 1 3 7 Zur Entwicklung eines Database-Konzepts müssen Entscheidungen über die Database-Struktur bzw. über die Art der einzubeziehenden Datengrößen getroffen werden. 138 Im Entwicklungskonzept müssen deshalb die verschiedenen Strukturmodule, wie Merkmals-, Aktions- und Reaktionsdaten sowie die potentiellen Segmentierungsarten und Verknüpfungstechniken berücksichtigt werden. Die Database muß darüber hinaus eine dynamische Segmentierung bzw. eine kontinuierliche Überprüfung und Veränderung der Segmentzuordnung zulassen. Bereits bei der Konzeptionierung müssen Überlegungen hinsichtlich der Relevanz bestimmter Datengrößen (Variablen) angestellt werden. Hierbei sind vor allem Überlegungen hinsichtlich bestimmter theoretischer Zusammenhänge von Bedeutung, etwa hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen sozialrelevanten Profilmerkmalen (z.B. Meinungsführer- oder MeinungsfolgerEigenschaft) und spezifischen Dialogmaßnahmen. Entscheidungen über die Einbeziehung bestimmter Variablen stellen gleichermaßen Entscheidungen über die Informationsgewinnung dar. Zur Informationsgewinnung müssen zunächst alle verfügbaren unternehmensinternen Quellen genutzt bzw. ausgeschöpft und systematisch zusammengeführt werden. 139 Für die externe Informationsgewinnung (Adreßakquisition) bieten sich vielfaltige Möglichkeiten. 140 Sofern mit üblichen externen Akquisitionsbemühungen (Zukauf von Daten, Anmietung von Adressen bei Adreß1 3 7

Die Database unterscheidet sich demnach von herkömmlichen Adreßdatenbanken aufgrund der ständigen Speisung mit personenbezogenen Zielgruppeninformationen, die aus dem Dialog gewonnen werden. Sie ermöglicht die Auswahl einer nach bestimmten Kriterien definierten Zielgruppe aus der im Gesamtpool vorhandenen anonymen Personengruppe. Vgl. Kreutzer, 1991, S.632ff. 138 pQ r fen Aufbau und die Pflege ist zunächst die grundsätzliche Entscheidung zwischen unternehmensinterner und -externer Installation der Database zu treffen. Auf Entscheidungskriterien, wie die Situation eigener EDV-Ressourcen, Zeitbedarf eigener Installation, organisatorische Struktur, Kosten und andere mehr soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Vgl. hierzu Kreutzer, 1991, S.631f. und Bradley, 1987, S.9ff. 1 3 9

So können z.B. AdreßInformationen, die für das Personal-Marketing von Interesse sind, in anderen Funktionsbereichen, wie der Öffentlichkeitsarbeit, in Fachabteilungen vorliegen.

1 4 0

Neben den kontaktakquiriernden Instrumenten der Direktwerbung kommen hier vor allem Datenbanken von Adreßverlagen zur Beschaffung der erforderlichen Informationen zum Tragen. Vgl. hierzu die ausführlichen Darlegungen von Mayer und Middeke, 1991, S.353ff., Ahrens, 1991, S.569ff., Schefer, 1991a, S.643ff., Kreutzer und Ernd, 1991, S.603ff. und Vogt, 1991, S.769ff.

110

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

brokern) 141 die erforderlichen Daten nicht zu beschaffen sind (was bei bestimmten Profildaten die Regel sein dürfte), müssen die erforderlichen Informationen über die Zielgruppe im Rahmen des Dialogs gewonnen werden. Dies bedeutet in Zusammenhang mit der Maßnahmen- bzw. Aktionsplanung der Kontaktkette eine entsprechende Ausgestaltung bestimmter Kontaktformen als Instrumente der Adreß- und Informationsgewinnung. 1 4 2 Die Planung der Database-Struktur sowie die Pflege der Database ist die Voraussetzung für die Selektion von homogenen Gruppen. Planung und insbesondere Pflege unterliegen einem kontinuierlichen Prozeß, da über die gesamte Kontaktstrecke relevante Informationen, Reaktionen und Maßnahmen zielpersonengenau erfaßt, d.h. individuell zugeordnet werden müssen. Desweiteren muß eine permanente Analyse der vorhandenen Datenstrukturen vorgenommen werden. Die Auswertung aller verfügbaren Informationen der Database dient dabei der genauen Potentialermittlung. 143 Dies bedeutet, daß hinsichtlich definierter Kriterien, wie z.B. der Bindungsgrad der Zielperson an das Unternehmen und bzw. oder die Berufswahl-Entscheidungsreife, Zielgruppen für qualitativ höherwertige bzw. kostspieligere Maßnahmen ausgewählt werden. Hierdurch kann z.B. eine effektive Steuerung persönlicher Kommunikatoren erzielt werden. Neben der Planung und Pflege umfaßt Database-Management die Aufgabe der Marktsegmentierung. Hiermit ist die Auffindung homogener Teilgruppen aus der gesamten Database und die Auswahl jener Mitarbeiter-Zielgruppen gemeint, die das Unternehmen angesichts der verfügbaren Dialogmaßnahmen unter Berücksichtigung erkennbarer Konkurrenzaktivitäten erfolgreich bearbeiten kann. 1 4 4 Dabei müssen die Informationen über die Segmente eine segmentspezifische Gestaltung der Dialogmaßnahmen und die gezielte Ansprache der Zielgruppenmitglieder ermöglichen. Die zielgruppenbezogene

141

Zur externen Akquisition von Adreß- und Zielgruppendaten vgl. Lehr, 1991, S.495ff. und Exler, 1991, S.526ff. 1 4 2 Zur Adreßgewinnung eignen sich sowohl Aktivitäten der Direktwerbung als auch der persönlichen Direktkommunikation. Hierzu müssen adreßakquirierende Responseelemente in die Maßnahmen integriert werden. Zur Gewinnung weiterer Zielgruppeninformationen über einen bereits erfaßten Adressatenstamm kann der Dialog mit der Zielgruppe genutzt werden. Im Konsumgüter-Direktmarketing werden den Kunden zusammen mit den Produkten Fragebögen zugesandt, mit Hilfe derer Informationen zur sukzessiven Erweiterung der Database gewonnen werden. Vgl. hierzu die aufgeführten Beispiele bei Böhler, 1991, S.453ff. 143

Im absatzbezogenen Direktmarketing zielt die Anwendung der Database auch auf verbesserte Möglichkeiten beim Cross-Selling sowie auf die Analyse der Absatzpotentiale; vgl. Töpfer, 1990, S.20. 144 y g i z u m Einsatz der Marktsegmentierung im Rahmen der Direktkommunikation Böhler, 1991, S.448.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

111

Aufbereitung der Database dient deshalb besonders zur Minimierung von Streuverlusten. Das Database-Management weist eine Reihe von Vorzügen gegenüber herkömmlichen Marktsegmentierungformen auf. Zum einen besteht der Vorteil der Database-Marktsegmentierung darin, daß die Herausiiiterung hinsichtlich bestimmter Kriterien homogener Zielgruppen aus dem gesamten Datenmaterial beliebig fein vorgenommen werden kann. Diese Selektion kann bis zur Auswahl einzelner Zielpersonen fortgeführt werden; die Häufigkeit der Ansprache, die Art der Bearbeitung sowie der Response ist letztlich für jeden Adressaten individuell ermittelbar. 145 Wenngleich auch herkömmliche Marktsegmentierungsansätze zur Typologisierung von Individuen nach bedeutsamen Kriterien wie Motive, Einstellungen sowie bestimmte Verhaltensweisen, Anhaltspunkte zur Identifikation von Zielgruppen liefern, so fehlt es in derartigen Untersuchungen meist an Hinweisen zur Ansprache dieser Zielgruppen mittels Direktkommunikation. 1 4 6 Man muß bei der Ansprache dieser Zielgruppen dann hohe Streuverluste in Kauf nehmen. Beim Database-Management tritt temporär das Problem in umgekehrter Form auf: Man verfügt - zum Beispiel über angemietete Adreßlisten - zwar über eine direkte Ansprachemöglichkeit, weiß aber zunächst nicht, welche typologiebildenden Merkmale bzw. Merkmalsausprägungen die jeweiligen Zielpersonen aufweisen. Im Rahmen des DatabaseManagements stellt sich deshalb die Aufgabe, Konzepte für das "Auffüllen" der Database mit typologierelevanten Informationen zu entwickeln. Dies

145

Töpfer, 1990, S.20. Im Gegensatz zu herkömmlichen MarktsegmentierungsKonzepten besteht die Möglichkeit der Bezugnahme auf den einzelnen Empfanger und sein spezifisches Merkmals- und Reaktionsprofil bzw. seine spezifische Historie (hinsichtlich Aktion und Reaktion), was eine hohe Planungsgenauigkeit ermöglicht. Dies erweist sich vor allem dann als vorteilhaft, wenn bestimmte psychographische Merkmale (z.B. die Einstellung zum Beruf oder Informationsinteressen) als relevant für die Selektion von Zielgruppen erachtet werden. Aufgrund der Multidimensionalität der Merkmalsstruktur des einzelnen Adressaten können eindeutige Klassifikationen fast nur im Wege der individualisierten Erfassung der Profildaten vorgenommen werden. Das Sowohl-als-auch-Verhalten bei Individuen, wie es sich insbesondere beim Ëntscheidungsverhalten zeigt, schränkt den Aussagegrad herkömmlicher Marktsegmentierung stark ein. Vgl. Kreutzer, 1991, S.627 und Böhler, 1991, S.455.

146

Böhler, 1991, S.453. Die meisten der typologiebildenden Studien stellen Beziehungen zum Medienverhalten her. Die Erreichbarkeit der Zielgruppen mit Instrumenten der Massenkommunikation ist jedoch mit den bereits in Abschnitt 1 geschilderten hohen Streuverlusten verbunden.

112

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

bedeutet, daß anfangliche Streuverluste hingenommen werden müssen, die sich aber mit zunehmender Kontaktzahl deutlich reduzieren lassen. 147 Im Database-Management-Konzept müssen Möglichkeiten zur Durchführung der Erfolgskontrolle und Frühwarnung berücksichtigt werden. So kann die Analyse der Profile von Reagierern und Nichtreagierern als Informationsbasis dienen, um innerhalb des Kontaktketten-Konzepts eine zielgruppengerechte Informationsaufbereitung sowie die Erkennung kritischer Kommunikations- und Interaktionslücken, die zu einem Abbruch der Beziehungen führen können, zu ermöglichen. Die Anwendungsmöglichkeiten werden bereits heute in umfangreicher Form für Konsumgüter, Dienstleistungen und Investitionsgüter ("Business-toBusiness"-Geschäft) genutzt. Für das Personal-Marketing hat Databasegestützte Direktkommunikation noch längst nicht diesen Stellenwert erreicht. Unter Berücksichtigung des erheblichen Preisverfalls im Bereich der EDV sowie der überproportional gestiegenen Kosten für die persönliche Direktkommunikation kommen der professionellen Anwendung auch komplexer Database-Techniken hohe Chancen z u . 1 4 8 Database-Management bildet die Voraussetzung und zugleich einen wichtigen Bestandteil von Kontaktketten-Konzepten. Auf die Ausgestaltung von Kontaktketten soll im folgenden Abschnitt eingegangen werden. 4.4. Merkmale von Kontaktketten-Konzepten Kontaktketten-Konzepte weisen spezifische Merkmale auf, die sich auf die Ausgestaltung der Kontaktkette beziehen. Ausgehend von den im Kontaktketten-Konzept formulierten Zielen müssen hierzu Entscheidungen über Kommunikationsinhalte der einzelnen Aktivitäten, über den qualitativen Charakter bzw. die Art der Maßnahmen, den Grad der Differenziertheit und die Länge der Kontaktkette, die Art der Reihenfolge der Maßnahmen sowie über den zeitlichen Abstand zwischen den einzelnen Maßnahmen getroffen werden. 1 4 7

Zur Selektion von Zielgruppenadressen aus Fremdlisten existieren bislang nur wenige Ansätze anhand einzelner Kriterien. Als erfolgreich haben sich die allerdings sehr aufwendigen mikrogeographischen Ansätze erwiesen. Vgl. hierzu Martin, 1991, S.461ff. und Weppler, 1991, S.479ff.

1 4 8

Außendienstkosten steigen stärker als andere Marketingkosten. Wenngleich keine branchendifferenzierten Vergleichsdaten vorliegen, so kann man doch von einer jährlichen Steigerung von 10-15% ausgehen. Vgl. Kreutzer, 1991, S.624f. Es erscheint plausibel, für Maßnahmen der persönlichen Direktkommunikation im Personal-Marketing eine ähnliche Entwicklung zu unterstellen.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

113

4.4.1. Die Zielbildung in Kontaktketten-Konzepten In Abhängigkeit von den strategischen Oberzielen der übergeordneten Unternehmensstrategie, der Personal-Marketing-Strategie sowie der daraus abgeleiteten Kommunikationsstrategie lassen sich Oberziele von Kontaktketten formulieren. Die Ziele der Personal-Marketing-Strategie, wie der Aufbau eines positiven Unternehmensimages und die wirksame Schaffung von Präferenzen bei potentiellen Mitarbeitern, münden direkt in das Zielsystem von Kontaktketten-Konzepten. Die Hauptziele müssen in segmentbzw. zielgruppenspezifische Unterziele heruntergebrochen werden. 149 Eine weitere Zieldifferenzierung muß dann hinsichtlich der Kontaktphase bzw. des Dialogstadiums definiert werden. In inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht sowie in bezug auf das Zielausmaß ist eine Präzisierung erforderlich. In inhaltlicher Hinsicht können sowohl psychographische Ziele (z.B. Steigerung der Informationsnachfrage) oder einfache Response-Ziele (Erhöhung der Rücklaufquote) formuliert werden. Der zeitliche Bezug legt fest, in welchem Zeitraum die Ziele erreicht werden sollen. 4.4.2. Kommunikationsinhalte Als Teil der übergeordneten Kommunikationsstrategie des Personal-Marketing sollen Kontaktketten-Konzepte eine wirksame Schaffung von Präferenzen bei potentiellen Mitarbeitern im allgemeinen und die Bildung eines positiven Personalimage im besonderen durch ein hohes Maß an Zielgruppenbindung bewirken. Kontaktketten-Konzepte können sich hierbei am Entscheidungsprozeß der Berufs- bzw. Arbeitsplatzwahl von Adressaten orientieren. 150 Der Bezug auf den Entscheidungsprozeß bedeutet hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung, daß solche Informationsinhalte vermittelt werden müssen, die für die Zielgruppe in den einzelnen Phasen des Entscheidungsprozesses relevant und bedarfsgerecht sind. Vor allem bei Beginn des Dialoges in frühen Phasen des Berufswahlprozesses müssen unternehmensspezifische Informationen in Interessenfelder der Zielgruppe eingebunden 149

Ein zentrales Ziel stellt z.B. das Erreichen einer hohen Zielgruppenbindung durch direkte Ansprache dar. Als nachgeordnetes Ziel kann z.B. die Realisierung einer optimalen Zielgruppenausschöpfung bzw. die Erreichung einer hohen Umwandlungsquote gelten. 150 Präferenzbildende Personal-Marketing-Strategien gegenüber potentiellen Mitarbeitern, die ihre Berufswahl abgeschlossen und ihre Entscheidung bereits zugunsten anderer Unternehmen getroffen haben, unterliegen anderen Rahmenbedingungen. Grundsätzlich können Kontaktketten-Konzepte auch auf jene Zielgruppen bezogen sein. Sie werden aber im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht näher behandelt. 8 Beba

114

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

sein, um über die Aufmerksamkeitswirkung dieser speziellen Informationen eine Assoziation mit den unternehmensbezogenen Informationen zu erreichen. Im Verlauf der Kontaktkette müssen die Inhalte an die sich verändernden Interessenstrukturen der Zielgruppe laufend angepaßt werden. Von Bedeutung ist deshalb die Herausbildung von Ansatzpunkten aus den Lebensinhalten, Lebensansprüchen und Life-Style-Merkmalen 151 der Zielgruppe. Eine Analyse der Motive bzw. der Bedürfhisse, die als Bestimmungsgrößen fur Lebensinhalte und Lebensansprüche maßgebend sind, kann Ansatzpunkte fur die Ausgestaltung der Kommunikationsinhalte liefern. 152 Erste Informationen hierüber liefern Trend- und Langzeit-Untersuchungen verschiedener Institutionen. 153 4.4.3. Qualitativer Charakter und Reihenfolge der Maßnahmen Mit dem qualitativen Charakter der Maßnahmen ist die Art und die Ausgestaltungsform der Direktkommunikation gemeint. Die Bandbreite unterschiedlicher Qualitäten reicht dabei von gering individualisierter schriftlicher bis zu individueller persönlicher Direktkommunikation. Welche Maßnahmenqualität innerhalb der Kontaktkette zu realisieren ist, hängt vom Stand der Informationen über die Zielgruppe, von deren Dialogverhalten, von den Wirkungsbedingungen einzelner Maßnahmen und den Wirkungsmustern bestimmter Kombinationsformen sowie von den unterschiedlichen Kosten ab. Die Interdependenz dieser Größen erschwert eine eindeutige bzw. grundsätzliche Bewertung möglicher Maßnahmen hinsichtlich ihrer Position in der Kontaktkette. Das tatsächliche Dialogverhalten muß deshalb auf jeder Stufe der Kontaktkette überprüft werden; erst dann entscheidet sich, welche der möglichen Folgemaßnahmen bzw. welche der vorangegangenen Maßnahmen eingesetzt werden. Für die Planung der Kontaktkette müssen deshalb Koordinations- und Steuerungsaufgaben bewältigt werden. Hierzu ist die Definition von Entscheidungskriterien für die Auswahl von Kommunikationsmaßnahmen zur Ansprache bestimmter Zielgruppen erforderlich. Sie lenken unter Berücksichtigung von Kosten- und Wirkungsaspekten den Einsatz qualitativ unterschiedlicher Maßnahmen. 151 1 5 2 153

Vgl. hierzu Böhler, 1991, S.451ff. Vgl. Achterholt, 1989, S.47ff. Vgl. z.B. Gruner + Jahr, 1990; Deutsche Shell AG, 1990. Eine zusammenfassende und exemplarische Darstellung der Befunde derartiger Studien zu den Lebensansprüchen und Interessenfeldern der Zielgruppe im Alter von 14 bis 18 Jahren findet sich bei Diller und Beba, 1988, S.7ff.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

115

Als eines dieser Kriterien kann der Grad der Entscheidungsreife des Adressaten gelten. Hiermit ist die Nähe der Zielperson zur Berufswahlentscheidung gemeint. Personen mit hoher Entscheidungsreife dürften über ein höheres Interesse an speziellen Unternehmens- und arbeitsplatzspezifischen Informationen und am Dialog mit dem Unternehmen verfugen. Das spezifische Interesse gilt als eine der wesentlichen empfangerspezifischen Bestimmungsgrößen der Kommunikationswirkung; 154 die Wirkungen der Direktkommunikation werden deshalb bei dieser Zielgruppe höher als bei entscheidungsferneren Personen ausfallen. Entscheidungsnahe Personen stellen deshalb eine besonders wichtige Zielgruppe dar, deren Bearbeitung eine hohe Qualität der Maßnahmen erfordert. Hinzu kommt, daß sich der potentielle Mitarbeiter in dieser Phase möglicherweise in einem Alteraativen-Bewertungsprozeß befindet, er also auch den Dialogmaßnahmen der Wettbewerber ausgesetzt ist. Auch aus diesem Grund sind an den qualitativen Charakter der Maßnahmen besonders hohe Anforderungen zu stellen. Als ein weiteres Kriterium kann der Grad der Adressatenbindung an das Unternehmen gelten, der u.a. von der Maßnahmen- und Reaktionshistorie des Adressaten bestimmt wird. Eine hohe Bindung der Zielgruppe schafft individualisierte und quasi-persönliche Beziehungen zum Unternehmen, was sich positiv auf den Kommunikationserfolg auswirkt. Bei dieser Gruppe können vor allem Formen der persönlichen Direktkommunikation ihre besonderen Wirkungen entfalten. Desweiteren läßt sich die Adressatenqualität bzw. der Mitarbeiterwert als Entscheidungskriterium heranziehen. Hierunter ist der Wert des potentiellen Mitarbeiters fur das Unternehmens z.B. hinsichtlich der Bedarfssituation oder bestimmter Qualifikationen des Mitarbeiters, zu verstehen. Ein hoher Wert des potentiellen Mitarbeiters rechtfertigt qualitativ hochwertige und damit meist auch kostenintensive Dialogformen. 155 Die aufgeführten Kriterien stellen Lenkungsgrößen für die Verwendung von Mitteln dar. Die Verknüpfung dieser Kriterien unter Hinzuziehung eines "Entscheidungsmodells" setzt allerdings die Formulierung von Gewichtsfaktoren für die Kriterien voraus. Sie hängen in erster Linie von unternehmensspezifischen Bedingungen ab und werden deshalb hier nicht näher diskutiert. Für die Reihenfolge der Kontaktketten-Maßnahmen sind zwei wesentliche Aspekte von Bedeutung. Zum einen ist der Verlauf der Kontaktkette charakteristischerweise von einer zunehmenden Individualisierung der Ansprache1 5 4

Vgl. Kroeber-Riel, 1990, S.635ff.

155

Vgl. Tangermann, 1989, S.185.

116

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

formen gekennzeichnet, um eine stärkere Zielgruppenbindung zu erreichen. 156 Desweiteren richtet sich der Anordnungsprozeß der Maßnahmen an der Erzielung größtmöglicher Synergien aus. Diese Wirkungseffekte entstehen, wenn die Gesamtwirkungen der Kontaktkette größer als die Summe der Einzelwirkungen jeder Maßnahme sind. Jede Maßnahme verfugt über ein spezifisches Wirkungspotential, das im Rahmen der Kontaktkette allerdings mit anderen, bereits zeitlich vorher eingesetzten Maßnahmen, vernetzt ist. Hierdurch wird auch das Wirkungspotential von Folgemaßnahmen beeinflußt; unterschiedliche Kombinationen ergeben deshalb unterschiedliche Gesamtwirkungen. Die Auswahl und die Anordnung von Kommunikationsformen muß sich deshalb nach den mutmaßlichen Wirkungen, unter Berücksichtigung größtmöglicher Verstärkungs- und Synergieeffekte der gesamten Kontaktkette richten. Grundsätzlich können Verstärkungs- und Synergieeffekte erreicht werden, indem - die Zielgruppe über verschiedene Informationskanäle angesprochen wird, - ein Wechsel des Mediums zur Erzielung eines höheren Aufmerksamkeitswertes vorgenommen wird, - Medien kombiniert werden, um die Zielgruppe hierdurch stärker zu aktivieren, - Streuverluste bei einzelnen Medien durch den Einsatz weiterer Medien kompensiert werden. 157 Synergieeffekte entstehen auch dadurch, daß im Wege des Dialogs über mehrere Stufen Selektionseffekte erzielt werden, d.h. die anonyme Zielgruppe auf einige wichtige Zielgruppen verdichtet wird. 1 5 8 Unter der zunehmenden Individualisierung des Dialogs ist zu verstehen, daß der Persönlichkeitsgrad der Ansprache steigt. Den stärksten Individualisiertheitsgrad weist die persönliche Kommunikation auf. Sie stellt ein besonders wichtiges Glied der Kontaktkette dar, zu dem alle anderen Maßnahmen

1 5 6 1 5 7

Vgl. Ernd, 1991, S.252 und 262; Töpfer, 1990, S.52; Kreutzer und Ernd S.612.

Vgl. Töpfer, 1990, S.51. 1 5 8 Synergien bestimmter Kombinationsformen sind letzlich auch unter Berücksichtigung der jeweils entstehenden Kosten zu bewerten. Hierauf kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht eingegangen werden. Vgl. hierzu Hölscher, 1991, S.535ff.; Lehr, 1991, S.495ff.; Wißmann, 1991, S.545ff.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

117

hinfuhren sollen. 159 Innerhalb der Kontaktkette kommen ihr informationsgewinnende Aufgaben (Informationen über Präferenzen potentieller Mitarbeiter und über entscheidungsbeeinflussende Personen des Umfeldes), kontaktaufbauende und -fordernde Maßnahmen (Führung von Kontakt- und Informationsgesprächen sowie von Betreuungs- und Entscheidungsgesprächen) und einstellungs- bzw. imagebildende Funktionen zu. Die Integration in die Kontaktkette ist deshalb eine wesentliche Aufgabe. Die Aktivitäten der nichtpersönlichen Direktkommunikation substituieren nicht die persönliche Kommunikation, sondern unterstützen sie lediglich und schaffen Rahmenbedingungen, unter denen die persönliche Kommunikation ihr Wirkungspotential entfalten kann und auch unter Kostenaspekten eine effiziente Kommunikationsform darstellt. Sowohl aus Kosten-, aber auch aus Gründen der Akzeptanz beim Empfänger, ist die individuelle persönliche Kommunikation in nachgelagerten Phasen der Kontaktkette anzusiedeln. Vor allem bei mittel- und langfristigen Entscheidungen, wie es für die Berufswahl kennzeichnend ist, sind frühzeitige individuelle persönliche Kontakte weniger erfolgversprechend. 160 Bei verfrühter Initiierung persönlicher Kontakte besteht die Gefahr des "Überspringens" einzelner Phasen des Entscheidungsprozesses.161 Als verhaltenswissenschaftliches Argument ist anzuführen, daß die für den Kommunikationserfolg bedeutsamen Kommunikatoreigenschaften wie Glaubwürdigkeit und Attraktivität erst nach mehrmaligem Kontakt zur Wirkung gebracht werden können. Vertrauenswürdigkeit und Attraktivität des Kommunikators als wichtige Bestimmungsgrößen seiner Glaubwürdigkeit entstehen erst bei einer emotionalen Hinwendung des Adressaten. 162 Treten beispielsweise durch den unerwarteten Kontakt mit einem persönlichen Kommunikator affektive Abneigungen bzw. Ablehnungen auf, so reduziert sich die Erinnerungs- und Überzeugungswirkung in hohem Maße. 1 6 3 Desweiteren kann persönliche Kommunikation erst in einer fortgeschrittenen Stufe des Entscheidungsprozesses besondere Beeinflussungswirkungen entfalten; 1 6 4 gegenüber nichtpersönlicher Kommunikation liegen die Vorteile weniger in der Aktualisierung bzw. in der Informationsvermittlung, sondern in der

159

Vgl. Ernd, 1991, S.250. Vgl. hierzu Ernd, 1991, S.264; Köhler, 1991, S.169; Wronka, 1991, S.102; Töpfer, 1990, S.23, S.35 und S.51f.; Greff, 1991, S.297. 161 Vgl. Ernd, 1991, S.261. 1 6 0

1 6 2

Ernd, 1991, S.266; Köhler, 1991, S.160.

163

Köhler, 1991, S. 161.

1 6 4

Vgl. die Ausführungen in Abschn. 3.3 und Köhler, 1991, S.157.

118

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Beeinflussung von Einstellungen und Verhaltensweisen. 165 Dies wird allerdings erst dann der Fall sein, wenn ein ausreichendes Maß an Interesse bzw. an Involviertheit und ein bestimmter Informationsstand des Empfangers vorhanden i s t . 1 6 6 Ferner zeigen empirische Ergebnisse zur persönlichen Kommunikation, daß neben einem ausreichenden Interesse vor allem Präferenzkonflikte, die zur Wahrnehmung von Entscheidungsrisiken fuhren, als Rahmenbedingungen fur die Wirkung persönlicher Kommunikation von Bedeutung sind. 1 6 7 Letztere treten aber erst in fortgeschritteneren Entscheidungsphasen auf. Vorgeschaltete Dialogformen müssen deshalb jenes Maß an Bindung schaffen, die den Einsatz persönlicher Kommunikation erfolgreich erscheinen lassen. Von besonderer Bedeutung ist deshalb die Kontaktaufhahme als erste Phase des Dialogs. 4.4.4. Die Dialoginitialisierung Primäres Ziel in dieser Phase ist es, den kommunikativen Kontakt herzustellen und Voraussetzungen fur den Dialog zu schaffen. Hierzu muß das Kontaktangebot zunächst einer breiten Zielgruppe präsentiert werden. Aufgrund der Kostenentwicklung bietet die Akquisition von neuen Zielgruppen über Massenmedien Vorteile. 168 Den Beginn eines individualisierten Dialogs kann eine Response-Anzeige darstellen, sofern interne und externe Adreßakquisitionen nicht oder in nicht ausreichendem Maße den erforderlichen Datenpool ausstatten können. 169 Besteht allerdings eine ausreichende Adreßbasis über potentielle Zielgruppen, so erscheint auch der Direktbrief als dialoginitialisierende Kontaktform sinnvoll. Response-Anzeigen sind als massenkommunikatives Instrument gleichzeitig Teil der Corporate Communication; ihnen kommt gleichsam die Aufgabe der Imagebildung bzw. Unternehmenspositionierung zu; neben der Gewinnung von Informationen über die

165

Meffert, 1979, S.50ff.; Katz, 1983, S.43ff.; Kroeber-Riel, 1990, S.530. Vgl. King und Summers, 1967, S.249; Kroeber-Riel, 1990, S.377ff. und S.534. 1 6 7 Katz, 1983, S.79f.; Gemünden, 1985, S.303ff. Vgl. auch Brüne, 1985, S.23 und die dort zitierte Literatur. 166

168

Mayer und Middeke, 1991, S.356.

1 6 9

Vgl. Dallmer, 1991, S.3 sowie Kreutzer und Ernd, 1991, S.614.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

119

Zielgruppe dient die Response-Anzeige gleichzeitig der Messung des Erfolgs des eingesetzten Werbeträgers. 170 Neben den Response-Anzeigen können auch mit Responseelementen ausgestattete TV-Spots zur Kontaktakquisition eingesetzt werden. 171 Die Rückkopplungsmechanismen schaffen günstige Voraussetzungen für den Dialogaufbau; vor allem die sog. Incentive-Technik, bei der Adressaten bestimmte Anreize wie Zugaben, kleine Geschenke u.ä. angeboten werden, kann Adressaten besonders involvieren und zur Reaktion auffordern. 172 Für den Einsatz von Response-Anzeigen bzw. Response-Spots müssen Entscheidungen über die Auswahl der zu belegenden Werbeträger getroffen werden. Welche dieser Werbemittel letztlich ausgewählt werden, hängt von den Ergebnissen der Mediaplanung, die auf der Grundlage von Inter- und Intramediavergleichen durchgeführt wird, ab. Im wesentlichen spielen hierfür Aspekte des Mediennutzungsverhaltens der Zielgruppe eine Rolle. 1 7 3 In einer Untersuchung von American Express beeinflußt die kreative Gestaltung des Responseträgers nur zu 10% den Response; je 20% werden von dem richtigen Timing und der Angebotsform, sogar 50% von der richtigen Auswahl der Zielgruppe (die mit dem Werbeträger angesprochen wird) beeinflußt. 174 Als weitere Formen zur Dialoginitialisierung bieten sich Austellungen und Messen an, bei denen die Zielgruppe möglicherweise überdurchschnittlich vertreten ist. Auf Messen verteilte Broschüren mit Responseelementen, Gewinnspiele oder auch Gespräche mit dem Messestand-Personal können zur Dialoginitialisierung genutzt werden.

1 7 0

171 1 7 2 173

Über die Response-Anzeige können - neben der Adresse - erste Zusatzinformationen gewonnen werden, die zur Segmentierung herangezogen werden können. Response-Anzeigen können als Coupon-Anzeige, als Postkarten-Anzeige, als Anzeige mit aufgeklebter Antwortkarte, als Anzeige in Kennziffer-Zeitschriften oder als Sammelanzeige ausgestaltet werden, vgl. Jaeckel, 1988, S.48f. Als Responseelemente dienen Coupons, Coupon-Antwortkarten (aufgeklebt, beigeklebt oder beigeheftet) oder Telefonnummern. In der Praxis haben ResponseAnzeigen vor allem in Special-Interest-Titeln hohe Bedeutung. Befunden zufolge lassen sich in Special-Interest-Zeitschriften aufgrund der eng definierten Segmente und der dadurch zu erwartenden geringeren Streuverluste höhere Responsequoten erzielen. Vgl. Kreutzer und Ernd, 1991, S.614. Vgl. Scheffer, 1991, S.320ff. Vgl. Dallmer, 1979, S.100 und 135.

Hierauf soll nicht weiter eingegangen werden. Eine auf die Nachwuchs Werbung der Bundeswehr bezogene exemplarische Analyse des Medienverhaltens sowie die Darstellung von beispielhaften Mediaplanungsergebnissen findet sich bei Diller und Beba, 1988, S.17ff. 1 7 4 Mayer und Middeke, 1991, S.355.

120

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

4.4.5. Die Dialogfortpflaiizung Ein besonderer Stellenwert kommt dem Folgekontakt mit einem individualisierten Medium zu. Die Dialogfortpflanzung dient dabei gleichermaßen der Aufrechterhaltung des kommunikativen Kontakts wie auch der Ermittlung der "Bedarfssituation" des Interessenten. Den Folgemedien kommt deshalb die Aufgabe zu, Informationen zur Qualifizierung der Interessentengruppe zu beschaffen, anhand derer im Database-Management Segmentierungen der Zielgruppen vorgenommen werden können. Erst dann können differenzierte Instrumente zur individuellen Berücksichtigung der heterogen strukturierten Bedürfnisse der Zielgruppen eingesetzt werden. Der Brief als das klassische Direktwerbemedium setzt namentlich bekannte Kontaktpartner voraus. Er bietet den Vorteil, den Adressaten persönlich anzusprechen und ermöglicht es, Individualisierungselemente zu integrieren, um auf die spezifische Interessensituation des potentiellen Mitarbeiters einzugehen. Da die verfugbaren Daten über die Zielgruppe meist noch keine erschöpfende Segmentierung zulassen, kommt dem Medium auch eine wichtige Informationsgewinnungsfunktion zu. Desweiteren kommt der Maßnahme eine aufmerksamkeits- und interesseweckende Funktion zu, die vor allem die Aufrechterhaltung des Dialogs gewährleisten soll. Bei der Ausgestaltung ist zu berücksichtigen, daß die Einbindung von informationsgewinnenden Responseelementen Einfluß auf das Kontakt- bzw. RücklaufVerhalten nehmen kann. 1 7 5 Werden zu viele Informationen abverlangt, so kann beim Empfänger Reaktanz entstehen, die als Filter wirkt und zum Abbruch der Kommunikation führen kann. 1 7 6 An die Ausgestaltung des Mailings sind hohe Anforderungen zu stellen. Die vom Kommunikator gedachte Reihenfolge der aufgenommenen Informationen muß möglichst genau an die vom Empfänger tatsächlich erlebte bzw. wahrgenommene Reihenfolge angepaßt werden. Für eine entsprechende Gestaltung von visuellen und textlichen Elementen muß auf den natürlichen Blickverlauf des Empfängers Bezug genommen werden. Ein derart optimiertes Mailing

175 176

Kreutzer und Ernd, 1991, S.613. Eine Filterwirkung kann jedoch dann sinnvoll sein, wenn nur an qualitativ hochwertigen Kontakten Interesse besteht. Dann werden schon auf dieser Stufe relativ detaillierte Informationen abgefragt, die nur der ernsthaft Interessierte zu geben bereit ist. Vor allem um Kontaktabbrüche zu vermeiden, ist in dieser noch frühen Phase der Kontaktkette auf vom Adressaten nicht geforderte persönliche mündliche oder auch fernmündliche (telefonische) Folgekontakte zu verzichten. Schriftliche Kontakte müssen allerdings einen hohen Individualisiertheitscharakter vermitteln.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

121

bildet die Voraussetzung fur das Entstehen einer dialogähnlichen Auseinandersetzung des Empfangers mit dem Mailing. 1 7 7 Schriftliche Kommunikationsformen bieten vielfaltige Gestaltungsmöglichkeiten, um in einem gestaffelten, sequentiellen Einsatz eine zunehmende Individualisierung des Dialogs zu bewirken. Der Dialog über mehrere schriftliche Stufen weist den Vorteil auf, daß zu vertretbaren Kosten der Umfang der Informationen über die Zielgruppe wächst und hierdurch Selektionseffekte erzielt werden, die die Differenzierung bzw. Verdichtung der Zielgruppe zulassen. So kann mit sog. programmierten Aussendungen (Mailings, die zu bestimmten Anlässen bzw. Zeitpunkten, wie Geburtstagen, Einladungsterminen u.ä. an die Adressaten verschickt werden) ein individueller Charakter der schriftlichen Direktkommunikation erzielt werden. 178 Zur Intensivierung des Dialogs auf schriftlicher Ebene bieten sich Informationsbroschüren oder "Kunden"-Zeitschriften an. Gerade für die PersonalMarketing-Kommunikation stellt sich das Problem, komplexe und umfangreiche Informationen über das Unternehmen dem potentiellen Mitarbeiter zu vermitteln. Informationsbroschüren und auch spezielle Kunden-Zeitschriften dienen der Präsentation relevanter, fachlicher und nicht-fachlicher Informationen in einer attraktiven Form. Zum einen stellen sie wichtige Informationsträger dar, zum anderen übernehmen sie Aufgaben der Imagepositionierung des Unternehmens, die durch das redaktionelle Umfeld gesteuert werden können. 179 Durch inhaltliche Ausrichtung des redaktionellen Umfeldes auf die jeweilige Interessen- und Bedarfsstruktur der einzelnen Zielgruppen kann mit diesen Kommunikationsmitteln ein relativ hohes Individualisierungsniveau erreicht werden. Die Individualisierung läßt sich auch über bestimmte begleitende Instrumente, sog. Identity Products, erzielen. Hierunter sind individuell ausgerichtete Produkte zu verstehen, die der jeweiligen Zielperson das Gefühl besonderer Wertschätzung durch das Unternehmen verleihen, wie es vor allem für Kunden- oder Club-Karten g i l t . 1 8 0 Club-Karten, wie die IKEA-Familiy-Card, Karten des Club Best Hotels of the World, Bertelsmann-Buchclub-Card u.a. sind mit vielfältigen zusätzlichen Leistungen angereichert; sie dienen

1 7 7

Zur Optimierung von Mailings hat sich die Messung von Blickverläufen bzw. die Blickregistrierung bewährt, vgl. Vögele, 1991, S.180. 178 Ernd, 1991, S.264.

179 1 8 0

Ernd, 1991. S.266. Vgl. die ausführlichen Darlegungen zu möglichen Varianten bei Wolff & Wolff, 1989, S,12ff.

122

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

gleichermaßen zur Informationsgewinnung und zur langfristigen Dialogfuhrung und Kundenbindung.181 Messen und Ausstellungen stellen Kontaktformen dar, die in fortgeschritteneren Phasen der Kontaktkette zur Anwendung kommen können. 182 Anhand der Profildaten kann bspw. ermittelt werden, ob bestimmte Ausstellungen den Interessen des Adressaten entsprechen. Die Einladung zu einer derartigen Veranstaltung soll einen persönlichen Kontakt zum Adressaten herbeifuhren. Besondere Bedeutung kommt der individualisierten Vorbereitung zu. Sowohl unter Kostengesichtspunkten als auch hinsichtlich der Eigenschaft, die Bindung der Zielgruppen zum Unternehmen zu erhöhen, kommt dem fernmündlichen Gespräch hohe Bedeutung in der Weiterfuhrung des Dialogs z u . 1 8 3 Aufgrund neuer technischer Möglichkeiten (Computereinsatz bei automatischen Wahlsystemen, Sprachspeichersysteme, Anrufverteilsysteme) hat das "Telefonmarketing" einen enormen Aufschwung genommen. 184 Das Telefongespräch fuhrt zu einer Qualifikation des Kontakts, da es - als quasipersönliche Direktkommunikation - schneller und flexibler auf spezielle Wünsche des potentiellen Mitarbeiters reagieren kann. 1 8 5 Hinsichtlich der Responsewirkungen scheint Untersuchungen zufolge der Telefonanruf wirksamer als die Antwortkarte einer Response-Anzeige zu sein. 1 8 6 Die Bandbreite der Einsatzzwecke des telefonischen Kontakts reicht von der Informationsabfrage und der Marktforschung über die Beratung und den Service bis zur Entscheidung.187 Besser als die meisten anderen Kommunikationsformen eignet es sich aufgrund der individuellen Gestaltung des Kontakts zur Aus-

181

Kreutzer und Ernd, 1991, S.621. So können bestimmte Zielgruppen, zu denen bereits ein Kontakt besteht, zu Ausstellungen und Messen, bei denen das Unternehmen präsent ist, eingeladen werden. Ziel ist es dann, mittels persönlicher Gespräche den bestehenden Kontakt zu intensivieren und die Voraussetzung für Folgemaßnahmen zu schaffen (z.B. in Form von Follow-up-Mailings mit spezifischen Informationen, Einladungen zu Unternehmensbesuchen oder sogar zu Einzelgesprächen). Vgl. zum Direktmarketing im Veranstaltungswesen Fuhrberg, 1991, S.273ff. 183 Töpfer, 1990, S.51; Greff, 1991, S.290f. 1 8 4 Greff, 1991, S.291ff. Schätzungen zufolge kostet der Telefonkontakt nur 10% des persönlichen Besuchs. Ders., S.295. 185 Ein Vergleich der Kontaktkombinationen Coupon-Anzeige - Mailing und CouponAnzeige - Telefongespräch im Zubehörvertrieb bei IBM gegenüber Endverbrauchern ergab, daß der Telefonanruf nach eingegangenem Coupon gegenüber dem Mailing zu höheren Kontaktquoten und höheren Abschlüssen führte. Greff, 1991, S.298f. 1 8 2

1 8 6

Duhre, 1991, S.308f.

1 8 7

Schefer, 1991a, S.319.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

123

Weitung des Dialogs und zur Vorbereitung des persönlichen Gesprächs, 188 da mit dem Telefongespräch vorhandene Bindungen emotional verstärkt werden können. 189 In aller Regel setzt das aktive Telefongespräch allerdings einen schriftlichen Kontakt voraus. 190 Prinzipiell sprechen dieselben Gründe, wie sie bei der persönlichen Kommunikation angeführt wurden, gegen eine frühzeitige Aufnahme des telefonischen Kontakts. Dem aktiven Telefonmarketing sind außerdem enge rechtliche Grenzen gesetzt. 191 Zur Dialogführung, aber auch zur Dialoginitialisierung, eignen sich die neuen elektronischen Medien. Das Btx-System eignet sich aufgrund geringer Teilnehmerzahlen nur sehr beschränkt für die Dialogführung, allerdings kommt dem Telefax und vor allem dem Mailbox-bzw. DATEL-System eine wachsende Bedeutung als Instrument der Direktkommunikation z u . 1 9 2 Sie ermöglichen die direkte, zeitlich nicht versetzte Dialogfähigkeit im Rahmen der Zwei-Weg-Kommunikation und damit spontane individuelle Reaktionen. Für den Dialog mit der Zielgruppe sind elektronische Systeme besonders erfolgversprechend, da sie eine hohe Interaktionsfähigkeit und eine hohe Individualisierbarkeit aufweisen. Für das Personal-Marketing sind diese Medien deshalb besonders bedeutsam, weil komplexe Informationen über das Unternehmen dem besonders Interessierten schnell zugänglich gemacht werden können. Da der Adressat den Informationsfluß und die Informationsgeschwindigkeit selbst bestimmen kann, ist die Chance, daß die Informatio188

Ders., 1991a, S.319 und Duhre, 1991, S.314f.

1 8 9

Die Sensibilität dieses Instruments erfordert eine besonders professionelle Handhabung. So ist insbesondere auf die Schulung der telefonisch aktiven Mitarbeiter Wert zu legen; Duhre, 1991, S.315. 1 9 0 Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Diskussion um das aktive Telefonmarketing, d.h. der unverlangten fernmündlichen Kontaktaufnahme durch den Kommunikator. Empirischen Befunden zufolge fühlen sich die meisten befragten Adressaten durch unerwartete bzw. unverlangte Telefonanrufe "bedrängt" und "belästigt". Deutsche Bundespost, 1986, S.llff. Wenngleich es sich in erster Linie um Telefonanrufe zwecks Angebot von Produkten und Dienstleistungen handelte, scheint eine Übertragung auf das Personal-Marketing zulässig, da es sich beim Telefonanruf generell um ein möglicherweise ungebetenes Eindringen in die Intimsphäre handelt. 191

Nach einem Urteil des BGH von 1990 ist die Telefonwerbung "nur dann zulässig, wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich oder stillschweigend sein Einverständnis erklärt hat". Wronka, 1991, S.93. Das Hauptargument lautet, daß der Einzelne sich dem Eindringen in die Privatsphäre nicht ohne weiteres entziehen kann und zunächst zu einer Reaktion gezwungen sei. Ders., S.94.

1 9 2

Schefer, 1991a, S.321ff. Mit Mailbox-System wird die elektronische Datenübermittlung über eine technische Verbindung (Telefonnetz) zwischen privaten Personalcomputern und gewerblichen Datenbanken bezeichnet. Sowohl Empfanger als auch Sender können Nachrichten in der elektronischen Mailbox "hinterlassen".

124

C. Ansatzpunkte fur Kommunikationsstrategien

nen verarbeitet werden, besonders hoch. Gerade bei jüngeren Adressaten dürften aufgrund ihres Technikverständnisses und -Interesses computergestützte Systeme auf hohe Akzeptanz stoßen. 193 Vorraussetzung für diese Form des Dialogs ist allerdings die Verfügbarkeit eines Personalcomputers und eines Sprach-Daten-Modems bei dem Adressaten. 4.4.6. Der zeitliche Abstand zwischen den Maßnahmen Welcher zeitliche Abstand zwischen den Maßnahmen der Kontaktkette einzuhalten ist, hängt zum einen von der Intensität ab, mit der ein Adressat über die gesamte Kontaktphase betreut werden soll. 1 9 4 Bei tief gestaffelten, d.h. stark differenzierten Kontaktketten ist der zeitliche Abstand zu strecken, damit möglichen Reaktanzwirkungen aufgrund überhöhter Kontaktintensität vorgebeugt wird. Demgegenüber muß in entscheidungsnahen Phasen der Dialog mit der Zielgruppe intensiviert werden, damit sich das Unternehmen gegenüber Wettbewerbern, die in das "relevant set" des potentiellen Mitarbeiters rücken, behaupten kann. In entscheidungsnahen Phasen treten beim potentiellen Mitarbeiter verstärkt Dissonanzen auf, die er durch selektives Informationsverhalten oder durch Änderung der Kognitionen über die Berufsalternativen zu reduzieren versucht. 195 Damit sich diese Reaktionsweisen nicht negativ auf das bereits aufgebaute Imagepotential des Unternehmens auswirken, müssen die Dialogaktivitäten in dieser Phase verstärkt werden, um eine Höherbewertung des eigenen bzw. eine Geringerbewertung des Attraktivitätspotentials bzw. von Informationen der Wettbewerber zu bewirken. In den übrigen Kontaktphasen sollte eine gleichmäßige Kontaktfrequenz 196 erreicht werden, um dem Adressaten den Eindruck der Kontinuität zu vermitteln. 4.5. Ausgestaltungsformen

der Kontaktkette

In der Direktmarketing-Praxis werden die Reihenfolgen Response-Anzeige (bzw. Response-Spot) - Telefongespräch, Mailing - Telefongespräch, Mailing - Mailing - Telefongespräch mit anschließendem weiteren schriftlichen

193

In der Nachwuchswerbung der Bundeswehr werden "Einweg"-Mailbox-Systeme eingesetzt. 1987 wurden ca. 21000 Mailbox-Informationen abgerufen; 4200 Teilnehmer traten in einen weiterführenden Dialog, vgl. Diller und Beba, 1988, S.48.

1 9 4

In der Praxis des Direktmarketing bewegen sich die Einzelanstöße zwischen vier Wochen und drei Monaten. Vgl. Mayer und Middeke, 1991, S.354f. 195 vgl. z u r Wirkung von Dissonanzen die Ausführungen in Abschn.3.3. 1 9 6

Über mehrere Zeitintervalle hinweg fuhren kontinuierliche Kontakte zu insgesamt höheren Response-Werten, vgl. Ernd, 1991, S.271.

. Direktkommunikation im Personal-Marketing

125

Kontakt als besonders erfolgversprechend angesehen.197 Als wirksam haben sich auch die Dialogformen Response-Anzeige/Mailing - Individual-Mailing Telefongespräch - persönliche Kommunikation erwiesen. 198 Im Rahmen der Corporate-Identity-Politik eines Pharma-Unteraehmens wurde eine Kontaktkette entwickelt, die den Verlauf Response-Anzeige/Response-TV-Spot Telefongespräch/Mailing - Mailing und Informationsbroschüre aufwies. 199 Selbst bei den klassischen Medienunternehmen finden sich Beispiele für Kontaktketten. 200 Zeitschriftenverlage versuchen Kontaktketten aufzubauen, die sowohl auf Abonnentengewinnung als auch auf die Erhöhung der LeserBlatt-Bindung bei bisherigen Abonnenten zielen. 201 Über die Kontaktfolge (eigene) Response-Anzeigen/Beihefter - Preisauschreiben/Aktionen - Mailings - zusätzliche Dienste 202 - Telefongespräch - Club-Mitgliedschaften ("CapitalClub") konnte das Abonnentengeschäft wirksam verbessert werden. Es lassen sich viele weitere Beispiele für die Ausgestaltung von Kontaktketten in der Praxis finden. Wenngleich sich auch Anhaltspunkte für die Wirksamkeit bzw. die Effizienz bestimmter Kombinationsmöglichkeiten ergeben, so ist eine Generalisierbarkeit jedoch nur eingeschränkt möglich. 203 Bei den meisten als besonders synergieträchtig dargestellten Kombinationsformen 1 9 7

Greff, 1991, S. 298. Die technische Weiterentwicklung der Telekommunikation, insbesondere der Aufbau des Breitbandkommunikationsnetzes ISDN, wird zukünftig neue Möglichkeiten schaffen. Neben der Identifizierung des Anrufers über die Telefonnummer wird es möglich sein, Sprache, Text, Bild und Grafik mit hoher Geschwindigkeit zu übertragen. Mit der Entwicklung des Bildtelefons kommt man der Face-to-Face-Kommunikation bereits sehr nahe. Vgl. Greff, 1991, S.302.

198

Kreutzer und Ernd, 1991, S.612. Vogt, 1991, S.769ff. Ein interessantes Konzept praktiziert auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Sie entwickelte ein differenziertes Kontaktkonzept zur Gewinnung und zur Ansprache von den drei wichtigen Zielgruppen Interessenten, Spender und Förderer. Über Response-Anzeigen in Zeitschriften und Telefax-Mailings an Unternehmen werden Kontakte akquiriert. Je nach Zielgruppe folgten regelmäßige Anschreiben, Zusendung von Informationsbroschüren und Spendenaufrufe. Die wichtige Fördererzielgruppe wird regelmäßig zu umweltthematischen Veranstaltungen von Greenpeace oder anderen Organisationen eingeladen. Förderer, die eine hohe Bindung zu Greenpeace erlangt haben, wurden durch individuellen, persönlichen Kontakt betreut. Meyer, 1991, S.843ff. 0 BuchVerlage praktizieren vor allem das Dialoginstrument Buchclub. Über die Kontaktkette Response-Anzeige/Beilage - Mailing - Angebots-mailing/Broschüre Telefongespräch werden erfolgreich Clubmitglieder gewonnen. Vgl. Wissnet, 1991, S.811ff.

199

2 0

2 0 1

Schüller, 1991, S.824ff. Dies sind besondere redaktionelle Leistungen in Mailingform wie z.B. "Capital Persönlich" und "Capital Vertraulich", ders., S.829. 2 0 3 Vgl. Schefer, 1991a, S.328f. 2 0 2

126

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

fehlen quantifizierbare Indikatoren, die eine Übertragung auf andere Anwendungsfelder erlauben könnten. 204 Die Bildung von Kontaktketten in der Praxis folgt dabei einem trial-and-error-Prozeß, der möglicherweise nur suboptimale Lösungen beinhaltet. Der Mangel an verhaltenswissenschaftlichen Befunden läßt deshalb nur eingeschränkte Aussagen über die Wirkung von Kontaktketten zu. Für das Personal-Marketing erscheinen mehrere Formen einer Kontaktkette sinnvoll. Zur Dialoginitialisierung können - wie bereits ausgeführt Response-Anzeigen, Direct-Mailings oder Ausstellungen und Messen eingesetzt werden. Als zweite Dialogstufe eignen sich schriftliche Formen der Direktkommunikation, der im wesentlichen noch informationsgewinnende Funktionen zukommen. Abhängig vom Grad der Entscheidungsreife, vom Wert des potentiellen Mitarbeiters und vom bisherigen Dialog- bzw. Responseverhalten können entweder weitere differenzierte und stärker individualisierte schriftliche oder fernmündliche Dialogformen ausgewählt werden. Individuelle Kommunikationsformen stehen am Ende der Kontaktkette. Ein exemplarisches Modell für ein Kontaktketten-Konzept im PersonalMarketing ohne Anspruch auf Vollständigkeit enthält Abb.2. Es ist am Berufswahlprozeß bzw. an den Lebensphasen des einzelnen orientiert. Die Maßnahmendifferenzierung erfolgt anhand der Kriterien Bindungsstärke, Entscheidungsphase und Mitarbeiterwert. Je nach Adressatenreaktion können sich sehr unterschiedliche Kontaktketten ergeben. Als generelle Aussage kann gelten, daß der Dialog von einer zunehmenden Individualisierung der Ansprache gekennzeichnet ist und über verschiedene Medienkombinationen zum persönlichen "face-to-face"- Dialog hinführen soll. Während zu Beginn der Kontaktkette die Gewinnung von Informationen über die Zielgruppe im Vordergrund steht, kommt den nachfolgenden Maßnahmen als Hauptaufgabe die Verstärkung der Bindungen zur Zielgruppe und die Ausnutzung möglichst hoher Synergiepotentiale der Kontaktkette zu. Dabei bestehen vielfältige Möglichkeiten zur Kombination einzelner Direktkommunikations formen.

2 0 4

Fast alle Unternehmen bzw. Institutionen, in denen spezifische Formen von Kontaktketten eingesetzt werden, gewinnen Wirkungsgrößen aus ständigen Parallel-Tests. Hierbei werden Varianten einer bestimmten Kommunikationsmaßnahme in verschiedenen Untergruppen getestet. Unter Hinzuziehung von Kostengrößen gewinnt man so Aussagen über die Effizienz einzelner Kontaktformen. Vgl. Schefer, 1991a, S.322.

128

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Soll die Anordnung bzw. die Reihenfolge der Maßnahmen unter dem Ziel der Erlangung möglichst hoher Verstärkungs- und Synergieeffekte erfolgen, müssen Wirkungspotentiale einzelner Maßnahmen und Maßnahmenkombinationen ermittelt werden. Im folgenden soll deshalb auf eine mögliche Kontaktkette zur Personalgewinnung zurückgegriffen werden, deren Wirkung im Vergleich zu nichtkombinierten Maßnahmen der Direktkommunikation empirisch ermittelt werden soll. Dabei soll die bereits in Abschnitt C.II.2. behandelte Frage nach den Wirkungsunterschieden von persönlicher vs. nichtpersönlicher Direktkommunikation eine besondere Berücksichtigung finden. Für die empirische Untersuchung werden drei unterschiedliche Formen der Direktkommunikation, die für das Personal-Marketing als besonders geeignet angesehen werden können, ausgewählt. Ohne an dieser Stelle bereits näher auf die Untersuchungsanlage einzugehen, sollen sie im folgenden kurz charakterisiert werden. Die erste Kommunikationsform ist eine Informationsbroschüre mit dem Titel "Wegweiser durch die Bundeswehr". Sie stellt eine 30 Seiten umfassende, mit einem ca. 40% igen Text- und 60% igen Bild- bzw. Grafik-Anteil ausgestattete Publikation dar, die Informationen zu allen Tätigkeits- und Verwendungsfeldern sowie zu laufbahnbezogenen Entwicklungsmöglichkeiten bei der Bundeswehr enthält. Die Publikation wird spezifischen Empfängern, zu denen bereits ein individualisierter Kontakt besteht (z.B. aufgrund eines eingesandten Coupons, der in nahezu allen Print-Anzeigen der Bundeswehr enthalten ist), zugesandt.205 Insofern kann dieses Instrument als nicht-persönliche Direktkommunikation bezeichnet werden. In konzeptioneller Hinsicht stellt diese Publikation ein Folgeglied im Kontaktaufbau zur Zielgruppe dar. Der weitere Kontakt soll mit der in der Publikation dargebotenen Responsemöglichkeit (eingeklebte Antwortkarte zur Anforderung weiterer Informationen) geschaffen werden. In kommunikationspolitischer Hinsicht kommt den Publikationen eine interesseweckende und informierende Funktion zu. Das zweite Instrument ist ein sogenannter "Truppenbesuch". Direktkommunikationsinstrument mit persönlicher Ansprache werden. Truppenbesuche werden in erster Linie nicht von der werbung, sondern von den Organen der Öffentlichkeitsarbeit

2 0 5

Er kann als klassifiziert Nachwuchsim Rahmen

Der werblichen Kommunikation der Bundeswehr in klassischen Massenmedien kommt eine aufmerksamkeits- und sympathieweckende, und insbesondere kontaktakquirierende Funktion zu.

Π. Direktkommunikation im Personal-Marketing

129

dezentraler Aktivitäten durch "Jugendoffiziere" geplant bzw. organisiert, und von den zu besuchenden Truppenteilen eigenständig durchgeführt. 206 Im Rahmen eines meist vier- bis fünfstündigen Truppenbesuchs werden den Besuchern (in erster Linie handelt es sich hierbei um die Zielgruppe "Schüler") Örtlichkeiten, Ausrüstungsteile, Ausbildungstätigkeiten und Aufgabengebiete des jeweiligen Verbandes vorgestellt. Darüber hinaus haben die Besucher Gelegenheit, mit Soldaten unterschiedlicher Laufbahnen (Wehrpflichtige, Unteroffiziere und Offiziere) auch direkt Gespräche zu führ e n . 2 0 7 Truppenbesuche sind vergleichbar mit Betriebs- bzw. Werksbesichtigungen. Wenngleich auch ein direkter persönlicher Kontakt besteht, kann die Kommunikationssituation nur als eingeschränkt dialoghaft (im Vergleich zu persönlicher "face-to-face"-Kommunikation zwischen zwei Gesprächspartnern) bezeichnet werden, da der inhaltliche Ablauf überwiegend auf das Vorführen der einzelnen Elemente ausgerichtet ist. In konzeptioneller Hinsicht kommt den Truppenbesuchen eine kontaktaufbauende und kontaktverstärkende Funktion zu; im Rahmen des Phasenmodells werblicher Ansprache sollen zugleich eine das Interesse am Arbeitsfeld Bundeswehr weckende und eine entscheidungsvorbereitende Funktion übernehmen. Die dritte Direktkommunikationsform stellt eine Maßnahmenkombination im Sinne einer Kontaktkette dar. Sie beinhaltet einen Truppenbesuch mit anschließendem Besuch eines Jugendoffiziers in der Schule. 208 Dieses Kommunikationsinstrument stellt in beiden Bestandteilen Direktkommunikation mit persönlicher Ansprache dar, wobei die Persönlichkeit des Kontakts, die Dialoghaftigkeit und der Individualisiertheitsgrad des Kommu-

206

20

geringe zentrale Kontrolle der Ν achwuchs Werbung über das Kommunikationsinstrument "Truppenbesuch" stellt ein entscheidendes Hemmnis für den Aufbau eines kontinuierlichen Dialoges mit der Zielgruppe dar. Hier spielen insbesondere funktionale und hierarchisch-organistorische Probleme eine Rolle, vgl. Diller und Beba, 1988, S. 29ff.

^ In der vorliegenden Untersuchung wurde ein bestimmter Truppenteil ausgewählt, dem alle Probanden des Treatments "Truppenbesuch" zugeordnet wurden. Hierfür war insbesondere die Zielsetzung der Vergleichbarkeit maßgeblich. Der Truppenteil ist ein "Panzerartillerie"-Verband; diese Truppengattung wird am häufigsten besucht.

2 0 8

Jugendoffiziere sind speziell für den Dialog mit der Öffentlichkeit ausgebildete Public Relations-Agenten, deren Aufgabe es ist, mit möglichst vielen Zielgruppen der Öffentlichkeitsarbeit und der Nachwuchswerbung der Bundeswehr in Kontakt zu kommen.

9 Beba

130

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

nikationsinstruments "Jugendoffizier" auf deutlich höherem Niveau als bei den " Nur-Truppenbesuchen " anzusiedeln ist. In konzeptioneller Hinsicht stellt dieses Kommunikationsinstrument insofern eine in sich geschlossene Kontaktkette dar, da der Einsatz des Jugendoffiziers auf dem Truppenbesuch aufbaut. Dem Jugendoffizier kommt dabei die Aufgabe zu, möglicherweise beim Truppenbesuch entstandene Verunsicherungen abzubauen und so deutlich entscheidungsverstärkend zu wirken. Diese Kontaktkette zielt in kommunikationspolitischer Hinsicht auf die Verstärkung des Interesses am Berufsfeld und auf die Beeinflussung des Personalimages. Hauptziel ist die Schaffung von Präferenzen der Zielgruppe gegenüber dem Arbeitsplatz Bundeswehr. Die fur die Untersuchung ausgewählten Kommunikationsinstrumente stellen in sich geschlossene Formen der Direktkommunikation dar. Als Instrumentarium des Personal-Marketing ist diese Auswahl persönlicher und nichtpersönlicher Direktkommunikation sicherlich nicht erschöpfend, dennoch sind mit den dargestellten drei Kommunikationsformen wesentliche Instrumente ausgewählt worden. 209 Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurden als Probanden 15 bis 16jährige Schüler ausgewählt, die als Kernzielgruppe der Nachwuchswerbung gelten und üblicherweise den dargestellten Instrumenten ausgesetzt werden. 210 Im empirischen Teil soll geprüft werden, ob und in welchem Maße persönliche versus nichtpersönliche Direktkommunikation bzw. einphasige versus mehrphasige Formen (Kontaktketten) der Direktkommunikation effiziente Instrumente des Personal-Marketing darstellen. Dabei wird auschließlich auf das Wirkungspotential Bezug genommen. Hieraus können die in den Abschnitten D und E näher zu differenzierenden Basishypothesen bestimmt werden: (Hl)

Persönliche Direktkommunikation weist ein höheres Wirkungspotential als nicht-persönliche Direktkommunikation auf.

(H 2) Mehrphasige Direktkommunikation (Kontaktketten) weist (weisen) ein höheres Wirkungspotential als einphasige Direktkommunikation auf

2 0 9

2 1

Allerdings mußte insbesondere aus forschungsökonomischen Gründen auf die Einbeziehung weiterer Instrumente bzw. Kontaktketten-Kombinationen verzichtet werden. 0 Aus Gründen, die zur Ermittlung der Wirkungen interpersoneller Kommunikationsprozesse eine Rolle spielen, wurden die Schüler nicht einzeln, sondern in ihren jeweiligen Klassenverbänden dem Kommunikationseinfluß ausgesetzt. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 3.3.3 und 4.2.

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

131

I I I . Interpersonelle Kommunikation als werblicher Erfolgs- und Wirkungsfaktor Der Kommunikation mit Mitmenschen des persönlichen Umfeldes kommt oft eine in hohem Maße entscheidungsrelevante Bedeutung zu. 1 Anders als bei der Direktkommunikation entziehen sich diese Prozesse - zumindest bei vordergründiger Betrachtung - allerdings dem werblich steuernden Einfluß. Dennoch sollen im folgenden Ansatzpunkte fur die Nutzung sowie für die Integration der interpersonellen Kommunikation in ein Konzept der Direktkommunikation aufgezeigt werden. Die Ergebnisse der empirischen Überprüfung sollen der Beantwortung der Frage dienen, ob die Direktkommunikation bzw. das Kontaktketten-Konzept insbesondere hinsichtlich verstärkender Wirkungen der interpersonellen Kommunikation ein erfolgversprechendes Element einer Kommunikationsstrategie darstellt. In den nachfolgenden Ausführungen sollen - ausgehend von den unterschiedlichen Modellvorstellungen über die interpersonelle Kommunikation Wirkungsaspekte und -großen hergeleitet und hinsichtlich ihrer Relevanz für die Direktkommunikation geprüft werden. Ziel ist es, Aussagen über das relative Wirkungspotential von Direktkommunikation und interpersoneller Kommunikation - unter Berücksichtigung ihrer Vernetztheit - zu gewinnen. Neben der Isolierung der Wirkungsbeiträge wird im empirischen Teil die Ermittlung von verstärkenden Wirkungspotentialen werblicher bzw. Direktkommunikation hinsichtlich der interpersonellen Kommunikation eine zentrale Aufgabe sein. 1. Grundlagen und Abgrenzung der interpersonellen Kommunikation Bereits in den zwanziger Jahren wandten sich Sozialpsychologen dem Phänomen der Beeinflussung menschlichen Verhaltens zu, wobei zunächst nur die durch Massenmedien ausgelösten Wirkungen betrachtet wurden. 2 Erst in den vierziger Jahren entstand neben der dominierenden Massenkommunikationsforschung ein weiterer Forschungszweig, der sich der Wirkung von interpersoneller, also zwischenmenschlicher Komunikation widmete.3 In den soziologischen Ansätzen der Kommunikationswissenschaft wird das Individuum als Mitglied sozialer Gruppen dargestellt, das in ein Netz sozialer

1

Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.524.

2

Vgl. Petty und Cacioppo, 1986, S.3.

3

Erste Arbeiten leisteten u.a. Lewin, 1943 sowie Gaudet, 1948.

Lazarsfeld, Berelson und

132

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Interaktionen und Kommunikationsbeziehungen mit den Gruppenmitgliedern eingebunden ist. Zu den wichtigsten Bestimmungsgrößen interpersoneller bzw. zwischenmenschlicher Kommunikation gehört das Bedürfnis der Individuen nach sozialen Kontakten. Die persönliche Kommunikation ist sozusagen ein artgemäßes Verhalten; sie dient der Verständigung in der näheren sozialen Umwelt des Menschen.4 Darüber hinaus kommen hier die bereits an anderer Stelle dargestellten Kommunikationsbedingungen (Informationsüberlastung) und die Bedingungen gesättigter Märkte (nachlassendes Informationsinteresse und Versagen herkömmlicher K o m m u n i k a t i o n ) zum Tragen: In Gesprächen mit Freunden und Bekannten sind die Individuen aufgrund der Dialogfahigkeit stärker in die Kommunikationssituation involviert, als dies bei herkömmlicher werblicher Kommunikation der Fall ist. Interpersonelle Kommunikation entspricht deshalb dem Entlastungsstreben in der Informationsverarbeitung. 1.1. Begriffslegung

und Abgrenzung

Zwischenmenschliche Kommunikation kann als ein symmetrisch strukturierter, interaktiver Prozeß zwischen Individuen verstanden werden, der zur Verständigung zwischen Individuen, dem Austausch von Informationen und dem Ausdruck von Beziehungen dient.5 Im einzelnen umfaßt diese Begriffslegung die folgenden wesentlichen Charakteristika: (1) Interpersonelle Kommunikation vollzieht sich interaktiv, d.h. zwischen Empfanger und Kommunikator besteht die Möglichkeit der direkten Rückkopplung. Sie ist insofern flexibler als nichtpersönliche Kommunikationsformen, was zu größeren Wirkungen fuhren kann. Denn bei Unklarheiten oder Nichtverstehen der Information kann der Empfänger selbst aktiv werden (z.B. durch nachfragen) und so den Kommunikator zu einer stärker empfängerorientierten, individuellen Kommunikation veranlassen.6 (2) Interpersonelle Kommunikation ist mehrphasig und dialoghaft. Kommt es zu einem Dialog, so ist im allgemeinen von einer stärkeren Involviertheit des Empfangers als bei nicht-dialoghafter (nichtpersönlicher) Kommunikation auszugehen. Das "Nachfragen" des Empfängers kann als Indikator

4 5 6

Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.433. Vgl. Merten, 1977, S.49ff. Vgl. Kaas, 1973, S.54f.; Kroeber-Riel, 1984, S.527.

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

133

fur eine stärkere innere Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt und stärkere Situations-Eingebundenheit gewertet werden. (3) Innerhalb von Primärgruppen wirken Sanktions- und Konformitätsdruck auf das Individuum,7 die zur Anpassung an die Regeln seines sozialen Bezugssystems zwingen. (4) In persönlichen Beziehungen werden Mitmenschen emotional positiver beurteilt (z.B. aufgrund von Zuneigungen), sie werden deshalb meist attraktiver als nicht-persönliche K o m m u n i k a t o r e n eingeschätzt. (5) Treten Gruppenmitglieder als Kommunikatoren auf, so werden ihre Botschaften zumeist stärker beachtet bzw. angenommen, als dies bei nichtpersönlichen Kommunikatoren der Fall ist. Sie verfugen aufgrund der Vertrautheit, der - im Gegensatz zu unternehmensgesteuerten Kommunikatoren - mutmaßlichen geringeren Ziel- und Zweckgebundenheit in der Kommunikation und der vermuteten höheren Kompetenz bei den Mitmenschen über ein höheres Maß an Glaubwürdigkeit.8 Ihre Aussagen werden somit als verläßlicher gewertet. Die angeführten Charakteristika der interpersonellen Kommunikation sind im Rahmen soziologischer und sozialpsychologischer Forschung häufig theoretisch dargestellt und vielfältig empirisch untersucht und bestätigt worden. Gegenüber der persönlichen (Direkt-)Kommunikation liegt die Bedeutung der zwischenmenschlichen K o m m u n i k a t i o n insbesondere in der Ausübung von sozialem Einfluß und in dem hohen Maß an Reziprozität, also der Interaktion zwischen den Teilnehmern. Hierauf wird bei der Bestimmung der relevanten Konstrukte näher eingegangen. Interpersonelle Kommunikation kann nur zum Teil der Direkt- bzw. persönlichen Kommunikation zugeordnet werden, da sie grundsätzlich keine werbliche Kommunikation darstellt. Für marktrelevante Ereignisse (z.B. Berufsentscheidungen) ist aber nicht nur die Anbieter-Nachfrager-Kommunikation, sondern auch die Kommunikation zwischen den Konsumenten von Bedeutung. Häufig kommt es nämlich aufgrund interpersoneller Kommunikation in sozialen Primärgruppen zur Vermittlung von entscheidungsrelevanten Informationen und damit zur Beeinflussung des Kauf- und Entscheidungsverhaltens.9

7

Vgl. Grefe und Müller, 1976, S.4014.

8

Vgl. Grefe und Müller, 1976, S.4014f.

9

Vgl. hierzu Hummrich, 1976, S.33ff.

134

C. Ansatzpunkte fìir Kommunikationsstrategien

Es existieren durchaus Gemeinsamkeiten in den Wirkungsbedingungen zwischen der interpersonellen und der persönlichen Anbieter-NachfragerKommunikation, da beide Formen von den Rahmenbedingungen menschlicher Kommunikation determiniert werden. Allerdings prägen spezifische Bedingungen und Wirkungsgrößen die interpersonelle Kommunikation innerhalb von Primärgruppen. 10 Diese "Kontakte" stellen soziale Interaktionen dar und können sowohl verbaler als auch nicht-verbaler Natur sein. Nicht-verbaler Kommunikation kommt nicht nur bei unpersönlichen, sondern auch bei persönlichen Kommunikationsformen hohe Bedeutung zu. Zwar sind die Zusammenhänge insbesondere hinsichtlich der emotionalen Wirkungen von nicht-verbaler Kommunikation wie Mimik, Blick, Körperhaften und Gestik nur zum Teil aufgeklärt, an deren Einflußkraft hinsichtlich Wahrnehmung, Einstellung oder anderer psychischer Größen besteht aber kein Zweifel. 11 Eine Verengung des Begriffs interpersonelle Kommunikation auf ausschließlich verbale Kommunikationsprozesse im Sinne der "word of mouth"Kommunikation erscheint somit zwar nicht erschöpfend, 12 muß aber im Rahmen der vorliegenden Arbeit unter Berücksichtigung der sehr schwierigen Erfassung nonverbaler Kommunikationswirkungen und ihrer Interaktionen mit verbalen Wirkungen beibehalten werden. Insbesondere für die Frage der werblichen Nutzbarkeit interpersoneller Kommunikation ist die Kenntnis der Rahmenbedingungen, unter denen sich ihr Wirkungspotential entfaltet, von Bedeutung. Hierauf wird im folgenden Abschnitt eingegangen. 1.2. Rahmenbedingungen der Wirkung

interpersoneller

Kommunikationsprozesse Empirische Befunde zum Ausmaß der interpersonellen Kommunikation zeigen, daß die persönliche Kommunikation im Vergleich zur Massenkommunikation die mit Abstand am häufigsten genutzte Informationsquelle dar-

10

Letztere setzen sich aus Individuen zusammen, die aufgrund bestimmter Gemeinsamkeiten in regelmäßigem Kontakt miteinander stehen, wie es z.B. im Familien-, Freundes- und Kollegenkreis der Fall ist. Vgl. Wiswede, 1983, S.164; Kroeber-Riel, 1984, S.436f. und Bänsch, 1986, S.102.

11

Die Wirkungen von "Face-to-Face"-Interaktionen hinsichtlich Glaubwürdigkeit, Attraktivität und Überzeugungskraft des Kommunikators beschreiben Engels und Timaeus, 1983, S.377-380 dar. Vgl. hierzu auch Kaas, 1973, S.32 und Gatignon und Robertson, 1985, S.851. Zur non-verbalen Kommunikation vgl. Bekmeier, 1989a und 1989b, S.93ff.

12

Vgl. Arndt,1967b, S.291; Scherrer, 1975, S.26; Engel u.a. 1966, S.147.

III. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

135

stellt. 13 Im Marketing wurde dies fur eine Vielzahl von Produktbereichen festgestellt, wobei höherwertige Gebrauchsgüter weit häufiger als Gegenstand der interpersonellen Kommunikation nachgewiesen werden konnten. 14 Unklarheit herrscht dagegen über die relative Wirkung der interpersonellen Kommunikation im Vergleich zu alternativen Kommunikationsformen im Hinblick auf bestimmte Reaktionen und Verhaltensweisen der Konsumenten. Nach allgemeiner Auffassung lassen sich jedoch einige Aspekte, die im Zusammenhang mit den o.a. Charakteristika fur eine besondere Wirkung sprechen, anfuhren. Es ist anzunehmen, daß Individuen die ihnen zur Verfügung stehenden Informationsquellen komplementär nutzen. Daher muß auch von einer komplementären Wirkung ausgegangen werden. Der starke Einfluß interpersoneller Kommunikation auf die Entscheidung des Individuums ist auch auf die zeitliche Entscheidungsnähe zurückzuführen, denn persönliche Kommunikationsquellen gewinnen in nachgelagerten, der Entscheidung nahestehenden Phasen des Entscheidungsprozesses stärker an Bedeutung.15 Vor allem bei Präferenzkonflikten hinsichtlich bestimmter Entscheidungsalternativen kommt persönlichen Informationsquellen eine besondere Bedeutung zu. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Entscheidungsstadium, der Art des Informationsbedürfnisses und der Kommunikationsform: Hummrich vertritt die Auffassung, daß von der interpersonellen Kommunikation kaufentscheidende Einstellungs- und Präferenzbildungen bzw. -änderungen ausgehen, während den werblichen nichtpersönlichen Kommunikationsformen lediglich eine Bekanntmachungsfunktion zukommt.16 Dieser Auffassung liegt die Betrachtung zugrunde, daß in den unterschiedlichen Phasen des Entscheidungsprozesses verschiedene Informationsbedürfhisse auftreten: Im frühen Stadium sucht der Einzelne zunächst nach Informationen über das Vorhandensein und die Verfügbarkeit eines Produktes, die ihm eine Marktübersicht bzw. eine Problemorientierung ermöglichen. In der zweiten Phase werden Informationen gesucht, die sich auf seine Interessen beziehen. In einer dritten Phase sucht er dagegen bewertende Informationen. 17

13

14 15 16 17

Vgl. Kaas, 1973, S. 51f; Meffert, 1979, S.53; Duncan und Olshavsky, 1982, S.38; Kroeber-Riel, 1984, S.247. Vgl. Meffert, 1979, S.50ff. Vgl. Hummrich, 1976, S.127f. sowie die dort angeführte Literatur. Vgl. Hummrich, 1976, S. 128. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.653f.

136

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Auch Gatignon und Robertson ordnen die Wirkung nichtpersönlicher Medien den frühen Phasen zu, wo hingegen die persönlichen Kommunikationsquellen insbesondere in der Bewertungsphase, wenn es also um Alternativenvergleiche geht, an Bedeutung gewinnen. Das Individuum ist dann eher bereit, sich den Rat Anderer anzuhören bzw. sich auf die Kompetenz und Glaubwürdigkeit von Gesprächspartnern seiner Referenzgruppe zu verlassen. Dabei hängt es im wesentlichen von seinem sozialen Integriertheitsgrad ab, in welchem Maße er persönliche Kommunikatoren heranzieht. Es hieße aber die aktivierende und beeinflussende Wirkung werblicher Kommunikation zu verkennen, wenn man ausschließlich der interpersonellen Kommunikation entscheidungsrelevante Wirkungen beimessen würde. 18 Empirische Befunde zur relativen Wirkung beider Kommunikationsformen in den unterschiedlichen Entscheidungsphasen liegen allerdings nicht vor. Im Zusammenhang mit der subjektiven Bedeutung von Informationen steht auch das wahrgenommene Entscheidungsrisiko. In einigen empirischen Arbeiten konnte der Nachweis erbracht werden, daß bei Vorliegen hohen Entscheidungsrisikos der Konsument seine Entscheidungsunsicherheit überwiegend in Gesprächen mit Personen mit seiner näheren Umgebung zu reduzieren versucht und dadurch eine soziale Absicherung bei seinen Bezugspersonen vornimmt. 19 Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß als Rahmenbedingungen für die Entstehung und Wirkung interpersoneller Kommunikation das Ausmaß sozialer Integriertheit, der Aktivitätsgrad, die Phase des Entscheidungsprozesses und das Ausmaß wahrgenommener Entscheidungsrisiken des Individuums bedeutsam sind. Die angeführten Aspekte verdeutlichen die besondere Stellung, die der interpersonellen Kommunikation im Rahmen der Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen zukommt. Die Interaktion der einzelnen Determinanten erschwert allerdings eine exakte Ermittlung der Einflußstärke. Bei der Entwicklung von kommunikationspolitischen Konzepten zur werblichen Nutzbarkeit der interpersonellen Kommunikation müssen diese vier Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, da bestimmte Ausprägungen die Effizienz der eingesetzten Kommunikationstechniken maßgeblich bestimmen. 18

Kroeber-Riel betrachtet die Aktivierungskraft, die der Kommunikation von den Kommunikatoren gegeben wird und das Informationsbedürfnis des Individuums als wesentliche Bestimmungsgründe für die Inanspruchnahme und den Erfolg sowohl von Massen- als auch von persönlicher Kommunikation, vgl. KroeberRiel, 1984, S.652.

19

Vgl. Hummrich, 1976, S.76.

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

137

Welche Einfluß- bzw. Steuerungsmöglichkeiten der interpersonellen Kommunikation sich dem Unternehmen bieten, soll im folgenden Abschnitt dargelegt werden. 2. Die Relevanz der interpersonellen Kommunikation für das Personal-Marketing Aus Sicht des Marketing ist die Beantwortung der Frage von Bedeutung, welche Ansatzpunkte hinsichtlich einer Beeinflussung oder gar Steuerung von interpersoneller Kommunikation bestehen und wie derartige Möglichkeiten in eine umfassende Kommunikationsstrategie implementiert werden können. Für das Personal-Marketing stellt sich die Frage, ob und mit welchen Instrumenten der werblichen Kommunikation auf interpersonelle Kommunikationsprozesse, die die Berufsentscheidung des Einzelnen zum Inhalt haben, eingewirkt werden kann. Grundsätzlich lassen sich zwei Ansatzpunkte unterscheiden:20 (1) unspezifische Steuerung und (2) spezifische Steuerung (Abb. 3.1). Spezifische Steuerung stellt den Versuch dar, besonders kommunikationsaktive und einflußstarke Personen innerhalb bestimmter sozialer Gruppen werblich anzusprechen, um hierdurch mittelbar Einfluß auf die übrigen Mitglieder der sozialen Gruppe auszuüben. Insofern handelt es sich hierbei sowohl um direkte persönliche als auch indirekte persönliche Kommunikation. Unspezifische Steuerung dagegen stellt den Versuch dar, auf die interpersonelle Kommunikation in ihrer Gesamtheit Einfluß zu nehmen. Sie beinhaltet drei Techniken:21 (1) Die Simulation interpersoneller Kommunikationsprozesse, (2) die Stimulierung oder Unterdrückung interpersoneller Kommunikation und (3) die Teilnahme an interpersoneller Kommunikation. Hierauf soll im folgenden näher eingegangen werden. 2.1. Möglichkeiten zur unspezifischen Steuerung 2.1.1. Die Simulation von interpersoneller Kommunikation Diese Technik basiert auf der Darstellung interpersoneller Kommunikationsvorgänge in der Massenkommunikation, wie z.B. mit der Slice-of-LifeWerbung oder unter Verwendung von Testimonials, sog. typischen Konsumenten oder Ratgebern. Der Einbeziehung von Meinungsbildnern, denen aufgrund ihres Berufsstandes (Werbung mit Ärzten, Zahnärzten oder Architekten 2 0

Vgl. auch Kroeber-Riel, 1984, S.534.

2 1

Vgl. Hummrich, 1976, S.166ff.

138

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

usw.) hohe Kompetenz zugewiesen wird, sind mittlerweile enge rechtliche Grenzen gesetzt worden. Die Wirkung der Simulationstechnik ist durch die mangelnde Einbindung des Rezipienten in diesen quasi-interpersonellen Kommunikationsprozeß jedoch begrenzt. Auch die Simulation von interpersoneller Kommunikation im Rahmen des Einsatzes sog. Diffusionsagenten, die im Auftrag des Unternehmens als Konsumenten auftreten und "positive" Gespräche über das betreffende Thema führen, weist nur geringe Effizienz auf, da neben rechtlichen und werbe-ethischen Gründen auch hohe Kosten den Einsatz ^beschränken.

Abb. 3.1 Einflußmöglichkeiten auf interpersonelle Kommunikationsprozesse

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

139

2.1.2. Die Stimulation von interpersoneller Kommunikation Wesentlich interessanter fur das Personal-Marketing ist dagegen die Stimulierung von interpersoneller Kommunikation. Hierbei kommt es darauf an, mittels bestimmter Kommunikationstechniken den Rezipienten zu autonomer Informationsabgabe bzw. zu autonomer Informationsuche bei anderen Individuen zu veranlassen. Hierfür ist es entscheidend, daß die werbliche Kommunikation auf die Motivstruktur der Rezipienten abgestimmt wird. Man kann davon ausgehen, daß dabei der Involviertheitsgrad eine maßgebliche Rolle spielt. Unter Involvement wird das Ausmaß der Ich-Beteiligung bzw. das Engagement oder aber auch die Verflochtenheit einer Person hinsichtlich einer bestimmten Sache, Themas oder Objekts verstanden; es wirkt dispositiv auf bestimmte Reaktionen oder gar Verhaltensweisen des Rezipienten.22 Die autonome Informationsabgabe kann durch das Involvement maßgeblich stimuliert werden. Hierfür sind die einzelnen Ausprägungen Themen- bzw. Objekt-, Ego- und Medien-Involvement relevant. 23 Das Ausmaß des Themen- bzw. Objektinvolvement ergibt sich aus dem objektgebundenen Interesse bzw. der wahrgenommenen persönlichen Bedeutung des Objekts bzw. des Meinungsgegenstandes sowie der persönlichen Bindung des Individuums an jenes Objekt. Eine Stimulierung der autonomen Informationsabgabe über das Objektbzw. Themen-Involvement kann z.B. mit Maßnahmen, die eine schnellere Nutzung des Themas als über "normale" Marktvorgänge bewirken, erzielt

2 2

2 3

Die Ich-Beteiligung kann als allgemeines Niveau des Interesses an dem Objekt verstanden werden, vgl. Day, 1974, S.131 und Wilkie, 1986, S.350. Darüber hinaus kann Ich-Beteiligung auch als Aktivierungsstärke in spezifischen LernSituationen des Menschen verstanden werden, Wilkie, 1986, S.352f. Zum Teil gehen die Involvement-Auffassungen über den der Interessen hinaus; während nach Festinger (1957) das Involvement das allgemeine Engagement einer Person für einen bestimmten Meinungsgegenstand bezeichnet, beziehen andere Autoren die Folgen der wahrgenommenen Wichtigkeit mit ein und fassen Involvement als den Grad der Bindungen von Einstellung, Kauf und Verwendung mit dem Selbstbild des Konsumenten auf, vgl. Muncy und Hunt, 1984, S. 193ff. Dieser Ansatz geht auf Dichter, 1966, S.149 zurück. Vgl. auch Hummrich, 1976, S.173 und Brüne, 1989, S.77. Andere Autoren unterscheiden situationsspezifische, personenspezifische und stimulusspezifische Einflußgrößen des Involvements. Das stimulusspezifische Involvement wird dabei als Konglomerat aus dem Produkt-, Werbemittel- und Werbeträgerinvolvement definiert; man hebt hierbei auf die reizspezifischen Merkmale des Stimulus als Einflußgröße für den Grad des Involvements ab, vgl. Jeck-Schlottmann, 1988, S.5 und Deimel, 1989, S.154 sowie die dort zitierte Literatur.

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C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

werden. 24 Man versucht dabei die Entstehung von Ge- und Verbrauchserfahrungen zu fordern, die eine wichtige Voraussetzung fur die Informationsabgabe darstellen. In diesem Zusammenhang kann auf das Beispiel eines Schwimmbadherstellers verwiesen werden, der bei ausgewählten Personen in bestimmten Wohnregionen zu Selbstkosten ein Schwimmbad bauen ließ, wobei die Personen sich bereit erklären mußten, den Nachbarn die Möglichkeit zur probeweisen Nutzung zu gewähren. Im Anschluß daran wurden die übrigen Bewohner der Region mit Mailings auf die Möglichkeit zur kostenlosen Nutzung des Schwimmbads aufmerksam gemacht. Weitere Beispiele sind Testtage oder Testwochen, z.B. für neue Ski-Produkte oder WindsurfAusrüstungen, anläßlich derer eine kostenlose Nutzung der Produkte offeriert wird. Auch Member-Get-Member-Aktionen können dieser Zielsetzung dienen. Derartige, auch verkaufsfordernde Techniken können in zweierlei Hinsicht wirken: Bei Personen, denen der Produktgebrauch offeriert wurde, kann eine Zunahme des Produkt-Involvement erzielt werden. Dies stimuliert die autonome Informationsabgabe. Am Beispiel des Schwimmbadherstellers läßt sich die zweite Wirkung zeigen: Nach Schaffung von Referenzkunden kann eine Ansprache des übrigen Nachfrager-Segments unter Verweis auf diese Referenzkunden erfolgen. Hierdurch kann interpersonelle Kommunikation zwischen den Nachfragern und den Referenzkunden initiiert werden, wobei sowohl die autonome Informationsabgabe des Referenzkunden als auch die derart stimulierte Informationssuche des Nachfragers Auslöser interpersoneller Kommunikation sein kann. Im Personal-Marketing sind ähnliche Techniken denkbar. So könnten über Praktikanten oder Volontäre "Referenzpersonen" geschaffen werden, die gezielt möglichen Interessenten empfohlen werden. Ein wichtiger Aspekt ist, daß die Meinung des Volontärs vom potentiellen Bewerber für besonders glaubwürdig gehalten wird. Bislang galten derartige Techniken aus Kostengründen als ineffizient, mit der Verfügbarkeit moderner EDV-Datenbanksysteme und einem entsprechenden Daten-Bestandspotential kann aber eine zunehmende Bedeutung für das Marketing erwartet werden. Das Seif- oder Ego-Involvement stellt einen weiteren Ansatzpunkt dar. Es wird von den personenspezifischen Unterschieden im Wertesystem und den dort verankerten Bedürfhissen, Motiven und Interessen geprägt. Je mehr das Objekt mit zentralen statt peripheren Werten einer Person verbunden ist, 2 4

Hierzu ist besonders das Beispiel von Arndt, 1968 erwähnenswert. Die Aussendung eines Gutscheines zum verbilligten Erwerb von Kaffee beeinflußte signifikant die Informationsabgabe.

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

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desto wichtiger wird es von der Person angesehen und umso starker wird das Involvement ausgelöst. Je enger z.B. der Kauf oder die Entscheidung mit dem Selbstbild der Person verbunden ist, desto starker ist sein Engagement.25 Das Ego-Involvement korrespondiert mit dem Sozialmotiv des Strebens nach sozialer Anerkennung, die eine Person dann erzielen kann, wenn sie Informationen mit einem großen Neuigkeitscharakter vermitteln kann. Die Wertschätzung, die der Person dann seitens anderer Personen entgegengebracht wird, motiviert zu weiterer Informationsabgabe. 26 Desweiteren korrespondiert das Ego-Involvement mit dem Streben nach sozialen Beziehungen bzw. nach Hinwendung zu anderen der sozialen Gruppe, was sich sich ζ. B. in uneigennützigen Hilfen bzw. Geschenken zur Aufrechterhaltung oder Stärkung der Bindungen oder Beziehungen äußert. Die Aktivierung des Ego-Involvement kann insbesondere mittels Direktkommunikation (ζ. B. Direct Mailings) vorgenommen werden; ausgewählten Zielgruppen können spezielle Informationen über das Unternehmen mit hohem Neuigkeitscharakter zur Verfugung gestellt werden, deren Weitergabe an andere einen hohen Symbolcharakter für die " Beziehungspflege " aufweisen. 27 Die Erfassung bzw. Auswahl dieser Zielgruppen kann im Rahmen des Kontaktketten-Konzepts erfolgen. Die dritte Möglichkeit zur Stimulierung der Informationsabgabe bietet das Medien-Involvement. Dieser auf Dichter zurückgehende und von Brüne aufgegriffene Konstrukt bezeichnet die durch die werbliche Kommunikation ausgelöste Ich-Beteiligung.28 Das Medien-Involvement ist verantwortlich für durch Werbung ausgelöste interpersonelle Gespräche;29 dabei hängt es vor allem von den spezifischen Gestaltungsmerkmalen und dem Inhalt der Werbebotschaft ab, inwieweit die interpersonelle Kommunikation forciert wird. Bestimmte Kommunikationsweisen der Medien stimulieren kognitive Reaktionen stärker als andere, wobei dieser Effekt mit dem Involviertheitsgrad des

25_ V g i Petty, Cacioppo und Schumann, 1983, S.137. 2 6

2 7 2 8 2 9

Diese Hypothese wurde von Eurich emprisch bestätigt. Im politischen Themenbereich war das Self-Involvement die Haupteinflußgröße fiir die Abgabe von Informationen, vgl. Eurich, 1977, S.4285ff. Vgl. Dichter, 1966, S. 50. Vgl. Dichter, 1966, S.162ff. und Brüne, 1989, S.79. Einige Autoren differenzieren hier noch das Werbeträger- und das Werbemittelinvolvement. Vgl. Mühlbacher, 1982, S.199; Deimel, 1989, S.154.

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C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Empfängers korrespondiert. Das Medien-Involvement kann als wichtige Wirkungsgröße einer Werbekontaktsituation angesehen werden. 30 Prinzipiell kann festgehalten werden, daß eine involvementorientierte Vorgehensweise zur Stimulierung der Informationsabgabe erfolgversprechende Ansatzpunkte bietet. Auch für das Informationssuchverhalten können die diskutierten Involvement-Faktoren als wichtige Größen gelten, wenngleich hierbei das Produkt- bzw. Themen-Involvement im Vordergrund steht.31 Auf einer theoretisch ähnlichen Ebene liegt das Motiv zum Abbau von Dissonanzen, die während oder nach einer Entscheidung auftreten können. Dieses Motiv ist sowohl für die Informationsabgabe als auch für die Informationssuche von Relevanz. Zum einen führen Individuen Gespräche mit Freunden und Bekannten, um die bereits getroffene Entscheidung durch andere bestätigen zu lassen, desweiteren dient das Führen der Gespräche gewissermaßen einer Bewußtmachung der kaufentscheidenden Argumente und der Bestätigung einer bereits getroffenen oder anstehenden Entscheidung. Beide Verhaltensweisen können als dissonanzreduzierende Strategien gelten. Gerade für Berufsentscheidungen kann man ein relativ hohes Ausmaß von möglicherweise auftretenden Dissonanzen unterstellen. In der Praxis finden sich einige Formen dieser Technik; so ζ. B. im EDVBereich, wo Hersteller den Aufbau von User-Clubs unterstützen, deren Mitglieder zu "Fachleuten" gemacht und auf diese Weise mit Kompetenz ausgestattet werden, die sie in zwischenmenschlichen Gesprächen mit Nicht-Mitgliedern anwenden können. 32 Für diese "Fachleute" bietet die interpersonelle Kommunikation eine Möglichkeit, um eigene Nachkaufdissonanzen abzubauen. Im Personalbereich hieße dies, gezielt Informationen über spezielle 3 0

Vgl. Mühlbacher, 1982, S.202. Zwar läßt sich aus theoretischer Sicht eine weitere Differenzierung in Stimulus-, Werbemittel- und Werbeträger-Involvement vornehmen, es fehlen bislang jedoch fundierte Erkenntnisse über die gesprächsstimulierende Wirkung dieser unterschiedlichen Involvement-Arten.

3 1

Einige Autoren sprechen in diesem Zusammenhang vom Interesse als motivierendem Faktor, vgl. Cox, 1976, S.219f., Hummrich, 1976, S.179 und Brüne, 1989, S.80. Da wir hier aber auf die Motivstruktur der interpersonellen Kommunikation abzielen, erscheint das theoretisch fundiertere Involvement-Konstrukt besser geeignet. Hierdurch soll verdeutlicht werden, daß - entgegen den Auffassungen der o.a. Autoren - das Themen- bzw. Objekt-Involvement zugleich Informationssuche und -abgabe steuert. Dies erscheint vor allem deshalb konsequent, weil aus den empirischen Ergebnissen der Meinungsführer-Forschung zunehmend die Hypothese erhärtet wird, daß Suche und Abgabe nur in einer Zeitpunkt-Betrachtung auf die jeweilige Person fixierbar sind, da die Rollen von Ratgebern und Ratnehmern häufig wechseln (vgl. Ab sehn. 3.3.3.1.2).

3 2

Gleichzeitig erhöht diese Technik das Involvement, wodurch weitere gesprächsstimulierende Impulse erzeugt werden.

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Berufe des Unternehmens an "bewerbungsaktive" Personen zu übermitteln. Hohe Bedeutung kommt dabei aber auch dem "internen" Personalmarkt zu. Mitarbeiter, die gerade eingestellt wurden, sind in hohem Maße bestrebt, ihre Entscheidung durch andere bestätigt zu sehen. Auch hierfür bietet die datenbankgestützte Direktkommunikation, insbesondere das KontaktkettenKonzept, Ansatzpunkte. Andererseits kann das Entstehen von Dissonanzen im Rahmen werblicher Kommunikation hinsichtlich einer gezielten Informationssuche im persönlichen Umfeld gefördert werden; so könnte die Werbebotschaft auf die Risiken der Berufswahlentscheidung ausgerichtet werden, die nur durch zusätzliche Informationssuche vermieden werden können. Als Ansatzpunkt fur die unspezifische Steuerung von interpersoneller Kommunikation sind derartige Techniken jedoch nicht unproblematisch, da bei gezielter Ansprache nach der Entscheidung mit kritischen Informationen Dissonanzen möglicherweise erst geweckt werden. Hierbei besteht die Gefahr, daß der "sekundäre" Effekt (Stimulierung von interpersoneller Kommunikation ) zulasten des "primären" Effektes (Dissonanz-Vermeidung) geht. Mit dem Dissonanz-Motiv in engem Zusammenhang steht die aus Gründen eines hohen wahrgenommenen Entscheidungsrisikos ausgelöste interpersonelle Informationssuche. Bei hohem Risiko wenden sich die Individuen verstärkt persönlichen Informationsquellen des Umfeldes zu, wenngleich hier nur schwer zu trennen ist, ob es sich ausschließlich um Informationssuchoder Informationsabgabe-Verhalten handelt.33 Die Stimulierung interpersoneller Kommunikation ist demnach vor allem bei risikobehafteten Entscheidungen, was besonders für die Berufswahl zutrifft, sinnvoll. Hierzu könnte der Entscheider im Rahmen von Direktkommunikationsaktivitäten auf andere Personen hingewiesen werden, die diese Entscheidung bereits getroffen haben. 34 Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß sich durchaus Techniken zur Stimulierung interpersoneller Kommunikation entwickeln lassen. Hierfür spielen zwei Aspekte eine wesentliche Rolle:

3 3 3 4

Auf das wahrgenommene Risiko wird an anderer Stelle noch näher eingegangen. Ähnlich verfahren zum Beispiel Baugesellschaften, indem sie dem potentiellen Kunden Käufer ihrer Häuser nennen bzw. ihnen die Möglichkeit der Besichtigung und des Gesprächs mit dem Käufer anbieten.

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C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

(1) Die Kommunikationsaktivitäten müssen an der für das Zustandekommen von Informationssuche und -abgabe maßgeblichen Motivstruktur ausgerichtet sein und (2) es müssen bestimmte konzeptionelle und technische Voraussetzungen (Installation von Datenbanksystemen zur Kontakterfassung, Kontaktpflege und zielgruppengerechter Maßnahmenentwicklung), wie sie das Kontaktketten-Konzept bietet, erfüllt sein.

2.1.3. Die aktive Teilnahme an der interpersonellen Kommunikation Grundsätzlich bieten sich zwei Formen der aktiven Teilnahme von Unternehmen an interpersoneller Kommunikation an. Zum einen ist hier die Abstimmung der Kommunikationssituation zwischen einem werblichen persönlichen Kommunikator (z.B. ein Verkäufer) und einer werblichen Zielgruppe auf die spezifischen Erfordernisse der zwischenmenschlichen Kommunikation zu nennen.35 Hiermit ist die Steuerung der komplexen Kommunikationssituation zwischen dem Kommunikator und mehreren Interessenten gemeint, indem der Kommunikator die Gespräche in der Zielgruppe mit bestimmten Informationen anreichert, wobei er die unterschiedlichen Positionen wechselnd einnimmt. Dies setzt aber die Beherrschung komplexer Verhandlungsstrategien bzw. bestimmter Sozialtechniken durch den Verkäufer voraus. Eine zweite Form ist die Teilnahme von Kommunikatoren, z.B. Aussendienstmitarbeitern, an interpersonellen Kommunikationsprozessen in der Umgebung der Zielpersonen (z.B. in-home-selling). Üblicherweise gewinnt man hier zunächst einen Konsumenten als Gastgeber, der zu derartigen Veranstaltungen einlädt. 36 Die sich im Rahmen der Veranstaltung entwickelnden Gespräche zwischen den Personen braucht der Mitarbeiter nur noch lenkend zu steuern. Derartige Veranstaltungen können auch dazu dienen, einen Adressbestand von potentiellen Interessenten aufzubauen, innerhalb der Gesprächsrunden Meinungsführer zu ermitteln oder aus dem Kreis Personen zu gewinnen, die selbständig derartige Veranstaltungen nebenberuflich durchführen. Die wesentliche Wirkung dieser Technik liegt in der Reduktion von Entscheidungsrisiken bzw. von Reaktanz, wie sie üblicherweise bei offenen 3 5

Hierzu zählt der gesamte Bereich "Persönlicher Verkauf', für den eine Reihe von theoretischen und empirisch überprüften Ansätzen zur Wirkung von KäuferVerkäufer-Kommunikationen existieren. Vgl. ζ. B. Engel und Timaeus, 1983, S.354ff., Kroeber-Riel, 1984, S.527ff und die dort zitierte Literatur.

3 6

So ζ. B. die sog. Tupperware-Parties der Fa. Tupperware, vgl. Köhler, 1976, S.30ff.

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Beeinflussungsversuchen durch den Mitarbeiter auftreten. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit dieser Technik bestehen allerdings auch Zweifel. 37 2.2. Möglichkeiten zur spezifischen Steuerung 2.2.1. Indirekte mediale Ansprache von Meinungsführer-Segmenten In vielen empirischen Untersuchungen konnte der Nachweis erbracht werden, daß manche Individuen innerhalb definierter sozialer Gruppen einen stärkeren Einfluß als andere haben. Diese Personen werden überwiegend als Meinungsführer bezeichnet.38 Die meisten empirischen Arbeiten zur Meinungsführer-Forschung dienten der Zielsetzung, Merkmale und Eigenschaften von Meinungsführern zu ermitteln, anhand derer sie als attraktive werbliche Zielgruppe möglichst überschneidungsfrei angesprochen werden können. Dabei wurde großes Gewicht auf die Analyse des Medienverhaltens von Meinungsfuhrern gelegt und auf die Ermittlung deijenigen Medien, die Meinungsführer bevorzugt nutzen. Die Erkenntnis, daß Meinungsführung überwiegend produktbereichsspezifisch ausgerichtet ist, engt den Kreis relevanter Werbeträger ein, so könnte man meinen. In der Tat nutzen Meinungsführer die Medien, in denen ihr "Thema" breiter dargestellt wird, intensiver als andere Konsumenten (z.B. Fachzeitschriften). Eine Beschränkung der werblichen Kommunikation auf special-interest-Werbeträger ist aber insofern redundant, als diese Werbeträger auch für die gesamte Zielgruppe in Frage kommen (z.B. Anzeigen für Surf-Ausrüstungen in Surf-Fachzeitschriften) und Meinungsführer sie nicht ausschließlich, sondern nur überproportional nutzen. Dennoch bleibt natürlich die Wirkung des über den medialen Kontakt in Gang gesetzten Meinungsführungsprozesses. Die in den Werbeträgeranalysen üblicherweise zur Anwendung kommenden Differenzierungen nach sozio- und psychographischen Merkmalen von Nutzern stellen kein effizientes Instrument zur Identifikation der Meinungsführer dar, weil insbesondere soziodemographische Merkmale keine ausreichende Unterscheidung der Meinungsführer von anderen zulassen.39 In verschiedenen Konsumenten-Typologien findet man allerdings schon eher Hinweise zur Lokalisierung dieser Zielpersonen, da dort produktbereichsspezifische Merkmale zur Segmentierung herangezogen werden. Als besonders trennfähig haben sich das Produktinteresse und das Ratgeber-Verhalten zur Abgrenzung des Meinungsführers erwiesen. Allerdings sind die zur Anwendung kommenden Operationalisierungen m.E. recht fragwürdiger 3 7

Vgl. Kroeber-Riel und Kaas, 1981, S.131f.

3 8

Auf die theoretische Fundierung wird in Abschn. 3.3.3 eingegangen. Summers, 1970, S.179; Robinson, 1976, S.312.

3 9

10 Beba

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C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Natur, gemessen an dem Forschungsstand zur Meinungsführerschaft. 40 Eis besonderes Problem stellt allerdings die Wiederauffindbarkeit derartiger "typischer" Segmente dar: Zwar versucht man, bestimmte Medien-Nutzungsprofile fur diese Zielpersonen aufzustellen; da aber das Mediennutzungsverhalten von Meinungsfuhrern nur zum Teil bzw. nur unter bestimmten Voraussetzungen mit der Meinungsfuhrerschaft korreliert, lassen sich Meinungsführer nur wenig überschneidungsfrei mittels herkömmlicher Medien ansprechen.41 Insgesamt stellen die bisher erschienenen Studien und Typologien deshalb kein geeignetes Instrumentarium zur gezielten Ansprache von Meinungsführern über bestimmte Medien dar, wenngleich auch einige Herausgeber "Mediennutzungs-Profile" dieser Zielgruppe anbieten. 2.2.2. Direkte Ansprache von Meinungsfuhrern Auf den ersten Blick erscheint es illusorisch, Meinungsführer direkt anzusprechen, wenn noch nicht einmal eine indirekte Ansprache Erfolg verspricht. In der Tat ist der Aufwand derartiger Aktivitäten erheblich, denn eine direkte Ansprache setzt eine adressmäßige und damit eine genaue personenbezogene Erfassung von Meinungsführern voraus. Es erscheint deshalb insbesondere auf Märkten mit einer dispersen Zielgruppe schwierig, zu vertretbaren Kosten eine namentliche Ermittlung von Meinungsführern zu realisieren. Hinzu kommt, daß es kaum Anhaltspunkte darüber gibt, welchem Ertrag (also die aufgrund der meinungsführenden Wirkung entstehenden zusätzlichen Effekte) die Aufwendungen für die direkte Ansprache von Meinungsführern gegenüber stehen. Es bieten sich aber dennoch einige Chancen, die kurz erörtert werden sollen. Unternehmen, die kontinuierliche und direkte Kontakte zu ihren Zielgruppen unterhalten (wie z.B. Versandhäuser über den Bestell-Kontakt, Handelsunternehmen mittels Kundendateien), haben insofern die Möglichkeit, zusätzliche Informationen über bestimmte Indikatoren des meinungsführenden Verhaltens zu sammeln. Im Versandhandelsbereich könnten beispielsweise die 4 0

41

So wurde vom Institut für Demoskopie, Allensbach in der Studie "Persönlichkeitsstärke" eine 18 Items umfassende Skala zur Messung der Persönlichkeitsstärke zur Anwendung gebracht (Spiegel-Verlag 1983). Alle Items stellten Selbsteinschätzungen der Probanden (insgesamt 12.000 !) hinsichtlich bestimmter Charaktereigenschaften dar. Dieser Ansatz wurde mehrfach kritisiert, da der Einfluß des sozialen Umfeldes oder des situativen Kontextes völlig unberücksichtigt blieb, vgl. hierzu Haseloff, 1984, S. 126. Persönlichkeitsstarke Personen werden dort als generelle Meinungsführer bezeichnet. Andere Studien, wie z.B. die Brigitte-Frauen-Typologie III, (Gruner + Jahr Verlag 1984) bringen lediglich je eine Frage zur Selbsteinstufung des Produktinteresses und des Ratgeber-Verhaltens zur Anwendung. Vgl. hierzu Eurich, 1977, S.4285ff.

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sog. Sammelbesteller diesbezügliche Informationen über ihren Freundes- und Bekanntenkreis liefern. 42 Die gleiche Aufgabe könnte man den Aussendienstmitarbeitern der Direktvertriebs-Unternehmen übertragen. 43 Etwas problematisch erscheint dagegen die Möglichkeit, Einsender von Coupons, mit denen Informationsmaterial angefordert werden kann, als Meinungsführer aufzufassen und gezielt anzusprechen. Grundsätzlich entspricht dies der richtigen theoretischen Überlegung, daß ein die Couponnutzung motivierendes starkes Informationsinteresse als ein Merkmal von Meinungsführern gelten kann. Allerdings ist das Informationsinteresse nur eine von mehreren Meinungsführer-Charakteristika. Darüber hinaus können aber auch noch andere Einflußgrößen die Couponnutzung bewirken; weiterhin ist nicht auszuschließen, daß Nicht-Meinungsführer mit starkem Informationsinteresse ebenfalls den Coupon nutzen. Dennoch bleibt die Chance, derart erfaßten Personen spezielle Informationen zu überlassen, die sie mit Kompetenz ausstatten, was eine wesentliche Voraussetzung für die Ausübung von Meinungsführerschaft darstellt. Besteht ein Kontakt über einen eingesandten Coupon, so kann im Wege des Dialogs der Versuch unternommen werden, relevante (Meinungsführerschaft indizierende) Merkmale der Zielperson oder seiner sozialen Gruppe in Erfahrung zu bringen. Auch hierbei wird deutlich, daß Kontaktketten-Konzepte einen geeigneten instrumenteilen Rahmen für die Steuerung interpersoneller Kommunikation bilden können. Auch andere Charakteristika bieten Anhaltspunkte zur Direkt-Ansprache. Vereinsmitgliedschaften oder ähnliche Gruppenzugehörigkeiten stellen Indikatoren für eine überdurchschnittliche Aktivität eines Individuums im sozialen Umfeld dar; gelingt es, diese und weitere Kriterien, wie ζ. B. das spezifische Produkt-Interesse personenbezogen zu ermitteln, ist eine Direktansprache möglich. Viele Unternehmen und Institutionen verfügen bereits über sog. Meinungsbildner- oder Multiplikatoren-Zielgruppen. Hierunter fallen Personen oder Personengruppen, die qua Amt mit dem interessierenden Themenbereich in Verbindung stehen und eine beratende Funktion gegenüber dem Publikum 4 2

4 3

Kaas ist der Auffassung, daß Sammelbesteller selbst die Meinungsführer-Position innehaben, da sie sich aufgrund ihrer Tätigkeit als besonders sozial aktiv charakterisieren lassen, vgl. Kaas, 1973, S.37. Die Aussendienstmitarbeiter von "Tupperware" könnten auf die "Erkennung" von meinungs führenden Personen im Rahmen der In-House-Verkaufs Veranstaltungen geschult werden und so Adressen dieses Personenenkreises wieterleiten, vgl. Köhler, 1976, S.30f.

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C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

einnehmen (ζ. Β. Ärzte, Architekten, Rechtsanwälte, Journalisten). Sie können aber nicht als Meinungsführer charakterisiert werden, da sie nicht aufgrund sozialer Beziehungen innerhalb der Primärgruppe ihre "meinungsbildende" Funktion wahrnehmen. Häufig sind aber die Wirkungen auf die Konsumenten dieselben, weil die Meinungsbildner als sehr kompetent und - sofern sie nicht auf den Themengebieten aktiv werden, die ein Eigeninteresse erkennen lassen - im Vergleich zu Verkäufern als nicht zweckorientiert in der Kommunikation angesehen werden. 2.3. Zusammenfassende Bewertung der Einflußmöglichkeiten auf die interpersonelle

Kommunikation

Den spezifischen Steuerungsmöglichkeiten haftet der Mangel an, daß man sich meist nur mit unsicheren Indikatoren der Meinungsfuhrerschaft zufrieden geben muß. Insbesondere die in verschiedenen Werbeträgeranalysen und Konsumenten-Typologien zur Anwendung kommenden Variablen sind häufig nicht hinreichend geeignet, erstens Meinungsfuhrer zu indizieren und zweitens sie wiederaufzufinden. Die Unterschiede im Mediennutzungsverhalten sind zu gering, als daß sich auf Meinungsfuhrer exakt abgrenzbare Mediennutzungsprofile herausbilden lassen. Die direkten Ansprachetechniken bergen wiederum den Nachteil, daß trotz der EDV-technischen Möglichkeiten ein hoher (auch erhebungstechnischer) Aufwand betrieben werden muß, um eine namentliche Erfassung zu erzielen. Das Hauptproblem dürfte in der Gewinnung der Informationen über das tatsächliche meinungsfuhrende Verhalten einer namentlich erfaßten Person liegen. Sind derartige Meinungsführer aber erst einmal ermittelt, bieten sich verschiedene Strategien zur Bearbeitung dieses Segments an. Mit der hohen themenspezifischen Involviertheit sind die Voraussetzungen gegeben, um mit einem spezifischen Kommunikationsinstrumentarium wirksam das Ego-Involvement oder das Medien-Involvement zur Initiierung von interpersoneller Kommunikation anzusprechen. Für die unspezifischen Steuerungsmöglichkeiten ist das Resümee unterschiedlich. Bei der Simulation von interpersonellen Kommunikationsprozessen dürften Zweifel an der Wirkung angemeldet sein, da den Kommunikatoren eine wichtige Voraussetzung, nämlich ein bestimmtes Einflußpotential in der betreffenden sozialen Gruppe, fehlt. Insbesondere die Direktkommunikation eignet sich für Stimulierungstechniken. Besonderen Wert erhält dieser Ansatz, wenn man ihn zum Aufbau von Kontaktketten nutzt und über eine zunehmende Zahl von Kontakten mit der

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Zielgruppe auch Informationen über besonders kommunikationsaktive Mitglieder erhält. Ein derartiger Ansatz stellt die Verbindung zwischen unspezifischer und spezifischer Steuerung auf der Grundlage eines MehrPhasen-Modells der werblichen Ansprache von Primärgruppen dar. Unter Wirkungsgesichtspunkten handelt es sich hierbei um mehrstufige Kommunikation. Das in der vorliegenden Untërsuchung zur Anwendung kommende Kommunikationsinstrument "Truppenbesuch + Jugendoffizier" stellt eine mögliche Form einer Kontaktkette dar, bei der in besonderem Maße Stimulierungsmöglichkeiten vermutet werden können. Ob und mit welchen Wirkungen es zur Auslösung und Förderung von interpersoneller Kommunikation auf der Grundlage mehrstufiger Kommunikation kommt, soll im empirischen Teil geprüft werden. Zur Ermittlung des Wirkungspotentials interpersoneller Kommunikation müssen allerdings ihre Bestimmungsgrößen bekannt sein. Hierauf wird im folgenden Abschnitt eingegangen. 3. Bestimmungsgrößen interpersoneller Kommunikation 3.1. Modelle interpersoneller

Kommunikation

Im Rahmen der Erforschung von interpersoneller Kommunikation stießen Kommunikationswissenschaftler bereits früh auf das Phänomen der Meinungsführung. 44 Man gewann die Erkenntnis, daß der Einfluß von Personen auf ihre Mitmenschen über alle Personen nicht gleichverteilt ist; es ließen sich bestimmte Individuen herauskristallisieren, deren Einfluß auf Freunde, Bekannte, Familienmitglieder oder Arbeitskollegen in ihrer Meinungsbildung zu bestimmten Meinungsgegenständen besonders groß war. Diese Personen werden als Meinungsführer bezeichnet.45 Im wesentlichen haben sich zwei Forschungszweige dem Phänomen Meinungsführerschaft gewidmet. Auf einer aggregierten Modellebene werden im Rahmen der Diffusionsforschung Meinungsführer als besonders wichtige Personengruppen für die Verbreitung von Meinungen und von Produkten angesehen; demgegenüber hebt man in der Kommunikationsforschung auf einer disaggregierten Modellebene auf die Merkmale und Wirkungen von individuellen Meinungsführern ab.

4 4

4 5

Vgl. Lewin, 1943; Lazarsfeld, Berelson und Gaudet, 1948; Katz und Menzel, 1955. Vgl. Kaas, 1980, S. 188.

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C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

In der Diffusionsforschung befaßt man sich mit Theorien zur Beschreibung der Verbreitung (Diffusion) von neuen Produkten in verschiedenen Adoptergruppen. 46 Bestimmte Personen können demnach die Verbreitung aufgrund ihrer dominanten Position im sozialen System beschleunigen oder hemmen. Die Diffusionstheorie geht von der Annahme aus, daß die "Erstbesitzer" von Produkten, die sog. Innovatoren, erst durch den Produktbesitz auf den Diffusionsprozeß Einfluß nehmen. Während in den älteren Modellen diese Personengruppe mit den Meinungsfuhrern gleichgesetzt wurde, 47 zeigen neuere Arbeiten, daß Innovatoren und Meinungsfuhrer nur zum Teil identisch sind. Summers ermittelte eine Quote von 10% aller Befragten, die Innovatoren bzw. "frühe Übernehmer" und zugleich Meinungsführer sind. 48 Die Diffusionsforschung ist grundsätzlich auf nachgelagerte Phasen des Entscheidungsprozesses fixiert und im Gegensatz zur Meinungsführerforschung nicht auf die Analyse des Einflusses der interpersonellen Kommunikation auf das Entscheidungsverhalten bezogen. Einige der Modellansätze zur Meinungsführerschaft sollen kurz dargestellt werden. 3.1.1. Die Entwicklung des klassischen Meinungsführer-Modells Mit den ursprünglichen Modellen der Kommunikationsforschung zum zweistufigen Kommunikationsfluß wurde eine Theorie über das Zusammenwirken von persönlicher und Massenkommunikation entwickelt, innerhalb derer dem Meinungsführer besondere Funktionen zukommen.49 Die Beobachtung, daß "opinion leader" sich häufiger als andere Personen den Medien zuwandten, wurde als Indiz für das Vorliegen eines "two step flow of communication" gewertet. Informationen der Massenmedien erreichen demnach zunächst die opinion leader und werden von diesen im Wege persönlicher Kommunikation an die Mitglieder der relevanten Primärgruppe weitergeleitet, kommentiert oder gar umdefiniert. 50 Auf der Grundlage der Zwei-Stufen-Theorie unterscheiden sich Meinungsführer durch vier Funktionen, die sie gegenüber den

4 6 4 7 4 8

4 9

5 0

Vgl. Rogers, 1962. Vgl. Marsh und Coleman 1956, S.594. Vgl. Summers, 1971. Insgesamt gibt es aber keine gesicherten Befunde zum Zusammenhang zwischen dem Innovationsverhalten und der Meinungsführerschaft, vgl. hierzu Rogers und Cartano 1962, Robertson und Rossiter 1968, Summers 1971, Myers und Robertson 1972, Baumgarten 1975, Assael 1984, Gatignon und Robertson 1985. Erste Befunde zur ("gate keeper"-) Funktion von Meinungsführern lieferte Lewin im Rahmen einer ernährungswissenschaftlichen Studie, vgl. Lewin, 1943. Zur Modifikations- und Verstärkungsfunktion vgl.Lazarsfeld, et al., 1948. Vgl. zusammenfassend Hummrich, 1976, S.34ff. und die dort zitierte Literatur.

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Mitmenschen innehaben und die das Beeinflussungspotential von Meinungsfuhrern determinieren: 51 (1) Die Relaisfunktion (strategischer Standort im Informationskanal), (2) die Modifikations- und Verstärkungsfunktion (die Möglichkeit, Informationen zu verzerren, zu verstärken oder abzuschwächen), (3) die Selektionsfunktion (die Auswahl der weiterzuleitenden Informationen) und (4) die Resistenzfunktion (die Abwehr von mit den Gruppennormen nicht konformen Informationen). Die strenge Klassifikation des Publikums in Meinungsführer und Meinungsfolger erscheint im Licht neuerer Erkenntnisse sehr realitätsfern, da eine derartige Dichtomisierung nicht alle Kommunikationstypen erfaßt und der Komplexität interpersoneller Kommunikation nicht gerecht wird. Die Verengung der interpersonellen Kommunikation auf das Phänomen der Meinungsführerschaft läßt desweiteren die Motive, aufgrund derer die Mitglieder der Primärgruppe sich im Rahmen ihres Entscheidungsprozesses an andere Gruppenmitglieder wenden, unbeachtet. Neuere Theorien unterscheiden deshalb zwischen aktiven und passiven Informationsaustauschern sowie Nichtaustauschern. Hierbei geht man von der Annahme aus, daß für das Ratgeben (Meinungsführerschaft) und Ratnehmen (Meinungsfolgerschaft) durchaus unterschiedliche Motivsituationen vorliegen. Diese Situationen sind aber nicht konstant, sondern können sich im Zeitverlauf derart ändern, daß die Rollen von Ratgebern und Ratnehmern wechseln. Beide Gruppen können deshalb auch als Informationsaustauscher bezeichnet werden. 52 Desweiteren muß man davon ausgehen, daß die Meinungsführerschaft (einer bestimmten Person) sich nicht auf alle Produkt- oder Lebensbereiche gleichermaßen bezieht, sondern sich jeweils nur auf einen oder wenige Themen- bzw. Produktbereiche beschränkt. In diesem Zusammenhang war die Reichweite von Meinungsführerschaft Gegenstand zahlreicher empirischer Untersuchungen. Die zum Teil recht unterschiedlichen Resultate können dahingehend zusammengefaßt werden, daß im allgemeinen "monomorphe", 51 5 2

Vgl. Wiswede, 1978, S.117 und Katz und Lazarsfeld, 1972, S.97ff.. Zur näheren Charakterisierung von Informationsaustauschern vgl. Hummrich, 1976, S. 102ff.; Schenk, 1978, S.170; Trohldahl und Van Dam 1965, S.633; Feick, Price und Higie, 1986, S.301ff.

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C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

d.h. sich nur auf einen speziellen Bereich beziehende Meinungsfuhrerschaft vorliegt. "Polymorphe", sich auf vielfaltige Bereiche beziehende Meinungsfuhrerschaft, kommt praktisch nicht vor. Allerdings konnten durchaus Überlappungen von Meinungsfuhrerschaft auf jenen Gebieten festgestellt werden, die sehr ähnlich sind oder die ähnliche Interessen berühren. 53 Jüngste Ergebnisse legen allerdings die Vermutung nahe, daß einige Personen aufgrund bestimmter Interessen und sozialer Rahmenbedingungen eher generelle, d.h. für viele Produktbereiche einflußstarke Meinungsführer sind. 54 Meinungsführerschaft, als interpersonelles Beeinflussungspotential einer Person verstanden, ist keine kategorielle, sondern eine graduelle, also kontinuierlich ausgeprägte Größe; eine Typologisierung von Individuen in Meinungsführer und Nicht-Meinungsführer hängt deshalb in erster Linie von der Grenzziehung ab. 5 5 Dieser Aspekt wird im Abschnitt zu den Meßverfahren nochmals aufgegriffen werden. Alle genannten Aspekte zeigen, daß das Phänomen der Meinungsführerschaft weitaus komplexerer Natur ist, als es die klassischen Modelle auszudrücken vermögen. Die genannten Kritikpunkte führten konsequenterweise zur Entwicklung von Modellen des Informationsaustausches. 3.1.2. Modelle des Informationsaustausches Verschiedene empirische Untersuchungen konnten den Nachweis liefern, daß Meinungsfolger nicht nur über Meinungsführer, sondern auch direkt über die (Massen-) Medien erreicht werden. 56 Darüber hinaus wurde festgestellt, daß nicht nur Meinungsführer, sondern auch Meinungsfolger bei der interpersonellen Kommunikation aktiv werden oder gar die Kommunikationsinitiative ergreifen können.57 Typisch asymmetrische zweistufige Prozesse in der interpersonellen Kommunikation finden demnach nur selten statt. Die im Rahmen dieser Ansätze entwickelten Modelle können mit der in Abb. 3.2 dargestellten Struktur wiedergegeben werden. Insbesondere Trohldahls und Van Dams Ergebnisse, denen zufolge die interpersonelle Kommunikation als ein wechselseitiger Informationsaustausch 5 3

5 4

5 5 5 6 5 7

Vgl. hierzu die Arbeiten von Silk, 1966; Myers und Robertson, 1972; Gross, 1969; King und Summers, 1970, S.46ff. und Koeppler, 1987, S.89ff. Vgl. hierzu die Ergebnisse zur Lokalisation derartiger "market maven" von Feick und Price, 1987, S.94ff. Vgl. hierzu Rogers, 1973, S.291. Vgl. Deutschmann und Danielson, 1960, S.355 und Hummrich, 1976, S.47. Vgl. Hummrich, 1976, S.47.

153

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

zwischen "Opinion Askers" und "Opinion Givers" charakterisiert werden kann, lassen eine höhere als bislang angenommene Komplexität der interpersonellen Kommunikation vermuten. 58 Eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes ist in den Arbeiten von Hummrich zu sehen, der im Rahmen von Reanalysen empirischer Untersuchungen Kommunikationsprozesse zwischen Individuen neu definierte. Abb. 3.3 gibt den Modellansatz von Hummrich wieder.

Einstufiger informaiionsfiuö

Zweistufiger iniormationsfiuß

erste Stufe Aussage der Massenkommunikation zweite Stufe 1

Angehörige der Gefolgschaft

««

Abb. 3.2 Weiterentwickelte Modellstrukturen interpersoneller Kommunikation

Hummrich entwickelte ein Modell der interpersonellen Kommunikation, dessen wesentliches Merkmal die Differenzierung nach solchen Personengruppen ist, die symmetrische Kommunikationsbeziehungen und jenen, die

5 8

Troldahl und Van Dam führten die Klassifikation "Opinion Giver", "Opinion Asker" und "Inactives" ein. Die Analyse der Kommunikationsprozesse zwischen Givers und Askers ergab, daß zwei Drittel aller Probanden, die anderen Personen Rat gegeben hatten, auch selbst bei anderen Rat suchen, vgl. Troldahl und Van Dam, 1966, S.628 und S.633. Die Inaktiven werden dagegen von interpersoneller Kommunikation kaum berührt, ebenda, S.628. Für alle drei Gruppen konnte allerdings die Erreichbarkeit durch Massenmedien nachgewiesen werden, ebenda, S.632.

154

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

asymmetrische Beziehungen unterhalten. 59 Hummrich hält vor allem die Trennung zwischen Austauschern und Nicht-Austauschern bedeutsam, da sie eine bessere segmentspezifische Steuerung durch das Marketing als die bisherige Unterscheidung in Meinungsfuhrer und Meinungsfolger ermöglicht. 6 0

5 9

6 0

Vgl. Hummrich, 1976, S.103. Symmetrische Beziehungen werden von sog. Austauschern unterhalten, asymmetrische Beziehungen von sog. Nicht-Austauschern. Austauscher geben sowohl Informationen ab und empfangen auch Informationen; Nicht-Austauscher sind passive Informationsempfänger, abhängige Informationsgeber, Informationssucher und sozial Isolierte. Dieses Modell ist allerdings bislang keiner empirischen Überprüfung unterzogen worden. Vgl. Hummrich, 1976, S.115f.

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

155

Wenngleich auch die Abkehr von der Vorstellung des "übermächtigen" Meinungsfuhrers positiv zu bewerten ist, so kann doch die Klassifikation der unterschiedlichen Austauscher angezweifelt werden. Es ist denkbar, daß die Austauschertypen sich lediglich durch eine graduelle und themenspezifische Meinungsführerschaft voneinander unterscheiden.61 Auch im Austauschmodell von Hummrich werden Zusammenhänge zwischen werblicher und interpersoneller Kommunikation nicht berücksichtigt. Dies ist aber erforderlich, um Aussagen über die relative Wirkung von interpersoneller im Vergleich zu werblicher Kommunikation zu treffen. Desweiteren mangelt es dem Modell auch an erklärenden Determinanten hinsichtlich des Entstehens und der Wirkung interpersoneller Kommunikation; ihre Kenntnis könnte dem Marketing aber Steuerungsmöglichkeiten verschaffen. Es bleibt festzuhalten, daß sich in der Kommunikationsforschung komplexere Vorstellungen über die Prozesse innerhalb interpersoneller Netzwerke durchgesetzt haben. Dies hat zu einer Neudefinition von interpersonellen "Beeinflussern" geführt. Die Dichotomisierung der Kommunikationstypen im Zwei-Stufen-Modell ist eine unzureichende Beschreibung der Realität. Mit der zunehmenden Differenziertheit konnte jedoch nicht die pragmatische Fragestellung beantwortet werden, wie man die besonders kommunikationsaktiven Segmente ansprechen, steuern und damit Multiplikatoreffekte nutzen kann. Aus der Kritik an den klassischen Modellen heraus soll im folgenden die Bezeichnung "graduelle Meinungsführer" für die Individuen gelten, die in besonderem Maße themenspezifisch kommunikationsaktiv sind und sowohl eine Ratgeber-Funktion als auch eine aktive Ratnehmer-Funktion einnehmen. 3.1.3. Mehrstufige Kommunikation Die Wirkungen werblicher Kommunikation treten meist im Verbund mit den Wirkungen interpersoneller Kommunikationsprozesse auf. Theoretisch aber auch methodisch ist eine Wirkungsabgrenzung von Massen- und persönlicher Kommunikation schwierig und methodisch bisher nur mangelhaft gelöst. 62 Hinsichtlich des Wirkungszusammenhanges und der Abgrenzung von interpersoneller und nichtpersönlicher Kommunikation gibt es wenig theoretische Überlegungen und sehr spärliche empirische Erkenntnisse. Dies 61

Vgl. hierzu auch Brüne, 1989, S.39.

6 2

Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.654.

156

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

gilt in besonderem Maße für die Wirkungsabgrenzung von werblicher persönlicher und interpersoneller Kommunikation. Auch den Rahmenbedingungen, die für das Entstehen von interpersoneller Kommunikation bedeutsam sind und unter denen interpersonelle Kommunikation in besonderem Maße entscheidungsrelevant wird, sind nur wenige Arbeiten gewidmet. Darüber hinaus ist auch weitestgehend ungeklärt, welche Beziehungen zwischen Informationsübertragung (Transmission) und Beeinflussung (Persuasion) bestehen.63 Die Konzepte der ein- bzw. zweistufigen Kommunikation scheinen als Erklärungsrahmen für das Zusammenwirken von Massen- und persönlicher Kommunikation aus den bereits o.a. Gründen ungeeignet, da insbesondere der Einfluß von Meinungsführern in der Vergangenheit stark überschätzt wurde. 64 Nur in wenigen Ausnahmefällen liegen asymmetrische Kommunikationsverläufe zwischen Meinungsführern und Meinungsfolgern vor. 6 5 Differenziert man die Mitglieder einer sozialen Gruppe in Informationsaustauscher und Nichtaustauscher, so lassen sich zwischen den Austauschern wechselseitige Informationsbeziehungen feststellen. 66 Jedes Mitglied dieser Gruppe entwickelt sowohl Informationsabgabe- als auch Informationssuchaktivitäten, wenngleich auch in unterschiedlichem Ausmaß. Empirisch konnten deutliche Unterschiede bislang nur im Informationsverhalten zwischen Austauschern und Nichtaustauschern nachgewiesen werden; Differenzierungen von Ratgebern und Ratnehmern erbrachten vergleichsweise geringe Unterschiede. Allerdings dürften hier auch methodische Unzulänglichkeiten eine Rolle spielen, da die Analyse der Kommunikationsbeziehungen zwischen den Austauschern nur in Kenntnis der Netzstruktur zwischen einer a priori definierten Personengruppe vorgenommen werden kann. 67

6 3 6 4

6 5 6 6

Vgl. Deutschmann und Danielson, 1960, S.355 sowie Robinson, 1976, S.308. Zur Kritik an den traditionellen Ansätzen der zweistufigen Kommunikationsmodelle vgl. Grefe und Müller, 1976, S. 4030; Wiswede,1976, S.122; Mayer und Schneider 1978, S.132; Rencksdorf 1973, S.177ff. und zusammenfassend Schenck, 1978, S.174ff. Vgl. Hummrich, 1976, S. 103. Vgl. Cerha, 1968, S.138; Schiffman und Caccione, 1974, S.54; Hensmann, 1980, S.398; Robinson, 1976, S.311; Koeppler, 1987, S.87; Gatignon und Robertson, 1985, S.865 und Hummrich, 1976, S.103 f.

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

157

In der Kommunikationsforschung läßt sich aber eine Neuorientierung zu einem Modell der mehrstufigen Kommunikation erkennen, wenngleich es bislang keine konkreten Modellansätze gibt. Unter mehrstufiger Kommunikation ist jener Vorgang zu verstehen, bei dem kommunikative Botschaften bzw. Informationen über mehrere Stufen und mehrere Kanäle zum einzelnen Individuum gelangen,68 wobei der Kommunikationsverlauf nicht nur in einer Richtung, sondern auch wechselseitig stattfinden kann. Informationen zum gleichen Sachverhalt können einerseits über die werbliche, insbesondere die Massenkommunikation, als auch über die zwischenmenschliche Kommmunikation bzw. über beide Kanäle gleichzeitig oder sukzessiv fließen. Hieran knüpft die vorliegende Untersuchung an. Mit dieser Vorstellung wird von einer Verkettung von Massen- und persönlicher Kommunikation einerseits und von einer Verkettung von einstufiger und zweistufiger Kommunikation andererseits ausgegangen. Unter Wirkungsgesichtspunkten führt die ergänzende Nutzung beider Kommunikationsformen (die sich sowohl verstärken als auch abschwächen können) zu einer Gesamtwirkung der Kommunikation beim Empfanger. Aufgrund der hohen Komplexität mehrstufiger Kommunikation scheint eine im Rahmen der vorliegenden Untersuchung vorzunehmende Einschränkung auf wesentliche Fragestellungen, deren Beantwortung lediglich wichtige Determinanten der mehrstufigen Kommunikation aufzeigen kann, zwingend. Für die Analyse der Struktur und der Wirkung mehrstufiger Kommunikation ergeben sich folgende zentrale Fragestellungen: (1) Welche Determinanten erklären die graduelle Meinungsführerschaft?

Kommunikationsnetze werden als Beziehungsgeflechte verstanden, die aufgrund wiederholender Kommunikationsakte zwischen Menschen aufgebaut werden und innerhalb derer sich Meinungs-, Einstellungs- und Verhaltensänderungen vollziehen, Haseloff, 1985, S.60. Die Netzposition bestimmt die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Mensch zum Ausgangspunkt sich ausbreitender Meinungen wird sowie die Häufigkeiten der Annahme bzw. Ablehnung von Rat und Empfehlung durch die Gruppe. Zentrale Netzpositionen verschaffen ein relatives Maximum an Informationen und kennzeichnen als Verdichtungszonen eine erhöhte Frequenz wechselseitiger Kommunikation auf der Grundlage dauerhafter, häufig aktualisierter und reziproker Beziehungen, Verdünnungszonen dagegen repräsentieren schwächere und seltenere Kommunikationsbeziehungen zwischen Menschen, Haseloff, 1985, S.61. 6 8

Vgl. Assael, 1984, S.423.

158

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

(2) In welchem Maße tragen graduelle Meinungsfuhrer zum Ausmaß interpersoneller Kommunikation bei? (3) Welche anderen Faktoren erklären hinreichend das Ausmaß interpersoneller Kommunikation? (4) In welchem Maße beeinflußt interpersonelle Kommunikation bestimmte psychische Konstrukte, insbesondere die fur die Berufsentscheidung wichtigen Größen wie das Personalimage, das Entscheidungsrisiko und die Bewerbungsabsicht? (5) Welche Unterschiede ergeben sich dabei im Vergleich der Wirkungen von werblicher und interpersoneller Kommunikation? (6) In welchem Maße kann werbliche Kommunikation des PersonalMarketing interpersonelle Kommunikation (positiv im Sinne der werblichen Zielsetzung) stimulieren? 3.2. Determinanten der graduellen Meinungsfuhrerschaft 3.2.1. Merkmale von Meinungsfuhrerschaft In der Vergangenheit wurde mit zahlreichen Studien der Versuch unternommen, charakteristische Merkmale von Meinungsfuhrern zu ermitteln, anhand derer sie identifiziert und als effizientes Segment werblicher Kommunikation angesprochen werden können. Das Ziel war die Errichtung eines Netzes von Persönlichkeitseigenschaften als Voraussetzung für eine segmentsspezifische Werbeplanung. 69 Auf die für die vorliegende Untersuchung wichtigen Befunde soll kurz eingegangen werden. Soziodemographische Merkmale haben sich nur dann als relevante Kriterien erwiesen, wenn sie einen gewissen Bezug zum Meinungsgegenstand aufweisen. 70 Bestimmte soziale Merkmale, wie Mobilität, 71 Geselligkeit (Mitgliedschaft in Vereinen, Verbänden und Organisationen)72 und insbeson-

6 9

7 0

71 7 2

Eine ausführliche Zusammenfassung der Ergebnisse findet sich bei Hummrich, 1976, S.58f. und Mayer und Schneider, 1978; S.4020ff. So konnten z.B. im Modebereich Meinungsführer lokalisiert werden, die eher jünger waren und einen gehobeneren beruflichen Status aufwiesen, vgl. Summers, 1970, S.179. Bei politischen Themen oder gesellschaftpolitischen Fragen weisen Meinungsführer einen höheren Bildungsstand auf, vgl. Eurich, 1977, S.4288; Robinson 1976, S.312; Kingdon, 1970. Vgl. Summers, 1970, S.180. Vgl. Katz und Lazarsfeld, 1955, S.227; Reynolds und Darden, 1971, S.450; Schrank und Gilmore, 1973; Armstrong und Feldman, 1976.

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

159

dere ein hohes Maß an sozialer Integration 73 sowie umfangreiche soziale Aktivitäten 74 , können als trennfahige Eigenschaften gelten. 75 Ein ausgeprägt unterschiedliches Mediennutzungsverhalten konnte demgegenüber nicht nachgewiesen werden. 76 Der Zusammenhang zwischen Meinungsführerschaft und Innovationsverhalten ist vielfach untersucht worden. Die meisten Autoren vertreten hierbei die Auffassung, daß Meinungsführer innovationsfreudiger als NichtMeinungsführer sind. 77 Innovatoren können aufgrund ihrer vergleichsweise frühen Entscheidung dann zu Meinungsfuhrern werden, wenn sie mögliche Dissonanzen im Anschluß an ihre Entscheidung abbauen wollen und hierzu interpersonelle Kommunikationsprozesse initiieren. 78 Die Gespräche mit anderen über die getroffene Entscheidung dienen in einem solchem Fall hauptsächlich der Bestätigung der eigenen Entscheidung. Meinungsführer sind jedoch nur innerhalb gewisser Grenzen auch Innovatoren. Diese Grenzen werden durch das Werte- und Normensystem der sozialen Bezugsgruppe vorgezeichnet. Da der Meinungsfuhrer ein hohes Maß an Gruppenkonformität aufweist, kann er nur dann besonders innovationsfreudig sein, wenn in seiner Primärgruppe ein entsprechendes (innovationsfreundliches) Werte- und Normenklima herrscht. Andererseits hemmt ein konservatives Klima die Annahme und weitere Verbreitung von Neuerungen durch den Meinungsfuhrer. Sind jedoch Innovatoren gleichzeitig Meinungsführer, nehmen sie aus Sicht des Marketing eine doppelt wichtige Rolle ein. 7 9

7 3

7 4

7 5

7 6

7 7

Vgl. Reynolds und Darden, 1971, S.451; Schrank und Gilmore, 1973, S.539; Wilkie, 1986, S.161. Vgl. Summers, 1971, S.180; Reynolds und Darden, 1971, S.450; Schiffman und Gaccione, 1974, S.50ff.; Armstrong und Feldman, 1976, S.25; Rogers, 1973, S.292; SPIEGEL-VERLAG, 1983, S.24ff. Die Unterschiedlichkeit der angewandten Operationalisierungen verbietet allerdings eine Generalisierbarkeit der Befunde. Sie wird desweiteren auch deshalb eingeschränkt, weil die meisten Studien auf einige wenige Produkt- bzw. Meinungsbereiche beschränkt waren. Im Modebereich konnte dies für die Nutzung von Haus- und Frauenzeitschriften nachgewiesen werden, vgl. Reynolds und Darden, 1971, S.455. Im Konsumgüterbereich stellten Corey, 1971, S.51 und Amstrong und Feldman, 1976 S.23ff. entsprechende Zusammenhänge fest. Vgl. auch Kingdon, 1970, S.260; GRUNER und JAHR Verlag, 1971, S.136; Ostlund, 1973, S.607; Schiffman und Gaccione, 1974, S.50ff; Robinson, 1976, S.312; Eurich, 1977, S.4290; Robinson und Levy, 1986, S.170ff. Vgl. Robertson und Myers, 1969, S. 167; Summers, 1970, S. 183; Darden und Reynolds, 1972, S.326f.; Myers und Robertson, 1972, S.43.

7 8

Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. 3.3.2.2.1 zu den Motiven der Initiierung der Informationsabgabe.

7 9

Vgl. Baumgarten, 1975, S.17f.

160

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Empirischen Befunden zufolge weisen Meinungsfuhrer eine gegenüber Meinungsfolgern höhere Risikofreudigkeit auf. 8 0 Dabei beschränkt sich dieser Zusammenhang nicht nur auf den meinungsfuhrenden Bereich. Es konnte festgestellt werden, daß Meinungsfuhrer fur vielfaltige Bereiche geringere Entscheidungsrisiken als andere wahrnehmen. Hieraus kann auf einen möglichen Zusammenhang mit dem ausgeprägten Innovationsverhalten von Meinungsfuhrern geschlossen werden, da gering wahrgenommene Risiken den Entscheidungsprozeß beschleunigen. In jüngerer Zeit ist der Zusammenhang zwischen der Meinungsführung und der Leistungsmotivation untersucht worden. 81 Die Leistungsbereitschaft wird als Bestimmungsgröße der Persönlichkeitsstärke - die wiederum nach Auffassung der Autoren mit dem meinungsfuhrenden Verhalten korrespondiert - angenommen. Allerdings liegen hierzu keine weiteren vergleichbaren Ergebnisse vor. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Erkenntnisse zu charakteristischen Merkmalen eher spärlichen Umfangs sind. Für jene Merkmale, für die einigermaßen gesicherte Zusammenhänge über die Unterschiede zwischen Meinungsfuhrern und Nicht-Meinungsführern vorliegen, können folgende Hypothesen formuliert werden: (H 3.1) Meinungsfuhrer

weisen ein höheres Maß an Geselligkeit

auf

(H 3.2) Meinungsführer

sind innovationsfreudiger

(H 3.3) Meinungsführer auf.

weisen ein geringeres

(H 3.4) Meinungsführer

weisen ein höheres Maß an Leistungsbereitschaft

als Nicht-Meinungsfiihrer.

(generelles)

Risikobewußtsein

In neuerer Zeit hat man sich verstärkt der Frage zugewandt, welche psychischen Konstrukte und sozialspychologischen Einflußgrößen für das Phänomen der Meinungsführerschaft von Relevanz sind. Hierbei spielt insbesondere das Informationsverhalten eine wichtige Rolle. 3.2.2. Informationsverhalten und Meinungsführerschaft Hinsichtlich der Frage, welche Ursachen für das Informationsabgabeverhalten von Meinungsfuhrern maßgeblich sind, muß zunächst die eigenständige, vom Meinungsführer initiierte Abgabe von der durch den Rat8 0

Vgl. Baumgarten, 1975, S.20f.; Robertson und Myers, 1969, S.270ff.

81

Vgl. Institut für Demoskopie, 1988.

auf

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

161

suchenden initiierten Abgabe unterschieden werden. Darüber hinaus kann die Informationsabgabe auch "zufallig", d.h. aufgrund spezifischer situativer Faktoren, entstehen.82 Hinsichtlich der Erklärung der Motive, die ein Individuum zur Informationsabgabe veranlassen, kann der Involvement-Ansatz,83 auf den bereits im Abschnitt zu den Steuerungstechniken interpersoneller Kommunikation eingegangen wurde, angeführt werden. Den Ergebnissen verschiedener Studien zufolge scheinen Meinungsführer sich aufgrund eines stärkeren Informationsinteresses, einer aktiveren Informationssuche und eines intensiven Informationsabgabeverhaltens gegenüber "Nicht-Meinungsführern" zu profilieren. Insofern sind sowohl aktivierende als auch kognitive Prozesse für die Meinungsführung von Bedeutung. Aus den Erkenntnissen zu den psychischen Bestimmungsgrößen des Konsumentenverhaltens ist bekannt, daß hinsichtlich des Informationsverhaltens motivationale und kognitive Determinanten zu unterscheiden sind. 84 Für den unterschiedlichen Ablauf der Informationsaufhahme ist u.a. die Art und Intensität der zur Wirkung kommenden Antriebskräfte von Bedeutung. Als wesentliche Antriebskräfte gelten die persönlichen Informationsneigungen bzw. das Informationsinteresse und die in der Entscheidungssituation entstehenden Konflikte. Letztere äußern sich durch die Entstehung wahrgenommenen Risikos. Die Untersuchungsergebnisse der Meinungsführer-Forschung zeigen, daß Meinungsfuhrer sich sowohl durch ein stärkeres Interesse als auch durch eine intensivere Informationssuche von Nicht-Meinungsführern unterscheiden.85 Aber auch kognitive Konflikte als Motiv der Informationssuche scheinen von Bedeutung zu sein. Befunden zufolge suchen Meinungsführer Informationen, um (1) ihren Informationsstand zu erhöhen und (2) ihre Meinung bzw. ihre

8 2

Die Einflußgrößen, die bei der durch den Ratsuchenden initierten Informationsabgabe relevant sind, werden im nachfolgenden Abschnitt behandelt.

83

Vgl. Hummrich, 1976, S.130ff. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.226f. Der Zusammenhang zwischen Interesse und Informationssuche wurde von Reynolds und Darden (1971, S.450) nachgewiesen. Eurich (1976, S . l l ) stellte ein wesentlich größeres Sachinteresse von Meinungsführern in politischen Themenbereichen und eine entsprechende intensivere Mediennutzung fest. Beides korrespondierte mit einem höheren Informiertheitsgrad. Saunders et al. (1974, S.222) untersuchten das Informationsverhalten von Meinungsführern. Hinsichtlich der Informationübertragung, die in Informationsaustausch, Informationsabgabe und Informationsuche differenziert wurde, ergaben sich bei Meinungsführern im Vergleich zu anderen signifikante Unterschiede. Meinungsführer zeichnen sich durchweg als informationsaktiver aus. Vgl. auch Kingdon, 1970, S.65; Montgomery und Silk, 1971, S.318; Placek, 1974, S.558; Robinson, 1976, S. 304ff; Levy, 1978, S.401f.

8 4 85

11 Beba

162

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Einstellung zu erhärten. 86 Das Interesse kann deshalb als wichtige Bestimmungsgröße charakterisiert werden. Begrifflich wurde es bereits als generelles - also von tatsächlichen Entscheidungsprozessen unabhängiges - Involvement im Hinblick auf einen Themenbereich aufgefaßt. 87 In Abgrenzung zum Produkt-Involvement stellt das generelle Involvement einen auch bereits vor der unmittelbaren Entscheidungssituation bestehenden allgemeinen Zustand der Ich-Beteiligung dar. Auf Eigenschaften bzw. auf Objekte, Personen oder Themen gerichtete Interessen äußern sich in einer besonderen Sensibilisiertheit oder in emotionaler Betroffenheit der betreffenden Person; sie beschäftigt sich häufiger mit dem Gegenstand ihres Interesses. Zusammenfassend kann folgende Hypothese aufgestellt werden: (H 3.5) Das Ausmaß des generellen Interesses stellt eine Bestimmungsgröße der graduellen Meinungsführerschaft dar. Durch eine Verankerung oder Verfestigung des Interesses an einem bestimmten Thema wird die subjektive Wichtigkeit von Eigenschaften bzw. von Informationen zu bestimmten Themen verstärkt; hierdurch können bestimmte verhaltensrelevante Auswirkungen eintreten. 88 Hohes Interesse zieht im allgemeinen verstärkte Informationsbeschaffungsaktivitäten nach sich. Beides kann zu vermehrten spezifischen Kenntnissen des Meinungsführers fuhren, insbesondere auch deshalb, weil aufgrund der hohen Involviertheit Informationen besser verarbeitet und gespeichert werden können. 89

8 6

Levy untersuchte die motivationalen Bestimmungsgrößen des Informationsverhaltens von Meinungsführern. Mittels Faktorenanalysen konnte er zeigen, daß bei Meinungsfuhrern eine ausgeprägte kognitive Orientierung (Gewinnung von Sachinformationen) und eine stärkere Involviertheit in der Informationsgewinnung und Mediennutzung vorliegt, während bei Nicht-Meinungsführern eine geringere kognitive Orientierung, aber ein stärkeres Bestätigungsstreben (Erlangung von Sicherheitsgefühlen, Situationsbestätigung) als Antriebskraft für das Informationsverhalten zum Tragen kommt. Vgl. Levy, 1978, S.402.

8 7

Vgl. Day, 1974, S.131 und Corey, 1971, S.50f. Vgl. Steffenhagen, 1984, S.46; Day, 1974, S.131; Muncy und Hunt, 1984, S.193. Der Auffassung, daß das Wissen das Ergebnis hohen Involvements darstellt, wird entgegengehalten, daß sowohl das Interesse als auch das Wissen Dimensionen des Involvements darstellen, vgl. Summers, 1970, S.182f. Mit der Trennung beider Konstrukte wird aber dem Verständnis des Involvements als generelle Bereitschaft des Individuums, aktiv zu werden, stärker Rechnung getragen.

8 8

8 9

. Intepersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

163

Das ausgeprägte Interesse des Meinungsführers scheint unmittelbar mit seiner persuasiven Wirkung bei seinen Meinungsfolgern verknüpt zu sein. 90 Im Rahmen der Weitervermittlung von Informationen erfährt er eine große Wertschätzung durch seine Gesprächspartner, die den Meinungsfuhrer zu weiteren Aktivitäten stark motiviert bzw. sein Interesse an dem meinungsführenden Thema dauerhaft aufrechterhält. Zusätzlich wirkt die Bewußtheit der Meinungsführerschaft motivierend (im Sinne sozialer Kompetenz) für die weitere Informationsbeschaffung. Hohe Involviertheit kann als Voraussetzung fur ein relativ umfangreiches themenbezogenes Wissen angesehen werden. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß sich Meinungsfuhrer aufgrund eines stärkeren themenspezifischen Involvements und einer damit zusammenhängenden intensiveren und stärker kognitiv orientierten Informationssuche von Nicht-Meinungsführern unterscheiden. Hohes Involvement, verbunden mit einer stärker kognitiv orientierten Informationssuche, fördert das Speichern von Informationen. Insofern kann von einem höheren themenspezifischen Kenntnisstand bei Meinungsführern ausgegangen werden. (H 3.6) Meinungsführer stand auf

weisen einen höheren themenspezifischen

Kenntnis-

Ein hoher themenspezifischer Kenntnisstand übt einen positiven Einfluß auf das Ausmaß der von den Gesprächspartnern wahrgenommenen Kompetenz und somit auf die Glaubwürdigkeit von Meinungsführern aus. Verbunden mit der Bereitschaft, über den Themenbereich mit anderen zu sprechen, kann der Meinungsführer in seinem sozialen Umfeld Kompetenz erlangen. Dabei ist die zeitliche Stabilität der wahrgenommenen Kompetenz eine wichtige Voraussetzung fur die persuasive Wirkung des Meinungsführers. 91 Neben der Kompetenz spielt auch die Vertrauenswürdigkeit, die der Meinungsführer bei anderen genießt, eine Rolle. Unter Vertrauenswürdigkeit versteht man die wahrgenommene Verläßlichkeit des Kommunikators bezüg-

9 0

Brüne vertritt die Auffassung, daß das Involvement sich aus dem Interesse als affektive Komponente, dem Wissen als kognitive Komponente und der Bereitschaft, über den Produktbereich zu sprechen, als konative Komponente zusammensetzt, Brüne, 1989, S.119f.

91

Brüne schließt daraus, daß hohes Interesse die Voraussetzung für die zeitliche Stabilität der Kompetenz sei, vgl. Brüne, 1989, S.120. Dem ist entgegenzuhalten, daß die von anderen wahrgenommene Kompetenz des Meinungsführers möglicherweise bereits zu einem erheblich früheren Zeitpunkt entstanden ist und das aktuelle Interesse sich auf gänzlich andere Bereiche bezieht. Dennoch kann das Ausmaß wahrgenommener Kompetenz sehr hoch sein.

164

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

lieh des Wahrheitsgehaltes der Aussagen.92 Die wahrgenommene Kompetenz und die zugebilligte Vertrauenswürdigkeit sind bereits an anderer Stelle als zentrale Faktoren der Glaubwürdigkeit charakterisiert worden. Als besonders interessanten Ansatzpunkt fur das Marketing wurde bereits das Medien-Involvement charakterisiert. Hierunter soll hier die involvierende (besser: aktivierende) Wirkung der werblichen Kommunikation auf das Informationsverhalten des Individuums verstanden werden. 93 Die Auslösung der persönlichen Kommunikation ist dabei nicht ausschließlich auf den Themengegenstand zurückzufuhren, 94 sondern auch auf die Art und Weise, in der dafür geworben wird. 9 5 Als wichtiger Indikator hierfür kann das Ausmaß der durch den Kommunikationsvorgang vermittelten emotionalen Erlebnisse gelten; 96 hierauf wird in Abschn.D.I. noch näher eingegangen. Bezogen auf die o.a. Zusammenhänge kann vermutet werden, daß das Ausmaß emotionalen Erlebens der werblichen Kommunikation die Informationsabgabe motiviert. (H 3.7) Das Ausmaß des emotionalen Erlebens der werblichen Kommunikation beeinflußt positiv das Informationsabgabe-Verhalten von Meinungsführern.

9 2

9 3

9 4 9 5

9 6

Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.501. Die Determinanten der Vertrauenswürdigkeit können nicht eindeutig isoliert werden. Gatignon und Robertson (1986, S.845f.) nennen als Bestimmungsgröße zum einen die wahrgenommene Attraktivität des Kommunikators, die sich aus dem Prestige und der physischen Attraktivität zusammensetzt. Zum anderen unterscheiden sie die Bindungsstärke, die sich wiederum aus der Häufigkeit der Interaktionen und der Ähnlichkeit des einzelnen mit dem Kommunikator ableiten läßt. Dichter bezieht sich in diesem Zusammenhang stärker auf die Inhalte einer Werbebotschaft, vgl. Dichter, 1966, S. 151 f. Es erscheint aber im Rahmen der vorliegenden Arbeit zweckmäßig, die involvierende Wirkung der werblichen Kommunikation zu betrachten. Vgl. Brüne, 1989, S.21; Hummrich, 1976, S.133f. Bei einem Werbekontakt spielen für die Informationsaufnahme nicht nur die subjektive Bedeutung des Objekts und die persönliche Bindung (Produkt-Involvement und Ego-Involvement) eine Rolle, sondern auch die involvierende Wirkung aufgrund der Kommunikationsweise. So kann werbliche Kommunikaton das Produkt- oder das Ego-Involvement des Empfangers anregen, andererseits aber auch das Informationsabgabeverhalten (ohne das ein besonders hohes Produkt-Involvement vorliegt) unmittelbar stimulieren. Vgl. hierzu Mühlbacher, 1982, S.197ff. Ist das Produkt-Involvement schwach ausgeprägt, kommt es in erster Linie auf die aktivierende Wirkung des Werbemittels an, vgl. Mühlbacher, 1982, S. 203ff. und die dort zitierte Literatur. Vgl. Steffenhagen, 1984, S.88.

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

165

3.2.3. Motivationale Determinanten des Informationsverhaltens von Meinungsfuhrern Nach der Theorie der kognitiven Dissonanz versucht ein Individuum Dissonanz, als ein Zustand des inneren Ungleichgewichts verstanden, zu vermeiden bzw. einen Zustand des Gleichgewichts wieder zu erreichen. 97 Dissonanz entsteht, wenn kognitive Systeme, wie Einstellungen oder Wissensinhalte, in ungleichgewichtiger Beziehung stehen, z.B. wenn widersprüchliche Informationen empfangen werden. Tritt Dissonanz vor einer Kaufentscheidung auf, so nimmt das Individuum ein Risiko wahr; Dissonanz und wahrgenommenes Risiko können dann gleichermaßen als Einflußfaktoren einer weiteren Informationssuche gelten. 98 Tritt Dissonanz während oder insbesondere nach einer Entscheidung auf, so sucht das Individuum den Gleichgewichtszustand mit verschiedenen Techniken zu erreichen, wobei es als interne Reaktion Entscheidungsargumente selektiv verarbeiten und als externe Verhaltensweise Informationen autonom abgeben und so eine wechselseitige Kommunikation initiiert werden kann. Mit der Auswahl und Darbietung der Argumente zielt der Informationsgeber auf eine Bestätigung seiner Entscheidung durch den Gesprächspartner ab. Das Ausmaß von Dissonanzen kann deshalb als verantwortlich für das Ergreifen einer Kommunikationsinitiative angesehen werden. Hohe Dissonanzen beeinflussen positiv das interpersonelle Kommunikationsverhalten (von Ratgebern und auch von Ratnehmern): (H 3.8) Das Ausmaß wahrgenommener Dissonanz beeinflußt Informationsabgabe-Verhalten von Meinungsführern.

positiv

Den vorliegenden empirischen Befunden zufolge zeichnen sich Meinungsfuhrer nicht nur durch ein geringeres generelles Risikobewußtsein, sondern auch durch ein geringer ausgeprägtes themenspezifisches Risiko aus. 99 Im vorangegangenen Abschnitt wurde bereits auf den Zusammenhang zum Innovationsverhalten hingewiesen. Das wahrgenommene Risiko kann als psychische Inkonsistenz, als Unsicherheit über die wahrgenommenen möglichen Folgen einer Entscheidung

9 7 9 8 9 9

Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.174ff. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.529. Vgl. Baumgarten, 1975, S.20f.; Robertson und Myers, 1969, S.164ff.

das

166

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

und über den Eintritt dieser Folgen aufgefaßt werden, der das Individuum u.a. durch extensives Informationsverhalten zu entgehen versucht. 100 Das Ausmaß des wahrgenommenen Risikos korrespondiert auch mit der Fortgeschrittenheit des Entscheidungsprozesses. In fortgeschritteneren Entscheidungsstadien kann eine höhere Risikowahrnehmung vermutet werden, was wiederum zu einem veränderten Informationsverhalten fuhrt. Dies äußert sich dann in einer verstärkten Beschaffung von Informationen bei persönlichen Kommunikatoren. 101 In Situationen mit hohem wahrgenommenen Risiko bzw. unter Entscheidungsunsicherheit suchen und berücksichtigen Individuen stärker Informationen aus der Bezugsgruppe. 102 Da meinungsführende Personen in geringerem Maße Unsicherheiten empfinden, wenden sich die Individuen der Bezugsgruppe insbesondere an sie. Hinsichtlich der Beziehung zum Informationsabgabe-Verhalten kann deshalb folgende Hypothese formuliert werden: (H 3.9) Je geringer das Ausmaß des wahrgenommenen Risikos, desto stärker ist die graduelle Meinungsfuhrerschaft ausgeprägt. 3.3 Kommunikantenbezogene Determinanten Zwischen Austauschern liegen wechselseitige Informationsbeziehungen vor, wobei dieser Prozeß nicht nur auf autonomes Informationsabgabe-, sondern auch auf das Informationssuchverhalten zurückführbar ist. Dies setzt allerdings ein Informationsbedürfhis des Individuums voraus. 103 Dies kann einerseits auf ein besonders ausgeprägtes generelles Interesse bzw. Involvement bezüglich eines bestimmten Themenbereichs zurückgeführt werden, das aber im Vergleich zu den Meinungsführern - bei Ratsuchern sowohl dauerhafter als auch kurzfristiger Natur sein kann. Zum zweiten können in der Informations- oder Entscheidungssituation Unsicherheiten bzw. Dissonanzen bei dem Individuum auftreten, die zur Informationssuche motivieren. Bei Überschreiten einer bestimmten Toleranzschwelle versuchen Individuen das von ihnen wahrgenommene Risiko zu 100 Ygj h i e r z u insbesondere die ausführliche Auflistung von Quellen empirischer Befunde bei Mühlbacher, 1982, S.45. 101 Vgl. Cunningham, 1967, S.272 und Arndt, 1970, S.112ff. Unsicherheiten bei der Entscheidung und somit das Ausmaß des wahrgenommenen Risikos können als wichtige Einflußfaktoren für die Inanspruchnahme persönlicher Kommunikationsquellen gelten. 1 0 2

Vgl. Assael, 1984, S.347.

103

Vgl. Hummrich, 1976, S.135.

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

167

reduzieren. Hierbei können Techniken zur Verringerung nachteiliger Konsequenzen und Techniken des Informationsverhaltens unterschieden werden. 104 Letztere sind zum einen Strategien der subjektiven Informationsverabeitung. Darunter ist die Umdefinition bereits vorhandener Informationen zu verstehen. Zum anderen können auch Strategien der Informationssuche zum Tragen kommen, indem das Individuum risikoerhöhende Informationen vermeidet oder risikoreduzierende Informationen sucht. Hierbei spielt die interpersonelle Kommunikation eine bedeutende Rolle. 1 0 5 In persönlichen Gesprächen mit kompetenten und vertrauenswürdigen Personen über den Gegenstand des Risikos kann einerseits das Risiko reduziert und andererseits Aufschluß darüber gewonnen werden, welche Konsequenzen die beabsichtigte Entscheidung fur sein Sozialprestige haben könnte. Das Individuum kann so auch sein sozial-psychologisches Risiko reduzieren. 106 Der Zusammenhang zwischen dem wahrgenommenen Risiko und dem Ausmaß interpersoneller Kommunikation wurde empirisch mehrfach bestät i g t . 1 0 7 Bezieht man auch Risiken mit ein, die in Situationen nach einer Entscheidung auftreten, so wird der Zusammenhang zwischen dem wahrgenommenen Risiko und der kognitiven Dissonanz offensichtlich. Wahrgenommene "Nachkauf"-Risiken können zu kognitiven Konflikten führen, die durch gezielte Suche nach entscheidungsbestätigenden Informationen reduziert werden können, um hierdurch die Entscheidungen zu rechtfertigen. 108 Ein weiteres Motiv liegt in dem Bestreben, den Gesprächspartner von den positiven Entscheidungsaspekten zu "überzeugen". Dies kann wiederum zur Bestätigung der eigenen Entscheidung fuhren, wenn der Gesprächspartner positive Resonanz zeigt. Darüber hinaus steht diese Überzeugungsarbeit im Zusammenhang mit der Strategie zur selektiven Informationsverarbeitung; das Individuum macht sich die entscheidungsbestätigenden und somit dissonanz1 0 4

105 106 1 0 7 108

Im Absatzmarketing wird die Produkttreue vielfach als Wirkung wahrgenommenen Risikos bzw. als Bestreben des Konsumenten, Risiken zu kontrollieren, angesehen. So greifen Konsumenten, falls sie bei regelmäßigen Käufen der gleichen Marke ein Risiko wahrnehmen, auf die zurückliegenden Konsumerfahrungen zurück, um das Risiko auf einem kontrollierbaren und akteptablen Niveau zu halten; vgl. Weinberg, 1977, S.79. sowie Kroeber-Riel, 1984, S.363 und die dort zitierte Literatur. Vgl. Katz, 1983, S.79f und Kroeber-Riel, 1984, S.254. Vgl. Brüne, 1989, S.23 und die dort zitierte Literatur. Vgl. Gemünden, 1985, S.30ff. Der Zusammenhang zwischen dem wahrgenommenen Risiko und dem Ausmaß kognitiver Dissonanzen besteht darin, daß die nachteiligen Folgen, die das Individuum nicht vorhersehen kann, Ausdruck eines auf kognitiver Einschätzung beruhenden Konfliktes sind, der als Form der Vor-Entscheidungsdissonanz interpretiert werden kann. Kroeber-Riel, 1984, S.360.

168

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

reduzierenden Argumente im persönlichen Gespräch noch einmal bewußt. Aus diesem Zusammenhang heraus erscheint auch der Rollenwechsel zwischen Austauschern, also Informationsgebern und -suchern, erklärbar. Gerade bei den interpersonellen Kommunkationsprozessen, die aus dem Motiv der Dissonanzreduktion heraus initiiert werden, kann ein häufiger Rollenwechsel vom Informationssucher zum Informationsgeber vermutet werden. Ebenso wie fur die Informationsabgabe kann auch fur die Informationssuche das Medien-Involvement als Anstoß fur die interpersonelle Kommunikation gelten. Der unterstellte Zusammenhang zwischen dem Ausmaß emotionalen Erlebens und interpersoneller Kommunikation kann insofern auch fur die Informationssuche vermutet werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß als Antriebskräfte der Suche nach Informationen aus dem persönlichen Umfeld das generelle Involvement, das wahrgenommene Risiko, das Ausmaß kognitiver Dissonanzen und das Medien-Involvement gelten können. Das wahrgenommene Risiko kann darüber hinaus auch den Rollenwechsel zwischen Informationsgebern und -nehmern begründen. Somit können folgende Hypothesen formuliert werden: (H 3.10) Das Ausmaß des generellen Interesses beeinflußt positiv die Informationssuche im persönlichen Umfeld. (H 3.11) Das Ausmaß des wahrgenommenen Risikos beeinflußt positiv das Ausmaß der Informationssuche im persönlichen Umfeld. (H 3.12) Das Ausmaß wahrgenommener Dissonanzen beeinflußt positiv das Ausmaß der Informationssuche im persönlichen Umfeld. (H 3.13) Das emotionale Erleben werblicher Kommunikation beeinflußt positiv das Ausmaß der Informationssuche im persönlichen Umfeld. Neben den genannten intrapersonalen Einflußgrößen für das Zustandekommen und die Wirkung interpersoneller Kommunikation sind darüber hinaus auch interpersonale Determinanten maßgeblich. Sie sollen im folgenden Abschnitt erläutert werden. 3.4. Soziale Determinanten Mit verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, daß Meinungsführer sich nur wenig von anderen Gruppenmitgliedern hinsichtlich bestimmter genereller

III. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

169

Persönlichkeitseigenschaften unterscheiden. Andererseits haben sich aber bestimmte soziale Merkmale als diskriminierungsfähig erwiesen. Meinungsfuhrer sind in besonderem Maße sozial integriert, 109 zeichnen sich durch vermehrte soziale Kontakte und Aktivitäten aus 1 1 0 und orientieren sich sehr stark an den Gruppennormen. 111 Umfangreiche soziale Kontakte und Aktivitäten (z.B. Vereinsmitgliedschaften) kennzeichnen - wie bereits weiter oben ausgeführt - Geselligkeit; die Intensität und die Häufigkeit sozialer Kontakte und Aktivitäten kennzeichnen das Ausmaß der Geselligkeit. 112 Umfangreiche und intensive soziale Aktivitäten können deshalb als Voraussetzung für das Ausmaß sozialer Integration gelten. Der Zusammenhang zwischen dem Informationsverhalten und dem Ausmaß sozialer Integration kann wie in Abb. 3.4 dargestellt werden. Diese Klassifikation nimmt auf das Austauschermodell Bezug, da das Kommunikationsverhalten hinsichtlich des Ratgebens (Meinungsführerschaft) und des Ratnehmens (Informationssuche) unterschieden wird. Zu (graduellen) Meinungsfuhrern können demnach Individuen gerechnet werden, die in hohem Maße ratgeben und ratnehmen (sozial Integrierte) bzw. in hohem Maße ratgeben, aber nur geringe Informationssuchaktivitäten entfalten (sozial Unabhängige). Sozial isolierte Individuen sind dagegen kaum am Informationsaustausch, also weder als Ratgeber noch als Ratnehmer, beteiligt. 113 Sozial abhängige Personen suchen zwar selbst intensiv Informationen bei anderen, können aber aufgrund geringer Integriertheit nur in geringem Maße Informationen weitergeben. Das Streben nach sozialer Integration kann auch als Motiv aufgefaßt werden, welches für das Ausmaß sozialer Interaktion (Ratgeben und Ratnehmen) des Individuums mit seiner Referenzgruppe verantwortlich i s t . 1 1 4 Der Umfang sozialer Aktivitäten und die Interaktionsfrequenz können als Indikatoren eines generellen Grades sozialer Integration aufgefaßt werden. Desweiteren spielt auch die Attraktivität des Kommunikators, also seine Anziehungskraft, Sympathie, die ihm entgegengebracht wird, und die wahr109

Vgl. Reynolds und Darden, 1971, S.451; Koeppler, 1987, S.45; Wilkie, 1986, S.161. 1 1 0 Vgl. Katz und Lazarsfeld, 1955, S.227; Summers, 1970, S.180. 111 1 1 2 113

1 1 4

Vgl. Rogers und Cartano, 1962, S.437. Vgl. Vgl. Kaas, 1973, S.44. Diese Erkenntnisse wurden erstmals aus der Drug-Studie von Coleman, Katz und Menzel abgeleitet, nach denen ein positiver Zusammenhang zwischen dem Grad der sozialen Integration von Ärzten und dem Zeitpunkt der Übernahme eines neuen Medikamentes durch andere Ärzte festgestellt wurde, vgl. Katz et al. 1957, S.264ff. Vgl. hierzu Wilkie, 1986, S.161f.

170

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

genommene Ähnlichkeit fur den Grad der Integriertheit eine Rolle. Diese Größen kennzeichnen die Stärke der interpersonellen Bindung zwischen Ratgebern und - n e h m e r n . 1 1 5 Interaktionshäufigkeit und Bindungsstärke beeinflussen die Glaubwürdigkeit des Kommunikators.

MEINUNGSFÜHRERSCHAFT

niedrig

gering

hoch

Soziale Isoliertheit

Soziale Unabhängigkeit

Θ

Θ

Soziale Abhängigkeit

Soziale Integriertheit

©

Θ

Informationssuche

stark

M j

=

geringe Involiertheit, geringes Interesse an Information Anderer, kein Einfluß der OL

(J)

=

beeinflussen Andere, werden selbst kaum beeinflußt

(J)

=

beeinflussen kaum Andere, werden selbst stark beeinflußt

=

beeinflussen Andere, suchen aktiv Informationen

Abb. 3.4 Informationsverhalten und soziale Integration

115

Gatignon und Robertson, 1985, S.536.

. Intepersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

171

Zusammen mit den im vorangegangenen Abschnitt aufgeführten Informationssuch-Motiven können die interpersonalen Faktoren in Anlehnung an die Erkenntnisse der Bezugsgruppentheorie 116 in einem System der Bestimmungsgrößen des interpersonellen Einflusses zusammenfaßt werden: (1) Erfahrungs- und Informationsstand des Empfängers zum Thema, (2) Grad der Fixiertheit des Einstellungssystems des Empfängers, 117 (3) Unsicherheit des Empfängers, 118 (4) Bedeutung des Meinungsgegenstands für den Empfänger, 119 (5) Bisheriger Erfolg des Kommunikators bezüglich des Meinungsgegenstandes, (6) vom Empfänger wahrgenommenes Kompetenzgefälle zum Meinungsführer, 120 (7) Ähnlichkeit des Kommunikators, insbesondere der Wertevorstellungen, (8) Attraktivität des Kommunikators, (9) vom Empfänger wahrgenommene Intensität der Sanktionsmöglichkeiten sowie (10) Häufigkeit der Interaktion. Die Faktoren (7) bis (10) geben das Ausmaß sozialer Integration innerhalb der Bezugsgruppe wieder. Hieraus erwachsen dem Individuum Möglichkeiten zur Ausübung von Einfluß auf seine Bezugsgruppe.121 Dieser Aspekt soll 116

Vgl. Brüne, 1989, S.110 in Anlehnung an Wiswede, 1978, S.llóff.

1 1 7

Sind bereits umfangreiche Informationen vorhanden und in sich widerspruchsfrei, kann dies zu einer stabileren Einstellung führen. Dies erschwert allerdings die Beeinflussung des Empfangers. 118 Hierunter können sowohl das wahrgenommene Risiko als auch die Dissonanz gefaßt werden. 119

Hierunter ist das generelle Interesse bzw. das Involvement des Empfangers zu verstehen. 1 2 0 (5) und (6) beschreiben die wahrgenommene Kompetenz des Kommunikators. Man kann davon ausgehen, daß die zweite Dimension der Glaubwürdigkeit, die Vertrauenswürdigkeit, in Primärgruppen als gegeben angesehen werden kann, vgl. auch Brüne, 1989, S.112. Hat der Kommunikator bereits auf ähnlichen Meinungsgebieten erfolgreich gewirkt, kann im Zuge der Kompetenzgeneralisierung ihm eine ähnlich hohe Kompetenz für den aktuellen Meinungsgegenstand zugebilligt werden. 121

Vgl. Brüne, 1989, S.128.

172

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

kurz vertieft werden, wobei es sinnvoll erscheint, eine begriffliche Abgrenzung von Bezugsgruppen vorzunehmen. Im allgemeinen sind Bezugsgruppen solche Gruppen, an denen sich ein Individuum hinsichtlich seines Verhaltens und seiner Meinung orientiert. 122 Generell orientieren sich Personen an mehreren Bezugsgruppen, z.B. auch an solchen, denen sie gerne angehören würden. 123 Zweckmäßig fur die vorliegende Arbeit erscheint die Beschränkung auf solche Bezugsgruppen, die auch Primärgruppen fur das Individuum darstellen, da sich vorwiegend hier interpersonelle Kommunikation entfaltet. 124 Bezugspersonen gehören derselben Gruppe wie das sich an ihnen orientierende Individuum an. Hierdurch wird eingeschränkt, daß nur die Bezugspersonen und -gruppen relevant sind, mit denen sich regelmäßige, persönliche und nicht nur zufällige Kontake ergeben und an denen sich das Individuum in seinen entscheidungsrelevanten Meinungen und Verhaltensweisen orientiert. 1 2 5 Innerhalb der Bezugsgruppe wird zusammen mit anderen sozialen Einflüssen ein Anpassungsdruck auf das Individuum ausgeübt, der auf Konformität zielt und mit negativen oder positiven sozialen Sanktionen erreicht werden kann. 1 2 6 Die Einflüsse, die Bezugspersonen auf Individuen ausüben, können aber unterschiedlicher Natur sein, je nachdem, welche Funktion die Bezugsperson oder -gruppe für das Indiviuum einnimmt. Zur Erklärung scheint eine Differenzierung in normative, komparative und informative Funktionen von Bezugsgruppen bzw. von Bezugspersonen hilfreich zu sein. 1 2 7 Normative Funktionen übernehmen Bezugspersonen, wenn sie dem Individuum Normen und Wertmaßstäbe liefern, und mit Sanktionen die Einhaltung 1 2 2

Vgl. Wiswede, 1972, S.187.

123

Vgl. Brüne, 1989, S. 122 und die dort zitierte Literatur.

1 2 4

125

Die Bestimmungsgründe (7) bis (10) beziehen sich auf die Integration des Kommunikators innerhalb seiner Referenzgruppe. Die Zusammenhänge zwischen den aufgeführten Determinanten und der Wirkung des Kommunikators lassen sich aus der Bezugsgruppentheorie herleiten. Danach orientieren sich Personen an bestimmten Bezugspersonen, wenn sie ihnen ähnlich sind, wenn sie soziale Sanktionsmöglichkeiten besitzen, wenn sie eine hohe soziale Attraktivität und soziale Nähe aufweisen, vgl. Wiswede, 1978, S.llóff.; Kroeber-Riel, 1984, S.475ff.

Vgl. Brüne, 1989, S.122f. ebenda, S.475. 127 Yg| Kroeber-Riel, 1984, S.477f. Brüne geht im Gegensatz dazu von normativen und komparativen Bezugsgruppen aus, die einen entsprechenden Einfluß ausüben, vgl. Brüne, 1989, S.123. Es ist allerdings anzunehmen, daß eine Bezugsgruppe je nach Situation normative, komparative oder informationale Funktionen einnehmen bzw. Wirkungen ausüben kann, wobei die Verflochtenheit der Wirkungen ihre Zurechnung zu bestimmten Funktionen der Bezugsgruppe erschwert. 1 2 6

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

173

gewährleisten. 128 Wenn Bezugspersonen Maßstäbe liefern, an denen das Individuum seine Wahrnehmungen, Einstellungen und Urteile messen kann, kann man von einer komparativen Funktion sprechen. 129 Die informative Funktion von Bezugspersonen (Vermittlung von Sachinformationen) ist bereits an mehreren Stellen erörtert worden, es erscheint allerdings problematisch, diese Funktion als unabhängige Dimension der Bezugsgruppen-Funktionen aufzufassen. Die Verknüpfung von normativen und komparativen Funktionen mit der informativen Funktion der Bezugsperson etablieren geradezu die vergleichsweise hohe persuasive Wirkung der interpersonellen Kommunikation. Die Struktur der Interdependenzen, die zwischen den einzelnen Determinanten zu vermuten sind, ist theoretisch noch weitestgehend ungeklärt. Für die vorliegende Arbeit muß dies auch unberücksichtigt bleiben, wichtiger erscheint es dagegen, die für das Einflußpotential verantwortlichen Determinanten näher zu charakterisieren und hinsichtlich einer empirischen Zugänglichkeit stärker abzugrenzen. Ein hohes Einflußpotential drückt sich in der Einnahme einer bestimmten, zentralen Position im Kommunikationsnetz der Primärgruppe aus. 1 3 0 In diesem Zusammenhang kann man von Soziozentralität sprechen. Sie wird gebildet aus der sozialen Anziehungskraft bzw. der sozialen Attraktivität (z.B. Wertschätzung, Sympathie oder Respekt), der wahrgenommenen Ähnlichkeit der Person und den Sanktionsmöglichkeiten auf andere Gruppenmitglieder. 131 Dies sind die bereits oben erwähnten interpersonellen Determinanten. Als Indikatoren für die Soziozentralität können die Häufigkeit (Anzahl der Kontaktpersonen bzw. Interaktionsfrequenz) und die Intensität der jeweiligen Interaktionen (Bindungsstärke) gelten. 132 Insofern gibt die Soziozentralität das Ausmaß sozialer Integriertheit und sozialer Aktivität wieder. Das Konstrukt Soziozentralität hat im Rahmen von Netzwerkanalysen bereits mehrfach Verwendung gefunden. 133

128 129 1 3 0

131

Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.477. ebenda. Haseloff geht davon aus, daß die Netzposition die Wahrscheinlichkeit bestimmt, mit der ein Individuum meinungsführend wirkt. Zentrale Netzpositionen kennzeichnen somit ein hohes Bezugsgruppen-Einflußpotential, vgl. Haseloff, 1985, S.61.

Vgl. Kumpf, 1983, S.296. Vgl. Wiswede, 1978, S. 116f. und Haseloff, 1985, S. 60f. 133 Vgl. Hummel und Sodeur, 1984, S.511ff.; Levy, 1978, S.404; Ziegler, 1984, S.626f. 132

174

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Zusammenfassend kann folgende Hypothese formuliert werden: 134 (H 3.14) Die Soziozentralität Meinungsfuhrerschaft.

ist eine Bestimmungsgröße

der graduellen

4. Konzepte zur Messung der Bestimmungsgrößen 4.1. Die Messung der Soziozentralität In vielen Arbeiten zur Meinungsfuhrerforschung wird das Ausmaß der Soziozentralität als (meist einziger) Indikator fur die Meinungsfuhrerschaft herangezogen. Insofern wird in der Literatur die Messung der Soziozentralität im Rahmen der Meßverfahren zur Meinungsführerschaft behandelt. 135 Dem muß allerdings widersprochen werden, da Soziozentralität allein nur das aus der zentralen Netzposition erwachsende Potential des Einflusses widerspiegelt. In der vorliegenden Untersuchung soll die Soziozentralität als Bestimmungsgröße der Meinungsfuhrerschaft operationalisiert und gemessen werden; fur die theoretische und empirische Erfassung der Meinungsfuhrerschaft selbst wird ein gesondertes Konstrukt gebildet. Diese Differenzierung dient der Unterscheidung von allgemeinem Einflußpotential, wie sie aus der Netzposition erwächst, und spezifischem, von der meinungsführenden Thematik abhängigen, Einfluß. Letzterer äußert sich in tatsächlich ereigneter, ausschließlich themenbezogener interpersoneller Kommunikation. Für die Bestimmung der Soziozentralität bietet sich eine soziometrische Analyse zur Erfassung der Gruppenstrukturen innerhalb von Primärgruppen an. Die Daten der soziometrischen Analyse dienen sowohl zur Bestimmung 1 3 4

135

In diesem Zusammenhang soll auf das Modell von Brüne verwiesen werden. Sein Modell zur simultanen Erklärung der Meinungsführerschaft umfaßt als Bestimmungsgrößen das Involvement und das Bezugsgruppen-Einflußpotential. Brüne geht davon aus, daß für die Bestimmung der Einflußfaktoren interpersoneller Kommunikationsprozesse der Faktor der kommunikantenbezogenen Determinanten vernachlässigbar ist, da er für seine Fragestellung der Erklärung von Meinungsfuhrerschaft ähnlich situativen Faktoren ein Datum darstellt, vgl. Brüne, 1989, S.114. Desweiteren charakterisiert er den Faktor Kompetenz als Ausdruck einer dauerhaften inneren Bindung des Konsumenten, die sich in einem generell hohen Interesse manifestiert. Kompetenz wird als Resultante einer starken inneren Bindung zu einem Themenbereich aufgefaßt. Das Wissen, welches letztendlich die Kompetenz begründet, stellt das Ergebnis der durch hohes Interesse ausgelösten Informationsbeschaffung dar, vgl. ders., S. 116f. Brüne reduziert nun diesen Zusammenhang auf das die innere Bindung des Konsumenten beschreibende Konstrukt Involvement als eigentliche intrapersonale Determinante der Meinungsfuhrerschaft. Zusammen mit der interpersonalen Determinante BezugspersonenEinflußpotential finden diese beiden Faktoren Eingang in sein simultanes Erklärungsmodell der Meinungsführerschaft, vgl. ders., S.128. Die Messung von Meinungsführerschaft wird im folgenden Abschnitt behandelt.

III. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

175

der Zentralitat als auch der Erstellung eines Sonogramms, welches eine graphische Darstellung der Netzstrukur innerhalb der jeweiligen Primärgruppe ist. Dies setzt eine Vollerfassung aller Beziehungen zwischen den Individuen der jeweiligen Gruppe voraus. Diese Beziehungen müssen anschließend in eine Soziomatrix umgesetzt werden. Als besonderes erhebungstechnisches Problem erweist sich hierbei die Notwendigkeit der namentlichen Erfassung der Probanden und ihrer Kommunikationspartner. Als Technik zur Messung der Soziozentralität eignet sich die soziometrische Analyse, die ein Verfahren zur quantitativen Erfassung zwischenmenschlicher Präferenzbeziehungen innerhalb bestimmter (definierter) Sozialgruppen darstellt. 136 Eine quantitative Auswertung soziometrischer Daten kann nur mit Hilfe bestimmter Indizes vorgenommen werden, die auch Vergleiche der Soziozentralität von Individuen über verschiedene Primärgruppen hinweg ermöglichen. In der Literatur finden sich viele Vorschläge für derartige Kennzahlen, wobei bislang keine gesicherten Validitätsnormen für soziometrische Indizes existieren. 137 Grundsätzlich können Individual- und Kollektivindizes unterschieden werden. 138 Kollektivindizes dienen der Bewertung der Stellung von Teilgruppen innerhalb einer Primärgruppe. Individualindizes dagegen geben für jedes Individuum der Primärgruppe das Ausmaß der Soziozentralität an. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung erscheint die Bildung von Individualindizes notwendig, wobei ein Index gewählt werden soll, der auch eine Vergleichbarkeit über verschiedene Primärgruppen hinweg zuläßt. Hierfür eignet sich der Index der passiven Wahldichte, der für die vorliegende Untersuchung erweitert werden soll. 1 3 9 Die passive Wahldichte kann für jede Person einer sozialen Gruppe bestimmt werden. Sie wird aus dem Quotienten von passiver Wahlsumme (Summe der erhaltenen Wahlen bzw. Präferenznennungen hinsichtlich mehrerer Wahlkriterien) und der mit der Anzahl der Kriterien gewichteten, um eins verminderten Gruppengröße gebild e t . 1 4 0 Als Wahlkriterium kann z.B. der Wunsch nach häufigem Beisammensein gelten. 141 Die Wahldichte weist somit die folgende Form auf:

136

Kumpf, 1983, S.288.

1 3 7

Dollase, 1976, S.40; Ziegler, 1984, S.626.

138

Dollase, 1976, S.44f. 139 vgl. ders., S.157f. und die dort zitierte Literatur. 1 4 0 141

Vgl. ders., S. 168. Es wurde bereits im vorangegangenen Abschnitt angeführt, daß für die Soziozentralität nicht nur aktuelle, sondern auch potentielle Beziehungen von Relevanz sind, wenn man der Bindungsstärke Rechnung tragen will.

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

176

PWj^ PWDj^

=

C * (N-l) wobei PWDj

= passive Wahldichte fur die Person i,

PWj

= passive Wahlsumme für die Person i (Summe aller von den Mitgliedern der Primärgruppe erhaltenen Wahlen bzw. Nennungen fur Person i),

C

= Anzahl der Wahlkriterien und

Ν

= Anzahl der Gruppenmitglieder sind.

Desweiteren müssen bei der Bestimmung der Soziozentralität die Determinanten Häufigkeit und Intensität der Beziehungen berücksichtigt werden, die das Ausmaß sozialer Attraktivität wiedergeben. Von daher muß der überwiegend bei soziometrischen Untersuchungen zur Anwendung kommende eindimensionale Index der passiven Wahldichte erweitert werden. Für die Bestimmung der Soziozentralität wird deshalb ein Wahldichte-Index auf der Grundlage von drei verknüpften passiven Wahlsummen vorgeschlagen. 1 4 2 Hiermit soll sowohl den aktuellen als auch den potentiellen Beziehungen hinsichtlich der Bestimmung der Soziozentralität Rechnung getragen werden. Die Erfassung der aktuellen Beziehungen zielt auf die Ermittlung des realen Kontaktausmaßes ab, die der potentiellen Beziehungen zielt dagegen auf das zukünftig erwünschte Kontaktausmaß ab. Hinsichtlich jeder dieser Situationen müssen die Präferenznennungen erfaßt und zu Wahlsummen berechnet werden. 143 Zusätzlich wurden Gewichtungsfaktoren aufgrund folgender theoretischer Überlegungen gebildet: Real vorhandene Beziehungen sind von einer stär1 4 2

Zur Verknüpfung wurde in Anlehnung an die in der Literatur angewandten Indizes eine additive Regel angewandt. Vgl. Dollase, 1976, S.169.

143

Die aktuellen Beziehungen wurden mit Frage 12 des Vorher-Fragebogens (vgl. Anl.l) erfaßt: "Mit wem aus Deiner Klasse verbringst Du die meiste Freizeit?". Die potentiellen Beziehungen hinsichtlich des Berufslebens wurden mit der Frage 13 erfaßt: "Stell' Dir vor, Du würdest eine Berufsausbildung beginnen. Mit wem aus Deiner Klasse würdest Du am liebsten zusammenarbeiten?" Als zweite Frage zur Erfassung der potentiellen Beziehungen wurde Frage 14 formuliert: "Angenommen, Du gewinnst einen 3-wöchigen Urlaub für vier Personen. Wen aus Deiner Klasse würdest Du mitnehmen?".

177

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

keren Intensität gekennzeichnet als potentielle Beziehungen, sie geben die bestehende Interaktionshäufigkeit wieder. Erwünschte Beziehungen drücken ebenfalls ein Bindungspotential zwischen den Individuen aus. Hierbei spielen sowohl emotionale Aspekte wie Sympathie ("Urlaub"), als auch rationale Aspekte ("Berufsausbildung") eine Rolle. Tab.3.1 gibt die Gewichtungen wieder: Tab. 3.1 Gewichtungsfaktoren der Wahlsumme

Präferenzsituation

Gewichtungsfaktor

Aktueller Kontakt "Freizeit"

2.0

Potentieller Kontakt "BernΓ

1.5

Potentieller Kontakt "Urlaub"

1.5

Für die Bestimmung der Soziozentralität wurde folgender Index gebildet: PWiF SOZi

=

PWiB *

(N-l)

2

+

PWiu *

1.5

(N-l)

+

*

1.5

(N-l)

wobei SOZ|

= Soziozentralität von Person i,

PWip

= passive Wahlsumme von Person i (Kriterium Freizeit),

PW·^

= passive Wahlsumme von Person i (Kriterium Beruf),

P

W i u

= Anzahl der Gruppenmitglieder (Klassengröße) 144 sind. 1 4 5

Ν

1 4 4

= passive Wahlsumme von Person i (Kriterium Urlaub),

Die Normierung auf die Gruppengröße sollte die Vergleichbarkeit der Indizes über die 14 befragten Klassen hinweg gewährleisten, da die Klassengröße zwischen 21 und 28 Schülern schwankte.

12 Beba

178

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Der derart gebildete Indikator fur die Soziozentralität drückt aus, welche relative Position jedes Individuum im Kommunikationsnetz der Bezugsgruppe einnimmt. Dieser Indikator soll auf Einflußbeziehungen, die sich im Rahmen von Kommunikationsprozessen zwischen den Individuen ergeben, angewandt werden. Diese besondere Ausprägung der Soziozentralität soll deshalb im weiteren als "Generelle Kommunikationsposition" bezeichnet werden. Gemäß der Hypothese (H 3.14) stellt sie eine Bestimmungsgröße der graduellen Meinungsfuhrerschaft dar. 4.2. Messung von Meinungsfuhrerschaft Für die Messung von Meinungsführerschaft finden sich in der Literatur im wesentlichen drei unterschiedliche Methoden. 146 Dies sind das Selbsteinstufungs-, das Schlüsselinformanten- und das soziometrische Verfahren. In der überwiegenden Zahl der Untersuchungen zur Identifikation von Meinungsführern wurde das Selbsteinstufungsverfahren angewandt. Den Probanden werden hierbei Fragen und entsprechende Antwortskalen vorgelegt, anhand derer sie ihr meinungsführendes Verhalten bezüglich definierter Meinungsgegenstände einstufen. Die den Antworten zugeordneten Punktwerte werden dann zu Gesamtwerten verrechnet. 147 Aus den Punktwerten werden summativ Gesamtwerte berechnet, die ein eindimensionales Kontinuum der Meinungsführerschaft aufspannen. Ein großer Vorteil dieses Meßkonzeptes besteht darin, daß man bei der Identifizierung von Meinungsführern ohne die explizite Nennung der jeweiligen Kommunikationspartner auskommt, also keine "Schneeball "-Befragung durchführen muß. Insofern sind derartige Untersuchungen relativ kostengünstig und ermöglichen repräsentative Untersuchungen zu vertretbaren Kosten. Allerdings haftet dem Selbsteinstufungs-

145

Zur Berechnung muß zunächst für jedes Kriterium eine (Ν χ N)-Wahlmatrix aufgestellt werden, in die die Nennungen bzw. Wahlen von jeder Person bezüglich einer anderen Person erfaßt wurden. Pro Schulklasse sind also 3 Matrizen anzufertigen. Dies muß dann für alle 14 Schulklassen vorgenommen werden (insgesamt also 14 χ 3 (Ν χ Ν) Matrizen). Nach Auszählung aller Nennungen, die jede Person erhalten hat, können die Wahlsummen gebildet und - nach Normierung mit der Gruppengröße und Multiplikation mit dem Gewichtungsfaktor die Koeffizienten der passiven Wahldichte für alle 307 Personen bestimmt werden. 146 Ygj h j e r z u ausfuhrliche Darstellung bei Koeppler, 1987, S.9-27 und die dort aufgeführte Literatur. 1 4 7

In älteren Arbeiten wurden lediglich zwei Fragen angewandt (Häufigkeit des Ratgebens und Anzahl der Personen, denen Rat gegeben wurde). Neuere Arbeiten nutzen die von Rogers und Cariano oder die von King und Summers entwickelten Itembatterien, die sechs Fragen zur Selbsteinstufung und dazugehörige Ratingskalen umfassen. Vgl. Rogers und Cartano, 1962; King und Summers, 1970.

. Intepersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

179

verfahren der Mangel an, weniger valide Ergebnisse als die anderen beiden Verfahren hervorzubringen. 148 Brauchbare Ergebnisse ließen sich dann erzielen, wenn mehrere Items herangezogen wurden, die zudem über eine breite Antwortskala verfügten. 149 Ein weiteres Problem liegt im Antwortverhalten der Probanden, da die Fragen in hohem Maße das Sozialprestige tangieren. Insgesamt ist deshalb das Verfahren der Selbsteinstufung nicht unproblematisch, wenngleich es sich auch in der empirischen Praxis nach wie vor großer Beliebtheit erfreut. 150 Das Schlüsselinformanten-Verfahren basiert auf der Befragung weniger Probanden, die als Experten hinsichtlich der Sozialstruktur ihrer Primärgruppe einen hinreichenden Überblick über die komplexen Kommunikationsstrukturen haben und die Meinungsführer innerhalb der Gruppe benennen können. Ein Problem tritt dabei in der Ermittlung der Schlüsselinformanten auf, da in Unkenntnis der Gruppenstruktur im Normalfall auch die Schlüsselinformanten weitestgehend unbekannt sind. Kumpf weist diesem Verfahren nur geringe Praktikabilität zu, da der Aufwand, der zur Lokalisation der Schlüsselinformanten betrieben werden muß, dem der soziometrischen Analyse, bei der direkt die Meinungsfuhrer ermittelt werden können, entspricht. 151 Größere Effizienz und Forschungsökonomie verspricht das Schlüsselinformanten-Verfahren allerdings bei Mehrfach- (bzw. Panel-) Untersuchungen. Soziometrische Techniken sind Verfahren für quantitative Analysen zwischenmenschlicher Beziehungen in bestimmten (definierten) Sozialstrukturen. Wichtige Voraussetzung ist die namentliche Erfassung aller Gruppenmitglieder bzw. die namentliche Nennung der Gruppenmitglieder, zu denen der Proband eine bestimmte Beziehung unterhält. In der Diffussionsforschung hat diese Technik besondere Bedeutung erlangt. Bei entsprechender Operationalisierung der Fragen können Informationsverläufe, Beeinflussungsverläufe und Interaktionen in der Kommunikation relativ exakt nachvollzogen werden. 1 4 8

Rogers und Cartano, 1962, S.114 und Jacoby, 1974, S.82, stellten Vergleiche zwischen den drei Meßverfahren an. Die Korrelation zwischen selbsteingestufter und soziometrisch ermittelter Meinungsführerschaft betrug lediglich .30, wohingegen die Korrelation zwischen fremdeingestufter und soziometrisch ermittelter Meinungsführerschaft mit .88 recht hoch ausfiel. Weitere Ergebnisse zur Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Meßverfahren finden sich bei Kirchner, 1969, Bellenger und Hirschmann, 1977, Myers und Robertson, 1972 und Koeppler, 1987. 149 Vgl. Yavas und Riecken, 1982, S.154f.; Childers, 1986, S.187; Riecken und Yavas, 1983, S.325f. Vergleiche mit soziometrischen Analysen wurden dagegen nicht unternommen. 1 5 0

So wandte z.B. Brüne, 1989, das Selbsteinstufungsverfahren an.

151

Vgl. Kumpf, 1983, S.328.

180

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Sehr aussagekräftig wird dieses Instrument, wenn die Diffusionssituation als Experiment ausgestaltet und kontrolliert werden kann. Insofern spielt fur die Ermittlung der Kommunikationsbeziehungen die Operationalisierung der Items eine entscheidende Rolle. So weisen einige Studien den Mangel auf, daß nur die mögliche Zuwendung zu Personen erfragt wurde, ohne daß eine Kontrolle des tatsächlichen Kommunikationsverlaufs stattfand. 152 Hauptnachteil dieser Technik ist der hohe Aufwand, der zur soziometrischen Ermittlung des Kommunikationsnetzes aufgebracht werden muß. Insofern ist die Praktikabilität auf kleine, abgrenzbare Stichproben beschränkt. Darüber hinaus ist es kaum möglich, im Rahmen einer zeitpunktbezogenen soziometrischen Analyse Informations- und Beeinflussungsverläufe genau voneinander abzugrenzen. Dies würde eine detaillierte Gesprächsanalyse jeder Kommunikationsbeziehung erfordern. Aufgrund des häufigen Wechsels von Ratgeber- und Ratnehmer-Rollen können "Nur-Ratgeber" kaum abgegrenzt werden. Die soziometrische Technik ermöglicht aber zumindest die exakte Abgrenzung von Austauschern und Nicht-Austauschern. Da einerseits für die Fragestellungen der Untersuchung die Voraussetzungen der Anwendung soziometrischer Techniken als gegeben angesehen werden können (relativ kleine Gruppen), und andererseits die Validität der Selbsteinstufungstechnik aus den genannten Gründen stark angezweifelt werden muß, soll die soziometrische Technik zur Ermittlung der Meinungsführerschaft zur Anwendung kommen. Aus der theoretischen Überlegung heraus, daß graduelle Meinungsführerschaft überwiegend themenspezifisch auftritt, können die soziometrischen Fragen zur namentlichen Erfassung der Kommunikationspartner auf den Themenbereich "Berufsfeld Bundeswehr" eingegrenzt werden. Während für die Bestimmung der Soziozentralität auf die Erfassung der aktuellen und potentiellen Beziehungen abgehoben wurde, müssen zur Ermittlung der Meinungsführerschaft die realen Kommunikationsbeziehungen quantifiziert werden, die sich bezüglich des Meinungsgegenstandes ergeben haben. Im Rahmen des Experiments wurden alle Probanden einem Kommunikationseinfluß ausgesetzt, so daß theoretisch für jeden die Möglichkeit der Teilnahme an Gesprächen zum Thema Bundeswehr bestand. Zur Ermittlung der Meinungsführerschaft bietet sich die Möglichkeit an, zu messen, wer der Initiator der Kommmunikation war, wann und wie oft die Rollen zwischen Ratgeber und Ratnehmer gewechselt haben und wer die dominierende (und somit wahrscheinlich stärker persuasive) Position in der 1 5 2

Vgl. Mayer und Schneider, 1978, S.139.

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

181

Kommunikation eingenommen hat. 1 5 3 Da graduelle Meinungsfuhrer bislang als besonders kommunikationsaktive Ratgeber und Ratnehmer aufgefaßt wur-

den, erscheint es zweckmäßig, ein Kriterium zur Erfassung (themenspezifischer) Kommunikationsaktivität zu bilden. Dabei ist von der Überlegung auszugehen, daß besonders kommunikationsaktive Personen im themenspezifischen Kommunikationsnetz eine zentrale Position einnehmen, also häufiger als andere Gruppenmitglieder Gesprächspartner zum Thema Bundeswehr in der Gruppe sind. Zur Bestimmung dieser themenbezogenen Kommunikationsposition ist - ähnlich dem Vorgehen bei der Bestimmung der Soziozentralität, also der generellen Kommunikationsposition - die Erfassung aller tatsächlich stattfindenden Kommunikationsbeziehungen zum Meinungsgegenstand sowie deren Intensität erforderlich. 154 Desweiteren muß allerdings auch noch der im Rahmen der Kommunikation ausgeübte Einfluß berücksichtigt werden. Hierzu wurde eine weitere Frage formuliert, die auf die Bedeutung der Meinung (als Indikator des Einflusses) des jeweiligen Gesprächspartners zielte. 155 Für jede Person wurde die (von den Gesprächspartnern genannte) Häufigkeit der Gespräche mit jedem anderen Klassenmitglied in einer Kommunikationsmatrix erfaßt. Als weitere Größe ging in die Kommunikationsmatrix die eingeschätzte Wichtigkeit der Meinung des jeweiligen Gesprächspartner mit ein. Die derart gebildete Datenmatrix 156 wurde zur Berechnung eines Indexwertes für die "Themenbezogene Kommunikationsposition" herangezogen, der eine Modifikation des passiven Wahldichte-Index darstellt.

153

Für die vorliegende Untersuchung schied diese Möglichkeit der exakten Erfassung der Gesprächs Verläufe und -inhalte zwischen den jeweiligen Gesprächspartnern zum einen aus forschungsökonomischen Gründen aus. Desweiteren erschien es zweifelhaft, ob 14- bis 16-jährige Schüler in der Lage sind, die genauen Kommunikationsverläufe bzw. deren Inhalte richtig wiederzugeben.

1 5 4

Die Operationalisierung der Gesprächshäufigkeit mit den verschiedenen Kommunikationspartnern wurde mittels folgender Frage vorgenommen (vgl. Frage 9 a), a-e im Nachher-Fragebogen, Anl.l): "Mit wem aus Deiner Klasse hast Du Dich in den letzten fünf Wochen über die Bundeswehr unterhalten? Kreuze bitte an wie oft.". Anhand einer fünfstufigen Ratingskala ("Selten" - "Sehr oft") mit dem Wertebereich 1 bis 5 konnten die Probanden die Häufigkeit der Gespräche mit dem jeweils zu nennenden Gesprächspartner angeben.

155

Vgl. Frage 9 b), a-e im Nachher-Fragebogen, Anl.l: "Wie wichtig ist Dir die Meinung von...?". Die Frage wurde auf die in Frage 9 a aufgeführten Gesprächspartner bezogen. Die Einstufung erfolgte anhand einer Polimeter-Skala ("Sehr wichtig" - "Unwichtig"), die den Wertebereich 1 bis 5 umfaßt.

156

Ebenso wie bei der Ermittlung der Soziozentralität können die gewonnenen Daten zur Konstruktion eines Netzwerks der interpersonellen themenspezifischen Kommunikation verwandt werden.

182

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

Eine anschließende Standardisierung von TKOMPOS führte zu einer Normierung des Indexwertes auf den Wertebereich 0 bis 1. Der Indexwert ist deshalb ein relatives Maß; hat eine Person mit allen anderen Gruppenmitgliedern "sehr oft" über das Thema Bundeswehr gesprochen und halten alle Gesprächspartner die Meinung der Person fur "Sehr wichtig", so nimmt TKOMPOS den Wert Eins an. Hat demgegenüber keines der Gruppenmitglieder mit der Person Gespräche geführt, so nimmt TKOMPOS den Wert Null an. Die Größe des Wertes von TKOMPOS hängt insofern nicht nur von der Häufigkeit der Gespräche ab, sondern auch von der Bedeutung, die Person i mit ihrer Meinung bei anderen genießt. Geringe Gesprächshäufigkeiten können dabei durch hohe Bedeutungswerte kompensiert werden und vice versa.

Ν

X /

N h

i j *

w

i :

j=i

TKOMPOS α (N-l)

wobei TKOMPOS j PNhij

= Themenbezogene Kommunikationsposition von Person i, = passive Nennungshäufigkeit für die Person i von Person j , (Skalenwert der von j geäußerten Gesprächshäufigkeit mit i),

w JO

= von j geäusserte Bedeutung (Wichtigkeit) der Meinung von i,

Ν

= Anzahl der Gruppenmitglieder (N > 0 ) .

Der Index TKOMPOS ist aufgrund der Berücksichtigung der Gruppengröße über alle Klassen (Gruppen) hinweg vergleichbar. Kritisch anzumerken ist, daß die Art der vorgenommenen Verknüpfungen auf theoretischen Annahmen beruht, denen keine empirischen Ergebnisse zugrundeliegen. Dies schränkt die Aussagekraft des Index wertes TKOMPOS ein. Die Ergebnisse der meisten empirischen Untersuchungen zeigen, daß Meinungsführerschaft in erster Linie "monomorph", also auf sehr wenige Themen beschränkt ist. Trotzdem kann die Hypothese, daß bestimmte generelle Kom-

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

183

munikationseigenschaften von Individuen die Meinungsführerschaft determinieren, nicht vollends abgelehnt werden. 157 Auch in dem (empirisch nicht überprüften) Modell der symmetrischen Austauscherkonzeption von Hummrich ist das generelle Kommunikations- (Ratgeber- und Ratnehmer-) verhalten als Bestimmungsgröße der Meinungsführerschaft enthalten. Hiermit können insbesondere Austauscher von Nicht-Austauschern abgegrenzt werden. Es soll deshalb folgende weitere Hypothese formuliert werden: (H 3.15) Das interpersonelle (generelle) Kommunikationsverhalten stellt eine Bestimmungsgröße der graduellen Meinungsführerschaft dar. Für die Erfassung des generellen Kommunikationsverhaltens kam aus Gründen der Praktikabilität nur das Selbsteinstufungsverfahren in Frage. Zur Operationalisierung des Konstrukts wurde eine Frage mit drei Items formuliert. Sie diente den Probanden zur Selbsteinstufung ihres Kommunikationsverhaltens als Ratgeber, Ratnehmer bzw. Inaktiver. Entsprechend den theoretischen und empirischen Erkenntnissen zum Austauscher-Konzept werden hiermit alle Kommunikationsrollen erfaßt. 158 In dem vorliegenden Abschnitt wurde ein Konzept zur Messung der graduellen Meinungsführerschaft dargestellt. Hierfür wurde das Konstrukt "Themenbezogene Kommunikations-Position " sowie das in der Untersuchung zur Anwendung kommende Instrumentarium zur Messung der graduellen Meinungsführerschaft dargestellt. Aufgrund der bisherigen Ausführungen zur Meinungsführerschaft kann man annehmen, daß graduelle Meinungsführer in höherem Maße themenbezogene Kommunikation als andere Gruppenmitglieder betreiben. Dies macht sie zu

1 5 7

Die Ergebnisse von Feick et al. 1986 zeigen, daß das generelle (also über einzelne Meinungsbereiche übergreifende) Ratgeber- bzw. Ratnehmer-Verhalten mit der Meinungsführerschaft in spezifischen Bereichen korreliert. 158 Die Selbsteinstufung von Ratgeber- und Ratnehmerverhalten sowie inaktivem Kommunikationsverhalten erfolgte anhand von drei Items, wobei als Antwortmöglichkeiten jeweils eine fünfstufige Rating-Skala (trifft auf mich zu - trifft auf mich nicht zu) vorgegeben wurde: "Aussage A: Ich versuche immer möglichst gut informiert zu sein. Dann bin ich in der Lage anderen Leuten mit Ratschlägen hilfreich zur Seite zu stehen." "Aussage B: Bevor ich in einer für mich wichtigen Sache etwas unternehme, frage ich zuerst Leute, die ich für besonders gut informiert halte." "Aussage C: Mich mit anderen Leuten zu beraten ist für mich nicht so wichtig. Ich regele meine Angelegenheiten lieber selber." Die Items werden als Indikatoren des Konstrukts "interpersonelles Kommunikations verhalten" (KOMTYP) aufgefaßt.

184

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

einer besonders wichtigen Zielgruppe werblicher Kommunikation. Dieser Zusammenhang soll abschließend in die folgende Hypothese münden: (H 3.16) Je stärker die themenbezogene Kommunikationsposition, größer ist das Ausmaß der interpersonellen Kommunikation.

desto

Auf die Operationalisierung der interpersonellen Kommunikation soll im folgenden Abschnitt eingegangen werden. 4.3. Die Ermittlung

des Ausmaßes interpersoneller

Kommunikation

In den vorangegangen Abschnitten wurde bereits mehrfach dargelegt, daß die interpersonelle Kommunikation einen werblichen Erfolgsfaktor darstellen kann. Aus Sicht des Personal-Marketing ist von Interesse, ob und in welchem Maße durch interpersonelle Kommunikation Motive, Einstellungen und Verhaltensweisen von potentiellen Bewerbern wirksam beeinflußt werden und inwiefern die interpersonelle Kommunikation durch werbliche Kommunikation stimuliert werden kann. Als zentrale Hypothesen der Wirkung interpersoneller Kommunikation auf psychische Wirkungskonstrukte können deshalb formuliert werden: (H 3.17) Das Ausmaß der interpersonellen wahrgenommene Risiko.

Kommunikation

(H 3.18) Das Ausmaß der interpersonellen themenspezifische Interesse.

reduziert

Kommunikation

erhöht

das

das

(H 3.19) Das Ausmaß der interpersonellen die Einstellung.

Kommunikation

verändert

(H 3.20) Das Ausmaß der interpersonellen die Verhaltensabsicht.

Kommunikation

beeinflußt positiv

(H 3.21) Das Ausmaß der interpersonellen Informationsverhalten.

Kommunikation

stimuliert

Als Bestimmungsgrößen der interpersonellen Kommunikation wurden in den Abschn. 3.2. - 3.4. verschiedene motivationale Konstrukte sowie das Konstruktsystem der graduellen Meinungsführerschaft entwickelt. Im vorliegenden Abschnitt soll ein Konzept zur Messung der interpersonellen Kommunikation entwickelt werden.

positiv

das

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

185

Unter interpersoneller Kommunikation sollen die von den Probanden nach erfolgter werblicher Kommunikation zum Meinungsgegenstand (Thema Bundeswehr) geführten Gespräche verstanden werden. Das Ausmaß der interpersonellen Kommunikation läßt sich durch die Häufigkeit der themenbezogenen Gespräche bestimmen. 159 In Anlehnung an bisherige Erkenntnisse zur Häufigkeit interpersoneller Kommunikationsprozesse erscheint es zweckmäßig, auch die Gespräche zu berücksichtigen, die mit Gesprächspartnern des näheren sozialen Umfeldes einschließlich der Peer-Group "Schulklasse" geführt werden. Hiermit wird unterstellt, daß Meinungsfuhrer auch außerhalb der Peer-Group "Schulkasse" im besonderen Maße kommunikationsaktiv sind. Die Erweiterung der interpersonellen Kommunikation auf das nähere soziale Umfeld erscheint darüber hinaus auch deshalb sinnvoll, weil hierdurch die Reichweite der stimulierenden Wirkung der Kommunikationsinstrumente bestimmt werden kann. Für 14- bis 16-jährige Jugendliche stellen nämlich auch Mitglieder der Familie wichtige Gesprächspartner für die Berufswahlentscheidung d a r . 1 6 0 Zur Messung des Ausmaßes der interpersonellen Kommunikation wurde eine Frage zu den Gesprächspartnern und zur Häufigkeit von Gesprächen des Probanden über die Bundeswehr formuliert. Im Gegensatz zur Vorgehensweise bei der Bestimmung der generellen bzw. themenbezogenen Kommunikationsposition soll hierbei die aktive Gesprächshäufigkeit bestimmt werden. Die Antwortmessung erfolgte anhand einer fünfstufigen Ratingskala.161 Die Antwortwerte wurden zu absoluten Häufigkeiten summiert; durch Division durch die Zahl der angegebenen Gesprächspartner wurde anschließend die relative themenbezogene Kommunikationshäufigkeit gebildet. Diese Größe stellt den Indikator für das Konstrukt interpersonelle Kommunikation dar. Ein wesentlicher Kritikpunkt an dieser Vorgehensweise ist die implizite Unterstellung, daß die Gespräche, die nach dem werblichen Einfluß stattfanden, von bisher nicht erfaßten situativen und anderen Faktoren unbeeinflußt bleiben. Ein Großteil dieser Einflußgrößen dürfte aber auf alle Probanden in 1 5 9

Insbesondere aus forschungsökonomischen Gründen müssen die spezifischen Inhalte der interpersonellen Kommunikation vernachlässigt werden. 1 6 0 Vgl. die Befunde von SINUS, 1988. 161 Vg| Frage 9a im Nachher-Fragebogen: "Mit wem hast Du Dich in den letzten fünf Wochen über die Bundeswehr unterhalten? Kreuze bitte an, wie oft." Anhand einer fünfstufigen Skala mit den Ausprägungen "sehr oft - oft - manchmal - selten - nie" konnten die Probanden die Häufigkeit der interpersonellen Kommunikation mit den vorgegebenen Gesprächspartnern "Vater - Mutter Geschwister - Lehrer(in)" und den zu benennenden Gesprächspartnern aus der Klasse und einem weiteren ("mit wem sonst?") angeben. Den Ausprägungen wurden folgende Werte zugewiesen: "nie"=0, "selten" = 1, "manchmal" = 2 , "oft" = 3 und "sehr oft" =4.

186

C. Ansatzpunkte f r Kommunikationsstrategien

gleichem Maße wirken (ζ. B. bestimmte, mit dem Thema Bundeswehr in Zusammenhang stehende Ereignisse bzw. Berichterstattungen); regionale Unterschiede können als Ursache ausgeschlossen werden, da dies durch die Auswahl der Untersuchungseinheiten fixiert war. Weitere spezielle werbliche Aktivitäten der Bundeswehr, von den kontinuierlichen Printanzeigen einmal abgesehen, haben in diesem Zeitraum nicht stattgefunden. 5. Zusammenfassung Mit den Ausführungen in Abschn. C.III, wurde zum einen die Bedeutung der interpersonellen Kommunikation als Erfolgsfaktor fur Kommunikationsstrategien (zur Personalgewinnung) verdeutlicht und auf besondere Steuerungsmöglichkeiten hingewiesen. Desweiteren ist herausgearbeitet worden, daß Prozesse der interpersonellen Kommunikation in hohem Maße die Wirkung werblicher Kommunikation beeinflussen können. Mit der Entwicklung eines Modellansatzes zur Bestimmung der interpersonellen Kommunikation sind die wesentlichen Voraussetzungen fur die empirische Analyse der Wirkung mehrstufiger Kommunikation geschaffen worden. Als wesentliche Bestimmungsgrößen der interpersonellen Kommunikation sind zum einen Faktoren der Informationssuche im persönlichen Umfeld, wie das Involvement, das emotionale Erleben der Kommunikation und motivationale Faktoren, das wahrgenommene Risiko und das Ausmaß auftretender Dissonanzen, herausgearbeitet worden. Zum zweiten wurde ein Modell zur Erklärung der graduellen Meinungsführerschaft, welche als weitere wichtige Determinante der interpersonellen Kommunikation aufgefaßt wird, entwickelt. Als die wesentlichen Bestimmungsgrößen der graduellen Meinungsführerschaft wurden das Involvement, das wahrgenommene Risiko, bestimmte Persönlichkeitseigenschaften, das interpersonelle Kommunikations-verhalten und insbesondere die generelle Kommunikationsposition (Soziozentralität) erkannt. Neben beiden Konstruktgruppen, denen zur Erklärung der Ratsuche und denen zur Erklärung des Ratgebens, wird die Art der werblichen Kommunikation als Einflußfaktor des Ausmaßes interpersoneller Kommunikation angesehen. Abb. 3.5 gibt die Modellstruktur wieder. Im empirischen Teil sollen hierzu die zentralen Hypothesen geprüft werden: (H 3.22) Persönliche werbliche Kommunikation stimuliert in höherem Maße als nicht-persönliche werbliche Kommunikation die interpersonelle Kommunikation.

. Interpersonelle Kommunikation als Erfolgsfaktor

187

(H 3.23) Mehrphasige persönliche werbliche Kommunikation stimuliert höherem Maße als einphasige werbliche Kommunikation die interpersonelle Kommunikation.

Abb. 3.5 Modellansatz zur Bestimmung der interpersonellen Kommunikation

in

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage I . Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen Im folgenden soll ein Bezugsrahmen dargestellt werden, der die relevanten Wirkungsgrößen umfaßt, an Hand derer die Erfolgsträchtigkeit der Instrumente der D i r e k t k o m m u n i k a t i o n sowie der interpersonellen Kommunikation beurteilt werden können. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um psychische Kriterien, die in den individualpsychologischen Theorien als Größen der K o m m u n i k a t i o n s w i r k u n g bereits häufig untersucht wurden. Einige von ihnen wurden bereits im Rahmen der theoretischen Fundierung dargestellt. Im vorliegenden Abschnitt soll lediglich die Struktur des Bezugsrahmens und der Systemcharakter der Wirkungsgrößen näher erläutert werden; die theoretischen Aspekte der einzelnen Konstrukte werden in Abschnitt E dargelegt. 1. Überblick über ausgewählte Modellansätze Ansätze für einen theoretischen Bezugsrahmen bieten die Modelle der Kommunikationswirkung, die auf den Erkenntnissen der Kommunikationsbzw. Werbewirkung aufbauen. Sie lassen sich hinsichtlich ihres Zielbezugs grob in marketingzielbezogene und verhaltenszielbezogene Modelle einteilen. Marketingzielbezogene Modelle orientieren sich an bestimmten strategischen Kommunikationszielen und lassen sich zu übergeordneten ökonomischen bzw. Personal-Marketing-Zielen in Beziehung setzen. Sie stellen hierarchische Stufenmodelle mit bestimmten Kommunikationszielen dar. 1 Für das Personal-Marketing sind hierbei die Bekanntheit, die Akzeptanz und die Positionierung des Unternehmens von Relevanz. Die Zusammenhänge zwischen den Einzelgrößen sind verhaltenstheoretisch erklärbar. So kann Bekanntheit als wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz des Unternehmens als möglicher Arbeitgeber und die Präferenzbildung bei den potentiellen Mitarbeitern gelten. Akzeptierte Unternehmen befinden sich im "relevant set" der Zielgruppe. Für die Akzeptanz kann bspw. die Einstellung als Indikator herangezogen werden. Insbesondere auf wettbewerbsintensiven Märkten führt 1

Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.603.

I. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen

189

die Akzeptanz allein noch nicht zur Präferenz; sie kann erst erzielt werden, wenn das Unternehmen gegenüber konkurrierenden Marken klar positioniert ist. Ein Einsatz derartiger Modelle im Rahmen der Werbewirkungskontrolle kann allerdings nur grobe Anhaltspunkte über den Erfolg der Kommunikation liefern, da die genannten Zielgrößen zum einen in interdependenter Beziehung stehen und zum anderen den Einflüssen weiterer, nicht explizit formulierter Wirkungsgrößen unterliegen. Als Bezugsrahmen für die vorliegende Untersuchung scheiden marketingzielbezogene Modelle allerdings aus, da nicht der wettbewerbsbezogene Vergleich, sondern die Analyse der Kommunikationswirkung einzelner kommunikationspolitischer Instrumente eines Wettbewerbers, nämlich der Bundeswehr, im Vordergrund steht. Außerdem differenzieren derartige Modelle nicht fein genug hinsichtlich bestimmter Kriterien, die bereits an anderer Stelle als wichtige Wirkungsgrößen genannt wurden (z.B. Involvement, wahrgenommenes Risiko und Glaubwürdigkeit). Verhaltenszielbezogene Modelle setzen den Kontakt mit der Werbung in Beziehung zu bestimmten Verhaltensweisen des Empfangers. Seit der Abkehr von den einfachen SR-Modellen der Kommunikationswirkung standen zunehmend auch die nicht-beobachtbaren Reaktionen im Blickfeld des Forschungsinteresses. Einen bedeutenden Schwerpunkt nahm dabei die Erforschung der Einstellung als wichtigste Wirkungsgröße werblicher Kommunikation ein. Die meisten der bislang entwickelten Modelle der Werbewirkung gehen von einer Stufenfolge der Wirkungen von Werbung auf der Grundlage von lerntheoretischen Modellen oder Ansätzen der Informationsverarbeitung aus.2 Eines der bekanntesten (und ältesten) verhaltenszielbezogenen Modelle ist das sog. AIDA-Stufenmodell. Die meisten der in der Vergangenheit entwickelten Stufenmodelle der Kommunikationswirkung sind mehr oder weniger komplexe Erweiterungen bzw. Modifikationen dieses Grundmodells.3 Der Struktur des prozessualen, stufenweisen Ablaufs folgen auch die Ansätze der Informationsverarbeitung der kognitiven Psychologie, Die Vgl. Mühlbacher, 1982, S.31. Derartige hierarchische Modelle büden den Wirkungsprozeß stets als eine Abfolge von kognitiven Wirkungen (z.B. Aufmerksamkeit, Bewußtsein, Verständnis, Lernen) über affektive (z.B. Interesse, Bewertung, Zustimmung, Gefühl) hin zu konativen (z.B. Handlungen, Verhaltensabsichten) Wirkungen ab und gehen damit von einer Hierarchie des Lernens von Botschaftsinhalten aus. ebenda. Das Verhaltensziel Handlung ( = ACTION) wird erst erreicht, wenn die Werbebotschaft die Stufen Aufmerksamkeit (ATTENTION), Interesse (INTEREST) und Kaufwunsch (DESIRE) in dieser Reihenfolge erfolgreich (=wirksam) beim Konsumenten durchlaufen hat.

190

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

"Reaktionen" Wahrnehmung, Lernen, Behalten, Erinnern und Entscheiden bzw. Verhalten werden als Teilprozesse der Informationsverarbeitung aufgefaßt, in denen jeweils bestimmte Transformationen und Recodierungen der Informationen vorgenommen werden. Gemeinsam mit den lerntheoretischen Ansätzen ist die Annahme, daß auf jeder Stufe das Ergebnis des Prozesses der vorhergehenden Stufe Eingang findet. Die Informationsverarbeitung auf der vorhergehenden Stufe ist gewissermaßen die Voraussetzung für die "Psycho-Mechanik" des Prozesses in der folgenden Stufe. Diese Annahme bzw. Restriktion findet sich vor allem in dem probabilistischen Stufenmodell von Mc Guire. 4 Er geht dabei von einer multiplikativen Verknüpfung der für jede Stufe maßgeblichen Wahrscheinlichkeiten für die erfolgreiche "Passierung" dieser Stufe mit den entsprechenden Wahrscheinlichkeiten der jeweils folgenden Stufe aus. Wird also eine Stufe nicht erfolgreich (Wahrscheinlichkeit = 0) passiert, kommt keine weitere Reaktion des Empfangers zustande. Somit kann eine folgende Stufe nur dann erreicht werden, wenn alle vorhergehenden Stufen erfolgreich bewältigt wurden. Allen Informationsverarbeitungsansätzen ist gemeinsam, daß der Ausgangspunkt die Wahrnehmung und das Verstehen der Botschaft bildet. Ohne die Vielzahl der Varianten von Stufenmodellen darzustellen, kann man feststellen, daß alle Ansätze mehr oder weniger als Beeinflussungsziele die grundlegenden psychischen Vorgänge der Aktivierung, der kognitiven Prozesse und der Verhaltenssteuerung umfassen und sie in eine hierarchische Beziehung setzen. Kritisch anzumerken ist, daß aufgrund dieser postulierten Wirkungshierarchien keine der Stufen übersprungen werden kann, sondern alle Stufen "durchlaufen" werden müssen, damit sich Verhaltenswirkungen einstellen können. Somit wird die Möglichkeit, daß - je nach werblicher Rahmenbedingung oder je nach psychischer Prädisposition - unterschiedliche Verknüpfungen der Konstrukte ( = psychische Vorgänge in den Stufen) auftreten können, im Modell nicht erfaßt. 5 Die in den Stufenmodellen formulierte Abfolge und die unterstellte Linearität in der Abfolge der Wirkungsgrößen wird damit der Komplexität der Wirkungszusammenhänge nicht gerecht.

4

Vgl. Mc Guire, 1976.

5

Die probabilistische Verknüpfung der Stufenhierarchie stellt eine problematische Annahme dar, da auch unter günstigen Verhältnissen die Erfolgschance für das "Passieren" der letzten Stufe ("Action") verschwindend gering ist; eine andere Einteilung bzw. Verringerung der Anzahl der Stufen liefert ein anderes rechnerisches Resultat für die Erfolgswahrscheinlichkeit.

I. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen

191

Aus der Kritik an den hierarchischen Stufenmodellen heraus sind Modelle entwickelt worden, in denen Wirkungsgrößen bzw. Teilwirkungen der Kommunikation zu bestimmten Wirkungsmustern verknüpft werden. Besonders hervorzuheben ist hierbei das Modell der Wirkungspfade von Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel.6 Dieses Modell basiert auf drei Konzepten. Das Konzept der Wirkungskomponenten umfaßt bestimmte psychische Konstrukte ( = Reaktionen der Rezipienten); sie lassen sich den aktivierenden und kognitiven Prozessen (emotionale und kognitive Vorgänge) zuordnen.7 Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Aufmerksamkeit zu. 8 Ein zweites Konzept beinhaltet die Wirkungsmuster, die in Abhängigkeit von bestimmten Bedingungen bzw. Wirkungsdeterminanten zwischen den Komponenten Zustandekommen. Ein drittes Konzept umfaßt die Wirkungsdeterminanten bzw. die Bedingungen der Werbewirkung. Als Wirkungsdeterminanten werden die Art der Werbung und das Ausmaß des Involvement der Empfanger unterschieden.9 Die Art der Werbung bezieht sich auf das Ausmaß der emotionalen bzw. informativen Präsentation der Werbung. Hierzu muß eine Klassifikation der werblichen Kommunikation hinsichtlich des Ausmaßes der Vermittlung rein sachlicher Informationen, rein emotionaler Reize oder eines Konglomerats aus den beiden genannten Grundarten vorgenommen werden. Einstellungen und Verhaltensabsichten werden im o.a. Modell als endogene Größen verstanden, die durch das Zusammenwirken von emotionalen und kognitiven Prozessen entstehen. Gleichzeitig stellen sie aber auch exogene Faktoren zur "Erklärung" des Verhaltens dar. Alle im Modell erfaßten Konstrukte stellen z.T. komplexe psychische Prozesse dar, die insbesondere zum Zwecke der Messung von Werbewirkungen feiner differenziert werden müssen. Für die vorliegende Untersuchung eignet sich das Modell allerdings nur begrenzt, da es in erster Linie für Werbewir6

7

8

9

Vgl. Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel, 1982, S.31 und Kroeber-Riel, 1984, S.606ff. Das Konstrukt "Emotionale Vorgänge" repräsentiert die Wirkungen auf die aktivierenden Vorgänge Emotion und Motivation der Empfänger. Unter "Kognitiven Vorgängen" werden die Prozesse der Informationsaufnahme und -Verarbeitung verstanden. Eine begriffliche Abgrenzung der Konstrukte und die Beurteilung hinsichtlich der Verwertbarkeit für die Fragestellungen der vorliegenden Arbeit wird im nächsten Abschnitt vorgenommen. Die Aufmerksamkeit wird als Korrelat der Empfänger-Aktivierung verstanden, die im wesentlichen für die Aufnahme von (werblichen) Informationen verantwortlich ist. Der Werbekontakt stellt dabei nicht die einzige Größe dar, die die Aufmerksamkeit steuert; spezifische Empfänger-Prädispositionen beeinflussen sie ebenfalls. Andererseits können sich auch Werbewirkungen einstellen, wenn der Grad der auf die werbliche Kommunikation gerichteten Aufmerksamkeit nur gering ist. Vgl. Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel, 1982, S.32f. und Kroeber-Riel, 1984, S.610f.

192

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

kungen herkömmlicher werblicher Kommunikation, wie Anzeigen, Werbespots und anderer kurzzeitig dargebotener Stimuli, ausgelegt ist. Als verwertbar fur die vorliegende Untersuchung ist dagegen das Konstruktgefuge der Wirkungskomponenten anzusehen. Sie sind auch Bestandteil in dem gedächtnispsychologischen Bezugsrahmen von Steffenhagen. 10 2. Der gedächtnispsychologische Bezugsrahmen Steffenhagen nimmt mit der Entwicklung eines dreistufigen theoretischen Bezugsrahmens der Kommunikationswirkung eine grundsätzliche Strukturierung von relevanten Wirkungskriterien vor. 1 1 Auch in diesem Ansatz bildet ein erweitertes interdependetes SOR-Modell die Grundlage. Alle kommunikationsbedingten Reaktionen des Empfängers werden den Wirkungskategorien zugeordnet (1) Momentane Reaktionen, (2) dauerhafte Gedächtnisreaktionen und (3) finale Verhaltensreaktionen. Momentane Reaktionen umfassen alle Vorgänge beim Empfanger, die sich unmittelbar oder im Anschluß an eine Reizdarbietung abspielen (Vorgänge im "sensorischen System" und "Prozesse im Kurzzeitgedächtnis").12 Zur Kategorie der Gedächtnisreaktionen werden diejenigen Reaktionen gerechnet, die zur Formierung, Veränderung oder Stabilisierung von Inhalten des Langzeitgedächtnisses beitragen. Die finalen Verhaltensreaktionen umfassen jene Verhaltensweisen des Empfangers, die entsprechend den werblichen Zielsetzungen mit der Kommunikation beeinflußt werden sollen (z.B. Informationsverhalten, Kaufverhalten, Kommunikationsverhalten). Der Interdependenz bzw. der Vernetztheit der Wirkungskriterien und -kategorien wird in dem Bezugsrahmen mit der Formulierung bestimmter, theoretisch fundierter Beziehungen Rechnung getragen. Abb. 4.1 gibt die Struktur des Bezugsrahmens wieder. Der Bezugsrahmen ist in der vorliegenden Form allgemeiner Natur, der seine Spezifität erst durch die Ausgestaltung der Wirkungsfragestellungen, die sich aus den Beziehungen zwischen den Wirkungskategorien und dem einzusetzenden Kommu10 11 12

Vgl. Steffenhagen, 1984a, S.3ff. Vgl. Steffenhagen, 1984a. Vgl. Steffenhagen, 1984a, S.13.

I. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen

193

nikationsinstrumentarium ergeben, erhält. Im gedächtnispsychologischen Bezugsrahmen nehmen die Wirkungskriterien der dauerhaften Gedächtnisreaktionen eine herausragende Position ein. Grundsätzlich eignet sich dies Modell deshalb sowohl zur Ermittlung der Wirkungen von werblicher als auch von interpersoneller Kommunikation.13

Abb. 4.1 Theoretischer Bezugsrahmen der Kommunikationswirkung (entnommen aus: Steifenhagen, 1984a, S. 17)

Dem Ansatz liegt die Annahme zugrunde, daß der Prozeß der Werbewirkung grundsätzlich ein Informationsverarbeitungsprozeß ist. Die grundlegen-

Das oben beschriebende Modell der Wirkungspfade kann als eine besondere Ausgestaltungsform des vorliegenden Bezugsrahmens angesehen werden. 13 Beba

194

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

den Beziehungen sowie die Bestimmungsgrößen sollen im folgenden näher erläutert werden. Bei der Wirkungskategorie der momentanen Reaktionen handelt es sich um alle Teilprozesse der Aufnahme und Verarbeitung kommunikativer Reize (Informationen), die physiologische oder physische, affektive oder kognitive, unbewußte (vorbewußte) oder auch bewußte Vorgänge sein können. 14 Nur ein Teil dieser Vorgänge ist dem Menschen bewußt. Die momentanen Vorgänge der Aufnahme und Verarbeitung werblicher Reize hängen allerdings auch von den Inhalten des Langzeitgedächtnisses, also von bestimmten Prädispositionen, Kenntnissen, Einstellungen (dauerhafte Gedächtnisreaktionen) ab bzw. sind mit diesen verknüpft. Die Vernetzung erschwert erheblich die Wirkungsabgrenzung der unterschiedlichen Kategorien. 15 Bei den momentanen Reaktionen unterscheidet man zwischen vorbewußter Reizanalyse, kognitiv-emotionaler Informationsaufhahme und -Verarbeitung und Aktivierung. 16 Die vorbewußte Reizanalyse steuert Orientierungsreaktionen und Anmutungen als Teilwirkungen und bildet die Voraussetzung fur die bewußte Aufmerksamkeit. Diese "Sensorik" des Menschen ist nur schwer erfaßbar und von bewußten Prozessen kaum abgrenzbar, da diese Vorgänge häufig sehr schnell bzw. zeitgleich stattfinden. Sie determinieren jedoch die kognitiv-emotionalen Informationsprozesse sowie die Aktivierung. Im Rahmen der Werbewirkungsforschung haben die Erkenntnisse der Wahrnehmungsforschung zu einem besonderen Interesse an den Konstrukten Aufmerksamkeit und Aktivierung geführt. 17 Die Aktivierung steuert die Aufhahmebereitschaft, d.h. die Aufmerksamkeit, des Menschen. Aufmerksamkeit kann verstanden werden als "momentane, bewußt-selektive (interessierte) Zuwendung einer Person zu ei-

14 15

16 17

Steffenhagen, 1984a, S.13f. Diese Differenzierung leitet sich aus der gedächtnis- bzw. informationsverabeitungstheoretischen Forschung her. Eine andere Strukturierung des Systems der psychischen Variablen und deren Wirkungen nimmt Kroeber-Riel vor, der das gesamte System in Untersysteme aktivierender und kognitiver Prozesse unterteilt. Hierbei differenziert er jeweils in elementare und komplexe aktivierende bzw. psychische Prozesse. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.43ff. Vgl. Steffenhagen, 1984a, S.80. Ohne die psycho- und physiologischen Grundlagen der Aktivierung hier näher darzustellen, sei sie hier als vom retikulären System ausgelöster ErregungsVorgang verstanden, der den gesamten Funktionsablauf im Organismus (unspezifische Aktivierung) stimuliert bzw. als Erregungsmuster (spezifische Aktivierung) nur bestimmte Funktionen des Organismus stimuliert. Vgl. KroeberRiel, 1984, S.53.

I. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen

195

nem dargebotenen Reiz oder Reizbündel",18 die das psychische Korrelat zur (physischen) Aktivierung darstellt. Aufmerksamkeit wird häufig auch als kognitive Reaktion verstanden. Die empirischen Befunde zur sog. selektiven Wahrnehmung deuten zudem auf eine Aufmerksamkeitssteuerung durch Kenntnisse, Einstellungen und Interessen, also Inhalten des Langzeitgedächtnisses, hin. 1 9 Die Interdependenz der Aufmerksamkeit mit sowohl aktivierenden als auch kognitiven Prozessen erschwert die meßtechnische Abgrenzung, da aufmerksamkeitssteuernde Reize meist mit den (emotional) aktivierenden Reizen identisch sind. 20 Trotz der Bedeutung, die die Aktivierung für Prozesse der Wahrnehmung hat, muß berücksichtigt werden, daß die Erfassung von Aktivierung oder auch von Orientierungsreaktionen noch keine sichere Aussage über die selektive Informationsaufhahme zuläßt. Es spricht aber einiges dafür, daß in erster Linie solche Reize, die Aktivierung und Aufmerksamkeit erzeugen, weiterverarbeitet werden. 21 Grundsätzlich kann man emotionale, kognitive und physische Reizwirkungen unterscheiden.22 Kognitive bzw. gedankliche Reizwirkungen entstehen vor allem dann, wenn Widersprüche, gedankliche Konflikte und Überraschungen ausgelöst werden. 23 Sie stellen die Wahrnehmung vor unerwartete Aufgaben und stimulieren deshalb die Informationsverabeitung.24 Die ausgelöste innere Erregung stimuliert die gedanklichen Vorgänge dahingehend, daß werbliche Reize effizienter aufgenommen, gedanklich verarbeitet und gespeichert werden. In der Realität sind Individuen werblichen Stimuli ausgesetzt, die allerdings alle drei Reizwirkungen auslösen 18

Steffenhagen, 1984b, S.86.

19

Vgl. Steffenhagen, 1984b, S.88.

2 0

Die meisten eingesetzten (apparativen) Meßmethoden erfassen lediglich aktivierende Wirkungen oder Orientierungsreaktionen. Bei Recognition- oder RecallMessungen muß dagegen die Validität angezweifelt werden, da sie ausschließlich auf die Erfassung von Langzeitgedächtnis-Inhalten ausgerichtet sind.

21

Zur Messung eignen sich apparative Beobachtungen wie Elektroenzephalografie, Elektrodermatografie, Pupülometrie, Kardiografie u.a. sowie die Blickaufzeichnungsanalyse, aber auch Befragungstechniken mittels Rating-Skalen, Farbzuordnungs- und Musterzuordnungsverfahren sowie spezieller Aktivierungsprofile. Vgl. hierzu Meyer-Henschel, 1983, Rosenstiel, 1982. Werbliche Stimuli lösen meist alle drei Reizwirkungen, aber in unterschiedlicher Intensität aus. Insbesondere Farbe, Lautstärke, Helligkeit und Größe des Stimuli beeinflussen die physische Aktivierung. Zu den emotional wirkenden Reizen zählen insbesondere sog. Schlüsselreize, die biologisch vorprogrammierte Reaktionen auslösen. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.66.

2 2

23 2 4

Vgl. Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel, 1982, S.67. Die Aktivierung beeinflußt über die Informationsverarbeitung auch kognitive Prozesse. Welche direkten Effekte unmittelbar bei verhaltensrelevanten Größen auftreten, ist weitgehend ungeklärt. Vgl. Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel, 1982, S.32ff, Steffenhagen, 1984a, S.82.

196

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

können. Hierzu dürften auch die in der vorliegenden Untersuchung zur Anwendung kommenden Instrumente der Direktkommunikation zu rechnen sein. In der vorliegenden Untersuchungssituation scheint eine Wirkungsabgrenzung hinsichtlich dieser Reizkategorien kaum möglich. 25 Von besonderer Bedeutung hinsichtlich einer aktivierenden Wirkung sind emotionale Reize, die sich allerdings nicht nur auf die Schlüsselreize beschranken. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Emotionsstarke-Wirkung, d.h. die für die Aktivierung relevante Starke des emotionalen Reizes. 26 Der qualitative Charakter des emotionalen Reizes, die Erlebnisqualität, bewirkt eine gedankliche Interpretation des Reizes und ist deshalb maßgeblich für das "Fortdauern" der aktivierenden Wirkung verantwortlich. Hieran setzen Überlegungen an, das Ausmaß des emotionalen Erlebens als Wirkungskriterium in Betracht zu ziehen. Über die aktivierenden Wirkungen komplexer bzw. länger andauernder werblicher Stimuli wie Messen, Ausstellungen, Broschüren oder von Besuchen, existieren keine empirischen Befunde. Hauptgründe dafür dürften meßtechnische Probleme und vielfältige Verbundwirkungen sein. Es lassen sich in derartigen Situationen kaum Wirkungen auf ganz bestimmte Gestaltungsmerkmale abgrenzen, da ständig eine Überlagerung sehr vieler Reizeinflüsse (andere Personen, Fremdgeräusche usw.) vorliegt. 27 Für die vorliegenden Untersuchungsfragestellungen muß deshalb eine Wirkungsgröße gefunden werden, die einerseits der Bedeutung der Aktivierung für die Kommunikationswirkung und andererseits den o.a. Problemen, die sich hinsichtlich komplexer werblicher Stimuli ergeben, gerecht wird. Einen Ansatzpunkt hierfür stellt das emotionale Erlebnis der werblichen Kommunikation dar. Dieses Konstrukt bezeichnet das gefühlsmäßige Erleben eines Kommunikationsvorganges (als Konglomerat aus Kommunikationssituation, -inhalt und mittel) bzw. die gedankliche Interpretation eines spezifischen Erregungszustandes. Hierauf wird in Abschnitt 5.2 näher eingegangen. Die Wirkungen auf das Langzeitgedächtnis werden als dauerhafte Gedächtnisreaktionen bezeichnet und umfassen Wirkungen der Formierung, Veränderung oder Stabilisierung von Inhalten des Langzeitgedächtnisses, die ebenso 2 5

Neben der Informationsaufnahme wirkt Aktivierung aber auch auf die Informationsverarbeitung und die Informationsspeicherung. Für die Informationsspeicherung, also die Gedächtnisleistung, konnten sowohl kurzfristige aber auch langfristige Wirkungen ermittelt werden. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.80.

2 6

Vgl. Neibecker, 1990, S.122. Zur Lösung dieser Probleme müßte im Rahmen der Aktivierungsforschung eine Wirkungsabgrenzung gelingen, um die Interaktivität verschiedener Reizkomponenten theoretisch und methodisch zu erfassen.

2 7

I. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen

197

wie die momentanen Reaktionen nichtbeobachtbarer Natur sind. 28 Hiermit sind sowohl motivationale Komponenten, wie das wahrgenommene Risiko, das Interesse bzw. das Involvement und Einstellungen (Personalimage), als auch kognitive Komponenten, wie das themenbezogene Wissen bzw. Kenntnisse und bestimmte Entscheidungsstrukturen bzw. -regeln, gemeint. Zu den kognitiven Komponenten ist auch die Akzeptanz des Kommunikators, d.h. die Glaubwürdigkeit und die wahrgenommene Attraktivität, zu rechnen. Aufgrund der Interdependenzen mit Vorgängen, die den momentanen Reaktionen zuzurechnen sind, fallen die Wirkungen desselben Reizes bei verschiedenen Personen unterschiedlich aus. Als für die Untersuchung relevante Risikogrößen ist das Informations-, das soziale und das Entscheidungsrisiko anzusehen. Das Informationsisiko bezeichnet das Ausmaß der subjektiv empfundenen Unsicherheiten bei der Nutzung von Informationsquellen der Bundeswehr; als Wirkungsgröße ist es deshalb bedeutsam, weil ein geringes Informationsrisiko die für die Direktkommunikation wichtige Voraussetzung der Dialogbereitschaft fördert. Das soziale Risiko bezeichnet die Unsicherheiten über die mögliche Akzeptanz der Berufsentscheidung des Individuums im Kreis seines sozialen Umfeldes. Das Entscheidungsrisiko drückt aus, in welchem Maße der Entscheidende Unsicherheiten über die Richtigkeit in Hinblick auf mögliche negative Konsequenzen empfindet. Auf das Involvement bzw. Interesse wurde bereits in Abschnitt C.III, eingegangen. Als Wirkungskriterium ist es deshalb bedeutsam, weil ein positiver Einfluß der werblichen Kommunikation auf das Interesse die subjektive Bedeutung bestimmter Eigenschaften bzw. Informationen verstärkt und hierdurch Verhaltensrelevanz erlangen kann. Die Bedeutung themenbezogener Kenntnisse, als spezifische Erinnerungen an kommunikationsrelevante Merkmale bzw. Eigenschaften der Bundeswehr verstanden, läßt sich aus ihrer Relevanz für die Einstellung herleiten, da Kenntnisse häufig die kognitive Basis für die Einstellung bilden. Auf die Einstellung bzw. das Personalimage sowie die Attraktivität wurde bereits in Abschnitt C.I. eingegangen, beide Wirkungsgrößen werden im empirischen Teil näher erläutert. Als finale Verhaltensreaktionen werden jene Verhaltensweisen der Empfanger bezeichnet, die mit den Kommunikationsinstrumenten beeinflußt werden sollen, d.h. die als Kommunikationsziele im Vordergrund der werblichen Kommunikation stehen. Bedeutsam ist, daß entsprechend dem theoretischen Bezugsrahmen die Verhaltensreaktionen nicht nur von den werblichen Instrumenten, sondern auch von den anderen psychischen Prozessen und Konstruk2 8

Vgl. Steffenhagen, 1984a, S.14.

198

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

ten der momentanen Reaktionen und dauerhaften Gedächtnisreaktionen beeinflußt werden. Als Kriterium der Verhaltenswirkung wird zum einen das Ausmaß der durch die werbliche Kommunikation stimulierten interpersonellen Kommunikation aufgefaßt. Sie ist bereits in Abschnitt C.III, erläutert worden. Als weitere Verhaltensgröße soll das Informationsverhalten als Reaktion auf die werbliche Ansprache einbezogen werden. Gerade fur die Direktkommunikation ist die Auslösung von Informationsaktivitäten beim Adressaten von vorrangigem Interesse, da hiervon die Dialogfortsetzung abhängt. Als wichtigste Verhaltensgröße kann das tatsächliche Entscheidungsverhalten (Bewerbung) gelten. Aufgrund forschungsökonomischer Überlegungen schied die Erfassung dieser Größe allerdings aus. Stattdessen wurden die Verhaltensabsichten einbezogen. Sie stellen Bereitschaften des Empfängers dar, unter Berücksichtigung spezifischer Umstände eine bestimmte Verhaltensalternative zu wählen. 29 Eine nähere Charakterisierung der einbezogenen Verhaltensgrößen wird in Abschnitt E.V. vorgenommen.

I I . Untersuchungsanlage 1. Untersuchungsdesign und Aufbau des Experiments Die zentralen Fragestellungen der Untersuchung richten sich auf das Ausmaß der Wirkungen von persönlicher und nichtpersönlicher Direktkommunikation, insbesondere des Kontaktketten-Konzepts, sowie auf die Wirkungen interpersoneller Kommunikation, die sich als Ergebnis werblicher Steuerungsprozesse entfalten. Hierzu wurden in den vorangegangenen Abschnitten bereits Hypothesen formuliert. Das Experiment ist die klassische Form der Erhebung zwecks Überprüfung einer Kausalhypothese.30 Ein vollständiges experimentelles Design beinhaltet Versuchsanordnungen (Treatments), denen eine im Rahmen der Stichprobenauswahl gebildete Probandenzahl zufällig zugeordnet wird. Für die vorliegende Untersuchung stellte sich die Aufgabe, die drei Kommunikationsinstrumente "Publikationen", TruppenbesuchM und "Truppenbesuch + Jugendoffizier" als Treatments eines Experiments zur Überprüfung der theoretisch postulierten Wirkungen werblicher Kommunikation als

2 9 3 0

Müller-Hagedorn, 1986, S.79ff. Vgl. Hammann und Erichson, 1978, S.52.

Π. Untersuchungsanlage

199

unabhängige Variable (exogene Größe bzw. experimenteller Faktor) zu operationalisieren. Der experimentelle (verursachende) Faktor muß hierzu hinreichend kontrolliert werden. Desweiteren muß die experimentelle (verursachte) Wirkung, z.B. Einstellungsänderung, gemessen werden. 31 Das Hauptproblem bei der Durchführung und der Analyse von Experimenten liegt in der Erzielung eines Höchstmaßes an interner und externer Validität. Die interne Validität bezieht sich auf die Gültigkeit des Untersuchungsergebnisses hinsichtlich der untersuchten Teilauswahl, ob also z.B. Einstellungsänderungen tatsächlich nur durch den Einfluß werblicher Kommunikation erzielt wurden. Die Wirkung anderer, nicht im Experiment erfaßter bzw. nicht kontrollierter Einflußgrößen verschlechtert also die interne Validität. Die externe Validität betrifft die Frage, in welchem Maße das in der Teilauswahl erzielte Untersuchungsergebnis auch für die Grundgesamtheit im Sinne eines Inferenzschlusses Gültigkeit besitzt. Sie erfordert somit Repräsentativst der untersuchten Teilauswahl und der Untersuchungsbedingungen. Erhöhend auf die externe Validität wirkt sich die Ausgestaltung des Experiments als Feld- statt als Laborexperiment aus. 32 Andererseits stellt sich bei Feldexperimenten das Problem der internen Validität. Zur Erzielung interner Validität sind im Rahmen des experimentellen Designs Kontrollgruppen erforderlich. Die Ausprägungen der in den Treatments gemessenen Wirkungsgrößen werden an den gleichzeitig in der Kontrollgruppe erfaßten Ergebnissen gemessen. Im vorliegenden Experiment mußte aus forschungsökonomischen Gründen auf ein vollständiges experimentelles Design, in dem jedem Treatment eine Kontrollgruppe gegenübersteht und auch Kombinationen der Treatments (z.B. Kommunikationsmaßnahme Publikationen und Truppenbesuch) vorgenommen werden, verzichtet werden. Den drei experimentell variierten Treatments steht lediglich eine Kontrollgruppe gegenüber. Dieser "Nachteil" hinsichtlich der Erzielung von interner Validität wurde aber durch einen Meßwiederholungsansatz zu kompensieren versucht; für jedes Treatment wurden die zentralen Variablen (Wirkungsgrößen) zweimal erhoben (erster Meßzeitpunkt: unmittelbar vor der Kommunikationsmaßnahme, zweiter Meßzeitpunkt: fünf Wochen nach erfolgter Kommunikationsmaßnahme33). Abb. 4.2 gibt das Untersuchungsdesign wieder.

3 1

Dies ist sowohl eine Frage der Operationalisierung der jeweüigen Variablen oder Konstrukte als auch eine Frage der Messung im Rahmen der experimentellen Anordnung.

3 2

Dies., 1978, S.54 Auch die Kontrollgruppe wurde zu den gleichen Zeitpunkten wie die Probanden der Treatments ("Vorher" und "Nachher") befragt.

3 3

200

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

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Zur Prüfung der Signifikanz bedarf es der Anwendung eines statistischen Tests. 42 Eine weitere Möglichkeit zur Analyse experimentell gewonnener Daten bietet der sog. Zwei-Wellen-Ansatz im Rahmen der Kausalanalyse. Im einfachsten Fall werden hierfür Experimental-Faktoren (die als Variable sowohl nominalen, ordinalen als auch intervallskalierten Charakter aufweisen können) in Beziehung zu der endogenen "Nachher"-Variablen (Wirkungsgröße) in Beziehung gesetzt. Gleichzeitig wird eine Beziehung zwischen "Vorher"-

41 4 2

Vgl. Hammann und Erichson, 1978, S.59f. Klassisches Test-Instrument hierfür ist die Varianzanalyse. Allerdings kann im vorliegenden Fall nicht die einfache Varianzanalyse angewandt werden, da sie sich nicht für Meßwiederholungen unter Berücksichtigung mehrerer Treatments eignet. Es bietet sich aber die Anwendung der multiplen monotonen Varianzanalyse an, die im Programmpaket SPSS^ mit der Prozedur M ANOVA zur Verfügung steht. Weisen die Experimental-Faktoren mindestens Intervallskalen-Niveau auf, können auch Techniken der Dependenz-Analyse, wie z.B. die Regressionsanalyse, verwendet werden. Beide Techniken vereint dagegen die Kausalanalyse.

204

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

Variable und "Nachher"-Variable spezifiziert. Die Nachher-Variable wird als von der Vorher-Variable kausal beeinflußt angenommen.43 Da die Kausalanalyse eine aggregierte Modellanalyse darstellt, gehen auch die Meßwerte der Kontrollgruppe mit ein. Mit einem derartigen Grundmodell können die zentralen Fragestellungen hinsichtlich der kausalen Wirkung unterschiedlicher Treatments, der kausalen Wirkung einer Vorher-Nachher-Beziehung (Stabilität vs. Instabilität von Konstrukten unter einem spezifischen Experimentaleinfluß) beantwortet werden. Insofern geht die Kausalanalyse über die Beantwortung der Frage, ob ein experimenteller Effekt vorliegt oder nicht, weit hinaus. Ein weiterer Vorteil der Kausalanalyse liegt in den geringen Anforderungen an die Zellenhäufigkeit des experimentellen Designs.44 Desweiteren sind die Anforderungen an die Normalverteilung der endogenen Variablen weit weniger restriktiv als beispielsweise bei der Regressionsanalyse; Abweichungen beeinträchtigen nur in Extremfallen die Schätzergebnisse. Vor allem die Möglichkeit zur impliziten Berücksichtigung bzw. Berechnung von Meßfehlera sowie von Korrelationen zwischen Konstrukten ist ein weiterer Vorteil dieser Technik. 45 Zur Analyse multipler Zusammenhänge unter Berücksichtigung experimenteller Einflüsse stellt die Kausalanalyse deshalb ein überlegenes Analyseverfahren dar. 4.2. Die Operationalisierung

der Treatment-Variablen

Für die Analyse experimenteller Daten eignen sich zwei grundsätzliche Vorgehensweisen. So können die Analysen zunächst treatmentspezifisch vorgenommen und anschließend im Wege multipler Gruppenvergleiche zueinander in Beziehung gesetzt werden. Als zweite Möglichkeit bietet sich an, Treatment-Variablen als Experimental-Faktoren zu bilden, mit Hilfe derer simultane Analysen vorgenommen werden können. Die Wirkungsunterschiede zwischen den Treatments sind kausal interpretierbar. Zur Operationalisierung der Experimental-Faktoren kommen verschiedene Alternativen in Betracht. Zum einen können die Treatments "Publikationen" (PUBLIK), "Truppenbesuch" (DIRKOM) und "Truppenbesuch + Jugendoffizier" (DIRKOM 2) als kategorielle Variablen aufgefaßt werden, die die Zugehörigkeit jedes 4 3

4 4 4 5

Der zu schätzende Koeffizient dieser Beziehung gibt das Ausmaß an Stabilität des jeweiligen Konstrukts wieder. Vgl. Bagozzi, 1980, S.195. Das methodische Grundprinzip der Kausalanalyse sowie die dort verwandten statistischen Tests werden in Abschn. 4.5 dargestellt.

205

Π. Untersuchungsanlage

Probanden zum jeweiligen Treatment klassifizieren. Zur Operationalisierung der Dummy-Variablen werden drei Variablen erzeugt, die in Abhängigkeit der Treatmentzugehörigkeit die Werte 0 oder 1 annehmen. Tab. 4.1 gibt den Zusammenhang wieder: 46 Tab. 4.1 Operationalisierung der Treatments (Treatment-Ansatz 1)

Treatment Publikationen

Truppenbesuch

Dummy-Variable PUBLIK DIRKOM DIRKOM 2

1 0 0

0 1 0

Truppenbesuch +Jugendoffizier 0 0 1

KontrollGruppe 0 0 0

Die kategoriellen Variablen PUBLIK, DIRKOM und DIRKOM 2 indizieren, ob ein Proband dem Einfluß von Publikationen, einem Truppenbesuch, einem Truppenbesuch und einem anschließenden Besuch des Jugendoffiziers oder gar keinem Einfluß (Kontrollgruppe) ausgesetzt war. Eine weitere Möglichkeit zur Operationalisierung der Treatments besteht in der gemischten Spezifikation als kategorielle und ordinale Variablen. Mit der kategoriellen Dummy-Variablen PUBLIK (0/1) wird klassifiziert, ob ein Einfluß von Publikationen vorlag oder nicht. Die ordinale Variable DIRKOM drückt dagegen aus, ob ein Proband der persönlichen Direktkommunikation ausgesetzt war, wobei die Rangstufen 1 und 2 eine entsprechend den Hypothesen unterstellte zunehmende Individualisierung und eine Zunahme der Persönlichkeit in der werblichen Ansprache indizieren. Diese Operationalisierungsform birgt die Gefahr, daß Besonderheiten, die in der Spezifität des Kommunikationsinstruments "Truppenbesuch + Jugendoffizier" begründet liegen, verloren gehen können. 47 Es muß befurchtet wer4 6

Hiermit wird der Forderung entsprochen, höchstens G-l (G = Anzahl der Gruppen) Experimentalvariablen zu spezifizieren, vgl. Bagozzi, 1980, S.153; Jöreskog und Sörbom, 1988, S.78f.

4 7

Diese Form der gemischten Operationalisierung ist gemäß der vorhandenen Literatur bislang nicht angewandt worden. Die Anwendung würde insofern eine Neuerung darstellen, für die keine Vergleichsmöglichkeiten gegeben sind. Andererseits begünstigen die geringen Anforderungen an die Verteilung der exogenen Variablen im LISREL-Modell die Anwendung.

206

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

den, daß Wirkungsunterschiede zwischen den persönlichen Kommunikationsformen quasi "gemittelt" werden. Desweiteren liegt bei lediglich drei Rängen eine sehr "gestauchte" ordinale Struktur vor, was fur quantitative Analysen als Problem angesehen werden muß. Dennoch könnten zumindest Aussagen über Wirkungsunterschiede zwischen persönlicher und nichtpersönlicher Ansprache getroffen werden.

Tab. 4.2. Operationalisierung der Treatments (Treatment-Ansatz 2)

Treatment Publikationen

Truppenbesuch

Dummy-Variable PUBLIK DIRKOM

1 0

0 1

Truppenbesuch + Jugendoffizier 0 2

KontrollGruppe 0 0

In der vorliegenden Untersuchung soll in erster Linie der Treatment-Ansatz 1 zur Anwendung kommen, da hiermit genauere Aussagen über die Spezifität der Wirkungen jeder Kommunikationsform möglich erscheinen. Zur Lösung der theoretisch möglichen Identifikationsprobleme bei komplexen Modellstrukturen kann auf den Treatment-Ansatz 2 zurückgegriffen werden. 48 Die Spezifikation der Experimental-Variablen als kausale Konstrukte wird in Abschnitt V näher dargestellt. 49

4 8

4 9

Ein nicht zu vernachlässigendes Problem technischer Art stellt sich bei der Nutzung des ersten Operationalisierungsansatzes (drei Dummy-Variablen). Da die Einbeziehung der Experimental-Variablen als exogene Konstrukte in einem LISREL-Modell die Spezifikation von Kausalbeziehungen zu jedem endogenen Konstrukt erfordert, bestünde die Gefahr, daß die Modelle möglicherweise nicht mehr identifizierbar wären (die Anzahl der zu schätzenden Parameter liegt über der Anzahl von Strukturgleichungen). Aus diesem Grund ist es erforderlich, die Anzahl der Konstrukte und Strukturbeziehungen so klein wie möglich zu halten, sofern nicht eine entsprechend hohe Anzahl von Indikatoren zur Verfugung steht. Grundlage der in Abschn. V folgenden Analysen ist die Stichproben-KorrelationsMatrix aller Variablen. Für die Berechnung der Matrix wurde das entsprechende Skalenniveau der empirischen und der Treatment-Variablen berücksichtigt. Für die metrischen Variablen wurden die Korrelationen mit der SPSS-Prozedur PEARSON KORR berechnet, zur Berechnung der Korrelation zwischen nichtmetrischen (rangskalierten) bzw. metrisch- nichtmetrischen Variablenpaaren wurde die SPSS-Prozedur NONPAR CORR angewandt (vgl. Schubö und Uehlinger, 1984, S.359ff. und S.327ff.

207

Π. Untersuchungsanlage

5. Methodische Vorgehensweise in der Analyse 5.7. Die empirische Prüfung verhaltenswissenschaftlicher Modelle und Hypothesen Häufig werden in der Marketingforschung multivariate Analyseverfahren zur Exploration, d.h. zur Aufdeckung von Zusammenhängen bzw. Regelmäßigkeiten und insofern eher zur Generierung theoretischer Hypothesen statt zur Konfirmation von Hypothesen angewandt; konfirmatorische multivariate Analyseverfahren dienen dagegen der Bestätigung einer vom Forscher explizit formulierten Modellstruktur an Hand eines empirischen Datensatzes.50 Die beobachtungssprachliche Formulierung der Modellstruktur drückt die Vorstellung des Forschers von der Realität aus. Sie fundiert auf einem der empirischen Überprüfung zu unterziehenden Hypothesensystem.51 In der vorliegenden Untersuchung sollen mit dem verhaltenswissenschaftlichen Modellansatz die Einflüsse der Direktkommunikationsformen auf bestimmte intervenierende Variablen unter Berücksichtigung der interpersonellen Modellkomponente nachgewiesen werden. Die vermuteten Zusammenhänge zwischen den werblichen Stimuli, den intervenierenden Variablen und der interpersonellen Kommunikation wurden hierzu in Hypothesen formuliert. Für die nicht direkt beobachtbaren hypothetischen Konstrukte wurden meßbare Indikatoren entwickelt (operationalisiert), die der Repräsentation des Konstruktes auf der Beobachtungsebene dienen. Die Hypothesen sind in einem "je-desto-Kontext" ("weich") formuliert worden. Diese können aber auch noch stärker restringiert werden, z.B. über das Festlegen von Gültigkeitsbereichen oder Bedingungen. 5.2. Die Analyse von verhaltenswissenschaftlichen

Modellen

5.2.1. Das Konzept der Kausalität Der Begriff der Kausalität wird sehr vielfaltig und häufig verwirrend gebraucht. Die definitorische Abgrenzung der Kausalität bzw. des Kausalitatskonzeptes wird meist in Abhängigkeit vom wissenschaftstheoretischen und philosophischen Standpunkt definiert. Kausale Zusammenhänge können nie gänzlich verifiziert werden, da Kausalität selbst als ein theoretisches Konstrukt nicht direkt beobachtbar oder meßbar ist. 5 2 5 0

Hildebrandt, 1983, S.16f.

5 1

Ders., S.23. Vgl. Blalock, 1972, S.llf.

5 2

208

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

Unter einer Kausalbeziehung kann die Regelmäßigkeit der Verbindung zwischen Ursache und Wirkung und eine Gesetzesartigkeit dieses regelmäßigen Phänomens verstanden werden. 53 Die Ermittlung kausaler Beziehungen unter Abschottung von möglichen anderen Einflüssen ist wohl nur in wenigen Bereichen, insbesondere in der naturwissenschaftlichen Forschung möglich. Aber auch hier lassen sich selten Wahrheiten, sondern eher praktikable Sicherheiten über den ermittelten kausalen Zusammenhang feststellen. 54 Für die Annahme einer kausalen Beziehung lassen sich bestimmte Bedingungen formulieren: 55 Ein kausaler Zusammenhang zwischen zwei Variablen kann unterstellt werden, wenn (1) die Variablen miteinander koovariieren bzw. korrelieren, (2) eine zeitlich asymmetrische Beziehung zwischen den beiden Variablen herrscht, (3) die Beziehung zwischen beiden Variablen nicht durch eine dritte Variable hervorgerufen wird und (4) der Zusammenhang zwischen den Variablen auch theoretisch begründbar ist. 5 6 Insbesondere die vierte Bedingung drückt aus, daß Auswahl der Variablen und Festlegung der Beziehungen theoretisch fundiert, d.h. einer vorliegenden Theorie oder Hypothesenstruktur folgen müssen. Die vollständige Abgrenzung eines Wirkungseinflusses bzw. die Isolation möglicher störender Ef5 3

Eine Problematisierung dieser Kausalitätsauffassung nahm Bagozzi vor. Demzufolge ist zunächst die Frage zu stellen, wie gesetzesartige Kausalaussagen von nicht-gesetzesartigen Aussagen abzugrenzen sind. Zweitens ist die Frage nach der Asymmetrie zwischen Ursache und Wirkung von Kausalität bzw. nach den Charakteristika dieser Asymmetrie zu stellen. Drittens muß überprüft werden, wie wahre Ursachen von anderen kausalen Einflüssen isoliert werden können. Vgl. Bagozzi, 1980, S.13ff.

5 4

In der Konsumverhaltensforschung wird sich häufig an der empirisch-analytischen Richtung der Wissenschaftstheorie orientiert. Das Hempel-Oppenheim-Schema als Paradigma wissenschaftlicher Erklärungen hat dabei einen großen Stellenwert. Die wissenschaftliche Erklärung eines empirischen Phänomens wird dabei aus zwei wesentlichen Teilen gebildet (vgl. Hempel 1965, S.331ff.). Der erste Teil setzt sich aus einem Satz von Tatbeständen zusammen, die das zu erklärende Phänomen beschreiben (Explanandum), der zweite Teil ist ein Satz von Aussagen und Tatbestanden, die das Phänomen erklären sollen (Explananz). Das Explananz wird dabei durch sog. Antezendenzbedingungen und generelle Aussagen mit gesetzesartigem Charakter definiert. Einen Überblick über Kausalitätskonzeptionen in unterschiedlichen Strömungen liefert Bagozzi, 1980.

5 5

Blalock, 1964; Bagozzi, 1980.

5 6

V g l . Hildebrandt, 1983, S.21f.

Π. Untersuchungsanlage

209

fekte, um die tatsachliche Kovariation zwischen den Variablen zu ermitteln, kann insbesondere in der verhaltenswissenschaftlichen Forschung eigentlich nie gewährleistet werden. So beeinträchtigen Scheinkorrelationen erheblich die Validität des Kausalmodells. Da die Aufnahme möglichst vieler fur die Kausalbeziehung relevanter Variablen in die Modellstruktur gleichzeitig die Einfuhrung zusätzlicher Annahmen bedingt, sind dieser Vorgehensweise enge Grenzen gesetzt. Außerdem werden mit jeder Variablen, die neu eingeführt wird, Störgrößen, die auf die neueingeführte Variable wirken, in das Modell mit einbezogen.57 5.2.2. Der Test von Kausalhypothesen im Rahmen konfirmatorischer Analysen In zahlreichen Forschungsdisziplinen gilt das Experiment als herausragende Methode für den Test von Kausalhypothesen.58 Der Forscher kann dabei auf Geschehnisse in der Realität einwirken, indem er Variablen kontrolliert oder manipuliert bzw. ausschließt. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, innerhalb eines theoretisch formulierten Gültigkeitsbereiches, der empirisch im Rahmen der Experimentieranordnung umgesetzt wird, die Wirkungen auf bestimmte Größen zu ermitteln. Der Forscher greift damit in die von ihm theoretisch fundierte Modell- bzw. Wirkungsstruktur ein, wobei keinesfalls gesichert ist, daß diese Wirkungsstruktur sich auch in der Realität wiederfindet. 59 Ein Problem liegt in der Berücksichtigung von Interdependenzen. Häufig werden in experimentellen Untersuchungen lediglich bivariate Variablenzusammenhänge, z.B. die Wirkung einer unabhängigen Variablen auf eine abhängige Variable, betrachtet. Diese methodische Einengung wie auch die theoretische Beschränkung auf wenige Einflußgrößen wird nur selten der Realität gerecht. Insbesondere für verhaltenswissenschaftliche Fragen kann nur selten davon ausgegangen werden, daß eine Variable nur von einer anderen abhängt oder die Beziehung zwischen beiden nicht durch weitere Faktoren modifiziert wird. Auf der Ebene der theoretischen Sprache bedeutet dies, 5 7

Die Forderung nach zeitlicher Asymmetrie muß insbesondere in nicht-experimentellen Designs durch theoretische Annahmen ersetzt werden. Restriktive Annahmen über das Verhalten von Störgrößen oder nicht aufgenommenen Variablen lösen dieses Problem nicht, vgl. Blalock, 1962, S.23. Die Forderung nach zeitlicher Asymmetrie muß insbesondere in nicht-experimentellen Designs durch theoretische Annahmen ersetzt werden.

5 8

Vgl. Hammann und Erichson, 1978; Kroeber-Riel, 1987. Häufig müssen erhebliche Annahmen getroffen werden, um störende Effekte, insbesondere in Laborexperimenten, auszuschließen. Hierbei kommt der Lösung des Grundproblems der Sicherung von interner und externer Validität erhebliche Bedeutung zu. Vgl. Hildebrandt 1983, S.6 und Bagozzi, 1980, S.113ff.

5 9

14 Beba

210

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

daß man nicht nur eine einzelne Aussage, sondern eine Menge logisch miteinander verknüpfter Aussagen prüfen muß. 6 0 Zur Prüfung des im Rahmen dieser Untersuchung aufgebauten Aussagesystems bietet sich der methodische Ansatz der Kausalanalyse an.

ζι

δι

·

χ

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ι

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X2

» *

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·

*

yι y* ya y

ν MEßMODELL DER LATENTEN EXOGENEN VARIABLEN

ει ε2 ε3

ε*

MEßMODELL DER LATENTEN ENDOGENEN VARIABLEN STRUKTURMODELL

Abb. 4.3 Grundform eines Kausalmodells

6. Die Kausalanalyse Die Kausalanalyse ist ein Instrument zur Untersuchung kausaler Abhängigkeiten (Ursache-Wirkungs-Beziehungen) zwischen Variablen. Mit " Kausal modellbildung" wird dabei der Prozeß der Übersetzung verbaler Aussagen (Hypothesen) über die Beziehungen zwischen bestimmten Variablen oder hypothetischen Konstrukten in mathematische Strukturen bezeichnet.61 6.7. Die Konstruktion

von Kausalmodellen

Um kausale Beziehungen aufzudecken bzw. ihre Existenz nachzuweisen, ist zum einen eine Ubersetzung der postulierten Hypothesen in die Sprache der

6 0

6

Blalock, 1962 erarbeitete Grundprinzipien zu dieser Form der kausalen Prüfung von Hypothesen. gl. H d e b r a n d t , 1983, S . 2 1 .

211

Π. Untersuchungsanlage

Mathematik und zum anderen die Umsetzung genereller Konventionen über die Abbildung kausaler Beziehungen erforderlich. Das Hypothesensystem beruht auf theoretischen A n n a h m e n eines "substantiellen" Modells, womit die mathematische Formulierbarkeit sowie die empirische Prüfbarkeit des Modells gemeint ist. 6 2 Ein Kausalmodell besteht aus theoretischen Konstrukten, Beziehungen zwischen Konstrukten und Beobachtungen sowie aus Hypothesen über die Zusammenhänge von Konstrukten. Darüber hinaus werden in einem Kausalmodell Voraussetzungen bzw. Annahmen über die Konstrukte bzw. ihre Beziehungen untereinander getroffen. Neben theoretischen Konstrukten umfassen Kausalmodelle definierte Konzepte, empirische Konzepte sowie Verbindungen zwischen ihnen (theoretische Hypothesen, Korrespondenzregeln und Operationalisierungen). Sie werden als Netzwerk mit bestimmten grafischen Konventionen konzeptioniert (vgl. Abb. 4.3). 6 3 Ein vollständiges LISREL-Modell umfaßt folgende Variablen: X

= Indikatoren für die latenten exogenen Variablen,

Y

= Indikatoren für die latenten endogenen Variablen,

£

= latente exogene Variable (Ksi),

V

= latente endogene Variable (Eta),

Υ

= Parameter der kausalen Beziehung endogenen Variablen (GAMMA),

ß

zwischen

exogenen

und

= Parameter der kausalen Beziehung zwischen endogenen Variablen (Beta),

Χχ

= Parameter der Beziehung zwischen der den Indikatoren (Lambda χ),

(exogenen) Variablen und

λγ ^

= Parameter der Beziehung zwischen der (endogenen) Variablen und dem Indikator (Lambda y), = Meßfehlervariable des Indikators Y bzw.X im Meßmodell (Epsilon bzw. Delta),

Γ

6 2 63

= Residualvariable der (endogenen) Variablen im Strukturmodell (Zeta).

Vgl. Hüdebrandt, 1983, S.272. Vgl. Bagozzi, 1980, S.64.

212

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

Die Beziehungen zwischen den Variablen werden mithilfe bestimmter Symbole vorgenommen, fur die bestimmte Konventionen gelten. 64 6.2. Die Entwicklung

von Methoden der Kausalanalyse

Als konfirmatorisches und somit hypothesen- bzw. theorietestendes Verfahren im Rahmen einer Kausalanalyse von verhaltenswissenschaftlichen Modellen wurde methodisch zunächst die Regressionsanalyse65 eingesetzt. Im weiteren Zeitverlauf jedoch fand die Pfadanalyse als ein Verfahren zur Uberprüfung linearer Kausalmodelle zunehmend Anwendung.66 Aufgrund des enormen Rechenaufwandes, der zur Bestimmung der einzelnen sog. Pfadkoeffizienten erforderlich war, gelangte sie jedoch nur schrittweise zur Anwendung. Überwiegend wurde sie zunächst auf sozialwissenschaftliche Fragestellungen angewandt.67 In den Wirtschaftswissenschaften befaßten sich nur wenige Forscher, überwiegend im anglo-amerikanischem Raum, mit dieser Methode. 68 Durch die Entwicklung moderner EDV-Soft- und -Hardware hat die Praktikabilität und Ökonomie der Pfadanalyse an Bedeutung gewonnen. Die Pfadanalyse stellt den methodischen Grundbaustein zur konfirmatorischen Analyse kausaler Strukturen dar. Sie ist ein Sonderfall des allgemeinen linearen Modells. Zielsetzung der Pfadanalyse ist die Überprüfung eines Kausalmodells aufgrund der Analyse der Kovariationsbeziehungen zwischen Modell variablen. 69 Zum Modelltest und zur Schätzung von Koeffizienten las-

6 4

6 5 6 6 6 7

6 8

6 9

Folgende Notationen gelten für ein Kausalmodell (vgl. Backhaus 1987, S.259): Die Indikatoren der exogenen bzw. endogenen Variablen werden in Kästchen, die Verbindungen zwischen Indikatoren und latenten Variablen werden als (durchbrochene) Pfeile dargestellt. Konstrukte werden durch Kreise symbolisiert. Eine kausale Beziehung wird durch einen geraden Pfeil symbolisiert, wobei der Ursprung bei der verursachenden (unabhängigen) Variablen liegt. Der Einfluß von Residualvariablen (Meßfehlervariablen) wird durch Pfeile dargestellt, die immer von der Residualvariablen ausgehen. Nicht kausal interpretierte Beziehungen werden durch gekrümmte Doppelpfeile symbolisiert und sind nur zwischen latenten exogenen Variablen und zwischen Meßfehlervariablen zulässig. Vgl. Farley und Ring, 1970. Die Methode der Pfadanalyse wurde bereits 1934 von Wright entwickelt. Vgi. Duncan, 1966; Blalock, 1972; Werts und Linn, 1970; Jäger und Gosslar, 1975; Brandtstetter und Bernitzke, 1976. Z.B. Wold und Juren, 1953; Wold, 1954; Christopher und Elliott, 1970; Monroe und Guiltinan, 1975. Vgl. Brandtstetter und Bermotule, 1976. Eine Einführung in die Pfadanalyse findet sich u.a. bei Roth und Gosslar, 1979. Auf die grundsätzlichen Definitionen und Notationen der Pfadanalyse zum Test von Kausalmodellen soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, da dies im LISREL-Ansatz der Kausalanalyse im weiteren Verlauf dargestellt werden soll.

II. Untersuchungsanlage

213

sen sich fur die Pfadanalyse Regressionsprogramme, wie sie z.B. in dem Programm-Paket SPSS zur Verfugung gestellt werden, benutzen.70 Hildebrandt vertritt die Auffassung, daß die Pfadanalyse nur einer quasikonfirmatorischen Analyse dienen kann. 71 Zwar kann die Pfadanalyse sowohl zur Konstruktion als auch zur Überprüfung von Theorien angewandt werden; da allerdings keine explizite Teststatistik fur die Güte der Anpassung einer theoretischen Struktur an die empirischen Daten vorhanden ist, hängen Aussagen über die Validität der Analysen in hohem Maße von subjektiven Kriterien ab. In der Literatur finden sich Anwendungsbeispiele, in denen mehr oder weniger umfangreiche Kausalanalysen auf der Grundlage der Pfadanalyse durchgeführt wurden. 72 Von den Ergebnissen her ließen sich zwar häufig positive und signifikante Beziehungen zwischen den endogenen Variablen feststellen. Zwischen endogenen und exogenen Variablen modellierte Beziehungen, insbesondere komplexe Modellstrukturen, wiesen aufgrund der geringen statistischen Signifikanz nur wenig Aussagekraft auf. Dies kann sowohl auf ein Auseinanderklaffen von theoretischer Definition und Operationalisierung als auch auf die Methodologie zurückgeführt werden, da mit traditionellen Pfad- und Regressionsmethoden mehrdimensionale Konstrukte lediglich durch Einzelindikatoren oder Indexmaße im Modell repräsentiert werden. 73 7. Der LISREL-Ansatz der Kausalanalyse In den letzten Jahren sind neue kausalanalytische Verfahren entwickelt worden, deren methodologische Überlegenheit gegenüber den älteren Verfahren eine Zunahme hinsichtlich ihrer Akzeptanz und Anwendung in Forschung und

7 0

71 7 2 7 3

Wird von standardisierten Variablen ausgegangen, entspricht der standardisierte partielle Regressionskoeffizient dem Pfadkoeffizienten. Unabhängig von der Metrik der Variablen drückt er aus, welchen Anteil der Standardabweichung der determinierten Variablen durch die determinierende Variable (unter Konstanthaltung anderer Variablen) bestimmt wird, vgl. Hildebrandt 1983, S.32. Auf der Grundlage der Varianz-Kovarianz-Matrix (unstandardisierte Variablen) lassen sich Pfad-Regressionskoeffizienten (unstandardisierte Regressionskoeffizienten) berechnen, vgl. Blalock, 1967. Sie können für Vergleiche über mehrere Populationen herangezogen werden. Insbesondere beim Vorhandensein interpretierbarer Skalen der Variablen läßt der unstandardisierte Koeffizient aussagekräftige, konkrete Prognosen zu. Vgl. Hüdebrandt, 1983, S.32. Vgl. Howard Sheth, 1969; Farley und Ring, 1970 und 1972; und Sheth, 1974. V g l . Hildebrandt, 1983, S.40.

214

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

Praxis erwarten läßt. Besonders hervorzuheben sind der LISREL-, der PLSsowie der EQS-Ansatz.74 Diese Verfahren können sowohl zur - Entwicklung von Skalen und Indizes sowie zur Ermittlung der Reliabilität von Messungen, - Prüfung der Konstruktvalidität in ihren verschiedenen Varianten und - Konstruktion, Prüfung und Modifikation von Hypothesen, zur Formulierung von Prognosen und zur differenzierten Beurteilung von Kausalbeziehungen eingesetzt werden. 75 Die spärliche Anwendung in Forschung und Praxis kann auf Eintrittsbarrieren in der Anwendung zurückgeführt werden, da die Definition und Notation eines kausalanalytischen Verfahrens hohe Anforderungen stellt. 76 Als weiterer Grund ist die komplizierte programmtechnische Ausgestaltung zu nennen. 7.1. Die simultane konfirmatorische

Analyse im

Rahmen des LISREL-Ansatzes Grundlage fur die simultane konfirmatorische (hypothesenprüfende) Analyse ist die Integration von Meß- und Kausalhypothesen in Kausalmodellen. Hierzu können Aussagen über Meßfehler aus der klassischen Testtheorie herangezogen werden. 77 Der von Karl E. Jöreskog entwickelte kausalanalytische Ansatz stellt eine statistische Theorie und einen Algorithmus zur Untersuchung von linearen Strukturgleichungsmodellen dar; er ist mit dem Programm LISREL (Linear

7 4 7 5 7 6

7 7

Vgl. Roth und Gosslar, 1979. Vgl. Förster et al., 1984, S.346 und Bagozzi, 1982, S.566. In der deutschsprachigen Marketingwissenschaft sind insbesondere die Anwendungen von Hildebrandt, 1983 und 1984; Trommsdorff, 1984; und Baldeijahn, 1981 und 1988, hervorzuheben. Im sozialwissenschaftlichen Bereich sind insbesondere die umfangreichen Anwendungen von Pfeiffer, 1988, zu nennen. Die Testtheorie geht davon aus, daß jede empirische Messung einer Person auf einem Item definiert ist als lineare Funktion eines "wahren" Wertes und eines Zufallsfehlers. Dies wird mit der Annahme begründet, daß bei Messungen stets eine zufällige Variation in den Messungen vorliegt. Weitere Annahmen sind, daß der Erwartungswert des Zufallsfehlers null ist und der wahre Wert mit seinem Zufallsfehler unkorreliert ist. Auch die Zufallsfehler verschiedener Variablen sind unkorreliert, vgl. Hildebrandt, 1983, S.44. Der Grad, in dem eine Messung frei von zufalligen Meßfehlern ist, d.h. unabhängige, aber vergleichbare Messungen des gleichen Konstrukts übereinstimmen, wird als Maß für die Réhabilitât einer Messung bezeichnet, vgl. insbes. Friedrichs, 1981, S.102f.

Π. Untersuchungsanlage

215

Structural Relation System) fur Anwender verfügbar. 78 Methodisch ist der LISREL-Ansatz in das allgemeine lineare Modell zur Analyse von Kovarianzstrukturen einzuordnen. Hierbei wird die faktorenanalytische Theorie (Fundamentaltheorem der Faktorenanalyse) mit dem Regressionsansatz verknüpft. 79 Das Kausalmodell stellt dabei ein System linearer struktureller Beziehungen dar (lineare Strukturgleichungs-Modelle). So eignet sich der LISREL-Ansatz nicht nur für Modelle der exploratorischen und konfirmatorischen Faktorenanalyse, sondern auch für Modelle der klassischen Pfadanalyse, ökonometrische Modelle der Zeitreihenanalyse, rekursive und nicht-rekursive Modelle sowohl für Querschnitts- als auch für Längsschnittsdaten.80 Das LISREL-Modell repräsentiert eine simultane Verknüpfung von konfirmatorischen Faktormodellen mit pfadanalytischen Modellen. Die Faktormodelle repräsentieren die Meßstruktur, in denen die Meßfehler berücksichtigt werden. Die kausalen Beziehungen werden im Pfadmodell auf der Konstruktebene abgebildet (vgl. das Strukturmodell in Abb. 4.3). Im LISREL-Ansatz können somit neben den beobachtbaren auch nicht beobachtbare (latente) Variablen, die grundsätzlich theoretische Konstrukte darstellen, in die Analyse einbezogen werden. Die Leistungsfähigkeit des Ansatzes wird insbesondere durch die Möglichkeit deutlich, sowohl Meßfehler als auch Fehler in den Strukturgleichungen mit einzubeziehen, darüber hinaus können auch Beziehungen zwischen den Fehlern zugelassen werden. Mit dem Ansatz können sowohl direkte Effekte (Stärke einer Beziehung) als auch die über Zwischenvariablen vermittelten indirekten Effekte berechnet und zu Totaleffekten aggregiert werden. Das LISREL-Modell umfaßt demnach sowohl die Meßmodelle der Konstrukte, das Strukturmodell der nicht beobachtbaren Variablen (Konstrukte) sowie die Verknüpfungen aller Teilmodelle. Es kann deshalb auch als eine Erweiterung des faktoranalytischen Ansatzes aufgefaßt werden. 81

7 8 7 9

8 0 81

Vgl. Jöreskog, 1982 und Jöreskog und Sörbom, 1978, 1981. Der Begriff Kovarianzstrukturanalyse bezeichnet die Untersuchung von Meßund/oder Kausalhypothesen auf der Grundlage von Korrelationen oder Kovarianzen. Vgl. Jöreskog und Sörbom, 1981, S.I.3. Generell lassen sich fünf LISREL-Ansätze zur Konstruktion von fundamentalen Modellen unterscheiden: (1) die konfirmatorische Faktorenanalyse, (2) die Formalisierung von Facettenstrukturen (z.B. Multimerkmals- und MultimethodenMatrizen), (3) die Analyse von Zeitreihen- und Panel-Designs, (4) MultipleIndicator-Ansätze und (5) Modelle zur Analyse experimenteller Designs. Hildebrandt, 1983, S.73.

216

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

7.2. Die Aufstellung eines LISREL-Modells Mit LISREL wird im folgenden einerseits der allgemeine Modellansatz mit linearen Strukturgleichungen, der zwischen latenten bzw. hypothetischen Variablen und multiplen Indikatoren oder Meßvariablen unterscheidet, bezeichnet, andererseits ist damit die jeweilige Version des Computerprogramms LISREL gemeint, mit Hilfe dessen fur den allgemeinen linearen Modellansatz Schätzungen durchgeführt werden können. Das LISREL-Modell umfaßt zwei Arten von Gleichungssystemen: 1. Die Gleichungen des Strukturmodells und 2. Die Gleichungen der Meßmodelle.82 Mit Hilfe der Meßmodelle werden Beziehungen zwischen hypothetischen Konstrukten und beobachteten Variablen festgelegt. Die zu berechnenden Parameter (Faktorladungen) geben Auskunft über die Assoziation des Indikators mit dem Konstrukt und insofern über die Güte der Messungen. Die kausalen Beziehungen zwischen den theoretischen Konstrukten (latente Variablen) werden durch die Gleichungen des Strukturmodells festgelegt. Ein Ziel der Analyse ist es, die Stärke der kausalen Effekte zwischen endogenen und exogenen (determinierenden und determinierten) Konstrukten sowie die Anteile nicht erklärter Varianz zu bestimmen. 7.5. Der Aufbau des LISREL-Modellansatzes Im folgenden werden die methodischen Grundlagen des Ansatzes dargestellt. Aufgrund der relativ konsistenten Anwendung der LISREL-Nomenklatur von Jöreskog werden die Bezeichnungen und Beschreibungen des Modellaufbaus weitgehend übernommen. Wie bereits ausgeführt, können mit dem LISREL-Ansatz der Kausalanalyse die Beziehungen zwischen hypothetischen Konstrukten (latenten Variablen) geschätzt und überprüft werden. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn die hypothetischen Konstrukte durch empirisch beobachtbare Indikatoren operationalisiert worden sind. 83 Mit der Operationalisierung wird die empirische Repräsentation der latenten Variablen durch die Indikatoren vorgenommen. 84 8 2 83

8 4

Vgl. Hildebrandt, 1983, S.59 und Jöreskog und Sörbom, 1981, S.I.2f. "Indikatoren sind unmittelbar meßbare Sachverhalte, welche das Vorliegen der gemeinten, aber nicht direkt erfaßbaren Phänomene....anzeigen". Kroeber-Riel, 1984, S.27. V g l . Hempel, 1965, S.72f.

Π. Untersuchungsanlage

217

Das Strukturmodell umfaßt die auf der Grundlage theoretischer Überlegungen gebildeten unabhängigen latenten (exogenen) Variablen sowie die abhängigen latenten (endogenen) Variablen und die aufgrund postulierter Zusammenhänge (Hypothesen) zwischen exogenen und endogenen Variablen aufgestellten Beziehungen. In den Meßmodellen werden die Relationen zwischen den latenten Variablen und deren Indikatoren abgebildet. Dies gilt sowohl für die endogenen (Meßmodell der latenten endogenen Variablen) als auch für die exogenen (Meßmodell der latenten exogenen Variablen) Konstrukte. Die Meßmodelle sollen die nicht beobachtbaren latenten Variablen durch die empirischen Indikatoren möglichst gut abbilden. Mittels der Indikatorvariablen ist es nun möglich, Kovarianzen oder Korrelationen zwischen den Indikatorvariablen zu berechnen. Diese Kovarianzen bzw. Korrelationen werden im LISREL-Ansatz herangezogen, um die Beziehungen zwischen den latenten Variablen und ihren Indikatoren sowie zwischen den latenten endogenen Variablen und den latenten exogenen Variablen zu bestimmen. Die berechneten Parameter der Meßmodelle liefern Informationen über die Güte der Messungen, d.h. über die Reliabilität der Operationalisierungen. Die latenten exogenen Konstrukte werden dabei nicht erklärt. Die berechneten Parameter des Strukturmodells geben die Stärke der kausalen Effekte zwischen den endogenen und exogenen Konstrukten sowie die Anteile der nicht erklärten Varianz in den endogenen Variablen wieder. Ζ 4. Strukturgleichungen

im LISREL-Ansatz

Methodisch werden im LISREL-Ansatz die Beziehungen zwischen hypothetischen Konstrukten mit der Regressionsanalyse geschätzt; die Beziehungen zwischen Konstrukten und ihren Indikatoren werden dagegen mittels der Faktorenanalyse berechnet. Alle Beziehungen in einem Kausalmodell lassen sich in ein System mathematischer Gleichungen transformieren. Eine Prämisse stellt die Linearität der Beziehungen dar. Dies betrifft vor allem das Hypothesensystem, auf dessen Grundlage die Strukturgleichungen aufgestellt werden. Da allerdings bei den in den vorangestellten Abschnitten entwickelten Hypothesen keine theoretisch plausiblen Anhaltspunkte für nichtlineare Beziehungen erkennbar sind, stellt die Linearitätsprämisse keine bedeutsame Einschränkung für die vorliegende Untersuchung dar. Die Beziehungen zwischen den latenten Variablen im Modell in Abb. 4.3 können in folgende Strukturgleichungen umgesetzt werden:

218

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

r

(1)

i1

=

y

Ä

(2)

7

+

n

+

21 ·

+

7

^

21

+

f

+

2

Es wird unterstellt, daß die latenten Variablen und die Pfadkoeffizienten für die Beziehungen zwischen den latenten Variablen standardisiert sind. Im LISREL-Ansatz werden die Gleichungen durch den Anwender in Matrixweise spezifiziert. (1) und (2) nehmen dabei folgende Form an: 0

0

"l

*11 +



ξ

0

.021

+ Λ

Oder allgemein: V

=





Β

·*

Die Koeffizienten-Matrizen werden mit den griechischen Großbuchstaben Β und Γ dargestellt. f ist der Vektor der Residuen der endogenen Variablen. Die Korrelationen zwischen den latenten Variablen sind allerdings unbekannt, weil keine empirischen Beobachtungswerte hierfür vorliegen. Wie bereits weiter oben ausgeführt, muß deshalb auf Indikator-Variablen zurückgegriffen werden, fur die empirische Beobachtungswerte zur Verfügung stehen. Das Strukturmodell wird also um entsprechende Meßmodelle erweitert. Das Meßmodell der latenten exogenen Variablen mit zwei Indikatoren läßt sich in Matrixschreibweise durch X

1

"«Γ

V —



x

2

λ

£

21

und im speziellen durch die Gleichungen

+ h

219

Π. Untersuchungsanlage

X

X

1

-

=

2

λ

11

λ

2 1

+

·

ζ ι

+

δ

1

δ 2

ausdrücken. Im allgemeinen Fall ist also Χ



Χ

. { . 5

mit Lambda X als Matrix der Koeffizienten des Meßmodells und Vektor der Residuen des Meßmodells.

δ als

Im Meßmodell werden Korrelationen zwischen Indikator- und latenten Variablen nicht kausal interpretiert, sondern die latente Variable wird als verursachend fur den Beobachtungswert (Meßwert) der Indikatorvariablen aufgefaßt. 85 Insofern kann das Meßmodell als faktorenanalytisches Modell angesehen werden. Die Korrelationen entsprechen den Faktorladungen zwischen den Indikatorvariablen und den hypothetischen Konstrukten. Auch das Meßmodell der endogenen Variablen kann als Faktorenmodell aufgefaßt werden, wobei durch die Zulassung von direkten kausalen Abhängigkeiten zwischen den endogenen Variablen die Reproduktion der Korrelationen zwischen den empirischen Indikatoren auf faktorenanalytischem Wege ermöglicht wird. 8 6 Zur Berechnung der Koeffizienten werden die empirischen Variablen zentriert, d.h. als Abweichungen von ihrem jeweiligen Mittelwert formuliert und in Kovarianzen bzw. partielle Korrelationen gemäß dem Fundamental theorem umgewandelt. Entscheidend ist, daß alle berechneten Korrelationen auspartialisieit werden, um so die "tatsächliche" Korrelation zweier Variablen ohne den Einfluß einer dritten Variablen zu ermitteln. 87 Zusammenfassend kann der LISREL-Ansatz der Kausalanalyse durch folgende Merkmale beschrieben werden:

8 5

Backhaus et al., 1987, S.242.

8 6

V g l . Backhaus et al., 1987, S.243f. Die Rechenoperationen verkomplizieren sich etwas, da zwischen den endogenen im Gegensatz zu den exogenen Variablen direkte kausale Abhängigkeiten zugelassen sind.

8 7

A u f die Darstellung der grundlegenden mathematischen Zusammenhänge wird hier verzichtet. V g l . hierzu Backhaus et al., 1987, S. 227-243, S. 247-251 und S.262.

220

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

(1) Die in einem Kausalmodell betrachteten Variablen werden standardisiert bzw. zentriert, d.h. sie gehen als Abweichungen vom jeweiligen Mittelwert in die Analyse ein, (2) die latenten Variablen werden durch direkt beobachtbare Indikatorenvariablen operationalisiert, (3) fur endogene und exogene Variablen werden voneinander getrennte Meßmodelle entwickelt, die der faktorenanalytischen Struktur entsprechen, (4) die Beziehungen zwischen den latenten Variablen werden mit dem regressionsanalytischen Ansatz geschätzt, (5) die empirischen Korrelationen zwischen den Indikatorvariablen werden zur Berechnung der Koeffizienten in den Meßmodellen und im Strukturmodell herangezogen, (6) der LISREL-Ansatz "kombiniert" (integriert) zwei Faktorenmodelle mit einem Regressionsmodell, wodurch theoretisch postulierte Beziehungen zwischen latenten Variablen überprüft werden können. Je fundierter die theoretische Grundlage des Kausalmodells (des Hypothesensystems) ist, desto besser wird der LISREL-Ansatz dem konfirmatorischen Anspruch gerecht. Zur Hypothesenprüfung wird im einfachsten Fall lediglich die Signifikanz der Beziehungen zwischen den Variablen untersucht, darüber hinaus kann aber auch die Richtung des Zusammenhangs (Vorzeichen) sowie die Stärke des Zusammenhangs (Größe des Koeffizienten) Gegenstand des Hypothesentests sein. Im LISREL-Programm können sowohl Vorzeichen als auch Wertebereiche für die Parameter vorgegeben werden. Je restriktiver die Hypothesen in diesem Zusammenhang formuliert werden, desto näher kommt man der Prüfung "echter" ("harter") Hypothesen.88 7.5. Schätzverfahren

im LISREL-Modell

Die Überprüfung der Hypothesen des Kausalmodells erfolgt mit Hilfe der aus dem empirischen Datenmaterial errechneten Korrelationen. An Hand der daraus berechneten Parameter der Matrizen wird eine modelltheoretische Korrelationsmatrix R j errechnet, die sich möglichst gut an die empirische Korrelationsmatrix R e anpassen soll. 89

8 8 8 9

Vgl. Backhaus et al., 1987, S. 245. Vgl. die ausführliche Darstellung bei Backhaus et al., 1987, S. 247-250.

Π. Untersuchungsanlage

221

Hierzu muß folgende Zielfunktion minimiert werden: ( R e - R t ) - > Min. ! mit R^ Rj.

= empirische Korrelationsmatrix und = theoretische Korrelationsmatrix.

Häufig sind bei Anwendungen mehr empirische Korrelationen vorhanden, als Parameter zu schätzen sind. In solchen Fällen ist das System linearer struktureller Gleichungen des Kausalmodells nicht eindeutig lösbar (überidentifiziertes Modell mit einer positiven Anzahl von Freiheitsgraden). Eine positive Zahl von Freiheitsgraden erlaubt allerdings neben der Schätzung der Freiheitsgrade auch die Berechnung von Gütekriterien, d.h. die Anwendung von Teststatistiken. Im Programm LISREL können für die zu schätzenden Parameter bei überidentifizierten Modellen Schätzverfahren zur Ermittlung von Startwerten vorgegeben werden. Mit der Zielfunktion ( R e - Rj) — > Min ! werden zur Bestimmung der theoretischen Korrelationsmatrix aus den Korrelationen der Indikatoren die Parameter iterativ so geschätzt, daß eine bestmögliche Anpassung an Rg erzielt wird. Hierzu werden die Parameter entweder vom Benutzer vorgegeben oder mit unterschiedlichen Methoden berechnet. 90 Die Schätzverfahren sind so aufgebaut, daß mit Hilfe der Parameter-Startwerte (als Annahmen über die tatsächlichen Werte der Schätzparameter) die theoretische Korrelationsmatrix berechnet wird, wobei die Wahrscheinlichkeit der Reproduktion der empirischen Korrelationsmatrix R^ maximiert wird. Mit dem Programm LISREL V I I sind fünf verschiedene Methoden für die Berechnung verfügbar: (1) Methode der Instrumental variablen (IV), (2) Zweistufige Kleinste-Quadrate-Methode (two-stage least square: TSLS), 9 0

Im LISREL-Programm können folgende Formen der Parameter-Spezifikationen vorgenommen werden: (1) Parametern können a priori feste Werte zugewiesen werden. Geht man davon aus, daß keine kausalen Beziehungen bestehen, so werden die Parameter auf Null und somit nicht freigesetzt. Andererseits kann auch ein Wert größer Null spezifiziert werden, sofern dies aus den theoretischen Überlegungen heraus als notwendig erachtet wird. (2) Ein zu schätzender Parameter-Wert kann aus theoretischen Überlegungen genau dem Wert eines oder mehrerer anderer Parameter entsprechen. In diesem Fall können Parameter restringiert werden, wodurch sich die Anzahl zu schätzender Parameter verringert (z.B. für gleichgroße Werte von Meßfehlervariablen oder für gleichgroße Werte der Indikator-Parameter im Meßmodell). (3) Mit der "freien" Spezifikation sollten die unbekannten Werte der Parameter aus den Daten geschätzt werden. Vgl. hierzu Backhaus et al., 1987, S.271f.

222

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

(3) Methode der ungewichteten kleinsten Quadrate (unweighted least square: ULS), (4) Methode der verallgemeinerten kleinsten Quadrate (generalized least square: GLS), (5) Maximum-likelihood-Verfahren (ML). (1) und (2) sind nicht-iterative Verfahren. Sie sind recht robust gegenüber Fehl Spezifikationen, können aber keine Teststatistiken für die Parameterschätzungen liefern. Die Startwerte werden automatisch vom Programm vorgegeben. Die iterativen Verfahren (3), (4) und (5) verwenden simultan alle Informationen aus der empirischen Korrelationsmatrix zur Parameterschätzung. Sie verfugen auch über Teststatistiken. Allerdings sind die Annahmen restriktiver als bei den Verfahren (1) und (2). GLS- und ML-Methoden setzen eine Normalverteilung der Variablen (Multinormalverteilung) sowie die Invertierbarkeit der Eingabematrix R e (positiv définit) voraus. Die Verfahren der IV und der TSLS sind konsistente und nicht-iterative Verfahren, die zur Ermittlung der Parameter nur einen Teil der Informationen aus der Stichproben-Matrix nutzen. 91 Bei annähernd multinormaler Verteilung der beobachteten Variablen, die aus einer entsprechend großen Stichprobe entstammen müssen, erbringt das ML-Verfahren die relativ präziseste Schätzung, da es konsistente, asymptotisch effiziente und skaleninvariante Ergebnisse liefert. 92 Die Standardfehler und T-Werte, die im LISREL-Programm für jede GLS- und ML-Parameterschätzung berechnet werden, stellen ein Maß für die Genauigkeit dieser Schätzungen unter der Voraussetzung dar, daß die Verteilung der beobachteten Variablen von der Normalverteilung nicht sehr stark abweicht.93 Sind einige oder alle beobachtbaren Variablen nicht normal verteilt und ist die Anzahl der Beobachtungen relativ gering, so ist es zweckmäßig, mit den 9 1

9 2

9 3

Zwar sind diese nicht-iterativen Verfahren gegenüber Fehlspezifikationen im Modell relativ robust (die Parameter werden sukzessive pro Gleichung geschätzt), weisen aber bei komplexen Modellen, in denen z.B. die Residual-Variablen kovariieren, Schwächen auf. Es bietet sich aber die Möglichkeit an, die von diesen Verfahren erzeugten Schätzungen als initiale Schätzungen zur weiteren Verarbeitung mit Hilfe der konsistenten ULS-, GLS- und ML-Verfahren zu nutzen, um so die Ergebnisse weiter zu verbessern. Vgl. Jöreskog und Sörbom 1981, S. I. 32-1.35 und Förster, 1984, S.354. Bagozzi, 1980, S.103 und Förster et al., 1984, S. 355. Bei linearer Kovarianzstruktur weist das GLS-Verfahren rechentechnische Vorteile auf, wobei die GLSSchätzer die gleichen asymptotischen Eigenschaften besitzen wie die MLSchätzer, vgl. Jöreskog, 1981, S.74. Jöreskog und Sörbom, 1982, S.406.

Π. Untersuchungsanlage

223

Verfahren der Instrumental-Variablen (IV) Anfangsschätzungen zu erzeugen, die iterativ mit Hilfe des ULS- oder ML-Verfahrens verbessert werden sollen. Im Zusammenhang mit den Parameterschätzungen ist insbesondere die Unterscheidung von direkten, indirekten und totalen Kausaleffekten wichtig. 9 4 Kausale Effekte können sowohl direkter als auch indirekter Art sein, letztere werden über die Wirkungen anderer im Modell spezifizierter Variablen vermittelt. Dabei geben insbesondere die indirekten Effekte Aufschluß über die Nebeneffekte bestimmter Kausalfaktoren. 95 Diese indirekten Effekte können sowohl verstärkend als auch abschwächend auf die direkten kausalen Effekte wirken. Im Programm LISREL V I I werden auch Totaleffekte berechnet, die Aufschluß über den Einfluß einer bestimmten Variablen auf eine andere unter Einbeziehung aller Nebeneffekte liefern. 96 Ζ 6. Annahmen im LISREL-Ansatz Insbesondere bezüglich der Residualgrößen werden im LISREL-Ansatz Annahmen gemacht. Alle aufgeführten Parameter und Schätzgrößen sind in Matrizen zusammengefaßt. Die Matrizen Gamma und Beta enthalten die in den Hypothesen postulierten kausalen Beziehungen in mathematischer Form. Durch Spezifikation der Phi-Matrix werden die Kovarianzen bzw. Korrelationen zwischen den latenten exogenen Variablen geschätzt. Mit der Matrix Psi werden die Residualgrößen in den Strukturgleichungen geschätzt; sie spiegeln den Anteil nicht erklärter Varianz in den endogenen Variablen wider. Theta-Delta und Theta-Epsilon sind die Kovarianzmatrizen der Meßfehler der Indikatoren Xj, yj. Lambda-X und Lambda-Y enthält die Faktorladungen der Meßmodelle. Im LISREL-Ansatz wird nun zwischen Fehlern in den Meßmodellen und Fehlern im Strukturmodell differenziert. Bezüglich der Fehler werden nun folgende Annahmen gemacht:97 (1) (2) (3) (4)

9 4 9 5 9 6 9 7

Zeta ist unkorreliert mit Ksi, Epsilon ist unkorreliert mit Eta, Delta ist unkorreliert mit Ksi und Delta, Epsilon und Zeta korrelieren nicht miteinander.

Vgl. Jöreskog und Sörbom, 1981, S.III.37 und III.9. Vgl. Förster et al, 1984, S.356. Jöreskog und Sörbom, 1982, S.409. Vgl. Backhaus et al. 1987, S.265.

224

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

Die Meßfehlervariablen dürfen also nicht mit den latenten Variablen bzw. nicht untereinander korrelieren. Hiermit wird gewissermaßen die Vollständigkeit des Systems beschrieben, denn bei Korrelation einer Residual variablen mit einer unabhängigen Variablen ist davon auszugehen, daß in der Residualvariablen mindestens eine Größe enthalten ist, die eine Wirkung auf die unabhängige und die abhängige Variable ausübt. Das gewählte Meßmodell wäre also falsch. Auch bei einer Korrelation zwischen Delta und Ksi muß von einer verursachenden Drittvariablen in Delta ausgegangen werden. Sie müßte dann im Modell berücksichtigt werden. In den Matrizen Theta-Delta und Theta-Epsilon können Korrelationen zwischen den Meßfehlem spezifiziert werden. 98 Lassen sich hohe Korrelationen nachweisen, muß von einer Fehlspezifikation des Modells ausgegangen werden (z.B. auf Grund von systematischen Fehlern in der Messung). Die Meßfehler-Matrizen dienen insofern auch zur Überprüfung des Modells und gegebenenfalls zur Modellanpassung (z.B. durch Aufnahme von Drittvariablen oder Methodenfaktoren). 7.7. Die Identifizierbarkeit

eines LISREL-Modells

Damit das Gleichungssystem des LISREL-Modells lösbar ist, müssen die Informationen aus den empirischen Korrelationen zur "Identifikation" der Gleichungen ausreichen.99 D.h. die Zahl der zu schätzenden Parameter muß kleiner oder gleich der Anzahl der Gleichungen sein. Ein Identifikationsproblem besteht insofern, als daß jeder unbekannte Parameter eindeutig durch Elemente der Varianz-Kovarianz-Matrix der beobachteten Variablen bestimmt werden soll. Ist es möglich, auf verschiedene Art und Weise Parameter mit Hilfe von Elementen aus der Matrix zu identifizieren, so muß das Modell als überidentifiziert bezeichnet werden. 100 Dies kann von vornherein wie folgt geprüft werden:

9 8

Dies kann z.B. im Fall eines Meßwiederholungs-Designs (wie in der vorliegenden Untersuchung) sinnvoll sein. 9 9 Vgl. Hildebrandt, 1983, S.76ff. 100 Ν υ Γ w e n n für jeden Parameter lediglich eine Identifikationsmöglichkeit besteht, ist das Modell genau identifiziert. Keine bzw. nur eine in einzelne identifizierte Teilen konsistente Schätzung liegt vor, wenn nicht alle Parameter mit Hilfe der Matrixelemente bestimmt werden können (unteridentifiziertes Modell). Vgl. Jöreskog 1978, S. 445, Jöreskog und Sörbom, 1981, S.I.20 bis 1.24.

Π. Untersuchungsanlage

225

Bei η Indikatoren lassen sich [ η ' (η + l)/2 ] Korrelationskoeffizienten (einschließlich der Hauptdiagonalen) berechnen. Dies entspricht der Anzahl der unterschiedlichen Elemente in der theoretischen Korrelationsmatrix und somit auch der Anzahl der Gleichungen im Modell. Steht nun dieser Anzahl eine gleichgroße Zahl von zu schätzenden Parametern gegenüber, so ist das Gleichungssystem eindeutig lösbar. Allerdings lassen sich nun keine weiteren Informationen aus den empirischen Korrelationen, z.B. zum Test der Modellstruktur, gewinnen (das Modell hat in diesem Fall null Freiheitsgrade). Hinsichtlich der Identifìzierbarkeit ist also die notwendige (aber nicht hinreichende) Bedingung Τ = (Ρ + Q ) (Ρ + Q + 1) /2 wobei Τ = Anzahl der zu schätzenden Parameter, Ρ = Anzahl der y-Variablen und Q = Anzahl der x-Variablen ist. Eine weitere Bedingung stellt die lineare Unabhängigkeit der zu schätzenden Gleichungen dar, die gewährleistet ist, wenn die zur Schätzung erforderlichen Matrixinversionen vorgenommen werden können. Hierfür muß insbesondere die empirische Korrelationsmatrix positiv définit (invertierbar) sein, 1 0 1 was im LISREL-Programm geprüft w i r d . 1 0 2 8. Kriterien

und Gütemaße zur Beurteilung

von LISREL-Modellergebnissen Grob kann man Kriterien und Gütemaße zur Anpassungsgüte in den Teilstrukturen und in der Globalstruktur unterscheiden. Die quadrierten multiplen Korrelationskoeffizienten lassen eine Aussage über die Stärke einzelner Beziehungen von Variablen in den Meßmodelleq sowie auch in den Strukturmodellen zu. In den Beziehungen der Meßmodelle gibt der multiple Korrelationskoeffizient an, wie gut die einzelnen oder alle Indikatoren zur Messung 101

Vgl. Jöreskog und Sörbom, 1981, S.I.22. 102 Ygi Förster et al., 1984, S.354; Jöreskog und Sörbom, 1981, S.I.23f., dieselben, 1982, S.406. Da allgemeingültige und hinreichende Identifikationsbedingungen im Rahmen des LISREL-Ansatzes bisher nicht vorliegen, sollte zusätzlich individuell für jeden einzelnen Modellparameter algebraisch geprüft werden, ob er sich eindeutig bestimmen läßt. 15 Beba

226

D. Wirkungsanalytischer Bezugsrahmen und Untersuchungsanlage

der latenten Variablen dienen. Bei den Strukturgleichungen drückt der Koeffizient die Starke der Kausalbeziehung fur jede einzelne Strukturgleichung aus. Die multiplen quadrierten Korrelationskoeffizienten können als Maße fur die Réhabilitât der Indikatoren interpretiert werden. Der Determinationskoeffizient ist ein Maß fur die gesamte Erklärungskraft aller Beziehungen. Auch er kann sowohl auf die Indikatoren der Meßmodelle, als auch auf alle Strukturgleichungen gemeinsam angewandt werden. Beide Maße können Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei die Anpassungsgüte um so größer ist, je größer der Determinations- bzw. der quadrierte multiple Korrelationskoeffizient ist. 1 0 3 Im LISREL-Programm werden normalisierte und standardisierte Residuen berechnet und ein Plot der normalisierten Residuen gegen die Quantile der Normalverteilung erstellt. 104 Hohe normalisierte Residuen deuten auf Spezifikationsfehler im Modell h i n . 1 0 5 Auch mit Hilfe des Modifikationsindex, der fur freie und restringierte Parameter berechnet wird, können Hinweise gewonnen werden, an welchen Stellen das Kausalmodell verändert werden sollte. Es gibt an, um wieviel sich der Chi-Quadrat-Wert bei Freisetzung der entsprechenden Beziehung verringern würde. Es kann auch eine automatische Modellmodifikationsprozedur genutzt werden, die jeweils nur jenen Parameter freisetzt, der den höchsten Modifikationsindex aufweist. Dieser Vorgang wiederholt sich solange, bis der Modifikationsindex statistisch signifikant ist. Von dieser Möglichkeit sollte im Normalfall nicht Gebrauch gemacht werden, da sie eine ausschließlich statistisch-explorative Analyse darstellt. Der hypothesenprüfende Charakter geht insofern gänzlich verloren. 106 Zusammenfassend wird eine Ubersicht über alle Schätzwerte und Gütekriterien, die das Programm LISREL V I I liefert, gegeben.

103

Vgl. Jöreskog und Sörbom, 1981, S.I.37.

1 0 4

Vgl. Jöreskog und Sörbom, 1981, S. 1.42 und S.III. 15-III. 17.

10

^ Die Höhe der Residuen stellt ein Maß für die Abweichung zwischen der modelltheoretischen und der empirischen Korrelation zwischen Variablenpaaren dar. Die Spezifikation zusätzlicher Beziehungen zwischen den betreffenden Variablen bzw. den Konstrukten kann die Höhe der Residuen verringern. 106 Weniger die automatische, sondern eher die "manuelle" Modeilmodifikation auf der Grundlage der o.a. Kriterien kann bei Anwendung substanzwissenschaftlicher Kriterien die Einbeziehung bzw. den Ausschluß bestimmter Parameter als gerechtfertigt erscheinen lassen. Ziel darf es allerdings nicht sein, eine perfekte Modellanpassung auf Grund der Fit-Kriterien ohne Berücksichtigung theoretischer Vorstellungen zu erlangen.

227

Π. Untersuchungsanlage Tab. 4.3 Gütekriterien in LISREL Υ Π

1 0 7

0 ) Parameterschätzungen

a) Parameterschätzwerte (standardisiert und unstandardisiert) b) Standardschätzfehler c) T-Werte d) Multiple Bestimmtheitsmaße für alle Indikatoren und Konstrukte e) Determinationskoeffizienten für das Meßmodell der χ- bzw. Y- Indikatoren und für das gesamte Strukturmodell f) Korrelationen der Schätzungen

( I I ) M a ß e für die Gesamtanpassung

a) Chi-Quadrat-Wert, Freiheitsgrade und P-Wert (Fehler 1. Art) b) Anpassungsindex GFI (goodness-of-fit-Index) c) Die Freiheitsgrade berücksichtigender Anpassungsindex AGFI (adj usted-goodness-o f-fit-Index) d) mittlere Residual-Größe RMR (root mean square residual)

( I I I ) M a ß e für die Anpassung in den Teilstrukturen

a) normalisierte Residuen b) standardisierte Residuen c) Q-Plot d) Modifikationsindices e) Ableitungen

1 0 7

Die Urheber des Programms stellen alle Kriterien der Modellanpassungen und der Modellprüfung an Hand vieler Beispiele ausführlich dar, hinsichtlich der Beurteilung der Gütekriterien werden allerdings nur Grenzwerte geliefert. Nur eine simultane Betrachtung und Bewertung der verschiedenen Kriterien kann sicherstellen, daß ein Modell nicht widerlegt ist bzw. nicht interpretierbare Koeffizienten enthält. Es kann vorkommen, daß ein einzelner Parameter beispielsweise nach dem Kriterium des t-Wertes nicht signifikant ist, das ganze Modell jedoch relativ gut bestätigt ist. Andererseits können natürlich auch ausgezeichnete Detailergebnisse vorhanden sein, aber das Maß der Gesamtanpassung fällt dagegen relativ schlecht aus.

E . Empirische Ergebnisse I . Ergebnisse zur Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr In Abschn. C.I. wurde aufgezeigt, welcher Stellenwert dem Personalimage zukommt und Einzelfaktoren hierfür relevant sind. Im vorliegenden Abschnitt soll ein theoretisches und empirisches Konzept der Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr entwickelt und empirisch überprüft werden. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, welche Einstellungsdimensionen fur das Personalimage der Bundeswehr von hoher Bedeutung sind. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Analyse des Einflusses von persönlicher vs. nichtpersönlicher Direktkommunikation und interpersoneller Kommunikation auf das Personalimage dar. 1. Theoretisches und empirisches Konzept der Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr Als Einstellung kann die wertende Einschätzung eines bestimmten Objekts bzw. Gegenstandes durch eine Person verstanden werden, die auf verfestigten (gespeicherten) subjektiven Ansichten, Vorstellungen sowie gefühlsmäßigen Bewertungen beruht.1 Man kann davon ausgehen, daß Einstellungen mehrdimensional sind, also mehrere Komponenten umfassen. Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse zum Personalimage kann ferner davon ausgegangen werden, daß Mehrdimensionalität auch fur die Einstellung gegenüber einem Unternehmen als Arbeitgeber vorliegt. Nach der (nicht unumstrittenen) Drei-Komponenten-Theorie umfassen Einstellungen eine emotional-motivationale Komponente, eine kognitive Komponente und eine Verhaltenskomponente.2 Die kognitive Basis der Einstellung, auch kognitive Disposition genannt, setzt sich aus Eigenschaftskenntnissen der Person über den Einstellungsgegenstand (Produkte, Unternehmen, Personen u.ä.) als eine detaillierte Einschätzung infolge der Berücksichtigung einer Vielzahl von Attributionen zusammen. Einige Autoren rech-

1

2

Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S. 158 und 190; Steffenhagen, Trommsdorff, 1975, S. 28ff. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S. 159.

1984a, S. 50;

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

229

nen auch die subjektive Bedeutung dieser Eigenschaften der kognitiven Komponente zu. 3 Die kognitive Basis wird dann als verstandesmäßige Begründung einer wertenden Einschätzung aufgefaßt, die man mittels kognitiver (multiattributiver) Strukturmodelle quantitativ zu erfassen versucht.4 Von der kognitiven Gegenstandsbeurteilung läßt sich die emotionale bzw. motivationale Komponente differenzieren; sie charakterisiert die Eignung des Gegenstandes zur Bedürfnis- bzw. Motivationsbefriedigung. 5 Für die vorliegende Untersuchung erscheint demgegenüber jenes Verständnis als zweckmäßig, demzufolge Einstellungen ein konsistentes System emotionaler und kognitiver Dispositionen darstellen; die verstandesmäßigen Komponenten stammen aus den Eigenschaftskenntnissen und -interessen und die emotionalen Komponenten aus der gefühlsmäßigen Beurteilung des Einstellungsgegenstandes.6 Insofern können Einstellungen auch als Motivation (emotionale Disposition) mit kognitiver Gegenstandsbeurteilung verstanden werden, wodurch unter Berücksichtigung der sog. Ziel-Mittel-Analyse (means-end-analysis) Einstellungen als wahrgenommene Eignung eines Gegenstandes zur Befriedigung einer Motivation charakterisiert werden. Es erscheint zweckmäßig, Einstellungen als unabhängig von momentaner Aktivierung oder momentanen emotionalen Prozessen im Individuum aufzufassen und eher den dauerhaften Gedächtnisreaktionen zuzuordnen.7 Ob Einstellungen auch eine Verhaltenskomponente aufweisen, wird zunehmend als strittig angesehen. Die Befürworter gehen von der Annahme aus, daß die Einschätzung des Gegenstandes meist mit einer Bereitschaft, sich gegenüber dem Gegenstand in bestimmter Weise zu verhalten, verbunden ist. 8 Aufgrund von Erkenntnissen der Involvementforschung faßt man aber die Handlungsabsicht zunehmend als separates, wenn auch mit der Einstellung zusammenhängendes Konstrukt auf. 9 Die Befunde zum Personalimage zeigen, 3

4

5 6 7

8 9

Vgl. Steffenhagen, 1984a, S. 51; Trommsdorff, 1976, S. 30; Frey, 1979, S. 31; Müller-Hagedorn, 1986, S. 86. Vgl. zu den Formen von multiattributiven Einstellungsmodellen Trommsdorff, 1975. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S. 158f. Steffenhagen, 1984b, S.48f. Kroeber-Riel faßt Einstellungen in einer prozessualen Betrachtung als einen aktuellen psychischen Vorgang auf und betont hiermit die Abhängigkeit der Einstellungen von momentanen Vorgängen, vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.160. Dies widerspricht der Interpretation von Einstellungen als Bereitschaften, die auch ohne aktuellen Anstoß (z.B. durch werbliche Kommunikation ausgelöst) existieren. Unabhängig davon ist von der Relevanz momentaner psychischer Prozesse für die Einstellung auszugehen. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S. 159; Ajzen und Fishbein, 1972, S. 3f. Vgl. Steffenhagen, 1984a, S.50.

230

E. Empirische Ergebnisse

daß der Einstellung hohe Bedeutung bei der Entscheidung des Bewerbers zukommen kann. 10 Hinsichtlich des Gegenstands der Einstellungen, dem Arbeitsplatz Bundeswehr, sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Erstens dürfte das Einstellungssystem bei der Probandengruppe zumindest vor den Kommunikationseinflüssen nur von geringer Komplexität sein, da die Einstellungsreife gegenüber dem Objekt Bundeswehr bei der zu befragenden Zielgruppe zumindest vor dem Kommunikationseinfluß vermutlich nicht sehr hoch ist. 1 1 Dies begünstigt allerdings die Beeinflußbarkeit von Einstellungen. 1 2 Unter Berücksichtigimg dieser spezifischen Untersuchungssituation kann man davon ausgehen, daß auch eine Verhaltensdisposition nur sehr schwach ausgeprägt ist. Auch aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, die Verhaltensabsichten als ein von den Einstellungen separiertes Kriterium der Kommunikationswirkung aufzufassen. Gemäß den obigen Ausführungen zur Verhaltensrelevanz von Einstellungen wird angenommen, daß die Verhaltensabsichten in kausaler Beziehung zu den Einstellungen stehen. In der vorliegenden Untersuchung soll deshalb davon ausgegangen werden, daß von der Einstellung eine verhaltensrelevante (-steuernde) Wirkung ausgeht. Welche der Dispositionen der Einstellung stärker verhaltensantreibend wirkt, kann nicht verallgemeinernd ausgesagt werden, da hierfür ganz bestimmte externe Bedingungen (wie zeitlicher Bezug, Einfluß anderer exogener Faktoren) von Bedeutung sind. 13 Als relevante Verhaltensweisen, auf die Einstellungen einen Einfluß ausüben, können das themenspezifische Informationsverhalten hinsichtlich der Berufswahl und das Entscheidungsverhalten bzw. die Entscheidungsabsicht gelten. 14 Die für die Untersuchung relevanten Fragestellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: (1) Welche Struktur bzw. Dimensionalität weist die Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr auf? (2) In welchem Maße beeinflussen die unterschiedlichen Formen der Direktkommunikation und die interpersonelle Kommunikation die Einstellung?

10 11

12 13

14

Vgl. Simon, 1984b, S.337f. Wir unterstellen für die zu befragende Zielgruppe eine eher geringe subjektiv wahrgenommene Bedeutung des Einstellungsobjekts Bundeswehr relativ zu anderen Einstellungsobjekten. Diese Annahme wird von Ergebnissen empirischer Studien der Bundeswehr gestützt. Vgl. AFAP, 1987, S.8f, S.22 und S. 35; McCann, 1987, S.8ff.; SINUS,1989, S.114ff. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.167. Vgl. Mühlbacher, 1982, S.162f; Steffenhagen, 1984a, S.53; Kroeber-Riel, 1984, S.160. Die theoretische Fundierung dieser Größen erfolgt in Abschn. 5.5.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

231

(3) Welche Relevanz kommt der Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr im Hinblick auf das Entscheidungsverhalten zu? (4) Welche weiteren psychischen Größen beeinflussen die Einstellung? Hieraus resultieren folgende Hypothesen: (H 4.1) Je positiver die Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr, desto stärker wird das Entscheidungsverhalten im Hinblick auf die Berufswahl Bundeswehr beeinflußt. (H 4.2) Je positiver die Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr, desto stärker ist das Informationsverhalten ausgeprägt. Ausgehend von den Basishypothesen zur Kommunikationswirkung der Instrumente der Direktkommunikation lassen sich folgende Präzisierungen vornehmen: (H 4.3) Persönliche Direktkommunikation übt stärkere positive Wirkungen die Einstellungen als nichtpersönliche Direktkommunikation aus.

auf

(H 4.4) Mehrphasige Direktkommunikation übt stärkere positive Wirkungen auf die Einstellungen als einphasige Direktkommunikation aus. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung sollen Einstellungen als Kriterium der Wirkung werblicher Kommunikation aufgefaßt, operationalisiert und gemessen werden. Handlungs- bzw. Verhaltensabsichten zur Berufsentscheidung sollen als separates Konstrukt und als mit den emotionalen und kognitiven Dispositionen der Einstellungen in konsistenter Beziehung stehende Bereitschaften aufgefaßt werden. 15 Die Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr ist als latentes, mehrdimensionales Konstrukt der direkten Beobachtung nicht zugänglich. Sie wird aus mehreren Komponenten gebildet, deren Relationen zunächst unbekannt sind. Zur Erfassung der Struktur von Einstellungen stehen mehrere Ansätze zur Verfugung. Grundsätzlich kann man eindimensionale und mehrdimensionale Methoden unterscheiden, fur die verschiedene Verfahren zur Messung der 15

Begrifflich sind von den Einstellungen die Präferenzen abzugrenzen. Mit ihnen werden subjektive Vorziehenswürdigkeiten eines Individuums gegenüber bestimmten Objekten bezeichnet. Präferenzen sind Ausdruck der Einschätzung der relativen Stellung von Objekten durch eine Person, vgl. Steffenhagen, 1984a, S. 51. Sie sind als Ausdruck der gesamten Einstellungen gegenüber bestimmten Objekten zu verstehen. In der neueren Forschungspraxis stellt man verstärkt die Präferenz in Beziehung zum Verhalten, vgl. Thomas und Dröll, 1989, S.240.

232

E. Empirische Ergebnisse

Indikatoren existieren. 16 Eindimensionale Meßverfahren beziehen sich lediglich auf einen Aspekt bzw. eine Dimension der Einstellung, in der Regel ist dies die affektive oder bewertende Dimension. Mehrdimensionale Meßmodelle sind auf die Erfassung des relevanten Attributionsraumes und die diesbezügliche Bewertung in kognitiver und emotionaler Hinsicht ausgerichtet. Hier sind insbesondere die sog. Multiattribut-Modelle zu erwähnen, die einen kompositionellen Charakter aufweisen. 17 In neueren Untersuchungen werden auf der Grundlage modifizierter Multiattribut-Modelle sowohl die kognitive als auch die emotionale Dimension als separate Konstrukte aufgefaßt, die in Beziehung zu anderen Konstrukten gesetzt werden. 18 Eine gute Erklärungskraft (d.h. mehr als 30% Varianzaufklärung) haben Modelle bewiesen, die ein Konstruktgefuge aus unterschiedlichen Einstellungsdimensionen, der Overall-Einstellung sowie der Verhaltensabsicht und dem tatsächlichen Verhalten umfassen (vgl. Abb. 5.1). Als entscheidender Fortschritt gegenüber der klassischen Einstellungsmessung muß die mit Kausalanalysen mögliche simultane Schätzbarkeit aller Beziehungen einer derartigen Modellstruktur angesehen werden. Dies ermöglicht auch die (simultane oder sukzessive) Spezifikation und Schätzung von Wirkungsbeziehungen, die sich bei unterschiedlichen Wirkungsbedingungen ergeben (z.B. low involvement-high involvement). Man kann also sowohl die

16

Die zur Messung herangezogenen Größen können der psychob io logischen Ebene, der Beobachtungs-Ebene oder der Ebene der subjektiven Erfahrungen zugeordnet werden. Größen der Erfahrungs-Ebene können mittels der Befragung erfaßt werden.

17

Hierbei werden Verknüpfungsregeln für die kognitiven und affektiven (wertenden) Aspekte der Einstellung angewandt, z.B. wird die subjektive Wahrnehmung von bestimmten Eigenschaften eines Objektes mit der Bewertung der subjektiven Bedeutung (z.B. Wichtigkeit) multiplikativ verknüpft. Mittels Summation aller derart gebildeten Verknüpfungen bildet man anschließend die Gesamteinstellung, vgl. Fishbein und Ajzen, 1975. Die exponierteste Weiterentwicklung der Multiattribut-Modelle stellt das Idealpunktmodell von Trommsdorff dar, vgl. Trommsdorff, 1975. Die subjektive Bewertung der Eigenschaften wird in Relation zur jeweils als ideal empfundenen Ausprägung einer Eigenschaft gesetzt. Die Differenzbildung zwischen beiden Skalenwerten und die anschließende Summation führt zur Gesamteinstellung. Ohne "Vorgabe" von bestimmten Eigenschaften kommen dagegen die sog. dekompositionellen Meßmodelle auf der Grundlage der Mehrdimensionalen Skalierung oder Conjoint Measurement aus.

18

In methodischer Hinsicht haben hier die Kausalanalysen neue Wege in der Analyse ermöglicht. Vgl. z.B. Hildebrandt und Trommsdorff, 1983; Trommsdorff, 1984; Baldeijahn, 1984, Bagozzi, 1982, Bagozzi, 1985. Bagozzi nutzte ein Kausalmodell zur Erklärung des Blutspendeverhaltens. Als wichtige Erklärungsgrößen konnten die subjektiven Eindrücke vom Blutspenden und die Einstellung zum Blutspenden lokalisiert werden. Vgl. Bagozzi, 1982, S.157.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

233

Einflußstärke über die Wirkungskette Einstellung-Verhaltensabsicht-Verhalten, als auch über die Wirkungskette Verhalten-Einstellung ermitteln.

Abb. 5.1 Mehrdimensionales Einstellungs-Verhaltens-Modell

Anhaltspunkte über die inhaltliche Art der Komponenten lassen sich aus den Befunden zum Personalimage ableiten. Die Einstellung zur Bundeswehr ist in verschiedenen Studien und mit unterschiedlichen Ansätzen bereits Gegenstand der empirischen Forschung gewesen. Leider lassen die vorliegenden empirischen Ergebnisse dieser Studien aufgrund des überwiegend deskriptiven Charakters der Ergebnisse keine eindeutigen Aussagen über die Dimensionalität des Konstrukts Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr zu, wenngleich auch tendenziell eine Dominanz emotionaler Aspekte erkennbar ist. 1 9 Dabei konnte ermittelt werden, daß der Arbeitsplatz Bundeswehr im Spannungsfeld von positiv-emotionalen und negativ-emotionalen Aspekten sowie spezifischen berufsbezogenen Merkmalen beurteilt wird. Letztere können als rationale, auf die Berufsentwicklungsmöglichkeiten und die Berufsperspektiven bezogenen kognitiven Komponenten der Einstellung charakterisiert werden. Den Befunden zum Personalimage zufolge spielen die Dimensionen 19

Im Rahmen eines Projektseminars an der Universität der Bundeswehr Hamburg wurden sowohl die Ergebnisse als auch die Originaldaten aus verschiedenen, z.T. repräsentativen Befragungen zur Einstellung zur Bundeswehr aufbereitet bzw. analysiert, vgl. Diller und Beba, 1988.

E. Empirische Ergebnisse

234

"Karriere" und "Sicherheit" eine wesentliche Rolle. Aufgrund der Besonderheit des Berufsfeldes Bundeswehr lassen sich kognitive Aspekte in jene mit Bezug auf den Nutzen fur spätere Berufschancen (Anschlußberuf nach der Verpflichtungszeit bzw. Wiederaufnahme des Berufs, der vor der Bundeswehrzeit ausgeübt wurde) und in jene mit Bezug auf die Perspektiven in dem Berufsfeld Bundeswehr (Karriere und Arbeitsplatzsicherheit) differenzieren. Aus Untersuchungen konnte abgeleitet werden, daß ein im Vergleich zu anderen Arbeitsmarkt-Konkurrenten besonderer Aspekt fur die Beurteilung des Berufsfeldes Bundeswehr eine bedeutende Rolle spielt: der drohende Verlust des gewohnten sozialen Umfeldes, da mit dem Berufsfeld Bundeswehr zumeist die Vorstellung häufiger Versetzungen und heimatfremder Stationierungen - auch fur Zeit- bzw. Berufssoldaten - verbunden wird. 2 0 Die Einstellung scheint in theoretischer Hinsicht nach den bisher vorliegenden empirischen Befunden in fünf zentrale Faktoren differenzierbar: (1) Negativ-emotionale Aspekte des Berufsfeldes, (2) positiv-emotionale Aspekte des Berufsfeldes, (3) Verlust des sozialen Umfeldes, (4) wahrgenommene Karriere- und Berufsaussichten, (5) Sicherheitsaspekte. (1), (2) und (3) stellen die objektbezogenen emotionalen Einstellungsdimensionen dar, (4) und (5) hingegen objektbezogene, eher kognitive Einstellungsdimensionen. Für die Dimensionen (1) und (2) können keine Parallelen zu den Erkenntnissen der Personalimage-Forschung gezogen werden, da dort weniger auf die Bewertung der Arbeitsplatzsituation abgehoben wird. Als wichtiger, von den anderen Einstellungsdimensionen relativ unabhängiger Faktor gilt nach den vorliegenden empirischen Befunden der drohende "Verlust des sozialen Umfelds". Die bisherigen Befunde lassen eine überschneidungsfreie Differenzierung von Institutionenimage und Arbeitsplatzimage der Bundeswehr nicht zu. Zum einen gelten für die Bundeswehr nur in abgewandelter Form jene spezifischen 2 0

Hiermit wird der Aspekt des wahrgenommenen häufigen Standortwechsels bzw. heimatferner Stationierungen von Zeitoldaten bezeichnet. Er stellt zwar ebenfalls eine emotionale Disposition dar, ist aber weniger auf den Arbeitsplatz, sondern auf eine spezifische Rahmenbedingung des Berufsfeldes Bundeswehr bezogen. Mit diesem Faktor werden Konsequenzen für die persönlichen Lebensumstände erfaßt. Er deckt sich zum Teil mit dem Personalimage-Faktor "Standortimage".

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

235

Wettbewerbsfaktoren, die im Rahmen der Unternehmensimage-Forschung als wichtige Einstellungsaspekte aufgedeckt werden konnten (z.B. Innovation, Leistungsfähigkeit und Innovationskraft). Es kann vermutet werden, daß das generelle Image der Bundeswehr z.T. von den emotionalen Einstellungsdimensionen der Arbeitsplatzsituation repräsentiert wird. Tab. 5.1 Verteilungsmaße der Einstellungsvariablen (Vorher/Nachher)

Maßzahl Variable

Median

Mittelwert

Standard-

Spannweite

abweichung

(theor.:l-7)

Abwechslung/ Vielseitigkeit

5/6

5.1/5.4

1.4/1.4

1-7

Gesellschaftliches Image 41

6/6

5.6/5.9

1.4/1.5

2-7

Kameradschaft

5/5

4.6/4.7

1.6/1.5

1-7

Schikane*

3/3

3.2/3.0

1.7/1.8

1-6

Umgebungsverlust*

2/2

2.7/2.5

1.7/1.7

1-6

Technik

6/6

5.5/5.8

1.3/1.3

2-7

Verantwortung

5/5

5.0/5.2

1.4/1.4

1-7

Belastung*

3/3

2.9/3.5

1.6/1.3

1-7

Bezahlung/ Abfindung

4/4

3.7/4.3

1.8/1.8

1-7

Karrieremöglichkeiten

6/6

5.3/5.5

1.4/1.3

2-7

Anschlußverlust*

4/5

4.4/4.8

1.9/1.8

1-7

6/5

5.4/5.6

1.5/1.2

2-7

Entfaltung*

5/5

4.5/4.9

1.7/1.6

1-7

Erlebnis

5/5

5.1/5.3

1.5/1.2

2-7

7/6

6.0/6.0

1.3/1.1

2-7

4/3

3.6/3.7

1.7/1.6

1-6

Fortbildungsmöglichkeiten Keine persönliche

Sicherheit des Arbeitsplatzes Unangenehmes Kasernenleben* (

= geringe Werte entsprechen hoher Zustimmung)

Zur Messung der Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr wurden nach einigen Modiiikationen (als Ergebnis von Pretests) 16 Items als Indikatoren der fünf Einstellungsdimensionen ausgewählt und operationalisiert. 21 Wie bereits oben angeführt, konnte aufgrund des überwiegend deskriptiven 2 1

Jedes Item wurde als Statement formuliert und den Probanden jeweils vor und nach erfolgter Kommunikation zur Bewertung vorgelegt. Die Antwortmessung erfolgte anhand einer siebenstufigen bipolaren Ratingskala, deren Pole mit "Trifft zu" und "Trifft nicht zu" verbaüsiert wurden (vgl. Frage 11 im Fragebogen in Ani. 1).

236

E. Empirische Ergebnisse

Charakters der bisherigen empirischen Befunde zu den Einstellungen keine Aussage über die relative Bedeutung der einzelnen Dimensionen gewonnen werden. Für die Auswahl der Items war deshalb vor allem maßgebend, daß möglichst der gesamte Raum der relevanten Einstellungsaspekte abgedeckt wird. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Bündelung der Indikatoren zu aussagefähigen Dimensionen. Mit der zur Anwendung kommenden Kausalanalyse ist es möglich, die Gewichtung der Einstellungsdimensionen hinsichtlich des hypothetischen Konstrukts "Einstellung" zu ermitteln, ohne daß ein spezieller Indikator für dieses Konstrukt erforderlich ist. Zusätzlich ist jedoch ein weiterer - von der Einstellungsmessung mittels der Item-Batterie unabhängiger - Indikator operationalisiert worden, der die "generelle Einstellung" erfassen soll. 2 2 Die obige Tabelle enthält die Verteilungsmaße der Indikatoren (zunächst ohne Differenzierung nach den Treatments). Bei den "positiven" Items werden insbesondere die Arbeitsplatzsicherheit, der Umgang mit moderner und anspruchsvoller Technik sowie die Karriere- und Fortbildungsmöglichkeiten als hoch eingestuft; bei den "negativen" Items treten besonders der Verlust der gewohnten Umgebung, das (unangenehme) Kasernenleben und die Schikane hervor. Allerdings können noch keine Anhaltspunkte für die Struktur der Einstellungen gewonnen werden. Im nächsten Schritt soll deshalb überprüft werden, ob die theoretisch postulierte Struktur der Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr sich als tragfähig erweist. 2. Ergebnisse zur Dimensionalität der Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr Im folgenden soll ein Meßmodell entwickelt werden, mit Hilfe dessen die theoretisch postulierte Struktur der Einstellung überprüft werden kann. Häufig werden in der empirischen Einstellungsforschung Indexwerte gebildet, indem die Punktwerte erhobener Einstellungsurteile gewichtet oder ungewichtet aufsummiert werden. Dieses Vorgehen ist aber nur dann zulässig, wenn alle Items tatsächlich eindimensional sind und das gleiche Kon-

2 2

Sie wird hier als wertende Dimension aufgefaßt, die in einer zustimmenden oder ablehnenden Haltung zum befragten Objekt (Arbeitsplatz Bundeswehr) zum Ausdruck kommt. Sie gibt insofern die "affektive Haltung" des Probanden wieder, und übernimmt die Funktion eines Außenkriteriums. Vgl. Frage 11 p) im Fragebogen in Ani. 1. Die Frage lautete: "Wie beurteilst Du den Arbeitsplatz Bundeswehr insgesamt?" Die Antworten wurden mittels des Polimeters erfaßt, wobei die Skalenenden mit den Begriffen "Positiv" bzw. "Negativ" verbalisiert wurden.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

237

strukt messen.23 Außerdem müssen die Items für derartige Verfahren gleiche Reliabilitytsn aufweisen und dürfen nur in sehr geringem Umfang mit Meßfehlern behaftet sein. Diesen Nachteil versucht die Faktorenanalyse a b zugleichen. Hierbei wird der Merkmalsraum der Items verdichtet, um zentrale, gewissermaßen "hinter" den beobachteten Merkmalen stehende Dimensionen der Einstellung zu extrahieren. Zur konfirmatorischen Analyse theoretisch postulierter Beziehungen und Strukturen eines Einstellungsmodells kann dagegen die Kausalanalyse bzw. deren faktorenanalytische Variante eingesetzt werden. Mit dem LISRELAnsatz ist es dabei möglich, sowohl die Reliabilitäten der Indikatoren als auch die der Konstrukte zu überprüfen, darüber hinaus ermöglicht der Ansatz auch im Rahmen einer umfassenden Prozedur die Evaluierung der Konstruktvalidität des Modells. 24 Mit der Berücksichtigung von Meßfehlern können im LISREL-Ansatz hypothetische Strukturen vom Meßfehlereinfluß bereinigt bzw. dessen Ausmaß ermittelt werden. 25 Aufgrund der genannten Vorzüge dieses Verfahrens soll deshalb die theoretisch postulierte Struktur der Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr mit Hilfe der faktorenanalytischen Variante der Kausalanalyse überprüft werden. Zur Ermittlung von Wirkungen, die sich aus dem Einsatz unterschiedlicher Kommunikationsinstrumente ergeben, wurden die Einstellungsmessungen vor und nach der Kommunikationsmaßnahme durchgeführt. Aufgrund des werblichen Einflusses ist zu erwarten, daß Nachher- und Vorher-Einstellungen sich in den Bedeutungen bzw. den Beitragen der einzelnen Dimensionen zur Erklärung des Konstrukts Einstellung unterscheiden. Diese Unterschiede müssen sich zwangsläufig in einer veränderten Ladungsstruktur wiederfinden. In diesem Zusammenhang soll geprüft werden, ob und in welchem Ausmaß die Struktur des Einstellungsmodells auch unter dem Kommunikationseinfluß stabil ist bzw. sich bei den Einstellungsfaktoren Änderungen im Erklärungsbeitrag für das Konstrukt Einstellung ergeben. Für die Anwendung eines faktorenanalytischen Ansatzes ist es erforderlich, daß die empirischen Variablen ein Mindestmaß an Meßgenauigkeit aufweisen. 26 Im Vorfeld der konfirmatorischen Analyse wurde deshalb die Réhabilitât der Items untersucht.

2 3

Vgl. Bortz 1984, S. 138.

2 4

Hierbei wird vom kausalanalytischen Konzept zur Überprüfung der Konstruktvalidität mit Hilfe der Multimerkmals-Multimethoden-Matrix abgewichen. Vgl.Bagozzi, 1984; Hüdebrandt, 1984. Ebenda.

2 5 2 6

238

E. Empirische Ergebnisse

2.1. Réhabilitât der Items Eine Überprüfung der Réhabilitât der 16 Items kann sowohl im Rahmen des LISREL-Modells als auch mit Hilfe der Statistik-Prozedur RELIABILITY (Programmpaket SPSSx) vorgenommen werden. Eine Analyse der Verteilung jedes einzelnen Items liefert zusatzliche Aufschlüsse über mögliche Operationalisierungs- bzw. Meßfehler. Mit der Prozedur RELIABILITY konnte ermittelt werden, daß drei der 16 Items nur äußerst schwache Reliabilitäten in Bezug auf die vorgegebene Faktorenstruktur aufweisen: Als Gütekriterium dient Cronbach's Alpha, hierbei werden Item-Gesamtwert-Korrelationen auf der Grundlage einer vorgegebenen Faktorenstruktur berechnet. 27 Die Ergebnisse führten zum Ausschluß von drei empirischen Indikatoren ("Gesellschaftliches Image", "Verantwortung", "Anreiz durch Bezahlung und Abfindung"). Nach Ausschluß der drei Items ergaben sich durchweg Werte von über . 6 0 . 2 8 Als Erklärung für die mangelnde Réhabilitât dieser Items kann angeführt werden, daß hinsichtlich des Verantwortungs- und Entgeltaspektes vermutlich kaum Vorstellungen in der Probandengruppe herrschen und diese Aspekte somit auch nicht zu einer Einstellungsbildung beitragen. Das "schlechte Ansehen" des Soldaten (in der Bevölkerung) wird darüber hinaus als der mit Abstand am wenigsten zutreffende Aspekt eingeschätzt; dies mag an der in dieser Altersgruppe gering ausgeprägten gesellschaftspolitischen Bewertung des Soldatenberufs liegen. Mit zunehmendem Alter dürfte sich dieser Aspekt jedoch verstärken, wie die Ergebnisse von jährlichen Repräsentativ-Befragungen bei 18- bis 19-jährigen zeigen. Bevor mit den verbliebenen 13 Indikatoren eine konfirmatorische Faktorenanalyse entsprechend dem o.a. Modell vorgenommen wird, soll untersucht werden, ob bzw. in welchem Ausmaß sich das hypothetische Konstrukt "Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr" im Sinne eines Falsifikationsansatzes von allen 13 Indikatoren gemeinsam repräsentieren läßt. 29 Gleichzeitig wird hiermit die Réhabilitât der verbliebenen 13 Indikatoren geprüft. Dies

2 7

2 8 2 9

Für r = .70 werden etwa 50% der Variation des Indikators durch die Variation der theoretischen Variablen erklärt, wobei Bauer, 1984, S.250, vorschlägt, bei einer Korrelation von weniger als .50 eines Items mit dem Summenwert das entsprechende Item als unbrauchbaren Indikator zu eliminieren. Eine sukzessive Zuordnung zu anderen Faktoren verschlechterte das Ergebnis. Klassische (explorative) Faktorenanalysen mit der Hauptkomponenten-Methode lieferten keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Zwar konnte grob die theoretisch postulierte Dimensionalität aufgezeigt werden, mit 65%-Varianzaufklärungsanteil bei der 5-Faktor-Lösung blieben die Ergebnisse dieser Analysetechnik jedoch hinter den Erwartungen zurück. Eine Reduktion der Faktorzahl auf zwei, drei oder vier Faktoren war mit einer deutlichen Verringerung des Anteils erklärter Varianz verbunden (26%, 36% bzw. 45%).

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

239

entspricht dem LISREL-Ansatz einer Ein-Faktor-Analyse, wobei lediglich ein Meßmodell fur eine (latente) exogene Variable (Einstellung) und 13 Indikatoren dieses Konstrukts spezifiziert werden. Das allgemeine LISREL-Modell kann hierzu als Faktormodell ohne latente endogene Variablen, ohne Meßmodell fur endogene Variablen und ohne Strukturgleichungen aufgestellt werden. 3 0 Tab.5.2 gibt die Parameterschätzungen bzw. Faktorladungen der Indikatoren als Ergebnis des TSLS- und des ML-Verfahrens sowie die tWerte für die Parameterschätzungen bei einem Signifikanzniveau von 99% wieder. 31 Die Gütemaße zur Beurteilung der Gesamtstruktur (GFI, AGFI und RMR) deuten auf eine nicht befriedigende Anpassung hin. Der Chi-Quadrat-Wert kann nur unter Vorbehalten zur Beurteilung herangezogen werden, da der Stichprobenumfang (N = 307) nicht sehr hoch ist und die Berechnung auf der Grundlage einer Korrelationsmatrix erfolgte. Der relativ zu den Freiheitsgraden hohe Chi-Quadrat-Wert deutet auf eine schlechte Anpassung der modelltheoretischen an die empirische Korrelationsmatrix hin. Hinsichtlich der Güte in den Teilstrukturen ist das Ergebnis noch skeptischer zu beurteilen, da zumindest vier Variablen nur geringe Reliabilitäten aufweisen (der multiple Korrelationskoeffizient entspricht den quadrierten Faktorladungen), wobei drei Variablen mit t-Werten unter 2 auf dem 99%Niveau nicht signifikant sind ("Umfeldverlust", "Belastung" und "Kaserne"). Auch die Abweichungen zwischen den Faktorladungen der nicht-iterativen und der iterativen Schätzung sind zum Teil recht beträchtlich, so daß die Stabilität der Lösung angezweifelt werden muß. Zieht man als weiteres Gütemaß zur Beurteilung von Teilstrukturen die Matrix der standardisierten Residuen heran, so lassen sich 23 Residuen mit Werten > 2 lokalisieren. 32 Insgesamt muß deshalb das Modell aufgrund der mangelnden Modellgüte, insbesondere aufgrund hoher Residuen verworfen werden. Somit läßt sich festhalten, daß ein Ein-Faktor-Modell die Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr nicht zu

3 0

31 3 2

Die fur die Analyse erforderliche Korrelationsmatrix wurde aus den Vorher-Indikatoren des gesamten Datensatzes (n=307) errechnet. Da die Werte nicht sehr stark von der Multinormalverteilung abweichen, kann das Maximum-LikelihoodSchätzverfahren herangezogen werden. Abb. A 1.1 gibt das entsprechende Pfaddiagramm wieder (Ani. 2). Die hohen Residuen drücken aus, daß die Koeffizienten der spezifizierten Modellstruktur die Korrelationen zwischen den Variablen nur unzureichend erklären. Der größte Residualwert (Abweichung der empirischen von der aufgrund der geschätzten Parameter berechneten Korrelation) beträgt 5.139 (zwischen "Anschlußverlust" und "Fortbildungsmöglichkeiten"). Ein hoher Residualwert wird ebenfalls für die Korrelation "Kaserne" und "Schikane" berechnet (4.37).

240

E. Empirische Ergebnisse

erklären vermag. Im nächsten Schritt soll nun das theoretisch postulierte Faktor-Modell überprüft werden. Tab. 5.2 Eindimensionales Einstellungsmodell

EinstellungsIndikatoren

Parameterschätzungen TSLS

ML

t

1. Abwechslung

.900

.446

6.90

2. Kameradschaft

.340

.312

4.78

3. Schikane

-.009

.130

1.95

4. Umfeldverlust

-.249

.022

0.33

5. Technik

.656

.435

6.80

6. Belastung

.159

.114

1.71

7. Karriere

.500

.389

6.03

8. Anschlußverlust

.408

.410

6.38

9. Fortbildungsmöglichkeiten

1.043

.691

9.34

10. Entfaltung

.479

.438

6.85

11. Erlebnis

.867

.565

9.07

12. Sicherheit

.369

.307

4.69

13. Kaserne

.109

.064

0.96

2.2. Ergebnisse der konfirmatorischen

Faktorenanalysen

der Einstellung mit fünf Dimensionen Die fünf theoretischen Einstellungsdimensionen (-faktoren) werden als latente exogene (KSI-) Variablen eines LISREL-Faktormodells spezifiziert,

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

241

wobei die 13 Items als Indikatoren in den Meßmodellen der Faktoren aufgefaßt werden. Sie stellen gewissermaßen die Operationalisierungen dieser theoretischen Konstrukte dar. Das nachstehende Pfaddiagramm gibt die Faktorenstruktur, die Parameterschätzungen fur die Faktorladungen sowie die relevanten Kriterien der Modellgüte wieder (vgl. Abb.5.2 und Tab. 5.3). Tab. 5.3 Gütekriterien zum Modell Abb. 5.2

Anpassungsgüte

Erklärungskraft

Chi-Quadrat: 124.44, 55 d.f. .000

Ρ GFI

.941

AGFI RMR

.903 :

.059

Determinationskoeffizient : .961

Der hohe AGFI, demzufolge 90% der Gesamtvarianz erklärt wird, sowie der relativ geringe RMR-Wert indizieren eine gute Gesamtanpassung des 5Faktor-Modells. Der hohe Determinationskoeffizient unterstreicht zwar die gute globale Modellgüte, wenngleich auch der hohe Chi-Quadrat-Wert auf Mängel hindeutet. Zur Beurteilung der Güte in den Teilstrukturen können wiederum die standardisierten Residuen herangezogen werden. Aus dem Plot der Residuen gegen die Quantile der Normalverteilung wird deutlich, daß zwei übermäßig hohe Abweichungen (3.501 und -3.426) zwischen den Indikatoren "Kameradschaft" und "Technik" bzw. "Schikane" und "Dienstbelastung" auftreten. Residuen mit Werten zwischen 2 und 3 treten darüber hinaus zwischen "Kaserne"-" Abwechslung", "Kameradschaft"-"Erlebnis" und "Schikane""Entfaltung" auf. Die t-Werte für die Schätzparameter liegen dennoch alle über 2 . 0 . 3 3 Insgesamt kann die theoretisch postulierte Struktur der Einstellung aufgrund der vorliegenden Befunde zur mangelnden Güte in den Teilstrukturen nicht vollständig bestätigt werden. Dennoch stärken die Ergebnisse die A n n a h m e n über die grundlegende Dimensionalität der Einstellung.

3 3

Die t-Werte geben die Signifikanz des Parameters aufgrund der t-Verteilung wieder. Bei einem Signifikanzniveau von 99% sollte der t-Wert für einen Parameter > 1.96 sein.

16 Beba

242

E. Empirische Ergebnisse

Abb. 5.2 Faktormodell mit fünf Dimensionen

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

243

Zur inhaltlichen Interpretation der Ergebnisse können die Faktorladungen und Koeffizienten der PHI-Matrix (Korrelationen der exogenen Konstrukte) herangezogen werden. Die Faktorladungen sind liegen zwar eher im mittleren Bereich, sie sind aber durchweg höher als die Ladungen im Ein-FaktorModell. Bei zwei Faktoren ("Umfeldverlust" und "Berufsperspektive") sind sogar alle Ladungen unter .50. Wie aus der Abb. 5.2 ersichtlich, korrelieren die Faktoren in unterschiedlichem Ausmaß miteinander. Die höchsten Korrelationen treten zwischen den Faktoren "Positiv-Emotional" und "Berufsperspektive" (.752) sowie zwischen den Faktoren "Kognitive Berufsfeldaspekte" und "Berufsperspektive" (.624) auf. Offensichtlich ist die Bewertung bestimmter emotionaler Attraktivitätsaspekte nicht unabhängig von der Beurteilung der Berufsperspektiven bei der Bundeswehr. Tab. 5.4 Gütekriterien der alternativen Schätzverfahren

Anpassungsgüte

ML-Verfahren

Erklärungskraft

Chi-Quadrat: 146.81, 60 d.f. ρ

.000

GFI

.929

AGFI

.892

RMR

.072

Anpassungsgüte

Determinationskoeffizient :: .961 UL-Verfahren

Erklärungskraft

Chi-Quadrat: 145.56, 60 d.f. ρ

.000

GFI

.961

AGFI

.942

RMR

.061

Determinationskoeffizient : .972

Die Korrelation zwischen den beiden emotionalen Faktoren ist dagegen sehr gering (.184); sie können als voneinander unabhängig gelten. Ein starker Zusammenhang besteht demgegenüber zwischen der negativ-emotionalen Dimension und dem Faktor Umfeldverlust (.540). Hieraus kann geschlossen werden, daß die negativ-emotionalen Aspekte des Berufsfeldes in einer deutlichen Beziehung zu den Ängsten, die sich aus der Wahrnehmung des möglichen Umfeldverlustes ergeben, stehen. Beide Dimensionen befinden sich also in enger psychologischer Nähe zueinander. Diese Aussage gilt auch fur die Beziehung zwischen der positiv-emotionalen Prädisposition und den Berufsfeldaspekten. Eine starke positiv-emotionale Ausprägung der Einstel-

244

E. Empirische Ergebnisse

lung korrespondiert mit einer positiven Bewertung der Berufsfeldaspekte. Beide Dimensionen hängen wiederum eng mit der Bewertung der Berufsperspektiven bei der Bundeswehr zusammen. Diese drei Dimensionen stehen also ebenfalls in enger psychologischer Beziehung und sind somit voneinander abhängig. Tab. 5.5 Ergebnisvergleich von M L - und UL-Schätzung

EinstellungsIndikatoren

Parameterschätzungen ML (t-Wert)* UL (t-Wert)*

Faktor

1. Schikane

.642

.617

2. Kaserne

.481 ( 5.75)

.455 ( 4.53)

NegativEmotional

3. Abwechslung

.618

.567

4. Kameradschaft

.359 ( 5.43)

.342 ( 4.92)

5. Erlebnis

.681 (10.96)

.668 ( 9.58)

.6. Technik

.521 (8.10)

.478 (6.91)

7. Anschlußverlust

.597

.523

8. Fortbildung

.869 (13.23)

.852(11.49)

9. Entfaltung

.460 ( 7.44)

.474(6.82)

10. Umgebungsverlust

.794

.696

11. Dienstbelastung

.417 ( 5.27)

.437 (4.88)

12. Karriere

.504 ( 6.27)

.523 ( 6.57)

13. Sicherheit

.501

.416

PositivEmotional

Berufsfeldaspekte

Umfeldverlust

Berufsperspektive

T - W e r t e > 2 sind auf dem 9 5 % - N i v e a u signifikant. T - W e r t e werden nicht fur Parameter berechnet, für die ein Startwert von 1.0 vorgegeben wurde.

Zur Überprüfung der Stabilität der Lösung wurden zwei weitere LISRELAnalysen mit veränderten Spezifikationsparametern vorgenommen. Zum einen wurden die Startweite geändert, im zweiten Fall wurde statt des MLdas ULS-Schätzverfahren angewandt. Letzteres hat den Vorteil, daß keine

245

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

Annahmen über die Verteilung getroffen werden. 34 In den nachstehenden Tabellen sind die Gütekriterien und die Parameterschätzungen der beiden LISREL-Analysen wiedergegeben. Die Gesamtanpassung ist in beiden Lösungen als gut zu bezeichnen, wenngleich sich das UL-Verfahren durch bessere Gütekriterien auszeichnet.35 Beim Vergleich beider Lösungen läßt sich feststellen, daß die Relationen der Faktorladungen grundsätzlich gleich sind. Das ML-Verfahren liefert dabei geringfügig höhere Schätzwerte als das UL-Verfahren. 36 Zum Vergleich der Korrelationen zwischen den latenten Variablen sind die jeweiligen PHI-Matrizen heranzuziehen, sie enthalten die Korrelationskoeffizienten zwischen den Faktoren:

Tab. 5.6 Korrelationen der Konstrukte

Korrelationskoeffizienten der latenten Variablen ( ML (UL) ) Faktor

Negativ-

Positiv-

Berufsfeld-

Umfeld-

Berufs-

Emotional

Emotional

aspekte

verlust

perspektive

1. NegativEmotional

1.0

2. PositivEmotional

.19(.20)

1.0

3. Berufsfeldaspekte 4. Umfeldverlust

.07(.08)

.61(.55)

.52(.52)

-.05(-.04)

. 13(. 17)

1.0

. 13(. 15)

.70(.67)

.61(.53)

-.09(-.07)

1.0

5. BerufsPerspektive

1.0

Die Erklärungskraft der Faktormodelle (das Bestimmtheitsmaß für alle Indikatorvariablen gemeinsam) ist mit .961 bzw. .972 sogar als sehr gut zu 3 4

Vgl. Jöreskog 1886, S.103. Die Startwerte-Änderung bezieht sich lediglich auf die Standardisierung der KSI-Variablen (Fixierung der Skalen der latenten Variablen auf 1.0) mit der Wirkung, daß die Matrix PHI zur Korrelationsmatrix wird. Die Standardisierung erfolgt lediglich für die latenten und nicht fur die beobachteten Variablen, vgl. Jöreskog und Sörbom 1988, S. 76.

3 5

Das ML-Verfahren ist restriktiver, da es vergleichsweise schlechtere Gütekriterien liefert. Diese Aussage deckt sich mit empirischen Befunden zum Vergleich beider Schätzverfahren, vgl. Boomsma, 1982, S.149ff. Aus diesem Grund wird in den meisten Arbeiten zur Kausalanalyse das ML-Verfahren präferiert. Betrachtet man die Güte der Anpassung in den Teüstrukturen, so treten Residuen zwischen jenen Variablenpaaren wie in der Lösung in Abb.5/1.2 auf. Die Höhe der Residuen hat sich demgegenüber aber deutlich verringert; in der ML-Lösung tauchen lediglich zwei Werte größer 3 auf, in der UL-Lösung sind alle Werte kleiner 3.

3 6

246

E. Empirische Ergebnisse

bezeichnen.37 Die zum Teil beträchtlichen Korrelationen zwischen den latenten Konstrukten zeigen jedoch, daß die Faktoren nicht unabhängig sind und von Residuen beeinflußt werden. Aus den Ergebnissen dieses Analyseteils können folgende Schlußfolgerungen gezogen werden: (1) Die LISREL-Faktorenanalyse der Vorher-Einstellungen bestätigt grundsätzlich die Annahme einer mehrdimensionalen Struktur der Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr. Die 5 Faktoren stellen kognitive und emotionale Dispositionen der Einstellung dar, die aber nicht voneinander unabhängig sind. (2) Zur Beurteilung der Güte von LISREL-Analysen sind strenge Kriterien anzuwenden, so insbesondere hinsichtlich der Beurteilung von Teilstrukturen. Die auftretenden Residuen größer 2 deuten auf Zusammenhänge zwischen Variablen hin, die mittels der Modellspezifikation nicht erfaßt werden. Die Reduzierung der Residuen kann auf zweierlei Wegen erzielt werden: Zum einen können zusätzliche Pfade in die Meßmodelle aufgenommen werden und zum anderen können Variablen mit hohen Residuen von den weiteren Analysen ausgeschlossen werden. Im ersten Fall wird allerdings der bisherige konfirmatorische Charakter der Analyse mit zunehmender Modellanpassung zugunsten der Exploration aufgegeben. (3) Die z.T. hohen Korrelationen zwischen den latenten Variablen kennzeichnen die Abhängigkeiten, die zwischen den Einstellungs-Dimensionen bestehen. Im Vergleich zur klassischen Faktorenanalyse - die ex definitione von der Unkorreliertheit der Faktoren ausgeht, dafür aber Korrelationen eines Indikators mit allen Faktoren zuläßt - kann mit der LISRELFaktorenanalyse das Ausmaß Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit aufgrund der Faktorkorrelationen bestimmt werden. Bei der Interpretation der Korrelationen läßt sich feststellen, daß der negativ-emotionale Faktor ausschließlich mit dem Faktor Umfeldverlust korreliert. Der positiv-emotio-

Die Aussageiähigkeit des p-Wertes und des Chi-Quadrat-Wertes ist aufgrund der bereits erwähnten Anwendungsvoraussetzungen sehr begrenzt. Bei einem Stichprobenumfang von η=307 wird ein p-Wert berechnet, der unter dem "wahren" ρ liegt. Zur Verdeutlichung des Stichprobeneffektes wurde ein weiterer LISRELLauf mit dem ML-Verfahren berechnet, wobei in der Spezifikationszeile statt η=307 nun η = 100 eingegeben wurde. Bei Beibehaltung sämtlicher anderer Spezifikationen ergab sich hinsichtlich der Parameterschätzungen diesselbe Lösung. Allerdings wurde ein wesentlich verbesserter Chi-Quadrat-Wert (47.50 bei 60 d.f.) und ein "ausgezeichneter" p-Wert ( .879) berechnet. In diesem Fall besagt der p-Wert, daß die Ablehnung der spezifizierten Modellstruktur mit einer Wahrscheinlichkeit von 87.9 % eine Fehlentscheidung darstellen würde.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

247

naie Faktor korreliert demgegenüber nur mit den eher kognitiven Faktoren (Berufsfeldaspekte und Berufsperspektive). Für den weiteren Analysegang bieten sich nun mehrere Möglichkeiten an: Zunächst einmal können die Ergebnisse der bisherigen Analysen genutzt werden, um anhand des Meßfehlerwertes (Anteil nicht erklärter Varianz des Indikators) Entscheidungen über den Ausschluß bestimmter Indikatoren zu treffen. Außerdem könnten Veränderungen in den Spezifikationen der Meßmodelle vorgenommen werden mit dem Ziel, die Schätzergebnisse zu verbessern. Als weitere Möglichkeit kommt die Analyse eines Faktorenmodells zweiter Ordnung (hierarchische Faktorenanalyse) in Frage, mit ihr können die kausalen Einflußbeziehungen zwischen den latenten Dimensionen und einem zentralen Konstrukt höherer Ordnung (Einstellung) aufgezeigt werden. Dieser Ansatz bietet den Vorteil, daß mit der Konstruktion eines hierarchischen Faktors die Interkorrelationen zwischen den Dimensionen aufgelöst werden können. Diese Analysetechnik reagiert aber sehr empfindlich auf Residuen zwischen den Indikatoren. Beide genannten Möglichkeiten sollen sukzessiv genutzt werden. Dies erscheint insbesondere deshalb zweckmäßig, weil fur die Anwendung der hierarchischen Faktorenanalyse nur geringe Residuen auf der Indikatorebene auftreten dürfen; der Ausschluß erklärungsschwacher (und residuenbehafteter) Indikatoren erscheint deshalb zwingend. 2.5. Die Reduktion des Merkmalsraumes Für die Entscheidung über den Ausschluß von Meßvariablen spielt insbesondere das Abwägen zwischen dem dadurch in Kauf zu nehmenden Informationsverlust und der Verbesserung der Aussagemöglichkeiten eine Rolle. Bei LISREL-Analysen ist die Réhabilitât der Indikatoren von entscheidender Bedeutung, da sie die Anpassungsgüte in den Teil- und Gesamtstrukturen erheblich beeinflusst. Desweiteren ist hierfür aber auch das Ausmaß auftretender Residuen von Relevanz. Die geringste Réhabilitât (quadrierte Faktorladung) und gleichzeitig hohe Residuen weist der Indikator "Kameradschaft" auf. Er soll zunächst aus dem Meßmodell eliminiert werden. Für die Dimensionen "Negativ-Emotional" und "Umfeldverlust" konnte aufgrund der hohen Korrelation bereits eine enge psychologische Nähe festgestellt werden. Alle vier Indikatoren der beiden Faktoren korrespondieren mit Ängsten, die sich beim ersten Faktor auf die unmittelbare Arbeitssituation und beim zweiten Faktor auf bestimmte soziale Konsequenzen beziehen. Es

248

E. Empirische Ergebnisse

liegt nahe, ffir beide Faktoren eine gemeinsame Dimension negativ-emotionaler Umfeld- und Arbeitsplatzaspekte zu bilden. Es wird also nunmehr von einem Vier-Faktor-Modell ausgegangen (Abb. 5.3).

Abb. 5.3 Faktormodell mit vier Dimensionen (13 Indikatoren)

249

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

In einem zweiten Schritt wird der Indikator "Kameradschaft" aus der Modellstruktur entfernt. 38 Tab. 5.7 enthält die Ergebnisse der Vier-FaktorModelle mit bzw. ohne "Kameradschaft": Tab. 5.7 Ergebnisse des Vier-Faktor-Modells mit bzw. ohne "Kameradschaft"

Einstellungs-

mit Kameradschaft

ohne Kameradschaft

Indikatoren

Ladung (t-Wert)*

Ladung (t-Wert)* .326 (1.88)

Faktor

1. Umfeldverlust

.347 (1.95)

2. Schikane

.513

.649

Negativ-

3. Dienstbelastung

.486 (5.27)

.437 (4.88)

Emotional

4. Kaserne

.430 ( 3.67)

.409 ( 4.22)

5. Abwechslung

.475

.567

6. Kameradschaft

.353 ( 5.43)



Positiv-

7. Erlebnis

.691 (10.96)

.668 ( 9.58)

Emotional

8. Technik

.484 ( 8.10)

.478 ( 6.91)

9. Anschlußverlust

.484

.523

10. Fortbildung

.868 (13.23)

.852 (11.49)

11. Entfaltung

.429 ( 7.44)

.474(6.82)

12. Karriere

.478 ( 6.27)

.523 ( 6.57)

Berufs-

13. Sicherheit

.384

.416

perspektive

Berufsfeldaspekte

* t-Werte > 2 sind auf dem 95%-Niveau signifikant. t-Werte werden nicht für Parameter berechnet, für die ein Startwert von 1.0 vorgegeben wurde.

3 8

Der Indikator "Kameradschaft" weist auch im Vier-Faktor-Modell die geringste Réhabilitât auf.

250

E. Empirische Ergebnisse

Mit beiden Lösungen ist eine Verbesserung der Gütemaße in den Teilstrukturen sowie in der Gesamtstruktur gegenüber dem Fünf-FaktorModell erzielt worden. Dabei weist das Modell ohne "Kameradschaft" eine bessere Anpassung in den Teilstrukturen auf (lediglich zwei standardisierte Residuen > 2 ) . 3 9

Tab. 5.8 Gütekriterien der Modelle in Tab.5.7

Anpassungsgüte (mit Kameradschaft)

Erklärungskraft

Chi-Quadrat: 1:J8.16, 59 d.f. Ρ

.040

GFI

.936

AGFI

.902

RMR

.060

Anpassungsgüte (ohne Kameradschaft) Chi-Quadrat: Ρ

Determinationskoeffizient :: .939 Erklärungskraft

7 1.15, 52 d.f. .312

GFI

.944

AGFI

.916

RMR

.060

Determinationskoeffizient : .942

Kritisch ist dagegen die geringe Reliabilität und der geringe t-Wert des Indikators Umfeldverlust zu werten. Eine Verbesserung der Güte kann von zwei alternativen Vorgehensweisen erwartet werden: Zum einen kann der Indikator Umfeldverlust durch Spezifikation zusätzlicher Pfade zu den anderen Konstrukten in die jeweiligen Meßmodelle integriert werden. Dies erscheint allerdings aus theoretischen Gründen nicht plausibel. Zum anderen kann eine Verbesserung der Modellgüte von der Elimination des Indikators Umfeldverlust erwartet werden. Dabei muß allerdings ein Informationsverlust in Kauf genommen werden. Dies erscheint aber bei der geringen Reliabilität

Die Entfernung des Indikators "Kameradschaft" hat ferner eine Verringerung des Chi-Quadrat-Wertes um die Hälfte bewirkt. Wenngleich auch die Aussagekraft bei Anwendung einer Korrelationsmatrix (wie im vorliegenden Fall) begrenzt ist, so zeigt die Annäherung des Wertes an die Zahl der Freiheitsgrade, daß der Fehler 1. Art (für die Ablehnung der Null-Hypothese, derzufolge die empirische Korrelationsmatrix der modelltheoretischen Matrix entspricht) verringert werden konnte (p ist von .040 auf .312 gestiegen).

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

251

des Indikators vertretbar. 4 0 Abb. 5.4 gibt die Ergebnisse wieder. Vergleicht man die Ergebnisse mit denen des vorhergehenden Modells, läßt sich zwar nur eine geringe Verbesserung der Anpassimg in der Gesamtstruktur feststellen, wohl aber eine deutliche Zunahme der Reliabilitäten der Indikatoren. Hierdurch wird die Erklärungskraft des Gesamtmodells auf nunmehr .953 verbessert. 41

Abb. 5.4 Faktorenmodell mit vier Dimensionen (11 Indikatoren) 4 0

Der Aspekt Umfeldverlust repräsentiert eine eher mittelbare Konsequenz des Ausübens eines Berufes bei der Bundeswehr. Die Separierung dieser Variablen zur Verwendung als (alleiniger) Indikator für eine fünfte Dimension "Umfeldverlust" lieferte keine zuverlässigen Ergebnisse, da zusätzliche Interkorellationen zur Dimension "Negativ-Emotional" auftraten.

4 1

Stark verbessert haben sich der Chi-Quadrat-Wert (45.9 bei 42 d.f.) sowie ρ mit .312. Die Anpassungsgüte in den Teilstrukturen konnte aufgrund der Reduzierung auf lediglich zwei Residualwerte > 2 ebenfalls verbessert werden.

252

E. Empirische Ergebnisse

Vergleicht man die Korrelationen zwischen den Konstrukten, so bestätigt sich die Vermutung, daß keine Abhängigkeiten zwischen der negativ-emotionalen und den anderen Dimensionen der Einstellung bestehen. Deutliche Bedingtheit besteht dagegen zwischen den Dimensionen "Posi ti ν-Emotional", "Berufsfeldaspekte" und "Berufsperspektive". Eine verhaltenswissenschaftlich plausible Differenzierung der Einstellung in emotionale und kognitive Dispositionen erscheint aufgrund der hohen Abhängigkeiten zwischen den genannten drei Faktoren fur das zugrundeliegende Einstellungsobjekt "Arbeitsplatz Bundeswehr" nicht tragfähig. Als unabhängiger Faktor kann dagegen die negativ-emotionale Dimension angesehen werden. Nachdem die grundlegende Struktur der Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr herausgearbeitet wurde, rückt nunmehr die Frage nach der Bedeutung der einzelnen Dimensionen im Hinblick auf das hypothetische Konstrukt Einstellung in den Vordergrund des Interesses. Aus der Beantwortung dieser Frage können sich wesentliche Ansatzpunkte fur eine imageorientierte Kommunkationsstrategie ergeben. 3. Die Bedeutung der Einstellungsfaktoren im mehrdimensionalen Einstellungsmodell 3.1. Struktur des mehrdimensionalen Einstellungsmodells In den bisherigen Analyseschritten konnte gezeigt werden, daß die Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr durch vier zentrale Faktoren repräsentiert werden kann. Mit dem LISREL-Ansatz der konfirmatorischen Faktorenanalyse konnten die Beziehungen zwischen Dimensionen der Einstellung (latente Variablen) und den empirischen Variablen hinsichtlich der Stärke des Zusammenhangs hinreichend aufgeklärt werden. 42 Im folgenden soll nun überprüft werden, ob die vier Einstellungsfaktoren ein hypothetisches bzw. generelles Konstrukt Einstellung repräsentieren, das gewissermaßen "hinter" den 4 2

Eine in der verhaltenswissenschaftlichen (Marketing-) Forschung verbreitete Methode zur Analyse eines derartigen mehrdimensionalen Einstellungsmodells ist die Dependenzanalyse. Das Konstrukt "Einstellung" (abhängige Variable) muß hierzu durch einen eindimensionalen Indikator operationalisiert und somit der Messbarkeit zugänglich gemacht werden. Die Dimensionen stellen die unabhängigen Variablen dar. Dabei wird zunächst auf faktorenanalytischem Weg der Merkmalsraum (der Indikatoren) verdichtet. Die derart gewonnenen Faktorwerte werden dann in einem zweiten Schritt (sukzessive Schätzung) in ein Regressionsmodell integriert. Hierbei wird die Unabhängigkeit der Dimensionen unterstellt, was in den meisten empirischen Anwendungen - wie auch im vorliegenden Fall aufgrund der Korrelationen zwischen den Faktoren nicht gegeben ist.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

253

Dimensionen steht. Desweiteren soll ermittelt werden, welche Unterschiede in der Bedeutung der einzelnen Dimensionen hinsichtlich des hypothetischen Konstrukts Einstellung vorliegen. Im Rahmen kausalanalytischer Modellüberprüfungen ergibt sich die Möglichkeit, Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen Dimensionen- und Konstruktebene zu analysieren, ohne daß die Operationalisierung des Konstrukts Einstellung erforderlich ist. Dieser Modellansatz wird als Faktorenanalyse zweiter Ordnung bezeichnet,43 er entspricht der theoretischen Überlegung eines mehrdimensionalen Einstellungsmodells (vgl. Abb.5.5).

Theoretische Ebene

Konstrukt

Dimensionen (Merkmalsklassen)

Empirische Ebene

Skala

Indikatoren (empirische Variablen)

' 1

' 2

10 s

11

12

13

14

15

16

Wertebereich

Abb. 5.5 Struktur des mehrdimensionalen Einstellungsmodells

Mit dem LISREL-Ansatz werden aus den Korrelationen der Faktoren Pfadkoeffizienten fur die Beziehungen, die zwischen dem Konstrukt und den Dimensionen bestehen, ermittelt. Diese auch als hierarchische Faktorenanalyse bezeichnete Methode weist darüber hinaus den Vorteil auf, daß die Faktoren nicht voneinander unabhängig zu sein brauchen. 44 Desweiteren ermöglicht

4 3

4 4

Jöreskog und Sörbom, 1988, S.160. Die Darstellung in LISREL-Notation kann der Abb. A 2/1.2 entnommen werden Häufig dient die Anwendung der hierarchischen Faktorenanalyse in erster Linie der Beseitigung von Interkorrelationen.

254

E. Empirische Ergebnisse

diese Technik die simultane Schätzung des Faktor- und des Strukturmodells. 45 Mit dem hierarchischen Modellansatz wird unterstellt, daß sich die Korrelationen zwischen den direkt beobachtbaren Variablen auf den Einfluß der latenten Variablen zurückfuhren lassen, die latenten Variablen bestimmen damit als verursachende Variablen den Beobachtungswert der Indikatorvariablen. In Erweiterung dieses faktorenanalytischen Ansatzes bestimmt wiederum das latente Konstrukt "Einstellung" die Korrelationen der latenten Dimensionen. Insofern wird der faktorenanalytische Modellansatz um ein Strukturmodell der latenten (endogenen und exogenen) Variablen erweitert. Die Pfade zwischen der latenten exogenen Größe "Einstellung" und den latenten endogenen Dimensionen sind kausal interpretierbar. Mit der hierarchischen Faktorenanalyse sollen also (a) Aufschlüsse über die Güte des mehrdimensionalen Einstellungsmodells gewonnen werden. Hieran kann gemessen werden, ob sich die vier Dimensionen überhaupt auf eine gemeinsame bzw. generelle verursachende Ebene zurückführen lassen und (b) die Koeffizienten der Pfade im Strukturmodell geschätzt werden, da sie die Bedeutungsunterschiede zwischen den vier Einstellungsdimensionen charakterisieren. Da die Varianz des Konstrukts Einstellung (KSIj) zur Schätzung benötigt wird, muß die Matrix PHI als (standardisierte) Korrelationsmatrix spezifiziert werden, die auf der Hauptdiagonalen mit Einsen besetzt ist. Dies bewirkt eine Standardisierung des Konstrukts "Einstellung" (Varianz=l). Die nichtiterativen Verfahren können nicht zur Berechnung der Anfangsschätzungen herangezogen werden, da sie bei Fehlen von Indikatorvariablen nichtidentifizierbare Modelle unterstellen.46 Die nachstehende Abbildung 5.6 gibt

4 5

Es gehen somit keine Informationen verloren, wie es z.B. bei einer regressionsanalytischen Vorgehensweise unter Einbeziehung von Faktorwerten, die das Ergebnis einer vorgeschalteten Faktorenanalyse sind, der Fall ist.

4 6

Als notwendige Identifikationsbedingung ist hierbei zu beachten, daß die Zahl der Freiheitsgrade größer als die Zahl der zu schätzenden Parameter sein muß. Die Zahl der Freiheitsgrade berechnet sich aus [n(n-l· l)/2] - P, mit η = Anzahl der Indikatorvariablen und Ρ = Anzahl der zu schätzenden Parameter. Im vorliegenden Fall ergeben sich also [11(11 + l ) / 2 = ] 66 Elemente der modelltheoretischen Korrelationsmatrix. Bei 25 Parametern und 66 Elementen betragen die Freiheitsgrade 66 - 25 = 41, womit die Identifikationsbedingung ( 41 > 25) erfüllt ist. Weitere Indikatoren zur Lokalisation nichtidentifizierter Modelle (oder Modellelemente) liefert LISREL V I I mit einer Meldung über nicht positiv definiter Matrizen, d.h. nicht invertierbarer Matrizen.

255

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

die Modellstruktur und die entsprechenden LISREL-Parameterschätzungen wieder. 47 Tab. 5.9 enthält die erzielten Gütekriterien. Da an dieser Stelle der vorliegenden Untersuchung erstmalig die Ergebnisse eines vollständigen LISREL-Modells dargestellt werden, soll zum weiteren Verständnis auf die Interpretation der verschiedenen Gütekriterien der Schätzergebnisse von LISREL V I I detailliert eingegangen werden.

Tab. 5.9 Gütekriterien der hierarchischen Faktorenanalyse

Anpassungsgüte Chi-Quadrat: 116.10, 40 d.f. ρ .000 GFI .958 AGFI .930 RMR .070

Erklärungskraft Strukturgleichungen: NEGATIV-EMOTIONAL

.035

POSITIV-EMOTIONAL

.624

BERUFSASPEKTE

.389

BERUFSPERSPEKTIVE

.823

Determinationskoeffizient : .879

3.1.1 Beurteilung der Zuverlässigkeit der Schätzungen Als Gütekriterien fur die Zuverlässigkeit der Schätzungen werden vom Programm Standardfehler, multiple Regressionskoeffizienten sowie Korrelationen zwischen den Parameterschätzungen berechnet. Sie lassen eine Aussage darüber zu, mit welcher Streuung bei den Schätzungen zu rechnen ist. Lediglich bei den Indikator-Variablen Kaserne und Fortbildung fallen die Standardfehler mit .427 und .551 recht hoch aus, alle anderen Indikatoren weisen Werte zwischen 0.00 und 0.2 auf. Auch für die Parameter der weiteren Matrizen bewegen sich die Standardfehler zwischen .00 und .19, was durchaus als akzeptabel gewertet werden kann.

4 7

Die standardisierte Lösung wird von LISREL V I I durch Fixierung aller latenten Variablen auf 1 errechnet. Zur Beurteilung der Ergebnisse ist die Heranziehung der standardisierten Lösung erforderlich, da die unstandardisierte Lösung Kovarianz-Matrizen berechnet, wobei die Kovarianzen durch die Skaleneinheiten der jeweiligen Variablen bzw. durch deren Varianzen beeinflußt wird.

256

E. Empirische Ergebnisse

Modellgüte AGFI = .930

RMR = .070

Erklärungskraft = .879

Abb. 5.6 Hierarchische Faktorenanalyse der Einstellung

Mit Reliabilität wird die Zuverlässigkeit der Messung der latenten Variablen durch ihre Indikatoren bezeichnet; sie spiegelt den Grad wider, mit dem eine Messung frei von zufalligen (Meß-) Fehlern ist. Die Reliabilität wird in LISREL V I I durch quadrierte multiple Korrelationskoeffizienten fur jede beobachtete Variable, fur jede latente endogene Variable und fur jede Strukturgleichung separat sowie fur alle Strukturgleichungen gemeinsam berechnet.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

257

Insgesamt sind die Reliabilitäten der Indikatoren mit Werten zwischen .18 und .39 als relativ gering zu bezeichnen (Signifikanzniveau 99%). Die quadrierten multiplen Korrelationskoeffizienten fur die endogenen Variablen sind als Maß fur die Starke der Kausalbeziehungen in den Strukturgleichungen interpretierbar. Die Strukturgleichung für NEGATIV-EMOTIONAL weist mit .035 eine sehr geringe Erklärungskraft auf. Die Reliabilitätskoeffizienten der drei weiteren Strukturgleichungen sind demgegenüber mit Werten zwischen .389 und .832 (Berufsperspektive) sehr hoch, so daß der geringe Wert für die Strukturbeziehung EINSTELLUNG - NEGATIV-EMOTIONAL in der Berechnung des Bestimmtheitsmaßes für alle Strukturgleichungen gemeinsam (.879) voll kompensiert wird. Als drittes Gütekriterium für die Zuverlässigkeit sind die Korrelationen der Parameterschätzungen heranziehbar. Sehr hohe Korrelationen deuten dabei auf die Tatsache hin, daß identische Sachverhalte gemessen werden. In einem derartigen Fall müsste zumindest einer der Parameter (bzw. die jeweilige Beziehung) aus Redundanzgründen aus dem Modell entfernt werden. Im allgemeinen werden dabei jene Korrelationen als hoch bezeichnet, die einen Wert von > .9 aufweisen, 48 was im vorliegenden Modell nicht der Fall ist. Abgesehen von den geringen Reliabilitäten bei einigen Indikator-Variablen und bei der Strukturgleichung des Konstrukts NEGATIV-EMOTIONAL kann insgesamt von zuverlässigen Schätzungen in der Berechnung ausgegangen werden. 3.1.2 Die Beurteilung der Gesamtstruktur Als Gütekriterien zur Beurteilung der Gesamtstruktur können der Chi-Quadrat-Wert, der Goodness-of-Fit-Index (GFI), der Adjusted-Goodness-of-FitIndex (AGFI) und der Root-Mean-Square-Residual-Wert (RMR) herangezogen werden. Alle genannten Kriterien liefern ein Maß für die Güte der Anpassung einer theoretischen Modellstruktur an die empirischen Daten ("Fit" eines Modells). Der Chi-Quadrat-Wert stellt das Ergebnis eines LikelihoodRatio-Tests (entspricht prinzipiell einem Chi-Quadrat-Anpassungstest) dar, in dem die Hypothese, nach der die empirische Matrix der modelltheoretischen Matrix entspricht, gegen die Alternativhypothese, die empirische Matrix sei irgendeine positiv definite Matrix, geprüft wird. 4 9 Weiterhin wird die Wahrscheinlichkeit ρ dafür berechnet, daß die Ablehnung der Nullhypothese eine 4 8 4 9

vgl. Backhaus et.al., 1987, S.286. Praktisch bedeutet dies, daß der Chi-Quadrat-Wert, verteilt mit (1/2 [p + q][p+q + l]) - t d.f., wobei ρ und q die Anzahl der unbekannten LX- und LYParameter sind, im Verhältnis zu den t Freiheitsgraden (d.f.) möglichst klein werden soll, vgl. Jöreskog und Sörbom, 1988, S.I 128.

17 Beba

258

E. Empirische Ergebnisse

Fehlentscheidung darstellen würde. 50 Chi-Quadrat- und p-Wert können im vorliegenden Fall nur sehr vorsichtig interpretiert werden, da nicht alle Variablen normalverteilt sind, die durchgeführten Schätzungen auf der Grundlage von Korrelationsmatrizen statt Kovarianzmatrizen beruhen und kein "ausreichend großer" Stichprobenumfang vorliegt. 51 So liefert das Programm auch dann hohe Chi-Quadrat-Werte, wenn komplexe Modelle nur in Teilen von der empirischen Struktur abweichen. Aufgrund der o.a. Probleme in der Anwendung des Chi-Quadrat-Wertes werden in LISREL V I I weitere Kriterien zur Beurteilung der Gesamtgüte eines Modells zur Verfugung gestellt. Der GFI bzw. der AGFI gibt den Varianz-Aufklärungsanteil des gesamten Modells wieder (vergleichbar dem Bestimmtheitsmaß in der Regressionsanalyse). Der AGFI berücksichtigt dabei noch zusätzlich die Zahl der Freiheitsgrade. Im vorliegenden Modell wird ein GFI bzw. AGFI von .958 bzw. .930 berechnet, der "Fit" des Modells kann somit als sehr gut bezeichnet werden. 52 Als viertes Gütekriterium fur die Gesamtstruktur wird in LISREL V I I der RMR-Index berechnet, der ein Maß fur die durchschnittlich im Modell nichterklärte Varianz ist. 53 Der RMR beträgt im vorliegenden Modell .070, womit auch hinsichtlich dieses Kriteriums eine gute Modellanpassung indiziert wird. 5 4 Der RMR eignet sich besonders zum Vergleich verschiedener Modelle am gleichen Datensatz. Insgesamt ist also die Güte der Gesamtanpassung des Modells hinsichtlich der o.a. Kriterien als gut zu bezeichnen. 3.1.3 Die Beurteilung der Teilstrukturen Für die Beurteilung von Teilstrukturen eignen sich 5 0

51

5 2 5 3

5 4

(1-p) entspricht dem Fehler erster Art der klassischen Testtheorie. In der Praxis werden häufig Modelle abgelehnt, bei denen ρ < 0.1 ist, vgl. Bagozzi, 1980, S.105. Im vorliegenden Fall beträgt der Chi-Quadrat-Wert 116.10 bei 40 Freiheitsgraden mit ρ=.000. In einem Sensitivitätslauf wurde die vorzugebende Stichprobengröße von 307 auf 100 geändert. Als Ergebnis wurde ein Chi-Quadrat-Wert von 34.01 bei 40 Freiheitsgraden errechnet. Dieses Beispiel zeigt, daß die Chancen, daß ein Modell angenommen wird, mit kleiner werdendem Stichprobenumfang steigen und umgekehrt. Vgl. hierzu insbesondere Boomsma, 1982, S.149 ff. vgl. Jöreskog und Sörbom, 1988, S.131 und Backhaus et.al., a.a.O., S.288. Der RMR-Index läßt dann Aussagen zu, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Korrelationsmatrix Grundlage der Berechnungen ist, da unterstellt wird, daß alle Varianzen der Meß variablen in etwa gleich groß sind. Vgl. hierzu auch Backhaus et.al., S.288. Als Grenzwert fur die Modell-Ablehnung gilt eine RMR von > Jöreskog und Sörbom, 1983, S.136.

0.1, vgl.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

-

259

die normalisierten Residuen, die standardisierten Residuen bzw. der Q-Plot, die t-Werte und die Ergebnisse alternativer Schätzverfahren.

Anhand der geschätzten Parameter wird in LISREL die modelltheoretische Korrelationsmatrix ("FITTED MOMENTS") berechnet. Aus den Differenzen der Matrixelemente zur empirischen Korrelationsmatrix erhält man normalisierte Residuen, die durch die Modellstruktur nicht erklärt werden können. Eine Standardisierung dieser Werte erzeugt die Matrix der standardisierten Residuen. Von Spezifikationsfehlern ist dann auszugehen, wenn die standardisierten Residuen Werte > 2.0 annehmen,55 wobei anhand der Matrixstelle nachzuvollziehen ist, fur welche Variablen Spezifikationsfehler möglicherweise vorliegen. Im vorliegenden Fall treten Residuen größer 2 zwischen den Variablen-Beziehungen Belastung - Abwechslung (-2.99), und Karriere Kaserne ( 2.95) auf. Dies schränkt die Güte des Meßmodells ein. Graphisch lassen sich die standardisierten Residuen in einem sog. Q-Plot darstellen, anhand dessen visuell überprüft werden kann, wie stark die Ausgangsdaten von der Normalverteilung abweichen und wie gut der Gesamtfit hinsichtlich der Residuen ist; die standardisierten Residuen werden im Q-Plot gegen die Quantile der Normalverteilung abgetragen.56 Der absolut beste Fit ergibt sich, wenn alle Punkte auf einer senkrechten Geraden liegen; der absolut schlechteste Fit ergibt sich, wenn alle Punkte auf einer horizontalen Geraden liegen. Als akzeptabel gilt ein Fit dann, wenn die Punkte ungefähr auf der Diagonalen im Q-Plot verlaufen. 57 Für alle Modellparameter wird ein Signifikanztest (ί-Test) durchgeführt, indem der geschätzte Parameterwert durch den Standardfehler dividiert wird. Τ sollte bei einem Signifikanzniveau von 99% (Voreinstellung) Werte > 1.96 aufweisen. T-Werte < 1.96 treten bei den Parametern für Kaserne (1.844), EINSTELLUNG - > NEGATIV-EMOTIONAL (1.737) und für den Residualwert (PSI) von NEGATIV-EMOTIONAL (1.748) auf. 5 8 Hiermit deutet sich bereits eine Schwäche der Erklärungskraft des Konstrukts NEGATIV-EMOTIONAL im Zusammenhang mit einer möglichen Fehlspezifikation im Meßmodell dieses Konstrukts an. 5 5 5 6 5 7

5 8

Anm.: Dies gilt fur ein Signifikanz-Niveau von 99% (LISREL-Voreinstellung). Vgl. Jöreskog und Sörbom, 1988, S.I 48. In dem vorliegenden Modell liegen alle Punkte auf einer Geraden, deren Steigung größer 1 ist, was auf eine relativ gute Anpassung hindeutet. An den beiden Endpunkten der Geraden befinden sich die Ausreißer-Residuen der Variablenpaare Belastung - Abwechslung und Karriere - Kaserne. Setzt man das Signifikanzniveau auf 96% herab, sind alle Ergebnisse signifikant von Null verschieden.

260

E. Empirische Ergebnisse

3.1.4 Zusammenfassende Bewertung der Modellgüte Die theoretisch unterstellte Struktur der mehrdimensionalen Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr kann insgesamt als bestätigt angesehen werden. Einschränkungen dieser Bewertung ergeben sich lediglich - hinsichtlich des Bestimmtheitsmaßes der Strukturgleichung der Dimension NEGATIV-EMOTIONAL, - aufgrund von Residuen im Meßmodell von NEGATIV-EMOTIONAL, - aufgrund hoher standardisierter Residuen zwischen den Variablen Abwechslung - Belastung sowie Karriere - Kaserne und - hinsichtlich der Signifikanz ( t-Werte) des Pfades EINSTELLUNG - - > NEGATIV-EMOTIONAL.

3.1.5 Inhaltliche Beurteilung der Ergebnisse Aufgrund der Einfuhrung des Konstrukts EINSTELLUNG und der damit verbundenen Modellvariation haben sich im Vergleich zu den Parametern der einfachen Faktorenanalyse Änderungen hinsichtlich der Faktorladungen ergeben. Generell haben sich die Ladungshöhen etwas verringert, die hypothetischen Faktoren "erklären" also in geringerem Umfang die Variation der Indikatorvariablen. Da die Relation der Ladungen zueinander in etwa gleichgeblieben ist, kann von einer Bestätigung der Strukturen in den Meßmodellen ausgegangen werden. Die Koeffizienten des Strukturmodells drücken aus, in welchem Ausmaß das hypothetische Konstrukt "Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr" kausal als verursachende Variable die einzelnen Einstellungsdimensionen determiniert. Die mit der einfachen Faktorenanalyse ermittelten hohen Korrelationen zwischen den Dimensionen (vgl. Abb.5.2) drücken sich im vorliegenden Modell durch die hohen Pfadkoeffizienten dieser Konstrukte im Strukturmodell aus. Dies bedeutet, daß die Interkorrelationen der Konstrukte entscheidend auf den Einfluß der "hinter" den Einstellungsdimensionen stehenden generellen Einstellung zurückgeführt werden können. Die weitgehende Unabhängigkeit der negativ-emotionalen Dimension von der Grundeinstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr läßt vermuten, daß diese Dimension in der Attribution der Probanden weniger fur den Arbeitsplatz, sondern eher für das Image der Bundeswehr als Institution relevant ist. Insofern kann eine psychologische Differenzierung zwischen Institutionen- und Arbeitsplatz image der Bundeswehr vermutet werden.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

261

Die hohen Koeffizienten zwischen der Einstellung und den Dimensionen positiv-emotionale Bewertung, Berufsfeldaspekte und Berufsperspektive zeigen dagegen eindeutig die starke psychologische Nähe zur Grundeinstellung gegenüber dem Bundeswehr-Berufsfeld. Dabei wird deutlich, daß die generelle Einstellung am stärksten mit der Dimension "Berufsperspektive" korrespondiert (.912). Die Sicherheit der beruflichen Entwicklungschancen kann als zentrale Determinante einer positiven Grundeinstellung gegenüber dem Berufsfeld gewertet werden. Sie stellt eine gemischt kognitiv-emotionale Ebene der Einstellung dar. 5 9 Dennoch sind auch Attraktivitätspotentiale, die sich aus positiv-emotionalen Bewertungen des Arbeitsplatzes ergeben, in hohem Maße einstellungsrelevant. Wechselnde Aufgaben, Umgang mit moderner Technik und die Erlebnisträchtigkeit sind als Merkmale der Faszination des (Soldaten-) Berufes wichtige Inhalte einer (positiv) emotionsbasierten Image-Dimension. Rationale (kognitive) Aspekte sind in geringerem Maße von Bedeutung. Hier spielen insbesondere die vermuteten Fortbildungschancen eine wichtige Rolle. Der LISREL-Ansatz der Kausalanalyse läßt im Rahmen des Einsatzes als exploratives Analyseinstrument Modifikationen der Modellstruktur auf der Grundlage der Beurteilung der Schätzergebnisse zu. Der konfirmatorische, d.h. der hypothesenprüfende Charakter wird dadurch stark eingeschränkt. Demgegenüber ergibt sich aus der Zielsetzung, die experimentellen Wirkungen der Kommunikationsinstrumente auf die Einstellung aufzuzeigen, die Anforderung einer hohen Zuverlässigkeit der Ergebnisse. Zur Durchführung einer Wirkungsanalyse müssen die (Vorher-) Einstellungsstrukturen mit einem größtmöglichen Maß an Sicherheit bestätigt sein, da bei Einbeziehung von weiteren Modellvariablen Fehlspezifikationen stets weiter transportiert werden. 5.2. Verbesserung der Modellanpassung im Rahmen der hierarchischen Faktorenanalyse Möglichkeiten zur Variation der Modellstruktur, die dem Ziel der Verbesserung der Anpassungsgüte dienen, sollten hinsichtlich ihrer theoretischen Plausibilität geprüft werden. Dabei ist es zweckmäßig, Modelländerungen stets sukzessiv statt simultan vorzunehmen. Anpassungen, die weniger schwerwiegende (den 5 9

Sowohl der Indikator Karriere als auch der Indikator Arbeitsplatz-Sicherheit zielen auf kognitive und emotionale Prädispositionen gleichermaßen. Der vordergründig "rationale" Aspekt Arbeitsplatz-Sicherheit tangiert auch eine emotionale Ebene, wie z.B. Ängste vor Arbeitslosigkeit.

262

E. Empirische Ergebnisse

konfirmatorischen Charakter einschränkende) Eingriffe in die Modellstruktur implizieren, sollten als erstes in Betracht gezogen werden. Zur Verringerung von Residualgrößen des vorliegenden Modells bieten sich zwei Möglichkeiten an: (1) Die Spezifikation zweier Pfade zwischen den Meßfehlera der Indikatoren Abwechslung - Belastung und Kaserne - Karriere. Dies bedeutet die Zulassung von Meßfehler-Korrelationen. (2) Die Formulierung zusätzlicher Beziehungen im Meßmodell. Aufgrund der berechneten Modifikationsindizes ( M I ) 6 0 kann eine Verbesserung der Modellanpassung insbesondere von der Einfuhrung eines neuen Pfades zwischen dem Faktor NEGATIV-EMOTIONAL und dem Indikator Abwechslung ( M I = 30.3) sowie zwischen dem Faktor BERUFSFELDASPEKTE und dem Indikator Belastung ( M I = 57.4) erwartet werden. Exemplarisch soll der zweite Ansatz dargestellt werden, da er weniger restriktiv ist (vgl. Abb.5.7). Für die Beziehung NEGATIV-EMOTIONAL ~ > Abwechslung kann theoretisch ein negativer Zusammenhang unterstellt werden. Eine ausgeprägte negativ-emotionale Bewertung des Arbeitsplatzes Bundeswehr kann dann auftreten, wenn der Abwechslungsreichtum des Berufsfeldes als gering erachtet wird. Gleichzeitig heißt dies aber, daß eine hohe Einschätzung von Vielseitigkeit und Abwechslungsreichtum zu einer gering ausgeprägten negativ-emotionalen Bewertung fuhrt. Die aufgrund unregelmäßiger Dienstzeiten entstehende (Dienst-)Belastung wurde bislang als negativ-emotionaler Indikator aufgefaßt. Dieser Aspekt kann möglicherweise den Probanden auch als Kriterium fur die kognitive Beurteilung des Berufsfeldes dienen (hohe wahrgenommene Dienstbelastung schränkt die verfugbare Freizeit ein). Auch hier erscheint es theoretisch plausibel, für die Beziehung BERUFSFELD ASPEKTE - - > Dienstbelastung einen negativen Zusammenhang zu unterstellen. Der Determinationskoeffizient der Strukturbeziehungen hat sich auf .880 erhöht, was auf die deutliche Erhöhung des Pfadkoeffizienten der Dimensionen NEGATIV-EMOTIONAL und

6 0

LISREL V I I berechnet sog. Modifikationsindizes, die angeben, um wieviel sich der Chi-Quadrat-Wert bei Freisetzung eines restringierten Parameters unter Beibehaltung der sonstigen Modellstruktur insgesamt verringern würde. Das Programm verfügt auch über eine Option zur automatischen Modellmodifikation aufgrund der berechneten Modifikationsindices (wobei sukzessiv der jeweils höchste Wert als Anhaltspunkt dient). Die Anwendung dieser Option vergrössert allerdings die Gefahr des "Modellfittens" erheblich und soll deshalb ausgeschlossen werden.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

263

POSITIV-EMOTIONAL zurückzufuhren ist. Demgegenüber sind die Koeffizienten der kognitiven Dimensionen BERUFSFELDASPEKTE und BERUFSPERSPEKTIVE leicht gesunken.

Abb. 5.7 Hierarchische Faktorenanalyse der Einstellung mit erweitertem Meßmodell

264

E. Empirische Ergebnisse

Verbesserungen in der Anpassung der Teilstrukturen konnten insbesondere aufgrund einer Verringerung der standardisierten Residuen zwischen "Abwechslung" und den Indikatoren von NEGATIV-EMOTIONAL erzielt werden. Insgesamt verbleiben dennoch vier Residuen > 2 . 6 1 Die Aufnahme von "Belastung" im Meßmodell des Faktors BERUFSFELDASPEKTE hat keine wesentlichen Verbesserungen erbracht, die Faktorladung ist mit -.080 außerordentlich gering. Erheblich stärker ist dagegen der Zusammenhang zwischen Abwechslung und NEGATIV-EMOTIONAL. Offensichtlich drückt sich eine eine als gering erachtete Abwechslung im Berufsalltag des Soldaten in einer betonten negativ-emotionalen Prädisposition aus. Der negative Parameter (-.346) bestätigt den theoretisch postulierten Zusammenhang.62 Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die vielfältigen Möglichkeiten kausalanalytischer Techniken zur konfirmatorischen Datenanalyse nur innerhalb enger Grenzen genutzt werden sollten, da eine Verbesserung des Modellfits aufgrund von Eingriffen in die Meßstruktur (Zulassung korrelierender Residuen) zu erheblichen Änderungen in der Modellstruktur fuhren kann. Jeder Eingriff stellt eine Gratwanderung von der Konfìmation hin zur Exploration dar. Im vorliegenden Fall ist trotz der explorativen Modelländerungen der konfirmatorische Charakter der Einstellungsanalyse erhalten geblieben, da die Modellvariationen lediglich geringe Änderungen der theoretisch unterstellten Struktur implizieren und so trotz der Modellvariationen die Gültigkeit des a priori postulierten Modells bestätigt wurde. Alle vorgenommenen Modellvariationen bergen aber das Risiko einer starken Einflußnahme auf die Schätzergebnisse durch den Anwender. Multi-Item-Beziehungen (Meßmodelle, in denen ein Indikator mehreren Faktoren zugeordnet wird), wie sie z.B. der klassischen Faktorenanalyse zugrunde liegen, können die Anpassungsgüte deutlich verbessern. Der Informationsgewinn ist demgegenüber aber relativ gering, da die jeweiligen "Restkorrelationen" mit den anderen Faktoren zu Unschärfe in der inhaltlichen Aussage fuhren. Im vorliegenden Fall eine kann Bestätigung der theoretisch postulierten Struktur eines mehrdimensionalen Modells der Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr

6 1

Die Signifikanz der Schätzer für die Strukturbeziehungen hat sich deutlich erhöht, fur jeden Parameter werden Werte fur t > 2 ermittelt ( signifikant von Null verschieden bei l%iger Irrtumswahrscheinlichkeit).

6 2

Ein auf der vorliegenden Lösung aufbauender Ansatz zur Berücksichtigung von Meßfehlerkorrelationen zwischen den Indikatoren Abwechslung - Belastung und Karriere - Kaserne konnte die Anpassungsgüte geringfügig verbessern; die Erklärungskraft dieses Modells liegt mit .886 allerdings nur geringfügig über der des obigen Modells.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

265

auch mit dem Grundmodell (vgl. Abb.5.6) erzielt werden. Dieses Modell soll deshalb auch die Grundlage fur die weiteren Analysen bilden. 3.3. Die Stabilität der Einstellungsstruktur unter dem Kommunikationseinfluß Im folgenden soll untersucht werden, ob und in welchem Ausmaß die grundsätzliche Struktur der Einstellungen Veränderungen als Folge des werblichen Einflusses aufweist. Um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu ermöglichen, werden das Vorher- und Nachher-Modell ohne die o.a. Modellanpassungen untersucht. Gleichzeitig sollen die Ergebnisse der Faktorenanalysen zweiter Ordnung mit denen eines vollständigen LISREL-Modells verglichen werden, hierzu wird ein direkt erhobener Indikator fur die generelle Einstellung eingeführt. Diese Indikator-Variable wurde sowohl vor als auch nach dem Kommunikationseinfluß erhoben. 63 Mit dieser Variablen sollte die wertende Einschätzung der Bundeswehr (Overall-Einstellung) durch den Probanden erfaßt werden, wobei sowohl gefühlsmäßige als auch verstandesmäßige Komponenten zur Entstehung dieser Einschätzung beitragen können. Es wurde mit der Frageformulierung bzw. der Skalenverbalisierung auch ganz bewußt offengelassen, welche Aspekte zur Einschätzung herangezogen werden sollen. Man kann davon ausgehen, daß die Einstellung als wertende Einschätzung voneinander getrennte kognitive und emotionale Facetten aufweist, die aber zumeist in konsistenter Beziehung stehen.64 Dennoch kann im Vergleich zu den Ergebnissen der Faktorenanalysen zweiter Ordnung eine Unterrepräsentanz kognitiver Merkmale als Determinanten der Overall-Einstellung erwartet werden. In diesem Fall dürften sich deutliche Änderungen bei den Pfadkoeffizienten des Strukturmodells ergeben. 63

6 4

Bei der Konzeption der Untersuchung mußte berücksichtigt werden, daß möglicherweise der Einstellungsraum nicht hinreichend verdichtet werden kann. Andererseits kann zur Überprüfung komplexer Modellstrukturen entsprechend dem theoretischen Bezugsrahmen die Einstellung (als eine der Modellvariablen) nur als möglichst gering dimensioniertes Konstrukt in die Analyse eingehen. Beide Aspekte führten zur Operationalisierung der generellen Einstellung. Hierdurch kann auch die Frage beantwortet werden, welche Bedeutung die Einstellungsdimensionen hinsichtlich der als affektive Haltung charakterisierbaren generellen Einstellung aufweisen. Die generelle Einstellung zur Bundeswehr wurde mit einer Pollimeter-Skala zur Beantwortung der Frage "Wie beurteüst Du den Arbeitsplatz Bundeswehr insgesamt?" als Meßwert erfaßt. Die Extremwerte (Endpunkte) der Polimeter-Skala wurden mit den Begriffen "Positiv" bzw. "Nicht Positiv" verbalisiert. Dies unterstreicht den affektiven Charakter dieses Indikators. Da die entsprechende Frage im Anschluß an die 16 Einstellungs-Items im Fragebogen folgte, konnte erwartet werden, daß die Probanden eine GesamtBeurteilung im Sinne eines Resümees über die differenzierte Bewertung der Bundeswehr geben. Vgl. Steffenhagen, 1984a, S.50

266

E. Empirische Ergebnisse

Insgesamt ergeben sich also vier Modelle, die in Abb. 5.8 enthalten sind. Modell 1 entspricht dem in Abb.5.6, Modell 3 gibt die Ergebnisse bei Heranziehung der Nachher-Einstellungsindikatoren wieder. Die Modelle 2 und 4 stellen die Vorher- bzw. Nachher-Modelle mit dem Overall-Einstellungsindikator dar. Beim Vergleich der Modelle zeigt sich, daß das indikatorrepräsentierte Konstrukt "Generelle Einstellung zur Bundeswehr" gegenüber den Modellen ohne Indikator in geringerem Maße die Dimensionalität der Einstellung erklärt und insofern weniger stark für die Variation der erhobenen Einstellungsindikatoren verantwortlich ist. Dennoch ist die Struktur der Faktorladungen und die der Pfadkoeffizienten vergleichbar. Die Indikatormodelle zeichnen sich vor allem durch eine stärkere Repräsentanz der emotionalen Dimensionen aus, was letztlich mit dem affektiven Charakter des Indikators begründet werden kann. Die kognitiven Dimensionen werden entsprechend geringer gewichtet. Als interessant sind die Befunde beim Vergleich von Vorher- und NachherEinstellungen zu werten. Hinsichtlich der statistischen Modellanpassung ergeben sich - bei gleicher Modellstruktur - ähnliche Gütemaße wie für das entsprechende Vorher-Modell. Die Zuverlässigkeit der Schätzungen hat sowohl in den Meßmodellen als auch in bezug auf das Gesamtmodell zugenommen. Im Meßmodell der negativ-emotionalen Dimension hat sich die Ladung des Indikators "Kaserne" von .459 (Vorher) auf .837 (Nachher) gegenüber den Ladungsänderungen von "Schikane" und "Belastung" beträchtlich erhöht. Die "Unannehmlichkeiten des Kasernenlebens" tragen nunmehr in erheblich höherem Maße als die beiden anderen Indikatoren zur Repräsentanz bzw. zur inhaltlichen Bedeutung dieses Faktors bei. Für den positiv-emotionalen Faktor ist nach wie vor der Indikator "Technik" maßgebend, wenngleich auch die "Abwechslung" nun stärker als die Erlebnisträchtigkeit die positiv-emotionale Facette der Einstellung repräsentiert. Bei den Indikator-Ladungen des Berufsfeld-Faktors läßt sich dagegen eine Nivellierung feststellen: Zwar weist der Indikator "Fortbildung" nach wie vor die höchste Ladung auf, "Entfaltung" und "AnschlußVerlust" haben allerdings beträchtlich in ihren Ladungen dazugewonnen. Die Indikatoren des Faktors "Berufsperspektive" haben hinsichtlich der Ladungsbeträge etwas eingebüßt, was letztendlich auf eine Verringerung des Varianzaufklärungsanteils und auf einen gewissen Bedeutungsverlust dieses Faktors nach erfolgter werblicher Kommunikation hindeutet.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

Arbeitsplatzsicherheit

.540 .419 .443 .405

Hierarchische Faktorenmodelle 1 : Vorher-Modell ohne Indikator

267

Modellgüte AGFI - .953

RMR - .070

Erklärungskraft » .879

2: Vorher-Modell mit Indikator

.858

.101

3: Nachher-Modell ohne Indikator

.935

.072

.961

4: Nachher-Modell mit Indikator

.900

.091

.735

.610

Abb. 5.8 Vergleich der Vorher-Nachher-Modelle

Erhebliche Änderungen lassen sich dagegen bei den Koeffizienten im Strukturmodell lokalisieren. Nach Kontakt mit der Bundeswehr kommt dem positiv-emotionalen Faktor (.859), gefolgt von den Berufsfeldaspekten (.810) und der Dimension Berufsperspektive (.798) die stärkste Bedeutung zu. Die negativ-emotionale Einstellungskomponente weist mit .311 zwar eine erhöhte, aber insgesamt immer noch geringe Relevanz fur das Konstrukt Einstellung auf. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß nach erfolgtem Kontakt mit einem Kommunikationsinstrument der Bundeswehr

268

E. Empirische Ergebnisse

- die emotionalen Aspekte der Einstellung sich bei den Probanden verstärken, was möglicherweise auf die emotional orientierte werbliche Kommunikation zurückzufuhren ist, - den Attraktivitätspotentialen des Arbeitsplatzes Bundeswehr (positiv-emotionale Dimension) für die "Gesamt"-Einstellung hohe Bedeutung zukommt, - auch kognitive, auf das Berufsfeld und die spätere Berufszukunft gerichtete Aspekte an Relevanz gewinnen, - den Berufsperspektiven keine so entscheidende Bedeutung wie vor dem Einfluß werblicher Kommunikation zukommt, - negativ-emotionale Aspekte zwar nur in geringem Maße fur das Personalimage verantwortlich sind, wenn auch eine Bedeutungszunahme als Folge des kommunikativen Einflusses nachweisbar ist. Zu berücksichtigen bleibt, daß die Einstellung der Probanden (14- bis 16jährige Schüler) zum Arbeitsplatz Bundeswehr bislang vermutlich wenig von Kenntnissen, eigenen Erfahrungen bzw. eigenen Erlebnissen geprägt war. Aufgrund der höheren Ladungen bzw. der stärkeren Erklärungskraft des Nachher-Modells kann man annehmen, daß der Kontakt mit der Bundeswehr im Rahmen des Experiments zu einer Konkretisierung und Manifestierung bislang eher latent vorhandener Einstellungen gefuhrt hat. Die Unterschiede zwischen den Parametern von Vorher- und Nachher-Modellen deuten dabei auf einstellungsändernde Wirkungen der Kommunikationsinstrumente hin. Für den weiteren Verlauf der Analyse gewinnt deshalb die Frage an Bedeutung, in welchem Ausmaß die Kommunikationsinstrumente fur die Veränderungen der Einstellung verantwortlich sind. 4. Ergebnisse zu den spezifischen W i r k u n g e n der Kommunikationsinstrumente a u f die Einstellung

4.1. Deskriptive

Befunde zur Einstellungsänderung

Die Befunde zu den relativen Häufigkeiten in Tab.S.10a/b zeigen, daß bei allen Gruppen Unterschiede zwischen den jeweiligen Vorher- und NachherEinstellungen in der Bewertung auftreten. 65 Bei den "positiven" Items ergeben sich in allen Treatments Veränderungen, wenngleich die Zustimmungsunterschiede nur gering zu sein scheinen (Tab.5.10a). Es fällt auf, daß auch bei der Kontrollgruppe Unterschiede auftreten, die aber insgesamt nicht

6 5

Hierzu wurden die Häufigkeiten für die Skalenwerte 5, 6 und 7 zusammengefaßt.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

269

signifikant sind. In der Gruppe Publikationen treten besonders deutliche Unterschiede bei dem kognitiven Item Fortbildungsmöglichkeiten, aber auch bei den emotionalen Items Abwechslung und Erlebnis auf. Tab. 5.10a Einstellungsänderungen in den Experimentalgruppen

Treatment % der Nennungen "Trifft zu/voll zu" Abwechslung/ Vielseitigkeit - Vorher - Nachher Kameradschaft - Vorher - Nachher Technik - Vorher - Nachher Karrieremöglichkeiten - Vorher - Nachher Fortbildungsmöglichkeiten - Vorher - Nachher Erlebnis - Vorher - Nachher Sicherheit des Arbeitsplatzes - Vorher - Nachher

PUBLIK

DIRKOM

DIRKOM2

KONTROLLGRUPPE

43.8 58.5

37.7 49.1

35.7 42.0

41.8 40.0

36.5 29.3*

29.3 29.0*

32.9 31.3*

39.7 41.2

62.0 70.0

56.1 58.1

53.1 56.6

54.5 51.5

44.9 49.1

44.4 37.9

47.7 56.3

54.9 54.4

53.3 68.3

55.2 50.9*

37.3 49.2

52.9 48.3

36.7 46.0

52.3 49.6*

44.2 52.7

46.9 53.8

77.8 75.0

86.2 84.1*

71.3 74.6

68.9 66.1

= Vorher-Nachher-Unterschied nicht signifikant auf dem 95%-Niveau)

Den vorliegenden Befunden zufolge ergeben sich auch fur die "negativ" formulierten Items signifikante Unterschiede (Tab.5.10b). Die Ergebnisse geben zu der Vermutung Anlaß, daß die zweiphasige persönliche Ansprache (DIRKOM 2) deutlich die Bewertung der negativ-emotionalen Aspekte beeinflußt hat: Vor allem bei den Items "Schikane", "Belastung" und "Anschlußverlust" haben sich die Einstellungen verbessert. Dennoch scheinen aber auch die Publikationen über Wirkungspotentiale, insbesondere bei kognitiven Aspekten, zu verfugen, wie aus den Zustimmungsänderungen bei "Anschlußverlust" und "Entfaltung" geschlossen werden kann. Um genaueren Aufschluß über die Ursache der Veränderung und damit über die Wirkungspotentiale der Direktkommunikationsformen zu erhalten, soll im folgenden ein wirkungsanalytischer Ansatz zur Anwendung gebracht werden.

270

E. Empirische Ergebnisse Tab. 5.10b Einstellungsanderungen in den Experimentalgruppen

Treatment % der Nennungen "Trifft zu/voll zu" Schikane - Vorher - Nachher Umgebungsverlust - Vorher - Nachher Belastung - Vorher - Nachher Anschlußverlust - Vorher - Nachher Keine persönliche Entfaltung - Vorher - Nachher Unangenehmes Kasernenleben - Vorher - Nachher

PUBLIK

DIRKOM

DIRKOM2

KONTROLLGRUPPE

50.8 45.5

35.1 54.8

33.4 26.6

43.8 43.9

66.7 63.1*

55.2 48.2

43.5 38.7

60.3 57.4

47.5 42.0

40.0 44.8

52.2 36.3

56.5 54.5

26.3 19.4

10.7 18.5

19.4 M

17.0 15.0

17.0 12.5

21.6 14.5

12.5 9.6

7.8 11.3

26.1 27.8*

30.0 41.9

32.8 25.0

39.6 25.4

(* = nicht signifikant auf dem 95%-Niveau)

4.2. Wirkungsanalytischer

Ansatz zur Änderung der Einstellungen

Deskriptive Befunde bleiben unbefriedigend, sofern sie nicht von explikativen Ergebnissen gestützt werden. Im Rahmen kausalanalytischer Techniken steht hierfür der Ansatz der Mehr-Wellen-Analyse zur Verfügung. Unter Mehr-Wellen-Analysen werden Modelle verstanden, in denen latente Variablen, die zu unterschiedlichen Erhebungszeitpunkten erfaßt wurden, in eine Ursache-Wirkungs-Beziehung gesetzt werden. Die Vorher-Variable beeinflußt

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

271

als verursachende Variable die Nachher-Variable. 66 Als weitere verursachende Größen können bestimmte psychische Konstrukte oder aber die Treatment-Variablen spezifiziert werden. Mehr-Wellen-Analysen basieren auf dem experimentellen Design der Vorher-Nachher-Erhebung in unterschiedlichen Treatments. Sie sollen Aufschluß über die Stabilität bzw. Destabilität bestimmter latenter Variablen im Zeitverlauf bzw. unter Einfluß weiterer Variablen, insbesondere der Treatmentfaktoren, liefern. 67 Auf der Grundlage der Ergebnisse zu den Faktorenanalysen soll zunächst eine Verknüpfung der Vorher-Faktorstruktur mit der Nachher-Faktorstruktur vorgenommen werden. Die Vorher-Faktoren bilden die latenten exogenen und die Nachher-Faktoren die latenten endogenen Variablen des Strukturmodells, wobei jeweils Pfade von einem Vorher-Faktor zum entsprechenden NachherFaktor die Ursache-Wirkungsrelation unterstellen. Auf diese Weise wird ein vollständiges LISREL-Modell gebildet. Mit diesem Modellansatz wird postuliert, daß eine kausale Wirkung eines Vorher-Faktors ausschließlich auf den entsprechenden Nachher-Faktor vorliegt. Theoretisch ist dieser Ansatz damit begründbar, daß die zu einem späteren Zeitpunkt unter bestimmten Kommunikationseinflüssen gebildeten Einstellungen von den Einstellungen, die der Proband vor der Kommunikationsmaßnahme hatte, determiniert werden. Je nach dem Ausmaß der Verfestigung des Einstellungssystems entsprechen sich die exogenen und endogenen Faktorenstrukturen. Die Stärke der kausalen Beziehungen zwischen den (Vorher- und Nachher-) Einstellungsfaktoren repräsentiert insofern das Ausmaß der Stabilität der Einstellungen im Zeitverlauf bzw. unter dem Kommunikationseinfluß. Zwar besteht die Gefahr, daß weitere, im Modell nicht erfaßte Einflußgrößen auf die Variation der Nachher-Einstellungen wirken (z.B. Berichterstattungen in den Medien usw.). Dies ist aber ein generelles Problem von Feldexperimenten. Es schränkt die externe Validität aber nicht ein, da derartige Einflüsse auch in der Realität die Wirkung werblicher Kommunikationen begrenzen. Man kann deshalb davon ausgehen, daß im Modell nicht erfaßte Größen gleichermaßen auf die Vorher- und Nachher-Einstellungen einwirken. Des6 6

Grundsätzlich kann die Modellstruktur entweder als vollständiges LISREL-Modell mit KSI-(Vorher-) und ETA-(Nachher-) Variablen oder auch als reines endogenes Modell (Vorher- und Nachher-Variablen sind endogene Konstrukte) spezifiziert werden. Letzteres weist den Vorteil auf, daß zusätzliche Pfade zwischen den Vorher- und den entsprechenden Nachher-Indikatoren gelegt werden können. Diese Vorgehensweise läßt sich mit der Annahme von Meßfehler-Korrelationen begründen, die häufig bei Mehr-Wellen-Messungen auftreten können. Vgl. Jöreskog und Sörbom, 1988, S.45.

6 7

Das Hauptinteresse der meisten Anwendungen von Zwei- bzw. Mehr-WellenModellen bezieht bezieht sich auf die Stabilität von Modellstrukturen im Zeitverlauf. Vgl. Jörekog und Sörbom, 1988, S. 168.

272

E. Empirische Ergebnisse

weiteren wird unterstellt, daß diese Effekte nicht in besonderem Maße und nicht in unterschiedlichem Ausmaß auf die Untersuchungseinheiten i m Vergleich zur Grundgesamtheit einwirken; die Störgrößen und Meßfehler werden als in etwa gleichverteilt angesehen. 68

Abb. 5.9 Die Stabiiitat der Einstellung

6 8

Für alle Probanden konnte ein besonderer Einfluß anderer werblicher Kommunikationsmaßnahmen der Bundeswehr (direkte werbliche Kommunikation) aufgrund von Absprachen mit dem Referat Nachwuchswerbung des BMVg ausgeschlossen werden. Für die zielgruppenspezifische indirekte Werbung (im Erhebungszeitraum nur Anzeigen) wird ein gleichverteilter Effekt unterstellt.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

273

Insofern kann von der numerischen Größe der Pfadkoeffizienten zwischen den jeweiligen Vorher- und Nachher-Konstrukten auf die Stablilität der Einstellungen geschlossen werden. Geringe Werte der Pfadkoeffizienten indizieren eine geringe Stabiiitat des Einstellungsfaktors, was unter den o.a. Voraussetzungen grundsätzlich der Wirkung der Kommunikationsinstrumente zuzurechnen ist. Um aber eine exakte Ermittlung der den Kommunikationsinstrumenten zuzurechnenden Wirkungen auf die Einstellungen vorzunehmen, müssen die Experimentalgrößen (die Treatments) als kausale exogene Variablen im Modell aufgenommen und in kausale Beziehungen zu den endogenen Einstellungsfaktoren gesetzt werden. 69 Abb.5.9 gibt die Modellergebnisse wieder. Die relativ schlechte Anpassungsgüte ist insbesondere auf die hohen Residuen (RMR = .191) im Modell zurückzuführen, obwohl der Adjusted-Goodness-of-Fit-Index noch im akzeptablen Bereich liegt (.701). Hohe Residualwerte treten insbesondere zwischen den Vorher- und den jeweiligen NachherVariablen auf. Die Ursache kann in einer Meßfehler-Korrelation der Indikatoren liegen, die bei Mehr-Wellen-Modellen nicht auszuschließen ist. 7 0 Hauptproblem ist allerdings die Schätzung von Parameterwerten größer eins für das Strukturmodell. 71 Unter Berücksichtigung der Einschränkungen, die sich aus der mangelnden Anpassungsgüte ergeben, läßt sich folgendes festhalten: - Die Faktorladungen entsprechen in etwa denen, wie sie mit den separaten Vorher- und Nachher-Modellen ermittelt wurden. Die Unterschiede zwischen den Vorher-Nachher-Ladungen zeigen auch im vorliegenden Modell eine inhaltliche Veränderung der Dimensionen an. - Die Koeffizienten der Strukturgleichungen deuten auf eine insgesamt relativ hohe, aber für die einzelnen Konstruktbeziehungen unterschiedliche Stabilität hin. Die geringste Stabilität weisen demzufolge die Dimensionen "NEGATIV-EMOTIONAL" und "BERUFSFELDASPEKTE" auf. Der größte Einfluß der Kommunikationsinstrumente kann insbesondere bei der 6 9

7 0 71

Vgl. Bagozzi, 1980. Dies entspricht der Formulierung eines LISREL-Modells mit experimentellem Ansatz und erfolgt im zweiten Schritt der Analyse. Vgl. Jörskog und Sörbom, 1988, S.162. Auch weitere Analysen lieferten keine eindeutige Lösung, da für die Pfadkoeffizienten der Strukturgleichungen z.T. stets Werte größer eins ermittelt wurden. Die Ursache dafür liegt in einer zu hohen Parameterschätzung für die Indikatoren des Meßmodells im Vergleich zu denjenigen Indikatoren, die mit 1.0 festgesetzt wurden. Jöreskog und Sörbom (1988, S.III 21) empfehlen hierfür die Festlegung der Parameter, die in den Anfangsschätzungen die höchsten Werte erzielten.

18 Beba

274

E. Empirische Ergebnisse

negativ-emotionalen Dimension der Einstellung vermutet werden. Ob das unterschiedliche Stabilitätsausmaß auf den Einfluß der Kommunikationsinstrumente zurückgeführt werden kann, soll im folgenden Abschnitt geprüft werden.

4.3. Der Einfluß werblicher Kommunikation auf die Einstellung Um eine exakte Wirkungsabschätzung des Einflusses der Kommunikationsinstrumente vornehmen zu können, müssen die Treatments als experimentelle Variablen in die Modellstruktur aufgenommen werden. Ein simultaner Schätzansatz auf der Grundlage des Modells in Abb. 5.9 lieferte allerdings keine Ergebnisse, da hierdurch die Kapazität des LISREL-Verfahrens überschritten wurde. 72 Um dennoch den Einfluß der Treatments auf die Einstellungsdimensionen aufzuzeigen, wurde ein auf die Einstellungsdimensionen bezogener sukzessiver Modellansatz gewählt. Jede Einstellungsdimension wird separat in einem Zwei-Wellen-Modell zu den Treatment-Variablen in Beziehung gesetzt. Diese Vorgehensweise erscheint zulässig, weil mit dem (hierarchischen) LISRELFaktormodell (aufgrund der Hierarchisierung des Einstellungskonstrukts) eine weitgehende Unabhängigkeit der Dimensionen aufgezeigt wurde. Die Gewichtung der Dimensionen ist somit bekannt. Für die negativ-emotionale Dimension lassen sich die in Abb. 5.10 dargestellten Ergebnisse erzielen. 73 Die Anpassungsgüte der vorliegenden Modellstrukur kann als ausreichend gewertet werden. Die geringe Erklärungskraft

7 2

In das in Abschn. 4.2. überprüfte Zwei-Wellen-Modell der Einstellungen wurden die Treatment-Variablen als exogene Konstrukte aufgenommen. Das Strukturmodell wurde insofern um drei exogene Variablen und um acht neue Strukturgleichungen erweitert. Eine LISREL-Analyse lieferte keine eindeutige Lösung, da sowohl für die Strukturparameter als auch fur die Bestimmtheitsmaße der Strukturgleichungen Werte größer 1 berechnet wurden. Verschiedene modelltechnische Varianten konnten ebenfalls keine eindeutigen Lösungen liefern. Als Hauptursache kann mangelnde Identifizierbarkeit der Modellstrukur gelten. Auch eine Restringierung der Faktorbeziehungen auf die in den vorhergehenden Analysen ermittelten Faktorwerte (zur Verringerung der Zahl der Schätzparameter) führte zu keinem Ergebnis.

7 3

Eine Zulassung von Residual- bzw. Meßfehlerkorrelationen war aus Gründen hoher Residuen zwischen den jeweiligen Vorher-Nachher-Indikatoren (wie auch schon in der Analyse zur Stabilität der Einstellungen ermittelt wurde) notwendig. Sie schränken die Aussagen über den kausalen Einfluß der Treatments aber keineswegs ein.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

275

des Modells ist zum einen auf den vergleichsweise schwachen Einfluß der Treatments, zum anderen auf den geringen Stabilitätswert zurückzuführen. 74

Abb. 5.10 Wirkungen auf die negativ-emotionale Dimension der Einstellung

Für die Publikationen, aber auch fur den Truppenbesuch (DIRKOM) kann keine bzw. nur eine sehr geringe kausale Wirkung auf negativ-emotionale Einstellungsaspekte nachgewiesen werden. Bei Signifikanz aller Koeffizienten wird bestätigt, daß von dem Zwei-Phasen-Konzept der werblichen Ansprache

7 4

Die Erklärungskraft bezieht sich ausschließlich auf das Konstrukt "NEGATIVEMOTIONAL (N)'\ Die Vorher-Dimension mußte aus technischen Gründen ebenfalls als endogene Größe spezifiziert werden (Meßfehler-Korrelationen können nur zwischen jeweils endogenen oder jeweils exogenen Konstrukten zugelassen werden).

276

E. Empirische Ergebnisse

die stärksten positiven einstellungsändernden Wirkungen ausgehen.75 Gleichzeitig wird jedoch deutlich, daß auch mit einer zweimaligen werblichen Direktansprache noch keine Revision emotionaler Vorbehalte gegenüber dem Arbeitsplatz Bundeswehr erzielt werden kann. Dennoch lassen sich die Wirkungsunterschiede als Bestätigung für deutlich höhere Einstellungsänderungen der mehrphasigen Direktkommunikation anführen. Vertiefend soll der Frage nachgegangen werden, welche spezifischen Wirkungen die Treatments auf die einzelnen Indikatoren der Einstellung ausüben. 76 Hierzu wird ein Zwei-Wellen-Ansatz gewählt, mit dem der jeweilige Nachher-Indikator als endogene (abhängige) Variable und die Treatmentfaktoren sowie der Vorher-Indikator als exogene Variablen aufgefaßt werden. Hiermit kann sowohl die Stabilität als auch der Treatmenteinfluß für den jeweiligen Indikator berechnet werden. 77 Tab.5.11 gibt die Ergebnisse der separaten Analysen für die drei Indikatoren der Dimension "NEGATIVEMOTIONAL" wieder.

Tab. 5.11 Wirkungen auf negativ-emotionale Einstellungsaspekte Parameter Dirkom Dirkom2

Indikator

Publik

Schikane Belastung Kaserne

.108 (ns) .116 .024 (ns) .125 .051 (ns) .201

.167 .270 .325

Stabilität

Modellgüte AGFI RMR Erklärung*

.429 .286 .348

1.0 1.0 1.0

.000 .000 .000

.246 .190 .291

Bestimmtheitsmaß für die Einstellung (nachher). Chi-Quadrat beträgt jeweils .000 bei 4 d.f., p= 1.0.

Auf der Indikatorebene lassen sich keine signifikanten Wirkungen der Publikationen nachweisen. Darüber hinaus wird deutlich, daß eine einstellungsändernde Wirkung praktisch nur dem Zwei-Phasen-Konzept zuzuschreiben ist. Dessen stärkste Wirkung ist die positive Beeinflussung des 7 5

Da für die negativ formulierten Items höhere Werte geringere Zustimmung bedeuten, gibt der Wert für DIRKOM 2 (+.227) eine Verbesserung der Einstellung an.

7 6

Dies kann allerdings nur der Unterstützung der bereits gewonnenen Ergebnisse dienen, da mit diesem Ansatz die Unabhängigkeit der einzelnen Indikatoren unterstellt wird.

7 7

Dieser Ansatz entspricht der regressionsanalytischen Variante der Kausalanalyse.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

Imageaspekts "Kasernenleben". Allerdings liegen alle Bestimmtheitsmaße unter dem des Zwei-Wellen-Modells der Einstellungsdimension "NEGATIVEMOTIONAL". Insofern können die angeführten Befunde nur fur eine tendenzielle Bewertung herangezogen werden. Der vorliegende Ansatz soll auch auf die im Rahmen der faktorenanalytischen Reduktion des Merkmalsraumes entfernten Indikatoren "Umfeldverlust" und "Gesellschaftliches Image" angewandt werden. Es ergeben sich die in Tab.5.12 dargestellten Befunde. Für das mutmaßlich negative gesellschaftliche Image des Soldaten lassen sich keine signifikanten Wirkungen ermitteln. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß dieser Imageaspekt von den Probanden nur in sehr geringem Maße als zutreffend bewertet wurde. Der Aspekt "Umfeldverlust" konnte aus bereits genannten Gründen nicht sinnvoll in das mehrdimensionale Einstellungsmodell integriert werden. Dennoch kommt diesem Aspekt eine hohe Bedeutung zu, wie aus dem Vergleich der deskriptiven Ergebnisse in Tab.5.10b deutlich wird. Es zeigt sich, daß lediglich die zweistufige Direktkommunikation eine (signifikante) positive Einstellungsänderung bewirken kann. 78 Tab. 5.12 Wirkungen auf Umfeldverlust und Gesellschaftliches Image

Indikator

Umfeldverlust Image des Soldaten

Publik

Parameter Dirkom Dirkom2

Stabilität

Modellgüte AGFI RMR Erklärung*

.064 (ns) .056 (ns)

.308

.235

1.0

.000

.176

.063 (ns) .028 (ns)

.053 (ns)

.545

1.0

.000

.289

Bestimmtheitsmaß für die Einstellung (nachher). Chi-Quadrat beträgt jeweils .000 bei 4 d.f., p=1.0.

Für die positiv-emotionale Dimension ergeben sich die in Abb. 5.11 dargestellten Resultate. Beide Formen der Direktkommunikation erzielen gegenüber den Publikationen deutlich höhere Wirkungen. Die akzeptable Anpassungsgüte sowie die hohe Erklärungskraft (.719) bestätigen diese Aussage. Für die positivemotionale Dimension können die Hypothesen zum größeren Wirkungspoten7 8

Allerdings verweisen die Befunde darauf, daß nicht im Modell erfaßte Einflußgrößen wesentlich die Veränderung dieses Indikators herbeiführen (PSI= 1 Bestimmtheitsmaß ( = 1 - .176) = .824).

278

E. Empirische Ergebnisse

tial der Direktkommunikation und insbesondere des Kontaktketten-Konzeptes als bestätigt gelten.

Abb. 5.11 Wirkungen auf die positiv-emotionale Dimension der Einstellung

Es zeigt sich somit, daß Erlebnisinhalte des Berufsfeldes Bundeswehr stärker mit direkter und persönlicher werblicher Ansprache kommuniziert werden können. Die in Tab. 5.13 dargestellten Ergebnisse des Zwei-Wellen-Ansatzes auf der Indikatorebene bestätigen diesen Zusammenhang. Im wesentlichen sind es Technik- und Erlebnisaspekte, die mittels Direktkommunikation nachhaltig gefordert werden können. Problematisch ist dagegen, daß es mit Truppenbesuchen offenbar nicht gelingt, den fur die Dimension "POSITIV-EMOTIONAL" wichtigen Aspekt "Abwechslung" zu verbes-

279

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

sern. Die Befunde unterstreichen das Ergebnis, demzufolge die zweistufige Direktkommunikation am wirkungsvollsten Faszinationsaspekte des Soldatenberufs betonen kann. Tab. 5.13 Wirkungen auf positiv-emotionale Einstellungsaspekte

Stabilität

Modellgüte AGFI RMR Erklärung*

.418 .558 .436

.486 .520 .549

1.0 1.0 1.0

.000 .000 .000

.453 .736 .665

.149

.792

1.0

.000

.208

Parameter Dirkom Dirkom2

Indikator

Publik

Abwechslung Technik Erlebnis

.106 (ns) .153 .043 (ns) .375 .114 .176

Kameradschaft**

.013 (ns) .088 (ns)

Bestimmtheitsmaß fur die Einstellung (nachher). Chi-Quadrat beträgt jeweils .000 bei 4 d.f., p= 1.0. Der Indikator "Kameradschaft" wurde aus dem faktorenanalytischen Modell entfernt.

Gänzlich andere Befunde ergeben sich fur die Dimension der Berufsfeldaspekte (vgl. Abb. 5.12). Bei Signifikanz aller Parameterschätzungen zeigt sich, daß es in erster Linie die Publikationen sind, die eine deutliche Einstellungsänderung bewirken. Dem zusätzlichen Einsatz des Jugendoffiziers ist offenbar die höhere Wirkung des Kontaktketten-Konzepts im Vergleich zu der des Truppenbesuchs zuzurechnen. Zur Bestätigung lassen sich auch die Befunde der indikatorbezogenen Analyse heranfuhren (Tab.5/1.14). Tab. 5.14 Wirkungen auf Berufsfeldaspekte Parameter Dirkom Dirkom2

Indikator

Publik

Anschlußverlust Fortbildung Entfaltung

.122 .123 (ns) .371 .044 (ns) .093 (ns) .270

Bezahlung** Verantwortung**

.058 (ns) .078 (ns) .022 (ns) .085 (ns)

Stabilität

Modellgüte AGFI RMR Erklärung*

.239 .242 .163

.487 .484 .281

1.0 1.0 1.0

.000 .000 .000

.328 .425 .214

.298 (ns) .438

.442 .566

1.0 1.0

.000 .000

.296 .452

Bestimmtheitsmaß für die Einstellung (nachher). Chi-Quadrat beträgt jeweils .000 bei 4 d.f., p= 1.0. Die Indikatoren wurden aus dem Faktorenmodell entfernt.

280

E. Empirische Ergebnisse

636 . ( BERUFSFELDASPEKTE

(Ν)

,472

Modellgüte AGFI = .875

RMR = .071

Erklärungskraft = .521

Abb. 5.12 Wirkungen auf die Berufsfeld-Dimension der Einstellung

Als interessantes Ergebnis ist die beachtliche Wirkung der Publikationen auf den Einstellungsaspekt "Fortbildungsmöglichkeiten" zu werten. Sie lassen sich mit der schriftlichen Kommunikationsform wirksamer als mit den persönlichen Instrumenten vermitteln. Für die aus dem mehrdimensionalen Modell ausgeschlossenen Indikatoren zeigt sich, daß lediglich die Bewertung des Aspekts "Verantwortung" positiv verbessert werden kann. Insgesamt läßt sich festhalten, daß die Formen der Direktkommunikation bei der Vermittlung von eher rationalen Berufsfeldaspekten gewisse Schwächen gegenüber den Publikationen aufweisen. Die Ergebnisse lassen

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

281

deshalb einen Handlungsbedarf hinsichtlich der Überprüfung der Kommunikationsinhalte erkennen.

Abb. 5.13 Wirkungen auf die Dimension Berufsperspektive

Für die Dimension "Berufsperspektive" lassen sich die in Abb.5.13 dargestellten Ergebnisse erzielen. Offensichtlich können Karriere- und Sicherheitsaspekte des Berufsfeldes Bundeswehr nur unzureichend im Rahmen von Truppenbesuchen vermittelt werden. Publikationen und die Kombination von Truppenbesuchen und dem Jugendoffizier-Einsatz verzeichnen demgegenüber

282

E. Empirische Ergebnisse

deutlich höhere Wirkungen. Zieht man die Ergebnisse der indikatorbezogenen Analysen heran, so ergibt das in Tab. 5.15 dargestellte Bild. Tab. 5.15 Wirkungen auf die Aspekte der Berufsperspektive

Indikator

Karriereperspektiven Sicherheit des Arbeitsplatzes

Publik

Parameter Dirkom Dirkom2

Stabilität

Modellgüte AGFI RMR Erklärung*

.246

.151

.452

.353

1.0

.000

.326

.184

.283

-.102 (ns) .410

1.0

.000

.400

Gibt das Bestimmtheitsmaß für die Einstellung (nachher) an. Chi-Quadrat beträgt jeweils .000 bei 4 d.f., p= 1.0.

In der differenzierten Analyse zeigt sich, daß mit dem Zwei-PhasenKonzept der Direktansprache eine deutliche Beeinflussung der wahrgenommenen Karrierreperspektiven erzielt wird. Dennoch zeichnen sich auch die Publikationen durch einen mittleren Kommunikationserfolg aus. Truppenbesuche allein können dagegen kaum eine Veränderung dieser Einstellung bewirken. Die Befunde zur Arbeitsplatzsicherheit können nur begrenzt herangezogen werden, da fur DIRKOM 2 keine signifikanten Parameter berechnet werden können. Man kann davon ausgehen, daß im Rahmen von Truppenbesuchen aufgrund des Kontakts der Probanden mit Zeitsoldaten dieser Imageaspekt nur gering verstärkt werden kann, da bereits vor dem Kommunikationseinfluß 80% der Probanden die Arbeitsplatzsicherheit als zutreffendstes Imagemerkmal klassifiziert haben (vgl. Tab.5.10a). Faßt man die bisherigen Befunde zur Wirkung der Kommunikationsinstrumente zusammen, so läßt sich folgendes feststellen: (1) Stärker emotional ausgerichtete Strategien der werblichen Ansprache, wie sie beim Einsatz des Truppenbesuches zur Anwendung kommen, lösen die größten Wirkungen in der Verstärkung positiv-emotionaler Inhalte aus. Negativ-emotionale Dispositionen können dagegen nicht wirksam abgeschwächt werden. 79 Auch fur die Vermittlung eher kognitiver, rationaler Aspekte des Berufsfeldes eignen sich rein emotionale Strategien weniger (von der Verstärkung des Aspekts "Arbeitsplatzsicherheit" einmal abgesehen).

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

283

(2) Stärker informativ ausgeprägte Strategien der werblichen Ansprache, wie sie fur das Kommunikationsinstrument "Publikationen" zutreffen, setzen u.a. ein bestimmtes Empfänger-Involvement voraus, damit die Kommunikationsinhalte zur Einstellungsänderung fuhren. Positiv-emotionale bzw. negativ-emotionale Dispositionen können mit einer eher informativ ausgerichteten Ansprache nur in geringem Umfang positiv beeinflußt werden. Allerdings lassen sich bestimmte kognitive Einstellungsaspekte der Berufsfeldsituation und -perspektiven erfolgreich kommunizieren. Dies trifft in besonderem Maße fur die Vermittlung der Fortbildungschancen bei der Bundeswehr zu. Sie stellen ein wichtiges Kriterium fur die Beurteilung des spezifischen Berufsfeldes Bundeswehr dar. (3) Das Kontaktketten-Konzept (DIRKOM 2) stellt eine überwiegend emotional orientierte Strategie der werblichen Ansprache dar, wenngleich durch das Kontaktglied "Jugendoffizier" auch rationale Elemente einfließen. Mit dieser Kommunikationsform können sowohl emotionale als auch kognitive Dispositionen wirksam verändert werden. Ausschließlich mit dieser Kommunikationsform können negativ-emotionale Aspekte abgeschwächt werden. Geringere Erfolgsaussichten lassen sich aber hinsichtlich der Beeinflussung bestimmter kognitiver Berufsfeldaspekte feststellen. Insgesamt kann die Kombination "Truppenbesuch-Jugendoffizier H die stärksten Einstellungsänderungen realisieren. Die vorliegenden Befunde eröffnen die Möglichkeit, die überprüften Kommunikationsinstrumente in ein strategisches Konzept der werblichen Ansprache zu integrieren. Die Spezifität der Einstellungswirkungen zeichnet die Ansatzpunkte einer an den jeweiligen Kommunikationszielen orientierten Placierung der Kommunikationsinstrumente im Kontaktketten-Konzept vor. 5. Simultane Einstellungsanalyse auf der Grundlage eines reduzierten Indikatorraumes Entsprechend dem theoretischen Bezugsrahmen muß von einer Interdependenz der Einstellungen mit anderen psychischen Konstrukten ausgegangen

^

Insofern decken sich die Ergebnisse mit Erkenntnissen der Einstellungsforschung, denen zufolge mit werblicher Kommunikation positive Einstellungen stets leichter zu verstärken als negative Einstellungen abbaubar sind.

284

E. Empirische Ergebnisse

werden. In den nachfolgenden Abschnitten soll diesen Interdependenzen im Rahmen der Wirkungsmessung Rechnung getragen werden, um ein genaueres Bild über die tatsächlichen Wirkungen zu erhalten. Hierbei wird allerdings eine Reduktion der Dimensionalität bzw. des Merkmalsraumes des Konstrukts Einstellungen erforderlich, um die Kapazitäten der anzuwendenden Analysemethoden nicht zu überschreiten. 80 Tab. 5.16 Vergleich der Faktorladungen und Bestimmtheitsmaße

Faktorladungen im Modell ..

Rangfolge der R 2

VorherLadung R 2 *

NachherLadung R 2 *

VorherRang

Abwechslung

.498

.248

.601

.361

6

7

Schikane

.582

.339

.631

.391

4

5

Technik

.622

.287

.613

.370

3

6

Belastung

.419

.179

.322

.104

10

11

Karriere

.538

.290

.482

.232

5

9

Anschlußverlust

.430

.185

.634

.391

9

5

Fortbildung

.958

.903

.785

.617

1

2

Entfaltung

.403

.163

.624

.389

11

4

Erlebnis

.621

.385

.545

.297

2

8

Sicherheit

.450

.203

.433

.196

8

10

Kaserne

.459

.210

.837

.700

7

1

Indikator

NachherRang

* Die R 2 -Werte (Bestimmtheitsmaße) der Items sind die quadrierten Faktorladungen und geben den Anteil der durch den Indikator erklärten Varianz wieder.

8 0

Hierzu ist es erforderlich, die Indikatorzahl bzw. die Zahl der Strukturgleichungen im Einstellungsmodell weiter herabzusetzen. Die Reduzierung des Indikatorraumes wird begründet durch die - für die Formulierung, Spezifikation und Schätzung komplexer Modellstrukturen notwendigen - technischen Einschränkungen hinsichtlich der Determiniertheit und Identifizierbarkeit der Modelle.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

285

Ein weiterer Grund für die Reduktion des Indikatorraumes besteht in der Vermeidung der Übertragung von Meß- und Schätzfehlern der Einstellungsmodelle in komplexe Modellstrukturen, die weitere Wirkungsgrößen umfassen. Dies muß aufgrund hoher Residualwerte in den Meßstrukturen bzw. aufgrund teilweise geringer Reliabilitäten der Indikatoren und der Strukturgleichungen befurchtet werden. 81 Baldeijahn82 schlägt zur Reduktion des Indikatorraumes vor, jene Indikatoren aus den weiteren Analysen auszuschließen, die - gemessen an ihren Faktorladungen - nur in einem sehr schwachen Zusammenhang zum jeweiligen Konstrukt stehen. Die obige Tabelle 5.16 gibt die Faktorladungen bzw. Reliabilitäten der Einstellungsindikatoren auf der Grundlage der Faktorenanalyse zweiter Ordnung (Abb.5.6) wieder. Der Indikator "Belastung" wies über alle Analysen hinweg die geringsten Reliabilitäten auf. 83 Insbesondere die Indikatoren des negativ-emotionalen Faktors weisen geringe Vorher-und Nachher-Reliabilitäten auf; lediglich fur den Indikator "Kaserne" ist ein Zuwachs im R^ von .210 auf .700 zu verzeichnen. Dabei haben aber die Indikatoren des negativ-emotionalen Faktors hohe Residuen mit anderen Indikatoren zu verzeichnen. Für die Strukturbeziehung NEGATIV-EMOTIONAL ~ > EINSTELLUNG konnten sowohl im Vorher- als auch im NachherModell nur sehr geringe Koeffizienten ermittelt werden. Die Bedeutung dieser Dimension fur die Einstellung kann deshalb als eher gering gewertet werden. Aus den genannten Gründen soll im weiteren deshalb auf die negativ-emotionalen Indikatoren verzichtet werden.

81

8 2

83

Eine Weiterverarbeitung der Faktorenstruktur (Abspeicherung der Parameter der latenten Variablen d.h. der Einstellungs-Dimensionen und Vorgabe als Startwerte für einen folgenden LISREL-Lauf) schied aus, da hiermit die Residuen "weitertransportiert" werden und die Anpassungsgüte komplexer Modelle unverhältnismäßig verschlechtert würden. Hierzu wird das Kriterium der Item-Reliabilität herangezogen. Da aber mit der Strukturgleichungs-Analyse explizit Meßfehler berücksichtigt werden können (im Gegensatz zur Varianz- oder Regressionsanalyse ist die Prämisse fehlerfreier Messungen hier nicht einzuhalten), ist es zulässig, auch wenig reliable Messungen zuzulassen. Dagegen müssen die Items in der Lage sein, einen Fehler signifikant zu erfassen bzw. zu identifizieren. In der Forschungspraxis wird dies dann als gegeben angesehen, wenn das Item mindestens 10% der Varianz eines Faktors erfaßt, d.h. Faktorladungen von über 0.3 aufweist. Allerdings muß dann bei kleinen Stichproben unter Ν = 1000 mit Verzerrungen hinsichtlich der Schätzung der Modellparameter gerechnet werden. Vgl. Baldeijahn, 1985, S. 255f und Boomsma, 1982 und 1983. Bei allen übrigen Indikatoren sind z.T. deutliche Unterschiede zwischen Vorherund Nachher- Ladungen festzustellen, so daß eine Elimination unter Berücksichtigung beider Werte außerordentlich schwierig ist. Insofern muß die Entscheidung auch aufgrund inhaltlicher Aspekte getroffen werden.

286

E. Empirische Ergebnisse

Es verbleiben somit die Indikatoren - Abwechslung, -Technik, - Karriereperspektiven, - Fortbildungsmöglichkeiten, - Erlebnis und - Arbeitsplatzsicherheit. Mit der Reduktion des Indikatorraumes verändert sich auch der inhaltliche Charakter des Modells, da nunmehr keine negativ-emotionalen Indikatoren herangezogen werden. 84 Die verbliebenen Indikatoren wurden zunächst einer Faktorenanalyse 1. Ordnung unterzogen, wobei nur eine latente Variable spezifiziert wurde. Hiermit wird der Zielsetzung gefolgt, einen möglichst meßfehler- und residuenfreien Multi-Item-Score des Konstrukts Einstellung fur die weitere Analyse in komplexen Modellen zu gewinnen. Mit der Modellspezifikation werden alle Indikatoren gleichermaßen in Beziehung zu der latenten Variablen "Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr" gesetzt, die Faktorenstruktur des hierarchischen Modells wird somit gewissermaßen auf die Indikatorebene verlagert. 85 Eine Zwei-Wellen-Analyse der Vorher- und Nachher-Einstellung ergab zuverlässige Schätzungen fur die Indikatoren und die Konstruktbeziehung EINSTELLUNG (Vorher) - - > EINSTELLUNG (Nachher). 86 Aufgrund der guten Anpassung des reduzierten Modells soll im folgenden Schritt ein Zwei-Wellen-Modell unter Einbeziehung der experimentellen Wir-

8 4

Der Indikator "Sicherheit" wurde trotz eher mittlerer Reliabilitäten miteinbezogen, da der entsprechenden Dimension "BERUFSPERSPEKTIVEN" eine bedeutende Rolle in der Erklärung des Konstrukts Einstellung zukommt.

8 5

Um Aufschlüsse über die Réhabilitât des Modells zu erlangen, wurde zunächst die Vorher-Indikatorstruktur untersucht. Die Indikatoren Schikane und Kaserne wurden aus dem Modell ausgeschlossen, da nach einem ersten Lauf für sie Reliabilitäten von lediglich 0.1 ermittelt werden konnten. Die Ergebnisse eines Zwei-Wellen-Modells der Einstellung sind hinsichtlich der Gütekriterien als gut zu bezeichnen (Erklärungskraft = .620). Der Stabilitätskoeffizient der Einstellung beträgt .801, vgl. Abb. A 2/1.1, Anl.2. Eine Einbeziehung der eliminierten negativ-emotionalen Items "Kaserne" und "Schikane" zeigte, daß beide Items unzureichende Faktorladungen aufweisen (Abb.A 2/1.2, Anl.2). Die Entfernung der Indikatoren aus dem reduzierten Modell wird hierdurch bestätigt. Insofern verbleiben je zwei Indikatoren der positiv-emotionalen, der Berufsfeldund der Berufsperspektive-Dimension.

8 6

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

287

kungsfaktoren aufgestellt und analysiert werden. 8 7 Abb.5.14 gibt die Modellstruktur und die entsprechenden Ergebnisse wieder.

Abb. 5.14 Wirkungen der Kommunikationsinstrumente auf die Einstellung

Den Globalkriterien der Anpassungsgüte zufolge verfugt das Modell über einen akzeptablen Fit. Darüber hinaus attestiert das Bestimmtheitsmaß fur die

8 7

Das Zwei-Wellen-Modell wird dabei als ETA-Modell spezifiziert, was bedeutet, daß beide Konstrukte (Einstellung-Vorher und Einstellung-Nachher) als latente endogene Variablen aufgefaßt werden. Die Einstellung-Nachher wird als von der Einstellung-Vorher und den exogenen Treatment-Variablen kausal beeinflusst angenommen. Im vorliegenden Modell wurden Meßfehlerkorrelationen der Indikatoren zugelassen.

288

E. Empirische Ergebnisse

Strukturgleichungen mit .913 eine gute Erklärungskraft des Modells. 88 Bei den Parameterschätzungen fallt auf, daß die Korrelation des Konstrukts Einstellung nach dem Kommunikationseinfluß deutlich stärker mit den emotionalen Meßvariablen korreliert, da die Faktorladungen im Nachher-Modell höher ausfallen. Der kognitive Aspekt "Fortbildung1' hat demgegenüber in seiner Bedeutung eingebüßt. Die Ladungen der Items zur Berufsperspektive (Sicherheit/Karriere) sind annähernd gleich geblieben. Die Einstellung ist von erster zu zweiter Welle sehr stabil, wie der hohe Pfadkoeffizient (.801) belegt. Es bestätigt sich somit das bereits in den differenzierten Einstellungsmodellen erarbeitete plausible Resultat der im Vergleich zur Stabilität geringeren Einstellungsänderung durch werbliche Kommunikation. Offensichtlich ist dem Wirkungs-"Spielraum" der Kommunikationsinstrumente eine enge Grenze gesetzt. Im vorliegenden reduzierten Modell weisen die Treatments sehr unterschiedliche Einstellungswirkungen auf. Den Publikationen kommt nur ein schwacher positiver Einfluß zu, während sich fur die persönliche Direktkommunikation, insbesondere fur DIRKOM 2, deutliche positive Effekte lokalisieren lassen. Mit der Reduktion des Merkmalsraumes der Einstellungen zur Bildung eines eindimensionalen Konstrukts "Einstellung" muß ein Informationsverlust hinsichtlich spezifischer Wirkungen der Treatments auf die Einstellungen in Kauf genommen werden. Andererseits stehen mit den Ergebnissen in Abschn. E.I.3 und E.I.4 differenzierte Befunde zur Einstellungsänderung durch werbliche Kommunikation zur Verfugung. Die im vorliegenden Abschnitt vorgenommene Reduzierung des Merkmalsraumes ermöglicht die Bildung eines aussagefahigen Multi-Item-Konstrukts "Einstellung", was für die weiteren Analyseschritte der vorliegenden Arbeit als zwingend erachtet wurde. 89 6. Zusammenfassung Hinsichtlich der Hypothese über die Wirkung von persönlicher versus nicht-persönlicher Direktkommunikation kann festgestellt werden, daß nicht grundsätzlich stärkere Wirkungen auf die Einstellungen zum Arbeitsplatz 8 8

Die größten standardisierten Residuen bewegen sich knapp unterhalb der 2.0Grenze, was im Q-Plot durch einen fast senkrechten Verlauf der Anpassungsgeraden deutlich wird. Auch hinsichtlich der Standard fehler, der t- Werte und der Modifikations-Indices lassen sich keine Hinweise auf schlechte Teil-Anpassungen finden.

8 9

Die in Abb.5/1.14 enthaltenen Faktorladungen werden in weiteren Modellen, in denen das Konstrukt Einstellung in Beziehung zu anderen latenten Variablen gesetzt wird, als "fest" vorgegebene (restringierte) Parameter aufgenommen.

I. Einstellung zum Arbeitsplatz

289

Bundeswehr von der persönlichen Direktkommunikation ausgehen. So verfugen auch Publikationen als eher informative Art werblicher Kommunikation über deutliche Beeinflussungspotentiale bei rationalen Aspekten der Einstellung. Bei emotionalen Aspekten lassen sich fur die schriftliche Direktkommunikation jedoch keine besonderen Wirkungen nachweisen. Mit persönlicher, einphasiger Direktkommunikation können zwar positivemotionale Aspekte verstärkt, negativ-emotionale Aspekte dagegen weniger beeinflußt werden. Der wesentliche Erfolg persönlicher Direktkommunikation stellt sich erst im Rahmen der Kontaktkette ein. Eine zweiphasige direkte und zunehmend persönliche Ansprache übt die größten Wirkungen auf die Einstellung aus. Die Wirkungen dieser gemischt emotional-informativen Art der Ansprache werden aber erheblich durch die Resistenz bzw. Stabilität der Einstellung über den Kommunikationseinfluß hinweg eingeschränkt.

19 Beba

290

E. Empirische Ergebnisse

I I . Ergebnisse zur Wirkung auf momentane Reaktionen und dauerhafte Gedächtnisreaktionen 1. Konstrukte der momentanen Reaktionen u n d dauerhaften Gedächtnisreaktionen

Entsprechend dem in Abschn. D.I. dargestellten Bezugsrahmen ist das emotionale Erleben als wichtiges Konstrukt der momentanen Reaktionen aufgefaßt worden. Das Involvement bzw. das themenspezifische Interesse ist wie die Einstellung - den dauerhaften Gedächtnisreaktionen zuzurechnen. Als weitere Wirkungsgrößen der dauerhaften Gedächtnisreaktionen sollen die Kenntnisse über spezifische Eigenschaften des Arbeitsfeldes Bundeswehr und die Attraktivität, als präferenzbildendes Konstrukt verstanden, herangezogen werden. Das emotionale (gefühlsmäßige) Erleben eines Kommunikationsvorgangs bezeichnet einen spezifischen Erregungszustand und dessen gedankliche Interpretation durch das Individuum.1 Dies ist eine Folge des Erlebens des Konglomerats Kommunikationssituation, Kommunikationsinhalt und Kommunikationsmittel. Das emotionale Erleben wird als komplexer Prozeß, bestehend aus neurophysiologischen Vorgängen, dem subjektiven Erleben und dem beobachtbarem Verhalten angesehen.2 In den verschiedenen Theorien der Emotionsforschung wird von unterschiedlichen Bestimmungsgrößen ausgegangen.3 Emotionen weisen grundsätzlich eine Intensitätskomponente, eine Richtungskomponente und eine Qualitätskomponente auf. 4 Als weiteres Merkmal

1 2 3

4

Steffenhagen, 1984, S.88. Vgl. Neibecker, 1985 und Behrens, 1988. Grundsätzlich werden evolutionstheoretische, kognitive und dimensionale Ansätze in der Emotionsforschung diskutiert. In der evolutionstheoretisch orientierten Emotionsforschung geht man davon aus, daß Emotionen Ergebnis des evolutionären Prozesses sind, wobei man einerseits in primäre und andererseits in sekundäre Emotionen differenziert. Die primären (angeborenen) Emotionen bewirken aufgrund einer biologischen Vorprogrammierung weitgehend automatische, meist spontane und nur gering kognitiv gesteuerte Reaktionen des Menschen. Sekundäre Emotionen sind meist eine Mischung bzw. eine Modifikation der primären Emotionen, die unter Umwelteinflüssen entstehen bzw. erlernt werden. Vgl. hierzu Plutchik, 1980; Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel, 1982, S.35ff. Besondere Bedeutung haben auch die umweltpsychologischen (dimensionalen) Ansätze von Mehrabian und Rüssel, 1974 erlangt. Im Marketing haben sie eine Anwendung in der Beurteilung der Wirkungen der Ladenatmosphäre erlangt, vgl. hierzu insbesondere Donovan und Rossiter, 1982; Diller und Kusterer, 1986. Vgl. Steffenhagen, 1984a, S.88; Neibecker, 1990, S.145.

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte GedSchtnisreaktionen

291

kann die Bewußtheit von Emotionen genannt werden. Die Emotionsintensität entspricht der (physischen) Aktivierungstarke, die Emotionsrichtung bezieht sich auf das Erlebnis von Gefühlen; es kann sowohl angenehm als auch unangenehm sein.5 Die Qualitätskomponente hingegen charakterisiert die Gefuhlsinhalte, wie Freude, Wut, Zorn u.a.. Derart ausgelöste Emotionen können momentaner, aber auch langfristiger Natur sein, sie sind aber dem Menschen bewußt und erlebbar. 6 Die Bewußtheit beschränkt sich auf gedankliche Interpretationen des speziellen Erregungszustandes, wie "Wut", "Furcht" oder "Spaß".7 Die Vermittlung von Erlebnissen kann dabei zum einen senderspezifische und zum anderen auch senderunspeziüsche Reizverarbeitungsvorgänge auslösen; beide können die emotionalen Beziehungen des Individuums zum Sender bzw. Kommunikator schaffen. Emotionale Erlebnisse werden in erster Linie durch nichtsprachliche Reize, z.B. durch Bilder, ausgelöst. Die Bedeutung fur die Personal-Marketing-Kommunikation liegt in der Wirkung, die Bilder im Menschen auslösen. Angenehme Bilder stimulieren das Wahrnehmungsumfeld besser, als dies nicht-bildliche, auf kognitive Wahrnehmungswirkungen zielende Darbietungen vermögen. Sie können unter Ausschaltung der rationalen Kontrolle - unmittelbar die Anmutung, das Interesse (Involvement) oder sogar die Einstellung beeinflussen, da die spontanen Eindrücke zu emotionalen Vorentscheidungen fuhren, die wiederum die (Wahl-) Entscheidung beeinflussen; Bilder können besser als Sprache dauerhafte emotionale Haltungen im Wege der Konditionierung erzielen. 8 Die Überlegenheit der bildlichen gegenüber der verbalen Information liegt nicht nur in deren höherem Aktivierungspotential, sondern auch darin begründet, daß Bilder, wenn sie zusammen mit verbalen Informationen auftreten, gewohnheitsmäßig zuerst beachtet werden. Hinzu kommt, daß visuelle Informationen rascher erfaßt werden und nur geringe kognitive Anforde-

5

Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.100 und 102.

6

Vgl. Steffenhagen, 1984a, S.88. Die Vermittlung emotionaler Zusatzerlebnisse ist im Marketing und besonders unter den in Abschn. 2 dargestellten Rahmenbedingungen werblicher Kommunikation zu einer wichtigen Zielgröße geworden. Anwendungsfelder sind dabei nicht nur das klassische Konsumgüter-Marketing, sondern auch in zunehmenden Maße Handels-, Dienstleistungs- und Non-Profit-Märkte. In diesem Zusammenhang spielt die Erlebniskommunikation bzw. das Erlebnismarketing im Handel eine wichtige Rolle, vgl. u.a. Diller und Beba, 1988; Diller, 1988.

7

8

Vgl. Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel, 1982, S.120.

292

E. Empirische Ergebnisse

rungen fur den Rezipienten bedeuten. Allerdings müssen Bilder auch sinnvoll interpretierbar sein.9 Die Starke des emotionalen Erlebens der Kommunikationssituation kann als Resultante verschiedener aktivierender Prozesse aufgefaßt werden, die sich auf Inhalt (Qualität) und Richtung der Emotion bezieht. Dieser mehr oder weniger klar bewußte Wahrnehmungsvorgang steht unter dem Einfluß kognitiver Vorgänge, die mit gedanklichen Assoziationen und mit inneren Bildern verknüpft sind. 10 Wie in Abschn. D.I. festgestellt wurde, sind bestimmte aktivierende Vorgänge fur die Informationsaulhahme- bzw. -suche verantwortlich. Auch das emotionale Erleben kann diesen Vorgängen als exogene Größe zugeordnet werden. Vom Ausmaß des emotionalen Erlebens können Auswirkungen auf die Informationssuche und die Informationsabgabe erwartet werden. Mit dem letztgenannten Aspekt ist insbesondere das spezifische Informationsverhalten im Rahmen interpersoneller Kommunikationsprozesse gemeint. Positive emotionale Erlebnisse können zu handlungsorientierten Antrieben, zu Motivationen und zu einer wertenden Einschätzung bestimmter Objekte (Einstellung), die mit den Erlebnissen in Verbindung stehen, führen. 11 Zusammenfassend lassen sich hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen dem emotionalen Erleben und weiteren Konstrukten folgende Hypothesen aufstellen: (H 5.1) Das Ausmaß der ausgelösten emotionalen Erlebnisse beeinflußt positiv das Interesse. (H 5.2) Das Ausmaß der ausgelösten emotionalen Erlebnisse beeinflußt positiv den Informations- bzw. Kenntnisstand des Empfängers. (H 5.3) Je stärker die durch werbliche Kommunikation ausgelösten emotionalen Erlebnisse, desto größer sind die Wirkungen auf der Verhaltensebene. (H 5.4) Das Ausmaß emotionaler Erlebnisse stimuliert die themenspezifische interpersonelle Kommunikation.

9

Vgl. Mühlbacher, 1982, S.106.

10

Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S. 100. Insofern können dem emotionalen Erleben sowohl involvementsteigernde als auch einstellungswirksame Wirkungen zukommen. Die Befunde zum Erlebnismarketing können als Indiz für die Verhaltenswirkung emotionaler Erlebnisse gewertet werden, vgl. hierzu Diller, 1988.

11

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedchtnisreaktionen

293

(H 5.5) Je stärker die durch werbliche Kommunikation ausgelösten emotionalen Erlebnisse, desto größer sind die Wirkungen auf die Einstellungen. 1 2 Formen der Direktkommunikation, die Erlebnissituationen fur den Empfanger schaffen, weil sie den Rezipienten situativ einbinden, sind aus diesen Gründen eher geeignet, Emotionen auszulösen. Vor diesem Hintergrund erscheinen nichtpersönliche Formen der Direktkommunikation, die auf rein verbalen Informationsvorgängen im Menschen aufbauen, eher nachteilig. In erster Linie ist mit dem emotionalen Erleben das individuelle Erleben während des gesamten Kommunikationsvorganges gemeint. In diesem Fall können Emotionen aber nicht gleichgesetzt werden mit Aktivierungswirkungen, da letztere sich auf kurzfristige, unmittelbar auftretende Prozesse beziehen, die während des Kontakts mit dem Kommunikationsinstrument sehr vielfaltig und variabel sein können. Bei längerer Dauer oder auch bei häufiger Wiederholung der Kommunikation können aus den emotionalen Erlebnissen der Kommunikationssituation im Langzeitgedächtnis gespeicherte emotionale Dispositionen werden. 13 In diesem Fall ist der Adressat in der Lage, eine emotionale Einschätzung der Kommunikation zu geben; das emotionale Erleben kann dann als der bewußt erinnerbare Teil der Erlebniswirkung verstanden werden. Bezogen auf die zu untersuchenden Kommunikationsinstrumente kann fur die Direktkommunikation mit persönlicher Ansprache ein wesentlich höheres Aktivierungspotential vermutet werden, was sich insofern in der besseren Vermittlung emotionaler Erlebnisse niederschlagen müßte: (H 5.6) Persönliche Direktkommunikation löst stärkere emotionale Erlebnisse aus als nicht-persönliche Direktkommunikation. Auch wenn es empirische Beispiele dafür gibt, daß sich Wirkungen auf psychische Konstrukte auch lediglich durch rein emotionale werbliche Kommunikation einstellen können, 14 hängt dies im wesentlichen von Bedingungen wie dem (geringen) Ausmaß der Erklärungsbedürftigkeit des Kommunikationsgegenstandes, dem (geringen) Ausmaß des Interesses und eines hin12

13 14

Einstellungswirkungen ergeben sich zum einen aufgrund der Auslösung emotionaler Prozesse, in denen die emotionalen Eindrücke unmittelbar mit den Charakteristika des Objekts positiv assoziiert werden. Weisen die Empfanger zudem ein hohes Involvement auf, so lösen die emotionalen Vorgänge zusätzlich kognitive Vorgänge, z.B. Aktivierung der gedanklich gespeicherten (positiven) Eigenschaften, aus, vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.613 und S.618ff. Vgl. Steffenhagen, 1984a, S.90. Vgl. Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel, 1982, S. 122.

294

E. Empirische Ergebnisse

sichtlich der relevanten Merkmale relativ homogenen Angebotsmarktes (Austauschbarkeit) ab. Ein völliger Verzicht auf informative Bestandteile werblicher Kommunikation wird besonders in Fällen, in denen die o.a. Bedingungen nicht vorliegen, kaum zu einer Veränderung z.B. von Einstellungen fuhren. Größere Wirkungen wird dann eine Doppelstrategie argumentativer und emotionaler Ansprache haben. Hinzu kommt, daß das Bindungspotential werblicher Kommunikation eine wichtige Voraussetzung fur das Ausmaß emotionalen Erlebens darstellt, da durch vorgeschaltete Maßnahmen bereits ein wieder aktivier- bzw. abrufbares emotionales Bild entstanden sein kann. Bei Folgemaßnahmen kann der Erlebniseffekt deshalb stärker ausfallen. (H 5.7) Kontaktketten der Direktkommunikation lösen stärkere emotionale Erlebnisse aus als Direktkommunikationsformen mit einmaligem Kontakt. In der vorliegenden Untersuchung schied zum einen aus forschungsökonomischen Gründen die Messung des emotionalen Erlebens mit speziellen psychobiologischen Methoden aus. Ein weiterer Grund ist die Dauer des Kommunikationsvorganges. In den Treatments DIRKOM und DIRKOM 2 waren die Probanden mehr als 4 Stunden dem Kommunikationseinfluß ausgesetzt, im Treatment PUBLIK konnte die Dauer des Lesens der Publikation zwar nicht bei jedem Probanden gemessen werden; Pretests zeigten aber, daß fur das (erstmalige) Betrachten der Bilder und Lesen des Textes der Publikationen mindestens 15 Minuten aufgewendet wurden. Aufgrund der Dauer des Kommunikationseinflusses kann davon ausgegangen werden, daß die Probanden zu einer emotionalen Einschätzung der Kommunikationssituation in der Lage sind. Um Richtung und Qualität des emotionalen Erlebens zu erfassen, können allerdings nur eingeschränkt - die Befragung und die Registrierung verbaler Reaktionen als Erhebungstechniken genutzt werden. Das Hauptproblem besteht dabei in der mangelnden Abgrenzbarkeit zwischen den eigentlichen Emotionen und den Ergebnissen von Vorgängen der kognitiven Auseinandersetzung mit der Kommunikationssituation. Mit der Befragung kann deshalb nur der erinnerbare Anteil des emotionalen Erlebens erfaßt werden. Hinsichtlich der Qualität der ausgelösten Emotionen kann auf die aus der Umweltspychologie stammenden zwei bipolaren Basisdimensionen Erregung bzw. Ruhe und Angenehm bzw. Unangenehm zurückgegriffen werden. Ausgehend von den verschiedenen Emotionsbegriffen der Dimension "Angenehm" wurde unter Berücksichtigung der Spezifika der Probandengruppe (14- bis 16-jährige Schüler) der Indikator "Spaß" als Operationalisierung der Emotionsform "Freude, Lust" gewählt. Zur Messung von Richtung und Stärke des emotionalen Erlebnisses wurde den Probanden die Frage

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedchtnisreaktionen

295

"Wieviel Spaß hat Dir der Truppenbesuch15 gemacht?" gestellt.16 Die Richtung bzw. Erlebnisqualität wurde insofern mit der Formulierung "Spaß" vorgegeben. Auf das Involvement und seine theoretisch differenzierbaren Facetten wurde bereits in Abschnitt C.III.3 näher eingegangen. Als wichtige Ausprägung wurde das Self-Involvement genannt; es kann auch als themenspezifisches Interesse verstanden werden. Auf Eigenschaften bzw. auf Objekte, Personen oder Themen gerichtete Interessen äußern sich in einer diesbezüglichen Sensibilisiertheit der betreffenden Person; sie beschäftigt sich häufiger und intensiver als andere mit dem Gegenstand des Interesses. Eine Bedeutung als Kriterium der Wirkung von Personal-Marketing-Kommunikation erlangt das Interesse deshalb, weil eine Verankerung oder Verfestigung des Interesses im Rahmen werblicher Kommunikation die subjektive Wichtigkeit von Eigenschaften bzw. von Informationen zu bestimmten Themen verstärkt und hierdurch Einstellungs- und Verhaltensrelevanz (z.B. hinsichtlich eines geänderten Informationsverhaltens, wie die Nutzung spezifischer Informationsquellen) erlangen kann. 17 Die Erkenntnisse über den Zusammenhang von Involvementkomponenten und ihrer Einflüsse auf die Informationsverarbeitung haben zu Erklärungsmodellen der Werbewirkungen gefuhrt, 18 wobei insbesondere Modellvorstellungen zur Erklärung der Werbewirkung bei sog. low-involvement-Prozessen im Vordergrund stehen. Ein Hauptproblem stellt allerdings die Abgrenzung der einzelnen Involvementkomponenten bzw. die Erfassung ihrer Interaktivität dar. Die häufig unscharfe Operationalisierung des Involvements bzw. unscharfe Abgrenzung des Begriffs Ich-Beteiligung verhindert die Vergleichbarkeit der 15

16

17 18

Anm.: Für die Probanden des Treatments 1 "...das Lesen des Wegweisers durch die Bundeswehr.." bzw. fur die Probanden des Treatment 3 zusätzlich "...der Besuch des Jugendoffiziers..". Vgl. Frage 1 im Nachher-Fragebogen, Ani. 1. Statt mit fixierten Antwortvorgaben erfolgte die Antwortmessung mit Hilfe eines auf der Grundlage der Magnitude-Skalierung selbstentwickelten Polimeter. Den Grad der Zustimmung bzw. Ablehnung (Stärke bzw. Intensität des emotionalen Erlebnisses) konnten die Probanden mit Hilfe eines beweglichen visuellen Elements, ähnlich einem Rechenschieber, äußern. Die Probanden konnten dabei den Anteil der schwarzen bzw. weißen Fläche des Sichtfensters entsprechend ihrem Grad der Zustimmung verändern. Die auf der Rückseite angebrachte Skala ermöglichte dem Interviewer das Erfassen entsprechender numerischer Werte. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.158; Steffenhagen, 1984a, S.46. In diesem Zusammenhang ist vor allem das Modell der Wirkungspfade, daß auf den klassischen Stufenmodellen aufbaut, aber besonders die Wirkungsdeterminanten "Art der Werbung" und "Produktinvolvement" betont, hinzuweisen. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.606-623.

296

E. Empirische Ergebnisse

empirischen Befunde. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang eine vom Werbekontakt unabhängige Operationalisierung des Involvements, um Einflüsse von Werbemittel und Werbeträger zu vermeiden. In der Literatur findet man als Indikatoren fur das Produktinvolvement den Preis, die Kaufhäufigkeit, das wahrgenommene Risiko (der Auswahlentscheidung), die Anzahl der wahrgenommenen Produktunterschiede (Messung der wahrgenommenen Produktkomplexität) und die subjektive Bedeutung des Produkts. 19 Einige der Operationalisierungen konfligieren mit Operationalisierungen von Einstellungen; die Heranziehung des Indikators "Risiko" birgt die Gefahr der Gleichsetzung bzw. Vermengung dieser den Entscheidungsprozess determinierenden eigenständigen Größe mit dem Produktinvolvement. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit müssen hinsichtlich der o.a. begrifflichen Abgrenzung zwischen Produkt-, Situations- und Self-Involvement einige Besonderheiten berücksichtigt werden, da für das Objekt des Involvements, den Arbeitsplatz Bundeswehr, spezifische Bedingungen gelten. Zum einen kommen wesentliche Bestimmungsgrößen des Produktinvolvements (Preis, soziale Auffälligkeit, Markenbindung) in diesem Zusammenhang nicht zum Tragen. Das durch bestimmte situative Größen vor allem in der Kaufsituation entstehende kurzfristige Interesse ist ebenfalls nicht von Relevanz, da die Auseinandersetzung des Empfangers (=Probanden) mit dem Berufsfeld Bundeswehr nur antizipatorisch oder hypothetisch erfolgt. Spezifische situative Größen, wie sie üblicherweise in Entscheidungssituationen auftreten, kommen in der frühen Entscheidungsphase, in der sich die Probanden befinden, nicht zum Tragen. Als bedeutsam für die Untersuchungsfragestellungen kann dagegen das SelfInvolvement erachtet werden. Es soll als Ausmaß der Ich-Beteiligung20 verstanden werden und die generelle Disposition des Empfängers, sich für einen bestimmten Sachverhalt (Arbeitsplatz Bundeswehr) zu interessieren, erfassen. Diese Form der Ich-Beteiligung kann als allgemeines Niveau des Interesses21 und unabhängig von durch werbliche Aktivitäten und spezifische Situationen hervorgerufenes Involvement aufgefaßt werden. Das (Themen-) Involvement spiegelt als Ausmaß der Ich-Beteiligung das generelle Interesse am Thema wider. Insofern stellt das generelle Interesse die normative Komponente des Objektinvolvement und des Self-Involvement gleichermaßen dar. Das Ausmaß dieses Interesses als Wirkungsgröße werblicher Kommunikation läßt Rückschlüsse auf das Informationsbewußtsein und die Art der 19 2 0 2 1

Vgl. die bei Mühlbacher, 1982, S.215-219 zitierten Untersuchungen. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.321f. Vgl. Day, 1976, S. 131 und Steffenhagen, 1984a, S.47.

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedächtnisreaktiom

297

gedanklichen Informationsverarbeitung zu. 22 Aufgrund der Erkenntnisse, die bislang zum Einfluß des Involvements auf bestimmte psychologische Konstrukte gewonnen wurden, 23 können bestimmte Wirkungsbeziehungen als Hypothesen abgeleitet werden. Wenngleich aus theoretischer Sicht die Differenzierung des Involvements sinnvoll erscheint, so müssen doch erhebliche Zweifel an der Praktikabilität fur die Forschung und für die Werbegestaltung angemeldet werden. Dies gilt insbesondere fur die Unterscheidung des Medieninvolvements in Werbemittel- und Werbeträgerinvolvement. Die Vielzahl vor allem qualitativer Wirkungsfaktoren von Werbemitteln wirkt in hohem Maße interdependent mit den Werbeträger-Charakteristika. Ein besonderes Problem stellt die Messung dieser unterschiedlichen Involvements dar. Berücksichtigt man noch Wiederholungen von Werbeträger- bzw. Werbemitteleinsätzen, so ergibt sich fur die Wirkungsabgrenzung von Produkt-, Seif-, Werbemittelund Werbeträgerinvolvement ein außerordentlich komplexes Meßproblem. Als fragwürdig müssen auch die in der empirischen Forschung zugrundegelegten Beziehungen zwischen dem Konstrukt Involvement und seinen verschiedenen Determinanten gewertet werden. Überwiegend werden die Determinanten als unabhängige Erklärungsfaktoren modelliert. 24 Folgt man den in der Literatur vertretenen Auffassungen zur Wirkung unterschiedlicher Werbemittel und -träger auf das Interesse der Rezipienten, so drängt sich eine weitgehende Harmonisierung zwischen den Begriffen Medieninvolvement und durch werbliche Kommunikation ausgelöste Aktivierung auf. Für die vorliegende Untersuchung erscheint es zweckmäßig, das Medieninvolvement als strukturgleich mit der im vorigen Abschnitt dargestellten Wirkungsgröße "Emotionales Erleben" aufzufassen. Insofern kann das Medieninvolvement als Wirkungsgröße für die durch die komplexen Kommunikationsinstrumente ausgelösten Prozesse interpretiert werden. Bedeutsam scheint hierbei auch die Frage, ob die durch die werbliche Kommunikation ausgelösten emotionalen Erlebnisse eine Steigerung des Interesses erzielen können. Weitgehend ungeklärt ist auch der Zusammenhang zwischen dem Involvement und dem themenspezifischen Wissen. Hohes Produktwissen wirkt sich meist negativ auf die Informationssuche aus, andererseits kann hohes 2 2

2 3 2 4

Interessierte Personen sind informationsbewußter und -aktiver; das Ausmaß der kognitiven Beteilung bei der Informationsverarbeitung ist größer (sog. "heiße" kognitive Prozesse), vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.321. Vgl. die zusammenfassenden Ausführungen bei Mühlbacher, 1982, S. 194-197. Vgl. Neibecker, 1990, S.106.

298

E. Empirische Ergebnisse

Produktwissen auch unabhängig vom Ausmaß des Involvements, insbesondere vom Ausmaß des Self-Involvements auftreten. Theoretisch ist es denkbar, daß es aufgrund hohen Involvements zu einer intensivierten Informationssuche kommt. Ist dann ein hoher Kenntnisstand erreicht, läßt das Involvement, in erster Linie das Produktinvolvement, nach. Der Auffassung, daß hohes Produktwissen die Informationssuche über persönliche Kommunikationsquellen verringert, 25 kann nur zum Teil zugestimmt werden. Wie im Abschnitt zu den motivationalen Größen persönlicher Kommunikation verdeutlicht wurde, führt gerade hoher Kenntnisstand zu vermehrter persönlicher Kommunikation, wobei die Situationen Informationssuche und Informationsabgabe nur schwer voneinander zu trennen sind. Zusammenfassend können folgende Hypothesen formuliert werden: (H 5.8) Je größer das Ausmaß des Interesses, desto stärker des emotionalen Erlebens der Kommunikation.

ist das Ausmaß

(H 5.9) Je größer das Ausmaß des Interesses, desto eher lassen sich Kenntnisse über das Objekt des Interesses vermitteln. (H 5.10) Das Ausmaß des Interesses stimuliert positiv das Informationsverhalten. (H 5.11) Das Ausmaß des Interesses beeinflußt positiv die Verhaltensabsicht. (H 5.12) Das Ausmaß des Interesses stimuliert nikation.

die interpersonelle

Kommu-

(H 5.13) Je größer das Ausmaß des Interesses ist, desto eher können mittels werblicher Kommunikation Einstellungen positiv verändert werden. Für die vorliegende Untersuchung stellt sich die Frage, ob das Ausmaß des Involvements durch die Formen der Direktkommunikation positiv beeinflußt werden kann. Unter Berücksichtigung der Aussagen zum Zusammenhang zwischen persönlicher Direktkommunikation und Involvement soll deshalb auch geprüft werden, ob die Direktkommunikation mit persönlicher Ansprache stärkere Wirkungen auf das Involvement ausübt. Für die persönliche Direktkommunikation kann aufgrund ihres interaktiven Darbietungscharakters ein positiver Effekt auf das Involvement vermutet werden. Hinsichtlich der Kommunikationsinstrumente lassen sich deshalb folgende Hypothesen formulieren:

2 5

Vgl. Neibecker, 1990, S.104.

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedchtnisreaktionen

299

(H 5.14) Direktkommunikation mit persönlicher Ansprache beeinflußt Interesse stärker als nicht-persönliche Direktkommunikation.

das

Bereits in Abschn. Β wurde auf das besondere Wirkungspotential mehrphasiger Direktkommunikation in Hinblick auf das Interesse des Empfangers eingegangen. Hierzu läßt sich folgende Hypothese ableiten: (H 5.15) Mehrphasige Direktkommunikation stimuliert als einphasige Direktkommunikation.

das Interesse stärker

Für die empirische Ermittlung von (gerichteten) Interessen ist man ausschließlich auf die Befragung als Erhebungsmethode angewiesen, wobei grundsätzlich Validitätsbedenken hinsichtlich dieser Erhebungsmethode auftreten, da sowohl die kognitive Antwortkontrolle des Befragten als auch der Transfer vom LZG in das KZG Verzerrungseffekte auslösen kann. 26 Für den Konsumgüterbereich konnte häufig nur ein sehr geringes generelles Interesse nachgewiesen werden, fur soziale oder ökonomische Verhaltensweisen muß generell von einem höheren Niveau des Interesses (Involvements) ausgegangen werden. Insofern ist das Ausmaß des Interesses also eine relative Größe, die nur fur einen definierten Themenbereich intersubjektiv vergleichbar ist. Ob a priori ein hohes oder eher geringes Interesse hinsichtlich einer Berufswahlentscheidung Bundeswehr vorliegt, ist schwer zu sagen.27 Generell kann man davon ausgehen, daß Berufswahlentscheidungen und ArbeitsplatzAlternativen eher "high-interest-" Bereiche sind. Dies dürfte insbesondere fur 14- bis 16-jährige Realschüler zutreffen, die sich (ein Jahr vor der Schulentlassung) in einem Berufswahl-Entscheidungsprozess befinden. Für diese Situation kann man eine stärkere Bewußtheit oder auch kognitive Kontrolle

2 6

Vgl. Steffenhagen, 1984a, S.42 und 47; Andritzky, 1976, S.172ff. und zur Involvement-Messung Mühlbacher, 1982, S.216f. Für die Messung des Produktinvolvements hat sich insbesondere die mehrdimensionale Skalierung bewährt, vgl. Mühlbacher, 1982, S.217f.

2 7

Mühlbacher geht davon aus, daß zum Thema Militärdienst generell ein höheres Involvement als bei typischen sog. low-interest-Bereichen bei den Empfängern vorhanden ist, vgl. Mühlbacher, 1982, S.195.

300

E. Empirische Ergebnisse

des Interesses unterstellen, die eine Operationalisierung des Interesses mit Hilfe einer verbalen Frage zuläßt. 28 Zur Beurteilung der Wirksamkeit von Personal-Marketing-Kommunikation ist von Bedeutung, ob mit Direktkommunikation bestimmte K o m m u n i k a t i o n s i n h a l t e vom Empfänger gespeichert werden, die dann zu Kenntnissen über den Arbeitsplatz Bundeswehr fuhren. Kenntnisse können als eine "Klasse von Erinnerungen eines Menschen" verstanden werden, die als gespeicherte Inhalte des Langzeitgedächtnisses das Wissen eines Menschen repräsentieren. 29 Kenntnisse dienen u.a. als Anker für Handlungsabsichten und sind insofern mit ihnen und den Einstellungen verknüpft. Grundsätzlich kann man zwischen Kenntnissen des episodischen und Kenntnissen des semantischen Gedächtnisses unterscheiden.30 Die im Rahmen der Kommunikations- bzw. Werbewirkung interessierenden Kenntnisse von Marken, Einkaufsstätten, Produkt- bzw. Arbeitsplatzeigenschaften sind in der Regel dem semantischen Gedächtnis zuzurechnen, können aber durch im episodischen Gedächtnis gespeicherte Ereignisse entstanden sein (z. B. im Rahmen einer werblichen Kommunikation). Desweiteren können passive von aktiven Kenntnissen differenziert werden. 31 Kenntnisse über Eigenschaften von Objekten entstehen aus einer Kopplung zwischen

2 8

Zur Messung des Interesses wurde den Probanden die bereits beschriebende Polimeter-Skala vorgelegt, an Hand derer sie eine Selbsteinstufung ihres intern empfundenen Interesses vornehmen konnten. Die Frage lautete: "Wie sehr interessiert Dich die Bundeswehr?", vgl. Fragebogen, Anl.l. Die Konsistenz von Polimeter-Skalen mit anderen, insbesondere Magnitude-Skalierungen wurde nachgewiesen, vgl. Lampert, 1979, S.579 und S.582.

2 9

Kenntnisse stellen eine Bestandsgröße innerhalb des menschlichen Identifikationsspeichers dar, vgl. Steffenhagen, 1984a, S.40. Das episodische Gedächtnis enthält Informationen über bestimmte Vorgänge, Ereignisse und räumlich-zeitliche Beziehungen zwischen Ereignissen. Das semantische Gedächtnis enthält Kenntnisse über den Sinn von Wörtern und Symbolen, ihre Beziehungen zueinander sowie Regeln im Umgang mit diesen Zeichen. Dabei muß man von fließenden Übergängen zwischen beiden Gedächtnisteilen ausgehen, vgl. Tolle, 1986, S.24f.

3 0

3 1

Passive Kenntnisse bezüglich bestimmter Ereignisse oder Objekte sind solche, an die man sich erst aufgrund eines spezifischen Reizes (Hinweis, Abfrage, u.ä.) erinnert. Aktive Kenntnisse können ohne einen externen spezifischen Hinweis bewußt gemacht werden, vgl. Steffenhagen, 1984a, S.40f. Sehr verbreitet ist die Heranziehung von aktiver und passiver Bekanntheit (von Marken, Einkaufsstätten oder Produkten) als Kriterium der Werbewirkung hinsichtlich der Bewußtseinspräsenz des jeweiligen Objektes. Bei der Bekanntheit handelt es sich um eine sog. "Bestandsgröße" innerhalb des menschlichen Identifikationsspeichers, vgl. Steffenhagen, 1984a, S.42.

301

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedchtnisreaktionen

einem kognitiven Anker (z.B. einem Produktnamen) und Speicherstellen im Eigenschaftsraum des Langzeitgedächtnisses.32 Der Umfang der mittels werblicher Kommunikation vermittelten Kenntnisse hängt von der aufmerksamkeitsauslösenden Wirkung der Kommunikationsinstrumente ab. Desweiteren spielt aber auch das Involvement der Empfanger eine Rolle. So kann bei hoher Aufmerksamkeit und hohem Involvement eine Einstellungs- bzw. Verhaltenswirkung von kognitiven Prozessen, z.B. in Form einer effizienten Informationsverarbeitung, die zu einem "Wissenszuwachs" fuhrt, erwartet werden. Als den Umfang der Kenntnisse beeinflussende Größen können insofern das Involvement und die aufmerksamkeits- bzw. aktivierungsnahe Größe "Emotionales Erleben" angenommen werden: (H 5.16) Das Ausmaß des Interesses Kenntnisse.

beeinflußt

(H 5.17) Das Ausmaß des emotionalen Umfang der Kenntnisse.

Erlebens

positiv

den Umfang

beeinflußt

positiv

Im Rahmen der Untersuchungsfragestellungen interessiert vor allem, welche Wirkungen die Kommunikationsinstrumente auf den Umfang der Kenntnisse von Eigenschaften ausüben. Hinsichtlich der zu vermutenden Wirkungen der Kommunikationsinstrumente auf den Kenntnisstand sind die inhaltlichen Besonderheiten der Instrumente zu berücksichtigen. Die Publikation "Wegweiser durch die Bundeswehr" stellt eine Vielzahl von Berufsbildern, Tätigkeiten und Erlebens-Situationen in gut bebilderter Form dar. Aufgrund der Breite der dargebotenen Informationen besitzen die Publikationen objektiv ein größeres Informationspotential als Truppenbesuche oder auch das persönliche Direktkommunikationsinstrument "Jugendoffizier". Bei Truppenbesuchen kann meist nur die Berufsbreite in einer bestimmten Bundeswehreinheit aufgezeigt werden. Darüber hinaus ist der Truppenbesuch konzeptionell stärker auf die Vermittlung emotionaler Inhalte bzw. Erlebnisse und weniger 3 2

Die Zuordnung einer bestimmten Eigenschaft zu einem Objekt wird Attribution genannt. Hiermit wird das menschliche Bestreben bezeichnet, Ursachen für bestimmte Gegebenheiten oder für das eigene (Kauf-) Verhalten zu suchen. Grundsätzlich gehen Menschen dabei nach dem Ko Variationsprinzip vor, d.h. man ordnet aus der Menge möglicher Ursachen diejenige dem Ereignis zu, die am häufigsten mit dem Ereignis (der Wirkung) ko variiert, vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.296. Man unterstellt hierbei grundsätzlich die kognitive Lenkung der Informationsverarbeitung und überschätzt dabei die gedanklichen Aktivitäten des Konsumenten. Allerdings können Attributionen auch im Rahmen verfestigter kognitiver Denkmuster oder -strukturen auftreten. Attributionen treten auch nur auf, wenn die Unterscheidbarkeit von Objekten (Produkten) gegeben ist.

der

den

302

E. Empirische Ergebnisse

auf die Informationsvermittlung ausgelegt. Für den Jugendoffizier gelten beide Arten der Ansprache. Dennoch kann vermutet werden, daß aufgrund der (vermuteten) emotionalen Aktivierung und der involvementsteigernden Wirkungen die persönlichen Kommunikationsinstrumente den Kenntnisstand starker erhöhen. Folgende Hypothese kann abschließend formuliert werden: (H 5.18) Persönliche Direktkommmunikation erhöht den Umfang der Kenntnisse über den Arbeitsplatz Bundeswehr stärker als nichtpersönliche Direktkommunikation. Bei der empirischen Ermittlung von Kenntnissen ist man auf die Befragung angewiesen, wobei grundsätzlich die gleichen Validitätszweifel wie bei der Messung von Interessen auftreten. Üblicherweise werden fur die Reaktionsmessimg Antwortregistrierungen auf offene Fragen, Assoziationstests, Erfassimg von Antwortzeiten (als Maß fur die Assoziationsstärke) und Ratingskalen verwandt. 33 Im folgenden soll geprüft werden, ob und in welchem Maße durch den Einsatz der Direktkommunikation Wirkungen auf momentane Reaktionen und dauerhafte Gedächtnisreaktionen erzielt werden können. Für die angeführten psychischen Größen soll der Wirkungsbeitrag der interpersonellen im Vergleich zur werblichen Kommunikation ermittelt werden. Neben den Wirkungen auf die einzelnen Konstrukte interessieren im folgenden auch jene Wirkungen, die unter Berücksichtigung von theoretisch plausiblen Interdependenzen auftreten. Zunächst sollen für die einzelnen Konstrukte die Wirkungen werblicher Kommunikation nachgewiesen werden,

3 3

Vgl. Steffenhagen, 1984a, S.45. Zur empirischen Ermittlung der Kenntnisse wurde eine zusätzliche, bislang nocht nicht ausgewertete Antwortkategorie der Einstellungsitems herangezogen. Jedem dieser Items war neben der siebenstufigen Ratingskala auch die Antwort-Kategorie "Weiß nicht" zugeordnet. Die individuelle Anzahl der "Weiß-nicht"-Nennungen wurde als Indikator für den Umfang der Kenntnisse von Eigenschaften des Arbeitsplatzes Bundeswehr aufgefaßt. Eine hohe Anzahl von "Weiß-nicht"-Nennungen wurde als geringer Kenntnisstand gewertet. Die Erfassung der Kenntnisse wurde sowohl vor als auch nach dem Kommunikationseinfluß vorgenommen. Mit dieser Vorgehensweise wird allerdings der Raum relevanter Kenntnisse auf ausschließlich die mit der Itembatterie vorgegebenen Merkmale begrenzt.

303

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedchtnisreaktionen

um dann im weiteren Vorgehen die Wirkungen in einem Gesamtmodell unter simultaner Einbeziehung der aufgeführten Konstrukte aufzuzeigen. 34 Die Modellansätze folgen dabei grundsätzlich der Struktur eines ZweiWellen-LISREL-Modells, wobei die Experimentalvariablen (Treatmentvariablen) "Publikationen" (PUBLIK) und "Direktkommunikation" (DIRKOM) bzw. Direktkommunikation 2 (DIRKOM 2) stets als latente exogene (KSI-) Variablen spezifiziert werden. 2. Kommunikationswirkungen auf das emotionale Erleben als Kriterium der momentanen Reaktionen Mit dem emotionalen Erleben einer Kommunikationssituation wurde in Abschn. E . I . l die gedankliche Interpretation eines spezifischen Erregungszustandes als Folge des Erlebens von Kommunikationssituation, -inhalt und -mittel bezeichnet. Die Qualitätskomponente, also der Gefuhlsinhalt, wurde auf die bewußte und erinnerbare Emotion "Spaß" fixiert. Die Intensität der Emotion wurde mittels einer Polimeter-Skala erfaßt. Es wird dabei von der Annahme ausgegangen, daß diese Intensität mit der auf die gesamte Dauer der Kommunikation bezogenen durchschnittlichen physischen Aktivierung korrespondiert, aber keinesfalls identisch ist.

Tab. 6.1 Verteilungsmaße der Variablen emotionales Erleben Treatment Maßzahl

Median Mittelwert Standardabweichung Spannweite

PUBLIK

5 5.1 3.0 0-10

DIRKOM

8 7.4 2.5 0-10

DIRKOM2

KONTROLLGRUPPE

7 6.9 2.1 2-10

Die deskriptiven Befunde lassen vermuten, daß in den Treatments mit persönlicher Ansprache in höherem Maße emotionale Erlebnisse vermittelt werden: Mit einem einfachen regressionsanalytischen LISREL-Modell soll nun der Frage nachgegangen werden, ob Art und Ausmaß der Wirkungen der Kommunikationsinstrumente den mit der Hypothese 5.6 theoretisch unterstellten Zusammenhängen entsprechen. Abb.6.1 gibt die Modellergebnisse wieder. 3 4

Eine graphische Darstellung der Verteilung jeder Variablen sowie die Verteilungsmaße fmden sich in Anl.3.1.

304

E. Empirische Ergebnisse

Abb. 6.1 Wirkungen auf das emotionale Erleben

Die Kommunikationsinstrumente können die Varianz des emotionalen Erlebens nicht hinreichend erklären. Zwar deuten die Pfadkoeffizienten auf große Unterschiede zwischen den Kommunikationsformen hin, die geringe Erklärungskraft des Modells indiziert aber gleichzeitig den Einfluß weiterer und bedeutender, im Modell nicht erfaßter Größen. Die Signifikanz der Schätzgrößen sowie die hohe Anpassungsgüte erlauben allerdings die Einbeziehung dieses Teilmodells in umfassendere Strukturen. Einen Ansatzpunkt hierfür bilden die theoretisch plausiblen Interdenpendenzen zwischen dem Involvement und dem emotionalen Erleben. Ob das durch werbliche Kommunikation ausgelöste Ausmaß emotionaler Aktivierung stimulierend auf die zwischenmenschliche Kommunikation wirkt,

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedchtnisreaktionen

305

soll mit der Analyse der einfachen Modellstruktur in Abb.6.2 aufgezeigt werden.

.776

Modellgüte AGFI = 1.0

RMR = .000

Erklärungskraft » .377

Abb. 6.2 Wirkungen auf das emotionale Erleben unter Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation

Die Ergebnisse zeigen, daß sich ein signifikanter, wenngleich auch nur äußerst geringer Einfluß der emotionalen Aktivierung auf das Kommunikationsverhalten der Probanden nachweisen läßt. Die direkten Wirkungen der Direktkommunikation sind demgegenüber um ein Vielfaches höher. Zumindest im Rahmen dieser einfachen Modellstruktur stellt das Konstrukt AKTVRG keine wesentliche Einflußgröße der interpersonellen Kommunikation dar. Die Beziehung zwischen beiden Größen wird in Abschn. 5.6 fur die Entwicklung eines Erklärungsmodells der interpersonellen Kommunikation nochmals aufgegriffen. 20 Beba

306

E. Empirische Ergebnisse

3. Kommunikationswirkungen auf Kriterien der dauerhaften Gedächtnisreaktionen 3.1. Kommunikationswirkungen

auf das Involvement

Den deskriptiven Befunden zufolge stellt sich in den Treatments DIRKOM und DIRKOM 2 ein höheres generelles Interesse als bei den Publikationen ein, wenngleich die Mittelwertunterschiede nicht sehr hoch ausfallen: Tab. 6.2 Verteilungsmaße der Variablen Interesse (Vorher/Nachher) Treatment Maßzahl

PUBLIK

DIRKOM

DIRKOM2

KONTROLLGRUPPE

Median Mittelwert Standardabweichung Spannweite

5/4 4.6/5.2 2.8/3.1 0-9

5/4 4.5/5.5 2.6/2.8 1-10

5/4 4.4/5.9 2.6/2.8 2-10

4/4 4.8/5.0 2.7/2.6 1-9

Ob sich die Kommunikationsinstrumente hinsichtlich ihrer Wirkungen auf das generelle Involvement entsprechend den theoretisch postulierten Zusammenhängen unterscheiden, soll mit einem einfachen Zwei-WellenLISREL-Modell untersucht werden. Auf die Spezifikation von MeßfehlerKorrelationen wird verzichtet. Insofern entspricht das Modell dem regressionsanalytischen Ansatz der Kausalanalyse. Abb.6.3 zeigt die Ergebnisse der Analyse, deren Gütemaße eine hohe Zuverlässigkeit der Schätzungen attestieren. Bedeutsam erscheint, daß das Involvement einem starken Einfluß im Zeitverlauf unterliegt, wie der vergleichsweise geringe Stabilitätskoeffizient von .606 dokumentiert. Allerdings wird hiermit auch verdeutlicht, daß das Ausgangsniveau des Involvements eine wichtige Rolle einnimmt. Die beiden persönlichen Direktkommunikationsformen zeichnen sich gegenüber der Kommunikationsform Publikationen durch ein hohes, involvementsteigerndes Potential aus. Mit dem Kontaktketten-Konzept wird das Interesse am stärksten erhöht; die Wirkung der nichtpersönlichen Direktkommunikation ist demgegenüber äußerst gering. Es kann festgehalten werden, daß die Hypothese zur stärkeren Wirkung der Direktkommunikation gegenüber den Publikationen mit den vorliegenden

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedchtnisreaktionen

307

Befunden bestätigt wird. Auch die zweite Hypothese, derzufolge mit dem Kontaktketten-Konzept stärkere Wirkungen auf das Involvement als mit der einphasigen Direktkommunikation erzielt werden können, wird mit den Ergebnissen deutlich bestätigt.

Modellgüte AGFI = 1.0

RMR =.000

Erklärungskraft = .722

Abb. 6.3 Wirkungen auf das Involvement

Welche Wirkungen auf das Involvement sich unter Einbeziehung der interpersonellen Kommunikation ergeben, soll im folgenden geprüft werden. Den theoretischen Überlegungen zufolge kann zwischenmenschliche Kommunikation zu einem bestimmten Thema Interessen wecken, aber auch bei entsprechend negativem Inhalt - Interessen dämpfen. Ob und in welchem Maße das generelle Involvement bzw. Interesse an der Bundeswehr von dem

308

E. Empirische Ergebnisse

Ausmaß der Gespräche zu diesem Thema positiv beeinflußt wird, läßt sich mit den Ergebnissen des Modells in Abb. 6.4 beantworten.

Modellgüte AGFI = .939

RMR = .027

Erklärungskraft = .789

Abb. 6.4 Wirkungen auf das Involvement unter Einbeziehung der IPKOM

Mit der Einbeziehung des Konstrukts IPKOM hat sich die Anpassungsgüte kaum verschlechtert, die Erklärungskraft ist hingegen geringfügig von .722 auf .789 angestiegen. Die hohe Modellgüte bestätigt die Gültigkeit der Beziehungsstruktur unter Einbeziehung der interpersonellen Kommunikation. Sie übt einen signifikanten und deutlichen positiven Einfluß auf das Involvement aus. Die Hypothese, derzufolge das Ausmaß zwischenmenschlicher Kommunikation das Involvement steigert, kann somit als bestätigt gelten. Ferner zeigt sich, daß das Ergebnis des vorangegangenen Abschnitts hinsichtlich der involvementsteigernden Wirkungen der Direktkommunikation

309

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedchtnisreaktionen

unterstrichen wird: Im Gegensatz zu den Publikationen kommt den Direktkommunikationen bei Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation auch ein deutlicher indirekter Einfluß auf das Involvement zu. Die Gesamtwirkungen erhöhen sich, insbesondere für das KontaktkettenKonzept, deshalb deutlich (vgl. Tab.6.3): IS Tab. 6.3 Kausale Wirkungen auf das Involvement ^ TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN Totale Wirkung auf INTERESSE(N) IPKOM

Variable

PUBLIK DIRKOM DIRKOM 2 IPKOM

Indirekte Wirkung auf IPKOM INTERESSES)

-.038 .207 .436

-.046 .247 .520

.000 .000 .000

.008 .040 .084

.000

.192

.000

.000

3.2. Kommunikationswirkungen Attraktivität

auf die wahrgenommene

des Arbeitsplatzes Bundeswehr

Die wahrgenommene Attraktivität des Arbeitsplatzes Bundeswehr stellt eine generelle emotionale Disposition gegenüber dieser Berufsalternative dar. Ähnlich der globalen Einstellung bezieht sie sich auf eine affektive Haltung des Beurteilenden, die aber stark von Handlungsbereitschaften geprägt ist. Die wahrgenommene Attraktivität kann deshalb auch als präferenzbildende Komponente aufgefaßt werden. Die Ergebnisse zur Positionierung von Arbeitgebern (vgl. Abschn. C.I.) verweisen auf die plausible Annahme, daß die Attraktivität eine zentrale, von bestimmten Arbeitsplatzeigenschaften determinierte Dimension bei der Wahrnehmung und Beurteilung relevanter Berufswahlalternativen darstellt. Tab.6.4 gibt die Verteilungsmaße der Variablen Attraktivität wieder. Die deskriptiven Befunde zeigen, daß dem Arbeitsplatz Bundeswehr eine mittlere Attraktivität beigemessen wird, allerdings können - da keine weiteren potentiellen Arbeitgeber beurteilt wurden - hieraus keine Schlüsse über die Vorziehenswürdigkeit gegenüber anderen Arbeitsplätzen gezogen werden. 3 5

Die indirekten Effekte auf INTERESSE ergeben sich aus der Multiplikation der Koeffizienten der Beziehungen zwischen den Treatments und der IPKOM mit dem Koeffizienten IPKOM - > INTERESSE (N). Die totalen Effekte sind die Summe aus indirekten und direkten Effekten.

310

E. Empirische Ergebnisse Tab. 6.4 Verteilungsmaße der Variablen Attraktivität^ Treatment

Maßzahl

PUBLIK

Median Mittelwert Standardabweichung Spannweite

5 5.0 2.5 0-10

DIRKOM

4 5.4 2.9 0-10

DIRKOM2

KONTROLLGRUPPE

5 5.8 2.7 0-10

5 5.0 2.2 1-10

Modellgüte AGFI = 1.0

RMR = .000

Erklärungskraft = .278

Abb. 6.5 Wirkungen auf die wahrgenommene Attraktivität

Ein Urteil über die eingeschätzte Attraktivität des Arbeitsplatzes Bundeswehr wurde den Probanden erst nach erfolgter werblicher Kommunikation abverlangt, da man davon ausgehen konnte, daß die Probanden vor dem Kontakt zu keiner konsistenten Einschätzung möglicher Attraktivitätspotentiale der Bundeswehr in der Lage waren. Die Frage lautete: "In den letzten Wochen hattest Du Gelegenheit die Bundeswehr ein wenig näher kennenzulernen. Erscheint Dir die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiv oder weniger attraktiv?". Vgl. Frage 8, NachherFragebogen, Anl.l.

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedchtnisreaktionen

311

Es läßt sich ein deutlicher Mittelwertunterschied zwischen den Treatments feststellen; offenbar kommt es nach dem Kontakt mit persönlicher gegenüber nichtpersönlicher Direktkommunikation zu einer höheren Bewertung der Attraktivität. Mit einem einfachen (regressionsanalytischen) LISREL-Modell soll der Einfluß der Kommunikationsinstrumente aufgezeigt werden (Abb.6.5). Den Ergebnissen zufolge ist eine abschließende Bestätigung der Hypothese zum dominanten attraktivitätsfördernden Einfluß der Direktkommunikation aufgrund der geringen Erklärungskraft nicht möglich. Die Unterschiede zwischen den Pfadkoeffizienten untermauern allerdings die Vermutungen über die unterstellten Wirkungszusammenhänge. Die Variable "Attraktivität" soll in den an anderer Stelle dargestellten Modellen Eingang finden. 37 3.3. Kommunikationswirkungen

auf den Kenntnisstand

zum Arbeitsplatz Bundeswehr Ob die Kommunikationsinstrumente entsprechend den Hypothesen 5.18 und 5.19 einen signifikanten und unterschiedlichen Einfluß auf den Kenntnisstand ausüben, soll mit der Analyse der nachstehenden Modellstruktur geprüft werden (Abb. 6.6). Das Modell erzielt eine durchaus akzeptable Erklärungskraft, wenn man berücksichtigt, daß lediglich vier Variablen zur Erklärung des Kenntnisstandes nach erfolgter Kommunikation herangezogen werden. Die Hypothese, derzufolge mittels persönlicher Direktkommunikation der Kenntnisstand der Empfanger stärker als mit Publikationen positiv beeinflußt wird, kann allerdings nicht bestätigt werden. Es zeigt sich, daß die nicht-persönliche Direktkommunikation stärkere Wirkungen als das Kontaktketten-Konzept bzw. deutlich stärkere Wirkungen als der "Truppenbesuch" verzeichnen kann. Um dieses Ergebnis zu interpretieren, muß auf die inhaltliche Ausgestaltung der Kommunikationsformen eingegangen werden. Die Publikationen können entsprechend dem Modell der Wirkungspfade als überwiegend "informative Werbung" klassifiziert werden. Die umfangreiche Broschüre "Wegweiser" zielt auf eine Erhöhung der Bekanntheit von Berufsbildern der Bundeswehr, indem eine breite Darstellung vielfältiger Verwendungsmöglichkeiten erfolgt. Außerdem werden Informationen zu Gehaltsbe3 7

Eine Analyse unter Einbeziehung der interpersonellen Kommunikation ergab, daß die Attraktivität keinem bedeutenden Einfluß durch die zwischenmenschliche Kommunikation unterliegt (Pfadkoeffizient: .033). Die Erklärungskraft des Modells liegt mit .408 jedoch deutlich über der des obigen Modells.

312

E. Empirische Ergebnisse

zögen, Karriere- und Fortbildungsmöglichkeiten bei der Bundeswehr dargeboten. De facto ist somit der Informationsgehalt ( = Informationsangebot) in der Broschüre höher als der bei Truppenbesuchen vermittelbare Umfang an Informationen.

Modellgüte AGFI = 1.0

RMR = .000

Erklärungskraft = .567

Abb. 6.6 Wirkungen auf den Kenntnisstand

Die persönliche Direktkommunikationsform "Truppenbesuch " zielt als eher emotional ausgestaltete Werbung dagegen stärker auf Einstellungsänderungen und Schaffung positiver emotionaler Grundhaltungen. Sachinformationen insbesondere über Berufsbilder, die fur den gezeigten Truppenteil möglicherweise nicht von Relevanz sind - werden nur ganz spezifisch vermittelt. 38

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedächtnisreaktionen

313

Der gegenüber dem "Truppenbesuch " vergleichsweise höhere Einfluß des Kontaktketten-Konzepts auf die Wissensbildung dürfte demgegenüber eher auf die Kommunikation des Jugendoffiziers zurückzuführen sein, der gezielt auf Fragen, die sich z.B. im Rahmen des vorhergegangenen Truppenbesuchs ergeben haben, eingehen kann. Insgesamt zeigt das Ergebnis, daß eine eher emotionale Art der Kommunikation, wie sie der Truppenbesuch darstellt, nur bedingt zur Vermittlung von Sachinformationen und somit zur Erhöhung des Kenntnistandes geeignet ist. Die Hypothese, derzufolge persönliche Direktkommunikation starker relevante Kenntnisse vermittelt, kann somit nicht bestätigt werden. 39 4 . H i e r a r c h i e der W i r k u n g e n motivationaler K o n s t r u k t e

Ausgangspunkt fur die folgende Modellformulierung ist die Annahme, daß das Involvement sowie das Ausmaß bewußt erlebter emotionaler Aktivierung direkt von den Treatmentfaktoren beeinflußt werden, wobei das emotionale Erleben gleichzeitig einen Einfluß auf das Involvement ausübt. Die Analyse dieser Modellstruktur zielt auf die Ermittlung der bereits im theoretischen Teil als plausibel erachteten Inderdependenzen zwischen den genannten Konstrukten. Abb.6.7 zeigt die Modellergebnisse. Hinsichtlich der Güte in der Anpassung der Gesamtstruktur (AGFI und RMR) kann die Lösung als wenig zufriedenstellend charakterisiert werden. Der geringe AGFI mit .761 sowie die Höhe der mittleren Residuen (.072) deuten auf Mängel in der Gesamtanpassung hin. Die Ursache für die nur mittelmäßige Lösung sind hohe standardisierte Residuen zwischen den Indikatoren von AKTVRG und INTERESSE (3.465). Dennoch ist die Er-

3 8

Dem "Jugendoffizier" kommt sowohl eine informative Funktion zur glaubwürdigen Vermittlung rationaler Sachverhalte zu, wenngleich aber die direkte und persönliche Art der Ansprache auch emotional wirkende Elemente enthält; das Treatment "Truppenbesuch + Jugendoffizier" kann deshalb als Mischform aus emotionaler und informativer werblicher Ansprache charakterisiert werden.

3 9

Der Kenntnisstand wird durch zwischenmenschliche Kommunikation nicht erhöht. Gespräche in der Peer-Gruppe tragen insofern nicht zur Verbreiterung der Wissensbasis bei (vgl. die entsprechenden Ergebnisse in Abb.A 2.2, Ani.2). Es ist allerdings darauf hinzuweisen, daß sich diese Aussage auch nur auf den Merkmalsraum bezieht, der fur die empirische Erfassung von Wissenselementen zugrunde gelegt wurde. Den theoretischen Erkenntnissen zufolge findet ein Wissenstransfer durch persönliche Kommunikation eher mit bewertenden Informationen statt, vgl. Hummrich, 1976, S.128.

314

E. Empirische Ergebnisse

klärungskraft des Modells mit .806 sehr hoch bzw. erheblich höher, als sie sich für die separaten Modelle (vgl. Abb.6.1 und 6.2) ergeben hat.

Modellgüte AGFI = .761

RMR = .072

Erklärungskraft = .806

Abb. 6.7 Wirkungen bei simultaner Berücksichtigung von Involvement und emotionalem Erleben

Das Ausmaß des emotionalen Erlebens der Kommunikationssituation beeinflußt signifikant das Involvement. Die Kommunikationsinstrumente erzielen über die emotional aktivierende Komponente zusätzliche, indirekte Wirkungen auf das Involvement. Aufgrund des H Vermittlungseffekts w der laten-

315

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedächtnisreaktionen

ten Variablen AKTVRG ist die Gesamtwirkung der persönlichen Direktkommunikation mit .416 bzw. .543 deutlich größer als die Wirkung der Publikationen (Tab. 6.5). Wie bereits angeführt, schrankt die nur maßige Anpassungsgüte die Aussagekraft der Ergebnisse allerdings ein. 4 0 Tab. 6.5 Kausale Wirkungen bei simultaner Berücksichtigung von Involvement und emotionalem Erleben TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN

Variable

INTERESSE(V) PUBLIK DIRKOM DIRKOM 2 AKTVRG

Totale Wirkung auf AKTVRG INTERESSE(N)

.000 -.148 .304 .330 .000

.644 .036 .416 .543 .234

Indirekte Wirkung auf AKTVRG INTERESSE(N)

.000 .000 .000 .000 .000

.000 -.004 .071 .078 .000

Den theoretischen Erkenntnissen zum Involvement folgend erscheint die Annahme plausibel, daß das Ausgangsniveau des Involvements (Starke des Interesses vor dem werblichen Kontakt) einen prädisponierenden Einfluß auf das Ausmaß der emotionalen Aktivierung der werblichen Kommunikation ausübt. Ist, mit anderen Worten, das Interesse an der Bundeswehr bereits vor dem Werbekontakt stark ausgeprägt, kommt es zu einer stärkeren emotionalen Aktivierung des Empfangers. Ein höheres Interesse vor dem Kommunikationseinfluß schafft günstigere Voraussetzungen fur die aktivierende Wirkung der D i r e k t k o m m u n i k a t i o n . Die entsprechende Modellstruktur und die Ergebnisse einer LISREL-Analyse gibt Abb.6.8 wieder. Mit Einfuhrung der Beziehung INTERESSE(V) - - > AKTVRG ist eine hinsichtlich der globalen Fit-Kriterien perfekte Gesamtanpassung erzielt worden. 41 Das Bestimmtheitsmaß der Strukturbeziehungen hat sich zwar nur geringfügig auf .812 erhöht, aufgrund der Signifikanz aller Parameter sowie

4 0

4 1

Eine Verbesserung der Ergebnisse kann von einem gezielten Eingriff in die Modellstruktur erwartet werden. Dies rückt die Vorgehensweise aber in die Nähe des Modell-Explorierens. Auf die Zulassung von Meßfehler-Korrelationen soll deshalb verzichtet werden. Die auf der Grundlage der Parameter berechnete theoretische Korrelationsmatrix ist nahezu identisch mit der empirischen Korrelationsmatrix. Dies bedeutet nicht, daß die endogenen Konstrukte vollständig erklärt werden.

E. Empirische Ergebnisse

316

der hervorragenden Anpassungsgüte ist die Zuverlässigkeit über das Bestimmtheitsmaß jedoch stark gestiegen. Insgesamt kann also von einer hohen Erklärungskraft des Modells ausgegangen werden. 42 Über die Wirkungen, die sich im Rahmen der vorliegenden Modellstruktur ergeben, gibt die Berechnung der totalen und indirekten kausalen Wirkungen Auskunft (vgl. Tab. 6.6). Der Gesamteffekt des Vorher-Involvements auf das NachherInvolvement hat sich aufgrund der Einfuhrung der Beziehung INTERESSE(V) — > AKTVRG deutlich erhöht. Der direkte Wirkungsanteil gibt das Ausmaß der Stabilität des Involvements wieder. Tatsächlich ist das Niveau des Ausgangs-Involvements fur das Ausmaß der beim Empfanger erzielbaren emotionalen Erlebniswirkung bestimmend.

Modellgüte AGFI =1.0

RMR = .000

Erklärungskraft = .812

Abb. 6.8 Wirkungen bei Einbeziehung des Vorher-Involvements

Die theoretischen Überlegungen zum Zusammenhang zwischen dem Interesse und dem emotionalen Erleben werden durch den hohen Koeffizienten der entsprechenden Strukturbeziehung deutlich bestätigt (.474). Der Schätzwert fur die Beziehung AKTVRG - > INTERESSE(N) hat sich gleichzeitig auf .140 verringert.

317

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedächtnisreaktione

Hohes Interesse schafft günstigere Bedingungen für die aktivierende Wirkung der Kommunikation; das Involvement kann aufgrund dieser Befunde als wichtige Determinante für das Zustandekommen emotional-aktivierender Wirkung werblicher Kommunikation bestätigt werden. Tab. 6.6 Kausale Wirkungen unter Berücksichtigung des Vorher-Involvements TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN Totale Wirkung auf AKTVRG INTERESSE(N)

Variable

PUBLIK DIRKOM DIRKOM 2 INTERESSE(V) AKTVRG

-.149 .307 .307 .474 .000

.040 .404 .533 .678 .140

Indirekte Wirkung auf AKTVRG INTERESSE(N)

.000 .000 .000 .000 .000

-.002 .040 .047 .066 .000

Die Wirkung der Treatment-Variablen auf die Konstrukte "Nachher-Interesse" und "emotionales Erleben" haben sich nur geringfügig mit der Einführung des zusätzlichen Wirkungspfades verringert. Die Gesamtwirkungen der Kommunikationsinstrumente sind deshalb gegenüber dem vorigen Modell unverändert geblieben; insofern bestätigt auch die vorliegende Ergebnisstruktur die Hypothesen über die Hierarchie der Wirkungen der Kommunikationsinstrumente. Die vorliegende Modellstruktur zeichnet sich durch hohe Stabilität aus. Eine Erweiterung des Modells scheint insofern auch aus statistischen Überlegungen praktikabel. Im folgenden Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, welche Wirkungen die Direktkommunikation auf die wahrgenommene Attraktivität des Arbeitsplatzes unter Berücksichtigung der Verflechtungen zwischen aktivierenden und motivierenden Konstrukten ausübt. 5 . H i e r a r c h i e n der W i r k u n g e n a u f die Attraktivität unter Berücksichtigung motivationaler u n d kognitiver Konstrukte

5.7. Wirkungen

unter Berücksichtigung

des Involvements

Die wahrgenommene Attraktivität des Arbeitsplatzes Bundeswehr kann, wie bereits ausgeführt wurde, als generelle emotionale Disposition des Probanden

318

E. Empirische Ergebnisse

aufgefaßt werden. Sie stellt eine affektive und eher grundlegende motivation a l Antriebskraft dar, die aber auch mit einer kognitiven Zielorientierung, ähnlich der Einstellung, verbunden ist. Die Attraktivität läßt sich als präferenzbildende Komponente interpretieren. Es kann deshalb vermutet werden, daß zwischen den auf der motivationalen Ebene angesiedelten Konstrukten Involvement und emotionales Erleben sowie der Attraktivität Interdependenzen vorliegen. Hohes Interesse am Arbeitsplatz Bundeswehr bewirkt eine hohe wahrgenommene Attraktivität. Abb.6.9 gibt den postulierten und in das vorhergehende Modell integrierten Zusammenhang sowie die entsprechenden Ergebnisse wieder.

Modellgüte AGFI = .803

RMR = .040

Erklärungskraft = .820

Abb. 6.9 Wirkungen unter Einbeziehung der Attraktivität

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedächtnisreaktionen

319

Die Modellergebnisse indizieren zunächst eine gelungene Anpassung. Die Erklärungskraft zeugt mit einem Wert von .820 für die Gültigkeit der vorliegenden Modellstruktur. Allerdings lassen sich hohe standardisierte Residuen zwischen den Konstrukten INTERESSE(V) und ATTRAKTIVITÄT nachweisen. Insofern darf der Pfadkoeffizient zwischen INTERESSE(N) und ATTRAKTIVITÄT (.568) nur mit Vorbehalt interpretiert werden. Der Einfluß der Treatments auf die ATTRAKTIVITÄT ist zudem erheblich geringer, als aufgrund der Ergebnisse des regressionsanalytischen Modells (lediglich ATTRAKTIVÄT als endogene Wirkungsgröße) zu erwarten war (vgl. Abb.6.3). Dennoch spricht die Signifikanz der Parameter im Strukturmodell der endogenen Variablen fur die Gültigkeit der vermuteten "Hierachie der Effekte" zwischen aktivierenden und motivierenden Komponenten. Der starke Zusammenhang zwischen dem Nachher-Involvement und der wahrgenommenen Attraktivität indiziert die psychologische Nähe beider Konstrukte. Es liegt deshalb nahe, auch eine ähnlich starke Beziehung zwischen dem Vorher-Involvement und der Attraktivität zu vermuten, zumal das Involvement im Zeitverlauf eine relativ hohe Stabilität aufweist (.672). Dennoch ist es möglich, daß die Kovarianz zwischen Involvement (vorher) und Attraktivität nicht über die Vorher-Nachher-Beziehung des Involvements weitergeleitet wird. Es kann deshalb vermutet werden, daß auch das Involvement (vorher) eine Bestimmungsgröße fur die wahrgenommene Attraktivität darstellt. Abb.6.10 gibt den Zusammenhang wieder. Die Freisetzung der Beziehung Involvement (vorher) — > Attraktivität hat die Modellgüte, insbesondere aber die Anpassungsgüte erheblich verbessert. Es zeigt sich nun, daß die Attraktivität in deutlich höherem Maße von dem Niveau des Involvements vor dem Einfluß werblicher Kommunikation als von dem Nachher-Involvement abhängt. Offensichtlich wird die Attraktivität weniger durch die von werblicher Kommunikation ausgelöste Veränderung des Involvements, sondern in erster Linie von der Ausgangsmotivation und dem direkten Einfluß der Kommunikationsinstrumente bestimmt. Dies bedeutet gleichzeitig, daß die Attraktivität ähnlich der Einstellung nur in begrenztem Umfang durch die hier angewandten Kommunikationsinstrumente werblich steuerbar ist. Einen zentralen Ansatzpunkt zur Steigerung der Attraktivität des Arbeitsplatzes beim potentiellen Mitarbeiter bildet das Interesse. Insofern bestätigt sich einmal mehr die Auffassung, daß die Hauptstoßrichtung werblicher Kommunikation zur Personalgewinnung auf die Steigerung des Involvements im Wege mehrphasiger Ansprachen ausgerichtet sein muß.

320

E. Empirische Ergebnisse

Das Ausmaß des Einflusses der Direkt-Kommunikationsformen auf die wahrgenommene Attraktivität hat sich deutlich erhöht. Der KontaktkettenDirektkommunikation kommt dabei höhere Bedeutung zu, da sie zusätzliche, multiplizierende Wirkungen auslöst.43

Modellgüte AGFI = .999

RMR = .002

Erklärungskraft = .840

Abb. 6.10 Wirkungen unter Berücksichtigung der Beziehung Vorher-Involvement - Attraktivität

4 3

Eine genaue Analyse der totalen und indirekten Wirkungen erfolgt als Abschluß der Modellerweiterungen.

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedchtnisreaktionen

5.2. Wirkungen

321

unter Berücksichtigung des emotionalen Erlebens

Die wahrgenommene Attraktivität des Arbeitsplatzes wird den vorliegenden Befunden zufolge in hohem Maße von der Motivstruktur geprägt. In diesem Zusammenhang soll abschließend der Frage nachgegangen werden, ob auch das Ausmaß emotionalen Erlebens als aktivierende Komponente nicht nur das Involvement, sondern auch die Attraktivität positiv beeinflußt. Zur Prüfung dieser Fragestellung wird in die vorliegende Modellstruktur eine entsprechende Strukturgleichung integriert (Abb.6.11).

Modellgüte AGFI = 1 . 0

RMR = .000

Erklärungskraft = .841

Abb. 6.11 Wirkungen unter Einbeziehung des emotionalen Erlebens 21 Beba

E. Empirische Ergebnisse

322

Die Ergebnisse bestätigen einen schwachen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß emotionaler Aktivierung und wahrgenommener Attraktivität. Bei Konstanz aller anderen Parameterschätzungen, insbesondere fur die Treatments, nimmt der gesamte kausale Einfluß der Kommunikationsinstrumente auf die wahrgenommene Attraktivität des Arbeitsplatzes Bundeswehr, wenn auch in geringem Umfang, zu (Tab.6.7). Eine abschließende Beurteilung der Ergebnisse kann auf der Grundlage der totalen und indirekten Wirkungen vorgenommen werden. Tab. 6.7 Kausale Wirkungen im Modell 6.11 TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN

Variable

PUBLIK DIRKOM DIRKOM 2 INTERESSE(V) AKTVRG INTERESSE(N)

Totale Wirkung auf ATTRAKAKTVRG INTERESSE(N) TIVITÄT -.149 .307 .307 .474 .000 .000

.040 .403 .529 .678 .140 .000

.015 .261 .452 .591 .108 .167

AKTVRG

-.002 .043 .000 .000 .000 .000

Indirekte Wirkung auf INTERATTRAKTIVITÄT ESSE^) -.002 .040 .046 .006 .000 .000

.001 .060 .109 .163 .027

Die unterstellte Hierarchie der Wirkungen psychischer Konstrukte läßt sich mit den Ergebnissen des vorliegenden Modellansatzes nachweisen. Zentrale, einer möglichen Entscheidung nahestehende Konstrukte, wie die Attraktivität, stehen in starken interdependenten Beziehungen zu anderen psychischen Konstrukten der "vorgelagerten" Motivebene. Diese Interdependenzen begrenzen zwar einerseits den Kommunikationserfolg, andererseits lassen sich - bei entsprechender Motivansprache - beträchtliche zusätzliche (indirekte) Wirkungen auf zentrale Konstrukte, wie die Attraktivität, erzielen. Vor allem das Involvement stellt den Befunden zufolge eine wichtige Zielgröße der PersonalMarketing-Kommunikation dar. Der persönlichen Direktkommunikation kommt hierbei eine besondere wirkungsauslösende Bedeutung zu. 5.5. Wirkungen

unter Einbeziehung des

themenbezogenen Kenntnisstandes Die Erhöhung des Kenntnisstandes über spezifische Eigenschaften des Arbeitsplatzes gilt als wichtige Zielgröße fur Personal-Marketing-Kommunikation. Im folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welche Wirkungen sich auf den Kenntnisstand unter Berücksichtigung der "Hierarchie der Wirkungen" der motivationalen Konstrukte ergeben. Hierzu werden die

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedächtnisreaktionen

323

Konstrukte "KENNTNIS" (Vorher) und "KENNTNIS" (Nachher) in die Modellstruktur integriert.

Modellgüte AGFI = .786

RMR = .058

Erklärungskraft = .855

Abb. 6.12a Wirkungen unter Einbeziehung der Kenntnisse (1)

Zunächst soll davon ausgegangen werden, daß, neben der Vorher-NachherRelation der Kenntnisse, Wirkungsbeziehungen zwischen den Treatment-

324

E. Empirische Egebnisse

Variablen und dem Kenntnisstand (analog zum Modell in Abb.6.6) bestehen. Darüber hinaus erscheint es plausibel, daß der Umfang der Kenntnisse über den Arbeitsplatz Bundeswehr dessen Attraktivität beeinflußt. Allerdings trifft man hier auf ein inhaltliches Problem. Umfangreiche Kenntnisse können sowohl attraktivitätsfordernde als auch attraktivitätshemmende Wirkungen implizieren. Eine Zunahme des Kenntnisstandes aufgrund des Kommunikationseinflusses kann sich sowohl auf - im Sinne der werblichen Zielsetzung - positive als auch auf negative Attribute des Berufsfeldes Bundeswehr beziehen. Eine Zunahme überwiegend negativer Kenntnisse dürfte im Gegensatz zu positiven Kenntnissen eine eher attraktivitätshemmende Wirkung haben (vgl. Abb. 6.12a). Die Ergebnisse zeigen, daß die Hypothese zum Einfluß des Kenntnisstandes auf die wahrgenommene Attraktivität nicht aufrechterhalten werden kann, da der Parameter für die Beziehung zwischen beiden Konstrukten nicht signifikant ist. 4 4 Die Parameterberechnungen zwischen den weiteren Konstrukten im Strukturmodell bleiben davon unberührt. Die Unterschiedlichkeit der Wirkungen nicht-persönlicher vs. persönlicher Direktkommunikation läßt sich auch mit dem Treatment-Ansatz 1 zeigen. 45 Stärkeres Involvement führt also nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung des Kenntnisstandes, wenngleich auch aus theoretischen Überlegungen von einer effizienteren Informationsverarbeitung und -speicherung bei hohem Involvement auszugehen ist. Dieser Zusammenhang kann auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnisse nicht bestätigt werden. Eine kenntniserhöhende Wirkung läßt sich dagegen der emotionalen Aktivierung zurechnen. Das Ausmaß des emotionalen Erlebens der Kommunikationssituation beeinflußt signifikant und positiv die Wissensbildung. Dieses Konstrukt stellt allerdings eine direkt von den Kommunikationsinstrumenten beeinflusste Größe dar. Insofern bestehen neben den direkten auch indirekte 4 4

Eine Analyse auf der Grundlage des Treatment-Ansatzes 2 lieferte keine Ergebnisse, da die Matrix aufgrund der zu hohen Zahl von Schätzparametern nicht invertierbar war. Lediglich fur den Treatment-Ansatz 1 konnte eine Lösung berechnet werden.

4 5

Die nur mittelmäßige Anpassungsgüte schränkt allerdings die Aussagekraft der Ergebnisse ein. Zurückzuführen ist sie auf hohe Residuen zwischen dem Umfang der Kenntnisse, über die die Probanden bereits vor dem Kommunikationseinfluß verfugten, und dem Involvement. Zum zweiten treten Residuen zwischen der emotionalen Aktivierung bzw. dem Involvement und den Kenntnissen auf. Die Freisetzung entsprechender Beziehungen (gestrichelte Pfade in der Abb.5/2.12a) zeigt im Ergebnis, daß das Involvement (nachher) auch durch den Kenntnisstand (vorher) positiv stimuliert wird. Es zeigt sich allerdings nicht, daß das Involvement zur Verbesserung des Kenntnisstandes nach erfolgter werblicher Kommunikation beiträgt.

325

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedächtnisreaktionen

Beziehungen zwischen dem Einfluß der Treatments und dem Kenntnisstand (nach erfolgter Kommunikation). Ein Vergleich dieser Effekte kann anhand der Tabelle 6.8 vorgenommen werden.

Tab. 6.8 Kausale Wirkungen auf den Kenntnisstand TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN

Variable

PUBLIK DIRKOM AKTVRG

Totale Wirkung auf AKTVRG KENNTNIS(N)

-.378 .251 .000

.196 .212 .146

Indirekte Wirkung auf AKTVRG KENNTNIS(N)

.000 .000 .000

Abb. 6.12b Wirkungen unter Einbeziehung der Kenntnisse (2)

-.055 .037 .000

E. Empirische Ergebnisse

326

Der relativ hohe (direkte) Einfluß der Publikationen wird durch die indirekte (negative) Beziehung über die emotionale Aktivierung geschmälert. Für die Direktkommunikation sind demgegenüber höhere, über den direkten Effekten liegende Gesamtwirkungen zu verzeichnen. Im Vergleich der totalen kausalen Wirkungen zeigt sich somit, daß die persönliche Direktkommunikation aufgrund der stärkeren emotionalen Aktivierungskraft die Wissensbildung insgesamt ebenso stark fordert wie die nicht-persönliche Direktkommunikation, was als bedeutsam für die Beurteilung der Erfolgsträchtigkeit schriftlicher Direktkommunikation gewertet werden muß. Die Hypothese, derzufolge die persönliche Direktkommunikation stärker als die Publikationen die Bildung von Kenntnissen fördern, kann nicht bestätigt werden. 46 5.4. Wirkungen

unter Berücksichtigung

der generellen Einstellung

Als intervenierender psychischer Größe mit Verhaltensrelevanz kommt der Einstellung besondere Bedeutung zu (vgl. Abschn.5.1). Von besonderem Interesse ist deshalb die Frage, welche Wirkungen der Kommunikationsinstrumente sich unter Berücksichtigung dieses Konstrukts im System der motivationalen Größen ergeben. Zugleich soll geprüft werden, ob die Overall-Einstellung47 einen Erklärungsbeitrag zur wahrgenommenen Attraktivität leistet. Die nunmehr ausgezeichnete Anpassungsgüte indiziert, daß die empirischen Korrelationen mit den Parameterschätzungen für die vorliegende Modellstruktur nahezu vollständig aufgeklärt werden. Es zeigt sich, daß nicht nur für das Involvement, sondern auch für die Einstellung vor erfolgter werblicher Kommunikation prädispositive Einflüsse auf die wahrgenommene Attraktivität verzeichnet werden können. Desweiteren kann man feststellen, daß eine positive Gesamtbewertung des Arbeitsplatzes Bundeswehr das emotionale Erleben der Kommunikationssituation verstärkt. Darüber hinaus wirkt sich die Vorher-Einstellung ebenfalls positiv auf das Nachher-Involvement und die wahrgenommene Attraktivität aus. Anhand der in Tab. 6.9 dargestellten kausalen Wirkungen wird deutlich, daß die "Grundeinstellung" des Empfängers als Rahmenbedingung für das Ausmaß der Wirkungen werblicher Kommunikation gelten kann. Je positiver

4 6

Das Vorliegen einer Beziehung zwischen den Kenntnissen und der wahrgenommenen Attraktivität kann aufgrund mangelnder Signifikanz der Beziehung nicht bestätigt werden. Desweiteren traten in Analysen, bei denen die Kenntnisse als Wirkungsgröße einbezogen wurden, hohe Residuen zwischen Konstrukt und den anderen endogenen Modellgrößen auf.

4 7

Hierzu wird der im Rahmen der Einstellungsanalyse gebildete Multi-Item-Score für die generelle Einstellung herangezogen.

Π. Momentane Reaktionen und dauerhafte Gedächtnisreaktione

327

diese Grundeinstellung ist, desto größer ist auch die Wirkungskraft werblicher Kommunikation auf das System der psychischen Konstrukte.

48

Im Modell in Abb.2.13 sind aufgrund hoher Residuen zwischen der Vorher-Einstellung und der emotionalen Aktivierung, dem Nachher-Involvement bzw. dem Konstrukt Attraktivität entsprechende Pfade freigesetzt worden.

328

E. Empirische Ergebnisse Tab. 6.9 Kausale Wirkungen unter Einbeziehung der Einstellung TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN

Variable

Totale Wirkung auf EINSTELATTRAKTIVITÄT LUNG (N)

Indirekte Wirkung auf ATTRAKEINSTELTIVITÄT LUNG (N)

PUBLIK DIRKOM DIRKOM 2

.014 .294 .448

-.199 .139 .321

.002 .108 .146

-.041 .115 .216

INTERESSE (V) EINSTELLUNG(V) INTERESSE (N) AKTVRG

.508 .291 .163 .125

.233 .389 .282 .269

.114 .104 .082 .125

.233 .000 .000 .041

Der mehrphasigen persönlichen Direktkommunikation kommen besonders hohe Wirkungen zu, da sowohl die direkte Beeinflussung von Attraktivität und Einstellungen, aber auch die indirekte Beeinflussung über die Steigerung des Interesses hierzu beitragen. Die dargestellten Analysen auf der Grundlage von Wirkungshierarchien verdeutlichen die Vielschichtigkeit der Wirkungen von Direktkommunikation. Für die Entwicklung von Personal-Marketing-Strategien ist bedeutsam, daß gemischt informativ-emotionale Kommunikationsformen hohe Wirkungen auf das Personalimage und die Attraktivität des Arbeitgebers entfalten können.

ΠΙ. Wirkung auf das wahrgenommene Risiko

329

I I I . Ergebnisse zur Wirkung auf das wahrgenommene Risiko 1. Das wahrgenommene Risiko als motivationale W i r k u n g s g r ö ß e

Das wahrgenommene Risiko wurde bereits als wichtige motivationale Größe fur die interpersonelle Kommunikation behandelt. Ergänzend soll im vorliegenden Abschnitt das wahrgenommene Risiko als Wirkungsgröße werblicher Kommunikation aufgefaßt werden. Das Bestreben, subjektive Verunsicherungen anläßlich einer Entscheidung zu verringern, gilt als ein zentrales Motiv zur Nutzung persönlicher Kommunikationsquellen. Die Hinwendung zu persönlichen Kommunikationsquellen findet insbesondere in einem fortgeschrittenen Stadium des Entscheidungsprozesses statt, insbesondere wenn Alternativen verglichen werden. 1 Die Frage, ob die Stärke des Risikoempfindens eine spezifische Persönlichkeitseigenschaft ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Allerdings konnten Zusammenhänge zwischen dem Selbstvertrauen bzw. der Persönlichkeitsstärke und der Risikowahrnehmung festgestellt werden. 2 Generell wird das Risikoverhalten auch von Gruppeneinflüssen und kulturellen Faktoren sowie von Faktoren des individuellen Lernens mitbestimmt, auf die aber hier nicht weiter eingegangen wird. Das allgemeine Risiko läßt sich in verschiedene Teilrisiken differenzieren. Für den Kaufentscheidungsprozeß sind dies das finanzielle Risiko, das funktionale (produktbezogene) Risiko und das soziale Risiko.3 Für alle Teilrisiken konnte ein positiver Zusammenhang mit der Intensität der Informationssuche festgestellt werden. 4 Für die vorliegende Untersuchung erscheint aufgrund des Berufswahlbezugs eine andere Differenzierung zweckmäßig. Das funktionale (Entscheidungs-)Risiko bezieht sich auf die erwarteten negativen Konsequenzen (oder unerwartete geringere positive Konsequenzen) der Entscheidung. Für die Berufswahlentscheidung bedeutet dies, daß bestimmte Eigenschaften des potentiellen Berufsfeldes bzw. die Anforderungen, die der Entscheider an diesen Arbeitsplatz stellt, Objekt von wahrgenommenen Risiken

1

2 3

4

In den verschiedenen Stadien des Entscheidungsprozesses treten unterschiedliche Informationsbedürfnisse auf. Vgl. Cox, 1976, S.223ff.und Rogers, 1962, S. 99. Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.362 und Institut für Demoskopie, 1987. Arndt, 1970, S.113 widmete sich der Messung unterschiedlicher Risikogrößen bei einem Produktkauf. Schweiger, Macanec und Wiegele, 1970 aggregierten verschiedene Risiken zu einem Gesamtrisiko. Vgl. Mühlbacher, 1982, S.45 und die dort zitierte Literatur sowie Kroeber-Riel, 1984, S.361 und die dort zitierte Literatur.

330

E. Empirische Ergebnisse

sind. Dieses Entscheidungsrisiko (hinsichtlich einer Verpflichtung bei der Bundeswehr) drückt aus, in welchem Maße der Entscheidende Unsicherheit über die wahrgenommenen möglichen Konsequenzen der Verpflichtung empfindet. Da eine Berufswahlentscheidung unter Berücksichtigimg der eigenen (antizipierten) Wünsche und Fähigkeiten sowie der wahrgenommenen Berufsmerkmale getroffen wird, bezieht sich das Entscheidungsrisiko auf die Konsequenzen, die sich aus einer mangelnden Adäquanz beider Aspekte ergeben können. Neben der mangelnden Übereinstimmung eigener Wünsche und Fähigkeiten und den Berufsmerkmalen könnten sich mögliche (negative) Folgen aus der langen Verpflichtungszeit ergeben, insbesondere, wenn der potentielle Bewerber hierin verringerte Chancen für eine spätere Berufstätigkeit sieht. Als dritte negative Konsequenz kann für die Berufswahlentscheidung Bundeswehr der besondere Aspekt des nicht vorzeitig kündbaren Arbeitsverhältnisses gelten. Diese mangelnde Reversibilität der Berufswahlentscheidung bezieht sich ebenso wie das Risiko der Folgen langer zeitlicher Festlegung nicht auf unmittelbare, sondern nur mittelbare Konsequenzen des Entscheidungsrisikos. Bei allen drei Aspekten können Unsicherheiten beim potentiellen Mitarbeiter über das Eintreten im Fall der Berufsentscheidung unterstellt werden. 5 Als weitere Risikokomponente ist das bereits erwähnte soziale Risiko von Bedeutung; seine Ausprägung gibt Auskunft darüber, in welchem Maße der Entscheider einen Ansehensverlust im sozialen Umfeld befurchtet. 6 Das soziale Risiko ist für die potentielle Verpflichtungsentscheidung bei der Bundeswehr durchaus von Bedeutung; wenn etwa aufgrund der Verpflichtungsabsicht die Akzeptanz in der Bezugsgruppe verringert wird und der Betroffene möglicherweise mit sozialen Sanktionen zu rechnen hat. Wie bereits an anderer Stelle erläutert, fuhrt hohes wahrgenommenes Entscheidungsrisiko zu intensivierter Informationssuche. In diesem ZusamDie Operationalisierung der drei Teilaspekte des Entscheidungsrisikos wurde mit drei Fragen vorgenommen (vgl. Frage 16 im Fragebogen, Anl.l): "Angenommen, Du willst Dich bei der Bundeswehr als Soldat auf Zeit bewerben. Wie hoch schätzt Du das Risiko ein..." a) "Dich für eine lange Zeit beruflich festzulegen?", b) " daß Deine Wünsche und Fähigkeiten nicht berücksichtigt werden?", c) "Deine Bewerbung nicht mehr rückgängig machen zu können?". Als Antwortmöglichkeit wurde jeweils eine fünfstufige Rating-Skala vorgegeben, deren Pole mit den Begriffen "hoch" bzw. "niedrig" verbalisiert wurden. Die entsprechende Frage lautete (vgl. Frage 15 d) im Fragebogen, Anl.l): "Angenommen, Du willst Dich als Soldat auf Zeit bewerben. Wie hoch schätzt Du das Risiko ein, bei Deinen Freunden an Ansehen zu verlieren?"

ΠΙ. Wirkung auf das wahrgenommene Risiko

331

menhang ist auch die Frage relevant, ob bereits die Nutzung von Informationsquellen der Bundeswehr als Risiko erachtet wird. Vor allem in Hinblick auf den Aufbau einer Kontaktkette kann dabei das Risiko, daß der Empfanger bei Nutzung von Bundeswehr-Informationsquellen wahrnimmt, den Dialog fordern oder hemmen. Insofern stellt sich die Frage, ob mit der Informationsvermittlung durch die Bundeswehr seitens der potentiellen Mitarbeiter bestimmte negative Konsequenzen (z.B. Fehlinformationen, unzutreffende oder unwahre Informationen) verbunden werden. Diese Unsicherheiten können als Informationsrisiko, das ein Empfanger bezüglich der nachteiligen Folgen bei Inanspruchnahme von Informationen aus Quellen der Bundeswehr wahrnimmt, definiert werden. Die nachteiligen Folgen dürften in erster Linie im mangelnden Wahrheitscharakter der Informationen liegen. Desweiteren kann als mögliche negative Folge die Befürchtung der Empfänger, daß die Inanspruchnahme von Bundeswehr-Quellen (z.B. Besuch einer BundeswehrEinheit) bereits als Verpflichtungsbereitschaft gewertet wird, gelten.7 Auf eine Verknüpfung der operationalisierten Teilrisiken bzw. eine Aggregation zu einem Gesamtrisiko soll verzichtet werden, da keine Anhaltspunkte über die Art möglicher Zusammenhänge vorliegen und die bislang angewandten Verfahren (z.B. multiplikative Verknüpfung von Teilrisiken zu einem Gesamtrisiko)8 recht fragwürdig erscheinen. Zunächst soll von zwei unabhängigen Dimensionen des Risikos, dem Entscheidungs- und dem Informationsrisiko, ausgegangen werden. Hohe Ausprägungen der beiden Aspekte des Informationsrisikos dürften die weitere Nutzung von Informationsquellen der Bundeswehr und damit den Aufbau von Kontaktketten hemmen. Von hohem Interesse ist aber auch die Beantwortung der Frage, ob die unterschiedlichen Kommunikationsinstrumenterisikoreduzierende Wirkungen ausüben. Direktkommunikation mit persönlicher Ansprache entspricht der Risikoreduzierungs-Strategie des Empfängers (Informationssuche bei persönlichen Kommunikatoren) vermutlich weit eher als nichtpersönliche Direktkommunikation. Aufgrund der anzunehmenden größeren Zentralität des Entscheidungsrisikos im Vergleich zum Informationsrisiko kann eine stärkere 7

Das Informationsrisiko wurde mit Frage 15 a) und b) operationalisiert (vgl. Frage 15 im Fragebogen, Anl.l): "Angenommen, Du willst Dich bei der Bundeswehr über den Dienst als Soldat auf Zeit informieren. Wie hoch schätzt Du das Risiko ein..." a) "... falsch informiert zu werden." und b) "... Dich zu irgendetwas verpflichten zu müssen." Als Antwortmöglichkeit wurde jeweils eine fünfstufige Rating-Skala vorgegeben, deren Pole mit den Begriffen "hoch" bzw. "niedrig" verbalisiert wurden.

8

Vgl. Kroeber-Riel, 1984, S.361.

332

E. Empirische Ergebnisse

Beeinflussungsresistenz des Entscheidungsrisikos beim Individuum vermutet werden. Die Wirkungen auf das Informationsrisiko dürften deshalb vergleichsweise höher sein. Andererseits kann vermutet werden, daß das Entscheidungsrisiko erst nach dem Kommunikationseinfluß aufgrund der "Themen-Sensibilisierung " an Relevanz gewinnt. Ein weiterer risikoreduzierender Effekt kann von der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit der Kommunikationsquellen erwartet werden. Hohe Glaubwürdigkeit dürfte das Informationsrisiko, das bei der Kommunikation durch die jeweilige Quelle wahrgenommen wird, reduzieren. Es kann angenommen werden, daß das Zusammenwirken von hohem Interesse bzw. hohem Involvement und ein hohes wahrgenommenes Risiko das Informationsverhalten erheblich beeinflussen. 9 Die Wirkungsrichtung zwischen den Konstrukten Risiko und Involvement ist weitgehend ungeklärt, man kann vermuten, daß hohes Risiko das Interesse bzw. das Involvement eher dämpft, also ein negativer Zusammenhang besteht. Dieser Zusammenhang soll im empirischen Teil der Arbeit geprüft werden. Zusammenfassend können folgende Hypothesen festgehalten werden: (H 6.1) Je stärker das Risiko der Entscheidung wahrgenommen wird, desto geringer ist das Interesse am Arbeitsplatz Bundeswehr ausgeprägt. (H 6.2) Je stärker das Risiko der Information wahrgenommen wird, desto geringer ist das Interesse am Arbeitsplatz Bundeswehr ausgeprägt. (H 6.3) Hohes wahrgenommenes Entscheidungsrisiko Verhaltens- (Verpflichtungs-) Absicht.

beeinflußt

negativ die

(H 6.4) Persönliche Direktkommunikation kann das wahrgenommene Entscheidungsrisiko stärker als nichtpersönliche Direktkommunikation reduzieren. (H 6.5) Persönliche Direktkommunikation kann das wahrgenommene Informationsrisiko stärker als nichtpersönliche Direktkommunikation reduzieren. (H 6.6) Mehrphasige Direktkommunikation scheidungs- und Informationsrisiko nikation reduzieren. 9

Vgl. Cunningham, 1967, S.272.

kann das wahrgenommene Entstärker als einphasige Kommu-

333

ΠΙ. Wirkung auf das wahgenommene Risiko

Mit den letztgenannten Hypothesen wird unterstellt, daß die Art der werblichen Kommunikation das wahrgenommene Risiko der Information und der Entscheidung beeinflußt. Persönliche Kommunikation wirkt den Hypothesen zufolge in stärkerem Maße risikoreduzierend als nichtpersönliche Kommunikation. Es kann erwartet werden, daß das Risiko der Information in größerem Umfang als das Risiko der Entscheidung beeinflussbar ist. Der letztgenannte Zusammenhang wurde mit der größeren Zentralität (von BerufswahlEntscheidungen) bzw. Bedeutung des Entscheidungsrisikos fur den Probanden begründet. 2 . Deskriptive Befunde

Tab.7.1 gibt die relevanten statistischen Maße für die erhobenen Risiko-Indikatoren wieder: 10 Tab. 7.1 Verteilungsmaße für das Informations-, Entscheidungs- und soziale Risiko Risikovariable (nur Vorher) Maßzahl

Median Mittelwert Standardabweichung Spannweite

Informationsrisiko: Verpflichtung Freunden 2 2.4 1.2 1-5

Soziales Risiko: Ansehen bei Festlegung 1 1.7 0.9 1-5

Entscheidungsrisiko: Berufliche an Bewerbung 3 3.0 1.1 1-5

Entscheidungsrisiko: Gebundenheit

3 3.1 1.2 1-5

Variable Maßzahl

Median Mittelwert Standardabweichung Spannweite

Informationsrisiko (V) Falschinfo. 2 2.5 0.9 1-5

InformationsRisiko (N) F al sc hin fo. 2 2.2 1.0 1-5

Entscheidungsrisiko (V) Fähigkeiten 3 3.9 1.1 1-5

Entscheidungs risiko (N) Fähigkeiten 3 3.0 1.0 1-5

Sowohl das wahrgenommene Risiko der Falschinformation (durch Bundeswehr-Quellen) als auch das Informationsrisiko "Verpflichtung" zeichnen sich durch ein relativ geringes bis mittleres Niveau aus. Offensichtlich stellen die erhobenen Risikoaspekte keine wesentlichen Unsicherheiten für die Proban-

Graphische Darstellungen der Verteüung der vorher und nachher erhobenen Risiko-Indikatoren findet sich in Abb. 2.2, Ani. 2.

334

E. Empirische Ergebnisse

den dar. Dies könnte dem Dialogaufbau und der Dialogfortpflanzung hohe Erfolgschancen einräumen. Bei den drei Indikatoren zum Entscheidungsrisiko zeigen sich schon deutlichere Unterschiede. 11 Vor allem das Risiko der Fehlentscheidung ("die eigenen Fähigkeiten werden bei der Bundeswehr nicht berücksichtigt") fällt mit einem Mittelwert von 3.9 relativ hoch aus. Anscheinend gelingt es aber mittels werblicher Kommunikation diese Risiken zu senken, wie der NachherWert von 3.0 belegt. Eine Sonderstellung nimmt die dritte erhobene Risikokomponente, das soziale Risiko ("Ansehensverlust"), ein. 1 2 Es fällt gegenüber den anderen Risikogrößen sehr gering aus und dürfte damit für die Probanden (noch) relativ bedeutungslos sein. Im folgenden soll zunächst der Frage nachgegangen werden, ob und in welchem Ausmaß die verschiedenen Direktkommunikationsformen das wahrgenommene Risiko beim Empfänger reduzieren können. 3 . D i e W i r k u n g werblicher K o m m u n i k a t i o n a u f das wahrgenommene Risiko

Für die Prüfung der Hypothesen zum risikoreduzierenden Einfluß der Kommunikationsinstrumente bietet sich die Anwendung der Kausalanalyse an. Mit einem einfachen (regressionsanalytischen) Zwei-Wellen-LISREL-Modell soll zunächst der Einfluß der Treatments auf das wahrgenommene Risiko der Information und der Entscheidung ermittelt werden. Abb. 7.1 zeigt die Ergebnisse fur das wahrgenommene Risiko der Information. Die theoretische Korrelationsmatrix paßt sich perfekt an die empirische Korrelationsmatrix an, wie aus den Kriterien zur Anpassungsgüte ersichtlich ist. Die Erklärungskraft dieses einfachen Modells ist mit .237 sehr gering, was auf den Einfluß weiterer, im Modell nicht erfaßter Größen schließen läßt. Diese Vermutung wird auch durch die geringe Stabilität des Informationsrisikos im Zeitverlauf (.455) gestützt. Wenngleich auch die mangelnde Erklärungskraft keine Bestätigung der Hypothesen zur stärkeren Risikoreduktion mittels Direktkommunikation 11

12

Das Entscheidungsrisiko wurde als Unsicherheit über die Berücksichtigung der eigenen (antizipierten) Fähigkeiten und Wünsche durch die Bundeswehr operationalisiert. Als weitere Indikatoren wurden die Risiken, die mit der langen Verpflichtungszeit bzw. mit der mangelnden Reversibilität der Entscheidung verbunden sind, aufgefaßt bzw. operationalisiert.Die beiden letztgenannten Risiko-Indikatoren wurden nur vorher erhoben. Das soziale Risiko wurde ebenfalls nur vorher erhoben.

ΠΙ. Wirkung auf das wahrgenommene Risiko

335

erlaubt, so unterstreichen jedoch die signifikanten Parameterschätzungen die Vermutung über die theoretisch postulierten Zusammenhänge.13 Die Unterschiede zwischen den Koeffizienten der persönlichen Direktkommunikationsinstrumente zeigen, daß die Verringerung des Risikos anscheinend nur im Rahmen einer Kontaktkette gelingt.

Modellgüte AGFI = 1 . 0

RMR = .000

Erklärungskraft = .237

Abb. 7.1 Wirkungen auf das Informationsrisiko

Die zweite Fragestellung bezog sich auf das Risiko der Entscheidung. Abb.7.2 gibt die Ergebnisse eines entsprechenden LISREL-Modells wieder. Die Modellanpassung dieses einfachen Modells ist ebenfalls ausgezeichnet, alle Beziehungen sind signifikant; die Erklärungskraft fallt allerdings mit .299 13

Mittels persönlicher Direktkommunikation läßt sich eine deutliche Reduzierung des Informationsrisikos (-.133 bzw -.364) erzielen, schriftliche Direktkommunikation übt demgegenüber keinenrisikoreduzierenden Einfluß aus (-.012).

336

E. Empirische Ergebnisse

recht bescheiden aus. Auch fur dieses Modell entsprechen die Ergebnisse den theoretisch postulierten Wirkungszusammenhängen: Der risikoreduzierende Einfluß der persönlichen ist im Vergleich zur nicht-persönlichen Direktkommunikation erheblich größer.

Modellgüte AGFI = 1.0

RMR = .000

Erklärungskraft = .299

Abb. 7.2 Wirkungen auf das Entscheidungsrisiko

Interessant ist aber, daß die Stabilität dieser Risikogröße vergleichsweise gering ist. Im Zusammenhang mit der geringen Erklärungskraft des Modells muß deshalb von weiteren, im Modell nicht spezifizierten Bestimmungsgrößen ausgegangen werden, die in erheblichem Maße für die Variation des Entscheidungsrisikos verantwortlich sind. Als eine wichtige Bestimmungsgröße kann in diesem Zusammenhang der Einfluß der interpersonellen Kommunikation gelten, wie bereits in den theoretischen Ausführungen in Abschn.C.III. erwähnt wurde.

ΠΙ. Wirkung auf das wahrgenommene Risiko

337

4. Ergebnisse z u r W i r k u n g a u f das wahrgenommene Risiko unter Berücksichtigung der interpersonellen K o m m u n i k a t i o n

In den theoretischen Überlegungen zum wahrgenommenen Risiko wurde festgehalten, daß Individuen auftretende Dissonanzen und Risiken insbesondere durch Kommunikation mit Mitgliedern ihres relevanten Sozialsystems zu reduzieren versuchen. Hieraus wurden zwei empirische Fragestellungen abgeleitet. Zum einen soll geprüft werden, ob hohe Risikowahrnehmung die interpersonelle Kommunikation stimuliert. Zum zweiten steht die Frage im Vordergrund, ob die Kommunikation mit Personen des Umfeldes auch tatsachlich zu einer Verringerung des wahrgenommenen Risikos führt. Für die Beurteilung der Instrumente der Direktkommunikation ist die Beantwortung dieser Fragen von zentraler Bedeutung, da mit der Stimulierung interpersoneller Kommunikationsprozesse durch werbliche Kommunikation eine zusätzliche risikoreduzierende Wirkung erwachsen kann. Insofern rückt als dritte Fragestellung die Ermittlung und der Vergleich von direkten und indirekten risikoreduzierenden Wirkungen der Kommunikationsinstrumente in den Vordergrund. Im folgenden sollen zunächst die Wirkungen auf das Informationsrisiko untersucht werden. Abb.7.3 gibt die LISREL-Ergebnisse für das entsprechende Modell wieder. Die sehr gute Anpassungsgüte indiziert die formale Gültigkeit des Modells. 14 Mit der Einbeziehung der interpersonellen Kommunikation ist ein Zuwachs an Erklärungskraft von .237 auf .498 zu verzeichnen. Es zeigt sich, daß das Ausmaß zwischenmenschlicher Kommunikation erheblich zur Verringerung des Informationsrisikos beiträgt (-.474). Gleichzeitig wird deutlich, daß der persönlichen Direktkommunikation, insbesondere aber dem zweiphasigen Konzept, beträchtlicherisikoreduzierende Wirkungen zukommen.15 Der risikoreduzierende Einfluß der Treatments setzt sich aus der direkten und der indirekten Wirkung (aufgrund der Stimulation der interpersonellen Kommunikation) zusammen.16 Für DIRKOM bzw. DIRKOM 2 ergeben sich direkte Effekte in Höhe von -.133 bzw. -.364 und nicht unerhebliche indirekte

14

Es ergibt sich ein ausgezeichneter Chi-Quadrat-Wert von 1.51 bei 4 d.f., ρ=.825 und ein GFI = .998.

15

Im Vergleich zum vorhergehenden Modell hat sich der Wirkungskoeffizient der Instrumente fur das Risiko verringert. Dies ist auf die Einführung des Konstrukts "Interpersonelle Kommunikation" zurückzuführen. Die indirekten Effekte RISIKO ergeben sich aus der Multiplikation der Pfadkoeffizienten der Beziehungen zwischen DIRKOM bzw. DIRKOM 2 - - > IPKOM mit dem Pfadkoeffizienten der Beziehung IPKOM ~ > RISIKO.

16

22 Beba

338

E. Empirische Ergebnisse

Effekte in Hohe von -.136 ( = -.474 * .287) für DIRKOM bzw. -.207 ( = .474 * .436) für DIRKOM 2 . 1 7

Modellgüte AGFI = .997

RMR = .033

Erklärungskraft = .498

Abb. 7.3 Wirkungen auf das Informationsrisiko unter Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation

Insgesamt lassen die Befunde eine Bestätigung der Hypothesen zum risikoreduzierenden Einfluß der Direktkommunikation und insbesondere des Kontaktketten-Konzepts zu. Mit der Stimulierung der interpersonellen Kommmunikation lassen sich betrachtliche indirekte Wirkungen erzielen. Das Informa-

17

Die totale kausale Wirkung fur DIRKOM beträgt somit -.250 und für DIRKOM 2 -.571.

ΠΙ. Wirkung auf das wahrgenommene Risiko

339

tionsrisiko läßt sich also in hohem Maße mittels direkter und persönlicher Ansprache durch werbliche Kommunikatoren reduzieren.

Modellgüte AGFI = .855

RMR =.017

Erklärungskraft = .592

Abb. 7.4 Wirkungen auf das Entscheidungsrisiko unter Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation

Analog zur obigen Vorgehensweise soll das erweiterte Modell nun auf das Entscheidungsrisiko bezogen werden. Abb.7.4 gibt die Modellstruktur sowie die Ergebnisse wieder. Die Anpassungsgüte ist hinsichtlich aller Kriterien als ausgezeichnet zu werten. 18 Die Erklärungskraft ist aufgrund der Einbeziehung der interpersonellen Komponente deutlich von .299 (vgl. Abb.7.2) auf nunmehr .592 gestiegen. Den persönlichen Kommunikationsinstrumenten kommt gegenüber den Publikationen ein vergleichsweise hoher risikoreduzierender Einfluß zu, wobei die zweiphasige Direktkommunikation insgesamt den deutlichsten Einfluß auf das Entscheidungsrisiko ausübt. Vergleicht man die Er18

Es ergibt sich ein Chi-Quadrat-Wert von .29 bei 4 d.f. mit p=.996.

E. Empirische Ergebnisse

340

gebnisse mit denen des Modells zum Informationsrisiko, so zeigt sich, daß mittels (persönlicher) werblicher Kommunikation die wahrgenommene Informationsrisiken stärker als die Entscheidungsrisiken reduziert werden können. Begründbar ist dies mit der größeren Zentralitat des Entscheidungsrisikos. Die direkte Wirkung der interpersonellen Kommunikation ist mit -.679 deutlich größer als die der Treatments. Die Reduzierung des Entscheidungsrisikos ist also in erster Linie auf die Kommunikation der Probanden untereinander und erst in zweiter Linie auf die Art der werblichen Kommunikation zurückzufuhren. Für beide Formen der persönlichen Direktkommunikation lassen sich höhere Werte für die indirekten Effekte im Vergleich zu den direkten Effekten ermitteln. Dies zeigt, welche hohe Bedeutung der Aktivierung zwischenmenschlicher Kommunikationsprozesse zukommt.

Modellgüte AGFI = 1.0

RMR = .000

Erklärungskraft = .634

Abb. 7.5 Wirkungen des Entscheidungsrisikos auf die interpersonelle Kommunikation

. Wirkung auf das wahrgenommene Risiko

341

Abschließend soll überprüft werden, ob ein positiver Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Risikos (vor erfolgter werblicher Kommunikation) und der Intensität zwischenmenschlicher Kommunikation besteht. Dieser Zusammenhang beschreibt das theoretisch plausible Phänomen, demzufolge Individuen, die im Rahmen eines Entscheidungsprozesses hohe Risiken wahrnehmen, sich an ihre Mitmenschen wenden, um durch Einholen von glaubwürdigen (oder auch von bestätigenden) Informationen das Risiko zu reduzieren. Die Modellstruktur in Abb.7.4 soll um die entsprechende Beziehung ergänzt werden, um aufzuzeigen, welche Änderungen sich auch unter Berücksichtigung der bisherigen Strukturbeziehungen ergeben. Abb.7.5 gibt die entsprechenden Ergebnisse wieder. 19 Hohes wahrgenommenes Risiko und persönliche Direktkommunikation stimulieren erheblich zwischenmenschliche Kommunikationsprozesse; deren Ausmaß bestimmt letztlich, in welchem Umfang die wahrgenommenen Risiken reduziert werden können. 5. Zusammenfassung

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß Direktkommunikation mit persönlicher Ansprache das Entscheidungsrisiko deutlich und das Informationsrisiko sogar erheblich zu reduzieren vermag. Nicht-persönliche Direktkommunikation übt demgegenüber keine Wirkungen aus. Das Kontaktketten-Konzept verzeichnet die vergleichsweise stärksten Wirkungen hinsichtlich einer Reduzierung von Informations- und Entscheidungsrisiken. Hohe Bedeutung in der Verringerung von wahrgenommenen Risiken kommt allerdings auch der zwischenmenschlichen Kommunikation zu. Direktkommunikation, die zwischenmenschliche Kommunikationsprozesse zu aktivieren vermag, kann hinsichtlich der Risikoreduzierung beträchtliche multiplikatorische Effekte verbuchen. Dies kann in besonderem Maße von mehrphasigen Konzepten mit persönlicher Ansprache erwartet werden. Für das Personal-Marketing ist zu folgern, daß der Entwicklung von Instrumenten zur Steuerung zwischenmenschlicher Kommunikation und zum gezielten Einsatz in sozialen Gruppen hohe Bedeutung zukommt.

19

Die Modellgüte ist aufgrund der Freisetzung dieser Beziehung nochmals verbessert worden. Eine auf das Informationsrisiko bezogene Analyse ergab keine signifikanten Schätzwerte für die Beziehung zwischen Vorher-Risiko und interpersoneller Kommunikation. Es zeigt sich, daß - bei annähernder Konstanz der übrigen Parameterwerte - das Ausmaß des wahrgenommenen Risikos (vorher) signifikant und in erheblichem Maße zum Umfang themenbezogener Gespräche in der Bezugsgruppe beiträgt (.302).

342

E. Empirische Ergebnisse

I V . Ergebnisse zur Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren und Informationsquellen 1. D i e Akzeptanz des Kommunikators als W i r k u n g s voraussetzung und Wirkungsgröße

Vielfach findet man in Arbeiten zur Werbewirkung die Betonung des Konstrukts Akzeptanz des Werbemittels als Indikator fur den Werbeerfolg. Hierunter wird die Zustimmung bzw. das Gefallen des Umworbenen an dem Werbemittel, der Art der Präsentation bzw. der werblichen Gestaltung verstanden, wobei häufig auch eine Gleichsetzung mit der Einstellung zum Werbemittel vorgenommen wird. 1 Hinsichtlich der Dimensionalität der Akzeptanz existieren z.T. sehr verschiedene Befunde, 2 wobei die generelle Anmutung und die Glaubwürdigkeit (des Werbemittels) zwei wesentliche Faktoren der Akzeptanz zu sein scheinen. Die allgemeine Anmutung ist in bezug auf die relevanten Kommunikationsinstrumente der Untersuchung im wesentlichen deckungsgleich mit dem entwickelten Konstrukt "Emotionales Erleben". In der Kommunikationsforschung nimmt das Konstrukt Glaubwürdigkeit eine zentrale Stellung ein. Bemerkenswert ist dabei, daß sowohl die individualpsychologisch orientierte als auch die soziologisch bzw. sozialpsychologisch orientierte Kommunikationsforschung hierin eine wesentliche Bestimmungsgröße des Kommunikationserfolges (der Persuasion) sieht. Die Subjektivität der Glaubwürdigkeit wird mit dem Zusatz "wahrgenommene" Glaubwürdigkeit betont. Grundsätzlich sind die Glaubwürdigkeit des Senders (z.B. die Bundeswehr), des Kommunikationsmediums und der Botschaft voneinander zu unterscheiden. Für den Empfänger ergibt sich aber die Glaubwürdigkeit meist aus dem

In einigen Untersuchungen wurde die Glaubwürdigkeit mit der Einstellung gleichgesetzt. Es erscheint aber problematisch, den Einstellungsbegriff zu verwenden, da die Glaubwürdigkeit als intervenierende Variable die objektbezogene Einstellung beeinflussen kann. Die Einstellung zum Werbemittel wird heute als relativ komplexes Konstrukt diskutiert, dem man sich mit verschiedenen Hypothesen zu nähern versucht. In empirischen Arbeiten konnte festgestellt werden, daß insbesondere unter low-involvement-Bedingungen direkte Wirkungen der Akzeptanz auf das Entscheidungsverhalten nachweisbar sind. Insgesamt sind aber die Befunde eher widersprüchlich, vgl. Neibecker, 1990, S. 230ff. und die dort zitierte Literatur. Vgl. zur Vielfalt der Konstruktdimensionen Neibecker, 1990, S.236 und die dort zitierte Literatur.

I V . Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

343

Gesamteindruck der werblichen Kommunikation; sie wird dann als wahrgenommene Glaubwürdigkeit des Kommunikators bezeichnet. Als Determinanten der Glaubwürdigkeit gelten die wahrgenommene Kompetenz und die Vertrauenswürdigkeit des Kommunikators. Die wahrgenommene Kompetenz, verstanden als Ansehen, das ein Kommunikator als "Experte" genießt, kann sich (1) auf den fachlich-sachlichen Kenntnisstand, (2) auf den sozial-normativen Kenntnisstand (Normenwissen) oder (3) auf den individuell-evaluativen Kenntnisstand (Wertewissen) beziehen.3 Im Rahmen werblicher Kommunikation können auf allen drei Kompetenzebenen Wirkungen erzielt werden; die Kompetenz wird in erster Linie aber weniger der Quelle, sondern eher dem "Präsenter", der in der Werbung dargestellten Hausfrau, dem jungen Aufsteiger, dem "Zahnarzt" oder anderen Präsentertypen zugebilligt. Bei persönlichen Kommunikatoren können grundsätzlich stärkere Effekte auf die wahrgenommene, insbesondere auf die sozialnormative und individuell-evaluative Kompetenz erzielt werden. 4 Positive Beeinflussungswirkungen gehen dann von der Kompetenz aus, wenn das "Kompetenzgefälle" zwischen Quelle und Empfänger nicht übermäßig stark ist; Kommunikatoren, die "nur etwas" dem Empfänger überlegen sind, werden gegenüber deutlich überlegenen Kommunikatoren als fachkundiger erachtet.5 Die Vertrauenswürdigkeit einer Quelle kann als Ausmaß der ihr vom Empfanger zugebilligten Zuverlässigkeit, Echtheit und Aufrichtigkeit in der Informationsvermittlung verstanden werden. Sie hat vielfältige Ursachen, wie Status, wahrgenommene Kommunikations- bzw. Beeinflussungsabsichten sowie die sozialen Beziehungen zwischen dem Kommunikator und dem Empfänger. Die Glaubwürdigkeit wird darüber hinaus auch von spezifischen sozialpsychologischen Faktoren beeinflußt. 6 Es erscheint kaum möglich, diese

3

Vgl. Eurich, 1976, S.76ff.

4

Vgl. Kumpf, 1983, S.325. Mühlbacher, 1982, S.118f. z.B. von der Attraktivität der Quelle (physische Attraktivität und Prestige der Quelle), von der wahrgenommenen Ähnlichkeit, der Häufigkeit der Interaktion mit der Quelle und der Stärke der Beziehungen zur Quelle. Vgl. Gatignon und Robertson, 1986.

5 6

344

E. Empirische Ergebnisse

Einflußgrößen eindeutig entweder der Determinante Kompetenz oder der Determinante Vertrauenswürdigkeit zuzurechnen.7 Werblicher Kommunikation in Massenmedien wird häufig unterstellt, daß deren prädispositive Glaubwürdigkeit relativ gering ist. Die unmittelbare Identifikation der Kommunikation als "Werbung" kann Reaktanz beim Empfänger auslösen, da er die Beeinflussungsabsicht erkennt und antizipiert. Mühlbacher weist der massenmedialen Werbung deshalb grundsätzlich eine relativ geringe Glaubwürdigkeit zu. 8 Bei persönlichen Kommunikatoren kann im allgemeinen eine höhere Glaubwürdigkeit vermutet werden. Von Interesse fur die vorliegende Untersuchung ist deshalb die Frage nach dem unterschiedlichen Ausmaß der Glaubwürdigkeit der Direktkommunikationsinstrumente. Folgende Hypothese soll festgehalten werden: (H 7.1) Persönliche Direktkommunikation verfügt über eine höhere Glaubwürdigkeit als nichtpersönliche Direktkommunikation. Für die vorliegende Untersuchung ist ferner von Interesse, in welchem Maße die wahrgenommene Glaubwürdigkeit die Akzeptanz der Botschaft und damit bestimmte Wirkungsgrößen beeinflußt und ob sich im Rahmen werblicher Kommunikation die Glaubwürdigkeit erhöhen läßt. Hinsichtlich der Wirkung auf das Interesse konnte in verschiedenen Untersuchungen gezeigt werden, daß auch wenig glaubwürdige Quellen Interesse am umworbenen Gegenstand auslösen können; dies gilt insbesondere fur vorwiegend bildliche und emotionale Informationsverarbeitung, bei der der Empfänger weitgehend passiv bleibt.9 In diesem Fall liegt keine bewußte unterstützende kognitive Aktivität, z.B. in Form einer Suche nach Gegenargumenten, vor. Für die Wirkung der Glaubwürdigkeit auf Einstellungen existieren vielfältige empirische Befunde, unter denen der sog. "Sleeper-Effekt"erwähnenswert ist. Hiermit wird das Phänomen bezeichnet, daß auch eine unglaubwürdige

7

Auch nonverbale Kommunikationselemente, wie Augenkontakt, Lächeln, Kopfnicken, bestimmte Gestiken usw. können die Glaubwürdigkeit erheblich beeinflussen. Nonverbale Einflußfaktoren sollen hier nicht weiter vertieft werden, da die Wirkungsmessung bestimmter nonverbaler Verhaltensweisen erst nach umfangreichen Vorbereitungen hinreichend genau kodiert und somit erfaßt werden können. Über die Wechselwirkungen mit bestimmten psychischen Konstrukten liegen recht ungesicherte Erkenntnisse vor.

8

Vgl. Mühlbacher, 1982, S.119.

9

Vgl. Mühlbacher, 1982, S.119f. und die dort zitierte Literatur.

I V . Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

345

Quelle im Zeitverlauf Einstellungsänderungen bewirken kann. 10 Es steht fest, daß die Glaubwürdigkeit einer Quelle im Zeitverlauf nachläßt, ob mm die hemmende Wirkung gering glaubwürdiger Quellen nachläßt oder ob die beeinflussende Wirkung hoch glaubwürdiger Quellen abnimmt. Die Merkmale der Botschaftsgestaltung wie die Art der Ansprache und der Aufbau der Argumentation interagieren mit der Quellen-Glaubwürdigkeit. So kann eine Quelle mit geringer Glaubwürdigkeit ihre beeinflussende Wirkung dadurch erhöhen, indem sie zumindest teilweise eine in Gegensatz zu ihrem Eigeninteresse stehende Position einnimmt bzw. zweiseitige Kommunikation betreibt. Dies fuhrt wiederum zu einer erhöhten Glaubwürdigkeit der Quelle und dadurch zu einer Einstellungsänderung.11 Zusammenfassend kann man als Hypothese formulieren: (H 7.2) Je höher die Glaubwürdigkeit des Kommunikators ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr positiv verändert wird. Neben der direkten Kommunikationswirkung auf bestimmte psychische Konstrukte bestehen auch indirekte Wirkungen, da die Glaubwürdigkeit der Quelle auch das Ausmaß des wahrgenommenen Risikos positiv beeinflussen kann. Insbesondere wenn eine hohe Normen- und Wertekompetenz der Quelle wahrgenommen und ihr hohe Vertrauenswürdigkeit zugebilligt wird, kann das Ausmaß der Entscheidungsunsicherheit verringert werden. Diese Erkenntnis konnte insbesondere fur die persönliche Kommunikation nachgewiesen werden. 1 2 Die Normen- und Wertekompetenz ist bei Kommunikatoren, die der gleichen sozialen Gruppe angehören und somit die gleichen Normen und Werte wie andere Gruppenmitglieder haben, besonders stark ausgeprägt. Bei einer normen- und wertebezogenen Beurteilung des Meinungsgegenstandes kommt den Kommunikatoren eine bewertungsentlastende und die Entscheidungsunsicherheit verringernde Funktion zu. Hierzu lassen sich folgende Hypothesen formulieren:

10

Dies hängt mit der im Zeitverlauf nachlassenden Assoziation bzw. der gedanklichen Trennung zwischen Quelle und Nachricht zusammen. Neuere Untersuchungen konnten aber zeigen, daß die Wirksamkeit dieses Effektes von der individuellen Verfügbarkeit und der Bewertung des relevanten Objektwissens zum Zeitpunkt der Beurteilung abhängt, vgl. Neibecker, 1990, S.261 und die dort zitierte Literatur.

11

Vgl. Mühlbacher, 1982, S.126.

1 2

Brüne, 1989, S.112.

346

E. Empirische Ergebnisse

(ti 7.3) Persönliche Kommunikatoren haben eine höhere Glaubwürdigkeit nicht-persönliche Kommunikatoren.

als

(ti 7.4) Kommunikatoren des sozialen Umfeldes haben eine höhere Glaubwürdigkeit als werbliche Kommunikatoren. Für die vorliegende Untersuchung ist neben der Frage, inwiefern sich verschiedene Informations- bzw. Kommunikationsquellen hinsichtlich des Ausmaßes der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit unterscheiden, weiter von Bedeutung, ob sich nach erfolgter Kommunikation Änderungen in der Glaubwürdigkeit der Direktkommunikationsformen ergeben. Demmnach soll die Glaubwürdigkeit als Wirkungsfaktor der Direktkommunikation aufgefaßt werden: (ti 7.5) Persönliche Direktkommunikation erhöht die Glaubwürdigkeit des Kommunikators stärker als nichtpersönliche Direktkommunikation. ( ti 7.6) Mit Kontaktketten-Konzepten kann die Glaubwürdigkeit des Kommunikators stärker als mit einphasiger Direktkommunikation erhöht werden. Das relative Ausmaß der Glaubwürdigkeit bestimmter Kommunikationsinstrumente kann jedoch nur beurteilt werden, wenn ein Bezug zu anderen, fur den Empfanger relevanten Informationsquellen des Meinungsgegenstandes hergestellt werden kann. Erst dann ist eine Aussage möglich, ob die Glaubwürdigkeit bestimmter werblicher Kommunikationen als hoch oder niedrig einzustufen ist. Dabei ist auch das Ausmaß der Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren des persönlichen Umfeldes zu berücksichtigen. Hierzu muß zum einen der Raum der fur die Empfanger relevanten Kommunikationsquellen zum Thema Bundeswehr abgegrenzt werden, wobei auch Restriktionen hinsichtlich der empirischen Praktikabilität zu berücksichtigen sind. Entsprechend den theoretischen Überlegungen zu den Determinanten der Glaubwürdigkeit erscheint es zwingend, sowohl das Ausmaß wahrgenommener Kompetenz als auch die Vertrauenswürdigkeit der Quellen als Bestimmungsgrößen der Glaubwürdigkeit aufzufassen und in Meßkonzepte umzusetzen. Hierzu wurden zehn hinsichtlich Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit zu bewertende Quellen ausgewählt und operationalisiert. Als Bundeswehrquellen wurden die im Experiment eingesetzten Kommunikatoren ausgewählt ("Jugendoffizier", "Informationshefte der Bundeswehr", "Truppenbesuch bei der Bundeswehr" und "Wehrpflichtige Soldaten"). Als Grundlage für die Auswahl weiterer relevanter Quellen wurden die Ergebnisse der SINUSRepräsentativstudie herangezogen. Demnach werden als wichtige Quellen zum Thema Bundeswehr insbesondere persönliche Kommunikatoren einge-

IV. Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

347

schätzt: die Mitglieder der Peer-Group aufgrund besonderer sozialer Nähe ("Eltern", "Freunde/Freundinnen"), Personen mit hierarchiebegründeter Kompetenz ("Lehrer") und Personen mit persönlicher Erfahrung zum Thema Bundeswehr ("Zivildienstleistende", "Wehrpflichtige"). Auch nichtpersönliche Kommunikatoren sind als Informationsquellen von Bedeutung. Den besonderen medienspezifischen Unterschieden wurde aus forschungsökonomischen Gründen lediglich mit der Differenzierung in audiovisuelle Medien ("Funk und Fernsehen") und Printmedien ("Zeitungen und Bücher") Rechnung getragen. 13 Begrifflich sind die Medien und auch die Publikationen als K o m m u n i k a t i o n s q u e l l e n zu bezeichnen; bei den aufgeführten Personen ist in diesem Zusammenhang von Kommunikatoren auszugehen. Truppenbesuche stellen dagegen eine Mischform dar; sie sind einerseits als Kommunikationsquelle zu bezeichnen, die dort agierenden Personen stellen aber Kommunikatoren dar. 1 4 Zur Beantwortung der Frage, ob persönliche werbliche Kommunikatoren bzw. Kommunikationsquellen über ein höheres Maß an Glaubwürdigkeit als nichtpersönliche werbliche Kommunikatoren verfügen, ist von Bedeutung, welche Unterschiede in der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit die relevanten werblichen und privaten Kommunikatoren (bezüglich des Themas Bundeswehr) aufweisen. Ziel des ersten Analyseabschnitts ist deshalb die Ermittlung der relativen Glaubwürdigkeit der unterschiedlichen Kommunikatoren. In einem weiteren Schritt soll untersucht werden, ob die Glaubwürdigkeit als Wirkungskriterium mit unterschiedlichen Kommunikationsinstrumenten positiv beeinflußt werden kann. Ziel ist hier die Ermittlung der unterschiedlichen Wirkungen der Kommunikationsinstrumente auf die Glaubwürdigkeit. 13

14

Die Operationalisierung von Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit wurde mit Frage 2 bzw. Frage 3 vorgenommen (vgl. Vorher- und Nachher-Fragebogen, Anl.l). Frage 2 lautete: "Wie geeignet sind Deiner Meinung nach folgende Quellen, um sich umfassend und genau über die Bundeswehr zu informieren? (1 = sehr geeignet, 6 = überhaupt nicht geeignet)." bzw. Frage 3: "Für wie vertrauenswürdig hälst Du die nachstehenden Quellen, wenn Du korrekte Informationen über die Bundeswehr haben willst? (1 = sehr vertrauenswürdig, 6 = überhaupt nicht vertrauenswürdig).". Zur Beantwortung beider Fragen wurden den Probanden eine Liste mit den o.a. Quellen vorgelegt. Die Verknüpfung beider Bestimmungsgrößen wird an späterer Stelle behandelt. Den bisherigen Begriffslegungen zufolge unterscheiden sich die genannten Kommunikationen zum einen in der Art der Kommunikation (Massenkommunikation, Direktkommunikation und interpersonelle Kommunikation). Die persönlichen Kommunikatoren sind desweiteren hinsichtlich der sozialen Nähe (nahestehende vs. entfernte Kommunikatoren) unterscheidbar. Als weiteres Differenzierungskriterium kann das Ausmaß der vom Probanden wahrgenommenen Beeinflussungsabsicht gelten. Die genannten Kriterien sind nicht überschneidungsfrei; so können persönliche Kommunikatoren, die eine hohe soziale Nähe aufweisen, gleichsam mit geringen oder auch mit hohen Beeinflussungsabsichten ausgestattet sein (Freunde vs. Eltern).

348

E. Empirische Ergebnisse

Den theoretischen Überlegungen zufolge stellt die Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren und Kommunikationsinhalten eine Determinante fur das Ausmaß von Einstellungsanderungen dar. Dieser Zusammenhang soll fur die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung herangezogenen werblichen Kommunikatoren überprüft werden. Insbesondere aufgrund der beiden letztgenannten Zielsetzungen wurden die Vertrauenswürdigkeit und die wahrgenommene fachliche Kompetenz verschiedener persönlicher und nicht-persönlicher Informationsquellen jeweils vor und nach erfolgter werblicher Kommunikation erhoben. Insgesamt stehen somit 40 Einzelindikatoren der Glaubwürdigkeit zur Verfügung. Ob eine Bedingtheit von Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit vorliegt, ist aufgrund widersprüchlicher empirischer Befunde strittig. Es muß deshalb geprüft werden, ob die auf jeweils einen Kommunikator bezogenen Indikatoren Vertrauenswürdigkeit und Kompetenz unabhängig sind. 15 Da zumindest keine Bedingtheiten nachgewiesen werden konnten, eröffnete sich die Möglichkeit, aus beiden Indikatoren einen Glaubwürdigkeitsindex zu bilden. Zur Operationalisierung dieses Konstrukts wurde eine multiplikative Verknüpfung beider Variablen vorgenommen.16 2 . Ergebnisse z u m Ausmaß der Glaubwürdigkeit der unterschiedlichen K o m m u n i k a t o r e n

Ein Vergleich der prädispositiven Glaubwürdigkeit der Kommunikatoren (Glaubwürdigkeit vor erfolgter werblicher Kommunikation) kann auf der Grundlage der nachfolgenden deskriptiven Ergebnisse vorgenommen werden (vgl. Tab. 8.1). Überraschend ist, daß den Kommunikatoren der Bundeswehr

15

Hierzu wurde mittels der SPSSx-Prozedur PEARSON CORR und NONPAR CORR Pearsonsche Korrelations- bzw. Kendallsche Rangkorrelationskoeffizienten berechnet. Die letztgenannte Prozedur weist den Vorteil auf, daß die Variablen weder Normalverteilung noch Intervallskalen-Niveau aufweisen müssen. In beiden Analysen ergaben sich maximale Korrelationen von .30, wobei keiner der Korrelationskoeffizienten signifikant war (Signifikanzkriterium = 10

16

Begründbar ist dieses Vorgehen mit der Annahme, daß eine sehr geringe Ausprägung bei einer der beiden Determinanten nicht durch eine entsprechend hohe Ausprägung bei der anderen Determinante mit der Wirkung einer eher mittleren Glaubwürdigkeit kompensiert werden kann. Dies wäre bei linear-additiven Verknüpfungen der Fall.Da beide Komponenten anhand von sechsstufigen Skalen gemessen wurden, entstand also für die Variable Glaubwürdigkeit ein Wertebereich von minimal 1 bis maximal 36. Hohe Werte auf beiden Skalen liefern also einen hohen, geringe Skalenwerte einen geringen Glaubwürdigkeitswert.

349

I V . Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

ein sehr hohes Maß an Glaubwürdigkeit zugebilligt wird. 1 7 An zweiter Stelle folgen die Eltern, anschließend die Massenmedien, gefolgt von dem Lehrer. Zivildienstleistende und insbesondere die eigenen Freunde werden fur nur wenig glaubwürdig gehalten.18 Den deskriptiven Befunde zufolge wird den werblichen Kommunikatoren ein hoher Glaubwürdigkeitsvorschuß entgegengebracht wird. Tab. 8.1 Verteilungsmaße der Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren Kommunikator Maßzahl

Publikationen (GL Info)

Median Mittelwert Standardabweichung Spannweite (theoretisch: 1-36)

6.0 6.2 5.0 2-34

Kommunikator Maßzahl

Eltern (GL Eltern)

Median Mittelwert Standardabweichung Spannweite (theoretisch: 1-36) Kommunikator Maßzahl

Median Mittelwert S tandardab weichung Spannweite (theoretisch: 1-36)

17

18

9.0 11.5 7.7 4-36

Funk/ Fernsehen (GL Funk/TV) 12.0 13.9 8.0 2-36

Truppenbesuche (GL Trp)

Jugendoffizier (GL JgdOffz)

Lehrer (GL Lehr.)

4.0 4.5 3.6 1-24

4.0 5.0 4.4 2-33

Freunde

Wehrpflichtige (GL Wehr)

Zivildienstleistende (GL Zivi)

4.0 5.2 4.5 5-36

16.0 16.8 10.6 2-33

(GL Freunde) 20.0 19.6 9.5 4-36

12.0 12.9 6.9 1-33

Zeitung/ Bücher (GL Print) 12.0 13.5 8.2 1-36

Die Aussagen können sowohl auf der Grundlage der Mediane als auch auf der von Mittelwerten getroffen werden. Eine Betrachtung der Verteilungsmaße der Kompetenz- und Vertrauenswürdigkeitsvariablen fuhrt zu dem Ergebnis, daß bei den werblichen Kommunikatoren die hohe Glaubwürdigkeit in erster Linie auf das Ausmaß an wahrgenommener Kompetenz zurückzuführen ist. Genau umgekehrt verhält es sich bei Eltern und auch Freunden; hier wird in erster Linie die Vertrauenswürdigkeit höher als die Kompetenz bewertet.

350

E. Empirische Ergebnisse

Im folgenden soll der Versuch unternommen werden, die zehn Kommunikatoren zu den fünf theoretisch gebildeten Gruppen zu verdichten. Hiermit soll überprüft werden, ob die aus theoretischen Überlegungen zugrunde gelegte Strukturierung eine Differenzierung unterschiedlicher Kommunikatoren hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit zum Thema Bundeswehr hinreichend erklärt. Aus den Ergebnissen sollen Anhaltspunkte für die Bedeutung bestimmter Strukturmerkmale hinsichtlich der Glaubwürdigkeit gewonnen werden. Abschließend soll die Veränderung der Glaubwürdigkeit werblicher Kommunikatoren als Folge des Kommunikationseinflusses analysiert werden. 3 . Ergebnisse z u r S t r u k t u r der K o m m u n i k a t o r e n

Die Überprüfung der theoretisch postulierten Gruppierung der Kommunikatoren mit einem LISREL-Modell 19 ergab zunächst keine bestätigenden Befunde. So ließen sich vor allem die Bundeswehr-Kommunikationsquellen (Jugendoffizier, Truppenbesuch und Publikationen) nicht zu einer Gruppe bündeln. Desweiteren mußten aufgrund geringer Reliabilitäten einige Indikatoren ausgeschlossen werden. 20 Nach mehreren Analysen konnte das in Abb. 8.1 dargestellte Ergebnis erzielt werden. Das Modell zeichnet sich durch eine hinsichtlich AGFI und RMR-Wert sehr gute Anpassungsgüte und eine hohe Erklärungskraft aus. Die vorliegende Faktorenstruktur läßt eine inhaltliche Differenzierung nach der Art der Kommunikation, der sozialen Nähe und dem Ausmaß der intendierten Beeinflussungsabsicht zu. Demnach können persönliche vs. nicht-persönliche Kommunikatoren, sozial nahestehende vs. sozial entfernte Kommunikatoren und auch Kommunikatoren mit gering vs. solche mit hoher perzipierter Beeinflussungsabsicht unterschieden werden. Die hohe positive Korrelation zwischen persönlichen und nicht-persönlichen BundeswehrKommunikatoren deutet darauf hin, daß beide hinsichtlich der intendierten Beeinflussungsabsicht assoziiert sind. Die hohe negative Korrelation zwischen den beiden persönlichen Kommunikator-Faktoren zeigt, daß eine hohe Glaubwürdigkeit der Bezugsgruppe mit einer geringen Glaubwürdigkeit der persönlichen Bundeswehr-Kommunikatoren korrespondiert und vice versa, was an der unterschiedlichen sozialen Nähe liegt.

19

Die Kommunikatorgruppen werden hierzu als latente Konstrukte aufgefaßt. Die Meßmodelle der Konstrukte beziehen sich auf die Glaubwürdigkeitsindikatoren. Hierzu wurden zunächst nur die Vorher-Variablen herangezogen. Dies waren die Glaubwürdigkeitsindikatoren "Zivildienstleistende".

für

"Freunde",

"Lehrer"

und

I V . Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

351

GL Info

GLAUBWÜRDIGKEIT DER MEDIEN

-.160

GLAUBWÜRDIGKEIT PERS. BWKOMMUNIKATOREN

GL Freunde

.849

GLAUBWÜRDIGKEIT DER BEZUGSGRUPPE

.641

GL Eltern

Modellgüte AGFI = .978

RMR = .029

Erklärungskratt = .905

Abb. 8.1 Faktorenanalyse der Kommunikatoren

4. Das Ausmaß der Glaubwürdigkeit unterschiedlicher K o m m u n i k a t o r g r u p p e n

Auf der Grundlage der Faktoren- und Indikatorenstruktur soll nun untersucht werden, welche Unterschiede die Kommunikator-Gruppen hinsichtlich der Glaubwürdigkeit zum Thema Bundeswehr aufweisen. Diese Fragestellung kann methodisch mit dem bereits angewandten Verfahren der Faktorenanalyse zweiter Ordnung beantwortet werden. Hierzu muß ein latentes hypothetisches Konstrukt "Glaubwürdigkeit zum Thema Bundeswehr" als Faktor zweiter

352

E. Empirische Ergebnisse

Ordnung spezifiziert werden, der durch keinen entsprechenden Indikator repräsentiert werden muß. Die Varianz dieses Konstrukts wird aus den Korrelationen der Faktoren erster Ordnung hergeleitet.

Modellgute Erklärungskraft = .868

Abb.8.2 Hierarchische Faktorenanalyse zur Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

Die Faktoren werden im Rahmen der hierarchischen Faktorenanalyse als Dimensionen des latenten Konstrukts "Glaubwürdigkeit zum Thema Bundeswehr" aufgefaßt. Hiermit wird unterstellt, daß sich die Korrelationen zwischen den direkt beobachtbaren Indikatoren auf den Einfluß der latenten Variablen (Kommunikatorgruppen) zurückfuhren lassen, wobei deren Korrelationen wiederum bestimmt werden von dem latenten exogenen Konstrukt "Glaubwürdigkeit". Dieses gewissermaßen "hinter den Dimensionen stehende" Konstrukt übt einen kausal interpretierbaren Einfluß auf die Faktoren

353

I V . Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

aus. 21 Die Erklärungskraft gibt wieder, wie gut diese Faktorisierung unter Einbeziehung von Interkorrelationen gelingt. Das hierarchische Modell läßt sich wie folgt darstellen (Abb.8.2). Die kausal interpretierbaren Pfadkoeffizienten zeigen, daß die werblichen Kommunikatoren der Bundeswehr für das hypothetische Konstrukt "Glaubwürdigkeit zum Thema Bundeswehr" einen relativ hohen Erklärungsbeitrag leisten. Zieht man die deskriptiven Befunde in Tab.8.1 heran, so läßt sich den persönlichen Bundeswehr-Kommunikatoren die - bezogen auf den in der Untersuchung abgegrenzten Kommunikatorenraum - stärkste Glaubwürdigkeit zubilligen. Die Kommunikatoren des persönlichen Umfeldes verfugen demgegenüber nur in geringem Maße an Glaubwürdigkeit. Hiermit bestätigen sich die bei den deskriptiven Befunden aufgezeigten Tendenzen (vgl. Tab. 8.1). In diesem Zusammenhang erscheint es notwendig, nach den Ursachen für die geringe Glaubwürdigkeit des persönlichen Umfeldes zu suchen. Einen Anhaltspunkt liefern die deskriptiven Befunde zur Kompetenz und zur Vertrauenswürdigkeit (Tab. 8.2 und 8.3). Tab. 8.2 Verteilungsmaße der Variablen Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit der werblichen Kommunikatoren

Kommunikator Maßzahl

KOMPETENZ Median % der Nennungen "Sehr geeignet/ geeignet" VERTRAUENSWÜRDIGKEIT Median % der Nennungen "Sehr vertrauenswürdig/ vertrauenswürdig " *

Publikationen

Truppenbesuche

2.0

2.0

2.0

66.6

80.8

78.3

2.0

2.0

2.0

53.9

66.0

65.0

Jugendoffizier

Es zeigt sich, daß die werblichen Kommunikatoren sowohl als vertrauenswürdig, vor allem aber als besonders kompetent eingeschätzt werden. Den Kommunikationsinstrumenten Truppenbesuch und Jugendoffizier wird seitens der Probanden eine besonders hohe Fachkundigkeit zugebilligt (78.3% bzw. 2 1

Im Gegensatz zur Faktorenanalyse stellen die Beziehungen zwischen diesem Konstrukt und den Faktor-Dimensionen keine Faktorladungen, sondern kausale Pfadkoeffizienten dar. Sie drücken die unterschiedlichen relativen Bedeutungen der Faktoren aus. Vgl. zur Vorgehensweise auch die Ausführungen in Abschn.5/1.

23 Beba

E. Empirische Ergebnisse

354

80.8%). Deutliche Defizite, insbesondere hinsichtlich der Sachkompetenz, weisen demgegenüber die Personen des persönlichen Umfeldes auf. Dem Freundeskreis wird praktisch keine fachliche Kompetenz zu Fragen der Bundeswehr attestiert. Deutlich besser wird die Vertrauenswürdigkeit des Umfeldes eingeschätzt, allerdings sind es hier in erster Linie die Eltern, denen man beim Thema Bundeswehr vertraut. Auch den Medien stehen die Probanden skeptisch gegenüber; ihnen wird offensichtlich nur in sehr begrenztem Umfang Fachkundigkeit und Wahrhaftigkeit in spezifischen Fragen zur Bundeswehr zugestanden. Tab. 8.3 Verteilungsmaße der Variablen Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit

Kommunikator Maßzahl KOMPETENZ Median % der Nennungen "Sehr geeignet/ geeignet" VERTRAUENSWÜRDIGKEIT Median % der Nennungen "Sehr vertrauenswürdig/ vertrauenswürdig " *

Eltern

Freunde

Funk/TV

Print

4.0

5.0

3.0

3.0

15.2

3.6

12.1

18.6

3.0

4.0

4.0

4.0

14.7

17.3

16.2

40.5

Ingesamt zeigen die Ergebnisse, daß die werblichen Kommunikatoren der Bundeswehr bei den befragten Schülern einen erheblichen Glaubwürdigkeitsvorschuß genießen; dies gilt fur persönliche Kommunikatoren in besonderem Maße. Das Ergebnis der hierarchischen Faktorenanalyse bestätigt die aufgrund der deskriptiven Ergebnisse vorgenommenen Interpretationen. Die Hypothese, derzufolge persönliche werbliche Kommunikatoren höhere Glaubwürdigkeit als Publikationen besitzen, wird mit den Ergebnissen der hierarchischen Faktorenanalyse bestätigt. 5. Der Einfluß werblicher Kommunikation auf die Glaubwürdigkeit Im vorhergegangenen Abschnitt konnte gezeigt werden, daß die Kommunikatoren sich hinsichtlich ihrer prädispositiven Glaubwürdigkeit deutlich unterscheiden. Von Interesse ist nun die Frage, ob die Glaubwürdigkeit der

I V . Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

355

werblichen Kommunikatoren kommunikationsbedingten Veränderungen unterliegt. Den Ergebnissen der Faktorenanalyse zweiter Ordnung zufolge kommt den Informationsquellen der Bundeswehr eine hohe prädispositive Glaubwürdigkeit zu. Den nachstehenden deskriptiven Befunden zufolge wird ihre Glaubwürdigkeit unter dem Kommunikationseinfluß kaum geschmälert, sondern eher erhöht. Dabei lassen sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Treatments aufzeigen (vgl. Tab.8.4). Nach den Ergebnissen wird die Glaubwürdigkeit jener Kommunikatoren, denen die Probanden im Rahmen der werblichen Kommunikation ausgesetzt waren, nach der Kommunikation höher als vor der Kommunikation bewertet. Die weiteren Kommunikatoren, denen die Probanden nicht ausgesetzt waren, werden dagegen für weniger glaubwürdig gehalten. Tab. 8.4 Glaubwürdigkeit von Kommunikationsquellen der Bundeswehr (Mittelwerte)

Glaubwürdigkeit von Publikationen - Vorher - Nachher Truppenbesuch - Vorher - Nachher Jugendoffizier - vorher - Nachher

PUBLIK

DIRKOM

DIRKOM2

GESAMT

6.8 5.6

6.6 8.0

5.6 6.4

6.2 6.6

4.7 5.3

4.6 4.0

4.4 4.0

4.5 5.2

4.5 5.9

4.8 4.7

4.8 3.1

5.0 5.2

Genauere Aufschlüsse lassen sich aus den deskriptiven Ergebnissen für die wahrgenommene Kompetenz und der Vertrauenswürdigkeit gewinnen (Tab.8.5) Jene Kommunikatoren, denen die Probanden im Experiment ausgesetzt waren, werden nach erfolgter Kommunikation deutlich kompetenter als vorher eingeschätzt. Kommunikatoren, denen die Probanden im Rahmen des Experiments nicht ausgesetzt waren, wird zum zweiten Befragungszeitpunkt geringere Fachkundigkeit attestiert. Den stärksten Kompetenzzuwachs erzielt der Jugendoffizier. Hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit ergibt sich ein deutlich abgeschwächter Effekt (vgl. Tab.8.6). Der Jugendoffizier und der Truppenbesuch gewinnen zusätzliches Vertrauen, allerdings tritt dies nur in der Treatmentgruppe DIRKOM 2 auf. Bei den anderen Experimentalgruppen lassen

E. Empirische Ergebnisse

356

sich keine Steigerungen der Vertrauenswürdigkeit nachweisen. Beim Vergleich mit den Ergebnissen zur Kompetenz läßt sich zumindest auf dieser Analyseebene fur die Vertrauenswürdigkeit keine wesentliche Kommunikationswirkung nachweisen. Tab. 8.5 Wahrgenommene Kompetenz von Kommunikationsquellen der Bundeswehr (Anteil der Nennungen für hohe bzw. sehr hohe Kompetenz)

Kompetenz in % der Nennungen "sehr geeignet/ geeignet"

PUBLIK

Publikationen - Vorher - Nachher Truppenbesuch - Vorher - Nachher Jugendoffizier - vorher - Nachher

DIRKOM

DIRKOM2

GESAMT

52.7 59.7*

64.3 55.7

67.8 64.8

66.6 61.8

76.1 80.6

70.6 77.1**

74.4 83.3*

80.8 77.3

72.1 64.2

80.0 78.1

80.4 89.9**

78.3 74.4

(* = signifikant auf dem 95%-Niveau, * * = signifikant auf dem 99%-Niveau )

Tab. 8.6 Vertrauenswürdigkeit von Kommunikationsquellen der Bundeswehr (Anteil der Nennungen für hohe bzw. sehr hohe Vertrauenswürdigkeit)

Vertrauenswürdigkeit in % der Nennungen "sehr vertrauenswürdig/ vertrauenswürdig " Publikationen - Vorher - Nachher Truppenbesuch - Vorher - Nachher Jugendoffizier - vorher - Nachher

PUBLIK

DIRKOM

DIRKOM2

GESAMT

50.7 53.8

50.0 50.0

55.6 50.8

53.9 52.6

67.2 59.7

60.0 64.3

60.3 69.2*

66.0 66.0

65.7 56.7

64.3 52.9

70.3 76.7*

65.0 62.5

I V . Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

357

Im folgenden sollen mit einem Zwei-Wellen-LISREL-Modell die Hypothesen zum Einfluß der unterschiedlichen Kommunikationsinstrumente auf die Glaubwürdigkeit überprüft werden. Ein Modellansatz, in dem simultan die vollständigen Vorher- und Nachher-Faktormodelle sowie die Treatment-Konstrukte spezifiziert werden, ist aufgrund der technischen Restriktionen 22 nicht möglich. Stattdessen sollen Zwei-Wellen-Modelle jeweils separat für die einzelnen Kommunikatoren aufgestellt und geschätzt werden. 23 Im folgenden werden bei allen Zwei-Wellen-Ansätzen der unterschiedlichen werblichen Kommunikatoren Meßmodelle für die Glaubwürdigkeitskonstrukte aufgestellt, die die Einzelindikatoren Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit umfassen. 24 Abb.8.3 gibt die Modellstruktur und die entsprechenden Ergebnisse für die Direktkommunikationsform Publikationen wieder. Mit der spezifizierten Modellstruktur wird eine sehr gute Anpassungsgüte erzielt. Die Aussagekraft des Modells wird jedoch durch die geringe Erklärungskraft erheblich eingeschränkt. Ein Großteil der Einflüsse auf die Glaubwürdigkeit - nachher liegt außerhalb des Modellraumes. Die Glaubwürdigkeit von Publikationen unterliegt einer starken Veränderung im Zeitverlauf, was durch den relativ geringen Stabilitätswert markiert wird. Lediglich der Treatmentfaktor Publikationen übt einen positiven Einfluß aus. Die geringe Erklärungskraft läßt jedoch eine Bestätigung des vermuteten Zusammenhangs, demzufolge eine Erhöhung der Glaubwürdigkeit von Publikationen diesem Treatment zuzuschreiben ist, nicht zu. 2 5 Die Zwei-Wellen-Analyse der Wirkungen auf die Glaubwürdigkeit persönlicher Kommunikationsinstrumente liefert ein deutlich abweichendes Ergebnis (vgl. Abb.8.4 und 8.5).

2 2

2 3

Bei diesem Ansatz ergaben sich ähnliche Schätzprobleme wie bei den Einstellungen, vgl. Abschn. E.I. Die Aussagen bei dieser Vorgehensweise sind allerdings eingeschränkt, da bei der Faktorenanalyse der Kommunikatorgruppen eine nicht unerhebliche Abhängigkeit der Glaubwürdigkeit der einzelnen Kommunikatorgruppen nachgewiesen wurde.

2 4

Mit diesem Ansatz können die Vorher-Nachher-Veränderungen von Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit dem Einfluß werblicher Kommunikation zugerechnet werden.

2 5

Publikationen sind hinsichtlich der Art der Kommunikation der Kommunikatorgruppe "Medien" ähnlich. Es lag deshalb die Untersuchung der Fragestellung nahe, ob sich ähnliche Ergebnisse zum Einfluß der Treatments auch bei den Medien zeigen. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Massenmedien konnte festgestellt werden, daß nur kein Einfluß der Treatments vorliegt.

358

E. Empirische Ergebnisse

Bei einer ausgezeichneten Modellanpassung (AGFI= .999, R M R = .020) sowie einer unter Berücksichtigung der geringen Variablenanzahl annehmbaren Erklärungskraft attestiert das Modell zur Glaubwürdigkeit von Truppenbesuchen (Abb.8.4) einen deutlichen Einfluß beider Formen persönlicher Direktkommunikation; den Publikationen kommt demgegenüber kein Einfluß zu.

Abb. 8.3 Wirkungen auf die Glaubwürdigkeit von Publikationen

IV. Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

359

Abb. 8.4 Wirkungen auf die Glaubwürdigkeit von Truppenbesuchen

Für das Treatment DIRKOM fallen die Wirkungen dabei etwas höher aus. Desweiteren wird deutlich, daß die Glaubwürdigkeit nach erfolgter Kommunikation in stärkerem Maße von der wahrgenommenen Kompetenz (Faktorladung: .782) repräsentiert wird. Die zufriedenstellende Erklärungskraft bestätigt zumindest tendenziell die Hypothese, derzufolge die Glaubwürdigkeit von persönlichen Kommunikatoren sich im Rahmen der Kommunikation erhöht. In besonderem Maße ist hierfür die hohe wahrgenommene Kompetenz persönlicher Quellen maßgebend. Es zeigt sich, daß für das Kommunikationsinstrument Truppenbesuch die bestehenden hohen "Glaubwürdigkeitsvorschüsse" im Rahmen des werblichen Kontakts mit die-

360

E. Empirische Ergebnisse

ser Quelle noch gesteigert werden können. Die hohe Glaubwürdigkeit sowie die positiven kommunikativen Wirkungen auf die Glaubwürdigkeit von Truppenbesuchen sind als wichtiger Erfolgsfaktor fur die wirksame Vermittlung von Kommunikationsinhalten anzusehen.

Modellgüte AGFI = .994

RMR = .023

Erklärungskraft = .397

Abb.8.5 Wirkungen auf die Glaubwürdigkeit von Jugendoffizieren

Die Ergebnisse des entsprechenden Modells fur das Kommunikationsinstrument Jugendoffizier können nur zum Teil diesen Zusammenhang bestätigen (Abb. 8.5). Trotz sehr guter Anpassungsgüte ist die Erklärungskraft des Modells eher bescheiden, was auf die geringen kausalen Wirkungen der Treatments PUBLIK und DIRKOM zurückzufuhren ist. Lediglich fur das Treatment DIR-

I V . Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

361

KOM 2 werden hohe positive Wirkungen ermittelt. Insofern decken sich die Befunde der bisherigen Analysen, da eine positive Wirkung auf die Glaubwürdigkeit eines Kommunikators stets in der Experimentalgruppe auftritt, die dem Einfluß des betreffenden Kommunikators auch ausgesetzt war. Die Unterschiede in den Faktorladungen spiegeln die deskriptiven Befunde, nach denen fur die Glaubwürdigkeit des Jugendoffiziers in höherem Maße seine Kompetenz statt seine Vertrauenswürdigkeit maßgebend ist, wider. Zumindest tendenziell wird die Hypothese, nach der die Glaubwürdigkeit von Jugendoffizieren durch dessen werbliche Aktivität erhöht wird, bestätigt. Faßt man die vorliegenden Befunde zur Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren zusammen, so kann festgestellt werden, daß den werblichen Kommunikatoren insgesamt ein relativ zu den in die Untersuchimg einbezogenen Kommunikatoren hohes Maß an Glaubwürdigkeit entgegengebracht wird. Persönlichen werblichen Kommunikatoren kommt ein höheres Maß an Glaubwürdigkeit als nichtpersönlichen Kommunikatoren zu. Eine glaubwürdigkeitserhöhende Wirkung aufgrund des werblichen Kontakts kann - und dies lediglich tendenziell - nur für die persönlichen Kommunikatoren nachgewiesen werden. Möglicherweise ist ein einmaliger Kontakt nicht ausreichend, um deutliche Wirkungen auf die Glaubwürdigkeit zu erzielen. Als Indiz hierfür kann das Ergebnis gewertet werden, demzufolge das Kontaktketten-Konzept höhere Wirkungen als der Truppenbesuch erzielt. Dennoch müssen die vorliegenden Befunde nicht zuletzt auch aus pragmatischen Gesichtspunkten unbefriedigend bleiben, da bislang noch nicht die Frage beantwortet wurde, inwiefern ein kommunikationsbedingtes höheres Maß an Glaubwürdigkeit auch zu werblichen Erfolgen führt. In diesem Zusammenhang gewinnt besonders die Frage nach der (positiven) einstellungsändernden Wirkung als Folge erhöhter Glaubwürdigkeit an Relevanz. Diese Frage soll im nächsten Abschnitt beantwortet werden. 6. Die Glaubwürdigkeit als Wirkungsfaktor von Einstellungsänderungen Für die Analyse des vermuteten Zusammenhangs zwischen Glaubwürdigkeit und Einstellung muß berücksichtigt werden, daß Einstellungsänderungen theoretisch auch unabhängig von der Glaubwürdigkeit der Quelle eintreten können. 26 Hohe Glaubwürdigkeit ist keine zwingende Voraussetzung für Einstellungsänderungen. Modelltechnisch bedeutet dies, daß die Treatments neben indirekten Einstellungswirkungen (über die Kette Treatment — > Glaubwürdigkeit — > 2 6

Vgl. Mühlbacher, 1982, S.122f.

362

E. Empirische Ergebnisse

Einstellung) auch direkte, von der Glaubwürdigkeit unabhängige Wirkungen auf die Einstellung ausüben. Zunächst soll der Einfluß der Glaubwürdigkeit auf die Einstellung fur das Kommunikationsinstrument Publikationen überprüft werden. Abb.8.6 gibt die Modellergebnisse wieder.

Modellgüte AGFI = .994

RMR = .008

Erklärungskraft = .645

Abb.8.6 Der Einfluß der Glaubwürdigkeit von Publikationen auf die Einstellung

Das Modell weist eine ausgezeichnete Anpassungsgüte auf. Mit der Einführung der Einstellungskonstrukte und der entsprechenden Beziehungen hat sich die Erklärungskraft gegenüber dem Modell ohne Einstellungen beachtlich erhöht. Die Wirkungskoeffizienten für die Treatmenteinflüsse entsprechen denen der separaten Modelle für die Glaubwürdigkeit bzw. die Einstellung. Dies spricht für eine hohe Stabilität der Lösung.

I V . Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren

363

Ein entsprechender Modellansatz fur die Glaubwürdigkeit von Truppenbesuchen fuhrt zu den folgenden, in Abb.8.7 dargestellten Ergebnissen.

Abb.8.7 Der Einfluß der Glaubwürdigkeit von Truppenbesuchen auf die Einstellung

Die Glaubwürdigkeit von Truppenbesuchen stellt einen - wenn auch nicht sonderlich hohen - Wirkungsfaktor fur die Einstellung dar. 2 7 Den persönlichen Kommunikationsinstrumenten erwachsen hieraus zusatzliche indirekte Wirkungen (.141 fur DIRKOM und .123 fur DIRKOM 2) der positiven Ein2 7

Eine auf die Glaubwürdigkeit von Publikationen bezogene Analyse zeigte, daß der Einfluß der Glaubwürdigkeit von Publikationen auf die Einstellung nur gering ist (.155). Auch bei dem Kommunikator Jugendoffizier fiel der Wirkungskoeffizient mit .207 nicht sonderlich hoch aus.

364

E. Empirische Ergebnisse

Stellungsänderung. Dennoch zeigt auch dieses Ergebnis, daß die aufgetretenen Einstellungsänderungen in erster Linie dem direkten Einfluß der Treatments, also weitgehend unabhängig vom Ausmaß der wahrgenommenen Glaubwürdigkeit, zuzurechnen sind. Zusammenfassend kann die Hypothese, dergemäß die Glaubwürdigkeit einen Wirkungsfaktor der Einstellung darstellt, lediglich tendenziell bestätigt werden. Ein vergleichsweise hoher positiver Einfluß auf die Einstellung kommt der Glaubwürdigkeit bei persönlichen Kommunikatoren zu. Hier können begrenzte zusätzliche Einstellungswirkungen erzielt werden, wenn der entsprechende Kommunikator als besonders glaubwürdig eingeschätzt wird. Die Befunde zeigen, daß Einstellungsänderungen auch ohne hohe Glaubwürdigkeit der Kommunikatoren eintreten können. Dies indizieren die vergleichsweise hohen direkten Wirkungen der Treatments auf die Einstellung.28 Für die vorliegende Untersuchung kann deshalb davon ausgegangen werden, daß eine hohe Glaubwürdigkeit des Kommunikators keine zwingende Voraussetzung für Einstellungsänderungen ist.

2 8

Mit der Spezifikation eines jeweils zusätzlichen Pfades GLAUBWÜRDIGKEIT (VORHER) - > EINSTELLUNG (NACHHER) wurde in weiteren Analysen der Frage nachgegangen, ob die hohe prädispositive Glaubwürdigkeit der werblichen Kommunikatoren direkt die Einstellung beeinflußt. Dieser Zusammenhang konnte nicht bestätigt werden.

V . Wirkungen auf verhaltensbezogene Größen

365

V. Ergebnisse zu den Wirkungen auf verhaltensbezogene Größen Zielsetzung des vorliegenden Analyseabschnitts ist die Ermittlung von Wirkungen der Direktkommunikation auf bestimmte verhaltensbezogene Größen. Gleichzeitig soll auch der Frage nachgegangen werden, in welchem Maße die zwischenmenschliche Kommunikation bestimmte Verhaltensweisen im Sinne der werblichen Zielsetzung positiv zu stimulieren vermag. Dem theoretischen Bezugsrahmen folgend werden als fur die Untersuchung relevante verhaltensbezogene Größen die Verhaltensabsicht, das Informationsverhalten und das interpersonelle Kommunikationsverhalten aufgefaßt. Zunächst soll auf diese Konstrukte näher eingegangen werden. 1. Verhaltensabsichten und -reaktionen als Kriterien der Kommunikationswirkung Empirischen Befunden zufolge ist die Erklärungskraft von Einstellungen fur das Verhalten recht bescheiden. Sie läßt sich jedoch erheblich verbessern, wenn man die Verhaltensabsicht als abhängige, "Zwischengeschäfte" Größe heranzieht.1 Letztere dient als Prädiktor fur das tatsächliche Entscheidungsverhalten, sofern dessen Heranziehung aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich ist. Unter Verhaltensabsichten können Bereitschaften von Individuen verstanden werden, unter Berücksichtigung spezifischer situativer und zeitlicher Einflüsse eine bestimmte Verhaltensweise (bzw. -alternative) zu wählen.2 Diese innere Bereitschaft entsteht aus der Einstellung und kommt unter der gedanklichen Antizipation von Einflußgrößen zustande, die über die Einstellung hinaus individuell relevant sind. Dies können bspw. spezifische Kenntnisse über die Verfügbarkeit, finanzielle Restriktionen, besondere Ereigniserwartungen oder auch der antizipierte soziale Druck - als Eindruck einer Verhaltenskonsequenz3 - sein. Demnach kann die Verhaltensabsicht auch als Einstellung zu einem bestimmten Verhalten aufgefaßt werden. Wenngleich auch die Abgrenzung zwischen Einstellung und Verhaltensabsicht in theoretischer Hinsicht nicht eindeutig ist, weist diese Differenzierung unter empirischen Aspekten gegenüber einem die Verhaltensdisposition

1

Vgl. auch Neibecker, 1990, S.248 und die dort zitierte Literatur.

2

Vgl. Fishbein und Ajzen 1972, S.lff; Müller-Hagedorn 1986, S.79ff. Vgl. Steffenhagen, 1984a, S.55.

3

366

E. Empirische Ergebnisse

umfassenden Einstellungskonstrukt und gegenüber einem die Einstellung und das Verhalten differenzierenden Beziehungsmodell Vorteile auf. Zum einen wird die Ermittlung multikausaler Abhängigkeiten ermöglicht; zum anderen können die das tatsächliche Verhalten beeinflussenden "Störgrößen" durch die Einbeziehung der Verhaltensabsichten statt des Verhaltens konstant gehalten werden. 4 In diesem Fall können in empirischen Untersuchungen fur die Verhaltensabsichten signifikant erklärende Wirkungen der Einstellungen erwartet werden. Die Beziehung zwischen der Verhaltensabsicht und dem tatsächlichen Verhalten ist jedoch nur dann sehr stark, wenn eine vollständige Antizipation der Einflußgrößen durch das Individuum vorgenommen werden kann.5 Insgesamt betrachtet muß man davon ausgehen, daß die empirisch meßbare Erklärungskraft von Einstellungen für die Verhaltensabsichten und insbesondere für das tatsächliche Verhalten sich bestenfalls im mittleren Bereich bewegen kann, da die angeführten Bedingungen in der Realität nur eingeschränkt Geltung erlangen bzw. in der Empirie nicht vollständig kontrollierbar sind. Die in einigen empirischen Untersuchungen (zumeist im Konsumgüterbereich) nachgewiesene umgekehrte Beziehung des Einflusses von Verhaltensgrößen auf die Einstellungen (low-involvement-Hierarchie) dürfte für die vorliegende Untersuchung grundsätzlich nur von eingeschränkter Bedeutung sein, da dieser Zusammenhang überwiegend für Entscheidungssituationen gilt, in denen Individuen gewohnheitsmäßig oder spontan bzw. impulsiv (mit geringer Involviertheit) entscheiden. Berufswahlentscheidungen dagegen können als stärker involvierende Prozesse aufgefaßt werden. Insofern kann der als prädispositive Berufswahlentscheidung zu operationalisierenden Größe "Verhaltensabsichten gegenüber dem Arbeitsplatz Bundeswehr" durchaus ein mittleres bis hohes Niveau an willentlicher Steuerung unterstellt werden. Andererseits kann vermutet werden, daß die Einstellungen zum Arbeitsplatz Bundeswehr vor dem Kommunikationeinfluß nur von geringer Zentralität sind. Dies würde bedeuten, daß auch die Stärke der die Verhaltensabsichten

In diesem Fall unterstellt man allerdings, daß die Individuen in der Lage sind, alle zum Entscheidungszeitpunkt relevant werdenden Entscheidungsgrößen und deren Eintritts Wahrscheinlichkeit zu antizipieren. Dies beinhaltet die Unterstellung der Kontinuität der Handlungssituation, ein hohes Maß an kognitiver Kontrolle des Verhaltens bzw. eine geringe Beeinflussung des Verhaltens durch spezifische Reizkonstellationen (z.B. am Ort des Verkaufs), wie es für impulsives KaufVerhalten zutrifft. Als Bedingungen hierfür werden von Mühlbacher (1982, S.169) die besondere Spezifität von Verhaltensabsicht und Verhalten, die Konstanz der Verhaltensabsicht nach der Messung sowie ein geringer zeitlicher Abstand zwischen der geäußerten Verhaltensabsicht und dem tatsächlichen Verhalten genannt. Diese Bedingungen können in der Realität als kaum erfüllt gelten.

V . Wirkungen auf verhaltensbezogene Größen

367

steuernden Wirkung der Einstellungen aus Gründen der zu vermutenden geringen Einstellungsreife nicht sehr hoch ist. Allerdings kann man annehmen, daß nach erfolgter Kommunikation die Einstellungsreife und somit die Relevanz der Einstellungen fur die Verhaltensabsicht zunimmt. Auf die Einbeziehung des tatsachlichen Verhaltens (Berufswahl Bundeswehr) als Kriterium der Wirkung werblicher Kommunikation muß verzichtet werden, da der zeitliche Abstand6 zwischen der Messung der Verhaltensabsichten und der zukünftigen tatsächlichen Entscheidung zu groß ist, um das Störgrößenumfeld zu kontrollieren. Zusammenfassend können folgende Hypothesen formuliert werden: 7 (H 8.1) Die Verhaltensabsichten (vor dem Kommunikationseinfluß) üben eine positive Wirkung auf die Einstellungen (nach dem Kommunikationseinfluß) im Sinne der low-involvement-Hierarchie aus. (H 8.2) Persönliche Direktkommunikation beeinflußt stärker als nichtpersönliche Direktkommunikation die Verhaltensabsicht. (H 8.3) Mehrphasige Direktkommunikation beeinflußt stärker Direktkommunikation die Verhaltensabsicht.

als einphasige

Als relevante Kriterien der Kommunikationswirkung sind über das Entscheidungsverhalten hinaus theoretisch viele Verhaltensdimensionen denkbar. Es erscheint allerdings sinnvoll, nur jene Verhaltenskriterien als Wirkungsgrößen aufzufassen, die erstens als Kommunikationsziele im Vordergrund der werblichen Kommunikation stehen und zweitens einer empirischen Erfassung zugänglich sind.8

Die zeitliche Distanz zwischen Einstellungsmessung und tatsächlichem Verhalten übt einen signifikanten Einfluß auf die Stärke der Beziehung aus, vgl. Benninghaus, 1976, S.288. Die Hypothesen in denen die Verhaltensabsicht als Wirkungsgröße weiterer psychischer Konstrukte aufgefaßt wurde, sind in den vorausgegangenen Abschnitten bereits formuliert worden. In den einschägigen Literaturbeiträgen sind empirische Arbeiten zur Wirkung von Kommunikation auf spezifische Verhaltensausprägungen zumindest unter Einbeziehung komplexer Modellstrukturen unterrepräsentiert. Vermutlich spielen hierfür auch methodische Gründe eine Rolle, denn für die Ermittlung des Wirkungsbeitrages werblicher Kommunikation bezüglich spezieller Verhaltensweisen ist sowohl die Modellierung als auch die Analyse der multikausalen Zusammenhänge aller das Verhalten beeinflussenden Faktoren erforderlich. Die empirische Zugänglichkeit aller Faktoren ist aber aufgrund vielfaltiger Meßprobleme erheblich eingeschränkt.

368

E. Empirische Ergebnisse

Für die Fragestellungen der vorliegenden Untersuchung ist das Informationsverhalten und das Kommunikationsverhalten von besonderem Interesse. Das Informationsverhalten kann als eine wichtige Zielgröße für die werbliche Kommunikation des Personal-Marketing angesehen werden; gelingt es, mit spezifischen werblichen Aktivitäten das Informationsverhalten (z.B. in Form von eigenständigen Informationsbeschaffungsaktivitäten) zu stimulieren, wird der Kontaktketten-Aufbau und damit die Möglichkeit zum weiterfuhrenden Dialog mit der Zielgruppe wesentlich erleichtert. Außerdem stellt die Nutzung weiterer Informationen durch die Zielgruppe einen erneuten werblichen Anstoß dar, von dem gemäß dem theoretischen Bezugsrahmen verschiedene Wirkungen auf die relevanten psychischen Konstrukte erwartet werden können. Schwierig zu beantworten ist die Frage, ob das tatsächliche Informationsverhalten eine Einflußgröße für die Absicht, die Bundeswehr als Berufsfeld zu wählen, darstellt oder ob eher die Verhaltensabsicht den potentiellen Bewerber motiviert, sich über das Berufsfeld Bundeswehr näher zu informieren. So kann das Informationssuchverhalten zwar als Indikator für die Absicht, sich möglicherweise bei der Bundeswehr zu bewerben, gewertet werden. Da allerdings die Berufsentscheidung ein über einen längeren Zeithorizont andauernder Prozeß ist, können durchaus Wechselwirkungen auftreten. Wenn es nämlich aufgrund der eingeholten Informationen zu einer Verstärkung der Entscheidungsabsicht kommt, dürften hiervon weitere Impulse auf das Informationsverhalten ausgehen. (H 8.4) Die Berufswahlabsicht (Verhaltensabsicht) beeinflußt Verhalten gegenüber Bundeswehr-Informationen.

positiv

das

Hinsichtlich der Wirkungen der Kommunikationsinstrumente und des Zusammenhangs mit der Verhaltensabsicht können folgende Hypothesen formuliert werden:9 (H 8.5) Persönliche Direktkommunikation übt einen stärkeren Einfluß auf das Informationsverhalten als nicht-persönliche werbliche Kommunikation aus. (H 8.6) Mehrphasige Direktkommunikation übt einen stärkeren Einfluß das Informationsverhalten als einphasige Kommunikation aus.

Die Hypothesen zur Wirkung weiterer psychischer Konstrukte auf das Informationsverhalten sind in den vorangegangenen Abschnitten bereits formuliert worden.

auf

V . Wirkungen auf verhaltensbezogene Größen

369

Die diskutierten Konstrukte wurden mit den Variablen - Haltung (vorher), - Haltung (nachher), - Informationsverhalten (Couponnutzung) und - interpersonelle Kommunikation10 operationalisiert. Die Indikatoren Haltung (v) und Haltung (n) sollen das potentielle, vom Probanden zu den Befragungszeitpunkten (vor bzw. nach dem Kommunikationseinfluß) antizipierte Verhalten hinsichtlich einer Berufswahl Bundeswehr (Verhaltensabsicht) gemessen werden. 11 Als reine Verhaltensgröße ist dagegen das Informationsverhalten aufzufassen. Als Indikator fur das Informationsverhalten wurde die Nutzung eines den Probanden angebotenen Informationscoupons ausgewählt. Die Couponnutzung kann als "echte" Verhaltensgröße gewertet werden. 12 Zum einen indiziert die Abgabe des Coupons ein tatsächlich aufgetretenes Verhalten, das dem Kommunikationseinfluß zumindest mittelbar zugerechnet werden kann. Zum anderen kann diese Variable als Indikator fur ein tatsächlich geäußertes Informationsinteresse gewertet werden, da die Probanden den Coupon als Dialoginstrument zur Anforderung von weiteren Informationen zum Thema Bundeswehr genutzt haben. 2. Ergebnisse zur Wirkung auf die Verhaltensabsicht Bei der Verhaltensabsicht läßt sich insgesamt eine nur geringe Erhöhung der Verpflichtungsbereitschaft erkennen. Wesentlich aussagekräftiger sind dagegen die Befunde, wenn man sie auf die einzelnen Experimentalgruppen bezieht (vgl. Tab. 9.2). Hier zeigt sich, daß nur in den persönlichen Treat-

10

Vgl. Abschn. C.III.4.

11

Zur Operationalisierung des Konstrukts Verhaltensabsicht wurde folgende Frage (vgl. Frage 12 im Fragebogen in Anl.l) formuliert: "Es gibt verschiedene Möglichkeiten für die Haltung, die ein junger Mann oder eine junge Frau gegenüber dem Wehrdienst bei der Bundeswehr haben kann. Welche dieser Möglichkeiten steht Deiner Meinung am nächsten?" Als Antworten wurden fünf mögliche Haltungen vorgegeben, die sich hinsichtlich ihrer Nähe zur Verpflichtungsabsicht (also Entscheidung für das Berufsfeld Bundeswehr) voneinander unterscheiden. Die Antwortmöglichkeiten bilden eine ordinale Rangfolge auf einem Kontinuum zunehmender Bereitschaft für den Wehrdienst.

12

Hierzu wurde den Probanden ein Antwortcoupon übersandt, der die Teilnahme an einem Gewinnspiel ermöglichte. Auf den frei frankierten Anwortcoupons konnten die Probanden folgende offene Fragen beantworten (vgl. Ani.): "1. Was gefiel dir gut?", "2. Was gefiel dir weniger gut?" und 3."Worüber möchtest Du mehr wissen?". Mit Frage 3 sollte erfaßt werden, ob ein Informationsinteresse besteht und auf welche Informationsgegenstände es sich richtet.

24 Beba

370

E. Empirische Ergebnisse

ments positive Veränderungen nach erfolgter werblicher Kommunikation auftreten. Die Verpflichtungsbereitschaft hat sich insbesondere in DIRKOM 2 deutlich erhöht. So haben in dieser Experimentalgruppe insgesamt 43.5% der Probanden ihre Verhaltensdisposition positiv verändert; bei lediglich 17.3% der Probanden hat sich eine negative, d.h. distanziertere Haltung zur Berufswahlmöglichkeit Bundeswehr ergeben.

Tab. 9.1 Verteilungsmaße der Variablen Verhaltensabsicht

Treatment Maßzahl

Median Mittelwert Standardabweichung Spannweite

PUBLIK

DIRKOM

DIRKOM2

2/2 2.7/2.7 1.0 1-5

3/3 2.6/2.7 1.1 1-5

3/4 2.4/3.3 1.1 1-5

KONTROLLGRUPPE 3/3 2.6/2.6 1.3 1-5

Tab. 9.2 Verteilungsmaße der Variablen Verhaltensabsicht (Vorher/Nachher)

Variable Maßzahl

Median Mittelwert* Standardabweichung Spannweite

Haltung (Vorher)

Haltung (Nachher)

3 2.3 1.1 1-5

3 2.8 1.1 1-5

( signifikant auf dem 90 % -Niveau)

Um genaueren Aufschluß über das Ausmaß der relativen Wirkungen der Treatments auf die Verhaltensabsicht zu erhalten, wird ein einfaches ZweiWellen-LISREL-Modell aufgestellt. Die Beziehung Verhaltensabsicht (vorher) ~ > Verhaltensabsicht (nachher) repräsentiert das Ausmaß der Stabilität dieses Konstrukts. Gleichzeitig wird die Verhaltensabsicht (nachher) als von den Treatments beeinflußt angenommen. Abb. 9.1 gibt die Modellergebnisse wieder.

V . Wirkungen auf verhaltensbezogene Größen

371

Modellgüte AGFI = 1.00

RMR = . 0 0

Erklärungskraft = .718

Abb. 9.1 Wirkungen auf das intentionale Entscheidungsverhalten

AGFI und RMR drücken zwar eine perfekte Globalanpassung aus, 13 dennoch zeigen die Befunde, daß die Varianz des Konstrukts Verhaltensabsicht nach erfolgter Kommunikation nicht ausschließlich von den Modellgrößen verursacht wird (PSI=.402). Die Erklärungskraft des Strukturmodells der latenten Konstrukte ist mit .718 unter Berücksichtigung der einfachen Vari13

Dies besagt, daß sich mit allen Schätzgrößen, einschließlich der für die Residualgroße PSI (HALTUNG (N)), eine mit der empirischen Korrelationsmatrix identische theoretische Korrelationsmatrix erzeugen läßt.

372

E. Empirische Ergebnisse

ablenstruktur als sehr hoch zu bezeichnen. Immerhin werden 60% der Varianz der Verhaltensabsicht (N) aufgeklärt. Es läßt sich eine erstaunlich geringe Stabilität des Konstrukts Verhaltensabsicht lokalisieren, wie der Koeffizient der Beziehung HALTUNG (V) - > HALTUNG (N) mit einem Wert von .547 bestätigt. Dies bedeutet, die Verhaltensabsicht hat sich im Zeitverlauf erheblich verändert. Dem Treatment-Faktor PUBLIK sind den Ergebnissen zufolge keine positiven Wirkungen zuzurechnen. Allerdings können auch fur die einphasige Direktkommunikation nur sehr schwache Wirkungen nachgewiesen werden. Eine entscheidende Beeinflussung des intentionalen Entscheidungsverhalten kommt dagegen der zweiphasigen Direktkommunikation zu. Wenn man davon ausgeht, daß im Rahmen werblicher Kommunikation Verhaltenswirkungen weit schwerer bzw. mit höheren werblichen Anstrengungen als z.B. Einstellungsänderungen zu erzielen sind, muß das vorliegende Ergebnis als zu positiv bewertet werden. Möglicherweise ist das erstaunlich gute Ergebnis auf den Einfluß eines " Dankbarkeitseffektes " als Folge des persönlichen Kontaktes mit Bundeswehr-Angehörigen und der daraus resultierenden Emotionalitäten zurückzuführen. Ferner muß berücksichtigt werden, daß die Frage nach dem möglichen Entscheidungsverhalten in hohem Maße unverbindlich ist und daher auch von den Probanden möglicherweise als "weit weg" von der tatsächlichen Entscheidung gesehen wird. Ein direkter Einfluß aufgrund zu früher Befragung nach dem letzten Kommunikationseinfluß kann nicht ganz ausgeschlossen werden, wenngleich erst fünf Wochen nach dem Besuch des Jugendoffiziers im Treatment DIRKOM 2 die zweite Befragungswelle erfolgte. Trotz der genannten relativierenden Aspekte muß das Ergebnis für das Kontaktketten-Konzept der werblichen Ansprache dennoch positiv gewertet werden. Die Hypothese, derzufolge die Direktkommunikation positiv das intentionale Entscheidungsverhalten beeinflußt, kann allerdings nur für das Zwei-Phasen-Konzept und unter Berücksichtigung der o.a. Einschränkungen bestätigt werden. Im folgenden soll nun geprüft werden, über welches relative Wirkungspotential die interpersonelle Kommunikation im Vergleich zu der Direktkommunikation verfügt bzw. ob mit der interpersonellen Kommunikation zusätzliche multiplikatorische Wirkungen auf das Entscheidungsverhalten nachweisbar sind. Modelltechnisch wird diese Fragestellung durch Erweiterung des ZweiWellen-Ansatzes in Abb. 9.1 um das endogene Konstrukt IPKOM umgesetzt. Abb. 9.2 gibt die Modellergebnisse wieder.

V . Wirkungen auf verhaltensbezogene Größen

373

Modellgüte AGFI = 1.0

RMR = .000

Erklärungskraft = .385

Abb. 9.2 Wirkungen auf die Verhaltensabsicht unter Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation

Die ausgezeichnete Anpassungsgüte des Modells indiziert die hohe Signifikanz und die hohe Reliabilität der Koeffizienten für die Strukturbeziehungen. Die Erklärungskraft ist mit der Einbeziehung der IPKOM allerdings nicht sehr erheblich von .718 (Modell 9.1) auf .768 gestiegen. Dies liegt daran, daß die interpersonelle Kommunikation nur einen geringen direkten Einfluß auf die Nachher-Verhaltensabsicht ausübt. Analog den bisherigen Ergebnissen zur Wirkung auf psychische Konstrukte wird auch in den vorliegenden Ergebnissen deutlich, daß mit der Einbeziehung der vermittelnden Variablen IPKOM die Schätzwerte der Treatment-Faktoren sich gegenüber den Schätzwerten, die fur das entsprechende Modell ohne Einbeziehung des Konstrukts IPKOM berechnet werden, verringern. Dennoch sind die totalen kausalen

E. Empirische Ergebnisse

374

Wirkungen aufgrund der zusätzlichen indirekten Wirkung der Treatments bei Einbeziehung der IPKOM nahezu gleich, fur DIRKOM 2 sogar etwas höher (.666, vgl. Tab. 9.3). Dieser Effekt ist auf die Verflochtenheit von Direktkommunikation mit der zwischenmenschlichen Kommunikation zurückzufuhren . Tab. 9.3 Vergleich der totalen kausalen Wirkungen mit und ohne Einbeziehung der interpersonellen Kommunikation

TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN AUF HALTUNG(N) ohne IPKOM* Variable

Wirkung auf HALTUNG (N) Total Indirekt

PUBLIK DIRKOM DIRKOM 2 IPKOM

-.059 .049 .602

.000 .000 .000

mit IPKOM Wirkung auf HALTUNG (N) Total Indirekt -.064 .079 .666 .127

-.004 .026 .055 .000

Lp

Die totalen Wirkungen des Modells ohne IPKOM entsprechen den direkten Wirkungen (Pfadkoeffizienten).

Mit den Ergebnissen des erweiterten Modells wird die Hypothese, derzufolge das Ausmaß persönlicher Kommunikation einen positiven Einfluß auf das intentionale Entscheidungsverhalten ausübt, bestätigt. Allerdings wird auch deutlich, daß diese indirekte Wirkung hauptsächlich der zweiphasigen Direktkommunikation zuzurechnen ist: Sie verfugt gegenüber der einphasigen Direktkommunikation aufgrund der stärkeren Stimulanz persönlicher Gespräche der Probanden über zusätzliche und damit insgesamt stärkere Verhaltenswirkungen. 3 . Ergebnisse zu den W i r k u n g e n a u f das Informationsverhalten

Im vorliegenden Ergebnisteil soll zunächst geprüft werden, ob und in welchem Maße die Kommunikationsinstrumente das Informationsverhalten stimulieren.

V . Wirkungen auf verhaltensbezogene Größen

375

Tab. 9.4 Verteilungsmaße der Variablen Informationsverhalten (Couponnutzung)

Treatment Nutzung in % der Probanden Coupon genutzt Coupon nicht genutzt

PUBLIK

DIRKOM

DIRKOM2

59 31

83 17

96 4

Als besonders eindrucksvoller Befund ist zu werten, daß 80.2% aller Treatment-Probanden einen Coupon eingesandt haben. Den deskriptiven Befunden in Tab. 9.4 zufolge wurde der Coupon in der Publikationengruppe von knapp 60%, in der Gruppe "Truppenbesuch 4- Jugendoffizier" dagegen von nahezu allen Probanden genutzt. In welchem Maße das Informationsverhalten tatsachlich von den Instrumenten der Direktkommunikation ausgelöst wird, soll mit einem einfachen LISREL-Modell überprüft werden. Gleichzeitig soll die Frage beantwortet werden, welchen Beitrag die zwischenmenschliche Kommunikation zur Initiierung des Informationsverhalten leistet. 14 Den Ergebnissen in Abb.9.3 zufolge stimulieren alle Kommunikationsformen das Informationsverhalten, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Mit der Einbeziehung des Konstrukts IPKOM kann eine höhere Erklärungskraft erzielt werden, obwohl das Ausmaß zu erklärender Varianz aufgrund der Spezifikation der latenten Variablen IPKOM als endogene Modellgröße zunimmt. Dem Modellergebnis zufolge übt das Ausmaß der themenbezogenen Gespräche zwar einen signifikanten, wenngleich auch nicht sehr bedeutenden Einfluß auf das Informationsverhalten aus. Offenbar vermag die Kommunikation in der Probandengruppe keine besonderen zusätzlichen Anstöße fur die Couponnutzung zu geben. Dennoch kommen den Instrumenten der Direktkommunikation zusätzliche, über die Stimulanz der zwischenmenschlichen Kommunikation erzielte Wirkungen auf das Informationsverhalten zu, die allerdings recht begrenzt sind. 15 Bei Anlegen strenger Maßstäbe stellt das Ergebnis aber - aufgrund des nicht sonderlich 14

15

Ein Zwei-Wellen-Ansatz entfallt, da der Variablen Informations verhalten keine entsprechende Vorher-Größe gegenübersteht. Die indirekten Wirkungen für DIRKOM betragen (.207 * .11 = ) .023 und für Dirkom 2 (.337 * .110 = ) .037.

376

E. Empirische Ergebnisse

hohen Detenninationskoeffizienten - noch keine auf die Stichprobe bezogene Hypothesenvalidierung dar.

Modellgüte AGFI = 1.0

RMR = .000

Erklärungskraft = .385

Abb. 9.3 Wirkungen auf das Informationsverhalten

Die geringe Erklärungskraft des Modells schränkt allerdings die Aussagekraft stark ein. 1 6 Eine monokausale Betrachtung der Wirkung auf das Informationsverhalten erlaubt keine Bestätigung der Hypothese, da sich wesentliche Einflußgrößen außerhalb des vorliegenden Modellraumes befinden. Die vorliegenden Befunde können deshalb nur tendenziell die Hypothese, derzufolge die Direktkommunikation stärker das Informationsverhalten beeinflußt, bestätigen.

Ein regressionsanalytisches Modell ohne IPKOM erzielte eine Erklärungskraft von lediglich .286.

V . Wirkungen auf verhaltensbezogene Größen

377

4. Ergebnisse z u m Gesamtmodell verhaltensbezogener G r ö ß e n

In Abschn. V . l . wurde dargelegt, daß die Verhaltensabsicht möglicherweise eine vom Informationsverhalten beeinflußte Größe darstellt. Allerdings erscheint auch der Zusammenhang plausibel, daß die Absicht, die Bundeswehr als relevante Berufsalternative zu wählen, zu einer intensiven Suche nach Informationen über dieses Berufsfeld führt. Mit einem Zwei-WellenLISREL-Modell sollen diese Zusammenhänge geprüft werden. Hierzu werden die Beziehungen HALTUNG (V) - - > INFOVERH ALTEN und INFOVERHALTEN ~ > HALTUNG (N) im Modell spezifiziert. Abb. 9.4 gibt die Modellstruktur und die Ergebnisse wieder. Die Anpassungsgüte des Modells ist sowohl in der Globalstruktur als auch in den Teilstrukturen ausgezeichnet.17 Alle geschätzten Parameter des Modells sind auf dem 5%-Niveau signifikant, womit die Einführung des Konstrukts INFOVERHALTEN als gerechtfertigt erscheint. Der Erklärungsgrad des Modells ist mit .755 als recht hoch zu werten. Die Parameterschätzungen für die Treatment-Wirkungen entsprechen denen der jeweiligen Teilmodelle. Für den Zusammenhang INFOVERHALTEN — > HALTUNG(N) kann jedoch nur ein schwacher Zusammenhang nachgewiesen werden. Die Publikationen üben signifikant schwächere Wirkungen als die persönlichen Direktkommunikationsformen auf beide Konstrukte aus; hinsichtlich des Entscheidungsverhaltens ist die Wirkung des Treatments PUBLIK praktisch gleich Null. Vergleicht man die Treatmentwirkungen auf die latenten Konstrukte, so können beim Informationsverhalten Wirkungen aller eingesetzten Kommunikationsinstrumente festgestellt werden. Das Informationsverhalten kann offensichtlich auch mit "schwächerer" werblicher Kommunikation stimuliert werden. Dies ist als wichtiger Befund zu werten, da, wie in Abschn. C.II, zu den möglichen Formen von Kontaktketten ausgeführt wurde, schriftliche Direktkommunikation aus unterschiedlichen, nicht zuletzt auch aus kostenwirtschaftlichen Gründen als "Einstieg" in die Kontaktkette präferiert wurde. Wie sich zeigt, bieten Publikationen relativ gute Chancen für den Aufbau des Dialogs und die Fortsetzung des Kontakts mit den wirksameren persönlichen Direktkontakten. Für die Wirkung der Treatments auf die Verhaltensabsicht zeigt sich die in den vorangegangenen Modellen bereits ermittelte Dominanz des zweiphasigen 17

Die hohe Anpassungsgüte wird mit einem Chi-Quadrat von 2.26 bei 3 d.f. und ρ = .725 bestätigt.

378

E. Empirische Ergebnisse

Konzepts. Die stärkere Beeinflußbarkeit des Informationsverhalten läßt sich mit dem gegenüber der Verhaltensabsicht geringeren Ausmaß kognitiver Beteiligung begründen. Das Informationsverhalten setzt nicht zwangsläufig ein hohes Ausmaß kognitiver Beteiligung und Kontrolle, wie es aber eher bei der Entscheidungsabsicht zu erwarten ist, voraus. Mit den vorliegenden Befunden läßt sich die Hypothese, derzufolge eine mehrphasige (und insbesondere persönliche) werbliche Ansprache der Zielgruppe die Bereitschaft steigert, die Bundeswehr als zukünftiges Berufsfeld zu erwägen, bestätigen.

Abb. 9.4 Hierarchie der Wirkungen auf der Verhaltensebene

V . Wirkungen auf verhaltensbezogene Größen

379

Tab. 9.5 Kausale Wirkungen im Modell Abb.9.5

TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN Totale Wirkung auf INFOVERH. HALTUNG (N)

Variable

Indirekte Wirkung auf INFOVERH. HALTUNG (N)

PUBLIK DIRKOM DIRKOM2

.126 .255 .363

-.046 .073 .637

.000 .000 .000

.006 .012 .017

INFOVERHALTEN HALTUNG (V)

.000 .165

.048 .563

.000 .0000

.000 .007

Insgesamt erscheint die Interpretation zutreffend, daß sowohl das Informationsverhalten als auch die Entscheidungsabsicht positiv, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß, mit persönlicher werblicher Ansprache beeinflußt werden kann. Ein deutlicher positiver Zusammenhang zwischen dem Informationsverhalten und dem Entscheidungsverhalten (n) kann dagegen nicht nachgewiesen werden. Die vor dem werblichen Einfluß bestehende Verhaltensabsicht übt demgegenüber einen deutlichen Einfluß auf das Informationsverhalten aus. Insgesamt bleibt die Erklärung des Konstrukts Informationsverhalten deshalb unbefriedigend. 5. Exkurs: Ergebnisse zur Beziehung zwischen Informationsverhalten und Verhaltensabsicht In einem Exkurs soll geprüft werden, ob die Absicht, die Bundeswehr als potentiellen Arbeitgeber zu wählen, das Informationsverhalten steuert. Die Verhaltensabsicht wird nunmehr als mittelbare Verhaltensgröße, wie eingangs formuliert, aufgefaßt, die tatsächlich auftretendes (Informations-) Verhalten erklärt. Abb. 9.5 gibt die Modellstruktur und die entsprechenden Schätzgrößen wieder. Die Erklärungskraft des Modells hat sich im Vergleich zu vorhergehenden Modellen deutlich erhöht. Die Parameterschätzungen zur Erklärung des Informationsverhaltens zeigen, daß die Verhaltensabsicht vor und nach der werblichen Kommunikation gleichermaßen das Informationsverhalten beeinflußt. Rechnet man direkte und indirekte Wirkungen der Haltungsvariablen auf das Konstrukt INFOVERHALTEN zusammen, so ergibt sich eine totale kausale Wirkung von .353 (vgl. Tab. 9.6). 1 8

18

Dieser Wert ergibt sich aus der Summe von .132 4- .143 + (.143 * .547).

380

E. Empirische Ergebnisse

Im Vergleich zum Modell in Abb. 9.4 lassen sich zwei wesentliche Unterschiede feststellen: Zum einen hat sich der Einfluß der Verhaltensabsicht (v) auf .210 erhöht; zusammen mit dem Koeffizienten der Verhaltensabsicht (n) (.143) sind nunmehr insgesamt deutliche Einflüsse auf das Informationsverhalten nachweisbar. Dies wirkt sich auch auf den Wirkungsgrad des Treatments DIRKOM 2 aus; hier sind die totalen Effekte auf nunmehr insgesamt .523 angewachsen.19

Modellgüte AGFI = 1.0

RMR = .000

Erklärungskraft = .775

Abb. 9.5 Wirkungen auf das Informationsverhalten 19

Dies ergibt sich aus dem direkten Einfluß von DIRKOM 2 auf INFOVERHALT E N (.437) und dem indirekten Effekt über die Verhaltensabsicht (.602 * .143 =

.086).

V . Wirkungen auf verhaltensbezogene Größen

381

Tab. 9.6 Kausale Wirkungen im Modell 9.5

TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN Totale Wirkung auf INFOVERH. HALTUNG (N)

Variable

Indirekte Wirkung auf INFOVERH. HALTUNG (N)

PUBLIK DIRKOM DIRKOM2

.111 .268 .523

-.059 .049 .602

-.008 .007 .086

.000 .000 .000

HALTUNG (V) HALTUNG (N)

.210 .143

.547 .000

.078 .000

.000 .000

Insgesamt bleibt aber der Einfluß der Verhaltensabsicht (n) gegenüber dem direkten Effekt der Treatments auf das Informationsverhalten relativ bescheiden. Die Frage, ob die Absicht, die Bundeswehr als zukünftigen Arbeitsplatz zu wählen, signifikant das Informationsverhalten stimuliert, kann deshalb abschließend nicht beantwortet werden.

6. E x k u r s : Hierarchie der W i r k u n g e n a u f der Verhaltensebene unter Berücksichtigung der I P K O M

Wie in den vorangegangenen Abschnitten gezeigt wurde, übt die interpersonelle Kommunikation einen eher geringen, aber signifikanten Einfluß sowohl auf die Verhaltensabsicht als auch (in begrenztem Umfang) auf das Informationsverhalten aus. Ferner konnte gezeigt werden, daß die Verhaltensabsichten signifikant das Informationsverhalten beeinflussen. Die simultane Berücksichtigung der Beziehungen zwischen den Verhaltenskonstrukten (vgl. Abb. 9.5) sowie der Beziehungen mit der IPKOM fuhrt zu der in Abb. 9.6 spezifizierten Modellstruktur. Die ausgezeichnete Anpassungsgüte und die hohe Erklärungskraft des Modells indizieren die Zuverlässigkeit der Schätzergebnisse. Für alle postulierten Wirkungszusammenhänge zwischen den Kommunikationsinstrumenten und den Verhaltensgrößen sowie für die interdependenten Beziehungen ergeben sich signifikante Schätzungen. Für die Lösung wird eine hohe Stabilität erzielt, da die Parameterschätzungen für die Treatmentwirkungen auf die Verhaltenskonstrukte denen in den separaten Modellen (vgl. Abb. 9.3 bzw. Abb. 9.4) entsprechen. Insofern ist die Erhöhung der Erklärungskraft ausschließlich auf die Berücksichtigung der Verflochtenheit der Verhaltenskonstrukte zurückzuführen. Welche Gesamtwirkungen sich unter Berücksichtigung der indirekten kausalen Wirkungen ergeben, läßt sich der Tab. 9.7 entnehmen:

382

E. Empirische Ergebnisse

Modellgüte AGFI = .999

RMR = .001

Erklärungskraft = .806

Abb. 9.6 Hierarchie der Wirkungen: Berücksichtigung der interpersonellen Kommunikation

Die Hypothese, derzufolge die persönliche Direktkommunikation in stärkerem Maße als die schriftliche Direktkommunikation finale Verhaltensreaktionen erzielt, kann aufgrund der vorliegenden Befunde als bestätigt gelten. Ferner wird die theoretisch postulierte stärkere Verhaltensrelevanz des Kontaktketten-Konzeptes von den vorliegenden Ergebnisse unterstrichen. Die werbliche Ansprache von Personengruppen, die in bestimmter sozialer und kommunikativer Beziehung zueinander stehen, stellt einen wichtigen Erfolgsfaktor der persönlichen Direktkommunikation dar.

V . Wirkungen auf verhaltensbezogene Größen

383

Tab. 9.7 Kausale Wirkungen im Modell Abb.9.6

TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN

Variable

PUBLIK DIRKOM DIRKOM 2 HALTUNG(V) HALTUNG(N)

Totale Wirkung auf IPKOM HALINFOTUNG(N) VERH.

Indirekte Wirkung auf IPKOM HALTUNG(N)

INFOVERH.

-.038 .207 .337

.066 .081 .664

.000 .272 .507

.000 .000 .000

-.006 .031 .050

-.004 .0347 .071

.000 .000

.555 .000

.118 .117

.000 .000

.000 .000

.065 .000

Die zentrale Zielsetzung des Kontaktketten-Konzeptes, über den Aufbau von Dialogen wirksame Verhaltensänderungen zu erzielen, läßt sich mit einer persönlichen und mehrphasigen Ansprache eher als mit einphasiger (persönlicher) Ansprache und in deutlich höherem Maße als mit schriftlicher Kommunikation erreichen. Wesentliche Voraussetzung zum Aufbau einer Kontaktkette ist ein aktives Informationsverhalten bzw. -interesse von Zielpersonen. Nur dann kann es gelingen, weitere Kontakte herzustellen und den Dialog mit der Zielgruppe fortzusetzen. Die Direktkommunikationsinstrumente bieten hierfür gute Ansatzpunkte, da mit ihnen das Informationsinteresse bzw. das aktive Informationsverhalten positiv stimuliert werden kann. Sogar mit schriftlicher Direktkommunikation läßt sich - wenn auch in vergleichsweise geringem Umfang - das Informationsinteresse stimulieren. Unter betriebswirtschaftlichen bzw. kostenwirtschaftlichen Aspekten erscheint ein "Einstieg" in die Kontaktkette mittels Publikationen deshalb durchaus sinnvoll. Eine Fortführung des Dialoges mittels der beiden Direktkommunikationsformen kann dann zu Wirkungen fuhren, die über das Ausmaß deijenigen hinausgehen, wie sie für das Treatment "Truppenbesuch -I- Jugendoffizier" ermittelt wurden. Die Bestätigung beider Hypothesen zum stärkeren Einfluß der persönlichen Direktkommunikation, insbesondere des Kontaktketten-Konzepts, auf das Informationsverhalten und die Verhaltensabsicht betonen den strategischen Charakter der persönlichen werblichen Ansprache für eine Kommunikationsstrategie des Personal-Marketing.

384

E. Empirische Ergebnisse

V I . Ergebnisse zur interpersonellen Kommunikation Wie in Abschnitt C. dargestellt wurde, bieten sich dem Personal-Marketing zwei bedeutsame Ansatzpunkte zur Ausgestaltung von Komunikationsstrategien. Eine dieser Optionen, die Direktkommunikation, ist im empirischen Teil bereits ausführlich dargestellt worden. Bei der interpersonellen Kommunikation wurde bislang untersucht, in welchem Maße sie weitere Wirkungsgrößen der Direktkommunikation zu stimulieren vermag. Den theoretischen Überlegungen in Abschn. 3.3 zufolge bieten sich allerdings auch Möglichkeiten der Steuerung, d.h. der aktiven Nutzung interpersoneller Kommunikation im Sinne des Modells der mehrstufigen Kommunikation. Zur Gewinnung von Ansatzpunkten für eine aktive Steuerung ist es allerdings erforderlich, die Bestimmungsgrößen der interpersonellen Kommunikation und ihre Einflußstärke herauszuarbeiten. Für das Kontaktketten-Konzept der Direktkommunikation kann die Kenntnis dieser Bestimmungsgrößen von hoher Bedeutung sein, um z.B. Meinungsführer-Segmente zu lokalisieren und im Wege des Dialogs bevorzugt anzusprechen. Im vorliegenden Abschnitt sollen die im theoretischen Teil entwickelten Hypothesen zu den Bestimmungsgrößen der interpersonellen Kommunikation überprüft werden. Als wesentliche Bestimmungsgrößen hierfür wurden zum einen Faktoren der Informationssuche im persönlichen Umfeld, wie das Involvement, das emotionale Erleben der werblichen Kommmunikation und motivationale Faktoren, wie das wahrgenommene Risiko und das Ausmaß auftretender Dissonanzen, herausgearbeitet. Desweiteren wurde die graduelle Meinungsführerschaft als wichtige Determinante der interpersonellen Kommunikation aufgefaßt. Im vorliegenden Abschnitt soll ein operationales Teilmodell, das alle theoretisch hergeleiteten Konstrukte zur Erklärung der interpersonellen Kommunikation umfaßt, entwickelt und überprüft werden. Dieses Teilmodell soll anschließend - zusammen mit den Teilmodellen der bisher behandelten Bereiche - in ein komplexes Wirkungsmodell integriert werden. Zunächst wird auf die graduelle Meinungsführerschaft als Bestimmungsgröße der interpersonellen Kommunikation eingegangen.

1. Ergebnisse zur graduellen Meinungsführerschaft Als Determinanten der graduellen themenspezifischen Meinungsführerschaft wurden in Abschn. C.III.5. das generelle Interesse am Meinungsgegenstand (Involvement), die Kommunikationsposition im sozialen Netz (Soziozentra-

385

V I . Ergebnisse zur interpersonellen Kommunikation

lität), bestimmte Persönlichkeitseigenschaften, das generelle Kommunikationsverhalten (Ratgeber-, Ratnehmer- und inaktives Kommunikationsverhalten) und das Ausmaß des wahrgenommenen Risikos bestimmt. Die graduelle Meinungsfuhrerschaft wird von dem Konstrukt "themenbezogene Kommunikationsposition" repräsentiert, zu dessen empirischer Erfassung ein soziometrischer Indikator gebildet und gemessen wurde. Mit Hypothese (H 3.16) wurde postuliert, daß die graduelle Meinungsführerschaft (TKOMPOS) das Ausmaß der interpersonellen Kommunikation determiniert. Die informationsaktiven Personen in der sozialen Gruppe (Austauscher bzw. graduelle Meinungsfuhrer) regen demnach im wesentlichen die Gespräche zum Thema Bundeswehr an. Einen Überblick über die deskriptiven Befunde zu den Indikatoren "generelle Kommunikationsposition" (Soziozentralität) und "themenbezogene Kommunikationsposition" gibt Tab. 10.1. 1 Tab. 10.1 Verteilungsmaße der Variablen Kommunikationsposition und themenbezogene Kommunikationsposition

Variable Maßzahl Mittelwert Standardabweichung Spannweite

Kommunikationsposition .381 .163 0.00-1.40

Themenbezogene Kommunikationsposition .432 .164 .01-.91

Lediglich sechs Prozent aller Probanden haben eine soziozentrale Kommunikationsposition inne (Indexwert _>_ 1.0); 12 Prozent der Befragten sind den Befunden zufolge mit einer "starken" themenbezogenen Kommunikationspo-

Die generelle Kommunikationsposition wurde mit der Soziozentralität auf der Basis des in Abschn. 3.3 entwickelten soziometrischen Index operationalisiert. Die themenspezifische Kommunikationsposition wurde mittels des Indexwertes der passiven Wahldichte hinsichtlich der Gespräche zum Thema Bundeswehr operationalisiert; er indiziert, in welchem Maße ein Proband eine meinungsführende Stellung in der Gruppe genießt. In der Anlage 3 befinden sich die entsprechenden Verteilungen der Variablen KOMPOS bzw. TKOMPOS sowie ein Beispiel einer Soziomatrix bzw. eines Soziogramms wieder. 25 Beba

386

E. Empirische Ergebnisse

sition ausgestattet und können als ausgeprägte Meinungsfuhrer bezeichnet werden. 2 Zur Überprüfung des kausalen Einflusses der Determinanten der Meinungsführerschaft wird ein LISREL-Modell formuliert. Das nachstehende Modell in Abb. 10.1 umfaßt zunächst die Kerndeterminanten der graduellen Meinungsführerschaft: das Involvement (INTERESSE) und die generelle Kommunikationsposition (KOMPOS). Das Involvement nach dem Kommunikationseinfluß (INTERESSE-Nachher) wird nicht mit einbezogen, um mögliche Interdependenzen, die sich im Rahmen des Kommunikationseinflusses ergeben haben, zunächst auszuschließen.

.650

Modellgüte AGFI = 1.0

RMR = .000

Erklärungskraft = .350

Abb. 10.1 Involvement und Kommunikationsposition als Determinanten der Meinungsführerschaft

Vgl. Anlage 3. Die angegebenen Grenzwerte sind recht subjektiv, da objektive Vergleichsmaßstäbe aufgrund der Spezifität des angewandten BerechnungsVerfahrens fehlen.

V I . Ergebnisse zur interpersonellen Kommunikation

387

Neben der hervorragenden Anpassungsgüte weist dieses einfache Modell trotz der geringen Zahl von exogenen Faktoren und unter Berücksichtigung der strengen Berechnungsvorschriften - eine nicht sonderlich hohe Erklärungskraft (.350) auf. Insofern ist davon auszugehen, daß ein Großteil der Bestimmungsgrößen der graduellen Meinungsführerschaft außerhalb des Modellraumes liegt (PSI TKOMPOS = .650). Als Indiz fur die Gültigkeit des die Meinungsführerschaft determinierenden Charakters der interpersonalen Komponente (KOMPOS) muß dessen hoher Pfadkoeffizient von .532 gewertet werden. Das Involvement erklärt die Meinungsführerschaft demgegenüber zwar in signifikantem, aber deutlich geringerem Ausmaß. Vergleicht man diese Resultate mit Ergebnissen ähnlicher Fragestellungen, so läßt sich folgendes feststellen: Bei den Untersuchungen, in denen die Indikatoren der Konstrukte Meinungsführerschaft und Soziozentralität (KOMPOS) mittels soziometrischer Analysen gemessen wurden, ergibt sich eine ähnlich hohe Einflußbeziehung zwischen den beiden Konstrukten. Untersuchungen, die in erster Linie Selbsteinstufungsverfahren nutzten, weisen im Ergebnis nur geringe erklärende Wirkungen der interpersonalen Komponenten auf. 3 Das Ausmaß, mit dem ein Schüler relativ zu seinen Klassenkameraden eine meinungsführende Position zum Thema Bundeswehr einnimmt, wird wesentlich durch seine Position im " Grund-Beziehungsnetz " bestimmt, wie der hohe Koeffizient der Beziehung KOMPOS - - > TKOMPOS zum Ausdruck bringt. Dies bedeutet, daß ein Schüler sich umso eher meinungsfuhrend zum Thema Bundeswehr auswirken kann, je zentraler seine Position im soziometrischen Netz der Gruppe ist. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse kann angenommen werden, daß in der untersuchten Probandengruppe Meinungsführerschaft einen stärker "polymorphen" Charakter aufweist, als dies bei Erwachsenen der Fall ist. Dies mag daran liegen, daß sich bei jungen Menschen noch keine derartige Wissens-Spezialisierung wie bei Erwachsenen und insofern keine themenspezifische Kompetenz ausgebildet hat. Diese Annahme erscheint insbesondere für das "Spezial-Thema" Bundeswehr plausibel. Hieraus läßt sich die interessante These ableiten, daß Meinungsführerschaft mit zunehmendem Alter monomorph ausgeübt wird. Mit der Hypothese (H 3.16) wird davon ausgegangen, daß Meinungsfuhrer sich durch ein höheres Maß an themenbezogenen Gesprächen auszeichnen, d.h., die graduelle Meinungsführerschaft stellt eine Bestimmungsgröße der interpersonellen Kommunikation dar.

3

Vgl. z.B. Brüne, 1990, S.200ff.

388

E. Empirische Ergebnisse

Für die Indikatorvariable der interpersonellen Kommunikation (themenbezogene Kommunikationshäufigkeit) ergeben sich folgende deskriptiven Befunde (vgl. Tab. 10.2): 4 Tab. 10.2 Verteilungsmaße der Variablen Interpersonelle Kommunikation

Treatment Maßzahl

Median Mittelwert Standardabweichung Spannweite

PUBLIK

DIRKOM

DIRKOM2

1 1.5 0.8 0-4

2 2.4 0.6 0-4

3 3.2 0.9 0-4

KONTROLLGRUPPE 2 1.8 1.2 0-4

Für die Überprüfung der Hypothese zum Einfluß der themenbezogenen Kommunikationsposition und dem Ausmaß interpersoneller Kommunikation wird das Konstrukt IPKOM in die vorhergehende Modellstruktur aufgenommen. Die nachstehende Abb. 10.2 gibt den Modellzusammenhang und die entsprechenden Ergebnisse wieder. Der Gesamtfit des Modells hat sich geringfügig verschlechtert, wobei die Erklärungskraft dieses Modells mit der des vorhergehenden Modells identisch ist (.350). Eine Verbesserung konnte nicht erwartet werden, da lediglich ein weiteres endogenes Konstrukt, und keine weiteren exogenen Konstrukte bzw. entsprechende Strukturgleichungen eingefügt wurden. Mit der Einbeziehung des Konstrukts IPKOM hat sich aber der Anteil erklärter Varianz erhöht. Die Pfadkoeffizienten der Modellstruktur sind im wesentlichen konstant geblieben. Aus den Ergebnissen der Modellerweiterung wird dennoch deutlich, daß die graduelle Meinungsfuhrerschaft in hohem Maße die Häufigkeit der zwischenmenschlichen Kommunikation zum Thema Bundeswehr bestimmt. Hierbei muß beachtet werden, daß das Ausmaß der IPKOM ja nicht nur auf die Primärgruppe "Schulklasse" beschränkt ist, sondern auch die Gespräche der Probanden im näheren sozialen Umfeld erfaßt. Da keine Beziehungen zwischen den exogenen Konstrukten INTERESSE und KOMPOS spezifiziert wurden, entsprechen die totalen kausalen Effekte auf die IPKOM den indirekten Effekten. Mit den bisherigen Ergebnissen können wir davon ausgehen, daß die zentralen Konstrukte Involvement und Kommunikationsposition signifikante Determinanten der graduellen Mei-

Die entsprechenden Verteilungen finden sich in Anl.3.4.

V I . Ergebnisse zur interpersonellen Kommunikation

389

nungsfuhrerschaft darstellen. Diese wiederum erklärt in hohem Maße das Ausmaß interpersoneller Kommunikation zum Thema Bundeswehr.

.714

Modellgüte AGFI = .989

RMR = .023

Erklärungskraft = .350

Abb. 10.2 Graduelle Meinungsführerschaft und IPKOM

Tab. 10.3 Kausale Wirkungen im Modell 9.7 TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN

Variable

Totale Wirkung auf TKOMPOS IPKOM

Indirekte Wirkung auf TKOMPOS IPKOM

INTERESSE KOMPOS

.253 .532

.000 .000

.188 .285

.188 .285

E. Empirische Ergebnisse

390

Welchen Einfluß die exogenen Größen auf das Ausmaß der IPKOM über die indirekte Beziehung TKOMPOS - IPKOM ausüben, zeigt Tab. 10.3. Im folgenden sollen weitere theoretisch postulierte Determinanten, die als relevant erachteten Persönlichkeitsmerkmale (PERMERK) und das generelle Kommunikationsverhalten (KOMTYP) in das Modell mit aufgenommen werden. Gemäß den Hypothesen (H 3.1) - (H 3.4) und (H 3.15) soll geprüft werden, ob bestimmte generelle Persönlichkeits- und Kommunikationseigenschaften die graduelle Meinungsfuhrerschaft determinieren. Einen Uberblick über die deskriptiven Befunde dieser Variablen liefern Tab. 10.4 und 10.5. Tab. 10.4 Verteilungsmaße der Persönlichkeitsmerkmale Variable Leistungsbereitschaft

Maßzahl

Median Mittelwert Standardabweichung Spannweite

Risikobereitschaft

Innovationsbereitschaft

Geselligkeit

8 7.3 2.6 0-10

8 7.5 2.4 0-10

7 6.6 2.5 0-10

7 7.1 2.2 0-10

Tab. 10.5 Verteilungsmaße der Indikatoren zum generellen Kommunikationsverhalten

Variable Maßzahl

Median Mittelwert Standardabweichung Spannweite

Ratgeberverhalten

Ratnehmerverhalten

Inaktives Verhalten

3 3.0 1.1 1-5

4 3.9 1.0 1-5

2 2.1 1.1 1-5

Zur Überprüfung des Einflusses beider Konstrukte werden PERMERK und KOMTYP als exogene Variablen von KOMPOS und TKOMPOS spezifiziert. In bezug auf die jeweiligen Indikatoren stellen beide Konstrukte Faktormodelle dar. Abb. 10.3 gibt die Ergebnisse von zwei Modellschätzungen wieder. Da KOMPOS als endogene Modellgröße spezifiziert wurde, hat sich der Umfang der durch die exogenen Größen zu erklärenden Varianz erhöht. Hierauf ist die gegenüber dem vorangegangenen Modell verschlechterte Erklärungskraft zurückzufuhren. Deutlich hat sich allerdings der Pfadkoeffizient

391

V I . Ergebnisse zur intepersonellen Kommunikation

zwischen KOMPOS und TKOMPOS erhöht. Die Befunde zeigen, daß die als relevant erachteten Persönlichkeitsmerkmale sowie Merkmale des Kommunikationsverhaltens nur mit der generellen und überhaupt nicht mit der themenspezifischen Kommunikationsposition assoziert sind.5 Den vorliegenden Befunde zufolge befinden sich wesentliche Bestimmungsgrößen der generellen Kommunikationsposition noch außerhalb des Modellraumes.

Modellgüte AGFI = .915

RMR = .068

Erklärungskraft TKOMPOS = KOMPOS = IPKOM = Gesamt =

.499 .187 .286 .258

Abb. 10.3 Bestimmungsgrößen der graduellen Meinungsführerschaft (1)

5

Dies muß aufgrund der nichtsignifikanten Beziehungen der beiden Konstrukte zu TKOMPOS angenommen werden.

392

E. Empirische Ergebnisse

Dennoch zeigt sich mit der Einfuhrung der Beziehungen PERMERK — > KOMPOS bzw. KOMTYP - > KOMPOS, daß die allgemeinen Kommunikations- und Persönlichkeitsvariablen nur fur die soziometrische Position im Beziehungsnetz maßgeblich sind; für das Innehaben einer themenspezifischen meinungsführenden Position spielen sie demgegenüber keine Rolle. Das Konstrukt KOMTYP ist stark mit den Indikatoren "Ratgeber" und "Ratnehmer" assoziiert und diskriminiert in hohem Maße (negative Faktorladung) Kommunikationsinaktivität. KOMTYP indiziert die Zugehörigkeit der Probanden zur "Austauschergruppe", wobei - was ja auch theoretisch postuliert wurde - ratgebendes und ratnehmendes Verhalten stark korrelieren (Austauschprozeß und situationsbedingter Rollentausch); inaktives Kommunikationsverhalten ist hiervon deutlich abgegrenzt. Starkes Austauscherverhalten schließt also inaktives Verhalten weitestgehend aus, wie die negative Faktorladung zum Ausdruck bringt. Diese Ergebnisse können als Indiz fur die Gültigkeit der symmetrischen Austauscherkonzeption gewertet werden. Da jedoch der Indikator "Inaktiver" hoch negativ lädt, wird für die Strukturbeziehung KOMTYP — > KOMPOS ein negativer Koeffizient berechnet. Je eher sich eine Person kommunikationsinaktiv verhält, so kann man folgern, desto schwächer ist deren Position im Kommunikationsnetz ausgeprägt. Die hohe negative Ladung des Indikators "Inaktiver" läßt vermuten, daß fur alle drei Merkmale des Kommunikationsverhaltens zumindest in der vorliegenden Form keine gemeinsame Dimension existiert. Es erscheint deshalb naheliegend, diesen Indikator zu separieren, da er vermutlich eine eigenständige Dimension des Kommunikationsverhaltens repräsentiert. Die beiden anderen Indikatoren (Ratnehmer- und Ratgeberverhalten) weisen hohe Korrelationen mit den Persönlichkeitsmerkmalen auf, wie die Residuen im Modell belegen. Es liegt deshalb nahe, die Indikatoren des Kommunikationsverhaltens in ein gemeinsames Faktormodell für das Konstrukt Persönlichkeitsmerkmale zu integrieren. Die latente Variable PERMERK wird deshalb im weiteren als eine die generelle Kommunikationsposition konstituierende Dimension individueller Persönlichkeits- und Kommunikationseigenschaften aufgefaßt. Die latente Variable KOMTYP stellt nunmehr eine Verhaltensdimension dar, die entsprechend der symmetrischen Austauscherkonzeption soziale Isoliertheit und kommunikative Inaktivität repräsentiert. Eine hohe Ausprägung dieser Verhaltensdimension erklärt eine geringe Soziozentralität. Für die Beziehung KOMTYP — > KOMPOS kann insofern ein negativer Zusammenhang unterstellt werden. Abb. 10.4 gibt die Modellstruktur wieder. 6 Den Ergebnissen

Die Bündelung aller Indikatoren in einem Meßmodell für das Konstrukt PERMERK lieferte hohe Residuen und eine mangelnde Signifikanz der Indikatoren Geselligkeit und Innovations verhalten. Sie wurden deshalb aus dem Faktormodell von PERMERK entfernt.

V I . Ergebnisse zur interpersonellen Kommunikation

393

zufolge leisten die Persönlichkeits- und Kommunikationsmerkmale einen signifikanten Erklärungsbeitrag fur die Zentralität der Position, die die jeweiligen Probanden in ihrer sozialen Gruppe innehaben.

Abb. 10.4 Bestimmungsgrößen der graduellen Meinungsführerschaft (2)

Dabei kommt dem Kommunikationsverhalten, insbesondere der Ratnehmereigenschaft, eine besondere Bedeutung zu. Je stärker demgegenüber aber inaktives Kommunikationsverhalten ausgeprägt ist, desto schwächer ist die Stellung des Individuums in der Gruppe.

E. Empirische Ergebnisse

394

Wenngleich auch die direkten Wirkungen auf die KOMPOS nicht sehr hoch sind (.221 bzw. -.247), ist der Einfluß beider exogener Modellgrößen bedeutsam, da sie über die Kommunikationsposition einen deutlichen indirekten Effekt auf das Ausmaß gradueller Meinungsführerschaft ausüben. Der Einfluß auf das Ausmaß zwischenmenschlicher Kommunikation ist demgegenüber nur gering (vgl. Tab. 10.6). Tab. 10.6 Kausale Wirkungen im Modell 10.4

TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN

Variable

Totale Wirkung auf TKOMPOS IPKOM

Indirekte Wirkung auf TKOMPOS IPKOM

PERMERK KOMTYP

.119 -.132

.119 -.132

.060 -.080

.060 -.080

Den theoretischen Überlegungen in Abschn. C.II, zufolge stellen das Ausmaß an Sachkompetenz, das Ausmaß wahrgenommenen Risikos und das emotionale Erleben der Kommunikationssituation weitere Größen dar, die die graduelle Meinungsführerschaft erklären. Hierauf soll im folgenden eingegangen werden. 7 Das Ausmaß des wahrgenommenen Risikos ist für die vorliegenden Fragestellungen in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Zum einen soll geprüft werden, ob gemäß der Hypothese (H 3.9) eine geringe Risikowahrnehmung fur das Innehaben einer meinungsführenden Position, d.h. als Bestimmungsgröße des Ratgebens, verantwortlich ist. Zum zweiten soll die Hypothese, gemäß der das wahrgenommene Risiko als zentrales Motiv der Informationssuche im sozialen Umfeld, und somit als Bestimmungsgröße des Ratnehmens, angenommen wurde, geprüft werden (H 3.11). Es kann erwartet werden, daß das Risiko in stärkerem Maße das interpersonelle Kommunikationsverhalten als

Als eine die themenspezifische Kompetenz repräsentierende Größe kann das Ausmaß der Kenntnisse über den Arbeitsplatz Bundeswehr angesehen werden. Es wurde bereits vermutet, daß die fachliche Kompetenz im Vergleich zur generellen Kommunikationsposition nur eine geringe Bedeutung für das Ausmaß der Meinungsführerschaft hat. In welchem Maße dieses Konstrukt konstituierend für die graduelle Meinungsführerschaft ist, wurde mit einer Analyse der obigen Modellstruktur unter Einfügung der KENNTNISSE (V) als exogene Variable der themenbezogenen Kommunikationsposition geprüft. Es zeigte sich, daß das themenspezifische Wissen keinen Erklärungsbeitrag für die graduelle Meinungsführerschaft leistet.

V I . Ergebnisse zur interpersonellen Kommunikation

395

die Meinungsfuhrerschaft prägt. Die Modellstruktur und die entsprechenden Schätzungen sind der Abb. 10.5 zu entnehmen. Wie vermutet wurde, ist das Ausmaß des Entscheidungsrisikos in weit höherem Maße fur die Häufigkeit der Gespräche zum Thema Bundeswehr als fur die meinungsfuhrende Position des Indidivuums verantwortlich. Hohes wahrgenommenes Risiko stimuliert signifikant das Ausmaß der interpersonellen Kommunikation (positiver Koeffizient). Die Hypothese (H 3.11), dergemäß das Entscheidungsrisiko ein wichtiges, die persönliche Kommunikation stimulierendes Motiv (der Informationssuche) ist, wird damit bestätigt. Für die Beziehung RISIKO - - > TKOMPOS konnte nur ein schwacher Zusammenhang ermittelt werden. Dennoch unterstützt der negative Koeffizient zumindest tendenziell die Behauptung, daß gering wahrgenommenes Risiko zu stärkerer Meinungsführung fuhrt.

Modellgûte AGFI = .970

RMR = .030

Erklärungskraft = .432

Abb. 10.5 Das wahrgenommene Entscheidungsrisiko als Bestimmungsgröße der Meinungsfuhrerschaft und der interpersonellen Kommunikation

E. Empirische Ergebnisse

396

Ob auch das Informationsrisiko für die IPKOM eine Bestimmungsgröße darstellt, soll mit dem Modell in Abb. 10.6 geprüft werden. Es weist gegenüber dem Entscheidungsrisiko eine geringere Zentralitat auf und kann also nicht mit jenen Risiken verglichen werden, wie sie üblicherweise bei Entscheidungen auftreten. Allerdings kann die Einschätzung, daß Informationen werblicher Kommunikatoren nicht unbedingt zuverlässige und wahrheitsgemäße, insofern also wenig glaubwürdige Informationen darstellen, motivierend fur die Informationssuche im persönlichen Umfeld wirken. Ob zugleich ein Erklärungsanteil des Informationsrisikos für die graduelle Meinungsführerschaft vorliegt, soll ebenfalls untersucht werden.

Modellgüte AGFI = .963

RMR = .032

Erklärungskraft = .451

Abb. 10.6 Das wahrgenommene Informationsrisiko als Bestimmungsgröße der Meinungsführerschaft und der interpersonellen Kommunikation

V I . Ergebnisse zur interpersonellen Kommunikation

397

Von dem wahrgenommenen Informationsrisiko gehen beträchtliche, die interpersonelle Kommunikation stimulierende Wirkungen aus (.336). Als wesentliche Erklärungskomponente fur die graduelle Meinungsfuhrerschaft muß allerdings das Informationsrisiko abgelehnt werden, wenngleich auch die Richtung der Beziehungen (negatives Vorzeichen) den theoretisch unterstellten Zusammenhang bestätigen. Die Befunde lassen zumindest die Vermutung zu, daß Meinungsfuhrer in geringerem Maße ein Informationsrisiko wahrnehmen.

Modellgûte AGFI = .947

RMR = .032

Erklärungskraft = .496

Abb. 10.7 Informations- und Entscheidungsrisiko als Bestimmungsgrößen der Meinungsföhrerschaft und der interpersonellen Kommunikation

398

E. Empirische Ergebnisse

Die hohe Bedeutung der Risiko-Konstrukte fur das Ausmaß interpersoneller Kommunikation wirft die Frage auf, welche der beiden Risiken starker das Konstrukt IPKOM erklären. Die simultane Einbeziehung beider RisikoGrößen liefert das in Abb. 10.7 dargestellte Ergebnis. Bei einer sehr guten Anpassungsgüte hat sich die Erklärungskraft der Modellstruktur gegenüber den vorhergehenden Ergebnissen auf .496 erhöht. Beide Risikogrößen stellen wesentliche Einflußgrößen der zwischenmenschlichen Kommunikation dar, wobei das Informationsrisiko in etwas stärkerem Maße zur Erklärung des Konstrukts IPKOM beiträgt. Die Beziehung der Risiko-Konstrukte zur themenbezogenen Kommunikationsposition ist zwar signifikant, läßt aber aufgrund der geringen Koeffizienten keine Bestätigung der entsprechenden Hypothesen zu. 8 Als letzte Größe zur Erklärung gradueller Meinungsfuhrerschaft soll das Ausmaß emotionalen Erlebens in das Modell einbezogen werden. Diese Größe kann sowohl als Wirkungsgröße der werblichen Kommunikation und auch als Indikator für ein spezifisches Medieninvolvement gewertet werden. Zum einen, so wurde unterstellt, löst das Medieninvolvement Kommunikationsaktivitäten im Sinne von Gesprächsinitiierung gegenüber den Mitgliedern des sozialen Systems aus. Es wurde deshalb als wichtiges Motiv für das Informationsverhalten von Meinungsfuhrern gewertet (H 3.7). Zum anderen stellt es allerdings auch ein Motiv der Informationssuche dar; die anregende Art und Gestaltung der werblichen Kommunikation fuhrt dazu, daß bei Kommunikatoren des persönlichen Umfeldes nach weiteren Informationen gesucht wird (H 3.13). Abb. 10.8 gibt die Ergebnisse eines entsprechenden Modells wieder. Der emotionalen Wirkung werblicher Kommunikation kann den vorliegenden Befunden zufolge eine erhebliche, die IPKOM stimulierende Kraft zugebilligt werden (.297). Zudem leistet das Konstrukt AKTVRG - wenn auch in geringem Maße - einen Erklärungsbeitrag zur graduellen Meinungsführerschaft (.121), der im übrigen größer als der Beitrag der Risiko-Konstrukte ist.

Anhand der Korrelationen der exogenen Konstrukte zeigt sich, daß beide Risiken deutlich und signifikant miteinander (PHI = .293) und negativ mit dem Involvement korrelieren (PHI = -.188 bzw. -.179).

V I . Ergebnisse zur intepersonellen Kommunikation

399

Es übt einen deutlichen Einfluß auf das Informationsabgabe- und -suchverhalten aus.9

Modellgüte AGFI = .985

RMR = .013

Erklärungskraft = .575

Abb. 10.8 Das emotionale Erleben als Bestimmungsgröße der Meinungsführerschaft und der interpersonellen Kommunikation

Mit den Hypothesen (H 3.8) und (H 3.12) wurde unterstellt, daß das Ausmaß wahrgenommener Dissonanzen ein weiteres Motiv fur Informationsabgabe und suche gleichermaßen darstellt. Eine empirische Prüfung dieser Zusammenhänge ergab, daß das Ausmaß der Dissonanzen (die nach erfolgter werblicher Kommunikation auftreten können) keine Determinante der graduellen Meinungsführerschaft darstellt. Als Motiv der Informationssuche kommt den Dissonanzen zwar eine signifikante, aber schwache Erklärungskraft zu (Pfadkoeffizient DISSONANZ ~ > IPKOM: -.139). zumindest die Richtung des unterstellten Zusammenhanges konnte bestätigt werden.

400

E. Empirische Ergebnisse

Ein Vergleich der Gesamtwirkungen der exogenen Konstrukte hinsichtlich des Ausmaßes zwischenmenschlicher Kommunikation kann auf der Grundlage der Tabelle 5/6.7 vorgenommen werden. Tab. 10.7 Kausale Wirkungen im Modell 10.8 T O T A L E U N D I N D I R E K T E KAUSALE W I R K U N G E N

Variable

Totale Wirkung auf TKOMPOS IPKOM

INFORMATIONSRISIKO ENTSCHEIDUNGSRISIKO AKTVRG INTERESSE KOMPOS

-.020 -.047 .121 .197 .517

.292 .231 .362 .106 .279

Indirekte Wirkung auf TKOMPOS IPKOM

.000 .000 .000 .000 .000

-.011 -.025 .065 .106 .279

Es zeigt sich, daß das emotionale Erleben der Kommunikationssituation den weitaus stärksten Stimulationseffekt fur die IPKOM ausübt. Die Risikogrößen üben eine etwas geringere Wirkung aus. Starke, durch werbliche Kommunikation ausgelöste Erlebnisse können das Gesprächsverhalten in deutlichem Maße stimulieren. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß als wesentliche Bestimmungsgründe fur die graduelle Meinungsführerschaft das Involvement und die generelle Kommunikationsposition, die das Ausmaß der sozialen Integration widerspiegelt, bestätigt werden konnten. Bestimmte Persönlichkeitseigenschaften, wie die generelle Risikobereitschaft und die Leistungsbereitschaft, sowie die Merkmale des allgemeinen Kommunikationsverhaltens spielen nur mittelbar eine erklärende Rolle: Sie determinieren die soziozentrale Position des Individuums und beeinflussen insofern indirekt das Ausmaß gradueller Meinungführerschaft. Die Hypothese zum Einfluß des wahrgenommenen Risikos auf die Meinungsführerschaft konnte nicht bestätigt werden, wenngleich auch die Richtung des Einflusses (negatives Vorzeichen) dem theoretischen Postulat entspricht. Der theoretische Zusammenhang, demzufolge das Medieninvolvement ein wichtiges Motiv fur das Ausüben von Meinungsführerschaft darstellt, kann als bestätigt gelten. Ohne den Ergebnissen des nachfolgenden Abschnitts vorzugreifen, kann desweiteren festgehalten werden, daß die für die Informationssuche als relevant erachteten Motive (Risiko und Medieninvolvement) einen signifikanten und bedeutenden Erklärungsbeitrag für das Entstehen interpersoneller Kommunikation leisten. Insofern konnte mit den in diesem Abschnitt vorgenommenen Modell Variationen gleichzeitig gezeigt werden, daß die einbezogenen Konstrukte einen beträchtlichen Einfluß auf das Ausmaß interpersoneller

V I . Ergebnisse zur interpersonellen Kommunikation

401

Kommunikation ausüben. Diese Fragestellung soll im nächsten Abschnitt vertieft werden. 2. Erklärung der interpersonellen Kommunikation 2.1. Die Wirkung der Kommunikationsinstrumente Ausmaß interpersoneller

auf das

Kommunikation

Ausgehend von der Basishypothese, derzufolge die persönliche Direktkommunikation stärker als die nichtpersönliche Direktkommunikation die themenbezogenen Gespräche stimuliert, soll im folgenden ein Wirkungsmodell zur Erfassung der kausalen Effekte der Treatments auf das Ausmaß interpersoneller Kommunikation aufgestellt und geschätzt werden.

Modellgüte AGFI = 1.0

RMR = .000

Erklärungskraft = .245

Abb. 10.9 Direkter Einfluß der Kommunikationsinstrumente auf die inteipersonelle Kommunikation

26 Beba

402

E. Empirische Ergebnisse

Hierzu wird ein einfaches LISREL-Modell formuliert, in dem die Treatment-Variablen als exogene Konstrukte und das Ausmaß IPKOM als endogenes Konstrukt spezifiziert werden. Abb. 10.9 zeigt die Modellstruktur und die Schätzergebnisse. Die Anpassungsgüte der Modelle ist ausgezeichnet, wie der AGFI mit 1.0 und der RMR-Wert mit .000 beweisen. Die Erklärungskraft des Gesamtmodells ist mit .245 allerdings nicht sehr hoch. Im Ergebnis zeigt sich, daß die persönliche Direktkommunikation einen erheblich stärkeren Einfluß als die Publikationen auf die IPKOM ausüben. Ferner wird deutlich, daß die zweiphasige Kommunikationsform in erheblich höherem Maße als die einphasigen Kommunikationsformen die zwischenmenschliche Kommunikationsprozesse zu stimulieren vermag. 2.2. Motivationale

Größen als Determinanten

der interpersonellen

Kommunikation

Da sich die geschätzten Beziehungen zwischen den Treatmentvariablen und der IPKOM als signifikant erwiesen haben, sollen sie nun mit den Konstrukten zur Erklärung der graduellen Meinungsführerschaft (Abb. 10.8) in ein umfassendes Modell integriert werden. Abb. 10.10 gibt die Ergebnisse wieder. Das Modell weist eine nur mäßige Anpassung auf, was insbesondere auf hohe Residuen zurückzufuhren ist. Die Erklärungskraft ist demgegenüber mit .703 als recht hoch zu werten. Den Ergebnissen zufolge regt die zweiphasige persönliche Ansprache der Direktkommunikation in deutlich höherem Maße die themenbezogenen Gespräche an, als dies mit schriftlicher oder einphasiger persönlicher Ansprache möglich ist. Hinsichtlich der emotionalen Wirkungsgröße lassen sich keine wesentlichen Unterschiede zwischen den persönlichen Kommunikationsinstrumenten feststellen. Die stärkere Gesamtwirkung des Kontaktketten-Konzepts auf das Ausmaß themenbezogener Gespräche (direkte plus indirekte Wirkung) wird hierdurch aber nicht eingeschränkt. Bevor jedoch ein genauer Wirkungsvergleich anhand der totalen kausalen Effekte vorgenommen wird, soll zunächst weitere Beziehungen aufgenommen werden. Hohe Residuen ergeben sich zwischen den Risikogrößen bzw. dem Involvement und der Variablen AKTVRG. Zur Erklärung muß auf die bereits in Abschn. E.II, dargestellten Befunde (Wirkung auf das Interesse) zurückgegriffen werden.

V I . Ergebnisse zur interpersonellen Kommunikation

403

Modellgüte AGFI = .780

RMR = .086

Erklärungskraft = .703

Abb. 10.10 Modell zur Erklärung der interpersonellen Kommunikation

Das Ausmaß der emotionalen Wirkung beim Rezipienten hängt wesentlich vom empfangerspezifischen Involvement (vor dem Kommunikationseinfluß)

E. Empirische Ergebnisse

404

ab. 1 0 Ein hohes generelles "Basis11-Involvement fordert demnach die beim Empfanger durch die Kommunikationssituation wirksam werdende emotionale Aktivierung. Die Freisetzung einer entsprechenden Beziehung zwischen INTERESSE und AKTVRG in der vorliegenden Modellstruktur liefert das in Abb. 10.11 folgende Ergebnis.

Modellgüte AGFI = .917

RMR = .039

Erklärungskraft = .786

Abb. 10.11 Der Einfluß des Involvements und des emotionalen Erlebens auf die interpersonelle Kommunikation

10

Zur Analyse dieses theoretisch plausiblen Zusammenhangs wurde neben den direkten Beziehungen zwischen dem Involvement (vorher) und dem Involvement (nachher) bzw. zwischen der AKTVRG und dem Involvement (nachher) eine indirekte Beziehung zwischen den Involvement-Konstrukten über die AKTVRG formuliert.

V I . Ergebnisse zur interpersonellen Kommunikation

405

Für das Modell wird eine deutliche Verbesserung der Anpassungsgüte (AGFI = .917, RMR = .039) erzielt. Die Residuen zwischen INTERESSE und AKTVRG sind vollständig reduziert worden, der Pfadkoeffizient zwischen den Konstrukten beträgt .424. Die gesteigerte Erklärungskraft auf .786 spricht auch im vorliegenden Modell fur die Gültigkeit der Hypothese, die Stärke des Interesses (vorher) bestimme maßgeblich die emotionale Wirkung der werblichen Kommunikation bestimmt. Eine weitere Verbesserung der Modellergebnisse ist mit einer Reduzierung verbliebener (negativer) Residuen möglich. Sie bestehen zwischen den Risikogrößen und dem Konstrukt AKTVRG. Werden weitere Strukturgleichungen eingeführt, muß eine Zunahme des explorativen Charakters des Modells hingenommen werden. Dies erscheint aber vertretbar, da Strukturbeziehungen zwischen den Risikogrößen und dem Ausmaß des emotionalen Erlebens der Kommunikationssituation theoretisch plausibel erscheinen: Hohes wahrgenommenes Risiko dürfte das Interesse am Arbeitsplatz Bundeswehr eher hemmen. Das Ausmaß emotionalen Erlebens der Kommunikationssituation wird aber wesentlich von dem Ausmaß des generellen Interesse bestimmt. Risiko und Involvement stellen gleichermaßen motivationale Prädispositionen des Empfangers dar. Es erscheint insofern plausibel, den Zusammenhang zwischen der motivationalen Größe Involvement und dem emotionalen Erleben auch auf das Risiko zu übertragen. Hohes wahrgenommenes Risiko, so kann vermutet werden, begrenzt das Ausmaß der emotionalen Wirkung der Kommunikationssituation. Interesse und Risikowahrnehmung bilden demnach gleichermaßen Wirkungsdeterminanten der emotionalen Aktivierung. Abb. 10.12 gibt die Struktur eines entsprechenden Modells und die Parameterschätzungen wieder. Zunächst kann festgehalten werden, daß die Modellstruktur eine wesentliche Verbesserung der Anpassungsgüte aufweist. Die Residuen sind trotz der großen Zahl von Modellgrößen sehr gering, wie der RMR von .023 dokumentiert. Da die Erklärungskraft des Gesamtmodells auf .826 angestiegen ist, wird deutlich, daß die endogenen Konstrukte, insbesondere das Ausmaß interpersoneller Kommunikation, durch die Beziehungen im Strukturmodell in hohem Maße erklärt werden. Bei unveränderter Höhe der meisten Parameter ist dieses Ergebnis den neu eingeführten Beziehungen zwischen den Risikogrößen und dem emotionalen Erleben zuzuschreiben; dabei ergibt sich lediglich für das Entscheidungsrisiko ein hoher negativer Pfadkoeffizient (-.236). Die Wirkungen der beiden Risiko-Größen sind in Tab. 10.8 dargestellt.

E. Empirische Ergebnisse

406

Modellgüte AGFI = .969

RMR = .023

Erklärungskraft = .826

Abb. 10.12 Risiko und emotionales Erleben als Determinanten der inteipersonellen Kommunikation

Tab. 10.8 Kausale Wirkungen des Risikos im Modell 10.12

TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN

Variable

INFORMATIONSRISIKO ENTSCHEIDUNGSRISIKO

Totale Wirkung auf TKOMPOS IPKOM AKTVRG

Indirekte Wirkung auf TKOMPOS IPKOM AKTVRG

-.009

.306

-.068

-.009

-.011

.000

-.030

.158

-.236

-.030

-.037

.000

407

V I . Ergebnisse zur interpersonellen Kommunikation

Das Ausmaß des wahrgenommenen Risikos kann den Befunden zufolge als wesentliches Motiv fur die Informationssuche innerhalb des persönlichen Umfeldes angesehen werden. Hohes Informationsrisiko stimuliert die Kommunikation starker als hohes Entscheidungsrisiko. Dennoch nimmt das Entscheidungsrisiko eine zentralere Bedeutung ein, da es das Ausmaß der emotionalen Aktivierung durch werbliche Kommunikation "reguliert". Anhand der vorliegenden Modellergebnisse soll eine abschließende Beurteilung der Ergebnisse zu den Determinanten interpersoneller Kommunikation vorgenommen werden. Tab. 10.9 gibt einen Überblick über die Wirkungen aller Modellgrößen. Tab. 10.9 Kausale Wirkungen im Modell 10.12

TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN

Variable

PUBLIK DIRKOM DIRKOM2 INFORMATIONSRISIKO ENTSCHEIDUNGSRISIKO INTERESSE KOMPOS TKOMPOS AKTVRG

Totale Wirkung auf TKOMPOS IPKOM AKTVRG

Indirekte Wirkung auf TKOMPOS IPKOM AKTVRG

-.017 .042 .048

-.109 .215 .396

-.134 .333 .377

-.017 .042 .048

-.021 .052 .059

.000 .000 .000

-.009

.306

-.068

-.009

-.011

.000

-.030 .218 .523 .000 .127

.158 .155 .281 .537 .156

-.236 .429 .000 .000 .000

.030 .054 .000 .000 .000

-.037 .155 .281 .000 .068

.000 .000 .000 .000 .000

Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt festgehalten wurde, kommt der graduellen Meinungsführerschaft eine hohe Bedeutung für die Initiierung interpersoneller Kommunikationsprozesse zu (totale kausale Wirkung = .537). Graduelle Meinungsführer prägen in der Tat die Gesprächsintensität in ihrem Umfeld. Als Bestimmungsgrößen der graduellen Meinungsführerschaft können die theoretisch postulierten Einflußgrößen bzw. Motive der Informationsabgabe, die generelle Kommunikationsposition, das generelle Involvement und das medienspezifische Involvement (emotionale Aktivierung) gelten. Tendenziell kann auch die Risikowahrnehmung als Bestimmungsgröße gewertet werden. Ferner spiegeln die Befunde wider, daß die motivationalen Konstrukte auch zentrale Bestimmungsgrößen der IPKOM darstellen. Zwischenmenschliche Kommunikation wird nicht nur über die (initiierenden) Aktivitäten gradueller Meinungsführer forciert, sondern auch aufgrund spezi-

408

E. Empirische Ergebnisse

fischer Motivsituationen fur die Informationssuche. Das Ausmaß wahrgenommener Risiken, das Involvement sowie das spezifische Medieninvolvement fuhren zur Stimulierung zwischenmenschlicher Kommunikation. Das Interesse ist fur die Informationsabgabe (durch graduelle Meinungsführer) von stärkerer Bedeutung als für die Informationssuche; das Risiko stellt dagegen ein erheblich stärkeres Motiv für die Informationssuche dar. Die Hypothesen zu den Bestimmungsgrößen persönlicher Kommunikation können damit im wesentlichen als bestätigt gelten. Den Formen der persönlichen Direktkommunikation kommt ein hohes Wirkungspotential für die Auslösung zwischenmenschlicher Kommunikation zu; mit dem mehrphasigen Konzept werblicher Ansprache gelingt dabei eine Aktivierung der persönlichen Kommuniktion weitaus stärker als mit der einphasigen Ansprache. Aus einer kommunikationsstrategischen Perspektive heraus kann man schließen, daß die persönliche Direktkommunikation ihre Wirkung auf die Stimulierung persönlicher Kommunikation erst dann voll entfalten kann, wenn die Ansprache mehrphasig und gruppenbezogen erfolgt, da in diesem Fall das Multiplikatorenpotential der graduellen Meinungsführer in hohem Maße aktiviert wird. In den Vordergrund des Interesses rückt nun die Frage, welche Erfolgspotentiale insgesamt die Stimulierung der IPKOM in werblicher Hinsicht bietet. Im folgenden Abschnitt sollen die Wirkungen der unterschiedlichen Kommunikationsinstrumente unter Berücksichtigung des Einflusses interpersoneller Kommunikationsprozesse in einem komplexen Modell aufgezeigt werden.

VU. Wirkungen in einem komplexen Modell

409

V I I . Ergebnisse zur Wirkung interpersoneller und werblicher Kommunikation in einem komplexen Modell Mit den im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Analysen konnte gezeigt werden, daß motivationale Größen, wie das generelle Involvement und das Informations- bzw. Entscheidungsrisiko, wichtige Bestimmungsgrößen für das Zustandekommen bzw. das Ausmaß interpersoneller Kommunikation sind. Werblicher Kommunikation kann eine bedeutende kommunikationsstimulierende Wirkung zukommen, wenn sie in der Art der Ansprache und der Darbietung von Kommunikationsinhalten die Motivstruktur der Empfänger berücksichtigt. In den Abschn. E.II, bis E.VI. wurde bereits gezeigt, welche Wirkungen die unterschiedlichen Kommunikationsinstrumente unter Berücksichtigung der Vernetztheit mit zwischenmenschlichen Kommunikationsprozessen auf die psychischen Konstrukte des theoretischen Bezugsrahmens auslösen. Die Analysen wurden allerdings überwiegend auf einzelne Konstrukte begrenzt, wenngleich auch mit dem Zwei-Wellen-Ansatz eine genaue Erfassung des Wirkungspotentials möglich war. Im folgenden sollen wichtige Teilmodelle in ein komplexes Gesamtmodell integriert werden. Ziel dieses insbesondere methodisch schwierigsten Abschnitts des empirischen Teils ist die simultane Ermittlung von Wirkungen interpersoneller und werblicher Kommunikation auf das System der psychischen Konstrukte. Bei Einbeziehung aller theoretisch plausiblen und auch bislang empirisch bestätigten Zusammenhänge in ein Gesamtmodell treten allerdings mehrere Probleme auf: Zum einen kann man mit einer sehr großen Konstruktzahl bzw. einer entsprechend hohen Zahl von zu schätzenden Strukturbeziehungen schnell an die Grenze des LISREL-Verfahrens stoßen. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn die Zahl endogener Variablen und Strukturbeziehungen zwischen ihnen über eine kritische Grenze steigt.1 So wurde bei einigen Modelläufen der nachfolgenden Analysen eine Rechenzeit von mehr als 8 (!) Stunden benötigt.2 Desweiteren ist mit einer Verschlechterung der Anpassungsgüte zu rechnen, da - was im Bereich der empirischen Verhaltensforschung die Regel ist - mit einer weiteren Aufnahme von Variablen die Gefahr zunehmender Interkorrelationen (auch wenn sie relativ klein sind) verbunden ist. Der letztgenannte Aspekt verweist deswegen auch auf ein theoretisches Problem. Wirkungszusammenhänge im Gesamtsystem 1

2

Der Verfasser des Programms liefert hierzu keine Angaben. Unvertretbare Rechenzeiten werden z.B. bei mehr als 20 simultan zu schätzenden Strukurbeziehungen erzielt. Für die Programmläufe wurde ein IBM-kompatibler AT 286 mit mathematischem Coprozessor vom Typ 8088 verwandt. Ein AT vom Typ 386 reduziert die Rechenzeit um ca. 40%.

410

E. Empirische Ergebnisse

psychischer Konstrukte sind relativ ungeklärt, da die meisten empirischen Arbeiten abgegrenzte Teilbereiche umfassen. Das Zusammenfugen derartig gewonnener Erkenntnisse beinhaltet insofern ein großes Maß an Unsicherheit. Besonders betont werden soll die Gefahr des Modell-Explorierens, die mit der Anwendung der Kausalanalyse aufgrund der Möglichkeit vielfaltig spezifizierbarer Interdependenzen nicht unerheblich ist. Trotz der genannten Probleme und Gefahren soll der Versuch einer Wirkungsanalyse im Gesamtsystem psychischer Konstrukte unter Berücksichtigung des Einflusses der Bestimmungsgrößen interpersoneller Kommunikation vorgenommen werden. Die Konfiguration der einzelnen Modellelemente orientiert sich an den postulierten Zusammenhängen des theoretischen Bezugsrahmens und den in den Abschn. 5.1-.5.6 dargestellten empirischen Ergebnissen.

1. Kommunikationswirkungen a u f das Interesse, die Einstellung u n d das intentionale Entscheidungsverhalten

Im folgenden sollen sukzessive Modellvariationen bzw. -erweiterungen vorgenommen werden, die auf dem Grundmodell des theoretisch postulierten Beziehungsgefüges zwischen den psychischen Konstrukten Interessen - Einstellungen - Verhaltensabsichten aufbauen. Dabei wird zunächst auf die Einbeziehung der exogenen (die IPKOM erklärenden) Konstrukte KOMPOS und TKOMPOS verzichtet. Neben den - in den vorhergehenden Analysen bislang separat spezifizierten - Wirkungsbeziehungen müssen nun auch Annahmen über die Beziehungen der Konstrukte Interesse, Einstellung und Verhaltensabsichten explizit im Modell berücksichtigt werden. Gemäß den Hypothesen wird davon ausgegangen, daß das Interesse als motivationale Größe einen Einfluß auf die Einstellung ausübt und die Einstellung wiederum positiv das intentionale Entscheidungsverhalten (Verhaltensabsicht) beeinflußt. Entsprechend der Hypothesen über den Einfluß der Kommunikationsinstrumente auf die Konstrukte bzw. über den intervenierenden Einfluß der zwischenmenschlichen Kommunikation werden die Wirkungsbeziehungen wie in Abb. 11.1 spezifiziert. Die Erklärungskraft des geschätzten Modells ist sehr hoch, wenngleich auch das Ausmaß der Residuen und insbesondere der geringe Wert des Fit-Index die Ausssagekraft einengen. Mit dem gewählten Treatment-Ansatz 2 kann allerdings aufgezeigt werden, daß die Wirkungsunterschiede der Kommunikationsinstrumente beachtlich sind. Die Befunde verdeutlichen, daß lediglich von der Direktkommunikation zwei verhaltensrelevante Wirkungen ausgehen

. Wirkungen in einem komplexen Modell

411

(.294). Als wichtige Aussage muß ferner festgehalten werden, daß die theoretisch spezifizierten Beziehungen zwischen den psychischen Konstrukten Involvement - Einstellung - Verhaltensabsicht bestätigt werden, wobei freilich der geringe Einflüßgrad der Einstellung auf die Verhaltensabsicht (.173) diese Aussage einschränkt. Die Stabilitätskoeffizienten zwischen den Vorher-Nachher-Variablen liegen zwischen .345 und .616, was auf relativ starke Veränderungen im Zeitverlauf hindeutet. Aus dem hohen Schätzwert für die Beziehung INTERESSE — > EINSTELLUNG wird deutlich, daß dem Involvement des Empfängers eine entscheidende Rolle hinsichtlich der Einstellungsbildung zukommt. Stark involvierte Probanden weisen demnach eine signifikant positivere Einstellung zum Arbeitsplatz Bundeswehr als weniger Involvierte auf. Die Erweiterung der Modellstruktur gegenüber den vorgegangenen separaten Analysen verdeutlicht andererseits, welche hohen Interdependenzen zwischen den Konstrukten bestehen. Tab. 11.1 gibt die kausalen Wirkungen wieder:

und H A L T U N G in einem komplexen Modell

Es zeigt sich, daß der Wirkung zwischenmenschlicher Kommunikation nun eine vergleichsweise geringere Bedeutung als in den separaten, konstruktbezogenen Modellen zukommt. Für die Kommunikationsinstrumente ergeben sich vergleichbare Wirkungskoeffizienten.

E. Empirische Ergebnisse

412

Tab. 11.1 Kausale Wirkungen im Modell 11.1

TOTALE UND INDIREKTE KAUSALE WIRKUNGEN Indirekte Wirkung auf INTEREINSTELHALESSE(N) LUNG(N) TUNG(N)

Variable

Totale Wirkung auf INTEREINSTEL- HALESSE(N) LUNG(N) TUNG(N)

PUBLIK DIRKOM DIRKOM2

.054 .361 .540

-.044 .294 .419

-.073 .137 .434

-.005 .029 .062

.022 .185 .288

-.014 .083 .140

IPKOM INTERESSE EINSTELLUNG INTERESSE(N)

.142 .616 .000 .000

.153 .285 .345 .463

.180 .049 .060 .080

.000 .000 .000 .000

.066 .285 .000 .000

.026 .049 .060 .080

Eine Erweiterung des Modells soll folgenden Aspekten Rechnung tragen:

(1) Das Entscheidungsrisiko wurde als wichtige Wirkungsgröße der interpersonellen Kommunikation bestätigt. Eine Einbeziehung in das Gesamtmodell erscheint deshalb sinnvoll. Entsprechend den theoretischen Überlegungen ist dabei von einem negativen Zusammenhang zwischen dem Risiko und dem Interesse, der Einstellung sowie der Verhaltensabsicht auszugehen. (2) Der im Modell formulierte Zusammenhang INTERESSE ~ > EINSTELLUNG - - > HALTUNG entspricht der klassischen high-involvementHierarchie psychischer Konstrukte. Bislang wurde die Gültigkeit dieses Zusammenhangs für den vorliegenden Untersuchungsbereich mit der unterstellten höheren kognitiven Beteiligung bei Berufswahlentscheidungen gegenüber Konsumentscheidungen begründet. Dennoch erscheint es denkbar, daß Verhaltensänderungen auch ohne Beteiligung kognitiv kontrollierter Prozesse und unter "Umgehung" der Einstellung entstehen können. Dies entspricht der sog. "low-involvement-Hierarchie". Es erscheint deshalb sinnvoll, den Pfad "INTERESSE(N) - - > HALTUNG(N) freizusetzen. (3) Es ist anzunehmen, daß bestehende Einstellungen die Reaktionsgrößen der werblichen Kommunikation bestimmen. Dies bedeutet, das Interesse und die Verhaltensabsicht nach erfolgter Kommunikation werden von den Einstellungen, die vor der werblichen Kommunikation bestanden, beeinflußt.

. Wirkungen in einem komplexen Modell

413

(4) Die Nähe der psychischen Konstrukte Einstellung und Verhaltensabsicht wird sowohl mit der signifikanten Beziehung EINSTELLUNG(N) — > HALTUNG(N) als auch mit den Korrelationen zwischen den beiden entsprechenden Vorher-Konstrukten (vgl. Abb. 11.1) bestätigt. In der verhaltenswissenschaftlichen Forschung konnte aufgezeigt werden, daß unter spezifischen Rahmenbedingungen Verhaltensausprägungen die Einstellungen determinieren können. Dieser Zusammenhang entspricht gewissermaßen der Hierarchie der Werbewirkungen auf verhaltensbezogene Größen unter Ausschaltung kognitiver Prozesse bzw. Prozesse der Einstellungsänderung. Im vorliegenden Fall erscheint es aufgrund der genannten Überlegungen naheliegend, die Verhaltensabsicht, die vor dem Kommunikationseinfluß bestand, als determinierende Größe der NachherEinstellungen aufzufassen. Dies entspricht m.E. der low involvement Hierarchie im Modell der Wirkungspfade. Abb. 11.2 gibt das Ergebnis des Modells nach sukzessiver Einbeziehung der aufgeführten Beziehungen wieder. 3 Die Güte des Modells ist aufgrund der Freisetzung von Kausalbeziehungen zwischen den Wirkungsvariablen und der dadurch bewirkten Auflösung der Residuen erheblich verbessert worden. Obwohl keine Meßfehler-Korrelationen zwischen den Vorher-Nachher-Indikatoren zugelassen wurden, erzielt die Modellösung einen Varianzaufklärungsanteil von über 92%, wodurch eine sehr gute Anpassung indiziert wird. Die Erklärungskraft hat sich gegenüber dem vorhergehenden Modell mit einem Wert von .811 sehr deutlich erhöht. Für die zusätzlich eingeführten Beziehungen ergeben sich signifikante Schätzungen, die zum Teil aber nur gering ausfallen. Die Vermutung, nach der die Einstellung (vorher) das Involvement und die Verhaltensabsicht beeinflußt, als bestätigt gelten. Ferner kann fur die low-involvement-Hierarchie INTERESSE(N) ~ > HALTUNG(N) eine signifikante Beziehung nachgewiesen werden. Ein Vergleich der Koeffizienten der Kausalbeziehungen mit den totalen kausalen Effekten zeigt, daß die Freilegung des differenzierten Wirkungsgeflechts zu Gesamtwirkungen der Treatments führt, die erheblich über den direkten Effekten (Pfadkoeffizienten) liegen (vgl. Tab. 11.2). Eine Reduzierung des Entscheidungsrisikos wird fast ausschließlich von den persönlichen Kommunikationsinstrumenten erzielt, wobei die Wirkung insbesondere über die Stimulierung der zwischenmenschlichen Kommunikation zustandekommt. Wenngleich auch die Stärke des Risikoeinflusses auf die psychischen Konstrukte nicht sehr hoch ist, so bestätigt die Signifikanz der Beziehungen jedoch die unterstellten Zusammenhänge. Den stärksten Einfluß übt das Risiko auf die Einstellungen aus, für das Involvement und die Ver-

3

Die Anwendung des Treatment-Ansatzes 2 führte zur Nicht-Invertierbarkeit der Matrix. Insofern mußte auf den Treatment-Ansatz 1 zurückgegriffen werden.

414

E. Empirische Ergebnisse

haltensabsicht ist der Einfluß relativ gering. Zieht man die direkten Effekte der interpersonellen Kommunikation heran, so zeigt sich, daß ihr Einfluß auf der Einstellungsebene am geringsten ist. Eine einstellungsändernde Wirkung der zwischenmenschlichen Kommunikation kommt dennoch aufgrund hoher indirekter Effekte unter Berücksichtigung des Entscheidungsrisikos und des Involvements zustande.

Parameterschätzung RISIKO (N)

INTERESSE (N)

EINSTELLUNG (N)

HALTUNG (N)

Publik

.043

.020

.144

-.002

Olrkom

-.199

.066

.19?

.098

Modellgüte AGFI ».921

RMR = .040

Erklärungskraft » .811

4 Abb. 11.2 Wirkungen in einem komplexen Modell 4

Eine Analyse auf der Grundlage des Treatment-Ansatzes 2 lieferte wegen mangelnder Invertierbarkeit keine konsistenten Schätzungen. Im Modell beträgt der Chi-Quadrat = 15.4 bei 20 d.f., ρ = .754.

V . Wirkungen in einem komplexen Modell

415

Tab. 11.2 Totale kausale Wirkungen der Kommunikationsinstrumente im Modell 11.2

TOTALE KAUSALE WIRKUNGEN INTERESSE(N)

EINSTELLUNG^)

-.115 .381

-.009 .193

.047 .274

-.026 .186

.064 -.303

IPKOM

.000

.261

.148

.259

-.273

RISIKO(V) RISIKO(N) INTERESSE(V) INTERESSE(N) EINSTELLUNG(V) EINSTELLUNG(N) HALTUNG(V) HALTUNG(N)

.000 .000 .000 .000 .000 .000 .000 .000

-.008 -.032 .410 .000 .153 .000 .000 .000

-.032 -.122 .178 .434 .414 .000 .219 .000

-.014 -.053 .091 .222 .292 .176 .457 .000

.263 .000 .000 .000 .000 .000 .000 .000

IPKOM

PUBLIK DIRKOM

HALTUNG(N) RISIKO(N)

Die Annahme, derzufolge die Verhaltensabsicht die Einstellung nach erfolgter werblicher Kommunikation determiniert, wird mit dem signifikanten Koeffizienten von .219 bestätigt. Insgesamt zeigen somit die Wirkungsbeziehungen zwischen Vorher- und Nachher-Konstrukten, wie eng alle psychischen Konstrukte miteinander verknüpft sind. Die hohen Interdependenzen dürften deshalb vor allem für die Beantwortung von pragmatischen Fragestellungen eine Differenzierung erübrigen. Zwischenmenschliche und werbliche Kommunikation üben sehr spezifische Wirkungen aus. Deutlich stärkste Einflußgröße des Interesses ist das Ausmaß der persönlichen Kommunikation in der Probandengruppe. Eine positive Stimulierung des Interesses wird den Ergebnissen zufolge nur in geringem Umfang über die direkten Wirkungen der Kommunikationsinstrumente erzielt (.020 bzw. .066). Betrachtet man die totalen kausalen Wirkungen dagegen, so zeigt sich, daß die Direktkommunikation über die von ihr ausgelöste starke Stimulierung der IPKOM das Ausmaß des Interesses maßgeblich beeinflußt (.193). Unter Berücksichtigung der Vernetzung des Involvements mit den anderen psychischen Größen und den daraus resultierenden Wirkungsbeziehungen wird deutlich, welche Bedeutung der Stimulierung des Involvements im Rahmen werblicher Kommunikation zukommt. Auf der Einstellungsebene kommt der persönlichen Direktkommunikation eine größere einstellungsändernde Wirkung als den Publikationen zu, wobei in nur geringem Umfang verstärkende (indirekte) Effekte über die Beziehungen DIRKOM - - > IPKOM - - > EINSTELLUNG vorliegen. Zusätz-

416

E. Empirische Ergebnisse

liehe indirekte Wirkungen kommen der Direktkommunikation jedoch über den indirekten Pfad DIRKOM - > IPKOM - - > INTERESSE - - > EINSTELLUNG zu. Auf der Verhaltensebene erzielen die Publikationen keine Wirkungen; fur die persönliche Direktkommunikation lassen sich zwar nur geringe direkte, aufgrund des Verstärkungseffektes durch die interpersonelle Kommunikation aber beträchtliche indirekte Wirkungen erzielen. Insgesamt kommt es unter Berücksichtigung der Beziehungen zwischen den psychischen Konstrukten auch auf der Verhaltensebene zu beträchlichen Wirkungen. Insbesondere hinsichtlich dieser Wirkungsgröße wird der strategische Charakter der Stimulation bzw. Nutzung interpersoneller Kommunikationsprozesse deutlich. 2. Kommunikationswirkungen unter Einbeziehung der Wirkungsgrößen emotionales Erleben und Informationsverhalten In Abschn. E.II, wurde dargelegt, daß dieses Konstrukt unmittelbaren Einfluß auf das generelle Involvement (INTERESSE) ausübt. Die Ergebnisse in Abschn. E.VI. zeigten, daß das Ausmaß emotionalen Erlebens als eine Determinante der graduellen Meinungsfuhrerschaft gelten kann (in diesem Zusammenhang wurde das emotionale Erleben als Medieninvolvement verstanden). Die IPKOM wird von diesem Konstrukt weniger über die direkte als vielmehr über die indirekte Beziehung zur Meinungsführerschaft stimuliert. Mit der Einbeziehung des emotionalen Erlebens in das System der Wirkungsgrößen wird den Hypothesen zum Einfluß dieses Konstrukt auf das generelle Involvement, die Einstellungen und die Verhaltensabsichten gefolgt. Darüber hinaus wird von einem positiven Einfluß des emotionalen Erlebens auf das Informationsverhalten ausgegangen. Das Informationsverhalten (Couponnutzung) stellt als Wirkungsgröße der Verhaltensreaktionen eine wichtige Zielgröße der werblichen Kommunikation dar; sie nimmt für die Direktkommunikation einen geradezu strategischen Charakter an, da nur bei aktiviertem Informationsverhalten der Dialog mit der Zielgruppe entsprechend dem Kontaktketten-Konzept fortgeführt werden kann. Entsprechend den Ergebnissen in Abschn. E.II, wird die latente endogene Variable Informationsverhalten als von werblicher Kommunikation und der Verhaltensabsicht direkt beeinflußt angenommen. Abb. 11.3 gibt die Modellergebnisse wieder. 5

* Mit dem Grundmodell ist es möglich, den Treatment-Ansatz 2 anzuwenden.

V . Wirkungen in einem komplexen Modell

417

Trotz der hervorragenden Erklärungskraft ist die Güte des Modells aufgrund des geringen AGFI skeptisch zu bewerten. Die Residuen bewegen sich dagegen noch im akzeptablen Bereich.

Parameterschätzung IPKOM

INTERESSE (N)

EINSTELLUNG (N)

HALTUNG (N)

AKTVRG

INFOVERH.

Publik

-.033

.036

-.007

-:056

-.149

.158

Dirkom

.196

.080

-.058

.044

.307

.213

Dirkom 2

.424

.128

.074

.293

.397

.294

Modellgüte AGFI = .577

RMR = .065

Erklärungskraft = .933

Abb. 11.3 Wirkungen unter Berücksichtigung des emotionalen Erlebens und des Informationsverhaltens in einem komplexen Modell 27 Beba

E. Empirische Ergebnisse

418

Die Schätzergebnisse zeigen, daß die emotionale Aktivierung signifikante Einflüsse auf das Interesse und die Einstellung ausübt; die Beziehung zum intentionalen Entscheidungsverhalten ist dagegen nicht signifikant. Die Verhaltensabsicht trägt trotz Signifikanz der Beziehung nur in geringem Umfang zur Erklärung des Informationsverhaltens bei. Das emotionale Erleben beeinflußt dagegen deutlicher das Informationsverhalten. Sehr viel größer sind allerdings die Wirkungen, die die Kommunikationsinstrumente direkt auf das Informationsverhalten ausüben. Sowohl die Ansprache mittels Publikationen, insbesondere aber die mehrphasige Ansprache stimulieren das Informationsverhalten. Unter Berücksichtigung der indirekten Beziehungen ergeben sich die in Tab. 11.3 aufgeführten Gesamtwirkungen. Interessanterweise übt die emotionale Wirkungskomponente einen deutlich stärkeren Einfluß auf die Einstellung als auf das Involvement aus. Vermutlich werden insbesondere emotionale Dispositionen der Einstellung hierdurch positiv verändert. Auf der Verhaltensebene lassen sich nur geringe Wirkungen der emotionalen Komponente nachweisen, die ausschließlich auf indirekte Beziehungen zurückzuführen sind, da die Beziehung AKTVRG — > HALTUNG nicht signifikant ist. Tab. 11.3 Kausale Wirkungen im Modell 11.3

TOTALE KAUSALE WIRKUNGEN

Variable

AKTVRG INTERESSE^) (N)

Totale kausale Wirkung auf EINSTELHALTUNG INFOVERH. LUNG^) (N)

PUBLIK DIRKOM DIRKOM2

-.149 .307 .397

.010 .147 .233

-.055 -.028 .301

-.066 .070 .357

.155 .265 .324

IPKOM INTERESSE(V) EINSTELLUNG(V) HALTUNG(V) AKTVRG INTERESSE(N) EINSTELLUNG(N) HALTUNG(N)

.000 .474 .000 .000 .000 .000 .000 .000

.104 .690 .000 .000 .154 .000 .000 .000

.055 .408 .328 .000 .399 .356 .000 .000

.057 .063 .050 .530 .063 .054 .153 .000

.003 .046 .002 .024 .161 .003 .007 .046

419

V . Wirkungen in einem komplexen Modell

Im Vergleich zu den Ergebnissen der vorhergehenden Modelle zeigt sich, daß die Unterschiede zwischen den direkten und den totalen Wirkungen der Treatments beträchtlich sind. Dies kann auf die Einführung der emotionalen Wirkungskomponente zurückgeführt werden, da dieses Konstrukt erhebliche indirekte Wirkungen "transportiert". Beide Direktkommunikationen lösen hohe emotionale Wirkungen aus, hieraus erwachsen hohe zusätzliche Wirkungen auf der Involvement- und insbesondere auf der Einstellungsebene. Die mit Abstand stärksten Wirkungen auf der Einstellungs- und Verhaltensebene sind allerdings dem zweiphasigen Konzept der Ansprache zuzurechnen. 3. Exkurs: Modellansatz der mehrstufigen Kommunikation In einem weiteren Schritt sollen abschließend die fur das Ausmaß der interpersonellen Kommunikation relevanten Bestimmungsgrößen in das Gesamtmodell integriert werden. Ziel ist die Bildung eines Modellansatzes der mehrstufigen Kommunikation. Folgende Modellerweiterungen sollen abschließend auf der Grundlage der Ergebnisse zu den bisherigen Modellvariationen vorgenommen werden: (1) Das Teilmodell zur Erklärung der interpersonellen Kommunikation (vgl. Abschn. E.VI.) wird integriert. (2) Die Wirkungsbeziehungen EINSTELLUNG(V) - - > bzw. HALTUNG(N) werden eingefugt. (3)

Die Beziehung aufgenommen.

HALTUNG(V)

-->

INTERESSE(N)

EINSTELLUNG(N)

wird

(4) Der Wirkungspfad zwischen den Konstrukten INTERESSE(N) - - > HALTUNG(N) wird freigesetzt. Für die Wirkungsgröße "Entscheidungsrisiko" soll darüber hinaus eine weitere Beziehung definiert werden. Bislang wurde das Entscheidungsrisiko (vor der Kommunikation) als eine der motivationalen Bestimmungsgrößen der Meinungsfuhrerschaft berücksichtigt. Weiterhin konnte gezeigt werden, daß das Ausmaß interpersoneller Kommunikation die Risikowahrnehmung reduziert. Graduelle Meinungsführer, so konnte festgestellt werden, tragen in hohem Maße zum Umfang der zwischenmenschlichen Kommunikation bei. Man kann deshalb vermuten, daß die risikoreduzierende Wirkung bei Meinungsfuhrern am größten ist. Mit einer Freisetzung der Beziehung TKOMPOS - - > RISIKO soll deshalb der Frage nachgegangen werden, ob das Ausmaß gradueller Meinungsführerschaft zu einer signifikanten Verringerung des wahrgenommenen Risikos führt.

420

E. Empirische Ergebnisse

Parameterschätzung IPKOM RISIKO (N) INTERESSE (N) EINSTELLUNG (N) HALTUNG (N) AKTVRG INFOVERH. Publik

-.076

.053

.013

.057

-.039

-.158

.151

Dirkom

.362

-.269

.112

.128

.089

.355

.277

Modellgüte AGFI = .896

RMR = .038

Erklärungskraft = .952

Abb. 11.4 Ein Wirkungsmodell unter Berücksichtigung der graduellen Meinungsführerschaft

. Wirkungen in einem komplexen Modell

421

Gelingt es, bei dieser wichtigen Multiplikatorengruppe das Entscheidungsrisiko erheblich zu reduzieren, kann von einem positiven, d.h. entscheidungsbestätigenden Einfluß des Meinungsführers bei den anderen Mitgliedern der Bezugsgruppe ausgegangen werden. Abb. 11.4 gibt die Modellstruktur und die entsprechenden Ergebnisse wieder. 6 Bei einer zufriedenstellenden Anpassungsgüte wird eine sehr hohe Erklärungskraft erzielt (.952). 7 Die Parameter der Strukturbeziehungen im interpersonellen Teilmodell sind im wesentlichen mit denen des Modells in Abb. 11.4 identisch. Der Parameter der Beziehung TKOMPOS - - > RISIKO (-.484) spiegelt wider, daß es bei (themenspezifischen) Meinungsfuhrern zu einer erheblichen Reduzierung der Risikowahrnehmung kommt. Je stärker bei einer Person das Merkmal gradueller Meinungsfuhrerschaft ausgeprägt, desto geringer ist das Entscheidungsrisiko nach erfolgter Kommunikation. 8 Es zeigt sich, daß das Informationsverhalten in besonderem Maße von dem Ausmaß emotionalen Erlebens der Kommunikationssituation und von dem Ausmaß der interpersonellen Kommunikation beeinflußt wird. Bedeutsam ist, daß sowohl die nichtpersönliche als auch die persönliche Direktkommunikation das Informationsverhalten erheblich beeinflussen. Das Ausmaß emotionaler Aktivierung übt eine deutlich positive Wirkung auf das Involvement und die Einstellung aus. Hierdurch ergeben sich hohe zusätzliche Einflüsse der Treatments auf diese Konstrukte. Tab. 11.4 gibt die berechneten totalen Wirkungen wieder:

6

Mehrere LISREL-Läufe ergaben, daß die Modellschätzung mit dem TreatmentAnsatz 2 inkonsistente Schätzer lieferte, da die Zahl der zu schätzenden Strukturbeziehungen zu hoch war. Die Integration zu einem Gesamtmodell muß im weiteren auf der Grundlage des Treatmentansatzes 1 vorgenommen werden. Die Integration der Konstrukte AKTVRG und INFOVERH soll erst im nächsten Schritt vorgenommen werden, sofern die vorliegende Modellstruktur ausreichend stabil ist.

7

Die Ergebnisse wurden nach mehreren Berechnungen erzielt, wobei sukzessive die interpersonalen Konstrukte eingefügt wurden.

8

Es muß betont werden, daß mit der Frageformulierung zum Ausmaß der IPKOM und zur graduellen Meinungsfuhrerschaft ("...in den letzten fünf Wochen...") auf die Erfassung zwischenmenschlicher Kommunikation, die zeitlich vor der zweiten Befragung stattfand, abgehoben wurde. Das Ausmaß des wahrgenommenen Risikos bezieht sich dagegen auf den Zeitpunkt der Befragung. Das Konstrukt RISIKO(N) ist insofern als eine zeitpunktbezogene Größe den zeitraumbezogenen Größen IPKOM und TKOMPOS zeitlich nachgelagert.

422

E. Empirische Ergebnisse Tab. 11.4 Kausale Wirkungen im Gesamtmodell

TOTALE KAUSALE WIRKUNGEN Totale kausale Wirkung auf Variable

AKTVRG RISIKO

INTER-

EINSTEL-

(N)

ESSE(N) LUNG(N)

HALTUNG

INFOVERH

(N)

PUBLIK

-.152

.069

-.035

-.013

-.031

.119

DIRKOM

.355

-.342

.248

.376

.301

.442

IPKOM

.000

.614

-.103

.000

.000

.103

TKOMPOS

.000

-.584

.103

.449

.064

.139

RISIKCKV)

.000

.058

.013

.023

-.004

.046

INTERESSE(V)

.397

-.145

.581

.316

-.085

.264

EINSTELL. (V)

.000

.000

.131

.355

.204

.035

HALTUNG(V)

.000

.000

.000

.177

.446

.076

AKTVRG

.000

-.008

.241

.397

.016

.443

RISIKO(N)

.000

.000

-.094

-.028

.017

-.009

INTERESSE(N)

.000

.000

.000

.297

-.183

.097

EINSTELL. (N)

.000

.000

.000

.000

.173

.030

HALTUNG(N)

.000

.000

.000

.000

.000

.171

F. Zusammenfassende Bewertung der Ergebnisse Die zunehmende Wettbewerbsintensität auf dem Personalmarkt und die damit verbundene Kommunikationskonkurrenz der Unternehmen zwingen zum Überdenken bisheriger kommunikationspolitischer Konzepte im PersonalMarketing und erfordern eine Neuorientierung, bei der die potentiellen Bewerber starker in den Mittelpunkt der Überlegungen gerückt werden. Einen wichtigen Ansatzpunkt stellen Konzepte zur langfristigen Bindung potentieller Bewerber an das Unternehmen dar, so wie es im Kontaktketten-Konzept der Direktkommunikation zum Ausdruck kommt. Ausgangspunkt der Untersuchung war deshalb die Frage, welche Formen werblicher Kommunikation vor allem im Personal-Marketing als Ansatzpunkte wirksamer Kommunikationsstrategien gelten können. Als Zielgröße der kommunikativen Aktivitäten ist dabei besonders das Personalimage, die (mehrdimensionale) Einstellung des potentiellen Bewerbers zum Arbeitgeber, herausgestellt worden. Der Bedeutung persönlicher Kommunikation fur die Bindung des potentiellen Mitarbeiters im Rahmen des Kontaktketten-Konzepts wurde in der Untersuchung mit der Berücksichtigung der persönlichen Direktkommunikation und der hierdurch stimulierten interpersonellen Kommunikation Rechnung getragen. Mit den empirischen Analysen der vorliegenden Arbeit sollte aufgezeigt werden, daß die Direktkommunikation und die Steuerung der interpersonellen Kommunikation besonders erfolgversprechende kommunikationsstrategische Optionen des Personal-Marketing darstellen. Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefaßt werden: (1) Im Vergleich der Wirkungen von persönlicher und nicht-persönlicher werblicher Ansprache erzielen die persönlichen Kommunikationsinstrumente signifikant höhere Wirkungen auf nahezu allen Konstruktebenen. (2) Insgesamt sind die Wirkungen im Vergleich zu den entsprechenden Stabilitätsbeziehungen nicht sehr hoch, dennoch ergibt sich unter Berücksichtigung des zeitlich und intensitätsmäßig begrenzten Kommunikationseinflusses ein deutliches Wirkungspotential der persönlichen Direktkommunikation, vor allem aber des Kontaktketten-Konzeptes.

424

F. Zusammenfassende Bewertung

(3) Die Direktkommunikation entfaltet ihre Wirkungen über ein beträchtliches Synergiepotential, das durch die Stimulierung interpersoneller Prozesse zustande kommt. Insgesamt können so positive Wirkungen auf der motivationalen, auf der Einstellungs- und sogar auf der Verhaltensebene erzielt werden. In gewissem Umfang verfügt aber auch die schriftliche Direktkommunikation über einstellungsändernde Wirkungen, insbesondere bei der Reduzierung des Informationsrisikos. (4) Eine Reduzierung des Entscheidungsrisikos wird durch eine verstärkte persönliche werbliche Ansprache erzielt. In erster Linie aber führt vermehrte interpersonelle Kommunikation zu einer verringerten Risikowahrnehmung. Uber eine wirksame Reduzierung des wahrgenommenen Entscheidungsrisikos lassen sich positive Effekte auf die Einstellung bewirken. (5) Die Einbeziehung der interpersonellen Kommunikation im Wirkungsmodell ermöglicht eine genaue und differenzierte Analyse der Kommunikationswirkungen zwischen werblicher und zwischenmenschlicher Kommunikation. Darüber hinaus wird deutlich, welche im Sinne des Modells der mehrstufigen Kommunikation wirksam werdenden Synergieeffekte ermittelt und nutzbar gemacht werden können. (6) Als wichtige werbliche Zielgrößen können, neben dem Personalimage und dem Entscheidungsverhalten, das Involvement, das Ausmaß emotionalen Erlebens und das Informationsverhalten angesehen werden. Positive Wirkungen auf diese Konstrukte, die in erster Linie der persönlichen Direktkommunikation zukommen, schaffen die Voraussetzungen, die für einen kontinuierlichen Dialog erforderlich sind. Die empirischen Befunde konnten zeigen, daß die nicht-persönliche Direktkommunikation für die Dialoginitialisierung und den Dialogaufbau durchaus Erfolgspotentiale besitzt. In begrenztem Umfang konnten sogar informative Wirkungen nachgewiesen werden. Bei der Dialogfortpflanzung dagegen bietet die persönliche Direktkommunikation beträchtliche Erfolgspotentiale, allerdings nur dann, wenn Emotionalität und Information der werblichen Ansprache in angemessenem Verhältnis zueinander stehen. Dies kann mit einem Kontaktketten-Konzept, bei dem die einzelnen Glieder möglichst fein aufeinander abgestimmt sind, am besten realisiert werden. Aus forschungsökonomischen Gründen konnten weitergehende Differenzierungen der Kontaktkette, wie sie in Abschn. C.II, exemplarisch dargestellt wurden, nicht der empirischen Überprüfung unterzogen werden. Hier bieten sich deshalb Ansatzpunkte für weitergehende Forschungsaktivitäten.

F. Zusammenfassende Bewertung

Die Ergebnisse zur mehrstufigen Kommunikation zeigen, daß gerade bei Kontaktketten-Konzepten die Einbeziehung von Ansätzen zur Steuerung der interpersonellen Kommunikation eine erfolgversprechende Strategie darstellen kann. Die Befunde zur graduellen Meinungsfuhrerschaft weisen dabei auf Ansatzpunkte zur Ansprache von Meinungsfuhrern im Rahmen des individualisierten Dialogs hin, die in ihrer Vielfältigkeit an dieser Stelle nicht diskutiert werden können. Als eine Möglichkeit sei hier nur die Database-Zielgruppenselektion gradueller Meinungsfuhrer erwähnt. Gelingt es, den als relevant erarbeiteten Bestimmungsgrößen der interpersonellen Kommunikation bei der inhaltlichen Gestaltung der - schriftlichen oder persönlichen Dialogkommunikation Rechnung zu tragen, so dürften noch weit größere Wirkungen, als im Rahmen des vorliegenden Experiments nachgewiesen wurden, zu erwarten sein. Gerade fur das Personal-Marketing bieten sich aufgrund des hohen finanziellen "Wertes" potentieller Mitarbeiter, des zeitlich ausgedehnten Entscheidungsprozesses und der relativ hohen Involviertheit des potentiellen Bewerbers im Berufswahlprozeß besonders günstige Voraussetzungen fur die Entwicklung effizienter Kontaktketten-Konzepte, wie sie modellhaft in der vorliegenden Untersuchung dargestellt und empirisch überprüft wurden.

Befragter ι

Interviewert

(Schule)

(Klaase)

(Name)

Befregungada turni

~

"

~~

persönlichen Berufswahl, und wie ihr Euch damit auaelnanderaetst.

Dabei aeht es uns un Cure Meinung suis Thema Bundeawehr und der

wir (Uhren sur Zelt eine Umfrage bei Schillern der Klaaaenatufen neun und sehn an verschiedenen ausgewählten Schulen in Niedersachsen durch.

Hallo,

(Vorhar-Fragebogen)

vlel

verdienen

keinen Arger mit Kollegen und Chef

wichtig

sicherer Arbeitsplats

weniger wichtig

immer wieder Neuea und Tollea erleben

eigene Gedanken und Voratellungen einbringen

viel Preiseit haben

J)

1)

h)

g)

mit neuartiger Technik umgehen

·)

asi derseitlgen Wohnort arbeiten

sehr wichtig

k)

f)

d)

hohaa Anaehen unter Freunden

geregelte Arbeltaseit

b) c)

möglichst schnell vorwMrtskommen

a)

1. In absehbarer Zelt lat Deine Schulseit su Ende, vielleicht haat Du Dir achon Ml Gedanken goaacht, wie Dein suktlnftlger Beruf auaaehen aollte. Ordne bitte die Buchataben der folgenden Merkaale den Entegorien 'sehr wichtig, wichtig, weniger wichtig" au.

429

430

Anhang

Anhang

431

432

Anhang

Anhang

28 Beba

433

434

Anhang

Anhang

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2

M

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435

Anhang

436

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440

Anhang

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Anhang

441

442

Anhang

Anhang

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