Die Verletzung von Lock-up Agreements: Zur Herleitung eines Haftungskonzepts »extra legem, intra ius« [1 ed.] 9783428556977, 9783428156979

»Breaches of Lock-Up-Agreements. On the Development of a Liability-Concept extra legem, intra ius«Lock-up-agreements are

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German Pages 327 [328] Year 2019

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Die Verletzung von Lock-up Agreements: Zur Herleitung eines Haftungskonzepts »extra legem, intra ius« [1 ed.]
 9783428556977, 9783428156979

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 141

Die Verletzung von Lock-up Agreements Zur Herleitung eines Haftungskonzepts extra legem, intra ius

Von

Lorenz M. Koffka

Duncker & Humblot · Berlin

LORENZ M. KOFFKA

Die Verletzung von Lock-up Agreements

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 141

Die Verletzung von Lock-up Agreements Zur Herleitung eines Haftungskonzepts extra legem, intra ius

Von

Lorenz M. Koffka

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2018 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15697-9 (Print) ISBN 978-3-428-55697-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-85697-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meine Eltern und Freya

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2018 von der Rechtwissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung erfolgte am 12. und 13. November 2018. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Januar 2019 berücksichtigt werden. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Chicago) für sein Engagement und die hervorragende Betreuung dieser Arbeit. Mein Dank gilt ferner Herrn Prof. Dr. Boris Paal, M.Jur. (Oxford) für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Den Herausgebern Herrn Prof. Dr. Gerald Spindler, Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Chicago) und Herrn Prof. Dr. Holger Fleischer, LL.M. (Michigan) danke ich für die Aufnahme dieser Arbeit in die Schriftenreihe „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht“. Dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg möchte ich für die Bereitstellung eines Bibliothekarbeitsplatzes und die ausgezeichneten Arbeitsbedingungen danken. Felix und Jasper haben als Mitbewohner in der „Johns“ einen Großteil der Entstehungszeit dieser Arbeit begleitet und durch ihren Humor und ihre Freundschaft geprägt. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Freya danke ich für ihre liebevolle Unterstützung, die bedingungslose (und nicht immer verdiente) Geduld und die vielen gemeinsamen Stunden jenseits dieser Arbeit, ohne die meine Promotionszeit nicht dieselbe gewesen wäre. Schließlich danke ich meinen Eltern und meiner Familie, die mich auf meinem bisherigen Weg unterstützt, gefördert und stets ermutigt haben und mir trotz aller Freiheiten und Freiräume immer ein Zuhause waren. Hamburg, im Januar 2019

Lorenz M. Koffka

Inhaltsübersicht Einleitung

29

A. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Erster Teil Grundlagen

33

1. Kapitel Lock-up Agreements

33

A. Einführung und Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 B. Zweck und Schutzfunktion von Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. Lock-up Agreements im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Kapitel Kapitalmarktökonomie

65

A. Begriff des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 B. Ökonomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 C. Normative Regelungsziele des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3. Kapitel Lock-up Agreements aus ökonomischer Perspektive

92

A. Funktionsweise von Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 B. Stabilisierung des Kursniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

10

Inhaltsübersicht

C. Funktionsschutz des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4. Kapitel Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

104

A. Die Verletzung von Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . 112 C. Haftung nach US-amerikanischem Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 5. Kapitel Ergebnisse des ersten Teils

161

Zweiter Teil Entwicklung eines Haftungskonzepts im Wege der Rechtsfortbildung

163

6. Kapitel Vorüberlegungen zur Methodologie der Rechtsfindung

163

A. Zulässigkeit der Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 B. Stufen der Rechtsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 7. Kapitel Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

168

A. Vorliegen einer Lücke im Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 B. Notwendigkeit einer privatrechtlichen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 8. Kapitel Entwicklung eines Haftungskonzepts

207

A. Dogmatische Grundlagen eines Haftungskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 B. Begründungsansätze einer Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Inhaltsübersicht

11

C. Konzept eines eigenen Haftungsinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 D. Dogmatische Herleitung eines eigenen Haftungsinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 E. Rechtsökonomische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 9. Kapitel Voraussetzungen und Anwendung des Haftungsinstituts

284

A. Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 B. Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 C. Haftungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 10. Kapitel Ergebnisse des zweiten Teils

292

Schlussbetrachtung

295

A. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 B. Bewertung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

Inhaltsverzeichnis Einleitung

29

A. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Erster Teil Grundlagen

33

1. Kapitel Lock-up Agreements

33

A. Einführung und Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. (Harte) Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Marktschonungsvereinbarungen (weiche Lock-up Agreements) . . . . . . . . . . . . 36 3. Verwässerungsschutzvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4. Typenkombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 III. Abgrenzungen und Sachverhaltskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Abgrenzung zu Veräußerungsbeschränkungen am Sekundärmarkt . . . . . . . . . . 38 2. Konstellationen von Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 a) Vereinbarungen mit der Emissionsbank oder dem Emittenten . . . . . . . . . . . 40 b) Abgrenzung zu Vereinbarungen der Altaktionäre untereinander . . . . . . . . . . 40 3. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Zweck und Schutzfunktion von Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Schutzfunktion von Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Interessenlagen der beteiligten Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Emittent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

14

Inhaltsverzeichnis 3. Emissionsbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4. Altaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Gründer und Unternehmensleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 b) Risikokapitalgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 c) Kleinanleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

C. Lock-up Agreements im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Rechtsnatur und Rechtswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 II. Zulässigkeit von Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Kapitalmarktrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Vereinbarkeit mit § 68 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Vereinbarkeit mit § 136 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 c) Vereinbarkeit mit der Organverfassung der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . 56 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Pflicht zum Abschluss von Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Lock-up Agreements als Zulassungsvoraussetzung der Börsennotierung . . . . . 57 2. Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Treuepflicht der Altaktionäre gegenüber dem Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Treuepflicht der Altaktionäre gegenüber den Mitgesellschaftern . . . . . . . . . 63 c) (Treue-)Pflicht der Altaktionäre gegenüber der Emissionsbank . . . . . . . . . . 63 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

2. Kapitel Kapitalmarktökonomie

65

A. Begriff des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Primärmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 II. Sekundärmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 B. Ökonomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Informationseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Wirkungsweisen der Markteffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Formen der Effizienzhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 II. Informationsverteilung und Marktversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Informationsbedingtes Marktversagen und der „Markt für Zitronen“ . . . . . . . . 77 2. Signaling und Screening . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Inhaltsverzeichnis

15

C. Normative Regelungsziele des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Funktionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Allokative Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Operationale Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Institutionelle Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 II. Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Anlegerschutz als selbstständiges Regelungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Konzept des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 a) Individualschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa) Anlagerisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 bb) Grenzen des Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 cc) Anlegerleitbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Kollektivschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 c) Individual- und Kollektivschutz: zwei Seiten derselben Medaille . . . . . . . . . 90 III. Publizität im Lichte der normativen Regelungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

3. Kapitel Lock-up Agreements aus ökonomischer Perspektive

92

A. Funktionsweise von Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Abbau von Informationsasymmetrien (Signal-Theorie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Vertrauensbildung (Vermeidung von moralischem Risiko) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 III. Reduzierung von Vertretungskosten (Prinzipal-Agenten-Theorie) . . . . . . . . . . . . . 96 B. Stabilisierung des Kursniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 I. Preisbildung und Angebotsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Substitutionshypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Preisdruckhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Informationshypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4. Hypothese fallender Nachfragekurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Tatsächliche Kursrelevanz: empirische Nachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 C. Funktionsschutz des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

16

Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

104

A. Die Verletzung von Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I. Verstoß gegen Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 II. Durchsetzbarkeit und Sicherung von Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Separate Wertpapiernummern und Sperrdepots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . 112 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Anspruchsrichtung und Schadensverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Ansprüche der Emissionsbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Ansprüche des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Ansprüche der Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Art des Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Art der Verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Schadensersatz nach Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Haftung für falsche oder unterlassene Kapitalmarktinformationen . . . . . . . . . . 119 3. Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Tatbestandsvoraussetzungen gem. Art. 14 lit. a) i.V.m. Art. 7, 8 MAR . . . . . 120 b) Schutzgesetzeigenschaft gem. § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4. Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Tatbestandsvoraussetzungen gem. Art. 15 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 – 3 MAR

122

b) Schutzgesetzeigenschaft gem. § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 III. Schadensersatz nach Verbandsrecht: gesellschaftsrechtliche Treuepflicht . . . . . . . 127 IV. Schadensersatz nach allgemeinem Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . 134 b) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . 135 4. Mängelgewährleistungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 V. Schadensersatz nach allgemeinem Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

Inhaltsverzeichnis

17

C. Haftung nach US-amerikanischem Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 I. Primärmarktrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Haftung nach Sec.12(a) (2) SA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Anwendbarkeit gegenüber Sekundärakteuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Anwendbarkeit am Sekundärmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Haftung nach Sec. 11 SA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 II. Sekundärmarktrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Haftung nach Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 aa) Stream SIVAC v. Wang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 bb) Nanopierce Technologies v. Southridge Capital Management . . . . . . . . 154 cc) Vandenberg v. Adler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 dd) In re Sterling Foster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Haftung nach Sec. 9(f) SEA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

5. Kapitel Ergebnisse des ersten Teils

161

Zweiter Teil Entwicklung eines Haftungskonzepts im Wege der Rechtsfortbildung

163

6. Kapitel Vorüberlegungen zur Methodologie der Rechtsfindung

163

A. Zulässigkeit der Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 B. Stufen der Rechtsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

18

Inhaltsverzeichnis 7. Kapitel Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

168

A. Vorliegen einer Lücke im Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 I. Lückenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Merkmal der Unvollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Merkmal der Planwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Der „weite“ Lückenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II. Feststellung einer Lücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Vertrauensschutz und Kooperationsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Anlegerschutz und Funktionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B. Notwendigkeit einer privatrechtlichen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 I. Effizienz als (normatives) Rechtsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Ökonomische Analyse der Haftung als Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Verhaltenssteuerung durch Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Kostenz-Nutzen-Analyse zur Bestimmung des Optimalzustands . . . . . . . . . . . . 185 a) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Zweifel an der praktischen Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 b) Widerspruch von Effizienz und Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 III. Bedürfnis nach privater Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Begriff der privaten Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Abwägung von privater und öffentlich-rechtlicher Rechtsdurchsetzung . . . . . . 192 a) Durchsetzungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Durchsetzungsanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Durchsetzungsflexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 IV. Verhaltenssteuerung mittels außerrechtlicher Sanktionsmechanismen . . . . . . . . . . 197 1. Formen und Wirkungsweisen außerrechtlicher Sanktionsmechanismen . . . . . . 197 a) Gewissen und Moral als Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Reputation als Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 aa) Unbegrenzte oder ungewisse Dauer der Geschäftsbeziehung . . . . . . . . . 200 bb) Informationelle Transparenz des Markts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 2. Verhältnis von privat- und außerrechtlichen Steuerungsmechanismen . . . . . . . 202 3. Möglichkeit einer außerrechtlichen Verhaltenssteuerung der Altaktionäre . . . . 203

Inhaltsverzeichnis

19

4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

8. Kapitel Entwicklung eines Haftungskonzepts

207

A. Dogmatische Grundlagen eines Haftungskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 I. Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Vertragliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Deliktische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 II. Gründe für eine Beschränkung des Ersatzes von Vermögensschäden . . . . . . . . . . 211 III. Dogmatische Kategorien einer Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Anknüpfung an eine Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Außerdeliktische Sonderverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 aa) Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 bb) Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Voraussetzungen einer außerdeliktischen Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . 218 aa) Tatsächliches Näheverhältnis und erhöhte Einwirkungsmöglichkeit . . . 218 bb) Anwendungsvorrang des § 311 Abs. 3 S. 1 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 c) Voraussetzung eines Vertretenmüssens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Anknüpfung an ein normativitätsstiftendes Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 B. Begründungsansätze einer Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 I. Gesetzliche Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Theorie der vertrauensrechtlichen Haftung (Canaris) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 a) Positiver Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b) Negativer Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 c) Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3. Konzept des Verkehrsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 4. Konzept eines gesetzlichen Schuldverhältnisses auf Anlegerschutz (Hopt) . . . 235 II. Quasi-vertragliche Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Lehre von der Erklärung an die Öffentlichkeit (Ehrenberg) . . . . . . . . . . . . . . . . 237 2. Rechtsvergleichender Ausblick: Promissory Estoppel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3. Vertrauensschutz bei einseitigen Leistungsversprechen (Stoll) . . . . . . . . . . . . . 240 4. Selbstbindung kraft sozialtypischer Sprachhandlung (Lüsing) . . . . . . . . . . . . . 242

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Inhaltsverzeichnis 5. Soziologische Selbstbindungslehre (Köndgen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 6. Marktorientiert funktionale Selbstbindungslehre (Ackermann) . . . . . . . . . . . . . 247 III. Antinomie zwischen gesetzlicher und (quasi-)vertraglicher Haftung . . . . . . . . . . . 251 IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

C. Konzept eines eigenen Haftungsinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 I. Außervertragliche Selbstbindung kraft Prospektveröffentlichung . . . . . . . . . . . . . 256 II. Ersatz des negativen Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 D. Dogmatische Herleitung eines eigenen Haftungsinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 I. Voraussetzungen der Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Methoden der Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 a) Analogieschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 aa) Analoge Anwendung von § 311 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 bb) Analoge Anwendung von § 122 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 cc) Gesamtanalogie aus §§ 122, 311, 434, 1298 BGB, §§ 21, 22 WpPG . . . 268 b) Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 c) Teleologische Extension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 d) Rechtsfortbildung kraft allgemeiner Rechtsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Abgrenzung gegenüber der Rechtsfindung contra legem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 II. Grund und Zurechnung der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 1. Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 2. Zurechnungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 a) Veranlassungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) Verschuldensprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 c) Risikoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 E. Rechtsökonomische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 I. Effiziente Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 II. Private Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 III. Kein Zuwiderlaufen von außerrechtlichen Sanktionsmechanismen . . . . . . . . . . . . 283 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

9. Kapitel Voraussetzungen und Anwendung des Haftungsinstituts

284

A. Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 I. Art des Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 II. Art der Verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

Inhaltsverzeichnis

21

B. Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 I. Berechnung des Haftungsumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 II. Mögliche Haftungsszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 1. Szenario 1: keine Kursveränderung bis zum Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 2. Szenario 2: negative Kursentwicklung bis zum Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 3. Szenario 3: positive Kursentwicklung bis zum Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 C. Haftungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

10. Kapitel Ergebnisse des zweiten Teils

292

Schlussbetrachtung

295

A. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 B. Bewertung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Szenario einer konstanten Kursentwicklung bis zur Verletzung eines Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Abbildung 2: Szenario einer negativen Kursentwicklung bis zur Verletzung eines Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Abbildung 3: Szenario einer positiven Kursentwicklung bis zur Verletzung eines Lock-up Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abb. ABl. EG ABl. EU Abs. Abschn. AcP a.F. AG AktG allg. Am. Econ. Rev. Am. L. & Econ. Rev. Anh. ATS Aufl. BaFin BayObLG BB Bd. Bearb. Begr. Beil. Beschl. BGBl. BGH BGHSt BGHZ BIP BKR BörsG bspw. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE CAAR Cal. L. Rev. CAPM CAR C.F.R.

andere Ansicht am angegebenen Ort Abbildung Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis (Fachzeitschrift) alte Fassung Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Fachzeitschrift) Aktiengesetz allgemein/e The American Economic Review (Fachzeitschrift) American Law and Economics Review (Fachzeitschrift) Anhang Alternative Trading System Auflage Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bayrisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater (Fachzeitschrift) Band Bearbeiter Begründung/Begründer Beilage Beschluss Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des BGH in Strafsachen Entscheidungssammlung des BGH in Zivilsachen Bruttoinlandsprodukt Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (Fachzeitschrift) Börsengesetz beispielsweise Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Cumulative Average Abnormal Return California Law Review (Fachzeitschrift) Capital Asset Pricing Model Cumulative Abnormal Return Code of Federal Regulations

Abkürzungsverzeichnis c.i.c. C. L. Rev. Col. L. Rev. Corn. L. Rev. d. DB ders. d. h. dies. DJT DStR EBOR ECFR ECMH Econ. J. EG Einf. Einl. ErwG EU EuGH Europ. Fin. Mgmt. Europ. J. Fin. EUV EWiR f. FA-BKR FB ff. Fn. FS gem. GesKR GesR GG ggf. Großkomm. GS Halbs. Harv. L. Rev. HdB Hervorh. HGB h.M. Hrsg. HWBF

25

culpa in contrahendo Cambridge Law Review (Fachzeitschrift) Columbia Law Review (Fachzeitschrift) Cornell Law Review (Fachzeitschrift) des/durch Der Betrieb (Fachzeitschrift) derselbe das heißt dieselbe Deutscher Juristentag Deutsches Steuerrecht (Fachzeitschrift) European Business Organization Law Review (Fachzeitschrift) European Company and Financial Law Review (Fachzeitschrift) Efficient Capital Market Hypothesis The Economic Journal (Fachzeitschrift) Europäische Gemeinschaft Einführung Einleitung Erwägungsgrund Europäische Union Europäischer Gerichtshof European Financial Management (Fachzeitschrift) The European Journal of Finance (Fachzeitschrift) Vertrag über die Europäische Union Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht – Kurzkommentare (Fachzeitschrift) folgende Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht Finanz Betrieb (Fachzeitschrift) fortfolgende Fußnote Festschrift gemäß Schweizerische Zeitschrift für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie Umstrukturierungen (Fachzeitschrift) Gesellschaftsrecht Grundgesetz gegebenenfalls Großkommentar Gedenkschrift Halbsatz Harvard Law Review (Fachzeitschrift) Handbuch Hervorhebung Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber/in Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens

26 i. i. d. R. Int. Rev. Econ. & Fin. IPO i.S.d. i.S.e. i.V.m. JA J. Acc. & Econ. J. Bank. & Fin. J. Bus. J. Bus. Fin. & Acc. J. Bus. Venturing J. Corp. Fin. J. Corp. L. J. Econ. Lit. J. Econ. Th. jew. J. Fin. J. Fin. Econ. J. Fin. Quant. Anal. J. Fin. R. J. Leg. Stud. Jg. J. M. R. J. Pol. Econ. JR JuS JZ Kap. KK-AktG KK-WpHG Kölner HdB GesR Komm. LG lit. MAD Manag. Fin. MAR Mi. L. Rev. Mio. MMVO Mrd. MüKo-AktG MüKo-BGB MüKo-ZPO MünchHdB-GesR m.w.N.

Abkürzungsverzeichnis im in der Regel International Review of Economics and Finance (Fachzeitschrift) Initial Public Offering im Sinne des/der im Sinne einer/eines in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter (Fachzeitschrift) Journal of Accounting and Economics (Fachzeitschrift) Journal of Banking and Finance (Fachzeitschrift) The Journal of Business (Fachzeitschrift) Journal of Business Finance & Accounting (Fachzeitschrift) Journal of Business Venturing (Fachzeitschrift) Journal of Corporate Finance (Fachzeitschrift) The Journal of Corporation Law (Fachzeitschrift) Journal of Economic Literature (Fachzeitschrift) Journal of Economic Theory (Fachzeitschrift) jeweils The Journal of Finance (Fachzeitschrift) Journal of Financial Economics (Fachzeitschrift) The Journal of Financial and Quantitative Analysis (Fachzeitschrift) Journal of Financial Research (Fachzeitschrift) The Journal of Legal Studies (Fachzeitschrift) Jahrgang Journal of Marketing Research (Fachzeitschrift) Journal of Political Economy (Fachzeitschrift) Juristische Rundschau (Fachzeitschrift) Juristische Schulungen (Fachzeitschrift) JuristenZeitung (Fachzeitschrift) Kapitel Kölner Kommentar zum Aktiengesetz Kölner Kommentar zum WpHG Kölner Handbuch Gesellschaftsrecht Kommentar Landgericht litera Market Abuse Directive Managerial Finance (Fachzeitschrift) Market Abuse Regulation Michigan Law Review (Fachzeitschrift) Million/en Marktmissbrauchsverordnung Milliarde/n Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts mit weiteren Nachweisen

Abkürzungsverzeichnis Nachdr. NASDAQ Neubearb. n.F. NJW NK-BGB Nr. NYSE NYU NZG ÖBA OLG ORDO Orig. Osgoode Hall L. J. OTC PWW-BGB Q. J. Econ. RabelsZ re. RegE Rev. Fin. Stud. RL Rn. RWNM S. SEC Sec. Slg. sog. Sp. Stan. L. Rev. St. John’s L. Rev. Str. Mgmt. J. sub lit. teilw. Tex. L. Rev. Tul. L. Rev. u. a. UCLA UCLA L. Rev. Univ. Univ. Chic. L. Rev. Univ. Ill. L. Rev. Univ. M. L. Rev.

27

Nachdruck National Association of Securities Dealers Automated Quotations Neubearbeitung neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Fachzeitschrift) NomosKommentar BGB Nummer New York Stock Exchange New York University Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Fachzeitschrift) Österreichisches Bankarchiv (Fachzeitschrift) Oberlandesgericht Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft (Fachzeitschrift) Original Osgoode Hall Law Journal (Fachzeitschrift) Over The Counter Prütting/Wegen/Weinricht (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch – Kommentar The Quarterly Journal of Economics (Fachzeitschrift) Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Fachzeitschrift) rechte Regierungsentwurf The Review of Financial Studies (Fachzeitschrift) Richtlinie Randnummer/n Regelwerk Neuer Markt Seite, Satz U.S. Securities and Exchange Commission Section Sammlung sogenannte/r/n Spalte Stanford Law Review (Fachzeitschrift) St. John’s Law Review (Fachzeitschrift) Strategic Management Journal (Fachzeitschrift) sub litera teilweise Texas Law Review (Fachzeitschrift) Tulane Law Review (Fachzeitschrift) und andere, unter anderem University of California, Los Angeles UCLA Law Review (Fachzeitschrift) University, Universität The University of Chicago Law Review (Fachzeitschrift) University of Illinois Law Review (Fachzeitschrift) University of Miami Law Review (Fachzeitschrift)

28 unstr. Unterabs. Urt. usw. v. v. a. Va. L. Rev. Verf. VermAnlG VersR vgl. VO Vol. WM Wm. & Mary L. Rev. WpHG WpPG Yale J. on Reg. Yale L. J. z. B. ZBB ZfB ZfbF ZGR ZHR Ziff. ZIP zit. ZPO z. T. zust. ZVersWiss

Abkürzungsverzeichnis unstreitig Unterabsatz Urteil und so weiter vom/vor vor allem Virginia Law Review (Fachzeitschrift) Verfasser Vermögensanlagegesetz Versicherungsrecht (Fachzeitschrift) vergleiche Verordnung Volume Wertpapier-Mitteilungen (Fachzeitschrift) William & Mary Law Review (Fachzeitschrift) Wertpapierhandelsgesetz Wertpapierprospektgesetz Yale Journal on Regulation (Fachzeitschrift) The Yale Law Journal (Fachzeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (Fachzeitschrift) Zeitschrift für Betriebswirtschaft (Fachzeitschrift) Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (Fachzeitschrift) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Fachzeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (Fachzeitschrift) Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Fachzeitschrift) zitiert Zivilprozessordnung zum Teil zustimmend Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (Fachzeitschrift)

Einleitung

„Because the bonds of words are too weak to bridle men’s ambition.“ Thomas Hobbes, Leviathan, Part I Chap. 14

A. Gegenstand der Untersuchung Gegenstand der folgenden Untersuchung sind Lock-up Agreements, genauer gesagt deren Verletzung, und die Frage, ob der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement eine Schadensersatzhaftung gegenüber den am Lock-up Agreement unbeteiligten Anlegern begründet. Im Kern geht es damit um die Frage, ob jemand gegen seinen Willen an etwas gebunden werden kann, was er einem anderen gegenüber versprochen hat und was am Markt öffentlich bekanntgegeben worden ist. Die Frage impliziert bereits, dass sich Parteien in privaten Beziehungen nicht zwangsläufig freiwillig an das Versprochene halten. „For he that performeth first, has no assurance the other will performe after; because the bonds of words are too weak to bridle mens ambition, avarice, anger, and other Passions, without the feare of some coercive Power“, befand bereits Hobbes1 und beschrieb damit den Naturzustand des Menschen und die daraus folgende Notwendigkeit einer rechtlichen Bindung durch staatliche Gewalt, um die gesellschaftliche Kooperation und ein friedvolles Zusammenleben zu gewährleisten. Eine rechtliche Bindung geht indes stets mit einer Beschränkung der persönlichen Freiheit einher und bedarf somit besonderer Voraussetzungen. Die aufgeworfene Frage, ob jemand gegen seinen Willen an etwas gebunden werden kann, scheint schnell beantwortet, wenn man sich vergegenwärtigt, dass rechtliche Bindung in privaten Beziehungen nur durch den Parteiwillen, also ex voluntate, oder durch das Gesetz, d. h. ex lege, begründet werden kann. Kommt eine willensbasierte Bindung in der Form eines Rechtsgeschäfts zwischen den Parteien nicht zustande und ist auch kein gesetzlicher Tatbestand erfüllt, der das Zustandekommen eines bindenden Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien anordnet, ist das in Frage stehende Verhalten – so scheint es jedenfalls zunächst – nicht rechtlich bindend. Ein Versprechen ist folglich nur insoweit bindend, wie sich der Verspre1

Hobbes, Leviathan, 1651, Part I Chap. 14 (S. 105 d. Nachdr. v. 1909).

30

Einleitung

chende gegenüber dem Versprechensempfänger binden will. Ein solcher Befund führt nicht selten zu unbefriedigenden Ergebnissen, insbesondere wenn das besagte Versprechen anderen gegenüber zwar nicht gewollt ist – eine willensbasierte Rechtsbindung mithin ausscheidet –, aber dennoch öffentlich kundgetan wird, etwa durch eine Veröffentlichung, und somit von der Öffentlichkeit als rechtsverbindlich verstanden wird. Es bedarf daher der Überlegung, ob im Rahmen der Rechtsordnung nicht möglicherweise auch andere oder genauer gesagt weitergehende Formen einer rechtlichen Bindung denkbar sind. Das Instrument des Lock-up Agreements zeigt, dass das aufgeworfene Problem keinesfalls rein theoretischer Natur ist. Lock-up Agreements sind schuldrechtliche Vereinbarungen, durch welche die Altaktionäre eines Unternehmens – meist gegenüber der Emissionsbank – versprechen, ihre Aktien für einen bestimmten Zeitraum nach einem Börsengang nicht zu veräußern. Indem das Lock-up Agreement im Zuge der Emission im Wertpapierprospekt veröffentlicht wird, wird es dem Markt, d. h. den am Markt agierenden Anlegern, kundgetan. Bei einem Lock-up Agreement handelt es sich demnach um ein Versprechen, das einer Partei gegenüber abgegeben und gleichzeitig öffentlich kundgetan wird. Gegenstand der folgenden Untersuchung ist somit die Frage, ob sich die Altaktionäre auch gegenüber dem Markt, genauer gegenüber den am Markt agierenden Anlegern, an das im Rahmen des Lock-up Agreements veröffentlichte Versprechen binden lassen müssen, ihre Aktien nicht zu veräußern. Praktisch relevant wird dies, wenn ein Altaktionär ein solches Lock-up Agreement verletzt: Denn ob der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement zum Schadensersatz gegenüber den Anlegern verpflichtet, hängt davon ab, ob die Altaktionäre auch gegenüber den Anlegern rechtlich an das Lock-up Agreement gebunden sind. Freilich ist auch im Rahmen von Lock-up Agreements zu beachten, dass eine rechtliche Bindung im Grundsatz entweder ex voluntate im Rahmen eines Rechtsgeschäfts oder ex lege aufgrund eines gesetzlichen Tatbestands begründet werden kann. Eine Bindung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern kann – so wird die folgende Untersuchung zeigen – weder durch Rechtsgeschäft noch einen gesetzlichen Tatbestand begründet werden. An dieser Stelle darf die Suche jedoch nicht aufgegeben werden, da sich das geltende Recht keineswegs im positiven Gesetzesrecht erschöpft. Stattdessen wird zu zeigen sein, dass eine rechtliche Bindung und eine daraus resultierende Haftung der Anleger gegenüber den Altaktionären infolge der Verletzung eines Lock-up Agreements bereits de lege lata möglich sind und sich im Rahmen einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung extra legem, intra ius herleiten lassen.

C. Gang der Untersuchung

31

B. Ziel der Untersuchung Ziel der nachfolgenden Untersuchung ist zum einen, darzulegen, dass die Verletzung von Lock-up Agreements nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen keine Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern begründet und dass das Fehlen einer wirksamen Sanktionierung und Verhaltenssteuerung der Altaktionäre im Widerspruch zu der ökonomischen Bedeutung von Lock-up Agreements für den Kapitalmarkt steht. Darauf aufbauend soll gezeigt werden, dass eine Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements dennoch bereits de lege lata existiert, indem ein kohärentes Haftungskonzept entwickelt und dieses im Wege einer Rechtsfortbildung hergeleitet wird.

C. Gang der Untersuchung Das aufgeworfene Problem wirft eine Reihe von Fragen auf, die im Verlauf der folgenden Abhandlung beantwortet werden sollen. Offenkundig ist zunächst die Frage, ob die Verletzung eines Lock-up Agreements nicht bereits nach den allgemein anerkannten Rechtsgrundlagen eine Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern begründet. Kommt eine Haftung nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen dagegen nicht in Betracht, schließt sich sodann die Frage an, ob sich daraus eine Gesetzeslücke ergibt und ob diese geschlossen werden soll. Wird dies bejaht, verbleibt schließlich die Frage, auf welchem Weg eine solche Gesetzeslücke geschlossen werden könnte. Darauf aufbauend gliedert sich die folgende Untersuchung in zwei Teile: Bevor sich mit einer rechtsfortbildenden Konzeption eines Haftungsinstituts befasst werden kann, bedarf es einer Untersuchung des gegenwärtigen Status quo. Daher befasst sich der erste Teil mit den Grundlagen der kapitalmarktrechtlichen Lock-up Agreements. Hierfür wird zunächst das Instrument des Lock-up Agreements eingehend dargestellt und gegenüber anderen Formen von Veräußerungsverboten abgegrenzt (1. Kapitel). Zudem wird auf den Zweck von Lock-up Agreements eingegangen und deren gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Behandlung skizziert. Im Folgenden wird dann das Blickfeld erweitert und werden die Grundlagen der Kapitalmarktökonomie dargelegt (2. Kapitel), da die ökonomischen Funktionsweisen des Kapitalmarkts im Verlauf der Untersuchung als theoretisches Fundament der Argumentation dienen werden. Im Anschluss schließt sich der Kreis, indem das Instrument des Lock-up Agreements aus ökonomischer Perspektive betrachtet wird und die ökonomischen Funktionsmechanismen von Lock-up Agreements untersucht werden (3. Kapitel). In diesem Zusammenhang wird zudem auf empirische Nachweise der Auswirkungen von Lock-up Agreements auf die Kursentwicklung des Emittenten eingegangen.

32

Einleitung

In einem nächsten Schritt wird sodann untersucht, wie die Verletzung eines Lockup Agreements rechtlich zu bewerten ist (4. Kapitel). Hierfür wird dargestellt, auf welche Weise gegen Lock-up Agreements verstoßen werden kann und warum in der Praxis keine wirksamen Sicherungsmittel existieren, um die Einhaltung von Lock-up Agreements durchzusetzen. Im Zentrum steht sodann die Frage, ob der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen eine Schadensersatzhaftung gegenüber den Anlegern begründet, wobei zusätzlich untersucht wird, wie ein Verstoß gegen ein Lock-up Agreements nach US-amerikanischem Recht zu behandeln ist, um daraus Rückschlüsse für die Bewertung nach deutschem Recht zu ziehen. Die Ergebnisse des ersten Teils werden schließlich zusammengefasst (5. Kapitel). Der zweite Teil dieser Untersuchung knüpft an die Ergebnisse des ersten Teils an und befasst sich mit der Entwicklung eines Rechtsinstituts im Wege einer Rechtsfortbildung, welches eine Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern infolge der Verletzung von Lock-up Agreements begründet. Dafür wird in einem ersten Schritt auf die methodologischen Grundlagen der Rechtsfortbildung eingegangen, wobei insbesondere die Zulässigkeit der Rechtsfortbildung und die verschiedenen Stufen der Rechtsfindung untersucht werden (6. Kapitel). Daran schließt sich sodann die Frage an, ob überhaupt ein Bedürfnis nach einer Haftung besteht, welche im Fall der Verletzung von Lock-up Agreements zur Anwendung gelangt (7. Kapitel). In diesem Zusammenhang wird einerseits das Vorliegen einer Lücke im Gesetz erörtert und daneben untersucht, ob eine ökonomische Notwendigkeit für ein privatrechtliches Haftungsinstitut besteht. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wird im Anschluss der Versuch unternommen, ein Haftungskonzept zu entwickeln, welches eine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements begründet (8. Kapitel). Dafür wird zunächst auf die dogmatischen Grundlagen eines Haftungskonzepts eingegangen, bevor verschiedene Haftungsansätze aus der Literatur und der Rechtsprechung vorgestellt und bewertet werden. Darauf aufbauend wird dann ein eigenes Haftungskonzept entwickelt, wobei nachfolgend untersucht wird, wie dieses Rechtsinstitut im Wege einer Rechtsfortbildung hergeleitet werden kann und ob das entwickelte Konzept den zuvor aufgestellten rechtsökonomischen Anforderungen gerecht wird. Abschließend werden die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Haftung infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements zusammengefasst und wird auf die Berechnung des im Einzelfall ersatzfähigen Schadens eingegangen (9. Kapitel), bevor die Ergebnisse des zweiten Teils zusammengefasst werden (10. Kapitel).

Erster Teil

Grundlagen Der erste Teil dieser Untersuchung widmet sich den rechtlichen und ökonomischen Grundlagen von Lock-up Agreements. Hierfür wird zunächst auf das Instrument des Lock-up Agreements und dessen Funktionsweise eingegangen, bevor der Bezug zu den ökonomischen Rahmenbedingungen des Kapitalmarkts hergestellt wird. Im Anschluss sollen die Verletzung eines Lock-up Agreements und die Frage nach einer dadurch begründeten Haftung ins Zentrum der Untersuchung rücken. Gegenstand des ersten Teils ist somit der gegenwärtige Status quo der rechtlichen Behandlung von Lock-up Agreements, welcher im Hinblick auf die ökonomischen Rahmenbedingungen und Funktionen des Kapitalmarkts zu bewerten ist und als Grundlage für die Untersuchungen des zweiten Teils dieser Arbeit dient. 1. Kapitel

Lock-up Agreements Lock-up Agreements können in verschiedenen Konstellationen und Erscheinungsformen am Kapitalmarkt auftreten. Eine eingehende rechtliche Bewertung setzt somit zunächst eine Auseinandersetzung mit dem Instrument des Lock-up Agreements voraus und erfordert eine begriffliche Präzisierung und inhaltliche Abgrenzung, um den Rahmen für die anschließende Diskussion abzustecken. Hierfür sollen zuerst die zentralen Begrifflichkeiten erläutert und definiert sowie die verschiedenen Sachverhaltskonstellationen aufgezeigt und gegeneinander abgegrenzt werden (A.). Anschließend werden Zweck und Schutzfunktionen von Lock-up Agreements erläutert, wobei insbesondere auf die Interessenlage der beteiligten Parteien eingegangen werden soll (B.). Schließlich werden Lock-up Agreements aus rechtlicher Perspektive untersucht, wobei insbesondere die Rechtnatur, die Zulässigkeit und die Pflicht zum Abschluss von Lock-up Agreements zu analysieren sind (C.).

34

1. Kap.: Lock-up Agreements

A. Einführung und Begriffsdefinition Der Börsengang eines Unternehmens (initial public offering, IPO)1 involviert eine Vielzahl an Marktakteuren mit oftmals unterschiedlichen und zum Teil widerstreitenden Interessenlagen. Auch innerhalb der Teilnehmergruppierungen kann es zu Interessenkonflikten kommen.2 Ein Instrument, welches dazu dient die widerstreitenden Interessenlagen in Einklang zu bringen und den Erfolg der Börseneinführung zu gewährleisten, sind sogenannte Marktschutzvereinbarungen. Marktschutzvereinbarungen lassen sich wiederum in verschiedene Typen von Vereinbarungen differenzieren, welche sich aufgrund ihrer Wirkung und Regelungsziele unterscheiden. Dabei sind sowohl die Terminologie als auch die Typologie dieser Gestaltungsalternative zum Teil uneinheitlich, was eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex erschwert.3

I. Terminologie Den Hauptanwendungsfall von Marktschutzvereinbarungen stellen Lock-up Agreements dar. Lock-up Agreements sind Vereinbarungen über die Nichtveräußerung von Aktien.4 Die englische Terminologie des Lock-up Agreements5 hat inzwischen auch im deutschen Schrifttum Anerkennung erfahren und sich weitestgehend durchgesetzt.6 Daneben finden die Begriffe Haltevereinbarung,7 Lock-up-Vereinbarung,8 Lock-up-Erklärung9 oder Marktschutzvereinbarung Anwendung.10 Für den 1 Für den weiteren Verlauf dieser Abhandlung soll sich der Begriff „Börsengang“ stets auf die Erstplatzierung von Aktien beziehen und somit der englischen Terminologie des initial public offering (IPO) entsprechen. 2 Ausführlich zu den Interessenlagen der jeweiligen Marktakteure vgl. 1. Kapitel B. II. 3 Vgl. Grüger, Kurspflege, 2006, S. 231 f.; ders., WM 2010, 247; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 7. 4 Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 1. 5 Im US-amerikanischen Sprachgebrauch wird vornehmlich die Terminologie lock-up agreement verwendet, vgl. Field/Hanka, J. Fin. 56 (2001), 471 ff.; Bradley/Bradford/Roten/Yi, J. Fin. R. 24 (2001), 465 ff. Dagegen wird im britischen Sprachgebrauch z. T. von lock-in agreements gesprochen, vgl. Espenlaub/Goergen/Khurshed, J. Bus. Fin. & Acc. 28 (2001), 1235 ff. Der Übersichtlichkeit halber ist im Rahmen dieser Untersuchung stets von „Lock-up Agreements“ die Rede, ohne das Fremdwort durch kursive Schrift kenntlich zu machen. 6 Vgl. Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17 ff.; Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lockup Agreements, 2004, passim; Kiefner/Happ, ZIP 2015, 1811 ff.; Korfsmeyer, FB 1999, 205 ff.; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561 ff.; Veil, Kapitalmarktzugang für Wachstumsunternehmen, 2016, S. 156. 7 Vgl. Fleischer, WM 2002, 2305 ff.; C. Schäfer, ZGR 2008, 455, 462 ff.; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, passim. 8 Vgl. Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, passim; Grüger, WM 2010, 247 ff.; Nowak/ Gropp, ZfbF 54 (2002), 19 ff.; Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 3 Rn. 39.

A. Einführung und Begriffsdefinition

35

weiteren Verlauf dieser Arbeit soll stets der Begriff Lock-up Agreement verwendet werden, wobei ggf. eine Konkretisierung anhand der verschiedenen und im Folgenden dargestellten Fallkonstellationen zu erfolgen hat.

II. Typologie Lock-up Agreements können in verschiedenen Ausprägungen auftreten und sind gleichzeitig von ähnlichen Vereinbarungen abzugrenzen. Die verschiedenen Erscheinungsformen lassen sich unter dem Oberbegriff der Marktschutzvereinbarung zusammenfassen.11 Eine Marktschutzvereinbarung beschreibt dabei im Allgemeinen eine Vereinbarung zu rücksichtsvollem Umgang mit Aktien im zeitlichen Umfeld von Börsengängen.12 Die verschiedenen Gestaltungsformen von Marktschutzvereinbarungen lassen sich nach den geschützten Interessen, den beteiligten Akteuren und der Intensität der Maßnahme unterscheiden. In der Regel wird dabei zwischen „harten“ Lock-up Agreements, „weichen“ Lock-up Agreements und Verwässerungsschutzvereinbarungen differenziert.13 1. (Harte) Lock-up Agreements Den Hauptanwendungsfall von Marktschutzvereinbarungen bilden sogenannte Lock-up Agreements. Im Rahmen eines Lock-up Agreements verpflichten sich die Altaktionäre eines Unternehmens,14 für einen bestimmten Zeitraum nach einem Börsengang (üblich sind sechs bis zwölf Monate, teilw. auch bis zu zwei Jahre)15 keine Aktien des Unternehmens zu veräußern, dies anzukündigen oder sonstige 9

Vgl. Kullmann/van Aerssen, ZBB 2000, 10, 15. Vgl. Fleischer, WM 2002, 2305 ff.; Hausmaninger/Splechtna, ÖBA 2002, 37 ff. 11 Teilw. werden in der Literatur die Begriffe Marktschutzvereinbarung und Lock-up Agreement gleichgesetzt und als Oberbegriff für die im Folgenden beschriebenen Varianten bezeichnet, vgl. Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 7. Die terminologische Gleichsetzung von Lock-up Agreements und Marktschutzvereinbarungen führt jedoch zu Unklarheiten, sobald eine Differenzierung der einzelnen Fallgruppen vorgenommen wird. Folglich soll der Begriff der Marktschutzvereinbarung als Oberbegriff dienen, während Lock-up Agreements lediglich eine Erscheinungsform von Marktschutzvereinbarungen beschreiben, so auch Korfsmeyer, FB 1999, 205, 207. 12 Vgl. Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 18 f.; Fleischer, WM 2002, 2305. 13 Inhaltlich übereinstimmend Fleischer, WM 2002, 2305, 2306; Schäcker/Wohlgefahrt/ Johannson, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 2 Rn. 31; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 8 f.; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 562. Ähnlich auch Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 2, der zwar eine abweichende Terminologie verwendet, inhaltlich aber zum gleichen Ergebnis gelangt. 14 Ausführich zur Interessenlage der Altaktionäre sogleich unter 1. Kapitel B. II. 4. 15 Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 19; Grüger, BKR 2008, 101, 102; Veil, Kapitalmarktzugang für Wachstumsunternehmen, 2016, S. 156, 177. 10

36

1. Kap.: Lock-up Agreements

Maßnahmen zu ergreifen, die einer Veräußerung wirtschaftlich entsprechen.16 Lockup Agreements stellen die umfassendste Form von Marktschutzvereinbarungen dar, da sich die Altaktionäre durch ein Lock-up Agreement einem unbedingten Veräußerungsverbot unterwerfen,17 weswegen sie auch als „harte“ Lock-up Agreements bezeichnet werden,18 um diese deutlich von den Marktschonungsvereinbarungen abzugrenzen.19 Für den Fortgang dieser Untersuchung soll die Bezeichnung Lock-up Agreement stets ein unbedingtes Veräußerungsverbot im Sinne eines „harten“ Lockup Agreements beschreiben. Abweichende Gestaltungsformen werden deutlich als solche bezeichnet. 2. Marktschonungsvereinbarungen (weiche Lock-up Agreements) Von den Lock-up Agreements müssen sogenannte Marktschonungsvereinbarungen bzw. „weiche“ Lock-up Agreements unterschieden werden. Zwar stellt auch eine Marktschonungsvereinbarung ein Veräußerungsverbot für die Altaktionäre dar, im Gegensatz zu den klassischen Lock-up Agreements steht dieses Veräußerungsverbot bei einer Marktschonungsvereinbarung jedoch unter einem Dispensvorbehalt. Eine vorzeitige, d. h. vor Ablauf der Lock-up-Periode vorgenommene Veräußerung der Aktien kann somit unter Einwilligung der Emissionsbank erfolgen, sofern die Veräußerung über die Börse vorgenommen und marktschonend, folglich ohne Belastung für den Börsenkurs, durchgeführt wird.20 Ob und wann diese Voraussetzungen vorliegen, liegt dabei im Ermessen der Emissionsbank. Dieses Ermessen ist auch nicht im Interesse der Altaktionäre zu beschränken, da die Emissionsbank keine Ermessensbindung eingehen will und sich ohnehin kaum justiziable Kriterien für eine Ermessensbeschränkung aufstellen lassen.21 Marktschonungsvereinbarungen stellen somit eine abgeschwächte Form von Lock-up Agreements dar, weswegen sie auch als „weiche“ Lock-up Agreements oder „soft“ lock-ups bezeichnet werden.22

16

Höhn, FB 2004, 223, 224; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 8. 17 Vgl. Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 15. 18 Die Terminologie „hartes“ Lock-up Agreement bzw. hard lock-up dient insbesondere der Abgrenzung gegenüber den unter Dispensvorbehalt stehenden Marktschonungsvereinbarungen („weichen“ Lock-up Agreements), vgl. Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 20; Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 44, dort Fn. 37. 19 Dazu sogleich unter A. II. 2. 20 Fleischer, WM 2002, 2305, 2306; Grüger, BKR 2008, 101, 102; ders., WM 2010, 247, 248; Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 44, dort Fn. 37. 21 Vgl. Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 20; Grüger, WM 2010, 247, 248. 22 Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 20.

A. Einführung und Begriffsdefinition

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3. Verwässerungsschutzvereinbarungen Eine weitere Erscheinungsform der Marktschutzvereinbarungen bilden die sogenannten Verwässerungsschutzvereinbarungen. Durch eine solche Vereinbarung verpflichtet sich der Emittent gegenüber der Emissionsbank,23 für einen gewissen Zeitraum nach einem Börsengang auf weitere Kapitalerhöhungen zu verzichten und keine Wandlungsrechte auf Anteile der Gesellschaft zu begeben, um den Kurs nicht zu beeinflussen.24 Die Verwässerungsschutzvereinbarungen dienen vornehmlich der Emissionsbank, die den Börsengang begleitet. Diese ist zum einen selbst an einer reibungslosen Emission und stabilen Kursentwicklung interessiert, da Emissionsbanken auf ihre Reputation als erfolgreiche Emissionsbegleiter angewiesen sind, um sich gegenüber Wettbewerbern zu behaupten. Darüber hinaus haben sich Emissionsbanken oftmals gegenüber dem Emittenten zu Kurspflegemaßnahmen verpflichtet,25 worunter das Verhindern von Kursstürzen und künstlichen Kurssteigerungen verstanden wird, indem marktstabilisierende An- und Verkäufe der neu emittierten Aktien an der Börse getätigt werden.26 Schließlich dienen die Verwässerungsschutzvereinbarungen auch den Aktionären des Unternehmens, da diese vor einer Verwässerung27 ihres Anteilsbesitzes infolge einer Kapitalerhöhung oder Ausgabe von Wandelanleihen geschützt werden.28 4. Typenkombinationen Die verschiedenen Erscheinungsformen von Marktschutzvereinbarungen treten nicht zwangsläufig nur in Reinform auf, sondern es können auch Kombinationen von verschiedenen Marktschutzvereinbarungen getroffen werden. Sowohl Lock-up Agreements als auch Marktschonungsvereinbarungen beinhalten ein Veräußerungsverbot, welches sich in seiner Intensität unterscheidet. So können Lock-up Agreements und Marktschonungsvereinbarungen derart kombiniert werden, dass für die erste Zeit nach einem Börsengang zunächst ein unbedingtes Lock-up Agreement 23 In der Praxis führt der Emittent den Börsengang i. d. R. nicht alleine durch, sondern bedient sich einer Emissionsbank oder eines Emissionskonsortiums. Ausführlich zu Eigen- und Fremdemissionen vgl. 2. Kapitel A. I. und II. 24 Fleischer, WM 2002, 2305, 2306; Korfsmeyer, FB 1999, 205, 207; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 9. 25 Baums, Recht der Unternehmensfinanzierung, 2017, § 8 Rn. 23; Field/Hanka, J. Fin. 56 (2001), 471; Fleischer, WM 2002, 2305, 2306; Ekkenga, in: Claussen (Begr.), Bank- und Börsenrecht, 5. Aufl. 2014, § 7 Rn. 248 f.; Grundmann, in: Großkomm. HGB, 5 Aufl. 2017, Band 11/1, 6. Teil Rn. 32. 26 Grüger, Kurspflege, 2006, S. 15. Ferner zu Mehrzuteilungsoptionen (sog. GreenshoeOptionen) als Kurspflegemaßnahmen Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl., 2019, § 3 Rn. 85. 27 Der Begriff „Verwässerung“ beschreibt das Absinken der Beteiligungsquote derjenigen Aktionäre, die nicht an der Kapitalerhöhung partizipieren. 28 Fleischer, WM 2002, 2305, 2306.

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1. Kap.: Lock-up Agreements

getroffen wird, worauf anschließend ein abgeschwächtes Veräußerungsverbot in Form einer Marktschonungsvereinbarung folgt, welche das Lock-up Agreement insoweit aufweicht, als eine Veräußerung der Aktien mit Zustimmung der Emissionsbank zulässig ist, d. h. das Veräußerungsverbot insoweit unter einem Dispensvorbehalt steht.29

III. Abgrenzungen und Sachverhaltskonstellationen Lock-up Agreements werden in verschiedenen Sachzusammenhängen und Teilnehmerkonstellationen geschlossen. Der Begriff des Lock-up Agreements muss daher von anderen Sachverhalten abgegrenzt werden, um einen präzisen Untersuchungsgegenstand zu definieren. Des Weiteren sind die verschiedenen Teilnehmerkonstellationen innerhalb eines Lock-up Agreements herauszuarbeiten. 1. Abgrenzung zu Veräußerungsbeschränkungen am Sekundärmarkt Veräußerungsbeschränkungen werden nicht ausschließlich im Zusammenhang mit der Emission von Aktien vereinbart, sondern können auch in anderen Konstellationen am Sekundärmarkt auftreten.30 Als Ausprägung der Vertragsfreiheit sind hierbei verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Zielsetzungen denkbar. Häufig werden Veräußerungsbeschränkungen im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen oder Unternehmensfusionen vereinbart, z. B. wenn Aktien vollständig oder neben Barmitteln als Akquisitionswährung eingesetzt werden (sog. stock deal bzw. cash and stock deal). Der Verkäufer verpflichtet sich dabei, die im Zuge der Kaufpreiszahlung erhaltenen Aktien für einen bestimmten Zeitraum nicht zu veräußern.31 Ferner können Veräußerungsbeschränkungen in Investorenvereinbarungen im Rahmen von öffentlichen Übernahmen aufgenommen werden, wonach sich der Bieter verpflichtet, für einen gewissen Zeitraum mit einer Quote an der Zielgesellschaft beteiligt zu bleiben, die dem Bieter die faktische Hauptversammlungsmehrheit gewährleistet. Dadurch soll verhindert werden, dass ein Dritter durch seine (faktische) Hauptversammlungsmehrheit den in der Investorenvereinigung niedergelegten Vereinbarungen zuwiderhandelt.32 Ein weiteres Beispiel für die Vereinbarung von Veräußerungsbeschränkungen in Übernahmesituationen sind sog. shareholder (voting) lockups, nach denen sich Groß- bzw. Mehrheitsaktionäre eines Unternehmens gegenüber dem Bieter verpflichten, die Übernahmeabsichten des 29

Fleischer, WM 2002, 2305, 2306; Korfsmeyer, FB 1999, 205, 207. Grüger, WM 2010, 247. 31 Fleischer, WM 2002, 2305, 2306; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 8; Wolf/ Gaberthüel, GesKR 2013, 195, 211. 32 Seibt/Wunsch, Der Konzern 2009, 195, 207. 30

A. Einführung und Begriffsdefinition

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Bieters nicht zu vereiteln, indem sie ihre Anteile veräußern oder ihre Mitgliedschaftsrechte in einer für den Bieter nachteiligen Weise ausüben.33 Ebenfalls im Rahmen von Übernahmesituationen können corporate- oder M&A-lockups eine Rolle spielen, die den Parteien eine Kompensation im Falle des Scheiterns der Transaktion zusichern.34 Des Weiteren können Veräußerungsbeschränkungen bei (freundlichen) Zusammenschlüssen von Gesellschaften in der Form eines Joint Ventures vereinbart werden.35 Oftmals ist eine wechselseitige Beteiligung der Gesellschaften Bestandteil der Joint-Venture-Vereinbarung. Ein Veräußerungsverbot sichert diese wechselseitige Beteiligung der Gesellschaften ab und schafft Planungssicherheit, Stabilität im Gesellschafterkreis und ermöglicht eine ungestörte Umsetzung der festgelegten Ziele und Maßnahmen, um eine erfolgreiche Zusammenarbeit der Unternehmen zu gewährleisten.36 Die Gestaltungsmöglichkeiten von vertraglich vereinbarten Veräußerungsbeschränkungen sind vielfältig und gehen über die hier aufgeführten Beispiele hinaus. Zwar beinhalten diese Vereinbarungen ebenfalls Veräußerungsbeschränkungen für Aktionäre und führen damit zu einer künstlichen Limitierung des Aktienangebots. Allerdings zielen die am Sekundärmarkt vereinbarten Veräußerungsbeschränkungen i. d. R. auf die erfolgreiche Durchführung einer Transaktion, sodass sich die Interessenlagen und Zielsetzungen maßgeblich von Lock-up Agreements mit Börsengangbezug unterscheiden. Folglich müssen Veräußerungsvereinbarungen am Sekundärmarkt – trotz ihrer praktischen Relevanz – klar von Lock-up Agreements im Vorfeld einer Emission abgegrenzt werden und bei der folgenden Untersuchung außen vor bleiben. 2. Konstellationen von Lock-up Agreements Lock-up Agreements können in verschiedenen Parteikonstellationen getroffen werden. Verpflichtet werden durch Lock-up Agreements stets die Altaktionäre, worunter grundsätzlich diejenigen Anteilseigner verstanden werden, die bereits vor der Emission (oder der strukturverändernden Maßnahme) Anteile an der Gesellschaft gehalten haben. Eine Differenzierung der verschiedenen Konstellation erfolgt anhand der Partei, gegenüber welcher sich die Altaktionäre im Rahmen des Lock-up Agreements verpflichten. 33 Coates/Subramanian, Stan. L. Rev. 53 (2000), 307, 314; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 10 f.; Ströhmann, Corporate Lockups, 2003, S. 38. 34 Fraidin/Hanson, Yale L. J. 103 (1994), 1739, 1742, 1747; Kahan/Klausner, Stan. L. Rev. 48 (1996), 1539, 1540; Ströhmann, Corporate Lockups, 2003, S. 39. 35 Joint Ventures bezeichnen projektbezogene Unternehmenskooperationen. Dabei handelt es sich um vertragliche Vereinbarungen über die gemeinsame wirtschaftliche Aktivität zwischen zwei oder mehreren rechtlich und wirtschaftlich unabhängigen Parteien, Fett/Spiering, in: dies. (Hrsg.), HdB Joint Venture, 2. Aufl. 2015, 1. Kapitel Rn. 1. 36 Fett/Spiering, in: dies. (Hrsg.), HdB Joint Venture, 2. Aufl. 2015, 7. Kapitel Rn. 636.

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1. Kap.: Lock-up Agreements

a) Vereinbarungen mit der Emissionsbank oder dem Emittenten Lock-up Agreements können entweder gegenüber der Emissionsbank bzw. dem Emissionskonsortium, vertreten durch den Konsortialführer, geschlossen werden37 oder alternativ gegenüber dem Emittenten.38 In der Regel werden Lock-up Agreements jedoch zwischen den Altaktionären und der Emissionsbank getroffen.39 Zum einen verfügen die emissionsbegleitenden Finanzdienstleister über mehr Erfahrung mit Börsengängen als der Emittent. Für eine Verpflichtung gegenüber der Emissionsbank spricht zudem, dass sich diese regelmäßig dazu verpflichtet, Kurspflegemaßnahmen im Anschluss an den Börsengang vorzunehmen, wobei Lock-up Agreements diese Aufgabe erheblich erleichtern,40 sodass Lock-up Agreements und Kurspflege üblicherweise in die Sphäre der Emissionsbegleiter fallen. Darüber hinaus werden Marktschutzvereinbarungen häufig als Typenkombination aus Lockup Agreement gefolgt von einer Marktschonungsvereinbarung geschlossen, wonach das Veräußerungsverbot unter einem Dispensvorbehalt steht und eine Veräußerung nur nach Zustimmung der Emissionsbank zulässig ist,41 sodass in diesen Fällen vornehmlich die Emissionsbank als Vertragspartei des Lock-up Agreements in Frage kommt. b) Abgrenzung zu Vereinbarungen der Altaktionäre untereinander Im Rahmen einer Börseneinführung können die Altaktionäre auch untereinander Absprachen und Vereinbarungen treffen, etwa sogenannte Konsortialverträge oder Poolvereinbarungen,42 um ihre Mitbestimmung und ihren Einfluss in der Gesellschaft zu wahren und die Willensbildung der Aktionärsgruppierungen zu koordinieren.43 Hierunter können Veräußerungsverbote, Erwerbsvorrechte oder Stimmbindungsvereinbarungen fallen,44 wobei aufgrund der schuldrechtlichen Natur un37 Der Einfachheit halber soll stets von „der Emissionsbank“ gesprochen werden. Zwar wird in der Praxis oftmals nicht nur eine Bank emissionsbegleitend tätig, sondern ein Konsortium von Emissionsbanken; für den Fortgang dieser Untersuchung spielt die Anzahl der emissionsbegleitenden Banken jedoch keine Rolle. 38 Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 3 Rn. 37. 39 Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 19; Grüger, WM 2010, 247; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 562; abweichend Fleischer, WM 2002, 2305, der eine Abrede gegenüber dem Emittenten für den Hauptanwendungsfall hält. 40 Field/Hanka, J. Fin. 56 (2001), 471; Hausmaninger/Splechtna, ÖBA 2002, 37, 38; Korfsmeyer, FB 1999, 205, 206. Zu den Wirkungs- und Funktionsweisen von Lock-up Agreements vgl. unter 1. Kapitel B. und 3. Kapitel A. 41 Vgl. 1. Kapitel A. I. 4. 42 Hermanns, in: Kölner HdB GesR, 3. Aufl. 2017, Kap. 2 Rn. 1113; Schröter, NJW 1979, 2592, 2593. 43 Hermanns, in: Kölner HdB GesR, 3. Aufl. 2017, Kap. 2 Rn. 1073 f.; Hopt, ZGR 1997, 1, 4. 44 Hermanns, in: Kölner HdB GesR, 3. Aufl. 2017, Kap. 2 Rn. 1096 – 1100.

B. Zweck und Schutzfunktion von Lock-up Agreements

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zählige Konstellationen vorstellbar sind. Indes sind diese Vereinbarungen der Altaktionäre untereinander klar von den hier behandelten Lock-up Agreements abzugrenzen. Lock-up Agreements, die zwischen den Altaktionären und dem Emittenten bzw. der Emissionsbank getroffen werden, zeichnen sich gerade durch die divergierenden Interessen der Beteiligten und die daraus resultierenden Konfliktsituationen aus.45 3. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands Gegenstand dieser Untersuchung sind ausschließlich Veräußerungsverbote, d. h. Lock-up Agreements und Marktschonungsvereinbarungen, die im Rahmen eines Börsengangs getroffen worden sind und in denen sich die Altaktionäre verpflichten, nicht über ihre Anteile zu verfügen. Gleichwohl Marktschonungsvereinbarungen in der Praxis eine gewichtige Rolle spielen, soll sich die rechtliche Auseinandersetzung vornehmlich mit harten Lock-up Agreements befassen, d. h. jenen unbedingten Vereinbarungen, die nicht unter einem Dispensvorbehalt der Emissionsbank stehen.46 Darüber hinaus soll grundsätzlich von dem Regelfall einer Vereinbarung zwischen den Altaktionären und der Emissionsbank ausgegangen werden. Sofern auf eine Vereinbarung gegenüber dem Emittenten Bezug genommen wird, wird dies ausdrücklich erwähnt.

B. Zweck und Schutzfunktion von Lock-up Agreements Lock-up Agreements erfüllen keinen Selbstzweck, sondern werden stets im Zusammenhang mit einem Börsengang getroffen. Die Motive für eine Börsennotierung können vielfältig sein, der Hauptgrund liegt jedoch in der Zufuhr von frischem Kapital zur Finanzierung des weiteren Wachstums sowie in der Stärkung der Eigenkapitalbasis des Unternehmens.47 Der Börsengang ist ein komplexer Vorgang, der die zum Teil divergierenden Interessen der Beteiligten in grundlegender Weise berührt. Zu den wichtigsten Beteiligten der Emission zählen der Emittent, die Altaktionäre, der Vorstand des Unternehmens, die Emissionsbank und die Neuanleger bzw. das Anlegerpublikum.48 Vor diesem Hintergrund dienen die im Vorfeld einer Emission getroffenen Lock-up Agreements dem Ausgleich der divergierenden Interessen der beteiligten Parteien.

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Dazu ausführlich unter 1. Kapitel B. II. Zur Auswirkung der Unterscheidung von Lock-up Agreements und Marktschonungsvereinbarungen auf die Folgen der Verletzung einer solchen Vereinbarung vgl. 9. Kapitel A. I. 47 Leven, in: Harrer/Heidemann (Hrsg.), Der Gang an die Börse, 2001, S. 1, 4 ff. 48 Ausführlich zu den verschiedenen Interessen der Beteiligten Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995, S. 29 – 72. 46

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1. Kap.: Lock-up Agreements

I. Schutzfunktion von Lock-up Agreements Lock-up Agreements dienen der erfolgreichen Durchführung und dem Erfolg eines Börsengangs. Ihre primäre Schutzfunktion besteht darin, eine stabile Kursentwicklung im Nachgang an die Emission zu gewährleisten. Dieser Zielsetzung liegen zwei Wirkungsmechanismen zugrunde:49 Zunächst wird, indem sich die Altaktionäre dazu verpflichten, ihre Anteile für einen gewissen Zeitraum nicht zu veräußern, das Angebot der auf dem Markt verfügbaren Aktien künstlich beschränkt. Hierdurch soll vermieden werden, dass aufgrund von Anteilsveräußerungen seitens der Altaktionäre ein plötzliches Überangebot am Markt entsteht, das diesen unter Druck setzen und infolgedessen zu Kursrutschen führen könnte.50 Daneben soll der Umstand, dass sich die Altaktionäre für einen gewissen Zeitraum an das Unternehmen binden, am Markt und unter den Anlegern für Vertrauen sorgen, da die Altaktionäre dem Markt signalisieren, durch den Börsengang nicht lediglich „Kasse machen“ zu wollen.51

II. Interessenlagen der beteiligten Marktteilnehmer Die unterschiedlichen Interessenlagen der Marktteilnehmer im Zusammenhang mit einem Börsengang lassen sich sodann im Lichte der Schutzfunktionen der Lockup Agreements betrachten, woraus sich das folgende Interessendiagramm zeichnen lässt: 1. Anleger Die (Neu-)Anleger sind die Käufer der im Rahmen der Emission platzierten neuen Anteile, wobei es grundsätzlich unerheblich ist, ob die Anteile auf dem Primärmarkt oder – was den Regelfall darstellt – auf dem Sekundärmarkt erworben werden.52 Die Anleger suchen nach einer gewinnbringenden Anlage ihres Vermögens am Kapitalmarkt und sind somit vorwiegend an Dividendenzahlungen und Kurssteigerungen (bzw. der Vermeidung von Kursrückgängen) interessiert.53 Lock-up Agreements 49

Die ökonomischen Funktionsweisen von Lock-up Agreements und deren zugrundeliegende Theorien werden eingehend im 3. Kapitel erläutert. 50 Hierzu ausführlich aus ökonomischer Perspektive 3. Kapitel B. I. 51 Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 19; Fleischer, WM 2002, 2305; Grüger, WM 2010, 247, 248; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 2; Harrer/Mölling, BB 1999, 2521, 2522; Hausmaninger/Splechtna, ÖBA 2002, 37, 38; Korfsmeyer, FB 1999, 205, 206; Nowak/Gropp, ZfbF 54 (2002), 19, 21; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 562; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 16; Spindler, DStR 2002, 1576, 1578; Veil, ZGR 2005, 155, 158 f. Hierzu ausführlich aus ökonomischer Perspektive 3. Kapitel A. I. und II. 52 Dazu sogleich unter 2. Kapitel A. 53 Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995, S. 70 f.

B. Zweck und Schutzfunktion von Lock-up Agreements

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dienen gerade der stabilen Wertentwicklung der Aktie nach einem Börsengang und sind folglich im Interesse der Anleger. Gleichwohl ist zu beachten, dass Lock-up Agreements ein zeitlich befristetes Veräußerungsverbot darstellen, sodass ihnen lediglich ein vorübergehender Schutz der Anleger zukommt. Mit Ablauf der Haltefrist entfällt dieser Schutzmechanismus.54 Folglich wird der Schutz der Anleger maßgeblich durch die Länge der Lock-up-Frist bedingt. 2. Emittent Das zentrale Interesse der Emittenten an einem Börsengang liegt in der Verbreiterung der Eigenkapital- und Liquiditätsbasis der Gesellschaft durch externe Mittel, um das fortwährende Wachstum des Unternehmens finanzieren zu können.55 Zudem wachsen mit einer Börseneinführung regelmäßig der Bekanntheitsgrad und die Reputation des Unternehmens.56 Der Emittent ist im Rahmen einer Börseneinführung und in deren Nachgang vor allem an einem hohen Börsenkurs und einer stabilen Wertentwicklung interessiert. Zunächst wirkt sich ein stabiler Aktienkurs positiv auf die Eigenkapitalkosten des Emittenten aus, da der Erlös aus einem Börsengang durch die Anzahl der ausgegebenen Aktien und den Emissionskurs bestimmt wird.57 Je höher der Kurs der ausgegebenen Aktien, desto größer der Kapitalzufluss (Agio). Insbesondere erleichtert eine kontinuierliche Kursentwicklung dem Emittenten eine abermalige Inanspruchnahme des Kapitalmarkts.58 Darüber hinaus kommt nicht nur dem Börsengang als solchem, sondern auch einem stabilen Kursverlauf eine gewisse Reputationswirkung zu, die sich ebenfalls positiv auf eine abermalige Kapitalaufnahme des Emittenten auswirkt.59 Vor diesem Hintergrund liegt das Treffen von Lock-up Agreements im Interesse des Emittenten. Zum einen profitiert die Gesellschaft von einer stabilen Kursentwicklung während der Dauer der Lock-up-Frist. Zudem binden Lock-up Agreements die Altaktionäre, wozu oftmals auch die Gründer und das Führungspersonal gehören, 54

Empirische Untersuchungen haben nachgewiesen, dass zum Ablauf einer Lock-up-Frist negative Kursveränderungen zu beobachten sind, dazu ausführlich unter 3. Kapitel B. II. 55 Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl. 2012, § 2 Rn. 3 ff. 56 Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl. 2012, § 2 Rn. 9 f. Weitere Motive für einen Börsengang können die Regelung der Unternehmensnachfolge, die Ausgliederung von Unternehmensteilen (Spin-off), der Exit eines Investors oder die Privatisierung eines staatlichen Unternehmens sein, Harrer, in: Beck’sches HdB AG, 3. Aufl. 2018, § 20 Rn. 7; Leven, in: Harrer/Heidemann (Hrsg.), Der Gang an die Börse, 2001, S. 1, 4 ff. Zu den Nachteilen eines Börsengangs zählen Publizitätspflichten, die mögliche Einflussnahme fremder Aktionäre, Mitbestimmungsrechte, Steuern sowie die eigentlichen Kosten des Börsengangs, vgl. Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl. 2012, Rn. 15 ff. 57 Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl. 2012, § 7 Rn. 1. 58 Fleischer, WM 2002, 2305, 2306; Harrer/Mölling, BB 1999, 2521, 2522; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 34; Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 21. 59 Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 533 ff.

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1. Kap.: Lock-up Agreements

für einen gewissen Zeitraum an das Unternehmen. Indem diese Personengruppen durch die Lock-up Agreements an das Unternehmen gebunden werden, bleibt dem Emittenten das relevante Know-how und Entwicklungspotential (sog. Humankapital) vorübergehend erhalten.60 3. Emissionsbank Regelmäßig wird eine Börseneinführung von einer Emissionsbank bzw. einem Emissionskonsortium begleitet.61 Diese Kreditinstitute verfolgen bei der Begleitung einer Emission Gewinninteressen, da die Emissions- bzw. Konsortialbanken Provisionen für die einzelnen Aufgaben im Rahmen des Zulassungsverfahrens der Börseneinführung erhalten.62 Darüber hinaus erhöht ein erfolgreicher Börsengang die Reputation des Finanzdienstleisters als Emissionsbegleiter und ermöglicht diesem verschiedene Folgegeschäfte, insbesondere mit dem Emittenten, aber auch mit potentiellen Emissionskandidaten und Privatkunden.63 Die Emissionsbank ist folglich an einem positiven und stabilen Kursverlauf interessiert, um ihren Ruf als Emissionsbegleiter zu pflegen. Zudem kann die Emissionsbank im Fall eines Übernahmekonsortiums (bought deal) auch direkt an der positiven Kursentwicklung der Aktien teilhaben.64 Aufgrund ihrer kursstabilisierenden Funktion ist das Treffen von Lock-up Agreements somit auch im Interesse der Emissionsbank. Bereits der Umstand, dass Lock-up Agreements mit den Altaktionären getroffen worden sind, vereinfacht die Vermarktung der Aktien am Sekundärmarkt und wirkt sich damit positiv auf die Preisfindung, das sog. Book Building, aus.65 Darüber hinaus sind Lock-up Agreements insbesondere für den Konsortialführer bedeutsam, da sich dieser regelmäßig gegenüber dem Emittenten dazu verpflichtet hat, im Nachgang an die Börseneinführung Kurspflege zu betreiben, wobei eine stabile Kursentwicklung des Wert60

Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 21; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 15. 61 Sog. Fremdemission. Ausführlich zu den verschiedenen Emissionsformen vgl. unter 2. Kapitel A. I. 62 Zu den einzelnen Leistungen und Provisionen vgl. Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl. 2012, § 10 Rn. 229 ff.; Schücking, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 32 Rn. 4 ff., 23 ff. 63 Carter/Manaster, J. Fin. 45 (1990), 1045; Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995, S. 67 f. 64 Übernahmekonsortien übernehmen die zu platzierenden Aktien direkt vom Emittenten und bezahlen diese sofort, ohne dass ihnen eine Pflicht zur Weiterplatzierung zukommt. Dem Übernahmekonsortium steht es somit frei, ob und wann es die Aktien am Markt veräußert, vgl. Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl. 2012, § 9 Rn. 36; Schücking, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 32 Rn. 20. 65 Arthurs/Busenitz/Hoskisson/Johnson, J. Bus. Venturing 24 (2009), 360, 363; Bradley/ Jordan/Yi/Roten, J. Fin. R. 24 (2001), 465, 466.

B. Zweck und Schutzfunktion von Lock-up Agreements

45

papierkurses, unterstützt durch Lock-up Agreements, dem Konsortialführer die Kurspflege vereinfacht.66 4. Altaktionäre Grundsätzlich gilt, dass ein Börsengang für die Altaktionäre mit weitreichenden Konsequenzen verbunden ist. Hierzu zählen insbesondere die Öffnung des Eigentümerkreises für Dritte und anonyme Aktionäre sowie die damit verbundenen Möglichkeiten der Einflussnahme. Hinzu kommen Publizitäts- und Mitbestimmungspflichten, die den Einfluss der Altaktionäre in der Gesellschaft weiter beschränken können.67 Auch Lock-up Agreements stellen zunächst eine zusätzliche Verpflichtung für die Altaktionäre dar, da sie sich verpflichten, dem Unternehmen auch im Falle einer negativen Kursentwicklung treu zu bleiben.68 Zugleich profitieren die Altaktionäre an einer positiven Entwicklung des Emittenten bzw. des Wertpapierkurses, sodass die Interessen mit denen der Anleger und des Emittenten insoweit gleichgelagert sind. Das Interesse der Altaktionäre an einer Börseneinführung und dem Eingehen von Lock-up Agreements kann darüber hinaus jedoch abhängig von der jeweiligen Stellung des Altaktionärs innerhalb der Gesellschaft variieren. Danach können Altaktionäre in drei Gruppen unterteilt werden: Gründer und Unternehmensleiter (Insider), Risikokapitalgeber (sog. Venture-Capital- oder Private-Equity-Investoren) und sonstige Kleinanleger. a) Gründer und Unternehmensleiter Eine tragende Rolle innerhalb eines Unternehmens, insbesondere in jungen Wachstumsunternehmen (Start-up-Unternehmen) kommt den Gründern und den Unternehmensleitern zu. Oftmals steht der wirtschaftliche Erfolg in engem Zusammenhang mit diesen Personen.69 Darüber hinaus verfügen sie als Insider aufgrund ihrer Stellung innerhalb des Unternehmens über besondere Informationen.70 Indem ein Börsengang frisches Eigenkapital für die Realisierung neuer Investitionen

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Field/Hanka, J. Fin. 56 (2001), 471; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 40; Korfsmeyer, FB 1999, 205, 206; Mohan/Chen, Int. Rev. Econ. & Fin. 10 (2001), 41, 42 f. Kurspflegemaßnahmen können aufgrund von fallenden Kursen durchaus profitabel für die Emissionsbank sein. Insbesondere Aktienrückkäufe im Rahmen von Mehrzuteilungsoptionen (Greenshoe-Optionen) können aufgrund der Kursdifferenz zwischen Markt- und Ausgabepreis zu erheblichen Einnahmen führen, vgl. Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 3 Rn. 84 f. Ob derartige Einnahmen einen etwaigen Reputationsschaden aufwiegen, ist dennoch zweifelhaft. 67 Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995, S. 29 ff. 68 Grüger, WM 2010, 247, 248. 69 Fleischer, WM 2002, 2305, 2309; Harrer/Mölling, BB 1999, 2521, 2522. 70 Bradley/Jordan/Yi/Roten, J. Fin. R. 24 (2001), 465, 466.

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1. Kap.: Lock-up Agreements

beschafft71 und die Reputation des Unternehmens fördert, gewinnen die Gründer und Unternehmensleiter neue Möglichkeiten, um das Unternehmen fortzuentwickeln. Von einer positiven Entwicklung des Unternehmens profitieren auch die Gründer und Unternehmensleiter, sodass eine erfolgreiche Emission auch in ihrem Interesse ist. Insofern sind Lock-up Agreements auch im Interesse der Gründer und Unternehmensleiter. Indes eröffnet eine Emission auch die Möglichkeit einer Veräußerung des Anteilsbesitzes, da ein Börsengang eine erhöhte Handelbarkeit (Liquidität) und damit verbesserte Preisbildung zur Folge hat. Insbesondere wenn die Gründer oder Unternehmensleiter über Informationen verfügen,72 die eine negative Geschäftsentwicklung erwarten lassen, besteht ein Anreiz, die eigenen Anteile zu veräußern.73 Lock-up Agreements sollen indes gerade verhindern, dass sich Altaktionäre im Rahmen eines Börsengangs von ihren Anteilen trennen, sodass sie insoweit den Interessen der Gründer und Unternehmensleiter entgegenstehen können. b) Risikokapitalgeber Als Risikokapitalgeber werden solche Investoren bezeichnet, die haftendes Kapital für einen bestimmten Zeitraum und verbunden mit unternehmerischer Beratung zur Verfügung stellen.74 Diese Investoren gehen ihre Beteiligungen stets nur auf Zeit ein, sodass sie für eine Veräußerung ihrer Beteiligung (Exit) auf effektive Desinvestitionsmöglichkeiten angewiesen sind.75 Ein Börsengang wird dabei oftmals als besonders attraktive Exit-Option gesehen.76 Lock-up Agreements beschränken die Veräußerungsmöglichkeiten der Risikokapitalgeber im Rahmen eines Börsengangs, sodass das Treffen von Lock-up Agreements grundsätzlich nicht in deren Interesse ist.77 c) Kleinanleger Schließlich gehören zu der Gruppe der Altanleger auch Kleinanleger, d. h. solche Aktionäre, die in keinem besonderen Verhältnis zu dem Unternehmen stehen und 71

Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995, S. 54 f. Ausführlich zur asymmetrischen Informationsverteilung vgl. unter 2. Kapitel B. II sowie 3. Kapitel A. I. 73 Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 35. 74 Gabler Wirtschaftslexikon, 15. Aufl. 2000, S. 3114 re. Sp. 75 Bessler/Kurth/Thies, FB 2003, 651, 655; Claussen, BB 2002, 105, 107; Fleischer, WM 2002, 2305, 2309. 76 Feldhaus, in: Feldhaus/Veith (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zu Private Equity, 2010, Kap. 1 Rn. 289; Schäcker/Wohlgefahrt/Johannson, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 2 Rn. 25; Weitnauer, HdB Venture Capital, 5. Aufl. 2016, Teil I. Rn. 92 f. 77 Fleischer, WM 2002, 2305, 2309; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 38. 72

C. Lock-up Agreements im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

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auch keinen maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Ihr Hauptinteresse liegt in der Gewinnmaximierung ihrer Anlage durch Dividendenzahlungen und Kurssteigerungen. Ein Börsengang liegt folglich im Interesse der Kleinaktionäre, da die Informationsbeschaffung aufgrund von Publizitätspflichten vereinfacht wird und eine Anteilsveräußerung über die Börse zu Marktpreisen nahezu jederzeit möglich ist.78 Indes verpflichten Lock-up Agreements die Kleinaktionäre gerade dazu, von einer Veräußerung und damit von einer etwaigen Realisierung von Kursgewinnen abzusehen, sodass das Treffen von Lock-up Agreements nicht im Interesse der Kleinanleger liegt.79

III. Zusammenfassung Börsengänge erfordern die Beteiligung verschiedener Marktakteure, deren Interessen unterschiedlich stark von einer Emission betroffen werden. Lock-up Agreements dienen unter anderem dem Ausgleich dieser divergierenden Interessenlagen,80 wobei sie zum Teil den Interessen der Altaktionäre zuwiderlaufen, da diese zeitweise die mit der Emission verbundenen Einschränkungen hinnehmen müssen, ohne dass ihnen der emissionsbedingte Vorteil der verbesserten Handelbarkeit bzw. Austrittsmöglichkeit zukommt.81 Lock-up Agreements sind somit für die Beteiligten mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen behaftet, woraus das Potential einer Verletzung von Lock-up Agreements durch die Altaktionäre entsteht.82

C. Lock-up Agreements im Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht Schließlich ist auf die Rechtsnatur der Lock-up Agreements einzugehen, sowie auf rechtliche Problemstellungen in Verbindung mit Lock-up Agreements. So ist zum einen die Zulässigkeit von Lock-up Agreements aus gesellschafts- und kapitalmarktrechtlicher Sicht zu untersuchen. Zudem ist zu prüfen, ob eine Verpflichtung der Altaktionäre zum Abschluss eines Lock-up Agreements besteht bzw. ob dem Emittenten, den Mitaktionären oder der Emissionsbank ein auf Abschluss eines Lock-up Agreements gerichteter Anspruch gegenüber den Altaktionären zusteht.

78

Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995, S. 49 ff. Vgl. Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 39 f. 80 Zur ökonomischen Funktionsweise von Lock-up Agreements unter 3. Kapitel. 81 Korfsmeyer, FB 1999, 205, 210; Lutter/Drygala, in: FS Raisch, 1995, 239, 252. 82 Ausführlich zu der Verletzung von Lock-up Agreements durch Altaktionäre unter 4. Kapitel A. 79

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1. Kap.: Lock-up Agreements

I. Rechtsnatur und Rechtswirkung Grundsätzlich gilt, dass Lock-up Agreements als schuldrechtliche Verträge zwischen den Altaktionären und – je nach Gestaltungform –83 dem Emittenten oder der Emissionsbank geschlossen werden. Der Abschluss eines Lock-up Agreements unterliegt damit der Privatautonomie und erfolgt grundsätzlich freiwillig.84 Lock-up Agreements stellen schuldrechtliche Vereinbarungen dar, wonach sich die Altaktionäre verpflichten, weder schuldrechtliche noch dingliche Rechtsgeschäfte einzugehen, die auf eine Veräußerung der Aktien hinwirken oder einer solchen wirtschaftlich entsprechen.85 Die Rechtswirkung von Lock-up Agreements richtet sich folglich nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften, wobei § 137 S. 1 BGB eine besondere Bedeutung zukommt: Danach kann die Befugnis, über ein Recht zu verfügen, nicht durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen werden.86 Die Verfügungsbefugnis als gegenstandsbezogenes rechtliches Können bleibt insofern durch die schuldrechtliche Vereinbarung unberührt.87 Gleichzeitig normiert § 137 S. 2 BGB, dass das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft grundsätzlich wirksam ist. Die Möglichkeit, sich mit schuldrechtlicher Wirkung zu verpflichten, Verfügungen zu unterlassen, bleibt somit gem. § 137 S. 2 BGB bestehen (rechtliches Dürfen), während die dingliche Wirksamkeit einer solchen Abrede gem. § 137 S. 1 BGB ausgeschlossen ist.88 83

Zu den verschiedenen Gestaltungsformen vgl. unter 1. Kapitel A. III. 2. Zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen auch eine Pflicht zur Vereinbarung eines schuldrechtlichen Lock-up Agreements besteht, vgl. unter 1. Kapitel C. III. 85 Terminologisch ist zwischen Verfügungsverboten und Verfügungsbeschränkungen zu differenzieren. Ein Verfügungsverbot beschreibt den Befehl eines Rechtsakts oder Rechtsgeschäfts, welches sich auf das Verfügendürfen des Rechtsinhabers bezieht. Es handelt sich insoweit um einen Imperativ: Die Verfügungshandlung soll nicht vorgenommen werden. Dagegen beschreibt eine Verfügungsbeschränkung das rechtliche Verfügenkönnen und folglich die Wirksamkeit der Verfügung. Darüber hinaus sind Verfügungsverbote (bzw. Verfügungsbeschränkungen) begrifflich mit Veräußerungsverboten (bzw. Veräußerungsbeschränkungen) gleichzusetzen, wobei der (modernere) Verfügungsbegriff den Veräußerungsbegriff schrittweise ersetzt, vgl. Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, S. 18. 86 Die Vorschrift bringt die scharfe Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zum Ausdruck und wird als eine der Grundvorschriften des Zivilrechts angesehen, vgl. Kohler, in: Staudinger-BGB (2017), § 137 Rn. 3 m.w.N. Darüber hinaus werden der Norm verschiedene Normzwecke zugeschrieben, wie bspw. der Schutz der persönlichen Freiheit, die Sicherung der Privatautonomie, die institutionelle Sicherung des Numerus clausus der Sachenrechte, die Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie die Gewährleistung der Vollstreckung, vgl. Armbrüster, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 137 Rn. 1 ff.; Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, S. 66 ff.; Kohler, in: Staudinger-BGB (2017), § 137 Rn. 3 ff.; Liebs, AcP 175 (1975), 1, 22 ff.; Timm, JZ 1989, 13, 16 ff.; E. Wagner, AcP 194 (1994), 451, 465 ff. 87 Armbrüster, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 137 Rn. 8; Köhler, in: Staudinger-BGB (2017), § 137 Rn. 25. 88 § 137 S. 2 BGB trägt dem Grundsatz der Vertragsfreiheit Rechnung; insoweit ist die Vorschrift überflüssig, vgl. Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, S. 99. 84

C. Lock-up Agreements im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

49

Für schuldrechtlich getroffene Lock-up Agreements gilt demnach, dass die Verpflichtung der Altaktionäre, ihre Aktien nicht zu veräußern, gem. § 137 S. 1 BGB keine dingliche Wirkung entfaltet. Lock-up Agreements betreffen insofern lediglich das rechtliche Dürfen und lassen das rechtliche Können, d. h. die Verfügungsbefugnis, unberührt.89 Folglich können Altaktionäre trotz Abschluss eines Lock-up Agreements jederzeit wirksam über ihre Aktien verfügen. Das Lock-up Agreement bleibt als schuldrechtliche Unterlassungspflicht, nicht über die Aktien zu verfügen, gem. § 137 S. 2 BGB wirksam. Verstößt der Altaktionär gegen das vereinbarte Lockup Agreement, indem er wirksam über die Aktien verfügt, so kann dieser Verstoß Leistungsstörungsrechte, insbesondere eine Schadensersatzpflicht gem. § 275 Abs. 4 BGB i.V.m. §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB gegenüber dem Erklärungsempfänger auslösen.90

II. Zulässigkeit von Lock-up Agreements Schuldrechtlich getroffene Lock-up Agreements könnten unwirksam sein, wenn diese Vereinbarungen rechtlich nicht zulässig wären. Obwohl Lock-up Agreements inzwischen zur üblichen Emissionspraxis gehören,91 ist die Frage der Zulässigkeit von Lock-up Agreements diskussionswürdig, wobei die Zulässigkeit insbesondere im Hinblick auf kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtliche Bestimmungen zu untersuchen ist. 1. Kapitalmarktrechtliche Zulässigkeit Teilweise wird diskutiert, ob Lock-up Agreements gegen das kapitalmarktrechtliche Verbot der Marktmanipulation gem. Art. 12, 15 MAR92 verstoßen.93 Anknüpfungspunkt ist die durch das Lock-up Agreement bedingte, künstliche Limitierung des Aktienangebots, wodurch eine Stabilisierung des Marktpreises erreicht werden soll. Fraglich ist insoweit, ob darin noch eine zulässige Kurspflege oder

89 Nach der terminologischen Differenzierung Bergers (vgl. Fn. 85) stellen Lock-up Agreements somit Verfügungs- bzw. Veräußerungsverbote dar. 90 Kohler, in: Staudinger-BGB (2017), § 137 Rn. 50. Erklärungsempfänger des Lock-up Agreements sind entweder der Emittent oder die Emissionsbank; ausführlich zu den verschiedenen Konstellationen bereits unter 1. Kapitel A. III. 2. 91 Dazu sogleich unter 1. Kapitel C. III. 1. 92 VO (EU) Nr. 596/2014 v. 16. April 2014 (Marktmissbrauchsverordnung [MMVO] bzw. Market Abuse Regulation [MAR]), ABl. EU L 173, 1 ff. Die MAR (bzw. MMVO) trat am 03. 07. 2016 in Kraft. 93 Grüger, BKR 2008, 101, 103; ders., WM 2002, 247, 249; Mock, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 403 ff.

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1. Kap.: Lock-up Agreements

bereits eine Marktmanipulation gem. Art. 12 Abs. 1, 2 MAR zu sehen ist.94 Eine informationsgestützte Manipulation gem. Art. 20 Abs. 1 lit. c) MAR liegt nicht vor, da der Abschluss eines Lock-up Agreements gem. § 7 WpPG i.V.m. Anhang III Ziff. 7.3 EU-ProspektVO95 zwingend im Wertpapierprospekt veröffentlicht werden muss und die Prospektveröffentlichung das Abschließen von Lock-up Agreements für den Markt transparent macht, sodass ein irreführungsgeeignetes kommunikatives Tun oder Unterlassen nicht ersichtlich ist.96 Auch eine gem. Art. 12 Abs. 1 lit. b) MAR normierte, handelsgestützte Marktmanipulation scheidet aus, da der Abschluss eines Lock-up Agreements schon keine Handelsaktivität im Sinne der Vornahme oder Erteilung von Finanzinstrument-Transaktionen darstellt.97 Schließlich kommt auch der Auffangtatbestand einer Marktmanipulation aufgrund einer sonstigen Täuschungshandlung gem. Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR nicht in Betracht. Da das Treffen von Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt veröffentlicht wird, vermittelt das Lock-up Agreement keine falschen oder irreführenden Signale hinsichtlich des Angebots der Aktien des Emittenten (Art. 12 Abs. 1 lit. a) sub lit. i) MAR). Zudem wird durch das Treffen von Lock-up Agreements auch kein abnormales oder künstliches Preisniveau geschaffen (Art. 12 Abs. 1 lit. a) sub lit. ii) MAR). Zwar wird die Veräußerung eines Teils der Wertpapiere untersagt, was das Angebot der Wertpapiere am Kapitalmarkt beeinflusst. Indes wird dadurch nicht die Kurs- bzw. Marktpreisbildung am Kapitalmarkt beeinflusst.98

94 Ausführlich zur Abgrenzung von Marktmanipulation und Kurspflege vgl. Feuring/ Berrar, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 39 Rn. 13 ff., 60 ff.; Grüger, Kurspflege, 2005, passim. 95 VO (EG) 809/2004 v. 29. 04. 2004 (EU-ProspektVO), ABl. EU L 149, 1, die der Umsetzung Richtlinie 2003/71/EG (EU Prospektrichtlinie) dient. Indes wird durch die VO (EU) 2017/1129 v. 14. 06. 2017 (EU-Prospektverordnung 2017), die am 20. 07. 2017 formal in Kraft getreten ist, die Geltung der Richtlinie 2003/71/EG (EU-Prospektrichtlinie) schrittweise aufgehoben bzw. ersetzt, wobei der Großteil der Regelungen ab dem 21. 07. 2019 gilt, vgl. Art. 46 Abs. 1, Art. 49 Abs. 2 VO (EU) 2017/1129 (EU-Prospektverordnung 2017). Die Anforderungen an die Mindestangaben im Wertpapierprospekt richten sich folglich bis zum 21. 07. 2019 nach § 7 WpPG i.V.m. VO (EG) 809/2004 (EU-ProspektVO). Die neue Prospektverordnung regelt die Anforderungen an die Mindestangaben nur rudimentär und bestimmt in Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 44 VO (EU) 2017/1129 (EU-Prospektverordnung 2017), dass die Kommission delegierte Rechtsakte zur Ergänzung der Verordnung erlässt, welche die Mindestangaben des Prospekts näher regeln. Wesentliche Veränderungen gegenüber den derzeitigen Regelungen sind indes nicht zu erwarten, sodass auch die Pflicht zur Veröffentlichung von Lock-up Agreements zukünftig im Rahmen eines solchen delegierten Rechtsakts geregelt werden wird. Zum Ganzen vgl. Schulz, WM 2018, 212, 216 f. 96 Zu den Voraussetzungen von Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR vgl. Grundmann, in: Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2017, Band 11/1, 6. Teil Rn. 445 ff. Zur alten Rechtslage des § 20a WpHG a.F., im Ergebnis aber übereinstimmend Mock, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 404. 97 Vgl. Grundmann, in: Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2017, Band 11/1, 6. Teil Rn. 454 f. 98 Vgl. Grüger, BKR 2008, 101, 103; ders., WM 2002, 247, 249; zur alten Rechtslage des § 20a WpHG a.F., aber übereinstimmend Mock, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 405.

C. Lock-up Agreements im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

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Darüber hinaus kann schon aus der Tatsache, dass Lock-up Agreements gem. § 7 WpPG i.V.m. Anhang III Ziff. 7.3 EU-ProspektVO99 zwingend im Wertpapierprospekt veröffentlicht werden müssen, geschlossen werden, dass darin nicht auch ein Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation liegt.100 Folglich stehen der kapitalmarktrechtlichen Zulässigkeit von Lock-up Agreements keine Einwände entgegen. 2. Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit Vereinzelt wird die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit von Lock-up Agreements zwischen Altaktionären und dem Emittenten in Frage gestellt.101 Ausgangspunkt ist der Grundsatz der freien Übertragbarkeit von Aktien,102 welcher auf den Umstand zurückzuführen ist, dass bei der Aktiengesellschaft die Möglichkeiten des Austritts und der Kündigung fehlen.103 Die einzige Möglichkeit, die freie Übertragbarkeit von Aktien mit dinglicher Wirkung zu beschränken, ist die in § 68 Abs. 2 AktG vorgesehene Vinkulierung von Namensaktien, wobei die Veräußerung von Aktien an die Zustimmung des Vorstands gebunden wird.104 Ein Veräußerungsverbot kann grundsätzlich auch nicht durch die Satzung auferlegt werden.105 Satzungsregelungen, die dingliche Veräußerungsbeschränkungen beinhalten und über das in § 68 Abs. 2 AktG geregelte Maß hinausgehen, sind aufgrund eines Verstoßes gegen den in § 23 Abs. 5 AktG normierten Grundsatz der Satzungsstrenge unwirksam.106 Insoweit normiert § 55 Abs. 1 S. 1 AktG, dass körperschaftliche Pflichten107 der Aktionäre 99

VO (EG) 809/2004 v. 29. 04. 2004 (EU-ProspektVO), ABl. EU L 149, 1. So auch Grüger, BKR 2008, 101, 103; ders., WM 2002, 247, 249; Mock, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 404. 101 So insbesondere Immenga, AG 1992, 79 f.; Otto, AG 1991, 369, 372 f.; ders., NZG 2013, 930 ff. Ausführlich zur Zulässigkeit schuldrechtlicher Veräußerungsbeschränkungen über Aktien zugunsten der Aktiengesellschaft Barthelmeß/Braun, AG 2000, 172 ff.; Heß, Investorenvereinbarungen, 2014, S. 295 ff. Nicht bezweifelt wird hingegen die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit von Lock-up Agreements gegenüber der Emissionsbank, welche sich aus der grundsätzlich freien Verfügungsbefugnis der Aktionäre über ihre Anteile ergibt. 102 Allg. Meinung, vgl. BGH, Urt. v. 20. 9. 2004 – II ZR 288/02, BGHZ 160, 253, 256 ff.; Bayer, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, § 68 Rn. 34; Lutter/Drygala, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2011, § 68 Rn. 57; Servatius, in: Wachter (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2018, § 68 Rn. 9. 103 Lutter/Drygala, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2011, § 68 Rn. 57 m.w.N. 104 Bayer, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, § 68 Rn. 34; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 46; Otto, AG 1991, 369, 372. 105 Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, § 54 Rn. 25, Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 25. 106 Unstr., vgl. jew. m.w.N. Bayer, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, § 68 Rn. 39; Francastel, Anteilsvinkulierung, 2016, S. 26 f.; Merkt, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2018, § 68 Rn. 298, 303; Otto, AG 1991, 369, 372. 107 Körperschaftliche Pflichten sind die mit der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft verbundenen, über die Einlagepflicht hinausgehenden Pflichten der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft, vgl. Barthelmeß/Braun, AG 2000, 172, 173. 100

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1. Kap.: Lock-up Agreements

nur im Rahmen der Vinkulierung von Aktien nach § 68 Abs. 2 AktG begründet werden können.108 Die herrschende Meinung und Rechtsprechung gehen davon aus, dass schuldrechtliche Vereinbarungen, durch welche sich die Aktionäre gegenüber der Gesellschaft zu Leistungen verpflichten, neben den körperschaftlichen Pflichten der Aktionäre möglich sind.109 Dagegen lehnen Immenga110 und Otto111 die Zulässigkeit schuldrechtlicher Verfügungsbeschränkungen ab. Nach dieser Auffassung sind schuldrechtliche Verfügungsbeschränkungen nicht mit den Vorschriften des AktG, insbesondere § 68 Abs. 2 AktG und § 136 Abs. 2 AktG, vereinbar und verstoßen gegen die Organverfassung der Aktiengesellschaft. a) Vereinbarkeit mit § 68 Abs. 2 AktG Lock-up Agreements zwischen den Altaktionären und dem Emittenten stellen ein schuldrechtliches Veräußerungsverbot dar, welches aufgrund von § 137 S. 1 BGB die Verfügungsbefugnis über die Aktien unberührt lässt.112 Dagegen begründet die Vinkulierung nach § 68 Abs. 2 AktG dingliche Wirkung und stellt somit eine gesetzliche Ausnahme zu § 137 S. 1 BGB dar.113 Folglich bestehen zwischen der satzungsmäßigen Vinkulierung und der schuldrechtlichen Veräußerungsbeschränkung strukturelle Unterschiede, sodass Lock-up Agreements jedenfalls nicht direkt dem Anwendungsbereich des § 68 Abs. 2 AktG unterfallen.114 Teilweise wird vertreten, dass eine Kontrolle des Aktionärskreises durch die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, abschließend durch eine Vinkulierung der Aktien gem. § 68 Abs. 2 AktG geregelt wird. Aus diesem abschließenden Charakter des § 68 Abs. 2 AktG ergebe sich, dass der Vorstand, wenn eine satzungsmäßige Vinkulierung fehlt, keine schuldrechtliche Vereinbarung gleichen Inhalts mit den Aktionären abschließen darf.115 Gegen diese Argumentation spricht zum einen, dass sich eine satzungsmäßige Vinkulierung und eine schuldrechtliche Veräußerungsbeschränkung maßgeblich in der möglichen Einflussnahme des Vorstands unterscheiden. Anders als bei einer satzungsmäßigen Vinkulierung der Aktien, bei welcher die Verfügungen der Aktionäre von der Zustimmung des Vorstands 108

Vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 8. Aufl. 2016, Rn. 4.41. BayObLG, Beschl. v. 24. 11. 1988 – BReg. 3 Z 111/88, ZIP 1989, 638, 642; Barthelmeß/ Braun, AG 2000, 172, 173; Bayer, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, § 68 Rn. 41; Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2015, § 68 Rn. 16; Francastel, Anteilsvinkulierung, 2016, S. 27; Lutter/Drygala, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2011, § 68 Rn. 57; Lutter/Schneider, ZGR 1975, 182, 187. 110 Immenga, AG 1992, 79 f. 111 Otto, AG 1991, 369, 372 f.; ders., NZG 2013, 930 ff. 112 Vgl. bereits die Ausführungen unter 1. Kapitel C. I. 113 Merkt, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2018, § 68 Rn. 523. 114 Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 28 f. 115 Immenga, AG 1992, 79, 83; Otto, AG 1991, 369, 373, 375. 109

C. Lock-up Agreements im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

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abhängen, § 68 Abs. 2 AktG, sind Verfügungen über Aktien, die einem Lock-up Agreement unterfallen, wirksam, da diese als schuldrechtliche Vereinbarungen gerade keine dingliche Wirkung entfalten.116 Folglich ermöglichen Lock-up Agreements – anders als eine satzungsmäßig Vinkulierung von Aktien – schon keine Einflussmöglichkeit auf den Aktionärskreis, sodass eine etwaig abschließende Befugnis aus § 68 Abs. 2 AktG nicht berührt wird. Es sprechen zudem gewichtige Gründe dagegen, § 68 Abs. 2 AktG als abschließende Norm zu charakterisieren. Die Norm stellt eine gesetzliche Ausnahme zu § 137 S. 1 BGB dar. Die Vinkulierung betrifft indes grundsätzlich nur das dingliche Verfügungsgeschäft, lässt jedoch aufgrund der Bestimmung aus § 137 S. 2 BGB die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Grundgeschäfts unberührt. Dass § 68 Abs. 2 AktG auch eine Ausnahme zu § 137 S. 2 BGB darstellt, ist hingegen nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber hat mit § 1136 BGB117 und § 2302 BGB118 Regelungen geschaffen, wonach bereits das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft, über ein veräußerliches Recht nicht zu verfügen, nichtig ist. Auch das AktG kennt mit § 136 Abs. 2 AktG119 eine Regelung, nach welcher schuldrechtliche Verträge über die Verpflichtung eines Aktionärs zur weisungsgebundenen Stimmrechtsausübung, nichtig sind. Ausgehend von der Gesetzessystematik und in Ermangelung einer vergleichbaren Regelung in § 68 Abs. 2 AktG kann davon ausgegangen werden, dass § 68 Abs. 2 AktG nur eine dingliche Wirkung zukommen soll und gerade keine Ausnahme von § 137 S. 2 BGB darstellt.120 Hingegen könnten schuldrechtliche Lock-up Agreements eine Umgehung des § 68 Abs. 2 AktG darstellen. Eine solche vinkulierungsumgehende Abrede liegt vor, wenn die schuldrechtliche Abrede zwar keine dingliche Wirkung entfaltet, aber zwecks Umgehung einer satzungsmäßigen und nach § 68 Abs. 2 AktG zulässigen Vinkulierungsklausel in wirtschaftlicher Hinsicht einen ähnlichen Erfolg anstrebt.121 Nach herrschender Ansicht sind vinkulierungsumgehende Abreden unzulässig.122 116

So auch Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 33. Zur Rechtswirkung von Lock-up Agreements vgl. bereits 1. Kapitel C. I. 117 § 1136 BGB: Eine Vereinbarung, durch die sich der Eigentümer dem Gläubiger gegenüber verpflichtet, das Grundstück nicht zu veräußern oder nicht weiter zu belasten, ist nichtig. 118 § 2302 BGB: Ein Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, ist nichtig. 119 § 136 Abs. 2 AktG normiert, dass Verträge, durch welche sich ein Aktionär verpflichtet, sein Stimmrecht nach Weisung der Gesellschaft, des Vorstands oder des Aufsichtsrats auszuüben, nichtig sind. 120 So auch Barthelmeß/Braun, AG 2000, 172, 174; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 50; Kiefner/Happ, ZIP 2015, 1811, 1812; Noack, NZG 2013, 281, 283; Zetzsche, NZG 2002, 942, 943. 121 Lutter/Grunewald, AG 1989, 109, 117; Merkt, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2018, § 68 Rn. 525 m.w.N. 122 Merkt, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2018, § 68 Rn. 525, 530. Hinsichtlich der Rechtsfolge wird z. T. argumentiert, dass vinkulierungsumgehende Abreden wegen Sitten-

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1. Kap.: Lock-up Agreements

Die Gegner schuldrechtlicher Verfügungsverbote zwischen Aktionären und der Gesellschaft wollen darüber hinaus eine (unzulässige) Umgehung des § 62 Abs. 2 AktG auch dann annehmen, wenn eine satzungsmäßige Vinkulierungsklausel fehlt.123 Nach dieser Ansicht besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen einem vertraglich vereinbarten Verfügungsverbot und einer nach § 68 Abs. 2 AktG satzungsmäßigen Vinkulierung.124 Gegen diese Argumentation lässt sich anführen, dass ein schuldrechtliches Veräußerungsverbot gerade nicht mit der Umgehung einer satzungsmäßig festgelegten Vinkulierungsklausel gleichzusetzen ist. Während in der anerkannten Umgehungskonstellation ein ausdrückliches Verbot – namentlich das Verbot der Veräußerung ohne Zustimmung des Vorstands, § 68 Abs. 2 AktG – umgangen wird, fehlt es bei einer freiwilligen Veräußerungsbeschränkung an einem solchen Verbot. Denn um eine schuldrechtliche Abrede als Gesetzesumgehung zu werten, müsste § 68 Abs. 2 AktG gerade so ausgelegt werden, dass schuldrechtliche Verfügungsbeschränkungen gegenüber der Gesellschaft grundsätzlich verboten sind. Diese Frage ist jedoch gerade Gegenstand der Diskussion, sodass das Umgehungsargument der Gegenansicht ein Scheinargument und folglich abzulehnen ist.125 b) Vereinbarkeit mit § 136 Abs. 2 AktG Teilweise wird angeführt, dass schuldrechtliche Lock-up Agreements gem. § 136 Abs. 2 AktG nichtig seien.126 Nach dieser Vorschrift sind Verträge über Stimmrechte, die aufgrund einer Weisung der Gesellschaft ausgeübt wurden, nichtig. Hierdurch soll verhindert werden, dass die Verwaltung der Gesellschaft in der Hauptversammlung für ihr genehme Abstimmungsverhältnisse sorgt und damit ihren Einfluss zulasten der kapitalgebenden Aktionäre stärkt.127 Nach der ablehnenden Ansicht bewirken auch schuldrechtlich getroffene Lock-up Agreements eine Einflussnahme des Vorstands auf den Kreis der ihm gegenüber kontrollbefugten Aktionäre, wodurch die rechtliche Kompetenzzuweisung der Gesellschaft durchbrochen werde.128 widrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind, vgl. Lutter/Schneider, ZGR 1975, 182, 186. Nach der Gegenansicht soll das Umgehungsgeschäft ebenfalls der Vinkulierungsklausel unterfallen und erst mit Zustimmung der Gesellschaft wirksam werden, vgl. Gätsch, in: MarschBarner/Schäfer (Hrsg.), HdB börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018, Rn. 5.103; Lutter/Grunewald, AG 1989, 109, 111 ff.; Maul, in: Beck’sches HdB AG, 3. Aufl. 2018, § 3 Rn. 42; Sailer/ Coceani, in: MünchHdB-GesR AG, 4. Aufl. 2015, § 14 Rn. 35. 123 Otto, AG 1991, 368, 374 f.: „Die Unwirksamkeit derartiger, individualvertraglich vereinbarter Aktienvinkulierungen ergibt sich ferner aber auch aus dem Gesichtspunkt der Umgehung der gesetzlich vorgesehenen Vinkulierungserfordernisse.“ 124 Otto, AG 1991, 368, 375. 125 So auch Barthelmeß/Braun, AG 2000, 172, 175; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 50 f.; Kiefner/Happ, ZIP 2015, 1811, 1813. 126 Immenga, AG 1992, 79, 81. 127 Koch, in: Hüffer (Begr.), AktG, 13. Aufl. 2018, § 136 Rn. 25. 128 Immenga, AG 1992, 79, 81.

C. Lock-up Agreements im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

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Gegen diese Auffassung spricht zum einen, dass der Vorstand mittels Lock-up Agreements allenfalls sehr indirekten Einfluss auf das Stimmverhalten der Aktionäre ausüben kann. Durch den Abschluss von Lock-up Agreements wird allenfalls das „Ob“ einer Stimmausübung geregelt,129 während Stimmbindungsverträge vor allem das „Wie“ betreffen. Wie die einzelnen, durch das Lock-up Agreement gebundenen Aktionäre letztlich abstimmen, wird gerade nicht geregelt und bleibt somit unsicher.130 Folglich kann durch Lock-up Agreements nur der Status quo aufrechterhalten werden, jedoch keine direkte Einflussnahme des Vorstands auf das Stimmverhalten der Aktionäre ausgeübt werden.131 Darüber hinaus spricht auch der Zweck von Lock-up Agreements gegen eine Anwendbarkeit des § 136 Abs. 2 AktG. Ziel des Verbots der Stimmrechtsbindung nach § 136 Abs. 2 AktG ist es, der Verwässerung des Aktionärseinflusses auf solche Beschlussgegenstände, die der Hauptversammlung überantwortet worden sind, vorzubeugen.132 Lock-up Agreements, die im Zusammenhang mit einem Börsengang getroffen werden, dienen indes nicht der Einflussnahme auf das Stimmverhalten der Aktionäre in der Hauptversammlung, sondern der Durchführung der Emission und der stabilen Kursentwicklung im Nachgang an den Börsengang.133 Beruht der Börsengang auf einer Entscheidung der Hauptversammlung, was regelmäßig der Fall ist,134 ermächtigen die Aktionäre den Vorstand ebenfalls zur Schaffung der für den Börsengang notwendigen Voraussetzungen, wozu auch das Abschließen schuldrechtlicher Lock-up Agreements mit den Altaktionären zählen kann. In diesem Fall ist das Handeln des Vorstands durch den Hauptversammlungsbeschluss gedeckt, sodass eine Anwendung des § 138 Abs. 2 AktG nicht in Betracht kommt.135

129 Selbst das „Ob“ einer Stimmrechtsausübung lässt sich durch Lock-up Agreements nicht positiv regeln, da es den Aktionären auch nach Abschluss eines Lock-up Agreements grundsätzlich freisteht, auf eine Stimmrechtsausübung zu verzichten. Insofern können Lock-up Agreements allenfalls auf weitestgehende Interessenidentität des Aktionärskreises hinwirken. 130 Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 39 f. 131 Barthelmeß/Braun, AG 2000, 172, 176; Noack, NZG 2013, 281, 283. 132 Grundmann, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, § 136 Rn. 75. 133 Ausführlich zu den Zielen und der Funktionsweise von Lock-up Agreements 1. Kapitel B. 134 Ein Hauptversammlungsbeschluss ist nicht grundsätzlich notwendig, insbesondere ist ein Börsengang keine strukturändernde Maßnahme, die einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt der Hauptversammlung i.S.d. „Holzmüller“-Doktrin begründet. Allerdings werden regelmäßig vorbereitende Gesellschafter- oder Hauptversammlungsbeschlüsse notwendig sein (bspw. Formwechsel, Kapitalerhöhung oder Satzungsänderung), denen eine implizite Zustimmung zum Börsengang zu entnehmen ist, vgl. Halasz/Kloster, ZBB 2001, 474 ff.; G. Picot/ Land, DB 1999, 570, 571; Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 52 f.; Singhoff/ Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 3 Rn. 56 f.; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 460. 135 So auch Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 53.

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1. Kap.: Lock-up Agreements

c) Vereinbarkeit mit der Organverfassung der Aktiengesellschaft Schließlich beruft sich die ablehnende Ansicht auf einen Verstoß gegen die Organverfassung der Aktiengesellschaft. Durch den Abschluss schuldrechtlicher Lockup Agreements übe der Vorstand Einfluss auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises aus und regele dadurch die Struktur der Gesellschaft. Diese Aufgabe falle hingegen allein in die Zuständigkeit der Hauptversammlung, sodass das Treffen schuldrechtlicher Lock-up Agreements der aktienrechtlichen Organzuständigkeit zuwiderlaufe und dem Gewaltenteilungsmodell136 widerspreche.137 Gegen diese Argumentation spricht erneut, dass der Vorstand durch ein Lock-up Agreement gerade keinen unmittelbaren Einfluss auf die Stimmabgabe der Aktionäre ausüben kann.138 Zudem kann die Begründung einer mangelnden organschaftlichen Kompetenz des Vorstands nicht überzeugen. Einerseits dienen Lock-up Agreements einer stabilen Kursentwicklung und einem erfolgreichen Börsengang und damit dem Wohl der Gesellschaft, sodass eine mittelbare Einflussnahme und Pflege der Aktionärsbeziehung im Unternehmensinteresse gar als Pflicht des Vorstands bezeichnet werden kann.139 Darüber hinaus gehen Börsengänge in der Praxis regelmäßig auf einen Hauptversammlungsbeschluss zurück. Daraus folgt, dass der Vorstand im Rahmen der erfolgreichen Durchführung des Börsengangs von der Hauptversammlung ermächtigt wird, die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.140 Hierzu zählen insbesondere auch Lock-up Agreements. Somit sind schuldrechtlich getroffene Lock-up Agreements regelmäßig von der Zustimmung der Hauptversammlung gedeckt und können folglich keinen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Organzuständigkeit begründen.141 3. Zwischenergebnis Die Auseinandersetzung mit kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeitsfragen hat gezeigt, dass der Abschluss von Lock-up Agreements grundsätzlich zulässig ist. Zwar wurde insbesondere die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit von Lock-up Agreements zwischen den Altaktionären und dem Emittenten in der Vergangenheit vereinzelt in Frage gestellt, im Ergebnis vermögen diese Ansichten indes nicht zu überzeugen, sodass – im Einklang mit der herrschenden 136 Danach sollen autonome Entscheidungskompetenzen auf die drei Organe der Aktiengesellschaft (Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung) verteilt werden, vgl. Otto, AG 1991, 369, 376. 137 Immenga, AG 1992, 79, 81, 83; Otto, AG 1991, 369, 376. 138 Siehe dazu bereits 1. Kapitel C. II. 2. a). 139 So Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 37; Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 592 f.; Kiefner/Happ, ZIP 2015, 1811, 1814. 140 Vgl. bereits 1. Kapitel C. II. 2. b). 141 Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 54.

C. Lock-up Agreements im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

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Ansicht – von einer grundsätzlichen Zulässigkeit von Lock-up Agreements ausgegangen werden kann.

III. Pflicht zum Abschluss von Lock-up Agreements Ausgehend von dem Befund, dass schuldrechtlich getroffene Lock-up Agreements als Veräußerungsbeschränkungen grundsätzlich zulässig sind, stellt sich die Frage, inwieweit eine Pflicht zum Abschluss eines Lock-up Agreements besteht. Hierbei ist insbesondere eine etwaige Pflicht der Altaktionäre, sich auf Lock-up Agreements einzulassen, von Bedeutung. Eine solche Pflicht könnte als Ausprägung einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht in Betracht kommen. 1. Lock-up Agreements als Zulassungsvoraussetzung der Börsennotierung Lock-up Agreements werden gegenwärtig weder gesetzlich noch im Rahmen von Zulassungsvoraussetzungen eines Börsensegments vorgeschrieben.142 Trotzdem gehören Lock-up Agreements zur Marktpraxis und zum Standardrepertoire von Börsengängen.143 Eine Verpflichtung zum Abschluss von Lock-up Agreements ist somit schon deshalb nicht notwendig, weil Lock-up Agreements üblich sind und damit vom Markt erwartet werden, sodass sich die beteiligten Parteien an diese Markterwartungen anpassen.144 Überdies sollen Lock-up Agreements das Vertrauen der Investoren stärken, wobei einem freiwillig getroffenen Lock-up Agreement eine größere Signalwirkung zukommt.145 Schließlich wird auch angeführt, dass aufgrund der unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen und verschiedenen Interessenlagen der Beteiligten eine gesetzliche Verpflichtung zu starr sei und dem eigentlichen Zweck der Lock-up Agreements, einer erfolgreichen Börseneinführung, zuwiderlaufe.146 142

Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 44. Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 18; Bradley/Jordan/Yi/Roten, J. Fin. Res. 24 (2001), 465, 466; Harrer, in: Beck’sches HdB AG, 3. Aufl. 2018, § 20 Rn. 272; C. Schäfer, ZGR 2008, 455, 470; Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 44; Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 3 Rn. 36. 144 C. Schäfer, ZGR 2008, 455, 470; Veil, Kapitalmarktzugang für Wachstumsunternehmen, 2016, S. 156. 145 Zur Signalwirkung von Lock-up Agreements vgl. unter 3. Kapitel A. I. 146 So insbesondere Fleischer, WM 2002, 2305, 2309, der zu Recht darauf hinweist, dass die Bedeutung von Lock-up Agreements v. a. mit der Entwicklung des Unternehmens zusammenhängt. Hinzu kommt, dass verpflichtende Lock-up Agreements die Desinvestitionsmöglichkeiten der Altaktionäre beschränken, was einige Investoren (insbesondere Risikokapitalgeber) von einem Investment abhalten könnte. Dies wiederum ist nicht im Interesse der Ge143

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1. Kap.: Lock-up Agreements

In der Vergangenheit, insbesondere während des sog. Neuen Markts,147 gab es hingegen Börsensegmente, die bestimmte Zulassungsvoraussetzungen vorschrieben, wonach sich Altaktionäre verpflichten mussten, ihre Anteile für einen bestimmten Zeitraum nach dem Börsengang nicht zu veräußern.148 Der Abschluss von Lock-up Agreements wurde damit zur Voraussetzung eines Börsengangs in dem jeweiligen Marktsegment. Dies führte unweigerlich dazu, dass einzelne (Kleinst-)Altaktionäre mit der Verweigerung ihrer Zustimmung zu den geforderten Lock-up Agreements das Zulassungsverfahren gefährden konnten und somit eine erhebliche Machtposition gegenüber der Gesellschaft erlangten, welche mitunter zu Erpressungsversuchen gegenüber der Gesellschaft und den Mitaktionären ausgenutzt wurde.149 In diesem Zusammenhang drängt sich folglich die Frage auf, ob eine Pflicht der Altaktionäre zum Abschluss einer solchen Vereinbarung besteht, bzw. ob dem Emittenten, den Mitgesellschaftern oder der Emissionsbank ein durchsetzbarer Anspruch gegenüber den Altaktionären auf den Abschluss eines Lock-up Agreements zusteht. Zwar gibt es gegenwärtig kein deutsches Börsensegment mit einer entsprechenden Zulassungsvoraussetzung, jedoch hat die Frage einer Pflicht zum Abschluss von Lock-up Agreements nicht gänzlich an Bedeutung verloren. Zum einen ist nicht auszuschließen, dass es in Zukunft Marktsegmente mit entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen geben wird.150 Zudem werden Lock-up Agreements als Regelfall angesehen und damit vom Markt erwartet. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Weigerung, ein Lock-up Agreement zu treffen, den Erfolg des Börsengangs gefährdet, sodass einzelne Aktionäre auch ohne verbindliche Regelungen eine ausnutzbare Machtposition innehaben können.

sellschaft, welche gerade auf Finanzierungsrunden vor einer Emission angewiesen ist. Siehe dazu bereits 1. Kapitel B. II. 4. b). 147 Der Neue Markt war ein der US-amerikanischen Technologiebörse NASDAQ nachgebildetes Marktsegment der Frankfurter Börse, welches zwischen 1997 und 2000 ein rasantes Wachstum und einen enormen Anstieg an Neuemissionen verzeichnete, jedoch mit dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2003 spektakulär scheiterte. Da im Neuen Markt vorwiegend junge Wachstumsunternehmen notiert waren, die im besonderen Maße auf das Vertrauen der Anleger angewiesen waren, gewannen Lock-up Agreements als vertrauensbildende Maßnahmen schnell an Popularität, hierzu Fleischer, WM 2002, 2305, 2309. 148 So bspw. das Regelwerk des Neuen Marktes, welches nach einer Verschärfung der Vorschriften nach dem 15. 9. 1999 vorschrieb, dass sich sämtliche Altaktionäre einer Verpflichtung unterwerfen müssen, wonach sie ihre Aktien für einen Zeitraum von sechs Monaten nach der Emission nicht veräußern durften und Befreiungsmöglichkeiten nur noch in absoluten Ausnahmefällen gestattet wurden (Abschn. 2 Ziff. 2.2 Abs. 1 Unterabs. 3 S. 1 i.V.m. Anlage 1 zum RWNM; Ziff. 7.3.9 Abs. 1 RWNM). Ausführlich zu der Verschärfung des Veräußerungsverbots am Neuen Markt Harrer/Mölling, BB 1999, 2521 ff.; Kullmann/van Aerssen, ZBB 2000, 10, 15. 149 Ausführlich dazu Schanz, Börseneinführung, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 44, dort Fn. 38. 150 In der Praxis gibt es bereits Stimmen, die sich für verpflichtende Lock-up Agreements aussprechen, vgl. Veil, Kapitalmarktzugang für Wachstumsunternehmen, 2016, S. 156, 177.

C. Lock-up Agreements im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

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2. Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht Eine Pflicht der Altaktionäre zum Abschluss von Lock-up Agreements kann sich in Ermangelung gesetzlicher Vorschriften nur aus einer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht begründen. Die gesellschaftliche Treuepflicht beruht auf dem Gedanken, dass das Gesellschaftsverhältnis einer Aktiengesellschaft eine Sonderverbindung schafft, die sowohl gemeinsame Interessen begründet, gleichzeitig aber diverse Möglichkeiten der Beeinträchtigung dieser gemeinsamen Interessensphäre durch die Aktionäre bietet, wobei das Aktiengesetz trotz seiner Regelungsdichte nicht in der Lage ist, der Vielfalt der dadurch bedingten Konfliktsituationen Rechnung zu tragen.151 Die Existenz einer Treuepflicht war für die Aktiengesellschaft lange Zeit umstritten.152 Inzwischen erkennt jedoch sowohl die Rechtsprechung153 als auch die überwiegende Meinung des Schrifttums154 eine umfassende gesellschaftsrechtliche Treuepflicht an, welche die ausdrücklich geregelten Rechte und Pflichten der Aktionäre überwölbt. Gleichwohl die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht inzwischen allgemein anerkannt ist, bleibt ihre dogmatische Einordnung umstritten155 und wird meist als Generalklausel beschrieben, die zur richterrechtlichen Rechtsfortbildung ermächtigt.156 Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht begründet zunächst die Pflicht, auf die Interessen der Aktiengesellschaft und das Vertrauen und die Interessen der Mitge-

151

Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 19. Während eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht für die Personengesellschaften und die GmbH aufgrund der oftmals engen persönlichen Bindung der Mitgesellschafter allgemein anerkannt war, wurde bezweifelt, dass eine solche Treuepflicht für die AG als entpersonalisierte und umfassend im AktG normierte Organisationsform notwendig sei. Demgemäß wurde eine aktienrechtliche Treuepflicht zunächst abgelehnt oder ihr nur eine geringe Bedeutung zugesprochen, vgl. BGH, Urt. v. 9. 6. 1954 – II ZR 70/53, BGHZ 14, 25, 38; BGH, Urt. v. 27. 10. 1955 – II ZR 310/53, BGHZ 18, 350, 365. Für einen Überblick der Diskussion vgl. Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 19; Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 152; Janssen, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 4. Aufl. 2014, § 53a Rn. 27 f.; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 452 ff. 153 Richtungsweisend BGH, Urt. v. 1. 2. 1988 („Linotype“) – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 194 f.; BGH, Urt. v. 20. 3. 1995 („Girmes“) – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 142; BGH, Urt. v. 5. 7. 1999 – II ZR 126/98 („Hilgers“), BGHZ 142, 167, 169 f.; OLG Hamburg, Urt. v. 20. 10. 2010 – 11 U 127/09, AG 2011, 301, 302; OLG Düsseldorf, Urt. v. 5. 7. 2012 – I-6 U 69/11, NZG 2013, 546, 547. 154 Vgl. jew. m.w.N., Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 19; Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 151; Drygala, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 82; Fleischer, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2015, § 53a Rn. 42; Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, Anh. § 53a Rn. 7; Janssen, in: Heidel (Hrsg.), Aktienrecht, 4. Aufl. 2014, § 53a Rn. 28. 155 Ausführlich dazu Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, Anh. § 53a Rn. 13 ff. 156 Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 19; Drygala, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 82; Fleischer, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2015, § 53a Rn. 46. 152

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1. Kap.: Lock-up Agreements

sellschafter Rücksicht zu nehmen.157 Der Treuepflicht kommt somit insbesondere die Funktion zu, der Ausübung von Aktionärsrechten Grenzen zu setzen (Schrankenfunktion). Eine darüber hinausgehende Förderpflicht, nach welcher die Aktionäre durch aktives Tun zum Gelingen des Gesellschaftszwecks beitragen müssen (Ergänzungsfunktion), soll der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht nur in Ausnahmefällen zukommen, da sich die Mitwirkungspflicht der Aktionäre grundsätzlich in der Leistung der Einlage gem. § 54 Abs. 1 AktG sowie der Erbringung etwaiger satzungsmäßiger Nebenpflichten gem. § 55 Abs. 1 AktG erschöpft.158 Zweifelsohne handelt es sich bei der umfassenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht um ein missbrauchsanfälliges Rechtsinstrument, welchem das erhebliche Risiko einer Rechtsunsicherheit innewohnt, sodass präzise Grenzen des Rechtsinstituts festzulegen sind.159 Zunächst folgt aus der Natur der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, dass ihr Anwendungsbereich auf den mitgliedschaftlichen, d. h. den vom Gesellschaftsvertrag umfassten und vom Gesellschaftszweck umschriebenen Bereich begrenzt ist. Ferner ist die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht subsidiär gegenüber der lex scripta – die richterrechtliche Fortbildung darf die Wertungsentscheidungen des Gesetzgebers nicht konterkarieren.160 Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht lässt sich in zwei Wirkungsrichtungen unterteilen: Das Vertikalverhältnis beschreibt eine Treuepflicht zwischen den Aktionären und der Gesellschaft, wobei die mitgliedschaftliche Treuepflicht auf Gegenseitigkeit beruht, sodass sich aus ihr sowohl Pflichten der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft als auch Pflichten der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären begründen lassen.161 Daneben kann auch eine mitgliedschaftliche Treuepflicht der Aktionäre untereinander bestehen (Horizontalverhältnis).162 a) Treuepflicht der Altaktionäre gegenüber dem Emittenten Eine Pflicht der Altaktionäre zum Abschluss eines Lock-up Agreements könnte sich aus der Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft ergeben. Hierfür ist zunächst zu erörtern, ob es sich bei dem Abschluss eines Lock-up Agreements lediglich um eine Beschränkung der Mitgliedschaftsrechte im Sinne einer Rücksichtnahmepflicht handelt oder ob darin ein pflichtenbegründendes, aktives Tun zu sehen ist. Teilweise 157

Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 25; Fleischer, in: Schmidt/ Lutter (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2015, § 53a Rn. 54; Lutter ZHR 162 (1998), 164, 167. 158 Fleischer, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2015, § 53a Rn. 54 f. 159 Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 32. 160 Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 33; Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, Anh. § 53a Rn. 97 m.w.N. Zur Zulässigkeit der Rechtsfortbildung und deren Grenzen, vgl. 6. Kapitel A. und B. 161 BGH, Urt. v. 20. 3. 1995 („Girmes“) – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 142; Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 30; Fleischer, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2015, § 53a Rn. 48; Lutter, AG 2000, 342, 344. 162 Koch, in: Hüffer (Begr.), AktG, 13. Aufl. 2018, § 53a Rn. 20 f.

C. Lock-up Agreements im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

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wird vertreten, dass der Abschluss eines Lock-up Agreements dem Aktionär das Ausscheiden aus der Gesellschaft nicht maßgeblich erschwert und lediglich eine zusätzliche Verhaltenspflicht, d. h. keine Leistungsvermehrung, für den Aktionär darstellt.163 Nach dieser Ansicht verpflichtet sich der Aktionär nur zu einem Unterlassen der Veräußerung der Aktion. Überdies verböten Lock-up Agreements lediglich eine Veräußerung an der Börse, ließen eine sonstige Veräußerung indes unberührt. Da dem Aktionär die Möglichkeit einer Veräußerung über die Börse ohne den Börsengang ohnehin nicht zustünde, sei das Ausscheiden aus der Gesellschaft insoweit auch nicht erschwert.164 Diese Auffassung überzeugt nicht. Zunächst ist die Annahme, ein Lock-up Agreement betreffe nur die Veräußerung an der Börse, veraltet und liefe der Schutzfunktion von Lock-up Agreements zuwider. Vielmehr betreffen Lock-up Agreements jede Form der Veräußerung sowie Handlungen, die einer Veräußerung wirtschaftlich entsprechen.165 Zudem geht der Abschluss eines Lock-up Agreements über eine bloße Rücksichtnahmepflicht hinaus. Lock-up Agreements führen zu einer Leistungsvermehrung seitens der Altaktionäre, indem sie die Bindung der Aktionäre an die Gesellschaft verlängern und den Altaktionären im Falle einer Verletzung mit Vertragsstrafen drohen können.166 Folglich würde die Pflicht zum Treffen von Lock-up Agreements eine aktive, pflichtenbegründende Förderpflicht darstellen. Eine solche Treuepflicht lässt sich nur in seltenen Ausnahmen annehmen, d. h. wenn außerordentliche Gründe dafür sprechen und die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt wird.167 Überdies kann die Pflicht zur aktiven Unterstützung der gesellschaftlichen Zwecksetzung keinesfalls über die Grenzen der Erbringung der Einlage (§ 54 AktG) und der Erbringung einer etwaigen statutarisch vereinbarten Nebenpflicht (§ 55 AktG) hinausgehen.168 In dieser Hinsicht argumentiert Höhn, dass eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht zum Abschluss eines Lock-up Agreements gegen den Grundsatz der freien Übertragbarkeit von Aktien verstoße und demgemäß nicht mit § 68 Abs. 2 AktG als einziger körperschaftlicher Beschränkung der freien Übertragbarkeit der Aktie vereinbar sei.169 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich an der schuldrechtlichen Rechtsnatur des Lock-up Agreements auch dann nichts ändert, wenn die Aktionäre aufgrund einer mitgliedschaftlichen Treuepflicht zum Abschluss einer solchen Vereinbarung verpflichtet werden. Wie bereits dargestellt, entfalten Lock-up

163

Korfsmeyer, FB 1999, 205, 210; Lutter/Drygala, in: FS Raisch, 1995, S. 239, 251 f. Korfsmeyer, FB 1999, 205, 210; Lutter/Drygala, in: FS Raisch, 1995, S. 239, 252. 165 Vgl. 1. Kapitel A. II. 1. 166 Im Ergebnis übereinstimmend Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 108 f. Zur Vereinbarung von Vertragsstrafen vgl. 4. Kapitel A. II. 3. 167 Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, Anh. § 53a Rn. 82. 168 Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 32; Drygala, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 122; Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, Anh. § 53a Rn. 81. 169 So Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 109. 164

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1. Kap.: Lock-up Agreements

Agreements aufgrund von § 137 S. 1 BGB gerade keine dingliche Wirkung, sodass die freie Übertragbarkeit der Aktie auch nicht beschränkt ist.170 Eine auf den Abschluss eines Lock-up Agreements gerichtete gesellschaftsrechtliche Treuepflicht muss jedoch dem Ausnahmecharakter einer Förderpflicht gerecht werden und den Aktionären zumutbar sein. Eine aktive Handlungspflicht kann für den Aktionär nur dann bestehen, wenn die Gesellschaft in ganz besonderem Maße auf seine Mitwirkung angewiesen ist.171 Ein überwiegendes Mitwirkungsbedürfnis ist jedoch nicht ersichtlich. Da gegenwärtig kein deutsches Marktsegment das Treffen von Lock-up Agreements als Zulassungsvoraussetzung vorschreibt, kann ein Aktionär mit der Verweigerung eines Lock-up Agreements eine Börsenzulassung nicht gefährden. Selbst wenn in bestimmten Börsensegmenten der Abschluss von Lock-up Agreements Zulassungsvoraussetzung wäre, stünden der Gesellschaft andere Handelssegmente offen, in denen eine solche Vereinbarung nicht erforderlich ist.172 Es ist insoweit auch nicht denkbar, dass einzelne Aktionäre durch die Verweigerung des Abschlusses eines Lock-up Agreements den Börsengang gefährden. Denn regelmäßig wird die Hauptversammlung einem Börsengang im Vorfeld zustimmen,173 sodass die Aktionäre grundsätzlich gewillt sein werden, die für den Börsengang notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Für die Signalwirkung am Markt ist weniger entscheidend, dass sämtliche Aktionäre ein Lock-up Agreement treffen, sondern vielmehr, dass die für das Unternehmen entscheidenden Aktionäre dem Unternehmen verbunden bleiben.174 Eine Verpflichtung der Aktionäre zum Abschluss eines Lock-up Agreements scheidet überdies aus Zumutbarkeitserwägungen aus. Während die Aktionäre durch den Börsengang eine Öffnung des Gesellschafterkreises hinnehmen müssen, bliebe ihnen der Vorteil eines Börsengangs in Form der besseren Handelbarkeit der Anteile aufgrund des Lock-up Agreements – zumindest vorübergehend – verwehrt.175 Schließlich ist eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht zum Treffen eines Lock-up Agreements auch aus praktischen Gesichtspunkten abzulehnen, da die Durchsetzung eines solchen Anspruchs auf Abschluss eines Lock-up Agreements den oftmals engen Zeitplan einer Emission gefährden würde.176

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Ausführlich dazu bereits unter 1. Kapitel C. I. Drygala, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 123. 172 Übereinstimmend Fleischer, WM 2002, 2305, 2313; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 60; Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 109 f. 173 Zur Erforderlichkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses vgl. bereits Fn. 134. 174 Hierzu zählen insbesondere die Gründer und Organmitglieder, vgl. 1. Kapitel B. II. 4. a). 175 Fleischer, WM 2002, 2305, 2313; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 59; Lutter/ Drygala, in: FS Raisch, S. 239, 252. 176 Kullmann/van Aerssen, ZBB 2000, 10, 15. 171

C. Lock-up Agreements im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

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b) Treuepflicht der Altaktionäre gegenüber den Mitgesellschaftern Gesellschaftsrechtliche Treuepflichten existieren nicht nur zwischen der Gesellschaft und den Aktionären, sondern auch zwischen den Aktionären untereinander. Insofern könnten die Aktionäre gegenüber ihren Mitgesellschaftern aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht verpflichtet sein, ein Lock-up Agreement abzuschließen. Eine solche Treuepflicht der Aktionäre untereinander kann sich indes nur auf die mitgliedschaftlichen Belange, d. h. solche Belange die typischerweise mit der rechtlichen Struktur der Mitgliedschaft verknüpft sind,177 beziehen und umfasst keine privaten Interessen der Mitaktionäre.178 Überdies wird vertreten, dass der Treupflicht der Aktionäre untereinander aufgrund der Wertung des § 117 Abs. 1 S. 2 AktG und § 317 Abs. 1 S. 2 AktG179 nur insoweit eine eigenständige Bedeutung zukommt, wie mitgliedschaftliche Interessen der Aktionäre betroffen sind, die nicht zugleich solche der Gesellschaft sind.180 Ob durch die Weigerung, ein Lock-up Agreement abzuschließen, die mitgliedschaftlichen Rechte der Mitaktionäre beeinträchtigt werden, scheint indes zweifelhaft. Wie bereits dargelegt, kann die Weigerung, ein Lock-up Agreement einzugehen, einen Börsengang ohnehin nicht verhindern. Selbst wenn angenommen würde, dass eine Emission unter besonderen Voraussetzungen verhindert werden könnte, würde der Status quo der anderen Gesellschafter erhalten und es würde gerade keine, durch den Börsengang bedingte,181 strukturelle Veränderung der mitgliedschaftlichen Verhältnisse bewirkt.182 Folglich gilt für eine Treuepflicht gegenüber den Mitaktionären dasselbe wie für eine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft: Eine Pflicht zum Eingehen eines Lock-up Agreements besteht nicht. c) (Treue-)Pflicht der Altaktionäre gegenüber der Emissionsbank Schließlich ist auf einen etwaigen Anspruch der Emissionsbank gegenüber den Altaktionären auf Abschluss eines Lock-up Agreements einzugehen. Grundsätzlich gilt, dass die mitgliedschaftsrechtliche Treuepflicht im Gesellschaftsverhältnis verwurzelt ist und somit nur die Gesellschaft und ihre Aktionäre betrifft. Gesellschaftsfremde Dritte werden folglich nicht vom Schutzbereich der Treuepflicht 177

Fillmann, Treuepflichten der Aktionäre, 1991, S. 47. Cahn/von Spannenberg, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2019, § 53a Rn. 50; Drygala, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 83. 179 Schall, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2019, § 117 Rn. 20: „Der Schaden des Aktionärs […] darf nicht bloß den Schaden der AG spiegeln.“ 180 Fleischer, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2015, § 53a Rn. 70; Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 255; Henze, in: FS Kellermann, 1991, S. 141, 152; Piepenburg, Mitgliedschaftliche Treuepflicht der Aktionäre, 1996, S. 399. 181 Zur Auswirkung eines Börsengangs auf die Aktionäre vgl. Lutter/Drygala, in: FS Raisch, 1995, S. 239, 240 f.; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 461. 182 Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 111. 178

64

1. Kap.: Lock-up Agreements

umfasst.183 Es ließe sich argumentieren, dass sich die Emissionsbank bei einem Übernahmekonsortium (firm-commitment underwriting) dazu verpflichtet, die neugezeichneten Aktien vom Emittenten zu erwerben, um diese sodann auf eigenes Risiko am Sekundärmarkt zu veräußern,184 sodass die Emissionsbank zumindest vorübergehend Aktionärin der Gesellschaft wird. Demnach befände sich die Emissionsbank als zukünftige Aktionärin in einem Vorstadium der Mitgliedschaft, welches eine vormitgliedschaftliche Treuebindung begründen könnte.185 In der Rechtsprechung und der Literatur konnte sich das Konzept einer vormitgliedschaftlichen Treuebindung nicht durchsetzen,186 da der mitgliedschaftliche Bereich klar vom außergesellschaftlichen Bereich abzugrenzen ist und die Treuepflicht ausschließlich für den Bereich der Mitgliedschaft Anwendung finden soll.187 Selbst wenn man sich der Mindermeinung anschließen und eine vorgesellschaftliche Treuepflicht anerkennen wollte, bestünde eine solche nur in engen Grenzen und ließe sich etwa für gesellschaftsbezogene Informations- und Unterlassungspflichten annehmen.188 Ein schützenswertes, vormitgliedschaftliches Interesse der Emissionsbank ist jedoch nicht erkennbar. Das Interesse der Emissionsbank an einem erfolgreichen Börsengang und einer stabilen Wertentwicklung zielt hauptsächlich auf die Reputation als Emissionsbank ab und liegt somit nicht im mitgliedschaftlichen Bereich. Überdies wird eine vorgesellschaftliche Treuepflicht kaum über die mitgliedschaftliche Treuepflicht hinausgehen können. Da sich eine Pflicht der Aktionäre zum Abschluss eines Lock-up Agreements schon nicht aus einer mitgliedschaftlichen Treuepflicht begründen lässt, kann eine solche Pflicht auch nicht aus einer vormitgliedschaftlichen Treuepflicht hergeleitet werden.189

183

Drygala, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 84. Hierzu Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 10.20. Ausführlich zur Fremdemission unter 2. Kapitel A. I. 185 Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, S. 179 ff., 239 ff. und im Besonderen zu Aktienzeichnern und künftigen Gesellschaftern S. 209 ff. 186 Ablehnend OLG Hamburg, Urt. v. 20. 10. 2010 – 11 U 127/09, AG 2011, 301, 302 f.; Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 19, dort Fn. 14; Fleischer, NZG 2000, 563, 562; ders., AG 2000, 309, 320; ders., Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 525 f., der die Sachverhaltskonstellationen unter dem Dach der culpa in contrahendo einordnen will. Einer vorgesellschaftlichen Treuepflicht zugeneigt dagegen Henze/ Notz, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, Anh. § 53a Rn. 41 m.w.N. 187 Vgl. BGH, Urt. v. 22. 6. 1992 – II ZR 178/80 („IBH/Scheich Kamel“), NJW 1992, 3167, 3171. 188 Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, Anh. § 53a Rn. 41. 189 So auch Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 61. 184

C. Lock-up Agreements im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht

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IV. Fazit Lock-up Agreements sind schuldrechtlich vereinbarte Veräußerungsverbote, deren kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit in der Vergangenheit Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen war, die jedoch, im Einklang mit der überwiegenden Meinung in der Literatur, sowohl in kapitalmarktrechtlicher als auch gesellschaftsrechtlicher Hinsicht zulässig sind. Dies belegt nicht zuletzt die regelmäßige Anwendung von Lock-up Agreements in der Emissionspraxis. Überdies besteht für die Altaktionäre keine Verpflichtung, ein Lock-up Agreement abzuschließen, insbesondere vermag die mitgliedschaftliche Treuepflicht keine solche Verpflichtung zu begründen. Folglich beruht der Abschluss von Lock-up Agreements allein auf der privatautonomen Entscheidung der Vertragsparteien. 2. Kapitel

Kapitalmarktökonomie Die Bedeutung von Lock-up Agreements ist unwiderlegbar mit Börsengängen und Aktienemissionen verknüpft. Der Schauplatz einer Auseinandersetzung mit Lock-up Agreements ist folglich der Kapitalmarkt. Eine rechtswissenschaftliche Diskussion mit Bezug zum Kapitalmarkt darf die ökonomischen Funktionszusammenhänge des Kapitalmarkts indes nicht außer Acht lassen – schon Mestmäcker stellte 1963 fest, dass aufgrund der Interdependenz von Rechts- und Wirtschaftsordnung eine rechtliche Auseinandersetzung stets einer wirtschaftswissenschaftlichen Würdigung bedarf.190 Die Funktionsweise und die zugrundeliegende Ökonomik der Kapitalmärkte bilden die Grundlage und das Fundament des rechtlichen Diskurses und sollen, soweit sie für die Beurteilung haftungsrechtlicher Zweifelsfragen im Zusammenhang mit Lock-up Agreements relevant sind, im Folgenden skizziert werden. Hierfür soll zunächst der Begriff des Kapitalmarkts erläutert werden (A.). Daran anschließend werden die Funktions- und Wirkungszusammenhänge des Kapitalmarkts betrachtet, wobei insbesondere auf die Rolle von Informationen und deren Verteilung zwischen den Kapitalmarktakteuren einzugehen ist (B.). Dabei wird gezeigt, dass Informationen ein zentrales Element des Kapitalmarkts darstellen und demnach auch bei der Beurteilung von Lock-up Agreements Berücksichtigung finden müssen. Aufbauend auf den Funktionsweisen des Kapitalmarkts werden die normativen Regelungsziele des Kapitalmarktrechts erläutert (C.). Hierbei wird insbesondere auf die Herleitung der Konzepte des kapitalmarktrechtlichen Funk190 Mestmäcker, Das Verhältnis von Rechtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaft im Aktienrecht, abgedruckt in: ders., Recht und ökonomisches Gesetz, 2. Aufl. 1984, S. 455 ff., Zitat auf S. 455.

66

2. Kap.: Kapitalmarktökonomie

tions- und Anlegerschutzes einzugehen sein, da diese Konzepte Aufschluss über die Rolle der Kapitalmarktakteure, insbesondere der Anleger, geben.

A. Begriff des Kapitalmarkts Der wirtschaftswissenschaftliche Begriff des Kapitalmarkts ist nicht eindeutig definiert, sondern unpräzise und zum Teil umstritten.191 Der Kapitalmarkt ist zunächst ein Markt im (ökonomischen) Sinn eines Handelsplatzes und damit ein Ort, an dem Angebot und Nachfrage zusammentreffen.192 Der Kapitalmarkt beschreibt folglich einen Markt, auf dem sich geldgebende Investoren und Anleger auf der einen und geldaufnehmende Unternehmen auf der anderen Seite gegenüberstehen und Fremd- und Eigenkapitaltitel gehandelt werden.193 Der Kapitalmarkt ist neben dem Beschaffungs-, Absatz- und Arbeitsmarkt ein wesentlicher Bestandteil einer intakten Marktwirtschaft,194 wobei der Kapitalmarkt ein Finanzmarkt und kein Gütermarkt ist.195 Die genaue Abgrenzung des Kapitalmarktbegriffs ist umstritten, wobei im Kern zwischen einer weiten und eine engen Begriffsdefinition unterschieden wird.196 Nach der engeren Begriffsdefinition, welche auf die Fristigkeit der gehandelten Kapitalmittel abstellt, umfasst der Kapitalmarkt lediglich Wertpapiere und längerfristig zur Kapitalbindung bestimmte Finanzierungsmittel und ist somit vom Geldmarkt, Devisenmarkt und Derivatemarkt abzugrenzen.197 Nach dieser Auf191 Oft zitiert: „Der Begriff Kapitalmarkt gehört […] zu den unpräzisesten und erklärungsbedürftigsten Termini unserer Fach- und Alltagssprache“, Häuser, in: Gerke/Steiner (Hrsg.), HWBF, 2. Aufl. 1995, Sp. 1123; ferner vgl. Assmann, in: Nörr (Hrsg.), 40 Jahre Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 251, 253; Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 4. Aufl. 2015, § 1 Rn. 3; Damrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, 2003, S. 24; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2015, § 1 Rn. 1; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.26. 192 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.9; Veil, in: ders. (Hrsg.)., Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, § 7 Rn. 1. 193 Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2015, § 1 Rn. 2; Veil, in: ders. (Hrsg.)., Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, § 7 Rn. 1. 194 Assmann, AG 1993, 549; Black, UCLA L. Rev. 48 (2001), 781, 782; Caspari, ZGR 1994, 530, 532; Häuser, in: Gerke/Steiner, HWBF, 2. Aufl. 1995, Sp. 1124; Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 1. 195 Assmann, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), HdB Kapitalanlagerecht, 4. Aufl. 2015, § 1 Rn. 2; Klöhn, in: Langenbucher (Hrsg.), Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. 2017, § 6 Rn. 2; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.26. 196 Siehe nur Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.27, 14.29; anders Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.13, welcher zwischen vier Begriffsdefinitionen unterscheidet. 197 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, § 2 Rn. 77 ff.; Kaiser, Harmonisierung des europäischen Kapitalmarktrechts, 1996, S. 9; Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2014, S. 1 f.; Kress, Effizienzorientierte Kapitalmarktregulierung,

A. Begriff des Kapitalmarkts

67

fassung umfasst der Kapitalmarkt den Markt für Aktien, aktienvergleichbare Anteile und Aktienzertifikate sowie Schuldtitel und entspricht damit der Begriffsdefinition des Wertpapiers nach § 2 Abs. 1 WpHG.198 Dagegen wird nach einer weiten Begriffsauffassung der Kapitalmarkt als Finanzmarkt im weiteren Sinne gesehen und umfasst danach auch den dem Zahlungsverkehr und der kurzfristigen Liquidität dienenden Geldmarkt sowie Devisen- und Derivatemarkt.199 Als Begründung wird insbesondere auf den Wortlaut des § 6 Abs. 1 WpHG verwiesen, welcher nicht mehr auf den Begriff des Wertpapiermarkts (§ 4 S. 2 WpHG a.F.), sondern den des Finanzmarkts abstellt (§ 6 Abs. 1 S. 2 WpHG n.F.) und somit der Kompetenzbereich der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf den Handel mit sämtlichen Finanzinstrumenten ausgeweitet wurde.200 Welche der beiden Ansichten letztlich vorzugswürdig ist, muss an dieser Stelle nicht geklärt werden. Denn die im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchenden Lock-up Agreements und die damit verbundenen Haftungsfragen betreffen lediglich die Emissionen von Aktien i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, und folglich den Aktienmarkt, welcher nach beiden zuvor genannten Auffassungen den Kernbereich des Kapitalmarkts darstellt.201 Der Aktien, bzw. Wertpapiermarkt lässt sich wiederum funktional systematisieren, wobei unterschieden wird, ob Wertpapiere dem Anlegerpublikum erstmalig angeboten wurden (Primärmarkt) oder ob sie sich bereits im Umlauf befinden, d. h. gehandelt werden (Sekundärmarkt).202

1996, S. 30; Veil, in: ders. (Hrsg.), § 7 Rn. 1, 4; kritisch zur Fristigkeit der angelegten Mittel als Abgrenzungskriterium Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 420; Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217, 218. 198 Ausführlich zur Definition, Beschreibung und Übersicht von Wertpapieren Heise, in: FA-BKR, 5. Aufl. 2019, Kap. 7 Rn. 66 ff. 199 Vgl. m.w.N. Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-HdB, Bd. II, 5. Aufl. 2017, Vor § 104, Rn. 3 ff. 200 In diese Richtung Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), BankrechtsHdB, Bd. II, 5. Aufl. 2017, Vor § 104, Rn. 3 f., die auf den durch das AnSVG (Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, in Kraft getreten am 24. 10. 2004, BGBl. I 2004, 2630) geänderten Wortlaut berufen. Vgl. auch die Terminologie und Gesetzesbegründung des AnSVG, in welchem die Begriffe Kapitalmarkt und Finanzmarkt synonym verwendet wurden, Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, 26. 201 Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2015, § 1 Rn. 8. 202 Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 6. Aufl. 2009, S. 56; Häuser, in: Gerke/Steiner (Hrsg.), HWBF, 2. Aufl. 1995, Sp. 1127; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.20 ff.; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Aufl. 2015, § 78 Rn. 6 ff.

68

2. Kap.: Kapitalmarktökonomie

I. Primärmarkt Der Primärmarkt beschreibt den Markt, auf dem ein Wertpapier zum ersten Mal emittiert wird, d. h. dem anlagesuchenden Publikum begeben und platziert wird.203 Es ist folglich der Markt der Erstanbieter und der Erstkäufer eines Wertpapiers.204 Dies gilt sowohl wenn ein Unternehmen mit der Emission erstmalig an die Börse geht – hier wird von einer Erstemission gesprochen – als auch bereits vorher an der Börse notiert war.205 Entscheidend ist lediglich, wem der Erlös aus dem Wertpapiergeschäft zufließt – bei einer Primärmarkttransaktion ist dies stets der Emittent.206 Darüber hinaus wird zwischen Eigen- und Fremdemissionen unterschieden. Bei einer Eigenemission, auch Direktplatzierung genannt, versucht der Emittent selbst die auszugebenden Wertpapiere bei dem anlagesuchenden Publikum unterzubringen. Eine solche Selbstemission ist in der Praxis unüblich und wird vor allem von den Hypothekenbanken bei der Platzierung ihrer Pfandbriefe und Kommunalschuldverschreibungen verwendet.207 Den Regelfall stellt indes die Fremdemission dar.208 Hierbei bedient sich der Emittent einer Bank oder eines Bankenkonsortiums, welches i. d. R. die Wertpapiere im Rahmen eines Übernahmevertrags auf eigenes Risiko (fest) übernimmt (sog. Underwriting), um diese anschließend an die Anleger zu veräußern. Die Fremdemission bietet eine Reihe von Vorteilen: So verfügen Banken als Emissionsinstitute über mehr Erfahrung, funktionierende Vertriebsnetze und vor allem eine bessere (Emissions-)Reputation als der Emittent.209 Für den Emittenten bietet die Fremdemission zudem den Vorteil, dass er das Kapital für die ausgegebenen Wertpapiere sofort in einer Summe erhält und somit über Planungssicherheit verfügt.210 Die Emission der Wertpapiere erfolgt somit ohne den Handel über die Börse, sodass der Primärmarkt ein außerbörslicher Markt ist.211

203 Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT (2002), F 39; Kollar, in: Gerke/Steiner (Hrsg.), HWBF, 2. Aufl. 1995, Sp. 500; Rechtschaffen, Capital Markets, Derivatives and the Law, 2. Aufl. 2014, S. 47 f. 204 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.21. 205 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 425. 206 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 109. 207 Müller, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 15.82. 208 Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-HdB, Bd. II, 5. Aufl. 2017, Vor § 104 Rn. 17. 209 Ausführlich m.w.N. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.23; Müller, in Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 15.81, 15.85 ff.; Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-HdB, Bd. II, 5. Aufl. 2017, Vor § 104 Rn. 17. 210 Die ist v. a. bei Barkapitalerhöhungen bedeutsam, da der Emittent i. d. R. Kapital in einer bestimmten Höhe zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigt, vgl. Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217, 218. 211 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.24.

A. Begriff des Kapitalmarkts

69

II. Sekundärmarkt Sobald die Wertpapiere im Umlauf sind, d. h. beginnend mit der Veräußerung des bereits emittierten Wertpapiers durch den Ersterwerber – i. d. R. die Emissionsbank – an einen (Zweit-)Erwerber, wird von einem Handel am Sekundärmarkt gesprochen.212 Über den Sekundärmarkt können Inhaber eines Wertpapiers diese durch Veräußerung wieder zu Geld machen, um sich dadurch Liquidität zu verschaffen. Je höher die Anzahl der an einem Sekundärmarkt gehandelten Wertpapiere, desto höher ist die Liquidität des jeweiligen Wertpapiers. Je liquider der Markt für ein Wertpapier, desto besser reflektiert der Preis den wahren Wert des emittierten Unternehmens.213 Dem Sekundärmarkt kommt folglich eine wichtige Bewertungsfunktion zu, da über ihn fortlaufend die Preise bestimmt und vergleichbar gemacht werden. Dies findet wiederum bei der Preisbildung der Neuemissionen am Primärmarkt Berücksichtigung. Folglich ist ein gut entwickelter Sekundärmarkt notwendige Voraussetzung für einen funktionierenden und aktiven Primärmarkt.214 Der Sekundärmarkt wird überdies nach seinem Organisationsgrad in einen börslichen und einen außerbörslichen Markt unterteilt, wobei der Organisationsgrad von der Regelungsdichte abhängt.215 Der organisierte und regulierte Markt findet an Wertpapierbörsen statt, welche sich durch Standardisierung, Zuverlässigkeit und Konzentration des Handels auszeichnen und durch das Börsengesetz (BörsG) geregelt werden.216 Dem gegenüber steht der außerbörsliche Markt, auf welchem insbesondere Geschäfte zwischen Banken und institutionellen Anlegern abgeschlossen werden217 und der nicht an die speziellen Börsengesetze, sondern lediglich die allgemeinen Wirtschafts- und Zivilgesetze gebunden ist.218

212

Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2014, S. 5; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.25; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 6. Aufl. 2015, § 78 Rn. 8. 213 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.26; Rechtschaffen, Capital Markets, Derivatives and the Law, 2. Aufl. 2014, S. 48. 214 Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 51; Dühn, Schadensersatzhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen, 2003, S. 53. Vor dem Hintergrund der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Kapitalmärkte (vgl. Fn. 194) wurde empirisch nachgewiesen, dass die Liquidität des öffentlichen Wertpapiermarkts ein zuverlässiger Indikator für das BIP-proKopf-Wachstum ist, vgl. Levine/Zervos, Am. Econ. Rev. 88 (1998), 537, 538. 215 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.29. 216 Fleckner, ZHR 180 (2016), 458, 459 ff.; Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2014, S. 6 f. 217 Transaktionen auf außerbörslichen Märkten wie z. B. dem Over-The-Counter-(OTC-) Markt werden i. d. R. über den Telefonhandel oder sonstige Kommunikationsmittel, neuerdings auch über elektronische Handelssysteme, sog. Alternative Trading Systems (ATS), vollzogen. 218 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.37 f.

70

2. Kap.: Kapitalmarktökonomie

B. Ökonomische Grundlagen Der Kapitalmarkt wird geprägt durch seine Marktteilnehmer, welche sich in einem durch die Austauschbeziehung von Angebot und Nachfrage bedingten Spannungsverhältnis gegenüberstehen. Der Markt erfüllt dabei die Aufgabe eines dezentralen Koordinationsmediums, d. h., er steuert und koordiniert die entgegengesetzten Wünsche von Kapitalanbietern und -nachfragern (Dilemmastruktur), mit dem Ziel, die Vielzahl der Rechtsbeziehungen zu ordnen, um somit einen effizienten Leistungsaustausch von Angebots- und Nachfrageseite zu gewährleisten.219 Für den Kapitalmarkt bedeutet dies den Kapitalfluss von den (geldgebenden) Anlegern an die (geldnehmenden) Emittenten gegen eine Beteiligung in Form einer Kapitalanlage als Gegenleistung zu gewährleisten,220 um Finanzkapital in Realkapital, d. h. frei verfügbares in gebundenes Kapital, umzuwandeln.221 Vereinfacht gesagt ermöglicht der Kapitalmarkt die Umschichtung der Ersparnisse privater Haushalte in unternehmerische und staatliche Investitionen222 und kommt damit einer bedeutenden volkswirtschaftlichen Aufgabe nach.223 Für die Ökonomie der Kapitalmärkte spielen Vertrauen, Informationen und die Verteilung von Informationen eine zentrale Rolle.224 Denn auf dem Kapitalmarkt werden keine gegenständlichen Güter oder Erzeugnisse gehandelt, die vor Vertragsschluss auf ihre Wertigkeit überprüft werden können, gehandelt werden vielmehr Hoffnungen und Versprechen bezüglich der in der Zukunft liegenden Zahlungsströme des Emittenten.225 Wertpapiere fallen in diesem Zusammenhang in die 219 Dazu ausführlich Häuser, in: Gerke/Steiner (Hrsg.), HWBF, 2. Aufl. 1995, Sp. 1124; Homann/Suchanek, Ökonomik, 2. Aufl. 2005, S. 206 ff.; siehe auch Adam Smith, The Wealth of Nations, 1776, Book IV Chap. 2 (S. 184 d. Nachdr. v. 1843), welcher als Vordenker des modernen Wirtschaftsliberalismus die Metapher der „unsichtbaren Hand“ prägte, wonach ein individuelles Streben nach Eigeninteresse und Nutzenoptimierung unter Wettbewerbsbedingungen zu einer effizienten Ressourcenallokation führt, ohne dass es einer externen (zentralen) Steuerungsinstanz bedarf. 220 Dies gilt v. a. für den Kapitalmarkt als Wertpapiermarkt im engeren Wortsinne, vgl. Buck-Heeb, ZHR 176 (2012), 66, 69; Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 1 f.; Schacht, Die deutsche Kapitalmarktaufsicht im internationalen Vergleich, 1980, S. 15 f. 221 Häuser, in: Gerke/Steiner (Hrsg.), HWBF, 2. Aufl. 1995, Sp. 1124. 222 Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 46; Miller, Das Haftungsrecht als Instrument der Kontrolle von Kapitalmärkten, 2003, S. 51. Zur Allokationsfunktion des Kapitalmarkts vgl. 2. Kapitel C. I. 1. 223 Black, UCLA L. Rev. 48 (2001), 781, 782; Caspari, ZGR 1994, 530, 532; Oulds, in Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.168. Vgl. bereits Fn. 194 und Fn. 214. 224 Black, UCLA L. Rev. 48 (2001), 781, 783; Grundmann, in: Großkomm. HGB, 5 Aufl. 2017, Band 11/1, 5. Teil Rn. 14. Ausführlich zur Bedeutung von Vertrauen auf Kapitalmärkten Mayer, Europ. Fin. Mgmt. 14 (2008), 617 ff. 225 Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT (2002), F 23; Kennedy, in: Blair (Hrsg.), Blackstone’s Guide to the Financial Services & Markets Act 2000, 2. Aufl. 2009, Rn. 2.35: „The essence of a financial contract is that it involves a promise: money is exchanged today for an

B. Ökonomische Grundlagen

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Kategorie der sog. Vertrauensgüter.226 Folglich kann und wird ein (vernünftiger) Anleger227 nur dann auf dem Kapitalmarkt investieren, wenn er über hinreichende und verlässliche Informationen zu den bewertungsrelevanten Umständen und Risiken verfügt, welche er seiner Anlageentscheidung zugrunde legen kann.228 Der Kapitalmarkt ist daher auf zutreffende und zeitnahe Informationen angewiesen; diese sind Voraussetzung dafür, dass der Anleger sein Kapital zur Verfügung stellt und auf dem Kapitalmarkt investiert.229 Die Bedeutung von Informationen und insbesondere deren Verteilung unter den Marktakteuren hat erst im Rahmen der modernen Informationsökonomik entscheidenden Einfluss auf die Kapitalmarktökonomie genommen.230

I. Informationseffizienz Im Kern der Kapitalmarktökonomie steht der Fundamentalwert von Wertpapieren, d. h. der „wahre“ Wert eines Wertpapiers, auf welchen sich alle Marktteilnehmer (im Rahmen von Angebot und Nachfrage) einigen würden, wenn ihnen alle relevanten Informationen zur Verfügung stünden.231 Der Fundamentalwert eines Wertpapiers lässt sich dabei anhand der zukünftigen Zahlungsströme (Cashflows) und des anlageimmanenten Risikos berechnen.232 Daraus folgt, dass der Fundamentalwert eines Finanzinstruments die zukünftige Entwicklung des zugrundeliegenden Unternehmens bzw. des Realwerts widerspiegelt und dass Informationen bei der Bestimmung des Fundamentalwerts eine zentrale Rolle einnehmen,233 denn die erwarteten zukünftigen Zahlungsströme sowie das zugrundeliegende Risiko hängen maßgeblich von den verfügbaren Informationen ab. Ändern sich – aufgrund neuer Informationen – diese Zukunftserwartungen, so beeinflusst dies den Fundamentalwert des Wertpapiers. (often vague) promise of money in the future. Most ordinary consumers have only a limited ability to assess the extent to which the promisor (that is, the supplier of the financial contract) is in a position to make good the promise made to them.“ 226 Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 164. 227 Zu den verschiedenen Anlegerleitbildern sogleich unter C. II. 2. a) cc). 228 Beurskens, Haftung für enttäuschtes Aktionärsvertrauen, 2008, S. 383; Hommelhoff, ZGR 2000, 748, 753 f.; Kalss, Anlegerinteressen, 2001, S. 161, 164; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 306 f. 229 Hopt, WM 2013, 101, 102. 230 Dühn, Schadensersatzhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen, 2003, S. 51. 231 Fama, J. Fin. 46 (1991), 1575 f.: „model of equilibrium“; Klöhn, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 72; Sester, ZGR 2009, 310, 328 f. 232 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 112; Klöhn, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 73; ders., ZHR 177 (2013), 349, 352. Ausführlich zur Fundamentalwertberechnung Brealey/Myers/Allen, Principles of Corporate Finance, 12. Aufl. 2017, S. 78 ff., 162 ff.; Drukarczyk/Lobe, Finanzierung, 11. Aufl. 2015, S. 167 ff.; Klein/Coffee/ Partnoy, Business Organization and Finance, 11. Aufl. 2010, S. 320 ff. 233 Vgl. Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2015, § 1 Rn. 14.

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2. Kap.: Kapitalmarktökonomie

Ausgehend von der Theorie der Fundamentalwerte und den bewertungserheblichen Parametern stellt sich die Frage, inwieweit der Markt als solcher in der Lage ist, den Fundamentalwert der am Markt gehandelten Wertpapiere zu bestimmen. Anders formuliert: Wie gut schätzt der Markt die zukünftigen Zahlungsströme und Risiken ein234 und verarbeitet die relevanten (d. h. den Wert des gehandelten Wertpapiers beeinflussenden) Informationen, um diese umgehend in steigenden bzw. sinkenden Preise umzusetzen (Informationseffizienz)?235 Die Antwort hierauf liefert die auf Fama zurückgehende Kapitalmarkteffizienzhypothese (Efficient Capital Market Hypothesis, ECMH), wonach ein Kapitalmarkt informationseffizient ist, wenn alle verfügbaren Informationen unverzüglich in den Wertpapierpreisen widergespiegelt werden.236 Die von der Kapitalmarkteffizienzhypothese beschriebene Fähigkeit des Markts, Informationen in Wertpapierpreisen umzusetzen, hat ihren Grund in der Tätigkeit der Arbitrageure. Diese sind professionelle Akteure am Kapitalmarkt (bspw. Investmentbanken), die Informationen und bewertungsrelevante Daten sammeln, analysieren und auf deren Grundlage Anlageentscheidungen treffen. Folglich setzen Arbitrageure Informationen um und sorgen dafür, dass diese in die Kurse einfließen.237 1. Wirkungsweisen der Markteffizienz Nach der Kapitalmarkteffizienzhypothese ist ein Kapitalmarkt „effizient“, wenn alle neuen Informationen umgehend in den Wertpapierkursen umgesetzt werden. Diese Definition alleine erläutert jedoch noch nicht, was mit einer „umgehenden Umsetzung in Wertpapierkursen“ gemeint ist.238 Es wird folglich zwischen verschiedenen Wirkungsweisen der Markteffizienz unterschieden, die im Folgenden vorgestellt werden sollen. Hierbei ist zwischen informationeller Effizienz (informational efficiency) und fundamentaler Effizienz (fundamental efficiency) zu differenzieren.239

234

Klöhn, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, Vor §§ 12 – 14 Rn. 75. Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2018, § 1 Rn. 26 ff.; Rudolph/ Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 181. 236 Fama, J. Fin. 25 (1970), 383: „A market in which prices always ,fully reflect‘ available information is called ,efficient‘.“ Grundlegend zur Kapitalmarkteffizienzhypothese ferner Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2007, S. 15 ff., 78 ff.; Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 52 ff.; Fischel, Corn. L. Rev. 74 (1989), 907, 910 ff.; Gilson/Kraakman, Va. L. Rev. 70 (1984), 549 ff.; Klöhn, in: Fleischer/ Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie, 2011, S. 83, 84 ff. 237 Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 431; Grossman/Stiglitz, Am. Econ. Rev. 80 (1980), 393; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2018, § 1 Rn. 26. 238 Jensen, J. Fin. Econ. 6 (1978), 95, 97; Stout, J. Corp. L. 28 (2003), 635, 639. 239 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 125; ausführlich zu den Wirkungsweisen der Markteffizienz Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 60. 235

B. Ökonomische Grundlagen

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Die informationelle Effizienz beschreibt das umgehende Umsetzen von neuen – unter Zugrundelegung der mittelstarken Kapitalmarkteffizienzhypothese,240 öffentlich bekannten – Informationen in Wertpapierkursen. Der Marktpreis spiegelt folglich den gesamten bisher erreichten Informationsstand wider, sodass einmal bekannt gewordene Informationen den Kursverlauf eines Wertpapiers nicht erneut beeinflussen können, da die bekanntgewordene Information als solche ihre Preisbildungsfunktion verbraucht hat.241 Informationelle Effizienz (teilw. auch relative Effizienz genannt)242 beschreibt folglich die Geschwindigkeit, mit der der Markt neue Informationen in Wertpapierpreisen umsetzt.243 Die fundamentale Effizienz beschreibt dagegen, inwieweit der Marktpreis eines Wertpapiers mit dessen „wahrem“ Wert, d. h. dem sog. Fundamentalwert, übereinstimmt. Da der Fundamentalwert eines Finanzinstruments von den zukünftigen Zahlungsströmen und dem anlagespezifischen Risiko abhängt, stellt der Fundamentalwert den mit einem risikoadjustierten Zinssatz diskontierten Gegenwartswert der zu erwartenden Zahlungsströme (Cashflows) dar.244 2. Formen der Effizienzhypothese Ausgehend von der Kapitalmarkteffizienzhypothese (ECMH) wird zwischen verschiedenen Formen der Informationseffizienz differenziert, wobei diese anhand des Grades der Verfügbarkeit von Informationen am Markt voneinander abgegrenzt werden. Unterschieden wird zwischen schwacher Informationseffizienz (weak efficiency), starker Informationseffizienz (strong efficiency) und mittelstarker Informationseffizienz (semi-strong efficiency).245 Die schwache Form der Informationseffizienz geht davon aus, dass die Wertpapierkurse lediglich historische Informa240 241

S. 16. 242

Zu den verschiedenen Formen der Effizienzhypothese sogleich unter B. I. 2. Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2007,

Gilson/Kraakman, Va. L. Rev. 70 (1984), 549, 557. „[R]elative efficiency is a measure of the speed with which new information is reflected in price“, Gilson/Kraakman, Va. L. Rev. 70 (1984), 549, 560; Stout, Mi. L. Rev. 87 (1988), 613, 640 f.; dies., J. Corp. L. 28 (2003), 635, 640. 244 Ayres, Va. L. Rev. 77 (1991), 945, 969, dort Fn. 97; Fischel, Corn. L. Rev. 74 (1989), 907, 913, „value efficiency“; Stout, J. Corp. L. 28 (2003), 635, 640. Kritisch zur Fundamentaleffizienz Summers, J. Fin. 41 (1986), 591, 600. Anzumerken bleibt, dass der (Fundamental-)Wert eines Wertpapiers nicht intersubjektiv feststeht, sondern der Fundamentalwert eine zutreffende Bewertung beschreibt. Eine solche zutreffende Bewertung beruht auf einem Modell, wonach die Preise aufgrund rationaler Erwartungen aller Marktakteure an die Höhe der zukünftigen Zahlungsströme, deren Zeitpunkt und das Risiko gebildet werden. In der Kapitalmarktforschung wird hierbei auf das Capital Asset Pricing Model (CAPM) abgestellt. Ausführlich dazu Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2007, S. 17, 25 ff. 245 Ausführlich zu den verschiedenen Stufen der Informationseffizienz Drukarczyk, Theorie und Politik der Finanzierung, 2. Aufl. 1993, S. 85 ff. 243

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2. Kap.: Kapitalmarktökonomie

tionen enthalten, d. h. solche Informationen, die aus den Kursverläufen der Vergangenheit gewonnen werden können.246 Dagegen würde ein stark informationseffizienter Kapitalmarkt sämtliche überhaupt verfügbaren Informationen (unendlich schnell) in den Wertpapierkursen widerspiegeln, sodass der Preis eines Wertpapiers stets angemessen ist und seinem tatsächlichen Fundamentalwert entspricht.247 Folglich wäre kein Marktteilnehmer in der Lage, durch den Erwerb von Informationen einen Gewinn zu erzielen, da diese bereits eingepreist sind. Auf einem stark informationseffizienten Kapitalmarkt sind Wertpapiere somit nie unter- oder überbewertet, sodass die künftige Kursentwicklung vom Zufall, d. h. neuen bewertungsrelevanten Informationen, abhängt (sog. random walk).248 Nach der halbstrengen (auch mittelstarken) Form der Informationseffizienz werden sämtliche Informationen und Daten, die öffentlich zugänglich sind, in den Wertpapierkursen umgesetzt.249 Folglich können keine Gewinne durch die Verwertung öffentlich zugänglicher Informationen erzielt werden, wohl aber unter Ausnutzung von Insiderinformationen. Nach dieser Prämisse kann man sich den Markt als eine Person vorstellen, die alle öffentlich verfügbaren Informationen kennt und auf dieser Grundlage eine perfekt rationale Bewertung der Finanzinstrumente vornimmt.250 Ein stark informationseffizienter Markt existiert indes nur als Modell in der Theorie.251 Denn ausgehend davon, dass Informationen nur von Marktteilnehmern beschafft werden können und die Informationsbeschaffung stets mit Kosten verbunden ist, benötigen die Marktakteure einen Anreiz, um neue Informationen zu sammeln und dem Markt zur Verfügung zu stellen. Dieser Anreiz liegt darin, dass die Marktpreise stets einer gewissen Ineffizienz unterliegen, sodass Informationen gewinnbringend eingesetzt werden können, um diese Ineffizienzen auszunutzen.252 Wäre der Markt dagegen stark (d. h. perfekt) effizient, wäre jede Information bereits im Marktpreis umgesetzt, sodass Informationsvorsprünge den Marktteilnehmern keinen Nutzen bringen und diese folglich mangels Anreiz davon absehen, neue Informationen zu beschaffen und dem Markt zuzuführen. Der Markt ist jedoch von der Informationsbeschaffung der Marktteilnehmer abhängig, da anderenfalls keine neuen Informationen in die Wertpapierpreise einfließen können, was der fundamentalen Effizienz des Markts zuwiderliefe. Eine perfekte Informationseffizienz des Markts würde daher zu dessen Versagen führen,253 was als Informationsparadoxon 246

Fama, J. Fin. 25 (1970), 383, 389. Fama, J. Fin. 25 (1970), 383, 409. 248 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 124; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2018, § 1 Rn. 28. 249 Fama, J. Fin. 25 (1970), 383, 404. 250 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 354. 251 Vgl. nur Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 216. 252 Damrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, 2003, S. 195 f. 253 Vgl. zum informationsbedingten Marktversagen sogleich unter B. II. 247

B. Ökonomische Grundlagen

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bezeichnet wird.254 Ferner kann in der Praxis nicht ausgeschlossen werden, dass es Marktteilnehmer gibt, die besser informiert sind als andere und die diesen Informationsvorsprung in Gewinne umzusetzen versuchen.255 Daraus folgt, dass Informationseffizienz stets eine gewisse Informationsineffizienz voraussetzt. Nur wenn Informationen mit einer Verzögerung (d. h. nicht unendlich schnell) umgesetzt werden, lassen sich mithilfe von Informationsvorsprüngen Gewinne erzielen. Diese Gewinne müssen geeignet sein, zumindest die Kosten der Informationsgewinnung zu decken, sodass überhaupt ein Anreiz zur Informationsbeschaffung besteht. Ein funktionsfähiger Markt zeichnet sich somit durch ein bestimmtes Verhältnis von Wissen und Nichtwissen aus.256 Das Konzept der mittelstarken Kapitalmarkteffizienzhypothese kommt diesem am nächsten und trifft nach allgemeiner Ansicht auf entwickelte Kapitalmärkte, wie etwa den USamerikanischen oder den deutschen Kapitalmarkt, grundsätzlich zu.257 Auch der Gesetzgeber erkennt, dass nicht alle relevanten Informationen in den Wertpapierkursen umgesetzt werden und geht damit ebenfalls von einer mittelstarken Informationseffizienz aus.258

II. Informationsverteilung und Marktversagen Die funktionale Bedeutung von Informationen beschränkt sich nicht auf deren Verfügbarkeit und die Fähigkeit des Markts, diese nach dem Verständnis der Kapitalmarkteffizienzhypothese in Wertpapierpreisen umzusetzen. Im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Markts kommt insbesondere der Verteilung von Informationen zwischen den Marktakteuren eine besondere Bedeutung zu.259 Dabei herrscht die Einsicht, dass die Informationen am Markt und zwischen den Marktteilnehmern

254

Ausführlich zum Informationsparadoxon vgl. Gilson/Kraakman, Va. L. Rev. 70 (1984), 549, 622 f.; Grossmann/Stieglitz, Am. Econ. Rev. 70 (1980), 393, 404. 255 Drukarczyk, Theorie und Politik der Finanzierung, 2. Aufl. 1993, S. 86. 256 Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 55; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 210; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 540. 257 Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 435; Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 54; Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 129; Sauer, ZBB 2005, 24, 26; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 117. 258 Vgl. nur Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, 83: „[N]eue erhebliche Tatsachen, […] die der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt sind“; ErwG Nr. 23 VO (EU) 596/2014 v. 16. 4. 2014 (MMVO bzw. MAR), ABl. EU L 173, 5: „[Ein] ungerechtfertigter Vorteil, der mittels Insiderinformationen zum Nachteil Dritter erzielt wird, die diese Informationen nicht kennen.“ 259 Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 282 spricht von der „Interdependenz von Marktund Informationsstruktur“; Dühn, Schadensersatzhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen, 2003, S. 55.

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2. Kap.: Kapitalmarktökonomie

ungleich verteilt sind.260 Die Erkenntnis der informationellen Ungleichverteilung ist Grundlage der modernen Institutionenökonomik, die sich insoweit von der auf rigiden Annahmen völlig rationaler Marktakteure und der Gleichverteilung von Informationen beruhenden neoklassischen Wirtschaftstheorie unterscheidet.261 Die Annahme eines informationellen Ungleichgewichts am Markt impliziert, dass kein Marktteilnehmer vollständig informiert sein kann. Hierbei spielen die Kosten der Informationsgewinnung eine erhebliche Rolle: Wird davon ausgegangen, dass die Beschaffung von Informationen mit Kosten verbunden ist, scheidet eine unbegrenzte Informationsbeschaffung grundsätzlich aus.262 Die asymmetrische Informationsverteilung führt folglich dazu, dass Transaktionspartner am Markt nur über unvollständige und ungleich verteilte Informationen verfügen.263 Aufgrund dieses Informationsgefälles kann der besser informierte Akteur seinen Informationsvorsprung ausnutzen, um daraus Gewinne zulasten des schlechter Informierten zu ziehen, wobei ein solches subjektiv-rationales (opportunistisches) Verhalten Ausprägung der gegenläufigen Interessen einer Vertragsbeziehung ist.264 Die Auswirkungen des informationsbedingt opportunistischen Ver-

260

Grundlegend Akerlof, Q. J. Econ. 84 (1970), 488 ff.; Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 276 ff.; Beaver, in: Posner/Scott (Hrsg.), Economics of Corporation Law, 1980, S. 323; Healy/Palepu, J. Acc. & Econ. 31 (2001), 405, 407 f.; übersichtlich zu verschiedenen Grundtypen ungleich verteilter Informationen am Markt Spremann, ZfB 60 (1990), 561, 563 ff. 261 Instruktiv Fleischer, ZGR 2001, 1, 3 f.; sowie Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 208 ff. Zur Entwicklung der modernen Institutionenökonomik Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 277 ff.; ausführlich zur modernen Institutionenökonomik des Markts Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. 2010, S. 343 ff., 551: „Im wesentlichen lehnt sie [die Neue Institutionenökonomik] die Vereinfachungen des neoklassischen Modells ab und konzentriert sich auf eine andere, empirisch robustere Welt“ (Zitat S. 551); ferner Damrau, Selbstregulierung am Kapitalmarkt, 2003, S. 17; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2018, § 1 Rn. 16 f. 262 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 209. 263 Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 245 differenziert zwischen zwei Typen von Informationsmängeln: Unkenntnis und Unsicherheit. Danach liegt Unkenntnis vor, wenn die Marktakteure unzureichend informiert sind, obwohl es theoretisch möglich wäre, diese Lücke durch Informationsbeschaffung zu schließen. Unsicherheit bezieht sich dagegen auf zukünftige Erwartungen, die nicht mit vollständiger Sicherheit prognostiziert werden können. 264 Ausgangspunkt ist die Annahme des Homo oeconomicus als rational egoistischen Menschen (REM-Hypothese), vgl. Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 95 ff.; zum Fortbestand des Homo oeconomicus vor dem Hintergrund der Verhaltensökonomik Klöhn, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomik, 2011, S. 83 ff. Ausgehend von der Annahme des Homo oeconomicus kann opportunistisches Verhalten mit hoher Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden, wenn opportunistisches Verhalten einen höheren Gesamtgewinn ermöglicht, d. h. die Opportunitätsprämie größer als die Vertrauensprämie ist, vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 550. Ferner Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 6. Aufl. 2009, S. 460 f.; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2018, § 1 Rn. 17; Ruffner, Die ökonomischen

B. Ökonomische Grundlagen

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haltens auf den Markt – bis hin zum informationsbedingten Marktversagen – hat Akerlof anhand des US-amerikanischen Gebrauchtwagenmarkts (market for lemons) untersucht.265 1. Informationsbedingtes Marktversagen und der „Markt für Zitronen“ Akerlof stellt die ungleiche Informationsverteilung am Markt beispielhaft anhand des US-amerikanischen Gebrauchtwagenmarkts dar.266 Dabei werden Gebrauchtwagen von unterschiedlicher Qualität am Markt angeboten, wobei diese Qualitätsunterschiede für den Käufer oftmals nicht oder nur unter erheblichen Anstrengungen, d. h. Kosten, erkennbar sind.267 Der Anbieter bzw. Verkäufer hat überdies keine Möglichkeit, die Qualität des Produkts (bspw. über den Preis) zu signalisieren. Da nicht zwischen guter und schlechter Qualität unterschieden werden kann, muss der Marktpreis für gute und schlechte Gebrauchtwagen der gleiche sein.268 Der Käufer wird jedoch nur bereit sein, einen Durchschnittspreis zu zahlen, welcher die Unsicherheit des Käufers über die Qualität des Gebrauchtwagens durch einen Risikoabschlag einpreist. Dieser Durchschnittspreis (Marktpreis) ist nur für den Anbieter unterdurchschnittlicher Qualität rentabel, wogegen Anbieter überdurchschnittlicher Qualität aus dem Markt gedrängt werden. In der Folge sinkt die durchschnittliche Qualität der am Markt verfügbaren Gebrauchtwagen, was wiederum den Durchschnittspreis (Marktpreis), den die Käufer bereit sind zu zahlen, senkt. Das wiederum führt dazu, dass noch mehr Händler von qualitativ überdurchschnittlichen Gütern den Markt verlassen. Fortgeführt kann diese Entwicklung letztlich zu einem totalen Zusammenbruch des Markts führen.269 Dieses Phänomen als Folge asymmetrischer Informationsverteilung wird auch als Negativauslese (adverse selection) beschrieben. Die Funktionszusammenhänge des informationsbedingten Marktversagens gelten nicht ausschließlich für den von Akerlof behandelten Güter- oder Versicherungsmarkt, sondern lassen sich ohne weiteres auch auf den Kapitalmarkt übertraGrundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, § 3 II 1, S. 64; Schönenberger, Ökonomische Analyse, 2000, S. 53. 265 Akerlof, Q. J. Econ. 84 (1970), 488 ff. Im US-amerikanischen Sprachgebrauch werden sog. Montagsautos, d. h. Gebrauchtwagen mit anhaltenden technischen Problemen, als „lemons“ bezeichnet. Ferner Emons, J. Econ. Th. 46 (1988), 16, 17; Kim, Am. Econ. Rev. 75 (1985), 836 ff. 266 Ausführlich zum „Markt für Zitronen“ vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 371 ff. 267 Für das Beispiel Gebrauchtwagen ist hier insbesondere an Sicherheitsmängel oder versteckte Motormängel zu denken, die bei einer oberflächlichen Inspektion nicht zu erkennen sind. 268 Akerlof, Q. J. Econ. 84 (1970), 488, 489. 269 Akerlof, Q. J. Econ. 84 (1970), 488, 450: „For it is quite possible to have the bad driving out the not-so-bad driving out the medium driving out the not-so-good driving out the good in such a sequence of events that no market exists at all.“

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2. Kap.: Kapitalmarktökonomie

gen.270 Denn gerade am Kapitalmarkt besteht ein Informationsgefälle zwischen den Marktakteuren, weil die Käufer von Wertpapieren nicht in der Lage sind, diese auf ihre Qualität, ihre wertbildenden Faktoren sowie auf die Tauglichkeit für die vom Käufer bezweckte Verwendung zu kontrollieren.271 Zudem lassen sich dem gehandelten Produkt, d. h. dem Wertpapier, keine Rückschlüsse auf die Verhältnisse des Emittenten entnehmen.272 Folglich agieren Anleger unter unvollständigen Informationen (uncertainty). Ein Anleger am Kapitalmarkt erwirbt mit dem Kauf eines Wertpapiers eine Anwartschaft auf künftige Zahlungen. Sofern er keine (verlässlichen) Informationen über die Höhe der Zahlungen und die Risiken erhält, wird er von einem Erwerb absehen bzw. lediglich bereit sein einen Durchschnittspreis zu zahlen.273 Ein Marktgleichgewicht auf Grundlage homogener Erwartungshaltungen kann folglich nur zustande kommen, wenn allen Akteuren am Markt dieselben Informationen zur Verfügung stehen.274 Mithin ist die Information der Nachfrageseite, d. h. der Anleger, die unter einem strukturellen Informationsdefizit leiden, zentrale Voraussetzung für die Sicherstellung der Preisbildungsfunktion des Markts.275 Die Preisbildungsfunktion verhindert wiederum ein Marktversagen, denn indem die Marktpreise die Qualität der Wertpapiere, d. h. ihren Fundamentalwert, widerspiegeln, wird eine informationsbedingte Negativauslese verhindert. 2. Signaling und Screening In Anbetracht von Informationsasymmetrien und der darin begründeten Gefahr des Marktversagens ist zu untersuchen, ob es gegenläufige, marktimmanente Mechanismen gibt, die einem informationsbedingten Marktversagen entgegenwirken. Anknüpfungspunkt ist dabei die Information der Nachfrageseite, um das strukturelle Informationsdefizit zu überwinden. Zum einen kann die unvollständig informierte Marktseite, d. h. meist die Anlegerseite, versuchen, zusätzliche Informationen von der Marktgegenseite zu erhalten.

270 Ausführlich zum Kapitalmarkt als „Markt für Zitronen“ Blacks, UCLA L. Rev. 48 (2001), 781, 786 f.; indirekt auch Akerlof, Q. J. Econ. 84 (1970), 488, 489: „It should be emphasized that this market [der Gebrauchtwagenmarkt] is chosen for its concreteness and ease in understanding rather than its importance or realism.“ 271 Beaver, in: Posner/Scott (Hrsg.), Economics of Corporation Law, 1980, S. 323; Blacks, UCLA L. Rev. 48 (2001), 781, 786; Stübinger, Teilnehmerhaftung bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation, 2015, S. 12. 272 Dühn, Schadensersatz für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen, 2003, S. 52. 273 Vgl. Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 66; O. Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, 2002, S. 85. 274 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 123. 275 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 348.

B. Ökonomische Grundlagen

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Dieses Vorgehen wird auch als Screening bezeichnet.276 Aus ökonomischer Sicht wird die informationell benachteiligte Marktseite so lange Informationen nachfragen bzw. (spezialisierte) Dritte dafür einschalten, wie der erwartete zusätzliche Nutzen der Informationen die Kosten der Informationsbeschaffung übersteigt.277 Einen anderen Ansatz liefert die Signal-Theorie.278 Hiernach versucht die gut informierte Marktseite, möglichst glaubwürdig positive Informationen am Markt zu verbreiten (Signaling).279 Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Besitzer überlegener Informationen zu deren Offenlegung bereit ist, sofern ihm daraus ein wirtschaftlicher Vorteil entsteht.280 Ein solcher Anreiz könnte schon darin bestehen, dass anderenfalls aufgrund von Informationsasymmetrien Transaktionen unterbleiben, die für beide Marktseiten, somit auch für die gut informierte Marktseite, vorteilhaft wären. Der gut informierten Marktseite stehen dabei verschiedene „Signal-Instrumente“281 zur Verfügung, mittels derer Informationsungleichgewichte abgebaut werden können. Hierzu zählen etwa der Aufbau von Reputation oder Garantieversprechen. Es gibt folglich dem Markt innewohnende Mechanismen,282 die einer ungleichen Informationsverteilung und der Gefahr eines Marktversagens entgegenwirken können. Anzumerken bleibt, dass die hier vorgestellten Screening- und SignalingModelle auf marktimmanenten Anreizen beruhen, sodass die Marktakteure freiwillig entsprechend diesen Modellen handeln. Unabhängig von den hier vorgestellten Mechanismen besteht die Möglichkeit, die jeweiligen Marktseiten und Marktakteure durch Gesetz zu verpflichten, Informationen offenzulegen. Im Unterschied zu marktbedingten Mechanismen besteht bei gesetzlichen Regelungen jedoch die Gefahr, dass eine Beschränkung der Vertragsfreiheit und des Gestaltungsspielraums zu ineffizienten Lösungen führen kann.283

276 Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 123 f.; Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 260; Grundmann/Kerber, in: Grundmann/ Kerber/Weatherill (Hrsg.), Party Autonomy, 2001, S. 264, 266. 277 Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 261 f. 278 Ausführlich Spence, Q. J. Econ. 87 (1973), 355 ff. 279 Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, S. 124; ders., WM 2002, 2305, 2307; Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 260. 280 Kopp, Erwerb eigener Aktien, 1996, S. 110 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 213. 281 Ausführlich zu den verschiedenen Signal-Instrumenten und deren Wirkungsweisen Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 263. 282 Grundmann/Kerber, in: Grundmann/Kerber/Weatherill (Hrsg.), Party Autonomy, 2001, S. 264, 266 sprechen in diesem Zusammenhang von „market solutions“. 283 Hierzu Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 67 f.

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2. Kap.: Kapitalmarktökonomie

C. Normative Regelungsziele des Kapitalmarktrechts Nachdem die ökonomischen Grundlagen der Kapitalmarkttheorie vorgestellt wurden, folgt eine Betrachtung der normativen Regelungsziele. Die zentrale, das Kapitalmarktrecht charakterisierende Aufgabe besteht darin, die Voraussetzung eines effizienten und funktionsfähigen Kapitalmarkts zu schaffen.284 Hinsichtlich der Schutzgüter des Kapitalmarkts hat sich dabei die dualistische Zielkonzeption aus Funktionsschutz und Anlegerschutz etabliert,285 wonach zum einen der Kapitalmarkt in seiner Funktionsfähigkeit als solcher und zum anderen der Schutz der Anleger bezweckt werden soll.286 Eine präzise Trennung zwischen Funktions- und Anlegerschutz ist mitunter schwierig. Denn das Vertrauen der (überindividuellen) Anlegerschaft ist wesentlicher Bestandteil eines funktionsfähigen Kapitalmarkts – würden sich die Anleger vom Kapitalmarkt abwenden, würde diesem die benötigte Liquidität entzogen.287 Folglich ist der überindividuelle Anlegerschutz funktional dem Funktionsschutz zuzuordnen.288

I. Funktionsschutz Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts gilt als das wesentliche Schutzgut des Kapitalmarktrechts289 und gehört zu den Zielbestimmungen kapitalmarktrechtlicher Gesetze.290 Sie stellt die Voraussetzungen eines effizienten Kapitalmarkts sicher und gewährleistet folglich auch die Rahmenbedingungen, die das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt begründen.291 Ein effizienter Kapitalmarkt dient dem öffentlichen Interesse und dem Allgemeinwohl. Dabei wird insbesondere auf die Bedeutung 284 Assmann, in: Nörr (Hrsg.), 40 Jahre Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 253 spricht von einem Beziehungsfeld ökonomischer Funktionsprobleme und darauf ausgerichteten rechtlichen Regelungsansätzen; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.67. 285 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 296. 286 Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 24; Damrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, 2003, S. 26; Hopt, Gutachten G zum 51. DJT (1976), G 47; Kümpel, WM 1992, 381, 383; ders., WM 1993, 2025; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 296, 298; Oulds, in: Kümpel/ Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.141; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 40. 287 Bartsch, Effektives Kapitalmarktrecht, 2005, S. 20; Caspari, ZGR 1994, 530, 533; Möllers, ZGR 1997, 334, 337; Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-HdB, Bd. II, 5. Aufl. 2017, Vor § 104 Rn. 72. 288 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.141. Ausführlich zum Verhältnis von Funktionsschutz und Anlegerschutz unter 2. Kapitel C. II. 2. c). 289 Kohl/Kübler/Walz/Wüstrich, ZHR 138 (1974), 1, 16; Kübler, ZHR 145 (1981), 204, 206; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.142. 290 Vgl. nur Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, 62, 65, 89. 291 Dühn, Schadensersatzhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen, 2003, S. 52.

C. Normative Regelungsziele des Kapitalmarktrechts

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eines funktionsfähigen Kapitalmarkts für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft, aber auch auf die Bedeutung des Kapitalmarkts für die private Altersvorsorge und Finanzierung der öffentlichen Hand abgestellt.292 Zur Konkretisierung des Funktionsschutzes wird zwischen drei verschiedenen, eng miteinander verwobenen Teilaspekten des Regelungsziels unterschieden: allokativer Effizienz, operationaler Effizienz und institutioneller Effizienz.293 1. Allokative Effizienz Die allokative Effizienz eines Kapitalmarkts gilt sowohl aus ökonomischer als auch normativer Sicht als wichtigste Aufgabe und Schutzgut des Kapitalmarkts.294 Die Allokationseffizienz (allocational efficiency) beschreibt dabei die Koordinationsfunktion des Kapitalmarkts. Ihr kommt die Aufgabe zu, dass die knappen Kapitalmittel jeweils ihrer nutzenbringendsten Verwendungsmöglichkeit zugeführt werden, d. h. dorthin fließen, wo sie am dringendsten und erfolgversprechendsten benötigt werden.295 Indem das Kapital zu den produktivsten Verwendern gelenkt wird, wird das gesamtvolkswirtschaftliche Wachstum gefördert.296 Hierbei spielt der Preismechanismus eine bedeutende Rolle. Durch den Markt wird das Kapital dorthin gelenkt, wo bei einem geringen Risiko die größte Rendite zu erwarten ist.297 Dabei gilt grundsätzlich, dass diejenigen Unternehmen eine attraktive Rendite am Kapitalmarkt versprechen können, die auch am Gütermarkt am erfolgreichsten sind. Das Kapital fließt somit den produktivsten Verwendern zu.298 Folglich ist ein funktionsfähiger Sekundärmarkt eine wesentliche Voraussetzung der

292

Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.68; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.143 ff. 293 Dühn, Schadensersatzhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen, 2003, S. 52; Kübler, AG 1977, 85, 89; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.71; Wahlers, Private Selbstregulierung am Beispiel des Kapitalmarktrechts, 2011, S. 78; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 42 m.w.N. 294 Fama, J. Fin. 25 (1970), 383, 383: „The primary role of the capital market is the allocation of ownership of the economy’s capital stock“; ferner Fischel, Tex. L. Rev. 51 (1978), 1, 3; Hopt, Gutachten G zum 51. DJT (1976), G 48; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen eines Rechts der Publikumsgesellschaft, 2000, § 10 III 2, S. 369; Schwark, in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1091. 295 Assmann, in: Nörr (Hrsg.), 40 Jahre Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 251, 264; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.168; A. Picot/Dietl, in: Herder-Dorneich/Schenk/Schmidtchen (Hrsg.), Neue Politische Ökonomie, 1994, S. 113. 296 Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens am Kapitalmarkt, 6. Aufl. 2009, S. 369 f. 297 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.72. 298 Franke/Hax, Finanzwirtschaft des Unternehmens am Kapitalmarkt, 6. Aufl. 2009, S. 369 f.

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2. Kap.: Kapitalmarktökonomie

allokativen Effizienz.299 Denn die Preisbildungsfunktion und Liquidität des Sekundärmarkts stellen sicher, dass das Anlegerkapital im Einklang mit effizienten Marktpreisen an die „richtigen“ Verwender gelenkt wird.300 Dabei darf die Allokationseffizienz nicht mit der fundamentalen und informationellen301 Effizienz gleichgesetzt werden. Ein Markt ist bereits dann informationell und fundamental effizient, wenn neue (öffentliche) Informationen umgehend in den Marktpreisen umgesetzt werden und die Marktpreise dabei den rationalen Fundamentalwert widerspiegeln. Gleichzeitig haben die Informations- und Fundamentaleffizienz maßgeblichen Einfluss auf die allokative Effizienz des Kapitalmarkts.302 Maßgebliche Voraussetzung für die Allokationseffizienz ist zudem das Vertrauen der (potentiellen) Anleger in die Funktionsfähigkeit der Marktmechanismen. Nur wenn diese darauf vertrauen, dass sie schnell und zutreffend über die wirtschaftliche Lage der Emittenten informiert werden, sind Anleger überhaupt bereit ihr Kapital zu investieren, da sie anderenfalls fürchten müssen, dass ihre Investition nicht die erwartete Rendite bei dem eingegangenen Risiko erwirtschaftet.303 2. Operationale Effizienz Der Aspekt der operationalen Kapitalmarkteffizienz betrifft die bei einer Kapitalmarkttransaktion entstehenden Kosten für Emittent und Anleger. Zu solchen Transaktionskosten zählen insbesondere Informationskosten, welche Anleger aufwenden müssen, um die für eine rationale Anlageentscheidung relevanten Informationen zu erhalten.304 Hohe Transaktionskosten wirken sich negativ auf die Rendite der Marktakteure aus. Geringe Transaktionskosten und eine damit verbundene höhere Rendite steigern folglich die Akzeptanz des Markts. Somit zielt die operationale Effizienz auf eine Minimierung der anfallenden Transaktionskosten ab.305 Soweit derartige Kosten nicht gänzlich beseitigt werden können, sind sie denjenigen aufzuerlegen, die sie am besten reduzieren oder ganz vermeiden können (sog. „cheapest cost avoider“).306 Ein wesentliches Mittel, um die Transaktions-

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Dühn, Schadensersatzhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen, 2003, S. 54. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 32 II 3, S. 469. 301 Vgl. dazu 2. Kapitel B. I. 1. 302 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 113; Klöhn, Kapitalmarkt, Spekulation und Behavioral Finance, 2006, S. 60. 303 Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 82. 304 Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 25; Brinckmann, in: Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, § 16 Rn. 12. 305 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.163. 306 Assmann, in: Nörr (Hrsg.), 40 Jahre Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 264; Baums, ZHR 167 (2003), 139, 143; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2015, § 1 Rn. 21. 300

C. Normative Regelungsziele des Kapitalmarktrechts

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kosten für Marktteilnehmer zu senken, stellen gesetzliche Publizitätspflichten dar.307 Indem der Anleger relevante Informationen zur Verfügung gestellt bekommt, spart er die Kosten privater Informationsbeschaffung.308 3. Institutionelle Effizienz Die institutionelle Kapitalmarkteffizienz beschreibt die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts im eigentlichen Sinn – sie liegt dann vor, wenn die Grundvoraussetzungen für einen funktionierenden Kapitalmarkt als Marktveranstaltung gewährleistet sind.309 Ausprägungen einer institutionellen Effizienz sind der möglichst ungehinderte Marktzugang von Anlegern (Kapitalanbieter) und Emittenten (Kapitalnachfrager), das Bereitstellen und der Umfang der typisierten Anlageformen sowie die Stabilität des Markts.310 Darüber hinaus ist die Liquidität eines Markts ausschlaggebend für die institutionelle Effizienz, denn nur ein liquider Markt ermöglicht es einem Anleger, seine erworbenen Wertpapiere wieder zu Geld zu machen, sodass die Liquidität eines Markts ein wesentliches Entscheidungskriterium darstellt, eine Wertpapieranlage gerade in diesem Markt zu tätigen.311 Die Liquidität des Kapitalmarkts lässt sich anhand der Marktbreite, d. h. der Vielfalt des Marktangebots, sowie der Markttiefe, d. h. der Anzahl der Investoren und des Volumens des angelegten und anlagesuchenden Kapitals, bestimmen.312 Die institutionelle Effizienz festigt somit das Vertrauen des Anlegers in die Stabilität und Integrität des Kapitalmarkts, wobei die Voraussetzungen eines allokativ und operational effizienten Kapitalmarkts die Kriterien der institutionellen Effizienz maßgeblich mitverwirklichen.313

307

Dazu sogleich unter C. III. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.75; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.166. 309 Brinckmann, in: Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, § 16 Rn. 10; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.76. 310 Damrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, 2003, S. 27; Wahlers, Private Selbstregulierung am Beispiel des Kapitalmarktrechts, 2011, S. 78 f. 311 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.148. 312 Assmann, in: Nörr (Hrsg.), 40 Jahre Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 264; Hopt, Gutachten G zum 51. DJT (1976), G 49; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.76. 313 Assmann, in: Nörr (Hrsg.), 40 Jahre Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 264. 308

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2. Kap.: Kapitalmarktökonomie

II. Anlegerschutz Gleichwohl der Funktionsschutz das primäre Schutzgut des Kapitalmarktrechts ist, gilt der Anlegerschutz als eigenständiges kapitalmarktrechtliches Rechtsprinzip und stellt neben dem Funktionsschutz das zweite normative Regelungsziel des Kapitalmarktrechts dar.314 Dabei ist dem Schutz der Anleger insbesondere im Zusammenhang mit den hier diskutierten Haftungsfragen bei Verstößen gegen Lock-up Agreements eine besondere Bedeutung beizumessen. Denn gerade die Frage nach einer Haftung der Neuanleger gegen die Altaktionäre knüpft an den Schutz des auf den Bestand der Haltevereinbarung vertrauenden Anlegers an und fällt somit konzeptionell auch in den Bereich des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes. 1. Anlegerschutz als selbstständiges Regelungsziel Der Begriff des Kapitalanlegerschutzes beschreibt den Interessenschutz der Anleger, die sich am Kapitalmarkt beteiligen oder beteiligen wollen.315 Ob der Anleger überhaupt grundsätzlich Schutz verdient bzw. schutzbedürftig ist, war lange unklar und wird bis heute zum Teil kontrovers diskutiert. Das Reichsgericht befand in diesem Kontext, dass Aktien bekanntlich riskant seien, sodass wer trotzdem auf dem Aktienmarkt spekuliere, auch keinen Schutz verdiene.316 Anders als der Gläubigerschutz fand der Anlegerschutz daher lange Zeit wenig Beachtung in der Rechtswissenschaft.317 Gleichwohl der kapitalmarktrechtliche Anlegerschutz als solcher inzwischen nicht mehr in Frage gestellt wird, werden die konzeptionellen Grundlagen des Anlegerschutzes noch immer diskutiert, wobei insbesondere umstritten ist, ob der Anlegerschutz als allgemein gültiges Rechtsprinzip zu werten ist.318 Ebenso von Bedeutung ist die anfangs aufgeworfene Frage nach der Notwendigkeit des Anlegerschutzes. Denn ein (staatlicher) Eingriff zum Schutz der Anleger geht mit einer Beschränkung der Vertragsfreiheit aller Marktteilnehmer einher.319 Daher ist herauszuarbeiten, ob und unter welchen Voraussetzungen die Anlegerinteressen schützenswert sind und wo die Grenzen des Anlegerschutzes liegen.

314 Grundlegend Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 288 ff.; ferner Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT (2002), F 19. Nicht zuletzt belegen kapitalmarktrechtliche Gesetzesinitiativen den Stellenwert des Anlegerschutzes, jüngst bspw. das Kleinanlegerschutzgesetz (KlAnSG), vgl. Begr. RegE KlAnSG, BT-Drucks. 18/3994, 28. 315 Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 29. 316 RG Warn. Rspr. 1908 Nr. 146: „Ob man solche Papiere überhaupt als ,sichere Anlage‘ bezeichnen will, ist Geschmackssache.“ 317 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 397 f.; Kübler, AG 1977, 85; Wiedemann, BB 1975, 1591, 1593. 318 Clouth, ZHR 177 (2013), 212, 213; dies bejahend Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT (2002), F 20; ebenfalls Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 288 ff. 319 Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 39.

C. Normative Regelungsziele des Kapitalmarktrechts

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2. Konzept des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes Das Konzept des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes ist von einer doppelten Zielrichtung geprägt. Unterschieden wird zwischen dem Anlegerschutz als Individualschutz und dem Anlegerschutz als Funktionsschutz (auch Kollektivschutz). Umstritten ist dabei vor allem, in welchem Verhältnis die beiden Aspekte des Anlegerschutzes zueinander stehen, insbesondere ob der Anlegerschutz lediglich über die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Markts effektuiert wird oder ob dem Anlegerschutz darüber hinaus eine eigenständige (individualschützende) Rolle zukommt.320 Die Differenzierung zwischen individualschützendem und kollektivschützendem Anlegerschutz hat insbesondere haftungsrechtliche Konsequenzen. Nur soweit einer kapitalmarktrechtlichen Norm auch ein Individualschutzcharakter beizumessen ist, kommt eine Haftung aufgrund der Verletzung eines Schutzgesetzes gem. § 823 Abs. 2 BGB in Betracht.321 a) Individualschutz Der Schutz der Individualinteressen der einzelnen Anleger knüpft an die individuelle Anlageentscheidung des Anlegers an und soll die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Anleger in der Lage ist, eine möglichst optimale Anlageentscheidung zu treffen.322 Begründet wird ein vom Funktionsschutz unabhängiger Individualschutz zum Teil mit den besonderen Charakteristika der Vermögensanlage. Denn während der Erwerber beim Kauf von Sachen deren Beschaffenheit und wertbildenden Merkmale begutachten kann, lassen sich die Ertragsaussichten und Sicherheiten für den Wertpapierkäufer nur schwer nachprüfen.323 Darüber hinaus wird der Individualschutz auch aus dem Sozialschutzprinzip des Grundgesetzes abgeleitet. Danach sei sozialpolitisches Ziel, dem Anleger die Möglichkeit zu gewähren, durch die Investition von Sparkapital Vorsorgemaßnahmen für Krankheit und Alter zu schaffen.324 Daran anknüpfend kommt dem Anleger, der den Marktpartnern wirtschaftlich und fachlich unterlegen ist, ein besonderes Schutzbedürfnis zu.325 Ausgehend von diesen Überlegungen kommt dem Individualschutz somit eine gegenüber dem Kapitalmarktfunktionsschutz eigenständige Regelungsfunktion zu. 320 Grundlegend Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 333 ff.; sowie Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 24 ff. 321 Vgl. nur Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.170. Ausführlich zu den kapitalmarktrechtlichen Haftungstatbeständen unter 4. Kapitel B. II. 322 Möllers, ZGR 1997, 334, 337. 323 Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 11 f. 324 Damrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, 2003, S. 31; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 32 II 1, S. 468; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 299; kritisch Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 175 f. 325 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 288; Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, 1973, S. 47; Möllers, ZGR 1997, 334, 366; Pfister, ZGR 1981, 318, 338.

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2. Kap.: Kapitalmarktökonomie

Der Individualschutz ist insofern Ausprägung eines allgemein gültigen Rechtsprinzips,326 worunter eine Wertung oder richtunggebende Maßstäbe als leitende Rechtsgedanken verstanden werden.327 aa) Anlagerisiken Anknüpfungspunkt und Schutzrichtung für den Individualschutzcharakter des Anlegerschutzes sind verschiedene Risiken, denen der Anleger am Kapitalmarkt typischerweise ausgesetzt ist. Diese Risiken lassen sich in fünf Risikobereiche unterteilen: das Substanzerhaltungsrisiko, das Informationsrisiko, das Verwaltung- und Interessenvertretungsrisiko, das Liquiditätsrisiko und das Konditionenrisiko.328 Das Hauptrisiko, in welchem sich alle anderen Risiken kulminieren,329 stellt zweifelsohne das Substanzerhaltungsrisiko dar. Es beschreibt die Gefahr, dass die Kapitalanlage des Anlegers einen Teil oder ihren kompletten Wert verliert. Auslöser für einen solchen Wertverlust kann der Zusammenbruch des Unternehmens sein, aber auch strukturwandelnde Umstände, wie etwa Umwandlungen, Fusionen oder Unternehmenskäufe.330 Das Informationsrisiko betrifft die Gefahr, dass der Anleger nicht hinreichend über die Anlage informiert ist oder über fehlerhafte Informationen verfügt. Informationen sind indes Voraussetzung dafür, dass der Anleger eine sachgerechte Anlageentscheidung treffen kann.331 Das Verwaltungs- und Interessenvertretungsrisiko332 ist Ausprägung des Prinzipal-Agenten-Konflikts und beschreibt die Gefahr, dass die vom Anleger beauftragten Verwaltungsorgane das Anlagekapital nicht im Interesse des Anlegers, d. h. ertragsmaximierend, verwalten.333 Mit dem Liquiditätsrisiko wird das Interesse des Anlegers beschrieben, seine Anlage jederzeit veräußern und zu Geld machen zu können.334 Das Konditionenrisiko 326

So jedenfalls Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 289. Damrau, Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, 2003, S. 32; Larenz, Methodenlehre, 1991, S. 474. 328 Grundlegend Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 82 ff.; ders., Gutachten G zum 51. DJT (1976), G 15 ff.; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 10 ff.; Wiedemann, BB 1975, 1591, 1594. Zusammenfassend Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 83 f. 329 Hopt, Gutachten G zum 51. DJT (1976), G 16. 330 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 82 ff.; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 10; Wiedemann, BB 1975, 1591, 1594. 331 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 88 ff.; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 10; Wiedemann, BB 1975, 1591, 1594. 332 Hopt sieht hierin zwei voneinander getrennte Risikobereiche, vgl. Hopt, Gutachten G zum 51. DJT (1976), G 16. 333 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 132 ff., 137 ff.; Wiedemann, BB 1975, 1591, 1594; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 40, dort Fn. 42. Dazu sogleich unter 3. Kapitel A. III. 334 Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 11; Wiedemann, BB 1975, 1591, 1594. 327

C. Normative Regelungsziele des Kapitalmarktrechts

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betrifft schließlich die Möglichkeit des Anlegers, sein Kapital zu richtigen, d. h. marktgerechten, Bedingungen anlegen zu können.335 bb) Grenzen des Anlegerschutzes Der Umstand, dass Kapitalanleger bei Wertpapiergeschäften am Kapitalmarkt gewissen Risiken ausgesetzt sind, sagt indes noch nichts darüber aus, ob und in welchem Umfang die Interessen der Anleger auch schutzwürdig sind.336 Denn der Individualschutz der Anleger ist nicht schrankenlos, sondern existiert innerhalb gewisser Leistungsgrenzen.337 Hier kommt zunächst eine externe, volkswirtschaftliche Schutzgrenze in Betracht. Eine übermäßige Regulierung engt die Handlungsfreiheit auf dem Kapitalmarkt ein und kann sich negativ auf die Marktfunktionalität auswirken. Ferner ist Anlegerschutz stets mit Kosten verbunden, welche bspw. durch Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, die Anfertigung von Veröffentlichungen oder andere organisatorische Aufwände entstehen können. Diese Kosten wirken sich negativ auf die wirtschaftlichen Ergebnisse und die Rendite aus und können die Attraktivität des Markts beeinträchtigen.338 Eine weitere, externe Schutzgrenze beschreiben die am Markt auftretenden gegenläufigen Interessen. Was für einen einzelnen Anleger wünschenswert sein kann, kann für andere Anleger nachteilig sein. Insofern ist der Schutz der Anlegerinteressen stets in der Gesamtschau der marktimmanenten Interessengegenläufe zu beurteilen und dementsprechend zu begrenzen.339 Darüber hinaus finden die Interessen der Anleger bereits durch das Wesen der Kapitalanlage gewisse Schutzgrenzen. Schon die Darstellung der typischen Anlagerisiken zeigt, dass Aktien ihrer Natur nach Risikopapiere sind und das ihnen inhärente Risiko folglich beim Anleger bleiben muss. Der Anlegerschutz muss demnach dort enden, wo das inhärente Kapitalmarktrisiko beginnt.340 Denn es sollen lediglich die Voraussetzungen geschaffen werden, unter denen der Anleger die Erwartungen und Risiken richtig einschätzen kann.341 Das der Anlageentscheidung innewohnende Investitionsrisiko darf dem Anleger indes nicht abgenommen werden.342

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Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 144 f. Eine Interessenvertretung im Rahmen der freien Vertragsgestaltung scheitert daran, dass Wertpapierkontrakte i. d. R. so weit vorgefertigt sind, dass dem Anleger keine vertragsgestalterischen Spielräume bleiben, vgl. Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 11. 337 Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT (2002), F 28 f. 338 Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 91. 339 Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT (2002), F 31. 340 Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT (2002), F 29. 341 Möllers, ZGR 1997, 334, 336. 342 Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2015, § 1 Rn. 25. 336

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2. Kap.: Kapitalmarktökonomie

cc) Anlegerleitbilder Ausgehend von der Schutzrichtung des individualschützenden Anlegerschutzes, der den wirtschaftlich und fachlich schwächergestellten Anleger vor den kapitalmarkttypischen Risiken schützen will, ohne ihm das anlageinhärente Investitionsrisiko abzunehmen, sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, unter denen der Anleger eine fundierte Anlageentscheidung treffen kann. Es wird diesbezüglich auf den einzelnen Anleger und die individuelle Anlageentscheidung abgestellt. Eine Konkretisierung des individuellen Anlegerschutzes setzt somit eine möglichst präzise Bestimmung derjenigen Personen voraus, deren Interessen geschützt werden sollen. Entscheidend ist hierbei, wie der (vernünftige) Anleger typisiert werden kann und von welchem Anlegerleitbild die Kapitalmarkttheorie ausgeht bzw. ausgehen darf. Im Grundsatz wird zwischen drei Anlegerleitbildern unterschieden: dem marktrational-optimistischen Modell, dem marktrational-pessimistischen Modell und dem paternalistischen Modell.343 Das marktrational-optimistische Modell steht in Einklang mit den Annahmen der Kapitalmarkteffizienzhypothese und geht von rational handelnden, informationssuchenden Anlegern aus, die intellektuell in der Lage sind, Informationen zu verarbeiten und auf der Grundlage hinreichender Informationen rationale (Anlage-)Entscheidungen zu treffen.344 Die Annahme des rationalen Anlegers ist eine modelltheoretische Annahme, die – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Finanzkrise – zunehmend in Frage gestellt wird. Empirische Untersuchungen und Experimente belegen Verhaltensanomalien und irrationale Entscheidungsfindungen von Anlegern und der Aspekt der Verhaltensökonomie hat unlängst Einzug in die ökonomische und juristische Kapitalmarktforschung gefunden.345 Das marktrational-pessimistische Modell geht ebenfalls von einem im Grundsatz rationalen Anleger aus, berücksichtigt aber die zuvor genannten gegenläufigen empirischen Ergebnisse, indem es weniger optimistisch ist, was die tatsächliche (rationale) Anlageentscheidung betrifft, und stattdessen von einer großen Varianz der Anlageentscheidungen ausgeht.346 Das paternalistische Modell weicht indes gänzlich von den Grundannahmen eines rationalen Anlegers und effizienten Kapitalmärkten ab. Hiernach beweise die empirische Kapitalmarktforschung, dass 343 Ausführlich zu den verschiedenen Anlegerleitbildern Langenbucher, in: Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2014: Anlegerschutz durch Haftung, 2015, S. 5, 9 ff.; dies., ZHR 177 (2013), 679, 680 ff.; ferner Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 445 ff. 344 Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 376; ders., in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie, 2011, S. 83, 84 f.; Langenbucher, ZHR 177 (2013), 679, 680; Möllers/ Poppele, ZRG 2013, 437, 445 ff. 345 Übersichtlich zu den Grundannahmen der Verhaltensökonomie und den kapitalmarktrechtlichen Implikationen Fleischer/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie, 2011, S. 14 ff.; Klöhn, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie, 2011, S. 83, 87 ff.; Veil, in: ders. (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, § 6 Rn. 21 ff. 346 Langenbucher, ZHR 177 (2013), 679, 684.

C. Normative Regelungsziele des Kapitalmarktrechts

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die Annahme effizienter Kapitalmärkte und rationaler Anleger nicht belegbar ist. Folglich ist der Anleger durch die Rechtsordnung vor seinen irrationalen Entscheidungen zu schützen.347 Empirische Studien und Laborexperimente belegen, dass Anleger sich nicht stets völlig rational verhalten. Folglich müssen Aspekte der Verhaltensökonomik im Kapitalmarktrecht Berücksichtigung finden. Trotzdem können und wollen die verhaltensökonomischen Argumente die Theorie effizienter Kapitalmärkte und rationaler Erwartungen nicht ersetzen, sondern allenfalls erweitern.348 Daher kann von einem rationalen Anlegerleitbild unter Zugrundelegung der Kapitalmarkteffizienztheorie ausgegangen werden, wobei das marktrational-optimistische Modell als grundsätzlich zutreffend gilt und, wenngleich etwas abgeschwächt, Geltung behalten soll.349 Verhaltensökonomische Einschränkungen sollten (noch) dem Einzelfall überlassen werden.350 b) Kollektivschutz Neben dem Individualschutz dient das Gros des Kapitalanlegerschutzes dem Schutz des überindividuellen Anlegerpublikums, d. h. der Gesamtheit der Anleger am Kapitalmarkt als Träger des Angebot- und Nachfragepotentials.351 Der Anlegerschutz als Kollektivschutz dient somit der Marktbildung und Marktstabilisierung und fördert die institutionelle Effizienz des Kapitalmarkts, indem die institutionellen Voraussetzungen rationaler Anlageentscheidungen gewährleistet werden.352 Insofern ist der überindividuelle Anlegerschutz Bestandteil des Marktfunktionsschutzes.353 Wesentlicher Anknüpfungspunkt ist dabei das Vertrauen des Anlegerpublikums in den Kapitalmarkt. Verliert das Kollektiv der Anleger sein Vertrauen in die Funktionsmechanismen des Kapitalmarkts, wird es sich von diesem abwenden und damit die volkswirtschaftlich wichtige Allokationsfunktion des Kapitalmarkts gefährden. Aufgabe des Anlegerschutzes ist es danach, das Vertrauen der Anleger in die Ka-

347 Langenbucher, in: Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2014: Anlegerschutz durch Haftung, 2015, S. 5, 12. 348 Klöhn, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Beitrag der Verhaltensökonomie, 2011, S. 83, 98. 349 Langenbucher, in: Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2014: Anlegerschutz durch Haftung, 2015, S. 5, 12; Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 446 f. sprechen von einem „Homo oeconomicus light“. 350 Brinckmann, in: Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, § 16 Rn. 26. 351 Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 85. 352 Assmann, ZBB 1989, 49, 62; ders., in: Nörr (Hrsg.), 40 Jahre Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 278. 353 Ganz h.M., vgl. nur Assmann, ZBB 1989, 49, 62; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.70; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.141.

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2. Kap.: Kapitalmarktökonomie

pitalmarktordnung aufrechtzuerhalten, um diese zu Investitionen in den Kapitalmarkt zu motivieren.354 Das Vertrauen des Anlegerpublikums in die Kapitalmarktordnung beruht dabei vor allem auf der Informationsverteilung am Kapitalmarkt. Insbesondere aufgrund von Informationsasymmetrien zwischen der Anbieter- und Anlegerseite kann es zu Misstrauen und Marktabwanderung kommen.355 Aufgabe des Anlegerschutzes ist es folglich, die Anlegerseite hinreichend zu informieren, um Informationsasymmetrien abzubauen und somit die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zu gewährleisten.356 Anlegerschutz lässt sich danach aus der ökonomischen Theorie des informationsbedingten Marktversagens ableiten und dient somit dem Funktionsschutz des Kapitalmarkts, indem er das Anlegerpublikum als Kollektiv behandelt und die Bedingungen schafft, die für eine rationale Anlageentscheidung notwendig sind.357 c) Individual- und Kollektivschutz: zwei Seiten derselben Medaille Der Anlegerschutz weist sowohl individualschützende als auch funktionsschützende Elemente auf.358 Zu klären ist, in welchem Verhältnis der individuelle und der kollektive Anlegerschutz zueinander stehen. Gleichwohl der funktionsschützende Aspekt des Anlegerschutzes das maßgebliche Ziel der kapitalmarktrechtlichen Regulierung darstellt,359 lassen die Ausführungen zum Individualschutz und Funktionsschutz des Anlegerschutzes darauf schließen, dass beide Aspekte – Individualund Funktionsschutz – untrennbar miteinander verbunden sind. So beschreibt Hopt das Verhältnis von Individual- und Funktionsschutz als zwei Seiten derselben Medaille360 und als System miteinander kommunizierender Röhren.361 Zwar scheinen 354

Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 24; Assmann, ZBB 1989, 49, 59 ff.; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, 1979, S. 6; Schwark, in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1092. 355 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 306; Wahlers, Private Selbstregulierung am Beispiel des Kapitalmarktrechts, 2011, S. 84. Zur Informationsasymmetrie am Kapitalmarkt vgl. 2. Kapitel B. II. 1. 356 Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 23 f.; ders., ZBB 1989, 49, 59 ff.; ZBB 1989, 49, 62; ders., in: Nörr (Hrsg.), 40 Jahre Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, 1990, S. 278; Möllers, ZGR 1997, 334, 338. 357 Damrau, Private Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht, 2003, S. 32; Wahlers, Private Selbstregulierung am Beispiel des Kapitalmarktrechts, 2011, S. 83. 358 Bode, Anlegerschutz und Neuer Markt, 2006, S. 83; Clouth, ZHR 177 (2013), 212, 213; Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 334 ff.; ders., WM 2013, 101, 102; Möllers, ZGR 1997, 334, 337; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.170; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 40. 359 Ganz h.M., vgl. Assmann, ZBB 1989, 49, 61; Möllers, AcP 208 (2008), 1, 7; Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 171; Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.170. 360 Hopt, WM 2013, 101, 102. Daneben hat sich das Bild des Anlegerschutzes als Januskopf etabliert, vgl. nur Lenenbach, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 1.69. 361 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 52.

C. Normative Regelungsziele des Kapitalmarktrechts

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die beiden Regelungsziele auf den ersten Blick unterschiedliche Schutzziele zu verfolgen, dabei handelt es sich jedoch um eine theoretische Trennlinie:362 So ist ein funktionsfähiger, d. h. informationseffizienter Kapitalmarkt für die Anleger und deren Anlageentscheidungen unabdingbar; gleichzeitig fördert der individuelle Anlegerschutz das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt und fördert somit dessen Funktionsfähigkeit.363 Das zentrale Bindeglied zwischen den beiden Aspekten des Anlegerschutzes bildet das Vertrauen in den Markt. Folglich lassen sich Individual- und Marktfunktionsschutz im Verhältnis positiver Korrelation sehen.364 Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt. Denn wie sich aus den Schranken des Individualschutzes ergibt, kann ein überzogener Individualschutz die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts einschränken.365

III. Publizität im Lichte der normativen Regelungsziele Vor dem Hintergrund der dualistischen Zielkonzeption aus Funktionsschutz und Anlegerschutz ist die Rolle der Publizität zu untersuchen. Es wurde dargestellt, dass der individuelle Anleger sowohl aus wirtschaftlicher als auch fachlicher Sicht unterlegen ist. Zudem sind die Informationen am Markt ungleich verteilt, sodass es zu Informationsungleichgewichten und der Gefahr opportunistischen Verhaltens kommt. Der gemeinsame Nenner dieser und anderer Faktoren am Markt ist das Vertrauen der Anleger, welches eine wesentliche Voraussetzung für einen funktionsfähigen Kapitalmarkt ist. Das zentrale Element, um das Vertrauen der Anleger und die Funktionsfähigkeit des Markts zu gewährleisten, ist die Information der Anlegerseite.366 Es liegt somit im Interesse der Anbieter von Finanzinstrumenten, Informationen zu produzieren und den Anlegern zur Verfügung zu stellen.367 Die Anbieter von Finanzprodukten verfügen bereits über die relevanten Informationen, welche die Anleger am Informationsmarkt kaufen müssten. Folglich können die Anbieter die Informationen am kostengünstigsten produzieren, weswegen insbesondere Emittenten in diesem Zusammenhang auch als „cheapest cost avoider“ bezeichnet werden.368 Zudem haben die Anbieter ein Interesse daran, die Anleger zu informieren, weil sie auf das Vertrauen der Anleger, d. h. einen funktionsfähigen Kapitalmarkt, angewiesen sind. Die Publizität, d. h. die Offenlegung von Informa-

362

Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2015, § 1 Rn. 17. Vgl. Dühn, Schadensersatzhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen, 2003, S. 57; Hommelhoff, ZGR 2000, 748, 772; Möllers, ZGR 1997, 334, 336 f. 364 Vgl. nur Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 44. 365 Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 24; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 44. 366 Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 306. 367 Vgl. bereits die Ausführungen zum Signaling unter 2. Kapitel B. II. 2. 368 Baums, ZHR 167 (2003), 139, 143. 363

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3. Kap.: Lock-up Agreements aus ökonomischer Perspektive

tionen am Markt, spielt somit eine wesentliche Rolle für die Vertrauensbildung der Anleger und ist damit Grundlage eines funktionsfähigen Kapitalmarkts.369

D. Zusammenfassung Eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Instrument des Lock-up Agreements hat stets dessen Funktion und Bedeutung für den Kapitalmarkt zu berücksichtigen. Die Grundzüge der Kapitalmarktökonomie und die Funktionsweisen des Kapitalmarkts beschreiben somit das Fundament einer rechtlichen Bewertung von Lock-up Agreements. Von zentraler Bedeutung für den Kapitalmarkt ist die Verteilung von Informationen zwischen den Marktakteuren. Je besser informiert der Markt und je gleichmäßiger die Informationen zwischen den Marktteilnehmern verteilt sind, desto größer ist das Vertrauen der Marktteilnehmer, wobei Vertrauen wiederum Voraussetzung eines funktionsfähigen Kapitalmarkts ist. Es wurde hingegen festgestellt, dass die Informationen am Markt stets ungleich verteilt sind, sodass Informationsasymmetrien entstehen. Dabei nutzen die besser informierten Marktteilnehmer ihren Informationsvorsprung zulasten der schlechter informierten aus, was in der Theorie zu einer Negativauslese und einem dadurch bedingten Marktversagen führen kann. Um dies zu verhindern, bedarf es besonderer Mechanismen, die dem Abbau von Informationsasymmetrien dienen. Diese können sowohl marktimmanent sein, wie das Signaling und Screening, oder, wie der kapitalmarktrechtliche Anlegerschutz und die damit in Zusammenhang stehende Publizität, rechtlicher Natur. Im Folgenden wird nun zu untersuchen sein, welche Funktion den Lock-up Agreements vor dem Hintergrund einer ungleichen Informationsverteilung am Kapitalmarkt zukommt. 3. Kapitel

Lock-up Agreements aus ökonomischer Perspektive Lock-up Agreements sind untrennbar mit dem Kapitalmarkt und dessen Funktionsweisen verbunden. Daher soll das Instrument des Lock-up Agreements nun vor dem Hintergrund der Zusammenhänge und Funktionsweisen des Kapitalmarkts aus rechtsökonomischer Perspektive betrachtet werden. Hierfür werden insbesondere die Funktions- und Wirkungsweisen der Lock-up Agreements anhand ökonomischer Theorien dargestellt (A.), bevor der Einfluss von Lock-up Agreements auf den Wertpapierkurs sowohl aus theoretischer als auch empirischer Perspektive unter369

Ausführlich Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 306 f.

A. Funktionsweise von Lock-up Agreements

93

sucht wird (B.). Anhand dieser Ergebnisse kann die Rolle der Lock-up Agreements im Wechselspiel zwischen Funktions- und Anlegerschutz verortet werden (C.).

A. Funktionsweise von Lock-up Agreements Die verschiedenen Schutzfunktionen von Lock-up Agreements wurden bereits dargestellt und mit den unterschiedlichen Interessenlagen der an einem Börsengang beteiligten Parteien verknüpft. Nun sollen die ökonomisch-theoretischen Funktionsweisen von Lock-up Agreements beleuchtet werden, wobei insbesondere an die ungleiche Verteilung von Informationen (Informationsasymmetrie) und die daraus resultierenden Kosten (Informationskosten) angeknüpft werden soll. Im Grundsatz dienen Lock-up Agreements dem Aufbau von Vertrauensbeziehungen, um Informationsprobleme zu lösen und Informationskosten zu reduzieren.370 Die verschiedenen Funktionsweisen sind dabei nicht als Alternativen zu verstehen, sondern beschreiben die Funktionsmechanismen von Lock-up Agreements zum Aufbau dieser Vertrauensbeziehungen anhand unterschiedlicher ökonomischer Aspekte.

I. Abbau von Informationsasymmetrien (Signal-Theorie) Die ungleiche Verteilung von Informationen zwischen den Akteuren am Kapitalmarkt birgt das Risiko eines informationsbedingten Marktversagens.371 Auch bei Börsengängen sind die Informationen zwischen den Altaktionären und den Anlegern asymmetrisch verteilt.372 Die Altaktionäre verfügen aufgrund ihrer Nähe zum Emittenten sowie der oftmals besonderen Stellung innerhalb der Gesellschaft über besondere Informationen, während die Anleger auf die (im Wertpapierprospekt) veröffentlichten Informationen angewiesen sind.373 Insbesondere bei einer Börseneinführung junger, unbekannter Wachstumsunternehmen ist das Informationsgefälle zwischen Altaktionären und Anlegern besonders ausgeprägt.374 Die zum Teil wi370

Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 549. Dazu bereits ausführlich unter 2. Kapitel B. II. 1. 372 Arthurs/Busenitz/Hoskisson/Johnson, J. Bus. Venturing 24 (2009), 360, 361; Bessler/ Kurth, Europ. J. Fin. 13 (2007), 29; Brau/Carter/Christophe/Key, Manag. Fin. 30 (2004), 75, 76; Brau/Lambson/McQueen, J. Fin. Quant. Anal. 40 (2005), 519, 520; Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT (2002), F 23, 81 f.; ders., WM 2002, 2305, 2307; Goergen/Renneboog/Khurshed, Shareholder lockup agreements, 2004, S. 5; Nowak/Gropp, ZfbF 54 (2002), 19, 26. 373 Cohen/Dean, Str. Mgmt. J. 26 (2005), 683, 684; Ghadri, IPOs and Venture Backed IPOs, 2012, S. 94; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 21; Leite, J. Corp. Fin. 13 (2007), 813, 822. 374 Arthurs/Busenitz/Hoskisson/Johnson, J. Bus. Venturing 24 (2009), 360, 362; Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT (2002), F 82; ders., WM 2002, 2305, 2309; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 21; Krishnamurti/Thong, Int. Rev. Econ. & Fin. 17 (2008), 230, 233. 371

94

3. Kap.: Lock-up Agreements aus ökonomischer Perspektive

derstreitenden Interessenlagen zwischen Altaktionären und Anlegern im Rahmen einer Börseneinführung375 stehen einem direkten Informationsfluss entgegen, da die Altaktionäre ein Interesse daran haben, möglichst positive Merkmale zu veröffentlichen bzw. gewisse Informationen zu verschweigen, und es für Anleger oftmals nicht möglich bzw. mit hohen Kosten verbunden ist, die Informationen der Aktionärsseite zu verifizieren.376 Neuinvestoren sehen sich folglich einem strukturellen Informationsdefizit ausgesetzt und müssen ihre Anlageentscheidung unter Zugrundelegung unvollständiger Informationen, d. h. unsicherer Annahmen, treffen.377 Die Unsicherheit der Neuanleger kann dazu führen, dass diese gänzlich von einer Investition absehen oder nur einen niedrigen, die Unsicherheit der Anleger widerspiegelnden Preis für die Anteile zu zahlen bereit sind.378 Lock-up Agreements dienen dem Abbau von Informationsasymmetrien zwischen den Altaktionären und Anlegern beim Börsengang. Das theoretische Fundament hierfür bildet die Signal-Theorie, wonach die besser informierte Marktseite versucht, glaubwürdige Signale über die Qualität der von ihr angebotenen Wertpapiere zu verbreiten.379 Ein solches Signal ist dann glaubwürdig, wenn es von einem Unternehmen oder einem Anbieter minderer Qualität nicht ausgehen würde, da diese faktisch nicht in der Lage sind, ein solches Signal zu reproduzieren oder dies mit (zu) hohen Kosten verbunden wäre.380 Indem sich Altaktionäre mittels eines Lock-up Agreements verpflichten, ihre Anteile nicht zu veräußern, werden sie in der Möglichkeit einer effizienten Portfoliodiversifikation beschränkt, da sie ihre Anteile im Falle eines Kursverlustes nicht ohne weiteres veräußern können und folglich in besonderem Maße dem Kursrisiko des Emittenten ausgesetzt sind.381 Hierdurch senden die Altaktionäre ein Signal über die Qualität des Unternehmens an den Markt 375

Ausfühlich zu den Interessenlagen der beteiligten Parteien unter 1. Kapitel B. II. Brau/Carter/Christophe/Key, Manag. Fin. 30 (2004), 75, 77: „Any withheld information about corporate operations or future prospects is more likely to be negative than positive.“ Brav/ Gompers, Rev. Fin. Stud. 16 (2003), 1, 4; Courteau, J. Fin. & Quant. Anal. 30 (1995), 487, 488; Leland/Pyle, J. Fin. 32 (1977), 371. Zum sog. Prinzipal-Agenten-Konflikt sogleich unter 3. Kapitel A. III. 377 Arthurs/Busenitz/Hoskisson/Johnson, J. Bus. Venturing 24 (2009), 360, 362. 378 Dies kann zu einer informationsbedingten Negativauslese führen: Anleger sind danach nur bereit einen Durchschnittspreis zu bezahlen. Dieser führt dazu, dass der Emissionserlös für „gute“ Emittenten geringer ausfällt und nicht der eigentlichen Qualität des Emittenten entspricht. Börsengänge lohnen sich somit insbesondere für „schlechte“ Emittenten, wodurch die (durchschnittliche) Qualität und folglich die Zahlungsbereitschaft der Anleger weiter abnimmt. Im Rahmen von Emissionen kommt dem sog. Underpricing daher eine bedeutende Rolle zu, vgl. Allen/Faulhaber, J. Fin. Econ. 23 (1989), 303, 304; Michaely/Shaw, Rev. Fin. Stud. 7 (1994), 279, 280; Rock, J. Fin. Econ. 15 (1986), 187 ff. 379 Ausführlich zum Signaling bzw. zur Signal-Theorie bereits unter 2. Kapitel B. II. 2. 380 Arthurs/Busenitz/Hoskisson/Johnson, J. Bus. Venturing 24 (2009), 360, 362; Brau/ Lambson/McQueen, J. Fin. & Quant. Anal. 40 (2005), 519, 520: „A signal that insiders of a bad firm would not be willing to mimic.“ Brav/Gompers, Rev. Fin. Stud. 16 (2003), 1, 4. 381 Arthurs/Busenitz/Hoskisson/Johnson, J. Bus. Venturing 24 (2009), 360, 362; Brav/ Gompers, Rev. Fin. Stud. 16 (2003), 1, 4; Courteau, J. Fin. & Quant. Anal. 30 (1995), 487, 488. 376

A. Funktionsweise von Lock-up Agreements

95

und die Anleger.382 Ein solches Signal kann auch nicht von einem Altaktionär eines „schlechten“ Unternehmens repliziert bzw. kopiert werden, da die Kosten des Signals in Form des hohen Kursrisikos eines „schlechten“ Emittenten abschreckend wären.383 Hierbei ist auch die Länge der Lock-up-Periode von Bedeutung: Je länger der Zeitraum, für den sich Altaktionäre verpflichten, ihre Anteile nicht zu veräußern (Lock-up-Periode), desto weniger wahrscheinlich wird das Signal von Altaktionären „schlechter“ Unternehmen repliziert. Folglich erhöht sich die Glaubhaftigkeit und Signalwirkung gegenüber dem Markt und den Investoren, sodass eine lange Lockup-Periode dem Abbau eines besonders starken Informationsgefälles dient.384 Lockup Agreements ermöglichen somit den Transfer glaubwürdiger Informationen von den Altaktionären an die Neuinvestoren und dienen daher dem Abbau von Informationsasymmetrien. Dies wirkt sich positiv auf die Schutzfunktion der Lock-up Agreements aus,385 da die Investoren bereit sind, einen höheren Preis für die Aktien zu zahlen.386 Die Signalwirkung von Lock-up Agreements wird indes eingeschränkt, sofern eine Pflicht zum Abschluss von Lock-up Agreements besteht. Zwar sind auch in diesem Fall die Altaktionäre dem Kursrisiko des Unternehmens für den Zeitraum der Lock-up-Periode ausgesetzt, da es sich aber nicht um ein freiwilliges Signal handelt, ist diesem nicht die gleiche Wirkung beizumessen.387

II. Vertrauensbildung (Vermeidung von moralischem Risiko) Die vertrauensbildende Funktion von Lock-up Agreements steht in einem engen Zusammenhang mit dem zuvor dargestellten Abbau von Informationsasymmetrien auf Grundlage der Signal-Theorie. Es lassen sich jedoch partikulare Funktionsweisen der Lock-up Agreements ausmachen, die nicht gänzlich der Signal-Theorie zuzuschreiben sind.388 Ausgangspunkt ist erneut die ungleiche Verteilung von Informationen zwischen Altaktionären und Anlegern, infolgedessen Altaktionäre und 382

Leland/Pyle, J. Fin. 32 (1977), 371: „The willingness to invest may serve as a signal to the […] market of the true quality of the project.“ 383 Courteau, J. Fin. & Quant. Anal. 30 (1995), 487, 488. 384 Arthurs/Busenitz/Hoskisson/Johnson, J. Bus. Venturing 24 (2009), 360, 370; Brau/ Lambson/McQueen, J. Fin. Quant. Anal. 40 (2005), 519, 520; Espenlaub/Goergen/Khurshed, J. Bus. Fin. & Acc. 28 (2001), 1235, 1260; Mohan/Chen, Int. Rev. Econ. & Fin. 10 (2001), 41, 57. 385 Vgl. zu den Schutzfunktionen von Lock-up Agreements unter 1. Kapitel B. I. 386 Brav/Gompers, Rev. Fin. Stud. 16 (2003), 1, 4. 387 Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT (2002), F 23, 82, der sich auf das Regelwerk des Neuen Markts und die darin normierte Verpflichtung zum Abschluss von Lock-up Agreements bezieht. Da eine solche Verpflichtung gegenwärtig nicht existiert und Lock-up Agreements somit stets freiwillig eingegangen werden, vgl. 1. Kapitel C. III. 1., kommt diesem Aspekt nur noch eine untergeordnete Bedeutung zu. 388 Vgl. Yung/Zender, J. Corp. Fin. 16 (2010), 320 ff., die hinsichtlich der Motive von Lockup Agreements zwischen Informationsasymmetrien und moralischem Risiko differenzieren.

96

3. Kap.: Lock-up Agreements aus ökonomischer Perspektive

Neuanleger gegensätzliche Interessen verfolgen. Dies kann zu einem sogenannten moralischen Risiko (moral hazard) führen, wonach die Altaktionäre einen Anreiz haben, ihren Informationsvorsprung gegenüber den neuen Aktionären auszunutzen, indem sie – beispielsweise in Kenntnis besonderer unternehmensinterner Umstände – ihre Aktien nach einem Börsengang veräußern.389 Durch das Eingehen von Lock-up Agreements verpflichten sich die Altaktionäre, ihre Anteile für einen bestimmten Zeitraum nicht zu veräußern. Insofern können Lock-up Agreements vom Markt als vertrauensbildende Maßnahme verstanden werden, da durch die Lock-up Agreements ein vorübergehender Gleichlauf der Interessen von Altaktionären und Anlegern erreicht wird, indem die Altaktionäre ihre Anteile nach der Emission nicht aufgrund von besonderen Informationen veräußern dürfen, um „Kasse zu machen“, und etwaige Informationsvorsprünge somit nicht zulasten der Neuanleger ausgenutzt werden.390 Gleichzeitig demonstrieren die Altaktionäre, dass sie an eine positive Entwicklung des Unternehmens glauben, und bringen zum Ausdruck, dass sie den Börsengang nicht dazu nutzen wollen, um ihre unternehmerische Verantwortung zusammen mit den Geschäftsanteilen abzugeben, wodurch Vertrauen in die Kontinuität der Unternehmensstrategie vermittelt wird.391

III. Reduzierung von Vertretungskosten (Prinzipal-Agenten-Theorie) Gehört die Unternehmensführung bzw. das Management der Gesellschaft zu den Altaktionären, kann sich die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Altaktionären und Neuinvestoren auch im Rahmen der Prinzipal-Agenten-Theorie auswirken. In Publikumsgesellschaften beauftragen die Aktionäre (Prinzipale) das Management (Agenten) mit der Unternehmensführung und gewähren im Gegenzug eine angemessene Vergütung.392 Indes können die Interessenlagen von Agenten und Prinzipalen gegensätzlich sein: Während die Prinzipale an einer Steigerung des Unternehmenswerts interessiert sind, verfolgen die Agenten oftmals eigene, davon

389

Brau/Lambson/McQueen, J. Fin. Quant. Anal. 40 (2005), 519, 523; Fleischer, WM 2002, 2305, 2307; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 24. 390 Bradley/Bradford/Roten/Yi, J. Fin. R. 24 (2001), 465, 466; Field/Hanka, J. Fin. 56 (2001), 471; Fleischer, WM 2002, 2305, 2307; Ofek/Richardson, The IPO Lock-up Period, 2000, S. 3. Indes wurde bereits festgestellt, dass Lock-up Agreements zwar eine Veräußerung untersagen, diese aber rechtlich weiterhin möglich ist, vgl. 1. Kapitel C. I. Inwieweit die Einhaltung von Lock-up Agreements gesichert bzw. durchgesetzt werden kann, um ein „Kassemachen“ der Altaktionäre tatsächlich zu unterbinden, wird im Folgenden zu untersuchen sein, vgl. dazu 4. Kapitel A. II. 391 Fleischer, WM 2002, 2305, 2307; Nowak/Gropp, ZfbF 54 (2002), 19, 21. 392 Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 257.

B. Stabilisierung des Kursniveaus

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abweichende Interessen.393 Eine effiziente Kontrolle der Agenten durch die Prinzipale wird durch bestehende Informationsasymmetrien zwischen dem Management und den Aktionären erschwert, wodurch Ineffizienzen und Kosten entstehen, die als Vertretungskosten (agency costs) bezeichnet werden.394 Diese Kosten können insbesondere durch eine Angleichung der Interessen von Prinzipalen und Agenten reduziert werden. Ein Interessengleichklang von Agenten und Prinzipalen, d. h. Unternehmensleitern und Aktionären, wird erreicht, wenn sich das Management am Eigenkapital der Gesellschaft beteiligt.395 Dadurch sind die Agenten ebenfalls an einer Steigerung des Unternehmenswerts interessiert und müssen gleichzeitig die finanziellen Konsequenzen ihrer Handlungen mittragen.396 Vor diesem Hintergrund dienen Lock-up Agreements der zeitweisen Aufrechterhaltung dieses Interessengleichklangs: Indem sich die Altaktionäre, d. h. auch die am Unternehmen beteiligten Unternehmensführer, verpflichten, ihre Anteile nicht zu veräußern, stimmen die Interessen von Management und Aktionären für den Zeitraum der Lock-up-Periode überein, was zu einer Senkung der Vertretungskosten führt.397

B. Stabilisierung des Kursniveaus Ausgehend von den ökonomischen Theorien zu den Funktionsweisen von Lockup Agreements ist nun die Auswirkung der Lock-up Agreements auf den Wertpapierkurs aus theoretischer und tatsächlicher Perspektive zu untersuchen. Hierfür sind zunächst die verschiedenen Hypothesen der Preisbildung von Aktien im Hinblick auf das Handelsvolumen zu analysieren. In einem zweiten Schritt wird sodann anhand von empirischen Studien auf die tatsächliche Kursrelevanz von Lock-up Agreements in der Praxis eingegangen.

393

Grundlegend Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976), 305, 308; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 212; Ross/Westfield/Jordan, Fundamentals of Corporate Finance, 11. Aufl. 2016, S. 10 f. 394 Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1047; Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976), 305, 308 ff.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. 2010, S. 431. 395 Zum Versuch, eine optimale Beteiligungsquote des Managements am Eigenkapital zu errechnen, vgl. Jensen/Meckling, J. Fin. Econ. 3 (1976), 305, 344. Dazu ferner Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 9. Aufl. 2014, S. 265; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. 2010, S. 431 ff. 396 Yung/Zender, J. Corp. Fin. 16 (2010), 320, 322. 397 Brau/Carter/Christophe/Key, Manag. Fin. 30 (2004), 75, 77; Brau/Lambson/McQueen, J. Fin. Quant. Anal. 40 (2005), 519, 523; Brav/Gompers, Rev. Fin. Stud. 16 (2003), 1, 5; Espenlaub/Goergen/Khurshed, J. Bus. Fin. & Acc. 28 (2001), 1235, 1245; Fleischer, WM 2002, 2305, 2307; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 18.

98

3. Kap.: Lock-up Agreements aus ökonomischer Perspektive

I. Preisbildung und Angebotsbeschränkung Lock-up Agreements bewirken eine vorübergehende, künstliche Beschränkung des Aktienangebots und sollen dadurch den Aktienkurs stabil halten und vor einem Kursrutsch bewahren.398 Die Kapitalmarktforschung hat verschiedene Hypothesen zum Verhältnis von Angebot, Nachfrage und Preisbildung aufgestellt, anhand derer die Theorie der Preisbildung von Aktienkursen am Kapitalmarkt und der Einfluss des Transaktionsvolumens399 auf die Kursentwicklung erläutert werden. 1. Substitutionshypothese Den Ausgangspunkt bildet die Substitutionshypothese (Substitution Hypothesis400 oder Competitive Market Hypothesis401). Danach sind Aktien Ansprüche auf abstrakte, zukünftige Zahlungsströme des Emittenten, wobei sich diese Zahlungsströme grundsätzlich auch durch die Kombination anderer Anlagen erzielen lassen, sodass Aktien substituierbare Kapitalanlagen darstellen, die ausschließlich nach ihrem Risiko-Rendite-Verhältnis bewertet werden.402 Nach der Substitutionshypothese, welche der neoklassischen Kapitalmarktforschung zuzuordnen und Grundlage verschiedener kapitalmarkttheoretischer Gleichgewichtsmodelle (bspw. CAPM, APT, Black-Scholes) ist,403 hat das Transaktionsvolumen somit keinen Einfluss auf die Preisbildung von Aktien. Der Aktienkurs hängt folglich nicht vom Angebot ab.404 Nach der Substitutionshypothese hätte die künstliche Begrenzung des Aktienangebots durch den Abschluss eines Lock-up Agreements somit keine Auswirkung auf den Aktienkurs. Allerdings beruht diese Hypothese auf der Fiktion eines vollkommenen Kapitalmarkts, welche von der inzwischen herrschenden modernen Institutionenökonomik so nicht mehr anerkannt wird,405 sodass auch die Substitutionshypothese gewissen Einschränkungen unterliegt.

398

Field/Hanka, J. Fin. 56 (2001), 471; Grüger, BKR 2008, 101, 103; Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 17. 399 Das Transaktionsvolumen beschreibt in diesem Zusammenhang, wie oft die Aktien eines Unternehmens gehandelt, d. h. gekauft und verkauft, werden. 400 Grundlegend Scholes, J. Bus. 45 (1972), 179, 181 ff. 401 Ball/Finn, J. Bank. & Fin. 13 (1989), 397, 398 ff. 402 Schäffner, Blocktransaktionen, 2003, S. 10; Scholes, J. Bus. 45 (1972), 179. 403 Capital Asset Pricing Model (CAPM), Arbitrage Pricing Theory (APT), Black-ScholesModell zur Optionsbepreisung. 404 Ball/Finn, J. Bank. & Fin. 13 (1989), 397, 398; Röckemann, Börsendienste und Anlegerverhalten, 1995, S. 99; Schäffner, Blocktransaktionen, 2003, S. 11; Scholes, J. Bus. 45 (1972), 179, 182; Shleifer, J. Fin. 41 (1986), 579. 405 Zur modernen Institutionenökonomik vgl. 2. Kapitel B. II.

B. Stabilisierung des Kursniveaus

99

2. Preisdruckhypothese Die Preisdruckhypothese (Price Pressure Hypothesis406 oder Segmented Market Hypothesis407) geht von der Prämisse aus, dass im Rahmen von Wertpapiertransaktionen temporäre Preisabschläge infolge eines erhöhten Wertpapierangebots auftreten können. Diese Preisabschläge kompensieren angefallene Liquiditätskosten der Investoren oder Koordinationskosten, d. h. Kosten, die aufgewendet wurden, um einen Käufer zu finden.408 Die Preisabschläge wirken sich nur kurzfristig aus, ohne langfristig das Niveau des Gleichgewichtspreises zu verändern.409 Lock-up Agreements können nach der Preisdruckhypothese somit nur eine kurzfristige, temporäre Preisveränderung während der Lock-up-Periode verhindern. 3. Informationshypothese Nach der Informationshypothese (Information Hypothesis) soll Wertpapiertransaktionen, insbesondere Transaktionen von großen Aktienblöcken (Blocktransaktionen),410 ein impliziter Informationsgehalt innewohnen, der sich aus der Kauf- bzw. Verkaufsentscheidung ableiten lässt.411 Existiert ein Informationsgefälle am Markt, so besteht die Möglichkeit, dass der Verkäufer von Wertpapieren über Information verfügt, die, wären sie öffentlich bekannt, eine Anpassung des Kurses bewirken würden. Folglich interpretieren nicht informierte Anleger eine besonders starke Nachfrage oder ein besonders großes Angebot an Aktien als positives bzw. negatives Signal.412 Einer Wertpapiertransaktion wohnt folglich ein Informationswert inne, wobei sich der Aktienpreis entsprechend diesem Wert der Information anpasst und in einer dauerhaften Kursveränderung der Aktie niederschlägt.413 In diesem Zusammenhang schützen Lock-up Agreements für den Zeitraum der Lockup-Periode den Wertpapierkurs, indem Aktienveräußerungen der Altaktionäre verboten werden, sodass auch keine negativen, etwaigen Transaktionen innewohnenden Signale den Markt erreichen (sollen). 406

Scholes, J. Bus. 45 (1972), 179, 180. Ball/Finn, J. Bank. & Fin. 13 (1989), 397, 398. 408 Field/Hanka, J. Fin. 56 (2001), 471, 487; Kraus/H. Stoll, J. Fin. 27 (1972), 569, 570 f.; Nowak/Gropp, ZfbF 54 (2002), 19, 24; Röckemann, Börsendienste und Anlegerverhalten, 1995, S. 100; Scholes, J. Bus. 45 (1972), 179, 180. 409 Nowak/Gropp, ZfbF 54 (2002), 19, 24. 410 Ab welcher Transaktionsgröße von einem „Block“ gesprochen werden kann, ist nicht einheitlich definiert. Überzeugend ist ein Vergleich mit üblichen börslichen Tagesumsätzen: Ist eine Order in Relation hierzu groß, wird von einer Blocktransaktion gesprochen, vgl. Gerke/ Rasch, Die Bank 1992, 193. 411 Ball/Finn, J. Bank. & Fin. 13 (1989), 397, 400. 412 Röckemann, Börsendienste und Anlegerverhalten, 1995, S. 99 f.; Scholes, J. Bus. 45 (1972), 179, 200. 413 Schäffner, Blocktransaktionen, 2003, S. 13 f. 407

100

3. Kap.: Lock-up Agreements aus ökonomischer Perspektive

4. Hypothese fallender Nachfragekurven Die Hypothese fallender Nachfragekurven (Downward-Sloping Demand Curves) geht davon aus, dass die Erwartungshaltung der Marktteilnehmer aufgrund asymmetrisch verteilter Informationen heterogen ist, sodass unterschiedliche Erwartungen an bewertungsrelevante Informationen bestehen und die perfekte Substituierbarkeit der Aktien nicht mehr gegeben ist. Folglich sind die Anleger bereit, unterschiedliche Preise für die gleiche Aktie zu zahlen.414 Da die unterschiedlichen Erwartungshaltungen nicht alleine durch den Preismechanismus aufgelöst werden können, existieren negative Nachfragekurven (im Gegensatz zur Annahme horizontaler Nachfragekurven im Rahmen der Substitutionshypothese),415 sodass ein zusätzliches Angebot an Aktien zu einer anhaltenden Preisreduktion führt.416 Indem Lock-up Agreements die Veräußerung von Aktien durch die Altaktionäre zeitweise verbieten, sollen sie eine negative Kursentwicklung infolge eines erhöhten Aktienangebots verhindern. Der Aktienkurs wird folglich für den Zeitraum der Lockup-Periode vor negativen Angebotseffekten geschützt. 5. Zwischenergebnis Die Kapitalmarktforschung hat verschiedene Hypothesen entwickelt, die das Zusammenspiel von Handelsvolumen und Kursentwicklung beschreiben. Dabei zeigt sich, dass Aktienveräußerungen eine Kursveränderung bewirken können. Indem Lock-up Agreements Aktienveräußerungen durch die Altaktionäre untersagen, sollen für den Zeitraum der Lock-up-Periode handelsvolumenbedingte Kursveränderungen beschränkt und der Kurs damit stabil gehalten werden.417

II. Tatsächliche Kursrelevanz: empirische Nachweise Nachdem die Funktionsweisen von Lock-up Agreements anhand von verschiedenen ökonomischen Theorien erläutert und verschiedene Hypothesen zu den Auswirkungen von Angebot und Nachfrage auf den Aktienpreis dargestellt wurden, ist nun zu untersuchen, inwieweit Lock-up Agreements in der Praxis zu diesen – in der Theorie beschriebenen – Ergebnissen führen. Die tatsächliche Auswirkung von 414

Brakmann, Aktienemissionen und Kurseffekte, 1993, S. 125; Nowak/Gropp, ZfbF 54 (2002), 19, 25; Röckemann, Börsendienste und Anlegerverhalten, 1995, S. 100. 415 Field/Hanka, J. Fin. 56 (2001), 471, 489; Shleifer, J. Fin. 41 (1986), 589. 416 Barclay/Litzenberger, J. Fin. Econ. 21 (1988), 71, 75; Nowak/Gropp, ZfbF 54 (2002), 19, 25. 417 Anzumerken bleibt, dass Lock-up Agreements eine Veräußerung von Aktien lediglich verbieten, diese jedoch nicht verhindern können. Ob hinreichende Durchsetzungs- bzw. Sicherungsmechanismen existieren, die Aktienveräußerungen der Altaktionäre faktisch unterbinden, wird noch zu untersuchen sein, vgl. dazu 4. Kapitel A. II. und 5. Kapitel.

B. Stabilisierung des Kursniveaus

101

Lock-up Agreements lässt sich nur anhand empirischer Studien belegen. Dies geschieht mittels Ereignisstudien,418 welche für den Nachweis der Kursrelevanz von Lock-up Agreements das Kursverhalten der Wertpapiere nach Ablauf der Lock-upPeriode untersuchen. Da Altaktionäre nach Ablauf der Lock-up-Periode wieder Aktien veräußern dürfen, könnte das Handelsvolumen ansteigen, was nach den zuvor vorgestellten Hypothesen Einfluss auf die Preisbildung haben könnte. Dagegen spricht indes, dass Lock-up Agreements samt Lock-up-Periode im Wertpapierprospekt veröffentlicht werden und damit öffentlich bekannt sind.419 Unter Zugrundelegung der halbstrengen Form der Kapitalmarkteffizienzhypothese, wonach alle öffentlich bekannten Informationen umgehend im Wertpapierpreis widergespiegelt werden,420 müssten rationale Anleger die Möglichkeit eines erhöhten Aktienangebots nach Ablauf der Lock-up-Periode antizipieren, sodass sich diese Erwartung dementsprechend im Preis widerspiegelt und mithin keine Kursreaktionen zu erwarten wären.421 Die Kursrelevanz von Lock-up Agreements wurde anhand verschiedener Ereignisstudien für den deutschen, den US-amerikanischen und den britischen Kapitalmarkt untersucht. Dabei wurden durchweg negative Kursreaktionen für die Ereignisperiode nach dem Ablauf einer Lock-up-Frist gefunden.422 Aus diesen empirischen Befunden lässt sich ableiten, dass den Lock-up Agreements eine tatsächliche Wirkung zukommt, welche sich entsprechend den aufgestellten Hypothesen auch im Wertpapierkurs niederschlägt. Zudem zeigen die negativen Kursreaktionen, dass der Markt die Kursrelevanz der öffentlich bekannten Lock-up Agreements systematisch unterschätzt.423

418

Ereignisstudien (event studies) sind statistische Verfahren, die den Einfluss eines bestimmten Ereignisses auf den Wert eines Unternehmens innerhalb einer Ereignisperiode (event window) bemessen. Hierfür wird die kumulierte Überrendite (cumulative abnormal return, CAR) als Differenz aus tatsächlich erzielter Rendite und normaler Rendite (d. h. die nach dem CAPM zu erwartende Rendite) während der Ereignisperiode berechnet bzw. deren Durchschnitt ermittelt (cumulative average abnormal return, CAAR), vgl. MacKinlay, J. Econ. Lit. 35 (1997), 13 ff. 419 § 7 WpPG i.V.m. Anhang III Ziff. 7.3 VO (EG) 809/2004 v. 29. 04. 2004 (EU-ProspektVO). 420 Zu den verschiedenen Formen der Effizienzhypothese vgl. 2. Kapitel B. I. 2. 421 Brav/Gompers, Rev. Fin. Stud. 16 (2003), 1, 2; Espenlaub/Goergen/Khurshed, J. Bus. Fin. & Acc. 28 (2001), 1235, 1236; Field/Hanka, J. Fin. 56 (2001), 471, 495; Nowak/Gropp, ZfbF 54 (2002), 19, 23. 422 Für den deutschen Kapitalmarkt vgl. Nowak/Gropp, ZfbF 54 (2002), 19, 43. Für den USamerikanischen Kapitalmarkt vgl. Bradley/Bradford/Roten/Yi, J. Fin. R. 24 (2001), 465, 490; Brau/Carter/Christophe/Key, Manag. Fin. 30 (2004), 75, 83; Brav/Gompers, Rev. Fin. Stud. 16 (2003), 1, 27; Field/Hanka, J. Fin. 56 (2001), 471, 495; Mohan/Chen, Int. Rev. Econ. & Fin. 10 (2001), 41, 57; Ofek/Richardson, The IPO Lock-up Period, 2000, S. 27. Für den britischen Kapitalmarkt, jedoch statistisch nicht signifikant vgl. Espenlaub/Goergen/Khurshed, J. Bus. Fin. & Acc. 28 (2001), 1235, 1276. 423 Nowak/Gropp, ZfbF 54 (2002), 19, 23.

102

3. Kap.: Lock-up Agreements aus ökonomischer Perspektive

Die statistische Auswertung von Lock-up Agreements hat sich stets mit dem Kursverhalten nach Ablauf der (bekannten) Lock-up-Periode befasst. Inwieweit Aktienveräußerungen durch die Altaktionäre während der Lock-up-Periode, d. h. entgegen der Vereinbarung, zu negativen Kursreaktionen führt, lässt sich empirisch nur schwer untersuchen, da derartige Transaktionen oftmals anonym vollzogen und nicht notwendigerweise veröffentlicht werden,424 sodass schon keine belastbaren Daten vorliegen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass bereits der öffentlich bekannte Ablauf der Lock-up-Periode zu negativen Kursreaktionen führt, obwohl eine etwaige Veräußerung der Altaktionäre nach Ablauf der Lock-up-Periode vom Markt vorhersehbar war. Folglich muss davon ausgegangen werden, dass die unvorhersehbare, pflichtwidrige Veräußerung von Aktien während der Lock-up-Periode erst recht zu negativen Kursreaktionen führt, da der Markt während der Lock-up-Periode gerade davon ausgeht, dass keine Altbestände veräußert werden und damit auf den Markt gelangen. Zudem würde eine abredewidrige Veräußerung während der Lock-upPeriode die Funktionsweisen der Lock-up Agreements umkehren: Anstelle eines vertrauensbildenden Signals würde der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement als opportunistisches Verhalten zulasten der weniger informierten Neuanleger verstanden werden und das Vertrauen der Anleger in die Werthaltigkeit der Wertpapiere erschüttern.

C. Funktionsschutz des Kapitalmarkts Eine Gesamtschau der ökonomischen Funktionsweisen von Lock-up Agreements lässt erkennen, dass Lock-up Agreements nicht nur den Anleger schützen, sondern auch einem übergeordneten Schutz des Kapitalmarkts dienen. Der Funktionsschutz des Kapitalmarkts lässt sich in allokative Effizienz, operationale Effizienz und institutionelle Effizienz unterteilen.425 Indem Lock-up Agreements die am Markt bestehenden Informationsasymmetrien abbauen, das Vertrauen der Anleger fördern und insbesondere den Preismechanismus vor vorübergehenden, volumenbedingten Veränderungen schützen, dienen Lock-up Agreements der allokativen Kapitalmarkteffizienz. Darüber hinaus reduzieren Lock-up Agreements die den Anlegern und Emittenten anfallenden Kosten und schützen somit die operationale Effizienz des Kapitalmarkts: Insbesondere durch die Signalwirkung von Lock-up Agreements und den Abbau von Interessenkonflikten werden Informations- und Vertretungskosten reduziert bzw. derjenigen Partei auferlegt, die solche Kosten am einfachsten zu reduzieren vermag.426 Schließlich schützen Lock-up Agreements auch die 424

Für emittentenbezogene Eigengeschäfte der Unternehmensleiter (Directors’ Dealings) besteht gem. Art. 19 Abs. 1 lit. a MAR eine Veröffentlichungspflicht. 425 Ausführlich zum Funktionsschutz bereits unter 2. Kapitel C. I. 426 Vgl. Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1047: „Ein zentrales Ziel des Kapitalmarktrechts liegt aus ökonomischer Sicht darin, die agency costs zu minimieren.“

D. Zusammenfassung

103

Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts als solchen, d. h. die Marktfunktion im eigentlichen Sinn: Indem Lock-up Agreements eine stabile Kursentwicklung nach einer Emission fördern und die Ausnutzung von Insiderinformationen zulasten der Anleger verhindern, werden der Markt und das Vertrauen der Anleger in die Integrität und Stabilität des Marktmechanismus gestärkt, sodass die institutionelle Effizienz des Kapitalmarkts geschützt wird. Folglich dienen Lock-up Agreements, trotz ihres schuldrechtlichen Charakters, nicht lediglich den einzelnen Beteiligten,427 sondern auch dem Funktionsschutz des Kapitalmarkts und spiegeln insofern die Doppelfunktionalität des Kapitalmarktrechts, bestehend aus Funktions- und Anlegerschutz, wider.428 Die Tatsache, dass Funktion und Wirkung von Lock-up Agreements nicht nur das schuldrechtliche Zweipersonenverhältnis betreffen, sondern darüber hinaus auch den Kapitalmarkt als solchen beeinflussen, kann sich auf die Beurteilung rechtlicher Zweifelsfragen auswirken. So wird im Fortgang dieser Arbeit insbesondere zu untersuchen sein, ob mit der doppelfunktionalen Wirkungsrichtung von Lock-up Agreements auch eine multidirektionale Bindung gegenüber den Vereinbarungspartnern einerseits und dem Kapitalmarkt andererseits einhergeht.

D. Zusammenfassung Die Bedeutung von Lock-up Agreements geht weit über das mit der Vereinbarung geschaffene Zweipersonenverhältnis hinaus, sodass sich eine rechtliche Bewertung von Lock-up Agreements nicht allein auf das Schuldrecht beschränken darf, sondern auch die ökonomische Bedeutung der Lock-up Agreements für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zu berücksichtigen hat. Denn Lock-up Agreements dienen nicht allein dem Schutz der Anleger, sondern insbesondere auch dem Funktionsschutz des Markts als solchen. Den Ausgangspunkt bilden dabei Informationsungleichverteilungen und damit verbundene Kosten. Durch die verschiedenen Funktionsweisen von Lock-up Agreements werden Vertrauensbeziehungen hergestellt, die diese Konflikte lösen und damit verbundene Kosten einsparen. Dies schützt den einzelnen Anleger und fördert die Effizienz, d. h. Funktionsweise, des Kapitalmarkts. Lock-up Agreements sind demzufolge individuelle, privatrechtliche Vereinbarungen mit überindividueller Wirkungsrichtung. Zu beachten ist, dass die Funktionsmechanismen von Lock-up Agreements auf der Annahme beruhen, dass diese eingehalten werden, sprich, dass die Altaktionäre ihre Anteile für den Zeitraum der Lock-up-Periode tatsächlich nicht veräußern. Indes wurde bereits festgestellt, dass Lock-up Agreements lediglich eine schuldrechtliche Verhaltensanordnung beschreiben, die Veräußerung von Aktien während der Lock427 428

Ausführlich zu den einzelnen Interessenlagen der Beteiligten unter 1. Kapitel B. II. Zum Verhältnis von Funktions- und Anlegerschutz vgl. 2. Kapitel C. II. 2. c).

104

4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

up-Periode jedoch möglich bleibt.429 Kommt es zu Aktienveräußerungen während der Lock-up-Periode, so läuft dies den Funktionsmechanismen und der Kursstabilisierung der Lock-up Agreements zuwider; in diesem Zusammenhang wurde dargelegt, dass eine pflichtwidrige Veräußerung von Aktien während der Lock-upPeriode erhebliche Kursreaktionen bewirken kann und folglich sowohl die Schutzgüter der beteiligten Parteien als auch den Kapitalmarkt betrifft. Im folgenden Kapitel wird somit auf die Sicherung der Einhaltung von Lock-up Agreements bzw. deren Verletzung eingegangen, wobei insbesondere die rechtlichen Folgen einer etwaigen Verletzung untersucht werden. 4. Kapitel

Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements Die vorangegangenen Ausführungen haben die Funktionsweisen und den Zweck von Lock-up Agreements in den Vordergrund gestellt, wobei bereits festgestellt wurde, dass die Funktionsmechanismen auf der Annahme der tatsächlichen Einhaltung der Lock-up Agreements beruhen, welche aufgrund der schuldrechtlichen Wirkung jedoch nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Im Folgenden soll daher der Blick auf die Verletzung von Lock-up Agreements gerichtet werden. Hierfür ist in einem ersten Schritt zu untersuchen, weswegen Lock-up Agreements überhaupt verletzt werden sollten und auf welchen Wegen dies geschehen kann, bevor auf rechtliche und faktische Möglichkeiten der Sicherung der Einhaltung bzw. Durchsetzung von Lock-up Agreements eingegangen wird (A.) Im Zentrum der nachfolgenden Untersuchung wird sodann die Frage stehen, ob die Verletzung von Lock-up Agreements eine Schadensersatzhaftung nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen begründet und dadurch wirksam sanktioniert wird (B.). Im Anschluss wird rechtsvergleichend untersucht, wie ein Verstoß gegen Lock-up Agreements nach USamerikanischem Kapitalmarktrecht zu behandeln ist (C.).

A. Die Verletzung von Lock-up Agreements Lock-up Agreements begründen ein Schuldverhältnis mit daraus resultierenden Rechten und Pflichten, die von den beteiligten Parteien verletzt werden können. Im Vordergrund steht hierbei die Pflicht der Altaktionäre, ihre Aktien für den Zeitraum der Lock-up-Periode nicht zu veräußern. Im Folgenden soll dargelegt werden, warum und in welchen Konstellationen gegen Lock-up Agreements verstoßen wird bzw. werden kann. 429

Vgl. 1. Kapitel C. I.

A. Die Verletzung von Lock-up Agreements

105

I. Verstoß gegen Lock-up Agreements Der Abschluss eines Lock-up Agreements liegt nicht notwendigerweise im Interesse der Altaktionäre. Zwar profitieren diese von einer erfolgreichen Emission und einer stabilen Entwicklung des Aktienkurses, gleichzeitig stellen Lock-up Agreements für die Altaktionäre jedoch Kosten dar, da diese sich dem Kursrisiko des Emittenten aussetzen und die Möglichkeit der Portfoliodiversifikation limitiert wird.430 Folglich können Altaktionäre auch nach Abschluss eines Lock-up Agreements ein Interesse an der Veräußerung ihrer Aktien haben, etwa um besondere Kursgewinne nach einer Börseneinführung zu realisieren, ihr Portfolio zu diversifizieren oder um Vermögensverluste aufgrund eines erwarteten Kursrückgangs zu vermeiden.431 Die Verletzung eines Lock-up Agreements ist oftmals mit erheblichen Kursverlusten verbunden432 und stellt aus ökonomischer Sicht opportunistisches Verhalten seitens der Altaktionäre dar. Opportunistisches Verhalten beschreibt in der Spieltheorie ein individuell nutzenmaximierendes Verhalten, wobei eine Person das Vertrauen eines Anderen erweckt, woraufhin sich dieser Andere kooperativ verhält, die Person das Vertrauen dann aber bricht, indem sie die unkooperative Strategie wählt und anstelle der Vertrauensprämie eine Opportunitätsprämie erzielt.433 Durch den Abschluss eines Lock-up Agreements (und dessen Veröffentlichung im Wertpapierprospekt)434 erweckt der Altaktionär das Vertrauen des Neuanlegers,435 woraufhin sich dieser kooperativ verhält, indem er im Zuge der Emission Aktien zu einem höheren Preis erwirbt. Veräußert der Altaktionär seine Aktien während der Lock-up-Periode und verletzt damit das Lock-up Agreement, missbraucht er diese Vertrauensbeziehung zugunsten einer Opportunitätsprämie. Unter Zugrundelegung der Annahme eines rational nutzenmaximierenden Akteurs436 ist davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit opportunistischen Verhaltens, d. h. die Wahrscheinlichkeit der Verletzung eines Lock-up Agreements, im gleichen Maße steigt, wie die Opportunitätsprämie die Vertrauensprämie übersteigt.437 Anders gesprochen: Je stärker der Aktienkurs im Nachgang einer Emission steigt und dabei den Fundamentalwert des Emittenten übersteigt, desto größer ist der Anreiz für die Altaktionäre, gegen Lock-up Agreements zu verstoßen, um die Kursgewinne zu realisieren. Entsprechend würde der Anreiz, gegen ein Lock-up Agreement zu verstoßen, sinken,

430

Ausführlich zum Interessendiagramm der beteiligten Parteien vgl. 1. Kapitel B. II. Dies gilt v. a. für die Unternehmensführung, welche über besondere Insiderinformationen verfügt. 432 Vgl. 3. Kapitel B. II., D. 433 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 549 f. 434 Zur Rolle der Veröffentlichung der Lock-up Agreements vgl. 8. Kapitel C. I. 435 Dazu bereits 3. Kapitel A. 436 Zur REM-Hypothese vgl. Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217 f. sowie bereits Fn. 264. 437 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 550. 431

106

4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

wenn ein solcher Verstoß eine Haftung und damit verbundene Kosten begründen würde, welche die Opportunitätsprämie übersteigen. Tatsächlich ist es in der Vergangenheit wiederholt vorgekommen, dass Altaktionäre trotz eines getroffenen Lock-up Agreements ihre Anteile vor Ablauf der Lock-up-Periode veräußert und damit heftige Kursreaktionen verursacht haben.438 Insbesondere während der Börsenturbulenzen Anfang des Jahrtausends haben Verstöße gegen Lock-up Agreements für Aufsehen gesorgt, wobei vor allem das Börsensegment Neuer Markt hiervon betroffen war.439 Doch auch in jüngerer Vergangenheit wurde sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene gegen Lockup Agreements verstoßen.440 Darüber hinaus dürfte die Dunkelziffer deutlich größer sein, da etwaige Aktienveräußerungen meist anonym vollzogen werden. Insbesondere dann, wenn durch eine Wertpapierveräußerung gegen Lock-up Agreements verstoßen wird, werden Altaktionäre die Aktienveräußerungen weder ankündigen noch im Nachhinein veröffentlichen,441 sodass nicht jeder Verstoß gegen Lock-up Agreements zwangsläufig auch an die Öffentlichkeit gelangt.442 Folglich besteht die Gefahr, dass Altaktionäre trotz eines abgeschlossenen Lock-up Agreements ihre Aktien während der Lock-up-Periode veräußern. Der „Wert“ der Lock-up Agreements bemisst sich somit an ihrer rechtlichen Durchsetzbarkeit bzw. den Möglichkeiten einer Schadensersatzhaftung und damit einhergehenden Sanktionierung im Fall ihrer Verletzung.

438

Baur/Wagner, Die Bank 2002, 530, 532. Viel zitiert zum einen der EM.TV-Fall aus dem Jahr 2000, in welchem die Haffa-Brüder (Gründer und Vorstand der EM.TV AG) ihre Anteile vor Ablauf der Haltefrist für 40 Mio. DM veräußerten und der Aktienkurs im Verlauf des Jahres von 115 DM auf unter 10 DM fiel. Bei der vereinbarten „Marktschutzklausel“ handelte es sich allerdings um ein „weiches“ Lock-up Agreement, da eine Aktienveräußerung nur ohne vorherige Zustimmung der Emissionsbank unzulässig war. Für eine ausführliche Darstellung des Sachverhalts vgl. LG Frankfurt/M., Urt. v. 17. 1. 2003 – 3 – 07 O 26/01 („EM.TV I“), ZIP 2003, 400 ff. und OLG Frankfurt/M., Urt. v. 06. 07. 2004 – 5 U 122/03 („EM.TV II“), ZIP 2004, 1411 ff. Ferner zum Telekom-Fall und zur Umgehung der Haltefrist durch Telekom-Großaktionäre vgl. Handelsblatt v. 16. 08. 2001: „TAktie: Haltefrist umgangen“, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/archiv/ron-sommershintertuer-t-aktie-haltefrist-umgangen/2090528.html (zuletzt abgerufen am 26. 04. 2019). 440 National bspw. der Zalando-Fall, vgl. FAZ v. 12. 03. 2005: „Zalando-Eigner machen Kasse vor Ende der Frist“, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/finanzen/aktien/zalando-eig ner-machen-kasse-vor-ende-der-frist-13477514.html (zuletzt abgerufen am 26. 04. 2019). Aus den USA der GoPro-Fall, bei welchem die Unternehmensgründer Lock-up Agreements umgangen haben, um ihre Aktien in eine neue Stiftung einzubringen – der Börsenkurs fiel in der Folge kurzzeitig um ganze 14 %, siehe dazu The Wall Street Journal v. 02. 10. 2014: „GoPro’s Lockup Loophole Spooks Investors“, abrufbar unter http://blogs.wsj.com/moneybeat/2014/10/ 02/gopros-lockup-loophole-spooks-investors/ (zuletzt abgerufen am 26. 04. 2019). 441 Zur Veröffentlichungspflicht im Rahmen des Directors’ Dealings vgl. Fn. 424. 442 Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 116; Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lockup Agreements, 2004, S. 97. 439

A. Die Verletzung von Lock-up Agreements

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II. Durchsetzbarkeit und Sicherung von Lock-up Agreements Nachdem die Hintergründe eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements erläutert wurden, ist zu untersuchen, ob ein wirksamer Rechtsschutz gegen die Verletzung von Lock-up Agreements besteht. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass aufgrund der schuldrechtlichen Natur von Lock-up Agreements, diesen gem. § 137 S. 1 BGB keine dingliche Außenwirkung zukommt, sodass eine Veräußerung von Aktien durch die Altaktionäre auch während der Lock-up-Periode möglich ist.443 Im Folgenden soll daher auf alternative Rechtsmittel eingegangen werden, um zu untersuchen, ob die Möglichkeit einer Durchsetzbarkeit bzw. faktischen Sicherung der Einhaltung von Lock-up Agreements besteht. 1. Einstweiliger Rechtsschutz Lock-up Agreements stellen ein schuldrechtliches Veräußerungsverbot dar und begründen folglich einen vertraglichen Unterlassungsanspruch gegenüber den Altaktionären, dem Veräußerungsverbot nicht zuwiderzuhandeln.444 Hinsichtlich der Sicherung eines solchen Unterlassungsanspruchs wird vertreten, dass eine einstweilige Verfügung gem. §§ 935, 938 Abs. 2 ZPO statthaft ist, wonach der Anspruch durch ein gerichtliches Veräußerungsverbot gesichert wird, welches gem. § 136 BGB i.V.m. § 135 BGB dingliche Wirkung entfaltet.445 Dagegen hält ein Teil der Literatur die einstweilige Verfügung als Sicherungsmittel für schuldrechtliche Veräußerungsverbote für nicht statthaft und verweist stattdessen auf die vollstreckbare richterliche Untersagung der Verfügung nach § 890 ZPO.446 Nach dieser Auffassung verstößt die durch eine einstweilige Verfügung erzielte dingliche Wirkung gegen das Prinzip der Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzes, wonach die einstweilige Verfügung die Hauptsache nicht vorwegnehmen darf, sondern stets ein Minus und Aliud bleiben muss.447 Der zweiten Ansicht ist zuzustimmen. Die einstweilige Verfügung würde ein richterliches, dingliches Verfügungsverbot begründen, welches jedoch gerade mit der Wertung des § 137 S. 1 BGB kollidiert und 443

Dazu bereits ausführlich unter 1. Kapitel C. I. Vgl. BGH, Urt. v. 25. 9. 1963 – V ZR 130/61, BGHZ 40, 115, 117; Armbrüster, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 137 Rn. 31; Fritzsche, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage, 2000, S. 59 m.w.N. 445 So die wohl h.M., vgl. BGH, Beschl. v. 5. 12. 1996 – V ZB 27/96, BGHZ 134, 182 (obiter dictum), 187; Ellenberger, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 137 Rn. 6; Hefermehl, in: Soergel-BGB, 13. Aufl. 1999, § 137 Rn. 13; Mansel, in: Jauernig-BGB, 17. Aufl. 2018, § 137 Rn. 3; weitere Nachweise bei Kohler, Das Verfügungsverbot, 1984, S. 23, dort Fn. 27. 446 Armbrüster, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 137 Rn. 31; Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, S. 124 f.; Kohler, Das Verfügungsverbot, 1984, S. 296 f.; Kohler, in: Staudinger-BGB (2017), § 137 Rn. 56; Merrem, JR 1993, 53, 55. 447 Zum Verhältnis von einstweiligem Rechtsschutz und Hauptverfahren vgl. Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl. 2018, Rn. 1582; Drescher, in: MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 938 Rn. 8; Huber, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 15. Aufl. 2018, § 938 Rn. 4. 444

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

somit dem Grundsatz zuwiderliefe, wonach das Prozessrecht lediglich der Durchsetzung des materiellen Rechts dient, dieses aber nicht durch eigene Wertungen überlagern darf.448 Selbst wenn im Einklang mit der ersten Ansicht eine einstweilige Verfügung gem. §§ 935, 938 Abs. 2 ZPO für statthaft erklärt würde, so würde die Sicherung der Einhaltung von Lock-up Agreements regelmäßig an dem Erfordernis des Verfügungsgrundes449 scheitern, denn die Altaktionäre werden eine Veräußerung von Aktien während der Lock-up-Periode, d. h. einen Verstoß gegen ein Lock-up Agreement, regelmäßig nicht ankündigen, sodass der Antragsteller eine drohende Veränderung des Status quo nicht glaubhaft machen kann.450 Auch eine richterliche Untersagung der Verfügung gem. § 890 ZPO bewirkt keine hinreichende Sicherung der Einhaltung von Lock-up Agreements, da die Vorschrift bereits eine schuldhafte Zuwiderhandlung, d. h. die Verletzung eines Lock-up Agreements, voraussetzt und sie somit primär repressiv ist.451 Folglich bieten die Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes keine hinreichende Sicherung der Einhaltung von Lock-up Agreements gegen abredewidrige Aktienveräußerungen durch die Altaktionäre während der Lock-up-Periode. 2. Separate Wertpapiernummern und Sperrdepots Teilweise wird sich in der Praxis damit beholfen, den Aktien, die dem Lock-up Agreement unterliegen, eine seperate Wertpapiernummer zuzuweisen und diese während der Lock-up-Periode in gesonderten Sperrdepots zu verwahren. Durch die gesonderte Verwahrung können die gesperrten Aktien faktisch nicht über die Börse veräußert werden, sodass die Einhaltung der Lock-up Agreements insoweit gesichert wird.452 Hingegen vermag auch die Verwahrung der Aktien auf einem gesonderten Sperrdepot nur den börsenmäßigen Handel zu verhindern, nicht jedoch die außerbörsliche Veräußerung der Aktien. Zudem können die Altaktionäre auch eine faktische Sicherung durch separate Wertpapierkennnummern durch Umgehungsgeschäfte überwinden, etwa indem der Altaktionär nicht seine gesperrten Aktien veräußert, sondern mittels eines Wertpapierdarlehens (§ 607 Abs. 1 BGB) geliehene 448

Armbrüster, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 137 Rn. 31; Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, S. 123; Kohler, in: Staudinger-BGB (2017), § 137 Rn. 56. 449 Ein Verfügungsgrund ist eine objektiv begründete Gefahr, wonach durch eine Veränderung des Status quo die Rechtsverwirklichung des im Hauptverfahren zu erzielenden Urteils sowie dessen Vollstreckung vereitelt oder erschwert wird. Der Antragsteller muss den Verfügungsgrund glaubhaft machen, vgl. Drescher, in: MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 935 Rn. 15, 21. 450 Übereinstimmend Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 97; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 116; Korfsmeyer, FB 1999, 205, 208; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 33. 451 Gruber, in: MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 890 Rn. 2, 9. 452 Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 120; Harrer/Mölling, BB 1999, 2521, 2523; Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 69.

A. Die Verletzung von Lock-up Agreements

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Aktien, wobei er dem Darlehnsgeber die ehemals gesperrten Aktien nach Ablauf der Lock-up-Periode erstattet.453 Ebenfalls angedacht wurde die Möglichkeit, die gesperrten Aktien auf einen anderen Rechtsträger zu übertragen bzw. diese durch einen Treuhänder (bspw. die Emissionsbank) zu verwahren.454 Allerdings kann auch die Verwahrung durch einen Treuhänder nicht verhindern, dass Altaktionäre Umgehungsgeschäfte vereinbaren, die einer Veräußerung wirtschaftlich entsprechen. Überdies scheint es zweifelhaft, dass sich die Altaktionäre freiwillig dem Risiko einer abredewidrigen Ausübung der Aktionärsrechte durch den Treuhänder aussetzen werden. Folglich vermitteln die Kennzeichnung der gesperrten Aktien durch gesonderte Wertpapierkennnummern und die Verwahrung in Sperrdepots zwar einen faktischen Schutz gegen börsenmäßige Veräußerungen, gewährleisten aber keine umfassende Sicherung der Einhaltung von Lock-up Agreements und haben sich in der Praxis demnach nicht durchgesetzt.455 3. Vertragsstrafe Da Lock-up Agreements privatrechtliche Abreden sind, können die Altaktionäre und die Emissionsbank Vertragsstrafen für den Fall einer Verletzung von Lock-up Agreements vereinbaren.456 Vertragsstrafen dienen dem Zweck, die Erfüllung der Hauptforderung als „Druckmittel“ zu sichern und dem Gläubiger den Schadensbeweis zu ersparen.457 Gem. § 339 S. 2 BGB können Vertragsstrafen auch für ein geschuldetes Unterlassen vereinbart werden.458 Die Androhung einer Vertragsstrafe, die mit einer spürbaren finanziellen Belastung einhergeht, könnte eine verhaltenssteuernde Sanktionswirkung entfalten, kraft derer die Einhaltung der Lock-up Agreements gesichert würde. Die Höhe der Vertragsstrafe müsste dabei variabel gestaltet werden und sich an der Kursentwicklung und dem aus der abredewidrigen Veräußerung erzielten Gewinn orientieren. Starre, absolute Vertragsstrafen können ihre Sanktionswirkung hingegen verlieren, wenn der erzielbare Gewinn aus einer 453 Ausführlich zur Konstellation der Leerverkäufe vgl. Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Vereinbarungen, 2004, S. 93. 454 Hierzu Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 122; Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Vereinbarungen, 2004, S. 100. 455 Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 20; Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 3 Rn. 37; anders A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 562 f., der die unzureichende Sicherungsmöglichkeit anerkennt, aber eine „häufige“ Anwendung in der Praxis beschreibt. 456 Immenga, AG 1992, 79, 80; Korfsmeyer, FB 1999, 205, 209; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 564. 457 BGH, Urt. v. 6. 11. 1967 – VIII ZR 81/65, BGHZ 49, 84, 89; BGH, Urt. v. 27. 11. 1974 – VIII ZR 9/73, BGHZ 63, 256, 259; BGH, Urt. v. 18. 11. 1982 – VII ZR 305/81, BGHZ 85, 305, 312 f.; BGH, Urt. v. 23. 6. 1988 – VII ZR 117/87, BGHZ 105, 24, 27; Grüneberg, in: PalandtBGB, 78. Aufl. 2019, § 339 Rn. 1. 458 Gottwald, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, Vor § 339 Rn. 1.

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

Aktienveräußerung aufgrund des Kursverlaufs deutlich höher ausfallen würde als der vertraglich festgelegte Haftungsbetrag.459 Grundsätzlich geht die herrschende Meinung von der Zulässigkeit einer Vertragsstrafe zur Sicherung eines rechtsgeschäftlichen Veräußerungsverbots aus.460 Dagegen wird vereinzelt vertreten, dass eine zu hohe Vertragsstrafe faktisch wie ein Veräußerungsverbot i.S.d. § 137 S. 1 BGB wirke und daher unwirksam sei.461 Danach stelle eine Vertragsstrafe, welche im Fall des Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement den gesamten Veräußerungserlös zum Gegenstand hat, eine unzulässige rechtsgeschäftliche Beschränkung der rechtlichen Handlungsfähigkeit dar und sei daher unwirksam.462 Gegen diese Auffassung spricht jedoch, dass eine Vertragsstrafe gerade keine dingliche Wirkung entfaltet, sondern lediglich einen finanziellen Anspruch begründet, sodass kein unmittelbarer Verstoß gegen § 137 S. 1 BGB vorliegt. Von einer unzulässigen Umgehung des § 137 S. 1 BGB könnte nur ausgegangen werden, wenn die Vertragsstrafe aufgrund des auf den Verpflichteten ausgeübten hohen wirtschaftlichen Drucks gerade dem Zweck des § 137 S. 1 BGB zuwiderliefe.463 Davon kann indes nicht ausgegangen werden. § 137 S. 1 BGB schützt vor allem die Klarheit, Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Rechtsverkehrs und dient insbesondere dem Vollstreckungsrecht.464 Eine Vertragsstrafe soll jedoch, unabhängig von ihrer Höhe, weder die Vollstreckung erschweren noch die Freiheit, Sicherheit oder Funktionsfähigkeit des Rechtsverkehrs beeinträchtigen, sodass nicht von einer unzulässigen Umgehung ausgegangen werden kann.465 Folglich sind Vertragsstrafen im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Lock-up Agreements grundsätzlich zulässig. Indes müssen sich Vertragsstrafen an der allgemeinen Regelung des § 138 BGB messen lassen.466 Hierbei ist anzumerken, dass eine Nichtigkeit nicht allein aufgrund einer (zu) hohen Vertragsstrafe in Betracht kommt, da in diesem Fall § 343 Abs. 1 BGB eingreift, wonach eine gerichtliche Billigkeitskon-

459 Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 124; Korfsmeyer, FB 1999, 205, 209, der sich für eine variable Vertragsstrafe in Höhe von 10 bis 20 % des erzielten Veräußerungserlöses ausspricht. 460 RG, Urt. v. 6. 6. 1903 – V 147/03, RGZ 55, 78, 79 f.; Armbrüster, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 137 Rn. 33; Ellenberger, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 137 Rn. 6; Looschelders, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 137 Rn. 20; Merrem, JR 1993, 53, 54. 461 So Korfsmeyer, FB 1999, 205, 209. 462 Korfsmeyer, FB 1999, 205, 209. 463 Nach der h.M. stellt die Gesetzesumgehung kein eigenständiges Rechtsinstitut dar. Stattdessen ist durch teleologische Rechtsanwendung zu ermitteln, ob die besagte Gesetzesumgehung unter den Tatbestand von § 134 BGB fällt, vgl. Looschelders, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 134 Rn. 83 ff. 464 Looschelders, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 134 Rn. 83 ff. Ausführlich zu den Schutzfunktionen des § 137 S. 1 BGB bereits unter Fn. 86. 465 So auch Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 128; Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 98. 466 Gottwald, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 339 Rn. 10.

A. Die Verletzung von Lock-up Agreements

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trolle erfolgt.467 Eine Nichtigkeit nach § 138 BGB setzt daher neben der unverhältnismäßigen Höhe der Vertragsstrafe zusätzliche Umstände voraus, z. B. wenn Primärverpflichtung und Strafandrohung zusammen zu einer Knebelung des Schuldners führen würden.468 Derartige Nichtigkeitsgründe sind im Fall von Vertragsstrafen bei Lock-up Agreements nicht ersichtlich.469 Obwohl Vertragsstrafen zulässig sind, bewirken sie keine dingliche Sicherung der Einhaltung von Lock-up Agreements. Zudem ist fraglich, inwieweit Vertragsstrafen überhaupt als effektives Sicherungsmittel dienen. Sind die Vertragsstrafen zu niedrig, geht von ihnen keine abschreckende Wirkung aus. Besonders hohe Vertragsstrafen und eine damit einhergehende wirksame Verhaltenssteuerung sind im Vorfeld einer Emission dagegen nur schwer mit den Altaktionären zu vereinbaren, da sich die Altaktionäre einer solchen Haftung nicht freiwillig aussetzen werden.470 Im Ergebnis gewährleisten damit auch Vertragsstrafen keine hinreichende Sicherung der Einhaltung von Lock-up Agreements.471 Zwar können in Einzelfällen Vertragsstrafen vereinbart werden, deren Strafdrohung hinreichend hoch ist, um eine entsprechende Abschreckung zu gewährleisten. Jedoch hängt dies maßgeblich von den Verhandlungen und der Verhandlungsposition der Altaktionäre gegenüber der Emissionsbank im Vorfeld der Emission ab. Da die Emissionsbanken zwar Begünstigte der Vertragsstrafe sind, oftmals jedoch keinen Vermögensschaden durch die Verletzung eines Lock-up Agreements davontragen,472 besteht schon kein entsprechender Anreiz für die Emissionsbank, auf die Vereinbarung einer hinreichend hohen Vertragsstrafe zu bestehen bzw. eine solche gegen den Widerstand der Altaktionäre durchzusetzen.473 4. Fazit Trotz ihrer praktischen Bedeutung und der widerstreitenden Interessenlagen der beteiligten Parteien besteht keine Möglichkeit einer hinreichenden Sicherung der Einhaltung bzw. Durchsetzung von Lock-up Agreements, sodass die pflichtwidrige 467 Gottwald, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 343 Rn. 1. Anzumerken ist, dass § 343 Abs. 1 BGB nicht für Kaufleute gilt, § 348 HGB. 468 Lindacher, in: Soergel-BGB, 13. Aufl. 2010, § 343 Rn. 5. 469 So auch Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 131 ff.; Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2004, S. 99. 470 A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 564. 471 Zust. Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 20; Singhof/Weber, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 3 Rn. 37; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 564. 472 Dazu sogleich unter 4. Kapitel B. I. 1. a). 473 Begünstigte der Vertragsstrafe können auch Dritte sein, vgl. Gottwald, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, Vor § 339 Rn. 3, jedoch gilt hier ebenfalls, dass die Altaktionäre nicht ohne weiteres einer hohen drittbegünstigenden Vertragsstrafe zustimmen werden, zumal Vertragsund damit Verhandlungsgegner die Emissionsbank bleibt.

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

Veräußerung von Aktien während der Lock-up-Periode nicht verhindert werden kann. Zwar existieren Maßnahmen, die eine börsenmäßige Veräußerung faktisch verhindern, die Umgehung der Lock-up Agreements bleibt den Altaktionären indes weiterhin möglich. Auch die Vereinbarung von hohen Vertragsstrafen, denen eine gewisse Steuerungsfunktion zukommen kann, lässt sich nicht gegen den Willen der Altaktionäre erzwingen und stellt folglich ebenfalls kein effektives Sicherungs- bzw. Sanktionierungsmittel dar. Die fehlende Sicherungsmöglichkeit und damit einhergehende Möglichkeit der Altaktionäre, jederzeit gegen die Lock-up Agreements zu verstoßen, steht im Widerspruch zu der Bedeutung von Lock-up Agreements für Anleger und den Kapitalmarkt.

III. Zwischenergebnis Unter der Prämisse, dass die Altaktionäre als rational nutzenmaximierende Marktakteure auftreten, können Anreize für die Altaktionäre existieren, gegen die getroffenen Lock-up Agreements zu verstoßen, was in der Praxis auch wiederholt beobachtet werden konnte. Diesem Befund steht entgegen, dass die Einhaltung von Lock-up Agreements nicht wirksam gesichert bzw. durchgesetzt werden kann, da den Lock-up Agreements aufgrund von § 137 S. 1 BGB keine dingliche Wirkung zukommt und anderweitige Sicherungsmechanismen in der Praxis ins Leere laufen. Insbesondere die geschädigten Anleger haben keine Möglichkeit, einen Verstoß gegen Lock-up Agreements zu verhindern bzw. sich gegen einen Verstoß abzusichern. Denn zwischen den Anlegern und den Altaktionären existiert ein informationelles Ungleichgewicht, sodass die Anleger schlechter informiert sind und das Risiko einer Verletzung von Lock-up Agreements nicht kalkulieren können. Zudem stehen die Anleger aufgrund der Anonymität des Kapitalmarkts in keinem unmittelbaren Kontakt mit den Altaktionären, sodass auch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zur Absicherung ihrer Interessen gegenüber den Altaktionären nicht in Betracht kommt. Da eine pflichtwidrige Veräußerung während der Lock-up-Periode nicht verhindert werden kann, rückt die Frage in den Mittelpunkt, ob den geschädigten Anlegern im Fall einer Verletzung von Lock-up Agreements ein Schadensersatzanspruch gegenüber den pflichtwidrig veräußernden Altaktionären zusteht.

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen Vor dem Hintergrund, dass die Verletzung von Lock-up Agreements durch die Altaktionäre erhebliche negative Kursreaktionen bewirken kann, und nach dem Befund, dass keine Möglichkeit der präventiven (dinglichen) Sicherung der Ein-

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen

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haltung von Lock-up Agreements besteht, ist nunmehr zu untersuchen, ob ein Verstoß der Altaktionäre gegen Lock-up Agreements eine Schadensersatzhaftung begründet und das pflichtwidrige Verhalten der Altaktionäre dadurch sanktioniert wird. Dafür sind zunächst die verschiedenen möglichen Haftungskonstellationen darzustellen, bevor auf konkrete Schadensersatzansprüche nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen eingegangen wird.

I. Vorüberlegungen Aufgrund der uneinheitlichen Terminologie von Lock-up Agreements wurde bereits bezüglich der Vereinbarung von Lock-up Agreements zwischen verschiedenen Konstellationen unterschieden und wurden diese voneinander abgegrenzt.474 Auch im Hinblick auf die Verletzung von Lock-up Agreements und eine etwaige Schadensersatzhaftung muss zwischen verschiedenen Sachverhaltskonstellationen differenziert werden. Maßgebliche Kriterien sind dabei die Schadensverteilung und Anspruchsrichtung, die Art der Lock-up-Vereinbarung und die Art des Verstoßes. 1. Anspruchsrichtung und Schadensverteilung Der Grundgedanke des Haftungsrechts vereint eine Ausgleichs- und vor allem Präventionsfunktion, wobei die Ausgleichsfunktion die Umverteilung eines Schadens von dem Geschädigten auf den Schädiger beschreibt.475 Folglich ist hinsichtlich der Haftung infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements zu untersuchen, wer durch die pflichtwidrige Veräußerung der Altaktionäre einen Schaden erleidet. Dabei ist zu beachten, dass Lock-up Agreements zwar schuldrechtliche Abreden zwischen den Altaktionären und der Emissionsbank sind,476 sich die Wirkung von Lock-up Agreements jedoch nicht auf das Verhältnis zwischen Altaktionären und der Emissionsbank beschränkt, sondern auch den Emittenten, die Neuinvestoren und den Kapitalmarkt als solchen betrifft.477 a) Ansprüche der Emissionsbank Im Rahmen eines Lock-up Agreements verpflichten sich die Altaktionäre gegenüber der Emissionsbank, während der Lock-up-Periode keine Aktien zu veräu474

Vgl. 1. Kapitel A. III. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 148 ff. Ausführlich zur Funktion des Haftungsrechts unter 7. Kapitel B. II. 476 Denkbar ist auch eine Verpflichtung gegenüber dem Emittenten, jedoch stellt eine Verpflichtung gegenüber der Emissionsbank (oder dem Bankenkonsortium) den Regelfall dar, sodass im Folgenden stets von dieser Konstellation ausgegangen werden soll, vgl. bereits 1. Kapitel A. III. 3. 477 Vgl. schon 3. Kapitel C. Zur Interessenlage der beteiligten Parteien vgl. 1. Kapitel B. II. 475

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

ßern. Verstößt ein Altaktionär gegen diese vertragliche Pflicht, indem er Aktien während der Lock-up-Periode veräußert, steht der Emissionsbank unweigerlich ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zu. Jedoch erleidet die Emissionsbank durch die pflichtwidrige Aktienveräußerung des Altaktionärs keinen Schaden. Die Pflicht der Emissionsbank erschöpft sich in der Emissionsbegleitung und dem Absetzen der Aktien an das Anlegerpublikum.478 Ein Kursverlust infolge eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements im Anschluss an die Börseneinführung betrifft die Emissionsbank somit allenfalls im Hinblick auf etwaige Kurspflegemaßnahmen, wobei eine Kursstabilisierung zwar unter Umständen erschwert wird, dadurch jedoch keine Vermögensschäden zu erwarten sind.479 Die Emissionsbank könnte sich einzig auf einen Reputationsverlust infolge einer negativen Kursentwicklung berufen. Ein solcher Reputationsschaden ist jedoch kein konkret zu beziffernder und nachweisbarer Vermögensschaden, sondern stellt allenfalls einen immateriellen Schaden dar, welcher gem. § 253 Abs. 1 BGB nur in den gesetzlich normierten Fällen ersatzfähig ist.480 Ein Schadensersatzanspruch der Emissionsbank gegen den pflichtwidrigen Altaktionär ist somit nicht zielführend. b) Ansprüche des Emittenten Auch im Verhältnis der Altaktionäre zum Emittenten ist fraglich, ob ein Kursverlust infolge der Verletzung eines Lock-up Agreements einen ersatzfähigen Vermögensschaden des Emittenten darstellt. Ausgangspunkt für die Schadensberechnung ist der Schadensbegriff der §§ 249 ff. BGB, welcher auf der Differenzhypothese aufbaut und wonach das Vermögen der Gesellschaft mit jenem Vermögen, welches bei Hinwegdenken des schädigenden Ereignisses bestünde, verglichen wird.481 Kommt es zu einem Kursverlust aufgrund einer Verletzung von Lock-up Agreements, so verringert sich hierdurch die Marktkapitalisierung des Emittenten. Indes ist für die Schadensberechnung allein das Gesellschaftsvermögen maßgeblich. Die Marktkapitalisierung, welche die Vermögenslage der Aktionäre widerspiegelt, bleibt 478

A. I.

Zu den Aufgaben der Emissionsbank im Rahmen einer Fremdemission vgl. 2. Kapitel

479 Insbesondere im Rahmen von sog. Greenshoe-Optionen besteht die Möglichkeit, durch eine negative Kursentwicklung zusätzliche Gewinne zu erzielen, vgl. Fn. 66. 480 Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 21; Fleischer, WM 2002, 2305, 2311; Lutter/ Drygala, in: FS Raisch 1995, S. 239, 247; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 564. Grundlegend für einen Reputationsvermögensschaden Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 692: „Der Reputationsvermögensschaden lässt sich daher definieren als der abgezinste Wert aller künftigen Mehrkosten und Mindereinnahmen der Gesellschaft, die darauf beruhen, dass die Stakeholder der Gesellschaft an der Fähigkeit oder Bereitschaft der Gesellschaft zur Einhaltung ihrer expliziten oder impliziten Versprechen zweifeln.“ Selbst wenn aufgrund des Ausbleibens zukünftiger Aufträge von einem materiellen Schaden ausgegangen werden wollte, so würde jedenfalls der Kausalitätsnachweis zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden nicht gelingen, vgl. Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 154, dort Fn. 1042. 481 Statt vieler Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2019, § 93 Rn. 211.

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen

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dagegen unerheblich.482 Eine Verringerung der Börsenkapitalisierung lässt das Gesellschaftsvermögen somit grundsätzlich unberührt, sodass darin auch kein ersatzfähiger Vermögensschaden besteht.483 Ein Kursverlust könnte sich allerdings negativ auf die Reputation des Emittenten auswirken. Zwar handelt es sich bei einem Reputationsverlust zunächst um einen immateriellen Schaden, jedoch wird vertreten, dass sich dieser Schaden materialisiert, wenn dem Emittenten infolge des Reputationsverlustes die erneute Inanspruchnahme des Kapitalmarkts erschwert wird und eine Kapitalaufnahme aufgrund erhöhter Kapitalkosten nicht zu den vorherigen Konditionen möglich ist.484 Indes ist zweifelhaft, ob ein derartiger Vermögensschaden der Gesellschaft aufgrund erhöhter Kapitalkosten mit hinreichender Genauigkeit festgestellt werden kann; insbesondere da eine Vielzahl weiterer Erwägungen berücksichtigt werden müsste (anderweitig zu beschaffendes Fremdkapital, Verschiebung der Kapitalmaßnahme, hinreichendes Marketing).485 Folglich kommt auch einem Schadensersatzanspruch des Emittenten keine praktische Bedeutung zu.486 c) Ansprüche der Anleger Schließlich ist auf etwaige Schadensersatzansprüche der Anleger einzugehen, die sich im Rahmen der Emission an dem Emittenten beteiligt haben. Kommt es infolge von pflichtwidrigen Aktienveräußerungen der Altaktionäre während der Lock-upPeriode zu Kursverlusten, so betrifft dies insbesondere die Anleger, deren Aktienvermögen sich entsprechend den Kursverlusten verringert.487 Eine Verletzung von Lock-up Agreements durch Altaktionäre betrifft somit insbesondere die Anleger, sodass einem etwaigen Schadensersatzanspruch der geschädigten Aktionäre besondere Bedeutung zukommt. Als Anspruchsgegner der Anleger kommen lediglich die Altaktionäre in Betracht. Denn weder die Emissionsbank noch der Emittent kann, wie zuvor dargelegt wurde, die Sicherung der Einhaltung oder Durchsetzung der Lock-up Agreements ge-

482 Bürgers, in: Bürgers/Körber (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2017, § 93 Rn. 22; Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2019, § 93 Rn. 214; Mertens/Cahn, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2010, § 93 Rn. 60; Spindler, in: MüKo-AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 Rn. 192. 483 Anders nur Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 135, 183, wobei keine nähere Begründung erfolgt, sondern hinsichtlich eines Schadens der Gesellschaft auf den Schaden der Neuinvestoren verwiesen wird, was der Trennung von Gesellschafts- und Aktionärsvermögen nicht gerecht wird. 484 Korfsmeyer, FB 1999, 205, 208 f.; Lutter/Drygala, in: FS Raisch 1995, 239, 247; C. Schäfer, ZGR 2008, 455, 469; zur Auswirkung von Unternehmensreputation auf Finanzierungskosten vgl. Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 691. 485 Korfsmeyer, FB 1999, 205, 209. 486 Fleischer, WM 2002, 2305, 2310. 487 Eingehend zur Schadensberechnung unter 9. Kapitel B.

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

währleisten und hat folglich Einfluss auf deren Einhaltung.488 Im Fall eines Verstoßes scheiden die Emissionsbank und der Emittent somit als Anspruchsgegner aus. Die Altaktionäre üben dagegen den alleinigen Einfluss auf die Einhaltung der von ihnen eingegangenen Lock-up Agreements aus, sodass sie im Fall einer Verletzung von Lock-up Agreements und einer dadurch bedingten Kursbeeinträchtigung als Anspruchsgegner der Anleger in Betracht kommen. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob den Anlegern ein Schadensersatzanspruch gegen die Altaktionäre im Fall eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements zusteht. 2. Art des Lock-up Agreements Hinsichtlich eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement muss zwischen („harten“) Lock-up Agreements und Marktschonungsvereinbarungen differenziert werden.489 Wurde ein „hartes“, d. h. unbedingtes, Lock-up Agreement getroffen, so stellt jede Aktienveräußerung der Altaktionäre während der Lock-up-Periode eine Verletzung des Lock-up Agreements dar. Wurde dagegen eine Marktschonungsvereinbarung geschlossen, so kann die Emissionsbank einer vorzeitigen Aktienveräußerung grundsätzlich zustimmen. Ein Verstoß gegen ein Lock-up Agreement liegt folglich nur vor, wenn die Aktienveräußerung ohne Dispens der Emissionsbank erfolgt ist. Genehmigt die Emissionsbank die Aktienveräußerung, so handelt der Altaktionär schon nicht pflichtwidrig. Die Emissionsbank ist im Hinblick auf die Genehmigung einer Aktienveräußerung auch nicht in ihrem Ermessen beschränkt, da sie eine Ermessensbindung im Interesse der Neuinvestoren erkennbar nicht eingehen will und eine solche überdies kaum justiziabel wäre.490 3. Art der Verletzung Auch hinsichtlich der Art der Verletzung eines Lock-up Agreements ist zwischen verschiedene Konstellationen zu differenzieren, die im Hinblick auf etwaige Schadensersatzansprüche der Anleger unterschiedlich zu behandeln sind. Den Regelfall und zugleich Kern der folgenden Untersuchung stellt der einseitige Verstoß gegen ein Lock-up Agreement dar, wonach ein Altaktionär pflichtwidrig während der Lockup-Periode Aktien veräußert, ohne dass die Emissionsbank bei dem Verstoß mitwirkt bzw. Kenntnis von dem Verstoß hat. Hiervon abzugrenzen sind solche Konstellationen, in denen Emissionsbank und Altaktionär zusammenwirken. Ein solches kollusives Verhalten liegt etwa vor, wenn sich die Emissionsbank und die Altaktionäre bereits während der Vereinbarung des Lock-up Agreements darüber verständigen, dass trotz bestehenden Lock-up Agreements Aktien veräußert werden 488

Dazu soeben unter 4. Kapitel A. II. Zur Unterscheidung von Lock-up Agreements und Marktschonungsvereinbarungen vgl. 1. Kapitel A. II. 1. und 2. 490 Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 20. 489

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen

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sollen. Ebenfalls gesondert zu behandeln sind Konstellationen, in denen Emissionsbank und Altaktionär das Lock-up Agreement noch während der Lock-up-Periode einvernehmlich abändern oder ganz aufheben.491 In diesem Fall wäre eine Aktienveräußerung während der (ursprünglichen) Lock-up-Periode schon nicht „pflichtwidrig“, weil das die Veräußerung untersagende Lock-up Agreement gerade nicht (mehr) besteht.492 Insofern handelt es sich bei der nachträglichen Abänderung oder Aufhebung von Lock-up Agreements um keine Verletzung eines Lock-up Agreements im eigentlichen Sinn und soll in der folgenden Untersuchung von Haftungstatbeständen zunächst außen vor bleiben.

II. Schadensersatz nach Kapitalmarktrecht Schadensersatzansprüche der Neuanleger gegen die Altaktionäre kommen zunächst aus kapitalmarktrechtlichen Vorschriften in Betracht, da das Kapitalmarktrecht grundsätzlichen Vorrang gegenüber dem Gesellschafts- und bürgerlichen Recht genießt.493 Kapitalmarktrechtliche Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements könnten sich aus der Prospekthaftung, der Haftung für falsche oder unterlassene Kapitalmarktinformationen, dem Verbot von Insidergeschäften sowie dem Verbot der Marktmanipulation ergeben. Eine Schadensersatzhaftung aufgrund eines Verstoßes gegen kapitalmarktrechtliche Verbotstatbestände kommt indes nur im Rahmen einer Schutzgesetzverletzung gem. § 823 Abs. 2 BGB in Betracht, sodass neben den Voraussetzungen des Verbotstatbestands insbesondere auf die Schutzgesetzeigenschaft der jeweiligen Norm einzugehen ist. 1. Prospekthaftung In Betracht kommt zunächst ein Schadensersatzanspruch der Anleger aus Prospekthaftung gem. §§ 21, 22 WpPG. Anknüpfungspunkt der Prospekthaftung ist der Wertpapierprospekt, dessen Veröffentlichung den Anlegern die Möglichkeit geben soll, sich vor dem Erwerb umfassend über das Wertpapier und den Emittenten zu informieren, wodurch das Informationsgefälle zwischen Emittent und Anleger verringert werden soll.494 Voraussetzung für eine Haftung nach §§ 21, 22 WpPG ist 491 Dies ist im Rahmen der Privatautonomie grundsätzlich möglich, vgl. Fleischer, WM 2002, 2305, 2312. 492 Eine ähnliche Konstellation schildert Fleischer, WM 2002, 2305, 2312, der sich auf eine einvernehmliche Aufhebung des Lock-up Agreements zwischen Emittent und Altaktionär bezieht, sowie Hausmaninger/Splechtna, ÖBA 2002, 37, 41. 493 Agiert eine Aktiengesellschaft am Kapitalmarkt, so muss sie sich den geltenden Schutzvorschriften zugunsten der Marktteilnehmer unterwerfen, vgl. Wilhelm, Kapitalgesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2018, Rn. 694. 494 Seiler/Singhof, in: Frankfurter Komm. WpPG/EU-ProspektVO, 2. Aufl. 2017, Vor §§ 21 ff. Rn. 1.

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

die Fehlerhaftigkeit des Wertpapierprospekts, d. h. wenn aus Sicht eines Anlegers zum maßgeblichen Zeitpunkt wesentliche Angaben im Prospekt unrichtig oder unvollständig sind oder ein falscher Gesamteindruck vermittelt wird (§ 21 Abs. 1 S. 1 WpPG).495 Gem. Anhang III Ziff. 7.3 EU-ProspektVO müssen Lock-up Agreements samt Angaben zu den beteiligten Parteien, Inhalt und Ausnahmen der Vereinbarung sowie Zeitraum der Lock-up-Periode im Wertpapierprospekt veröffentlicht werden.496 Wurde ein Lock-up Agreement ordnungsgemäß im Prospekt wiedergegeben und verstößt ein Altaktionär nach dem Börsengang gegen das Lockup Agreement, indem er seine Aktien pflichtwidrig während der Lock-up-Periode veräußert, so hat dieser Umstand keinen Einfluss auf die Richtigkeit des Prospekts. Denn der Prospekt ist hinsichtlich seiner Richtigkeit und Vollständigkeit „stichtagsbezogen“.497 Besagt der Prospekt, dass zum Zeitpunkt der Emission ein Lock-up Agreement existiert, entfaltet dies keine zukunftsbezogene Aussage über den inneren Willen der Parteien, sich an die Vereinbarung zu halten, und enthält ebenso wenig eine Garantieerklärung des Prospektveranlassers, für vertragsgemäßes Verhalten der Parteien des Lock-up Agreements einzustehen.498 Die Prospektveröffentlichung darf auch nicht als „Dauererklärung“499 verstanden werden, welche bei einem nachträglichen Verstoß gegen ein Lock-up Agreement unrichtig wird, da dies einen unzulässigen Versuch der zeitlichen Ausweitung der Prospekthaftung darstellt und demnach abzulehnen ist.500 Sofern der Prospekt vollständige und richtige Angaben über das abgeschlossene Lock-up Agreement enthält, bleibt der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement somit aus prospekthaftungsrechtlicher Sicht irrelevant.501 495 Groß, Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2016, § 21 WpPG Rn. 41 ff.; Mülbert/Steup, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 41 Rn. 35 ff.; Seiler/Singhof, in: Frankfurter Komm. WpPG/EU-ProspektVO, 2. Aufl. 2017, § 21 Rn. 36. 496 Seiler, in: Frankfurter Komm. WpPG/EU-ProspektVO, 2. Aufl. 2017, Anhang III Rn. 138 f. 497 Vgl. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6. 7. 2004 – 5 U 122/03 („EM.TV II“), ZIP 2004, 1411, 1413. 498 Berger/Filgut, EWiR 2003, 887, 888; Fleischer, WM 2002, 2305, 2311; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 563. Ähnlich OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6. 7. 2004 – 5 U 122/03 („EM.TV II“), ZIP 2004, 1411, 1415. 499 Diesen Begriff verwendet Seibert, BB 2002, 581, 583 im Zusammenhang mit der Erklärung zum Corporate Governance Kodex gem. § 161 Abs. 1 AktG, wobei er diese Terminologie nicht mit einer konkreten Haftungsfolge verbindet. 500 So i.E. auch Fleischer, WM 2002, 2305, 2312. 501 Ganz h.M., vgl. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6. 7. 2004 – 5 U 122/03 („EM.TV II“), ZIP 2004, 1411, 1412 f.; Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 21; Berger/Filgut, EWiR 2003, 887, 888; Fleischer, WM 2002, 2305, 2311; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 160; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 54; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 563. Anders läge es, wenn die Parteien von vornherein die Absicht hätten, gegen das Lock-up Agreement zu verstoßen, vgl. Fleischer, WM 2002, 2305, 2311. Zu dieser (anders gelagerten) Fallkonstellation vgl. bereits 4. Kapitel B. I. 3. Offenbleiben kann somit auch die Frage, ob die pflichtwidrig veräußernden Altaktionäre als Prospektveranlasser gem. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpPG gelten und damit als Haftungsadressat

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen

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2. Haftung für falsche oder unterlassene Kapitalmarktinformationen Auch eine Haftung für falsche oder unterlassene Kapitalmarktinformationen gem. §§ 97, 98 WpHG502 i.V.m. Art. 17 MAR503 kommt nicht in Betracht. Eine Haftung aus §§ 97, 98 WpHG betrifft lediglich den meldepflichtigen Emittenten,504 da dieser Normadressat der Veröffentlichungspflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR ist.505 Folglich kann aus der Regelung keine Haftung der Altaktionäre begründet werden. Darüber hinaus sanktionieren §§ 97, 98 WpHG lediglich die kapitalmarktrechtliche Informationspflichtverletzung, sodass eine Haftung in jedem Fall ausscheidet, wenn die nach Art. 17 MAR meldepflichtige Insiderinformation, etwa die Kenntnis einer Verletzung von Lock-up Agreements, ordnungsgemäß veröffentlicht wird.506 Der eigentliche Verstoß gegen ein Lock-up Agreement berührt dagegen nicht den Bereich der Kapitalmarktinformationshaftung. Ferner kann auch nicht argumentiert werden, dass sich der Emittent im Falle der Verletzung eines Lock-up Agreements durch den Vorstand das Wissen des Vorstands über den bevorstehenden Verstoß zurechnen lassen muss. Die Kenntnis eines bevorstehenden Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement betrifft grundsätzlich nicht die Organstellung eines Vorstandsmitglieds, sondern lediglich dessen private Sphäre und kann damit nicht dem Emittenten zugerechnet werden.507 Darüber hinaus kann die Kenntnis des Vorstands von einem bevorstehenden eigenen Fehlverhalten keine Kenntnis des Emittenten begründen. Anders wäre dies nur, wenn es der Emittent versäumt hat, eine hinreichende Organisationsstruktur zu etablieren, um ein etwaiges Fehlverhalten des Managements aufzuspüren.508 Auch bei hinreichenden Organisationsstrukturen wird der Emittent jedoch keine Kenntnis von der Absicht einer Verletzung von Lock-up Agreements durch einen Vorstand erlangen können. eines Prospekthaftungsanspruchs in Betracht kommen – dies bejahend Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 53 f. 502 Am 3. 1. 2018 ist das Zweite Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (2. FiMaNoG) v. 23. 6. 2017 in Kraft getreten (BGBl. I, S. 1694 ff.), welches durch Art. 3 bestimmt, dass §§ 37b, 37c WpHG a.F. entfallen und die Haftung für falsche und unterlassene Kapitalmarktinformationen in §§ 97, 98 WpHG n.F. geregelt wird. 503 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 v. 16. April 2014 (MMVO bzw. MAR), ABl. EU L 173, 1 ff. 504 Vgl. zur alten Rechtslage der §§ 37b, 37c WpHG a.F. Möllers/Leisch, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 37b, c Rn. 85; Sethe, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 6. Aufl. 2012, §§ 37b, 37c Rn. 34. 505 Vgl. Grundmann, in: Großkomm. HGB, 5. Aufl. 2017, Band 11/1, 6. Teil Rn. 493. 506 Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 22. Da der Altaktionär einen Verstoß gegen ein Lock-up Agreement i. d. R. nicht öffentlich kommunizieren wird, ist überdies schon fraglich, ob dem Emittenten mangels Kenntnis überhaupt eine Mitteilungspflicht obliegt. 507 Vgl. Ihrig, ZGR 181 (2017), 381, 400 f., der sich auf vor allem auf die (private) Absicht eines Vorstands aus dem Amt scheiden zu wollen bezieht. 508 Vgl. dazu Klöhn, ZIP 2015, 1145, 1152.

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

3. Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften Eine Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern könnte sich ferner aus einem Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften ergeben. Mit dem Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung509 am 3. Juli 2016 wird das Insiderrecht nunmehr in Art. 7 – 10, 14, 17 MAR geregelt, welche die §§ 12 – 14 WpHG a.F. ersetzen. Zu beachten ist, dass ein zivilrechtlicher Haftungsanspruch aufgrund der aufsichtsrechtlichen Regelungskonzeption des Insiderrechts510 nur dann in Betracht kommt, wenn es sich bei dem Verbot von Insidergeschäften nach Art. 14 lit. a) MAR um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handelt. a) Tatbestandsvoraussetzungen gem. Art. 14 lit. a) i.V.m. Art. 7, 8 MAR Zunächst ist zu untersuchen, ob die Verletzung eines Lock-up Agreements durch einen Altaktionär einen Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften gem. Art. 14 lit. a) i.V.m. Art. 7, 8 MAR darstellt. Dabei normiert Art. 14 lit a) MAR, dass das Tätigen von Insidergeschäften verboten ist, während Art. 7, 8 MAR beschreiben, wann eine Insiderinformation (Art. 7 MAR) und wann ein Insidergeschäft (Art. 8 MAR) vorliegt. Eine Insiderinformation gem. Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR könnte in der Kenntnis der Altaktionäre ihrer eigenen Veräußerungsabsicht gesehen werden. Ob derartige innere,511 d. h. selbst geschaffene Tatsachen als Bezugspunkt einer Insiderinformation dienen können, ist umstritten. Nach Ansicht des BGH kann eine innere Tatsache keine Insiderinformation darstellen, da ihr kein Drittbezug zukomme und selbst geschaffene, innere Tatsachen als Bezugspunkt einer Insiderinformation ausscheiden, da man sich nicht über seine eigenen Absichten informieren könne.512 Dieser Ansicht kann spätestens mit Inkrafttreten des neuen Insiderrechts der MAR nicht gefolgt werden.513 Denn Art. 9 Abs. 5 MAR besagt, dass die Kenntnis der eigenen Erwerbs- oder Veräußerungsabsicht keine Nutzung von Insiderinformationen darstellt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass innere Tat-

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1 ff. 510

Verordnung (EU) Nr. 596/2014 v. 16. April 2014 (MMVO bzw. MAR), ABl. EU L 173,

Veil, ZBB 2014, 85, 91. Dazu ausführlich Becker/Rodde, ZBB 2016, 11, 13 ff. Ausführlich zum Begriff der „inneren Tatsache“ vgl. Mennicke/Jakovou, in: Fuchs (Hrsg.), WpHG, 2. Aufl. 2016, § 13 Rn. 57. 512 BGH, Urt. v. 6. 11. 2003 – 1 StR 24/03 („Scalping I“), BGHSt 48, 373, 378 = AG 2004, 144. 513 Gegen die Ansicht des BGH sprach bereits die Rechtsprechung, vgl. EuGH, Urt. v. 10. 5. 2005 – Rs. C-391/04 („Georgakis“), AG 2007, 542, sowie sich darauf beziehende Stimmen aus der Literatur, vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl. 2019, Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rn. 17; Klöhn, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 13 Rn. 16 f.; Mennicke, in: Fuchs (Hrsg.), WpHG, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn. 160. 511

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sachen durchaus Insiderinformationen darstellen können, da die Vorschrift sonst nicht explizit auf die Nutzung der Kenntnis abstellen würde.514 Gleichwohl die Kenntnis ihrer Veräußerungsabsicht seitens der Altaktionäre eine Insiderinformation gem. Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR darstellen kann, normiert Art. 9 Abs. 5 MAR, dass eine Veräußerung in Kenntnis der Veräußerungsabsicht gerade keine Nutzung von Insiderinformationen darstellt und somit auch kein Insidergeschäft gem. Art. 8 Abs. 1 MAR vorliegt. Nichts anderes gilt, wenn man neben der bloßen Veräußerungsabsicht der Altaktionäre auf die Kenntnis der Absicht eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements abstellt. Maßgeblich ist stets der mit dem Begriff der Nutzung (Art. 8 Abs. 1 MAR) implizierte Kausalzusammenhang zwischen der Kenntnis der Tatsache und der jeweiligen Handlung,515 wonach die Kenntnis der Insiderinformation gerade ursächlich für das Handeln des Insiders geworden sein muss.516 An einer solchen Ursächlichkeit fehlt es hingegen bei dem Verstoß des Altaktionärs gegen ein Lock-up Agreement, denn die Veräußerung bzw. der Verstoß erfolgt nicht aufgrund der Kenntnis der Absicht einer Verletzung eines Lock-up Agreements, sondern im Rahmen der Ausführung dieses Entschlusses. Folglich stellt der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement kein gem. Art. 14 lit. a) MAR verbotenes Insidergeschäft dar.517 b) Schutzgesetzeigenschaft gem. § 823 Abs. 2 BGB Im Übrigen handelt es sich bei dem Verbot von Insidergeschäften gem. Art. 14 MAR schon nicht um ein Schutzgesetz gem. § 823 Abs. 2 BGB, sodass eine zivilrechtliche Schadensersatzhaftung der Altaktionäre in jedem Fall ausscheidet. Von einer Schutzgesetzeigenschaft i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB wird ausgegangen, wenn die infrage stehende Norm zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder bestimmte Personenkreise vor der Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen, wobei es nicht auf die Wirkung, sondern auf den Zweck des Gesetzes ankommt.518 Zweck des Insiderrechts ist hingegen der Funktionsschutz des Kapital514

So auch Klöhn, AG 2016, 423, 426. In diesem Zusammenhang scheint es irritierend, dass ErwG Nr. 54 MAR die Information über eigene Handelspläne nicht als Insiderinformation wertet, d. h. anders als das argumentum e contrario aus Art. 9 Abs. 5 MAR nicht die Nutzung der Information ausschließt, sondern schon das Vorliegen einer Insiderinformation als solche ausschließt. Mangels erkennbarer Gründe und aufgrund der systematischen Stellung des Erwägungsgrundes in der Erläuterung der Ad-hoc-Publizität spricht viel dafür, diesen als redaktionelles Versehen zu betrachten, vgl. Klöhn, ZIP 2016, Beil. Heft 22, 44, 45 f. 515 Cahn, Der Konzern 2007, 5, 9 f. 516 Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl. 2019, Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rn. 31; Grundmann, in: Großkomm. HGB, 5 Aufl. 2017, Band 11/1, 6. Teil Rn. 383. 517 I. E. übereinstimmend Grüger, WM 2010, 247, 252; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 64; sowie A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 565, welcher sich auf den fehlenden Drittbezug der inneren Tatsache beruft. 518 Unstr., vgl. Sprau, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 823 Rn. 58.

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markts, ein etwaiger Schutz des individuellen Anlegers erfolgt dagegen allenfalls reflexartig.519 Folglich kommt eine zivilrechtliche Schadensersatzanspruch auf Art. 14 MAR i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB nicht in Betracht. 4. Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation Schließlich könnte die Verletzung eines Lock-up Agreements eine gem. Art. 15 MAR verbotene Marktmanipulation darstellen, woraus sich eine zivilrechtliche Schadensersatzhaftung aufgrund der Verletzung eines Schutzgesetzes gem. Art. 14 i.V.m. Art. 12 MAR i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB ergeben könnte. Neben dem Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eines Verstoßes gegen das Verbot der Marktmanipulation müsste es sich bei Art. 15 MAR zudem um ein Schutzgesetz gem. § 823 Abs. 2 BGB handeln. Bislang wurde die Frage, ob der Bruch eines Lock-up Agreements eine verbotene Marktmanipulation darstellt, nur vereinzelt diskutiert,520 wobei die Neuerungen der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) dabei keine Berücksichtigung gefunden haben.521 a) Tatbestandsvoraussetzungen gem. Art. 15 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 – 3 MAR Zunächst ist zu untersuchen, ob die Verletzung eines Lock-up Agreements die Tatbestandsvoraussetzungen einer Marktmanipulation erfüllt. Die eigentliche Verbotsanordnung enthält Art. 15 MAR, während Art. 12 MAR den Tatbestand der Marktmanipulation normiert.522 Eine informationsgestützte Manipulation gem. Art. 12 Abs. 1 lit. c) MAR kommt nicht in Betracht, da die Verletzung eines Lock-up Agreements ein rein tatsächliches Verhalten ist und folglich kein irreführungsgeeignetes kommunikatives Tun oder Unterlassen darstellt. Ebenso wenig werden durch die Verletzung unrichtige oder irreführende Informationen verbreitet.

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H.M., vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl. 2019, Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rn. 29 und Art. 14 VO Nr. 596/2014 Rn. 12; Klöhn, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 521; Mennicke, in: Fuchs (Hrsg.), WpHG, 2. Aufl. 2016, § 14 Rn. 442 ff.; Teigelack/Dolff, BB 2016, 387, 393 jew. m.w.N.; a.A. Beneke/Thelen, BKR 2017, 12, 13 ff. 520 Etwa Grüger, WM 2010, 247, 249 ff.; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 71 ff.; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 566 ff. 521 Zur neuen Rechtslage bislang nur Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 22. 522 Art. 12 Abs. 1 MAR enthält die Basisdefinition der vier Tatvarianten der Marktmanipulation (lit. a)–d)). Art. 12 Abs. 2 MAR ergänzt diese mit einem Beispielkatalog von hinreichend konkret gefassten Manipulationspraktiken (lit. a)–e)). Art. 12 Abs. 3 MAR verweist auf einen nicht abschließenden Katalog von Indikatoren in Anhang I MAR, vgl. ausführlich zur Normensystematik Schmolke, AG 2016, 434, 437 f.; Zetzsche, in: Gebauer/Teichmann (Hrsg.), Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, 2016, § 7 C. Rn. 62 ff.

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Neben der informationsgestützten Manipulation kommt zudem eine handelsgestützte Manipulation gem. Art. 12 Abs. 1 lit. b) MAR in Betracht. Eine handelsgestützte Manipulation liegt vor, wenn durch Kapitalmarkttransaktionen falsche oder irreführende Signale gegeben werden oder diese dazu geeignet sind, ein künstliches Preisniveau herbeizuführen,523 wobei gem. Art. 12 Abs. 3 MAR eine Konkretisierung durch die in Anh. I B MAR genannten Indikatoren erfolgt. Hinsichtlich einer Wertpapiertransaktion kann jedoch nur an die Veräußerung der Aktien durch die Altaktionäre angeknüpft werden. Die Veräußerung von Aktien stellt – auch wenn dadurch gegen eine schuldrechtliche Vereinbarung verstoßen wird – jedoch keine Vorspiegelung falscher Tatsachen oder sonstige Formen der Täuschung dar, da die Veräußerungshandlung eine rein tatsächliche, wertungsneutrale Handlung ist. Auch wird durch die Veräußerungshandlung kein künstliches Preisniveau geschaffen, weil der Markt die Information der Aktienveräußerung durch den Altaktionär gerade richtig umsetzt, sodass der Preismechanismus nicht getäuscht wird. Eine Marktmanipulation könnte ferner gem. Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR in Betracht kommen. Im Gegensatz zu der informations- und handelsbasierten Manipulation ist im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR jedes Handeln geeignet, eine Marktmanipulation zu begründen, weswegen die Vorschrift auch als Auffangtatbestand bezeichnet wird.524 Die pflichtwidrige Veräußerung von Aktien während der Lock-up-Periode könnte eine Marktmanipulation gem. Art. 12 Abs. 1 lit. a) sub lit. i) MAR darstellen, wenn dadurch falsche oder irreführende Signale bezüglich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises der betreffenden Aktien gesendet werden oder dies wahrscheinlich ist.525 Eine Handlung hat Signalwirkung, wenn sie von anderen Marktteilnehmern erkennbar ist, wobei eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht vorausgesetzt wird, und geeignet ist, das Angebots- bzw. Nachfrageverhalten auf den Markt bzw. den Preis zu beeinflussen.526 Ein Signal ist falsch, wenn es nicht mit der tatsächlichen Situation des betreffenden Wertpapiers übereinstimmt. Von einem irreführenden Signal wird ausgegangen, wenn es bei einem verständigen Anleger eine Fehlvorstellung hervorruft.527 Vor diesem Hintergrund wird argumentiert, dass der Verletzung eines Lock-up Agreements Signalwirkung zukomme, da bereits der reguläre Ablauf der Lock-up-Periode eine negative Kursreaktion zeigt, sodass zu erwarten sei, dass ein vorzeitiger Verstoß erst Recht zu einer negativen

523

Vgl. Grundmann, in: Großkomm. HGB, 5 Aufl. 2017, Band 11/1, 6. Teil Rn. 454. Grundmann, in: Großkomm. HGB, 5 Aufl. 2017, Band 11/1, 6. Teil Rn. 456. 525 Maßgeblich ist die Eignung des Signals zur Irreführung (potentieller Effekt), Schmolke, AG 2016, 434, 440; A. Stoll, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 222. 526 Mülbert, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl. 2019, Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rn. 64; A. Stoll, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 224. 527 Fleischer, in: Fuchs (Hrsg.), WpHG, 2. Aufl. 2016, § 20a Rn. 47; A. Stoll, in: KKWpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 223. 524

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

Kursreaktion führe.528 Darüber hinaus sei der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement auch irreführend, da die Marktteilnehmer aufgrund der Veröffentlichung des Lockup Agreements davon ausgingen, dass sich der Börsenkurs ohne Aktienveräußerungen der Altaktionäre bilde und sie insofern einer Fehlvorstellung über die Preisbildung unterliegen.529 Diese Argumentation kann nicht überzeugen, da die Preisbildung das Marktgeschehen, d. h. die Anteilsveräußerung der Altaktionäre, gerade richtig wiedergibt.530 Zwar kann die vorzeitige Veräußerung trotz eines bestehenden Lock-up Agreements durchaus als negatives Signal für die künftige Kursentwicklung gesehen werden, jedoch stellt dies lediglich eine wertungsfreie Tatsache dar, welche entsprechend im Wertpapierkurs widergespiegelt wird, nicht jedoch ein falsches oder irreführendes Signal.531 Zudem zeichnen sich die typischen Gestaltungsformen der in Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR normierten Marktmanipulation dadurch aus, dass es zu keiner wirtschaftlichen Eigentumsveränderung kommt,532 wogegen eine pflichtwidrige Anteilsveräußerung der Altaktionäre während der Lock-up-Periode aufgrund von § 137 S. 1 BGB dingliche Wirkung entfaltet.533 Knüpft man hingegen an den Umstand an, dass der Markt keine Kenntnis von der Verletzung des Lock-up Agreements hat und bei der Preisbildung somit irrig von dessen Bestand ausgeht, so bezieht sich das Signal nicht mehr auf die Veräußerungshandlung der Altaktionäre, sondern allein auf den Bestand des Lock-up Agreements bzw. die fehlende Ankündigung eines bevorstehenden Verstoßes.534 Zwar geht der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR deutlich weiter als die handelsgestützte Manipulation, da auch „jede andere Handlung“ den Tatbestand erfüllt,535 es ginge jedoch zu weit, wenn jeder Veräußerungshandlung der Altaktionäre zugleich der Erklärungswert unterstellt würde, die Veräußerung stehe im Einklang mit dem schuldrechtlichen Lock-up Agreement.536 Eine bloße Vertragsverletzung kann eine tatbestandlich unbedenkliche Veräußerungshandlung nicht mit 528 Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 78; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 568. Zur Kursrelevanz von Lock-up Agreements vgl. bereits 3. Kapitel B. II. 529 Grüger, WM 2010, 247, 250; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 568. 530 Schröder, HdB Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2014, Rn. 481a. 531 Vgl. Mülbert, in: Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl. 2019, Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rn. 75, 114; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 79. 532 Zetzsche, in: Gebauer/Teichmann (Hrsg.), Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, 2016, § 7 C. Rn. 69. 533 Vgl. hierzu 1. Kapitel C. I. 534 Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 22; Schröder, HdB Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl. 2014, Rn. 481a. 535 Art. 12 Abs. 1 lit. a) MAR beschränkt sich nicht mehr auf den Abschluss eines Geschäfts oder eines Handelsauftrags (so noch die Vorgängerregelungen in Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a) und b) MAD [2003]), sondern dehnt den Tatbestand auf „jede andere Handlung“ aus, vgl. dazu Schmolke, AG 2016, 434, 441. 536 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 6. Aufl. 2012, § 21a Rn. 146b.

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen

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einer Kursmanipulation gleichsetzen.537 Insbesondere aufgrund der strafrechtlichen Durchsetzbarkeit, ergänzt durch die Crim-MAD,538 ist eine restriktive Auslegung der Norm geboten und eine hinreichende Bestimmtheit der Tatbestandsvoraussetzung zu gewährleisten.539 Folglich stellt ein Verstoß der Altaktionäre gegen ein Lock-up Agreement keine Marktmanipulation gem. Art. 12 Abs. 1 lit. a) sub lit. i) MAR dar. Allenfalls wenn ein Verstoß des Altaktionärs bereits vor Abschluss des Lock-up Agreements intendiert wäre, könnte eine Marktmanipulation angenommen werden,540 jedoch spielt dies in der Praxis keine Rolle, da der Nachweis einer solchen Absicht nicht gelingen wird.541 Auch eine Marktmanipulation gem. Art. 12 Abs. 1 lit. a) sub lit. ii) MAR kommt nicht in Betracht, da kein anormales oder künstliches Kursniveau erzeugt oder aufrechterhalten wird, sondern der Preis gerade das unbeeinflusste Marktgeschehen widerspiegelt.542 Schließlich erfüllt der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement auch keine der in Art. 12 Abs. 2 MAR normierten Regelbeispiele. Daraus folgt, dass der Tatbestand einer Marktmanipulation durch die Verletzung von Lock-up Agreements nicht erfüllt wird. b) Schutzgesetzeigenschaft gem. § 823 Abs. 2 BGB Darüber hinaus ist auch zweifelhaft, ob ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch aufgrund eines Verstoßes gegen das Verbot der Marktmanipulation überhaupt in Betracht käme, da es sich bei Art. 15 MAR um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handeln müsste.543 Im Rahmen der alten Rechtslage wurde mit der Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahr 2011544 eine Schutzgesetzeigenschaft des § 20a WpHG a.F. abgelehnt, da das Verbot der Marktmanipulation in erster Linie die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte schütze.545 Weder der Marktmissbrauchsverordnung noch der Gesetzesbegründung des deutschen Gesetzgebers zum 1. FiMa537 So auch Mock, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 407; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 80. 538 Richtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und Rates vom 16. 4. 2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulationen (Crim-MAD), ABl. EU L 173/179 v. 12. 6. 2014. 539 Vgl. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 6. Aufl. 2012, Vor § 20a Rn. 30 f. 540 In Betracht käme hier insbesondere der Tatbestand einer sonstigen Täuschungshandlung gem. Art. 12 Abs. 1 lit b) MAR. In diese Richtung auch Mock, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 408; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 80; Schröder, HdB Kapitalmarktstrafrecht, 2016, Rn. 481a; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, 6. Aufl. 2012, § 20a Rn. 301. 541 Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 22. 542 A. Stoll, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 226. 543 Zur Schutzgesetzeigenschaft vgl. bereits 4. Kapitel B. II. 3. b). 544 BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 („IKB“), BGHZ 192, 90. 545 BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 („IKB“), BGHZ 192, 90, 95 Rn. 12.

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

NoG546 lassen sich Anhaltspunkte dahingehend entnehmen, dass dem Verbot der Marktmanipulation nunmehr ein individualschützender Schutzgesetzcharakter zukommen soll.547 Der Umstand, dass der europäische Verordnungs- und Richtliniengeber im Rahmen der MAR und Crim-MAD detailreiche verwaltungs- und strafrechtliche Sanktionsregelungen getroffen hat, während er sich zu zivilrechtlichen Sanktionen ausschweigt, lässt den Schluss zu, dass es sich dabei um ein bewusstes Schweigen handelt und der verwaltungs- und strafrechtliche Sanktionsapparat als ausreichend erachtet wird.548 Gleichzeitig mehren sich mit der Einführung der Marktmissbrauchsverordnung jedoch Stimmen in der Literatur, die eine zivilrechtliche Sanktionierung der Marktmanipulation mittels einer Schadensersatzhaftung fordern und sich dabei auf den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz aus Art. 4 Abs. 3 EUV berufen.549 Dagegen lässt sich jedoch anführen, dass das Effektivitätsgebot aus Art. 4 Abs. 3 EUV zwar eine volle, nicht aber eine maximale Wirksamkeit verlangen kann.550 Eine maximale Wirksamkeit würde zwangsläufig immer auch eine private Rechtsdurchsetzung (private enforcement) beinhalten, wodurch dem EU-Gesetzgeber jedoch die Möglichkeit genommen würde, den Effektivitätsmaßstab selbst festzulegen.551 Es gilt somit den Willen des europäischen Gesetzgebers zu berücksichtigen, der bewusst auf eine zivilrechtliche Haftung verzichtet hat. Folglich ändert sich auch nichts an der Einschätzung, dass das Verbot der Marktmanipulation gem. Art. 15 MAR kein Schutzgesetz gem. § 823 Abs. 2 BGB darstellt. Ein Schadensersatzanspruch der Neuanleger gegenüber den pflichtwidrig veräußernden Altaktionären kommt somit nicht in Betracht, da Art. 15 MAR kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist und die Tatbestandsvoraussetzungen der Marktmanipulation überdies nicht erfüllt sind.

546

RegE 1. FiMaNoG, BT-Drucks. 18/7482, 74. Schmolke, NZG 2016, 721, 722; Teigelack/Dolff, BB 2016, 387, 393. 548 Schmolke, NZG 2016, 721, 722 f.; ders., in: AG 2016, 434, 445; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MAR, 2018, Art. 15 Rn. 82 f. 549 Hellgardt, AG 2012, 154, 158; Poelzig, ZGR 2015, 801, 816; dies., NZG 2016, 492, 501; Tountopoulos, ECFR 2014, 297, 328; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 607. In diese Richtung auch Fleischer, in: Fuchs (Hrsg.), WpHG, 2. Aufl. 2016, § 20a Rn. 155. Auf die unterschiedliche Rechtslage in den Mitgliedstaaten und einen daraus resultierenden Wettbewerbsdruck auf das deutsche Kapitalmarktrecht abstellend Klöhn, in: KK-WpHG, 2. Aufl. 2014, § 20a Rn. 479. 550 So auch Grigoleit, ZHR 177 (2013), 265, 275: „Denn der Effektivitätsgrundsatz gilt nicht etwa pauschal im Sinne einer absoluten Maximierung der Wirkung europäischer Normen.“ 551 Schmolke, NZG 2016, 721, 727; ders., in: Klöhn (Hrsg.), MAD, 2018, Art. 15 Rn. 85 ff. Ähnlich argumentieren auch Grigoleit, ZHR 177 (2013), 265, 273 ff.; Mülbert, in: Assmann/ Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 7. Aufl. 2019, Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rn. 48. 547

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen

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III. Schadensersatz nach Verbandsrecht: gesellschaftsrechtliche Treuepflicht Der Einfluss der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht auf Lock-up Agreements wurde bereits im Hinblick auf eine Pflicht der Altaktionäre zum Abschluss eines Lock-up Agreements untersucht, wobei eine solche Pflicht im Ergebnis verneint wurde.552 Darüber hinaus ist anerkannt, dass ein Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht auch Schadensersatzansprüche begründen kann.553 Anknüpfungspunkt einer Schadensersatzhaftung könnte zum einen die Aktienveräußerung als solche, unabhängig von einem Verstoß gegen ein Lock-up Agreement, sein. Alternativ könnte auf die Verletzung des vertraglich getroffenen Lock-up Agreements abgestellt werden. Teilweise wird vertreten, dass auch eine Anteilsveräußerung in den Geltungsbereich der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht fallen kann. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht wurzelt im Gesellschaftsverhältnis und existiert folglich nur innerhalb des Bereichs der Mitgliedschaft.554 Die Anteilsveräußerung und damit verbundene etwaige Einwirkungsmöglichkeit auf die Interessen der Gesellschaft und Mitgesellschafter beruhen auf der Stellung des Veräußerers als Aktionär und damit Mitglied der Gesellschaft, sodass die Anteilsveräußerung folglich dem mitgliedschaftlichen Bereich zuzuordnen sei und einen Verstoß gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht darstelle.555 Selbst wenn jedoch einer Anteilsveräußerung ein verbandsrechtliches Einwirkungspotential zugesagt würde,556 findet die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ihre Grenzen in den grundsätzlichen Wertentscheidungen des Gesetzgebers und kann diese nicht konterkarieren.557 Insofern untersteht die mitgliedschaftlichen Treuepflicht dem Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Aktie, deren einzige gesellschaftsrechtliche Einschränkung die Vinkulierung nach § 68 Abs. 2 AktG darstellt. Fehlt eine Vinkulierung, so müssen die Aktionäre eine Ver-

552

Vgl. 1. Kapitel C. III. 2. Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 45; Lange, in: Henssler/Strohn (Hrsg.), GesR, 4. Aufl. 2019, § 53a AktG Rn. 12; Laubert, in: Hölters (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2017, § 53a Rn. 20. 554 Cahn/von Spannenberg, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, 4. Aufl. 2019, § 53a Rn. 50; Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, Anh. § 53a Rn. 25; Laubert, in: Hölters (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2017, § 53a Rn. 16. 555 Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 38; Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 360; zust. Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 63; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 88. 556 Kommt es infolge von Aktienveräußerungen zu negativen Kursreaktionen, wird möglicherweise die Durchführung weiterer Kapitalmaßnahmen erschwert und damit das Interesse der Gesellschaft beeinträchtigt, vgl. Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 360. Darüber hinaus betreffen negative Kursreaktionen die Vermögensinteressen der Aktionäre, vgl. 4. Kapitel B. I. 1. c). und zur Schadensberechnung 9. Kapitel B. 557 Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, Anh. § 53a Rn. 97. 553

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

änderung der Eigentümerstruktur hinnehmen.558 Folglich stellt eine bloße Anteilsveräußerung keinen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht dar und kann somit auch keine Schadensersatzpflicht begründen.559 Anknüpfungspunkt der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht könnte neben der bloßen Veräußerungshandlung auch die Verletzung eines schuldrechtlichen Lock-up Agreements sein. Denn durch den Abschluss eines Lock-up Agreements hat sich der Altaktionär bewusst und willentlich bereit erklärt, seinen Aktienbestand nicht zu veräußern.560 Darauf aufbauend wird in der Literatur zum Teil vertreten, dass Anteilsveräußerungen, die gegen ein Lock-up Agreement verstoßen, der mitgliedschaftlichen Treuepflicht zuwiderlaufen.561 Gegen eine solche Annahme spricht die mit der Anerkennung einer umfassenden gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht einhergehende Gefahr für die Rechtssicherheit, welche eine strikte Begrenzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht auf den unmittelbaren gesellschaftsrechtlichen Bereich erforderlich macht.562 Bei Lock-up Agreements handelt es sich jedoch um schuldrechtliche Vereinbarungen der Altaktionäre gegenüber der Emissionsbank, d. h. einem gesellschaftsfremden Dritten, sodass die Vereinbarungen gerade nicht dem mitgliedschaftlichen Verhältnis der Aktionäre untereinander entstammen. Würden auch schuldrechtliche Abreden außerhalb des mitgliedschaftlichen Bereichs als Wertungsmaßstab in die mitgliedschaftliche Treuepflicht einbezogen, so würde die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht eine mittelbare Drittwirkung privatrechtlicher Vereinbarungen begründen,563 welche dem Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse564 zuwiderliefe. Eine solche mittelbare Drittwirkung wäre schon nicht mit dem Zweck der mitgliedschaftlichen Treuepflicht vereinbar und ist deshalb abzulehnen. Im Ergebnis verneinen auch diejenigen Stimmen in der Literatur, die in der Verletzung eines Lock-up Agreements einen Verstoß gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht sehen, eine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre,565 da 558 Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 38; Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, Anh. § 53a Rn. 113; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 460; Rieckers, in: MünchHdB-GesR AG, 4. Aufl. 2015, § 17 Rn. 28; a.A. Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 362. 559 I. E. übereinstimmend Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 97. 560 Insofern unterscheidet sich diese Fragestellung von der zuvor diskutierten mitgliedschaftlichen Treuepflicht zur Vereinbarung eines Lock-up Agreements (vgl. 1. Kapitel C. III. 2.), da der trotz Lock-up Agreement veräußernde Altaktionär gerade nicht übergangen bzw. zur Abgabe einer solchen Vereinbarung gezwungen worden ist, sondern diese freiwillig eingegangen ist und im Nachhinein gegen diese verstoßen hat. 561 So Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 67 f.; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 100, wobei beide Autoren einen Schadensersatzanspruch i.E. ablehnen. 562 Bungeroth, in: MüKo-AktG, 4. Aufl. 2016, Vor § 53a Rn. 31. 563 Dazu sogleich unter 4. Kapitel B. IV. 564 Vgl. Grüneberg, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, Einf. v. § 328 Rn. 1. 565 Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 145; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 102 f.

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen

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die von einem etwaig treuepflichtwidrigen Verhalten betroffenen Aktionäre nur individuelle Schäden geltend machen können, die über die Wertschmälerung ihrer Anteile und den Vermögensschaden der Gesellschaft hinausgehen.566 Der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement begründet somit keine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern aufgrund einer Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht.

IV. Schadensersatz nach allgemeinem Vertragsrecht In Anbetracht des schuldrechtlichen Charakters von Lock-up Agreements könnte sich ein Schadensersatzanspruch der Anleger gegenüber den pflichtwidrig veräußernden Altaktionären auch aus den Vorschriften des allgemeinen Vertragsrechts ergeben. In diesem Zusammenhang wurde bereits dargelegt, dass die Anleger nicht Vertragspartner der Altaktionäre sind, da sich diese gegenüber der Emissionsbank verpflichten. Eine Haftung der Altaktionäre gegenüber den Neuanlegern wirft folglich die Frage einer Drittwirkung der schuldrechtlichen Vereinbarung bzw. einer Einbeziehung der Anleger in das Lock-up Agreement auf. Die Rechtsordnung kennt in diesem Zusammenhang insbesondere zwei Ausnahmen von dem Grundsatz, dass Rechte und Pflichten aus einem Vertrag nur zwischen den Vertragsparteien gelten:567 den Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) und den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Daneben kommen eine quasi-vertragliche Haftung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo sowie die Anwendung des Mängelgewährleistungsrechts in Betracht. 1. Vertrag zugunsten Dritter Während sich die Literatur zur Haftung von Altaktionären aufgrund der Verletzung eines Lock-up Agreements ausgiebig mit dem Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auseinandergesetzt hat,568 fand der Vertrag zugunsten Dritter, welcher im Gegensatz zum zuvor genannten Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in § 328 BGB gesetzlich normiert ist, bislang wenig Beachtung.569 Gleichwohl kommt dem Vertrag zugunsten Dritter durchaus Bedeutung zu, besagt er doch, dass es den Parteien als Ausprägung der Privatautonomie grundsätzlich freisteht, durch Abrede Dritte als Begünstigte in den Vertrag mitein-

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Drygala, in: KK-AktG, 3. Aufl. 2011, § 53a Rn. 136; Fleischer, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, 3. Aufl. 2015, § 53a Rn. 70; Henze/Notz, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, Anh. § 53a Rn. 145. 567 Vgl. Gottwald, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 328 Rn. 1. 568 Dazu sogleich unter B. IV. 2. 569 Einzig Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 25.

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

zubeziehen.570 Folglich ist es zunächst Sache der Vertragsparteien, über die vertragliche Begünstigung Dritter zu entscheiden.571 Verträge zugunsten Dritter stellen dabei keine besonderen Vertragsverhältnisse im Sinne besonderer Schuldverhältnisse dar, sondern lediglich eine atypische inhaltliche Gestaltung.572 Maßgeblich für die Frage, ob ein Dritter durch den Vertrag begünstigt wird, sind somit ausschließlich der Vertrag und dessen Auslegung (§§ 133, 157 BGB), wobei § 328 Abs. 2 BGB deklaratorisch normiert, dass mangels definitiver Bestimmungen sämtliche Umstände des Einzelfalls und der von der Parteien verfolgte Zweck zu berücksichtigen sind.573 Die zwischen den Altaktionären und der Emissionsbank geschlossenen Lock-up Agreements dienen der erfolgreichen Durchführung des Börsengangs und sollen durch die vorübergehende Bindung der Altaktionäre an das Unternehmen den Aktienkurs stabilisieren und Vertrauen am Markt schaffen. Eine erfolgreiche Durchführung der Emission erleichtert der Emissionsbank das Platzieren der Anteile am Markt sowie anschließende Kurspflegemaßnahmen und wirkt sich positiv auf etwaige Folgeemissionen des Emittenten aus.574 Zweifelsohne werden auch die Anleger durch die Lock-up Agreements mitbegünstigt, da sie von einer stabilen Wertentwicklung der Anteile im Nachgang der Emission profitieren.575 Fraglich ist jedoch, ob die reine Mitbegünstigung der Anleger ausreicht, um diesen ein Forderungsrecht i.S.e. Vertrags zugunsten Dritter gem. § 328 Abs. 1 BGB zuzusprechen. Ausgehend von dem Parteiwillen der Altaktionäre und der Emissionsbank kann davon nicht ausgegangen werden. Die Begünstigung der Neuanleger ist insofern nur ein Reflex der von den Parteien intendierten stabilen Kursentwicklung und erfolgreichen Börseneinführung. Auf eine Begünstigung der Anleger zielt der Abschluss eines Lock-up Agreements hingegen nicht ab. Für diese Sichtweise spricht zudem der bei den Beratungen zum BGB im Vordergrund stehende Zweck des § 328 BGB, wonach die Vorschrift insbesondere die Versorgung und Existenzsicherung Dritter gewährleisten sollte.576 Ein existenzsicherndes Bedürfnis ist bei den Anlegern jedoch nicht ersichtlich.577 Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Grundsatz der 570 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 131; Grüneberg, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 328 Rn. 1. 571 Köndgen, in: Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 1998: Einbeziehung Dritter in den Vertrag, 1999, S. 3, 16. 572 Gottwald, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 328 Rn. 4. 573 Hierin liegt gerade keine Besonderheit des Vertrags zugunsten Dritter, vielmehr gibt § 328 Abs. 2 BGB nur das Selbstverständliche wieder, vgl. Gottwald, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 328 Rn. 32 f.; Klumpp, in: Staudinger-BGB (2015), § 328 Rn. 84. 574 Ausführlich zum Zweck von Lock-up Agreements vgl. 1. Kapitel B. I., ferner zu den Funktionsweisen von Lock-up Agreements unter 3. Kapitel A. 575 Zu den Interessen der beteiligten Parteien vgl. 1. Kapitel B. II. 576 Gottwald, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 328 Rn. 33; Grüneberg, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, Einf. v. § 328 Rn. 2. Dafür spricht auch die Auslegungsregel des § 330 BGB, welche eine Leibrente, Lebensversicherung oder Abfindung betrifft. 577 So auch Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 26.

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen

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Relativität der Schuldverhältnisse eine Drittberechtigung zwar nicht ausschließt, diesem aber durchaus materieller Wert zukommt, sodass eine Einbeziehung Dritter kraft ungeschriebener Auslegungsregelungen restriktiv zu erfolgen hat und jedenfalls im Zweifelsfall abzulehnen ist.578 2. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Neben dem gesetzlich normierten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) könnte sich eine Schadensersatzhaftung der pflichtwidrig veräußernden Altaktionäre gegenüber den Anlegern aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ergeben.579 Ob die dogmatische Herleitung auf einer ergänzenden Vertragsauslegung580 oder einer auf § 242 BGB beruhenden richterrechtlichen Fortbildung des dispositiven Rechts581 beruht, kann dahinstehen, da der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als solcher allgemein anerkannt ist und die verschiedenen Herleitungen letztlich zu denselben Ergebnissen gelangen.582 Um jedoch eine unkalkulierbare Haftung des Schuldners einzudämmen und um die Unterschiede zwischen Vertrags- und Deliktsrecht nicht zu verwischen,583 müssen die schutzwürdigen Interessen der Vertragsparteien und des zu schützenden Dritten sorgfältig abgewogen werden und muss der geschützte Personenkreis strengen Anforderungen unterliegen.584 Bei einer schulmäßigen Prüfung und unter Außerachtlassung verschiedener dogmatischer Streitpunkte müssen vier Voraussetzungen vorliegen, damit von einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausgegangen werden kann: Leistungsnähe, Einbeziehungsinteresse, Erkennbarkeit und Schutzbedürftigkeit.585 Leistungsnähe liegt vor, wenn der Dritte bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung kommt und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt ist wie der Gläubiger selbst.586 Von der durch ein Lock-up Agreement bewirkten Kursstabilität profitieren zweifelsohne auch die Anleger. Diese sind zudem 578

Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 26. Nicht in Betracht kommt dagegen eine Drittschadensliquidation, da sich aus Sicht der Altaktionäre der eingetretene Schaden nicht zufällig von der Emissionsbank auf die Neuinvestoren verlagert hat. Stattdessen hat sich die Anzahl der potentiellen Schadensersatzgläubiger erhöht, sodass nur ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht kommt. Zur Abgrenzung der beiden Rechtsinstitute vgl. Hübner/Sagan, JA 2013, 741, 745. 580 Bspw. BGH, Urt. v. 15. 6. 1971 – VI ZR 262/69, BGHZ 53, 269, 273. 581 Bspw. Gottwald, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 328 Rn. 170. 582 Gottwald, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 328 Rn. 179. 583 Zur klassischen Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Haftung vgl. 8. Kapitel A. I. 584 Klumpp, in: Staudinger-BGB (2015), § 328 Rn. 109. 585 Gottwald, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 328 Rn. 181 – 188. 586 BGH, Urt. v. 22. 1. 1968 – VIII ZR 195/65, BGHZ 49, 350, 354; Gottwald, in: MüKoBGB, 7. Aufl. 2016, § 328 Rn. 181; Grüneberg, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 328 Rn. 17; Klumpp, in: Staudinger-BGB (2015), § 328 Rn. 111 ff. jew. m.w.N. 579

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

in besonderem Maße der Gefahr einer Pflichtverletzung seitens der Altaktionäre ausgesetzt, da ein möglicher Kursverfall infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements vor allem die Anleger betrifft.587 Folglich kommen die Anleger bestimmungsgemäß mit der Leistung in Kontakt, sodass eine Leistungsnähe vorliegt.588 Daneben müsste auch ein Einbeziehungsinteresse gegeben sein, wobei zwischen zwei Fallgruppen differenziert wird: Zum einen liegt ein Einbeziehungsinteresse vor, wenn der Gläubiger für das „Wohl und Wehe“ des Dritten mitverantwortlich ist und ihm gegenüber zu Schutz und Fürsorge verpflichtet ist, wobei hierunter insbesondere Rechtsbeziehungen mit personenrechtlichem Einschlag fallen.589 Daneben liegt ein Einbeziehungsinteresse auch dann vor, wenn der Gläubiger an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags ein besonderes Interesse hat und der Vertrag dahingehend ausgelegt werden kann, dass der vertragliche Schutz in Anerkennung dieses Interesses auf den Dritten ausgeweitet werden soll.590 Mangels einer personenrechtlichen Rechtsbeziehung zwischen den Anlegern und den Emissionsbanken kommt insbesondere die letztgenannte Alternative eines Einbeziehungsinteresses in Betracht. Indes ist es nicht ersichtlich, dass die Emissionsbank ein besonderes Interesse an der Einbeziehung der Anleger in den Schutzbereich des Lock-up Agreements hat. Zwar ist die Emissionsbank ebenfalls an einer stabilen Kursentwicklung im Nachgang an die Emission interessiert, jedoch bezieht sich das Interesse der Emissionsbank nicht auf den Schutz der Anleger und den Abbau von Informationsasymmetrien, sondern dient allein dem Aufbau einer Reputation als Emissionsbank sowie der Vereinfachung etwaiger vertraglich übernommener Kurspflegemaßnahmen im Nachgang an die Börseneinführung. Folglich mangelt es der Emissionsbank bereits an einem Einbeziehungsinteresse im Hinblick auf die Anleger.591 Ein Einbeziehungsinteresse wird zum Teil für die Konstellation eines Lock-up Agreements zwischen den Altaktionären und dem Emittenten bejaht, da in diesem Fall ein Interessengleichklang zwischen dem Emittenten und den Anlegern bestehen soll. Der Emittent habe demnach ein Interesse am Schutz der Anleger, da es gerade die Anleger sind, die dem Emittenten frisches Kapital zuführen und „im

587

Vgl. 4. Kapitel B. I. 1. c). So auch Fleischer, WM 2002, 2305, 2311; Hausmaninger/Splechtna, ÖBA 2002, 37, 40; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 140, 155. 589 BGH, Urt. v. 26. 11. 1968 – VI ZR 212/66, BGHZ 51, 91, 96; BGH, Urt. v. 15. 6. 1971 – VI ZR 262/69, BGHZ 56, 269, 273; Grüneberg, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 328 Rn. 17a. 590 Grüneberg, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 328 Rn. 17a; Köndgen, in: E. Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 1998: Einbeziehung Dritter in den Vertrag, 1999, S. 3, 44 bezeichnet diesen Dritten als „intendierten Benefiziar“. 591 So auch Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 28; Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 141; Lutter/Drygala, in: FS Raisch 1995, S. 239, 249; C. Schäfer, ZGR 2008, 455, 469; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 156. 588

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen

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Lager“ des Emittenten stehen.592 Dem ist entgegenzuhalten, dass das Interesse des Emittenten, die Anleger vor einem negativen Kursverlauf zu schützen, tatsächlich ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Emittenten darstellt und nicht dem Schutz der Anleger dienen soll. Denn der Emittent ist auf eine stabile Kursentwicklung angewiesen, um auch in Zukunft zu günstigen Konditionen frisches Kapital am Kapitalmarkt aufzunehmen. Das primäre Interesse des Emittenten ist folglich die Senkung der eigenen Kapitalkosten und nicht der Schutz der Anleger vor möglichen Kursverlusten. Dass eine positive Wertentwicklung auch den Anlegern zugutekommt, ist insoweit nur als Nebenwirkung bzw. Reflex des Eigeninteresses des Emittenten zu sehen und stellt somit kein Einbeziehungsinteresse dar.593 Folglich fehlt es in beiden hier untersuchten Konstellationen an einem Einbeziehungsinteresse des Gläubigers eines Lock-up Agreements gegenüber den Anlegern. Neben dem Erfordernis des Einbeziehungsinteresses ist darüber hinaus auch eine Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises erforderlich.594 Um eine unkalkulierbare Haftung zu vermeiden, muss der Kreis der geschützten Dritten für den Schuldner subjektiv erkennbar bzw. vorhersehbar sein,595 damit dieser sein Risiko kalkulieren und ggf. versichern kann.596 Im Hinblick auf den Kreis der potentiellen Neuanleger scheint dies zweifelhaft. Zwar setzt die Erkennbarkeit nicht voraus, dass Anzahl und Namen der geschützten Personen bekannt sind,597 jedoch stellt die Voraussetzung der Erkennbarkeit ein Zumutbarkeitskriterium dar, wonach dem Schuldner eine Haftung gegenüber Dritten nur dann zumutbar ist, wenn der potentielle Kreis der Gläubiger hinreichend kalkulierbar und erkennbar ist. Zudem sind die Voraussetzungen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Zweifel restriktiv auszulegen, damit das Rechtsinstrument nicht dazu missbraucht wird, um unter Missachtung des Grundsatzes der Relativität der Schuldverhältnisse die jeweils wünschenswerten vertraglichen Beziehungen zu konstruieren.598 Gerade im Hinblick auf die Größe, Anonymität und verschiedenen Marktlagen des Kapitalmarkts ist der Kreis der potentiell anspruchsberechtigten Anleger für die Altaktionäre unüberschaubar, sodass eine Haftung unzumutbar ist. Unabhängig davon, ob ein Einbeziehungsinteresse der Emissionsbank bzw. der Emittenten angenommen wird, scheidet ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten 592 Vgl. Fleischer, WM 2002, 2305, 2311; Hausmaninger/Splechtna, ÖBA 2002, 37, 40; C. Schäfer, ZGR 2008, 455, 469; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 142; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 564. 593 Zust. Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 143. 594 BGH, Urt. v. 2. 7. 1996 – X ZR 104/94, BGHZ 133, 168, 173. 595 BGH, Urt. v. 07. 11. 1960 – VII ZR 148/59, BGHZ 33, 247, 249; BGH, Urt. v. 19. 9. 1973 – VIII ZR 175/72, BGHZ 61, 227, 234; Gottwald, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 328 Rn. 187. 596 Klumpp, in: Staudinger-BGB (2015), § 328 Rn. 121. 597 BGH, Urt. v. 20. 04. 2004 – X ZR 250/02, BGHZ 159, 1, 10 f. 598 Klumpp, in: Staudinger-BGB (2015), § 328 Rn. 109.

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

Dritter und damit eine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre mangels der Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises aus.599 3. Culpa in contrahendo Im Rahmen der vertraglichen Haftungsgrundlagen ist zudem an eine Haftung aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis zu denken. Eine derartige Haftung ist bekannt unter dem Begriff der culpa in contrahendo (c.i.c.) und hat seit der Schuldrechtsreform600 nunmehr in § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 311 Abs. 2, Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB im Gesetz Niederschlag gefunden. Mit ihrer Kodifikation lässt sich die Haftung aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis als eine gesetzliche Haftung nach vertragsähnlichen Grundsätzen beschreiben.601 Auch mit der gesetzlichen Normierung der culpa in contrahendo bleiben methodologische Fragen bestehen, sodass insbesondere im Hinblick auf die Reichweite und Grenzen des Rechtsinstituts auf die bisherige Rechtsprechung und die entwickelten Konzepte abgestellt wird.602 a) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB Der Normalfall der Entstehung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses wird von § 311 Abs. 2 BGB geregelt, wonach ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit eigenen Pflichten durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB), die Anbahnung eines Vertrags (§ 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB) oder durch ähnliche geschäftliche Kontakte (§ 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB) zwischen den potentiellen Vertragspartnern entstehen kann.603 Grundsätzlich gilt, dass ein vorvertragliches Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 BGB lediglich zwischen den Parteien des in-

599 Ganz h.M., vgl. Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 28; Fleischer, WM 2002, 2305, 2311; Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 152; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 565; Veil, ZGR 2005, 155, 162; a.A., jedoch ohne nähere Begründung Höhn, Ausgewählte Probleme bei Lock-up Agreements, 2003, S. 61; C. Schäfer, ZGR 2008, 455, 480. 600 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (SchuldRModG), in Kraft getreten am 26. 11. 2001 (BGBl. I 2001, 3138). 601 Etwa Becker, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 311 Rn. 49; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl. 2017, § 19 Rn. 89; ähnlich auch Emmerich, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 311 Rn. 39; Krebber, VersR 2004, 150, 152. 602 Eichler, Vertragliche Dritthaftung, 2007, S. 86; Keller, Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, 2007, S. 22 f. und S. 216: „Ein klarer Tatbestand wurde nicht geschaffen“ sowie „Subsumptionsfähig ist die Vorschrift daher aus sich heraus nicht“; Kersting, Dritthaftung für Informationen, 2007, S. 165. Anders Canaris, JZ 2001, 499, 519, der von einer generalklauselartigen, „subsumtionsgeeigneten Norm“ spricht. 603 Übersichtlich bei Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl. 2017, § 19 Rn. 87; Joussen, Schuldrecht I, 5. Aufl. 2018, Rn. 95 ff.

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen

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tendierten Vertrags entstehen kann und sich nicht auf andere Personen erstreckt,604 wodurch der Relativität der Schuldverhältnisse gem. § 241 Abs. 1 BGB Rechnung getragen wird.605 Um eine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern zu begründen, müsste folglich ein vorvertragliches Schuldverhältnis entstanden sein. Die Altaktionäre stehen jedoch in keiner vorvertraglichen Beziehung zu den Anlegern, da diese weder direkte Vertragspartner sind, noch Vertragspartner eines Lockup Agreements werden sollen. Denn die Anleger können ihre Aktien sowohl auf dem Primärmarkt im Rahmen der Emission606 als auch auf dem Sekundärmarkt erworben haben, wobei die Altaktionäre dabei nicht Vertragspartei werden.607 Die Annahme eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses nach § 311 Abs. 2 BGB durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, die Anbahnung eines Vertrags oder durch ähnliche geschäftliche Kontakten beruht hingegen gerade auf dem inneren Zusammenhang zwischen der vorvertraglichen Vertrauensbeziehung und dem potentiellen Rechtsgeschäft.608 Mangels eines solchen potentiellen Vertrags zwischen den Altaktionären und den Anlegern scheidet ein vorvertragliches Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 BGB somit aus. b) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB Die Ausnahme des Grundsatzes, wonach vorvertragliche Schuldverhältnisse nur zwischen den intendierten Vertragsparteien entstehen können, normiert § 311 Abs. 3 604 BGH, Urt. v. 25. 09. 1985 – IV a ZR 237/83, WM 1985, 1520, 1521; BGH, Urt. v. 17. 10. 1989 – XI ZR 173/88, NJW 1990, 506; BGH, Urt. v. 7. 12. 1992 – II ZR 179/91, ZIP 1993, 363, 365; Eichler, Vertragliche Dritthaftung, 2007, S. 85; Honsell, in: FS Medicus, 2009, S. 181, 184; Kakatsakis, Die culpa in contrahendo nach neuem Schuldrecht, 2007, S. 114; Krebber, VersR 2004, 150, 154; Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 13, 276; Looschelders, Schuldrecht AT, 16. Aufl. 2018, § 9 Rn. 1; B. Schmitz, DB 1989, 1909, 1914. Zu der in § 311 Abs. 3 BGB normierten Dritthaftung sogleich unter 4. Kapitel B. IV. 3. b). 605 Kakatsakis, Die culpa in contrahendo nach neuem Schuldrecht, 2007, S. 114. 606 Dann müsste es sich bei dem Börsengang um eine Eigenemission gehandelt haben, was in der Praxis selten der Fall ist, vgl. 2. Kapitel A. I. 607 Theoretisch ließe sich die – konstruierte – Konstellation vorstellen, dass der Neuanleger die Aktien des Emittenten direkt von einem Altaktionär erwirbt und der Altaktionär durch ebendiese Veräußerung gegen ein Lock-up Agreement verstößt. In diesem Fall könnte zwar ein vorvertragliches Schuldverhältnis gem. § 311 Abs. 2 BGB vorliegen, die Veräußerung der Aktien würde jedoch keine Pflichtverletzung gegenüber dem Anleger begründen, da das schuldrechtliche Veräußerungsverbot nur gegenüber der Emissionsbank gilt und aus diesem auch keine Informations- bzw. Aufklärungspflichten gegenüber dem Anleger abgeleitet werden können, gegen die der Altaktionär im Rahmen einer Veräußerung verstoßen könnte. Zudem erwirbt der Anleger die Aktien in diesem Fall erst, nachdem bereits gegen das Lock-up Agreement verstoßen wurde, sodass sich der Anleger auch nicht darauf berufen kann, auf den Bestand des Lock-up Agreements vertraut zu haben. 608 Eichler, Vertragliche Dritthaftung, 2007, S. 86.

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

BGB. Danach kann ein vorvertragliches Schuldverhältnis auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen, aber in einem besonderen Näheverhältnis zu einer potentiellen Vertragspartei stehen.609 Die Vorschrift kodifiziert damit die von der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen der culpa in contrahendo,610 welche unter den Begriffen der Vertretereigenhaftung (procurator in rem suam) und Sachwalterhaftung diskutiert worden sind.611 Anknüpfungspunkt für die Eigenhaftung Dritter ist die in § 311 Abs. 3 S. 2 BGB normierte besondere Inanspruchnahme von Vertrauen durch den Dritten. Entscheidend ist dabei, dass das Vertrauen über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgeht und der Dritte durch die Inanspruchnahme des Vertrauens in besonderer Weise Einfluss auf die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss nimmt.612 Darüber hinaus muss der Dritte Vertrauen „für sich“ in Anspruch nehmen. Zwar wird durch dieses Merkmal keine gesteigerte personale Beziehung zwischen den Beteiligten verlangt,613 das Vertrauen muss sich jedoch auf die Person des Dritten beziehen („persönliche Vertrauensinanspruchnahme“), da ein kommunikativer Akt als Grundlage einer Vertrauenserwartung nur möglich ist, wenn die Person des Vertrauensnehmers gegenüber der Person des Vertrauensgebers in Erscheinung tritt.614 Eine Haftung der Altaktionäre gem. § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements kommt indes nicht in Betracht, weil die Altaktionäre im Hinblick auf den rechtsgeschäftlichen Wertpapiererwerb der Anleger in keinem besonderen Näheverhältnis zu den Parteien, d. h. der Emissionsbank oder den Anlegern, stehen und kein persönliches Vertrauen in Anspruch nehmen. Zwar ließe sich vertreten, dass die Anleger bei dem Erwerb ihrer Aktien darauf vertraut haben, dass die Altaktionäre aufgrund eines Lock-up Agreements ihre Anteile nicht veräußern werden. Jedoch stellt dies keine persönliche Vertrauensinanspruchnahme der Altaktionäre dar. Denn Anknüpfungspunkt für das Vertrauen ist nicht die Person des Altaktionärs, den die Anleger im Zweifel nicht kennen, sodass sie folglich auch nicht ihm, sondern der Veröffentlichung des Lockup Agreements im Wertpapierprospekt vertrauen. Eine solche Trennung von Vertrauenstatbestand und der ihn setzenden Person ist mit § 311 Abs. 3 S. 2 BGB indes 609

Kakatsakis, Die culpa in contrahendo nach neuem Schuldrecht, 2007, S. 114. RG, Urt. v. 16. 12. 1922 – V 21/22, RGZ 106, 68, 73; RG, Urt. v. 29. 10. 1938 – II 178/37, RGZ 159, 33, 54 f.; BGH, Urt. v. 17. 9. 1954 – V ZR 32/53, BGHZ 14, 313, 318; BGH, Urt. v. 6. 6. 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 183; BGH, Urt. v. 20. 3. 1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 170. 611 Die Eigenhaftung von Vertretern soll insbesondere durch § 311 Abs. 3 S. 1 BGB erfasst werden, die Sachwalterhaftung dagegen von § 311 Abs. 3 S. 2 BGB, vgl. Begr. RegE SchuldRModG, BT-Drucks. 14/6040, 163; ferner Kersting, Dritthaftung für Informationen, 2007, S. 149 f., der die Vertretereigenhaftung in § 311 Abs. 3 S. 2 BGB ansiedelt. 612 Eichler, Vertragliche Dritthaftung, 2007, S. 89; Kakatsakis, Die culpa in contrahendo nach neuem Schuldrecht, 2007, S. 126. 613 Eichler, Vertragliche Dritthaftung, 2007, S. 89. 614 Kersting, Dritthaftung für Informationen, 2007, S. 218. 610

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen

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nicht (mehr) vereinbar,615 sodass auch der Prospekt als Schriftstück nicht als vertrauenswürdig i.S.d. § 311 Abs. 3 S. 2 BGB angesehen werden kann.616 Gleichwohl die Formulierung des § 311 Abs. 3 S. 2 BGB („insbesondere“) indiziert, dass der Vorschrift kein abschließender Charakter, sondern lediglich eine beispielhafte Kodifizierung einer Fallgruppe zukommt,617 lässt sich auch in Anlehnung an die übrigen von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen kein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen den Altaktionären und den Anlegern annehmen.618 Erkennt man in § 311 Abs. 3 BGB eine Ergänzung der Haftung der potentiellen Vertragspartner, so setzt dies einen engen Bezug zu einem Vertrag der anderen Personen voraus. Der Dritte muss folglich auf der Seite eines potentiellen Vertragspartners auftreten und darf keine neutrale Zwischenstellung innehaben.619 Eine solche Zugehörigkeit kann für die Altaktionäre indes nicht angenommen werden. Vielmehr nehmen diese im Rahmen des Aktienerwerbs der Anleger eine rein neutrale Rolle ein.620 4. Mängelgewährleistungsrecht Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch könnte schließlich im Rahmen der Mängelgewährleistung in Betracht kommen. Nach § 434 Abs. 1 S. 3 BGB wird der Mangelbegriff dahingehend erweitert, dass auch solche Eigenschaften zur vertraglichen Beschaffenheit der Kaufsache gehören, die der Käufer aufgrund von öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten kann. Es ließe sich somit überlegen, ob die Veröffentlichung von Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt eine solche öffentliche Äußerung i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB darstellt, die damit zur Beschaffenheit der Kaufsache gehört.

615

In diese Richtung auch Lutter, in: FS Druey, 2002, S. 463, 471. Kersting, Dritthaftung für Informationen, 2007, S. 218; a.A. zur alten Rechtslage Canaris, JZ 1995, 441, 445. 617 Keller, Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, 2007, S. 208; vgl. auch Begr. RegE SchuldRModG, BT-Drucks. 14/6040, 163: „Weiterentwicklung dieses Rechtsinstituts durch Praxis und Wissenschaft.“ 618 Ausführlich hierzu unter 8. Kapitel A. III. 1. b) bb). 619 Feldmann, in: Staudinger-BGB (2018), § 311 Rn. 183, 223; Koch, AcP 204 (2004), 59, 74 spricht von einem „parteiähnlichen Einfluss auf den Vertragsschluss“; Krebber, VersR 2004, 150, 154. 620 Im Ergebnis übereinstimmend OLG Frankfurt/M, Urt. v. 6. 7. 2004 – 5 U 122/03 („EM.TV II“), ZIP 2004, 1411, 1415. In diese Richtung auch Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 241, der die Voraussetzung des § 311 Abs. 3 BGB für den ähnlich gelagerten Sachverhalt einer allgemeinen Bekanntgabe, sich an einen nicht verpflichtenden Kodex halten zu wollen, ablehnt. 616

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

Dies kann letztlich dahinstehen. Denn selbst wenn § 434 BGB über den Umweg des § 453 BGB621 für Wertpapierkäufe entsprechende (oder analoge) Anwendung finden würde,622 handelt es sich bei der Vorschrift dennoch um eine Verkäuferhaftung, welche gerade auf einem geschlossenen Kaufvertrag zwischen den Parteien beruht. Im Hinblick auf eine Haftung der pflichtwidrig veräußernden Altaktionäre fehlt es gerade an einem solchen Kaufvertrag, da die Anleger ihre Aktien entweder direkt vom Emittenten oder, was den Regelfall darstellen wird, von der Emissionsbank bzw. auf dem Sekundärmarkt erwerben, jedoch regelmäßig nicht direkt von dem Altaktionär.623 Darüber hinaus liegt die Entscheidung über die Veröffentlichung des Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt nicht bei den Altaktionären, da diese gem. § 7 WpPG i.V.m. Anhang III Ziff. 7.3 EU-ProspektVO624 gesetzlich vorgeschrieben ist. Folglich lässt sich auch im Rahmen des Mängelgewährleistungsrechts kein Schadensersatzanspruch der Anleger gegenüber den pflichtwidrig veräußernden Altaktionären begründen.

V. Schadensersatz nach allgemeinem Deliktsrecht Schließlich ist für die Untersuchung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs der Anleger gegen die Altaktionäre auf die allgemeinen Vorschriften des Deliktsrechts einzugehen. Dieses kennt keine generalklauselartige Anspruchsgrundlage, sondern beschränkt sich auf drei Grundtatbestände:625 Für eine deliktsrechtliche Haftung muss entweder ein absolutes Recht oder Rechtsgut (Rechtsverstoß, § 823 Abs. 1 BGB) oder ein Schutzgesetz (Gesetzesverstoß, § 823 Abs. 2 BGB) verletzt worden sein. Als Auffangtatbestand dient zudem die Haftung für sittenwidrige Schädigung (vorsätzlicher Sittenverstoß, § 826 BGB). Zu beachten ist jedoch, dass es sich bei einem etwaigen Kursschaden der Anleger um einen Vermögensschaden 621 Wertpapierkäufe sind zwar aufgrund der Verbriefung der Wertpapiere auch Sachkäufe, schwerpunktmäßig jedoch Rechtskäufe, vgl. Weidenkaff, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 453 Rn. 1, 10. 622 Teilw. wird vertreten, der Wortlaut des § 453 Abs. 1 BGB spreche für eine grundsätzliche Anwendbarkeit der § 434 ff. BGB, vgl. Zimmermann, AcP 213 (2013), 652, 659 und 671. Gegen eine Anwendbarkeit der Sachmängelhaftung für den Rechtskauf wird indes angeführt, dass das Recht als bloße Gedankenkonstruktion keine Sachmängel haben kann, vgl. Huber, AcP 202 (2002), 179, 229; Westermann, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 453 Rn. 14. Schließlich wird vertreten, dass § 434 BGB analog auf den Rechtskauf angewendet werden könne, vgl. Bachmann, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil (Hrsg.), Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, 2007, S. 93, 104 f. 623 Zu dem (konstruierten) Fall, dass der Anleger die Aktien direkt von dem Altaktionär erwirbt und dieser erst durch die Veräußerung gegen ein Lock-up Agreement verstößt, vgl. bereits Fn. 607. 624 VO (EG) 809/2004 v. 29. 04. 2004 (EU-ProspektVO), ABl. EU L 149, 1. 625 Picker, JZ 1987, 1041; Wagner, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, Vor § 823 Rn. 7, 15. Indes spricht Canaris, VersR 2005, 577, 581 in diesem Zusammenhang von „drei ,kleinen‘ Generalklauseln“.

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen

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handelt. Reine Vermögensschäden sind indes von § 823 Abs. 1 BGB nicht geschützt626 und somit nur im Rahmen einer Schutzgesetzverletzung gem. § 823 Abs. 2 BGB oder einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB ersatzfähig. Eine deliktsrechtliche Haftung kommt folglich lediglich nach § 823 Abs. 2 BGB oder § 826 BGB in Betracht. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit kapitalmarktrechtlichen Verbotstatbeständen wurde bereits untersucht, ob eine zivilrechtliche Haftung aufgrund einer Schutzgesetzverletzung i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB in Betracht kommt. Gleichwohl die Schutzgesetzeigenschaft kapitalmarktrechtlicher Verbotstatbestände umstritten ist,627 gehen die Rechtsprechung sowie die Literatur davon aus, dass das Kapitalmarktrecht in erster Linie funktionsschützend ist und ein Individualschutz allenfalls nur eine mittelbare Nebenwirkung darstellt, sodass eine Schutzgesetzeigenschaft abgelehnt wird.628 Weitere Verbotstatbestände, die durch eine Verletzung von Lockup Agreements erfüllt sein könnten, sind nicht ersichtlich, sodass ein Schadensersatzanspruch aufgrund der Verletzung eines Schutzgesetzes i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB ausscheidet. In Betracht kommt dagegen eine deliktische Haftung aufgrund einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB. Diese Haftungsnorm, welche auch als deliktsrechtliche Generalklausel bezeichnet wird,629 hat insbesondere im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht zunehmend an Bedeutung gewonnen630 und sich zur Zentralnorm des deliktischen Vermögensschutzes entwickelt.631 Der weite Schutzbereich der Generalnorm des § 826 BGB steht der engen Fassung der tatbestandlichen Voraussetzungen entgegen.632 Der Tatbestand der Norm setzt sich aus vier Elementen zusammen: dem Eintritt eines Schadens, der Verursachung des Schadens durch ein Verhalten des Täters, der Sittenwidrigkeit des ursächlichen Verhaltens und dem Vorsatz des Schädigers.633 Dabei bedarf insbesondere das Kriterium der Sittenwidrigkeit einer besonderen Auseinandersetzung, da es den Ausnahmecharakter der Vorschrift normiert.634 Nach einer auf das Reichsgericht zurückgehenden Definition beschreibt Sittenwidrigkeit ein Verhalten, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt635 und dem zudem eine 626

Sprau, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 823 Rn. 2. Einsele, JZ 2014, 703, 710 bezeichnet dies als „die Gretchenfrage schlechthin“. 628 Dazu bereits ausführlich unter 4. Kapitel B. II. 3. b) sowie 4. Kapitel B. II. 4. b). 629 Kiethe, NZG 2005, 333; Sprau, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 826 Rn. 1. 630 Förster, AcP 209 (2009), 398, 399; Kiethe, NZG 2005, 333 ff. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Verstoß gegen ein kapitalmarktrechtliches Verbot i. d. R. mangels Schutzgesetzcharakter ausscheidet. 631 Kötz/Wagner, Deliktsrecht, 13. Aufl. 2016, Rn. 250. 632 Canaris, VersR 2005, 577, 581; Möllers/Leisch, WM 2001, 1648, 1650. 633 Wagner, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 8. 634 Poelzig, ZGR 2015, 801, 804. 635 RG, Urt. v. 11. 04. 1911 – Rep. VI. 443/00, RGZ 48, 114, 124; BGH, Urt. v. 09. 07. 1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228, 232. 627

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

besondere Verwerflichkeit beizumessen ist.636 Dabei handelt es sich jedoch um eine Leerformel,637 sodass eine Konkretisierung zunächst anhand von Fallgruppen vorzunehmen ist, die von der Rechtsprechung und Literatur gebildet worden sind und Sachverhaltskonstellationen beschreiben, in welchen eine Sittenwidrigkeit bejaht wird.638 Im Hinblick auf die Verletzung eines Lock-up Agreements durch einen Altaktionär kommen insbesondere die Fallgruppen des kollusiven Zusammenwirkens und der Informationsdeliktshaftung in Betracht.639 Eine anerkannte Fallgruppe des § 826 BGB stellt das kollusive Zusammenwirken zweier Parteien zulasten eines Dritten dar.640 Ein solches Verhalten ließe sich im Fall der Verletzung eines Lock-up Agreements nur annehmen, wenn die Emissionsbank und die Altaktionäre sich schon vor Vereinbarung des Lock-up Agreements darüber verständigen, dass Aktien der Altaktionäre noch während der Lock-up-Periode veräußert werden sollen.641 Für den hier zu untersuchenden Regelfall der einseitigen Verletzung von Lock-up Agreements durch die Altaktionäre kommt die Fallgruppe des kollusiven Zusammenwirkens nicht in Betracht.642 Überdies wird sich eine vorvertragliche Abrede zwischen den Altaktionären und der Emissionsbank in der Praxis selten nachweisen lassen, sodass dieser Fallgruppe kaum praktische Bedeutung beigemessen werden kann. Die nächste Fallgruppe betrifft die Haftung für Fehlinformationen von Anlegern am Kapitalmarkt.643 Hierunter wird die bewusst unrichtige Erteilung von Auskünften verstanden, aufgrund derer der Auskunftsempfänger zur Übernahme eines bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht vertretbaren Risikos verleitet wird.644 Dies kann sowohl Angaben im Wertpapierprospekt betreffen als auch unrichtige Ad-hocMitteilungen. Indes stellt der Bruch eines Lock-up Agreements keine Fehlinformation von Anlegern am Kapitalmarkt dar. Denn soweit das Bestehen eines Lock-up Agreements ordnungsgemäß publik gemacht wurde, liegt gerade keine Fehlinformation vor, da die Existenz eines Lock-up Agreements keine Aussage über die 636 BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZI 51/10, BGHZ 192, 90, 95, Rn. 13; BGH, Urt. v. 03. 12. 2013 – XI ZR 295/12, NJW 2014, 1098, 1099 Rn. 23. 637 Wagner, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 10. Auch der BGH führt an, dass sich „die Ermittlung von allgemein gültigen moralischen Maßstäben […] in einer pluralistischen Gesellschaft als nicht unproblematisch [erweist]“, vgl. BGH, Urt. v. 22. 1. 2015 – 3 StR 233/14, BGHSt 60, 166 Rn. 41. 638 Dühn, Schadensersatzhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen, 2003, S. 134; Kiethe, NZG 2005, 333, 334; Möllers/Leisch, WM 2001, 1648, 1651. 639 Vgl. Wagner, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 64 ff. 640 Kiethe, NZG 2005, 333, 336; Oechsler, in: Staudinger-BGB (2018), § 826 Rn. 149. 641 Zu dieser Fallkonstellation vgl. bereits 4. Kapitel B. I. 3. 642 So auch Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 172. 643 Wagner, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 98, 108. 644 BGH, Urt. v. 3. 12. 1973 – II ZR 144/72, WM 1974, 153; Möllers/Leisch, WM 2001, 1648, 1652.

B. Haftung der Altaktionäre nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen

141

Vertragstreue der Parteien trifft.645 Folglich lässt sich der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement auch nicht unter die Fallgruppe der Informationsdeliktshaftung subsumieren. In Ermangelung anerkannter Fallgruppen ist anhand des Einzelfalls zu untersuchen, ob die Verletzung eines Lock-up Agreements den Tatbestand der Sittenwidrigkeit gem. § 826 BGB erfüllt. Ein Versuch, das Merkmal der Sittenwidrigkeit positiv zu bestimmen, definiert Sittenwidrigkeit als den Missbrauch wirtschaftlicher oder privater Freiheit zum Nachteil anderer.646 Dabei sind die Systematik und Wertungsgrundsätze des jeweiligen Rechtsgebiets zu berücksichtigen.647 Verstößt ein Altaktionär gegen ein Lock-up Agreement, so verfolgt er dabei regelmäßig eigene wirtschaftliche Interessen und nimmt damit eine Schädigung der Neuinvestoren in Kauf. Jedoch stellt die Verletzung einer vertraglichen Pflicht noch kein sittenwidriges Verhalten i.S.d. § 826 BGB dar648 – die Verfolgung eigener Interessen ist grundsätzlich auch dann legitim, wenn damit eine Schädigung Dritter verbunden ist.649 Vielmehr muss zu dem Verhalten eine besondere Verwerflichkeit hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann und die das Verhalten des Schädigers als illoyal kennzeichnet.650 Vor diesem Hintergrund lässt sich die pflichtwidrige Veräußerung von Aktien während der Lock-up-Periode nicht als sittenwidrig charakterisieren. Der Bruch eines Lock-up Agreements stellt in erster Linie eine Vertragsverletzung dar. Zwar wird der Altaktionär in Kauf nehmen, dass es infolge der Anteilsveräußerung zu einer negativen Kursentwicklung kommen kann, jedoch kommt es ihm lediglich auf die Realisierung eigener Kursgewinne an. Eine besondere Verwerflichkeit lässt sich diesem Verhalten nicht zuschreiben, insbesondere da eine Anteilsveräußerung trotz Bestehens eines Lock-up Agreements meist anonym vollzogen wird, sodass die Öffentlichkeit davon nicht zwangsläufig Kenntnis erlangt und eine negative Kursentwicklung somit auch ausbleiben kann. Zudem ist nicht zu verkennen, dass das Erfordernis der Sittenwidrigkeit den Ausnahmecharakter einer Haftung aus § 826 BGB definiert, sodass das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit nicht aufgeweicht werden darf, sondern engen Grenzen unterliegt.651 Vereinzelt wird der Bruch eines Lock-up Agreements als sittenwidrig i.S.d. § 826 BGB eingestuft, wobei ar645

Dazu bereits ausführlich unter 4. Kapitel B. II. 1., 2. Wagner, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 19. 647 Oechsler, in: Staudinger-BGB (2018), § 826 Rn. 37. 648 Wagner, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 826 Rn. 70 stellt darauf ab, dass die Funktion des § 826 BGB nicht darin bestehe, das Leistungsstörungsrecht in das Deliktsrecht zu verlagern. 649 BGH, Urt. v. 19. 10. 1987 – II ZR 9/87, DB 1988, 226, 228; Sprau, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 826 Rn. 4. 650 BGH Urt. v. 10. 7. 2001 – VI ZR 160/00, NJW 2001, 3702, 3703; BGH, Urt. v. 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10 („IKB“), BGHZ 192, 90, 101 f. Rn. 28; Förster, AcP 209 (2009), 398, 414; Sprau, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 826 Rn. 4; a.A. Oechsler, in: Staudinger-BGB (2018), § 826 Rn. 58d. 651 Poelzig, ZGR 2015, 801, 804. 646

142

4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

gumentiert wird, der Verstoß stelle einen Missbrauch eines kapitalmarktrechtlichen Rechtsinstituts dar.652 Im Ergebnis stützt sich diese Ansicht jedoch auf die bloße Verletzung einer schuldrechtlichen Vereinbarung, die aber gerade kein sittenwidriges Verhalten darstellt. Auch die Bezeichnung eines Lock-up Agreements als „kapitalmarktrechtliches Rechtsinstitut“ vermag daran nichts zu ändern. Im Ergebnis scheidet eine Haftung der Altaktionäre nach § 826 BGB aufgrund der Verletzung eines Lock-up Agreements somit aus, da dem Verhalten der Altaktionäre keine besondere Verwerflichkeit beigemessen werden kann, sodass das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt ist.653

VI. Fazit Verstoßen Altaktionäre gegen ein Lock-up Agreement, indem sie während der Lock-up-Periode pflichtwidrig ihre Anteile veräußern, so begründet dies nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen keine Schadensersatzhaftung gegenüber den geschädigten Anlegern. Lediglich in solchen Konstellationen, in denen die Altaktionäre bereits vor oder während der Vereinbarung des Lock-up Agreements die Absicht haben, ihre Aktien pflichtwidrig vor Ablauf der Lock-up-Periode zu veräußern, bzw. dies mit der Emissionsbank vereinbaren, kommt eine Schadensersatzhaftung in Betracht, wobei der Nachweis einer solchen Absicht in der Praxis kaum zu erbringen ist. Der Bruch eines Lock-up Agreements führt nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen folglich zu keiner Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern.

C. Haftung nach US-amerikanischem Kapitalmarktrecht Die bisherige Untersuchung einer etwaigen Schadensersatzhaftung von Altaktionären aufgrund des Verstoßes gegen Lock-up Agreements hat sich mit einer Haftung nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen befasst. Eine ganzheitliche Betrachtungsweise darf sich indes nicht auf das deutsche Recht beschränken, sondern muss die dargestellten Ergebnisse einer rechtsvergleichenden Bewertung unterziehen. 652

So Haffa, Lock-up Vereinbarungen, 2008, S. 158. So auch Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 177 f.; i.E. übereinstimmend Singhof/Weber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 3 Rn. 37; A. Stoll, Der Konzern 2007, 561, 569; Veil, ZGR 2005, 155, 162 f., 197; a.A. Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 38, der entgegen der h.M. auf das Kriterium der besonderen Verwerflichkeit verzichten will und stattdessen vertritt, dass jedes gegen die Standards marktgerechten Verhaltens verstoßende Handeln den Tatbestand der Sittenwidrigkeit erfüllt. 653

C. Haftung nach US-amerikanischem Kapitalmarktrecht

143

In diesem Zusammenhang soll im Folgenden das US-amerikanische Kapitalmarktrecht im Hinblick auf eine Schadensersatzhaftung infolge der Verletzung von Lock-up Agreements untersucht werden. Der US-amerikanischen Rechtsordnung kommt dabei für das Kapitalmarktrecht eine besondere Bedeutung zu. Zunächst entstammt das Rechtsinstitut des Lock-up Agreements, wie die Terminologie bereits vermuten lässt, dem US-amerikanischen Rechtsraum, sodass die dortige Rechtsordnung auf einen größeren Erfahrungsschatz und eine Fülle an rechtlichen Auseinandersetzungen zu haftungsspezifischen Fragen zurückgreifen kann. Zudem ist der US-amerikanische Kapitalmarkt deutlich größer und entwickelter als der deutsche Kapitalmarkt,654 was sich zwangsläufig auch auf die Rechtsordnung auswirkt. Vor allem aber genießt das US-amerikanische Kapitalmarktrecht seit den 1930er Jahren internationale Vorbildfunktion und bleibt – trotz zum Teil unterschiedlicher Ansichten – in vielerlei Hinsicht Maßstab für die Fortentwicklung nationaler Regelungen auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts. Es kann daher durchaus dienlich sein, bei komplexen Auslegungsfragen die Entwicklung des US-amerikanischen Rechts zu betrachten, um daraus Rückschlüsse für die Interpretation des nationalen Kapitalmarktrechts zu ziehen.655 Dem steht auch der grundlegende dogmatische Unterschied und heterogene Stil der angloamerikanischen Rechtsordnung zum deutschen Recht nicht entgegen, da das US-amerikanische Recht mit seinen Gerechtigkeitsvorstellungen zu Ergebnissen kommt, die mit denen der deutschen Rechtsordnung weitestgehend übereinstimmen.656 Anzumerken bleibt jedoch, dass trotz aller Vorbildfunktionen ein „blindes“ Replizieren der US-amerikanischen Rechtssätze zu vermeiden ist.657 Stattdessen soll der Rechtsvergleich einer möglichen Schadensersatzhaftung nach US-amerikanischem Kapitalmarktrecht dazu dienen, die bisher gefundenen kapitalmarktrechtlichen Ergebnisse zu bestätigen oder aber Fehlerquellen in der Auslegung oder Interessenabwägung der nationalen Rechtsordnung aufzudecken.658 Gegenstand der vergleichenden Untersuchung ist dabei stets eine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre infolge eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements anhand kapitalmarktrechtlicher Haftungsnormen.659 654 Zum Vergleich: Ende 2017 betrug der Gesamtbörsenwert der an den US-Börsen (NYSE und NASDAQ) gehandelten Unternehmen 32.121 Mrd. USD (entspricht 165,7 % des BIP), während die Gesamtkapitalisierung an der Deutschen Börse AG 2.262 Mrd. USD betrug (entspricht 61,5 % des BIP), vgl. World Bank, DataBank – World Development Indicators; World Federation of Exchanges, Annual Statistics Guide 2017. 655 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 79; Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 397 f. und 431; ders., in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, 2008, S. 1161, 1179; Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, § 2 Rn. 64. Allgemein zur Hilfsfunktion der Rechtsvergleichung zur Rechtsfindung, Riesenhuber, AcP 218 (2018), 693 ff., 722. 656 Zweigert, RabelsZ 15 (1949/50), 5, 13. 657 Möllers, in: FS Hopt, 2010, S. 2247, 2264. 658 Zweigert, RabelsZ 15 (1949/50), 5, 17 f.; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl. 1996, § 2 III, S. 17. 659 Lock-up Agreements lassen sich aufgrund ihrer ökonomischen Bedeutung funktional dem Kapitalmarktrecht zuordnen, sodass in Anlehnung an die funktionale Methode des

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

Die US-amerikanische Rechtsordnung setzt sich grundsätzlich aus den jeweiligen Rechtsquellen der fünfzig Bundesstaaten zusammen, sodass zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsordnungen bestehen. Hiervon unterscheidet sich das Kapitalmarktrecht, welches neben den einzelstaatlichen Kodifikationen vor allem dem Bundesrecht (Federal Securities Law) unterfällt und damit einen einheitlichen kapitalmarktrechtlichen Regelungsrahmen schafft.660 Außerdem hat der US-Gesetzgeber den Bereich der Kapitalmarktinformationshaftung zunehmend dem Geltungsbereich der Einzelstaaten entzogen und diesen dem Bundesrecht unterstellt.661 Den Kern des US-amerikanischen Kapitalmarkthaftungsrechts bilden der Securities Act aus dem Jahr 1933 (im Folgenden SA) und der Securities Exchange Act aus dem Jahr 1934 (im Folgenden SEA), welche als Reaktion auf den Börsencrash von 1929 als Sonderdeliktsrecht verstanden werden können.662 Dabei regelt der Securities Act von 1933 die primärmarktrechtliche Haftung, während der Securities Exchange Act von 1934 die sekundärrechtliche Haftung regelt.

I. Primärmarktrechtliche Haftung Die primärmarktrechtliche Haftung des bundesgesetzlichen US-Kapitalmarktrechts entstammt vornehmlich den Vorschriften des Securities Acts von 1933. 1. Haftung nach Sec. 12(a) (2) SA Eine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre infolge einer Verletzung von Lockup Agreements könnte sich aus Sec. 12(a) (2) SA ergeben.663 Die Vorschrift normiert ausdrücklich eine zivilrechtliche Haftung des Verkäufers oder Anbieters von Wertpapieren gegenüber dem Käufer664 und stellt dabei auf die Fehlerhaftigkeit665 Rechtsvergleichs ausschließlich das deutsche und US-amerikanische Kapitalmarktrecht verglichen werden sollen, vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl. 1996, § 3 II, S. 33: „Unvergleichbares kann man nicht sinnvoll vergleichen und vergleichbar ist nur, was dieselbe Aufgabe erfüllt.“ 660 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 216, 271; Stübinger, Teilnehmerhaftung bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation, 2015, S. 138. 661 Bspw. der Private Securities Litigation Reform Act, 1995 und der Securities Litigation Uniform Standards Act, 1998; vgl. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2013, Rn. 277; Stübinger, Teilnehmerhaftung bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation, 2015, S. 138. 662 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 80; Thel, Stan. L. Rev. 42 (1990), 385, 407 ff. 663 Dazu aus dem deutschen Schrifttum Beurskens, Haftung für enttäuschtes Aktionärsvertrauen, 2008, S. 113 ff. 664 Hazen, Securities Regulation, 7. Aufl. 2016, Vol. 2, § 7:45, S. 243. 665 Im Übrigen kommt eine Haftung aus Sec. 12(a) (1) SA im Fall der Verletzung eines Lock-up Agreements nicht in Betracht, da die Vorschrift auf einen Verstoß von Sec. 5 SA

C. Haftung nach US-amerikanischem Kapitalmarktrecht

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des Wertpapierprospekts oder von mündlichen Angaben ab.666 Im Vergleich mit dem deutschen Recht kommt diese Vorschrift der Prospekthaftung gem. §§ 21, 22 WpPG am nächsten. a) Anwendbarkeit gegenüber Sekundärakteuren Zunächst ist zu untersuchen, ob Altaktionäre überhaupt in den persönlichen Anwendungsbereich von Sec. 12(a) (2) SA fallen und schadensersatzpflichtig gegenüber den Neuinvestoren sein können. Grundsätzlich normiert Sec. 12(a) (2) SA, dass dem Käufer von Wertpapieren ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Anbieter oder Verkäufer der Wertpapiere zusteht. In diesem Zusammenhang wird kontrovers diskutiert, ob die Vorschrift auch gegenüber Sekundärakteuren anwendbar ist, d. h. ob ein Haftungsanspruch auch gegenüber Dritten in Betracht kommt, die nicht unmittelbar Verkäufer oder Anbieter der erworbenen Wertpapiere sind.667 Dabei ist insbesondere zu untersuchen, welche Anforderungen und welches Maß an aktiver Beteiligung nötig sind, um jemanden als haftungsverpflichteten Verkäufer oder Anbieter i.S.d. Sec. 12(a) (2) SA zu charakterisieren.668 Nach dem Wortlaut der Vorschrift haftet der Anbieter oder Verkäufer eines Wertpapiers nur gegenüber demjenigen, der das Wertpapier kauft. Insofern soll Sec. 12(a) (2) SA eine Haftung nur im unmittelbaren Vertragsverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber vorsehen.669 Zwischenzeitlich hat sich die instanzgerichtliche Rechtsprechung für eine extensive Auslegung des Begriffs Verkäufer und Anbieter ausgesprochen, wonach auch solche Akteure zur Haftung gezogen werden konnten, deren Beteiligung zwar einen wesentlichen Grund der Transaktion darstellt, die jedoch nicht selber Partei der Wertpapiertransaktion sind.670 Dies führte zwangsläufig zu einer erheblichen Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs von Sec. 12(a) (2) SA. Mit der Entscheidung des Supreme Courts in Pinter v. Dahl671 wurde der weiten abstellt, worunter insbesondere ein öffentliches Angebot von Wertpapieren ohne wirksames registration statement bzw. ohne vorherige Veröffentlichung eines Pflichtprospekts fällt, vgl. Stübinger, Teilnehmerhaftung bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation, 2015, S. 141. Eine Haftung aufgrund eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement kann jedoch allenfalls an die Fehlerhaftigkeit des Prospekts anknüpfen, nicht jedoch an ein grundsätzliches Fehlen eines Wertpapierprospekts 666 Vgl. den Originalwortlaut der Vorschrift: „by means of a prospectus or oral communication“. 667 Übersichtlich hierzu Kulms, in: Hopt/Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 1120 f.; Stübinger, Teilnehmerhaftung bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation, 2015, S. 144. 668 Hazen, Securities Regulation, 7. Aufl. 2016, Vol. 2, § 7:45, S. 248. 669 Choi/Pritchard, Securities Regulation, 4. Aufl. 2015, Ch. 8 Sec. III A., S. 524: „A buyerseller relationship not unlike the traditional contractual privity.“ 670 Vgl. Dahl c. Pinter, 787 F.2d 985, 990 (5th Cir. 1986) (nicht rechtskräftig, später vom Supreme Court aufgehoben, vgl. Fn. 671). 671 Pinter v. Dahl, 486 U.S. 622, 108 S.Ct. 2063 (1988).

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

Auslegung endgültig ein Riegel vorgeschoben. In Anspruch genommen nach Sec. 12 SA kann danach ausschließlich der unmittelbare und direkte Veräußerer, der in einer unmittelbaren Vertragsbeziehung zum Erwerber steht und dem die Pflicht zur Übertragung des Wertpapiers zukommt.672 Für eine Haftung infolge eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement bedeutet dies, dass ein Anleger überhaupt nur dann einen Anspruch aus Sec. 12(a) (2) SA gegenüber dem pflichtwidrig veräußernden Altaktionär geltend machen kann, wenn der Anleger die Aktien unmittelbar von dem Altaktionär erworben hat, d. h. der Altaktionär gerade mit der Wertpapiertransaktion gegen das Lock-up Agreement verstoßen hat. In der Regel werden die Anleger ihre Aktien jedoch über einen Intermediär wie einen Broker, Dealer oder Emissionsbanken beziehen, sodass eine Inanspruchnahme der Altaktionäre ausgeschlossen ist.673 Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein Neuanleger seine Aktien von einem Altaktionär erwirbt, welcher mit ebendieser Transaktion gegen ein Lock-up Agreement verstößt,674 dürfte bereits fraglich sein, ob der Anleger bei dem Erwerb keine Kenntnis von der Existenz des Lock-up Agreements hatte, da ein Anspruch anderenfalls ohnehin nicht in Betracht käme. b) Anwendbarkeit am Sekundärmarkt Selbst wenn angenommen wird, dass Altaktionäre im Fall eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement in den persönlichen Anwendungsbereich von Sec. 12(a) (2) SA fallen, stellt sich sodann die Frage, ob die Vorschrift grundsätzlich auf Sekundärmarkttransaktionen anwendbar ist oder ausschließlich Fehlverhalten am Primärmarkt erfasst. Denn ausgehend von der vorangegangenen Diskussion kommt ein Schadensersatzanspruch der Anleger gegenüber den pflichtwidrig veräußernden Altaktionären ohnehin nur dann in Betracht, wenn der Neuinvestor die Wertpapiere direkt vom Altaktionär und damit zwangsläufig auf dem Sekundärmarkt erwirbt. Folglich müsste der Anwendungsbereich der Norm auch für Sekundärmarkttransaktionen eröffnet sein. Ursprünglich wurde der Prospektbegriff (prospectus) in Sec. 12(a) (2) SA weit ausgelegt, sodass darunter sämtliche schriftlichen Wertpapierangebote verstanden wurden, worunter sowohl Primärmarkttransaktionen als auch Sekundärmarkttransaktionen fielen.675 Mit der wegweisenden Gustafson-Entscheidung676 aus dem Jahr 672

In der Literatur fand dies Zustimmung, vgl. Fischel, Cal. L. Rev. 69 (1981), 80, 110; Hazen, Securities Regulation, 7. Aufl. 2016, Vol. 2, § 7:13, S. 172; Maynard, Wm. & Mary L. Rev. 32 (1991), 847, 854 ff. 673 So auch Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 115. 674 Vgl. bereits Fn. 607. 675 Bspw. Short v. Belleville Shoe Mfg. Co., 908 F.2d 1385, 1370 (7th Cir. 1990); Carrot v. Shearson Hayden Stone, Inc., 724 F.2d 821 (9th Cir. 1984); Franklin Sav. Bank v. Levy, 551 F.2d 521 (2nd Cir. 1977). In der Literatur zust. Maynard, Wm. & Mary L. Rev. 32 (1991), 847 m.w.N.

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1995 beschränkte der Supreme Court den Anwendungsbereich von Sec. 12(a) (2) SA ausschließlich auf Primärtransaktionen, wobei sich das Gericht insbesondere auf den Prospektbegriff stützt, welcher stets in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Börsengang stehe.677 Obwohl sich die Gustafson-Entscheidung fortdauernder Kritik der Literatur ausgesetzt sieht,678 stellt sie das Ende der Anwendbarkeit von Sec. 12(a) (2) SA auf Sekundärmarkttransaktionen dar.679 Selbst wenn Neuinvestoren ihre Anteile direkt von den Altaktionären, d. h. auf dem Sekundärmarkt, erwerben, scheidet eine Haftung nach Sec. 12(a) (2) SA bereits mangels Anwendbarkeit grundsätzlich aus. c) Ergebnis Die Verletzung von Lock-up Agreements führt nach US-amerikanischem Kapitalmarktrecht somit nicht zu einer Haftung des pflichtwidrig veräußernden Altaktionärs gegenüber den Neuanlegern aus Sec. 12(a) (2) SA. Zum einen werden die Altaktionäre i. d. R. nicht vom persönlichen Anwendungsbereich der Norm umfasst sein, da die geschädigten Anleger ihre Anteile regelmäßig nicht direkt von den Altaktionären erwerben und diese daher nicht unmittelbare Veräußerer der Aktien sind. Selbst wenn man dagegen von einer Konstellation ausgehen wollte, in welcher die Altaktionäre ihre Aktien direkt an die Anleger veräußern (und mit dieser Transaktion gegen Lock-up Agreements verstoßen), würde es sich dabei um Sekundärmarkttransaktionen handeln, welche nicht in den Anwendungsbereich einer Haftung gem. Sec. 12(a) (2) SA fallen. 2. Haftung nach Sec. 11 SA Neben die Haftung aus Sec. 12 (a) (2) SA tritt ergänzend Sec. 11 SA, welche ähnlich konzipiert ist und die zuvor behandelte Prospekthaftung insbesondere im Hinblick auf den deutlich weiter gefassten Kreis der Haftungsadressaten ergänzt.680 Im Gegensatz zu der in Sec. 12(a) SA normierten Prospekthaftung bezieht sich Sec. 11 SA auf die im Zusammenhang mit einer Emission bei der SEC einzureichenden Registrierungsunterlagen.

676

Gustafson v. Alloyd Co., Inc., 513 U.S. 561, 115 S.Ct. 1061 (1995). Gustafson v. Alloyd Co., Inc., 513 U.S. 561, 578, 115 S.Ct. 1061 (1995): „In sum, the word ,prospectus‘ is a term of art referring to a document that describes a public offering of securities.“ 678 Hazen, Securities Regulation, 7. Aufl. 2016, Vol. 2, § 7:47, S. 260 ff.; Loss, Harv. L. Rev. 105 (1991), 908; Maynard, Wm. & Mary L. Rev. 32 (1991), 847; Palmiter, Securities Regulation, 6. Aufl. 2014, § 6.4.1, S. 275. 679 Hazen, Securities Regulation, 7. Aufl. 2016, Vol. 2, § 7:49, S. 271. 680 Stübinger, Teilnehmerhaftung bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation, 2015, S. 145 f. 677

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a) Persönlicher Anwendungsbereich Anspruchsberechtigt ist nach Sec. 11 SA grundsätzlich jeder Erwerber des betreffenden Wertpapiers. Im Gegensatz zu Sec. 12(a) (2) SA schließt dies auch Wertpapiertransaktionen auf dem Sekundärmarkt ein,681 sodass die Anleger grundsätzlich zum Kreis der möglicherweise Anspruchsberechtigten gehören. Ebenfalls weiter gefasst ist der in Sec. 11 SA normierte Kreis der Anspruchsverpflichteten, welcher im Gegensatz zu Sec. 12(a) (2) SA auch Sekundärakteure umfasst, d. h. solche Beteiligte, die nicht in unmittelbarer Vertragsbeziehung zu dem Wertpapiererwerber stehen und nicht direkt an der Wertpapiertransaktion mitgewirkt haben. Stattdessen liefert Sec. 11(a) SA einen abschließenden Katalog der Haftpflichtigen,682 zu denen jeder gehört, der (1) die Registrierungsunterlagen unterzeichnet, (2) zum Zeitpunkt der Einreichung der betreffenden Registrierungsunterlagen director des Emittenten war, eine vergleichbare Position innehatte oder Partner beim Emittenten war, (3) mit seiner Zustimmung im Registrierungsstatement als künftiger director, Person mit vergleichbarer Funktion oder Partner genannt wird, (4) mit seiner Zustimmung im Registrierungsstatement als Experte genannt wird, der an der Erstellung des Registrierungsstatements mitgewirkt hat, oder (5) jede an der Emission beteiligte Emissionsbank. Der Kreis der Haftpflichtigen nach Sec. 11(a) SA ist als abschließend zu betrachten und darf folglich nicht erweitert oder ergänzt werden.683 Die Haftung nach Sec. 11 SA knüpft gerade an die besondere Rolle eines Akteurs an der Fertigstellung der Registrierungsunterlagen an. Darunter fallen nicht zwangsläufig auch die Altaktionäre des Unternehmens – diese stellen jedenfalls keine eigene Gruppe an Haftpflichtigen nach Sec. 11(a) SA dar. Insbesondere kann der Begriff des „partners“ in Gruppe (2) und (3) nicht mit Gesellschafter oder Aktionär übersetzt werden, sodass Altaktionäre nicht schon aufgrund ihrer bloßen Gesellschafterstellung zum Kreis der Haftpflichtigen zählen.684 Hingegen gehören gerade bei jungen Unternehmen insbesondere die Geschäftsführung und die Gründer zum Kreis der Alt681

DeMaria v. Andersen, 153 F.Supp.2d 300, 309 f. (S.D.N.Y. 2001); Hertzberg v. Dignity Partners, Inc., 191 F.3d 1076, 1081 (9th Cir. 1999); Joseph v. Wiles, 223 F.3d 1155, 1158 f. (10th Cir. 2000); zust. in der Literatur Hazen, Securities Regulation, 7. Aufl. 2016, Vol. 2, § 7:18, S. 186; Murray, St. John’s L. Rev. 73 (1999), 633, 647. 682 Dorchester Investors v. Peak Intern. Ltd., 134 F.Supp.2d 569, 575 (S.D.N.Y. 2001): „Section 11 explicitly enumerates the individuals upon which civil liabilities may be imposed.“ 683 Versyss Inc. v. Coopers & Lybrand, 982 F.2d 654, 657 (1st Cir. 1992): „Section 11 […] is remarkably stringent where it applies, readily imposing liability on ancillary parties.“ 684 Vgl. Batwin v. Occam Networks, Inc., in welcher das Gericht eine Haftung eines VentureCapital-Fonds, welcher im Nachgang an die Emission 1,5 Mio. Aktien veräußerte, nach Sec. 11(a) SA verneinte und insbesondere eine Subsumption unter den Begriff „partners“ ablehnte. Aus der Literatur vgl. Vizcarrondo, Liabilities under the Federal Securities Laws, 2013, S. 26. Anders dagegen Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 106, der die Altaktionäre aufgrund ihrer Stellung als existierende bzw. zukünftige Gesellschafter zum Kreis der Haftpflichtigen zählt, ohne dies jedoch näher zu begründen.

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aktionäre. Folglich ist es durchaus denkbar, dass ein Altaktionär, der zugleich eine besondere Funktion gemäß der Gruppe (2) oder (3) in dem Unternehmen ausfüllt, als Haftpflichtiger nach Sec. 11(a) SA in Betracht kommt. b) Tatbestand Anknüpfungspunkt des Haftungstatbestands nach Sec. 11 SA sind Fehler in den offiziell bei der SEC einzureichenden Registrierungsunterlagen. Hierunter fallen gem. Sec. 11(a) SA falsche Angaben (untrue statements) oder Unvollständigkeiten (omissions) von wesentlichen Angaben (material facts). Somit ist zu untersuchen, ob die Verletzung eines Lock-up Agreements eine falsche Angabe darstellt bzw. ob diese Verletzung eine zunächst richtige Angabe nachträglich falsch werden lassen kann. Zunächst müsste der Abschluss eines Lock-up Agreements eine wesentliche Angabe darstellen, worunter eine solche Angabe verstanden wird, die ein informierter, durchschnittlicher Anleger wahrscheinlich für wichtig im Hinblick auf eine zu treffende Transaktionsentscheidung hält.685 Aufgrund der weitreichenden ökonomischen Wirkung von Lock-up Agreements686 stellen diese eine wesentliche Information für eine Anlageentscheidung dar, sodass das Merkmal der Wesentlichkeit bislang auch von der Rechtsprechung nicht in Frage gestellt worden ist.687 Maßgeblich ist somit, ob die Verletzung eines Lock-up Agreements die ursprünglich richtigen Angaben in den Registrierungsunterlagen nachträglich fehlerhaft werden lässt.688 Der für die Bestimmung der Richtigkeit und Vollständigkeit relevante Zeitpunkt wird von Sec. 11(a) SA präzise definiert als der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Registrierungsunterlagen.689 Etwaige wesentliche Veränderungen, die dem Inkrafttreten der Registrierungsunterlagen zeitlich nachfolgen, finden somit keine Berücksichtigung im Hinblick auf die Richtigkeit bzw. Vollständigkeit der gemachten Angaben und fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Sec. 11 SA.690 Insofern stimmen die US-amerikanische und die deutsche Rechtsordnung 685 TSC Indus., Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 449, (1976); Hazen, Securities Regulation, 7. Aufl. 2016, Vol. 2, § 7:15, S. 175. 686 Vgl. 3. Kapitel A., B. und C. 687 In re Sterling Foster Co., Inc., Sec. Litig., 222 F.Supp.2d 216, 245, 262 (E.D.N.Y. 2002). 688 Schwerpunkt dieser Untersuchung soll die Verletzung von Lock-up Agreements sein, sodass davon ausgegangen wird, dass die entsprechende Veröffentlichung der Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt ordnungsgemäß erfolgt ist. 689 Vgl. Sec. 11(a) SA: „when such part became effective“. Das Inkrafttreten der Registrierungsunterlagen regelt Sec. 8(a) SA, wonach die Registrierungsunterlagen grundsätzlich am 20. Tag nach deren Einreichung in Kraft treten, sofern die Kommission keinen früheren Tag bestimmt. 690 Nelson v. Paramount Communications, Inc., 872 F.Supp. 1242, 1246 (S.D.N.Y. 1994): „While events subsequent to the date of the registration statement may have been material, Section 11 by its own terms is limited to material omissions in parts of registration statements that were misleading ,when such part[s] became effective‘.“

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

überein, da auch für die Prospekthaftung nach §§ 21, 22 WpPG lediglich der Zeitpunkt der Emission relevant ist und keine darüber hinausgehende Aktualisierungspflicht besteht.691 Daraus folgt, dass ein Verstoß der Altaktionäre gegen ein Lock-up Agreement die eingereichten Registrierungsunterlagen nicht nachträglich falsch oder unvollständig werden lässt. Entscheidend nach Sec. 11 SA ist allein der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Registrierungsunterlagen, es besteht gerade keine Aktualisierungspflicht. Wurden die Registrierungsunterlagen ursprünglich richtig und vollständig eingereicht und kommt es im Nachgang zu einem Verstoß gegen ein Lock-up Agreement, so können sich die Anleger im Rahmen von Sec. 11 SA nicht auf die veränderten Umstände berufen,692 sodass auch kein Schadensersatzanspruch gegen die pflichtwidrig veräußernden Altaktionäre in Betracht kommt.693 Von der Konstellation des nachträglichen, einseitigen Verstoßes gegen ein Lockup Agreement durch einen Altaktionär ist – wie im deutschen Recht –694 die Konstellation des kollusiven Zusammenwirkens abzugrenzen, worunter insbesondere Abreden zwischen der Emissionsbank und den Altaktionären vor oder während der Vereinbarung eines Lock-up Agreements fallen, in welchen die Parteien eine spätere Verletzung der Lock-up Agreements oder ein einvernehmliches Aufheben derselben verabreden.695 Werden derartige geheime Abreden bereits vor Vereinbarung des Lock-up Agreements, d. h. auch vor Einreichung und Inkrafttreten der Registrierungsunterlagen, getroffen, so sind die Unterlagen im maßgeblichen Zeitpunkt unvollständig, da die Vereinbarung hinsichtlich des Verstoßes bzw. der Aufhebung des Lock-up Agreements einen wesentlichen Umstand darstellt, der für die Investitionsentscheidung eines durchschnittlichen Anlegers erheblich wäre.696 Kern dieser 691

Vgl. 4. Kapitel B. II. 1. Vgl. Nanopierce Technologies, Inc. v. Southridge Capital Management LLC, WL 22882137 (S.D.N.Y. 2003), S. 3; sowie Nanopierce Technologies, Inc. v. Southridge Capital Management LLC, WL 22882146 (S.D.N.Y. 2003), S. 12: „The fact that Gemini allegedly violated the terms of the Lock-up Agreement at some later date does not render NPCT’s statement false at the time it was made.“ 693 Zutreffend Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 108. 694 Vgl. bereits Fn. 501. 695 Zu den verschiedenen Konstellationen einer Verletzung von Lock-up Agreements vgl. 4. Kapitel B. I. 3. 696 In re Sterling Foster Co., Inc., Sec. Litig., 222 F.Supp.2d 216, 245, 263 f. (E.D.N.Y. 2002): „The omission of these agreements [to release the shares from the lock-up agreements] from the prospectus ,would have been viewed by the reasonable investor as having significantly altered the ,total mix‘ of information available‘, because the agreements substantially alter the number of shares available.“ Ähnlich urteilte das Gericht auch in Nanopierce Technologies, Inc. v. Southridge Capital Management LLC, WL 22882146 (S.D.N.Y. 2003), S. 11, in dem ein Verstoß gegen Sec. 11 SA letztlich bejaht wurde, da der eigentliche Verstoß zwar erst nach Inkrafttreten der Registrierungsunterlagen stattfand (vgl. Fn. 689), jedoch bereits vor dem Inkrafttreten bekannt war, dass gegen das Lock-up Agreement verstoßen werden würde: „knew before […] that it would issue shares to entities other than Gemini and that Gemini therefore could not abide by the terms of the Lock-up Agreement“. 692

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Untersuchung soll jedoch der einseitige Verstoß von Altaktionären gegen Lock-up Agreements sein, wovon die gemeinsam begangenen Verstöße durch kollusives Zusammenwirken abgegrenzt werden müssen.697 c) Ergebnis Der Regelfall des nachträglichen Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement durch einen Altaktionär erfüllt somit nicht den Tatbestand einer Haftung nach Sec. 11 SA. Eine Haftung kommt lediglich in Betracht, wenn nicht an den Verstoß als solchen angeknüpft wird, sondern an eine etwaige geheime Abrede zwischen den Parteien des Lock-up Agreements, in welcher sich diese bereits im Vorfeld darüber verständigen, das Lock-up Agreement später einvernehmlich aufzuheben oder dagegen zu verstoßen.

II. Sekundärmarktrechtliche Haftung Die Sekundärmarkthaftung wird durch den Securities Exchange Act von 1934 geregelt, wobei dem Haftungstatbestand aus Sec. 10(b) SEA i.V.m. Rule 10b-5 SEC eine besondere praktische Bedeutung hinsichtlich der Kapitalmarktinformationshaftung in den US-amerikanischen Gerichtsverfahren zukommt.698 1. Haftung nach Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 Ein Schadensanspruch der Anleger könnte sich schließlich aus Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 ergeben, welche die zentrale Verbotsnorm für marktmanipulatives Verhalten ist699 und aufgrund ihrer durch die Rechtsprechung geprägten weiten Auslegung als Auffangtatbestand („catch-all clause“) dient.700 Der Haftungstatbestand setzt sich zusammen aus Sec. 10(b) SEA, der die SEC ermächtigt, Verordnungen zum Schutz der Anleger oder im Interesse der Öffentlichkeit zu er-

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Ausführlich zu dieser Fallgestaltung und den Haftungsimplikationen nach Sec. 11 SA Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 109 ff. 698 Baker/Griffith, Univ. Chic. L. Rev. 74 (2007), 487, 497 f.; Thel, Stan. L. Rev. 42 (1990), 385, 463. Im Jahr 2016 beruhten 67 % der Securities Class Action Filings auf Sec. 10(b) i.V.m. SEC Rule 10b-5 (zum Vergleich: 2015 waren es noch 84 %), vgl. Cornerstone Research, Class Action Filings – 2016 Year in Review, S. 9. 699 Stübinger, Teilnehmerhaftung bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation, 2015, S. 154; Vizcarrondo, Liabilities under the Federal Securities Laws, 2013, S. 55. 700 Chiarella v. United States, 445 U.S. 222, 226, 100 S.Ct. (1980): „Section 10(b) was designed as a catchall clause to prevent fraudulent practices.“

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lassen,701 und der aus diesem Regelungsauftrag entstandenen Rule 10b-5 der SEC, wonach sämtliche betrügerischen, manipulativen oder täuschenden Handlungen im Zusammenhang mit Wertpapiertransaktionen verboten sind. a) Persönlicher Anwendungsbereich Der persönliche Anwendungsbereich von SEC Rule 10b-5 besagt lediglich, dass die durch die Norm verbotenen Handlungen im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Veräußerung eines Wertpapiers stehen müssen.702 Die Rechtsprechung hat dies dahingehend konkretisiert, dass der Inhaber eines Anspruchs aus Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10(b)-5 geltend machen muss, Erwerber oder Veräußerer des oder der Wertpapiere zu sein (purchaser/seller standing requirement), an welche die missbräuchliche Handlung anknüpft.703 Eine unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen den Parteien wird hingegen nicht vorausgesetzt.704 Hinsichtlich einer Haftung aufgrund eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements bedeutet dies, dass die Anleger als Aktienerwerber grundsätzlich anspruchsberechtigt sind, unabhängig davon, ob der Erwerb auf dem Primärmarkt im Rahmen der Emission oder auf dem Sekundärmarkt erfolgt ist.705 b) Tatbestand SEC Rule 10b-5 umfasst drei Tatbestandsalternativen, die eine missbräuchliche oder manipulative Handlung beschreiben. Verboten sind zunächst manipulative Verhaltensweisen (device, scheme or artifice)706 sowie ferner die Abgabe falscher Angaben über wesentliche Umstände (untrue statement of a material fact) bzw. das Verschweigen wesentlicher Umstände (omit to state a material fact)707 und 701 Sec. 10(b) SEA: „such rules and regulations as the [Securities and Exchange] Commission may prescribe as necessary or appropriate in the public interest or for the protection of investors.“ 702 SEC Rule 10b-5: „in connection with the purchase or sale of any security.“ – 17 C.F.R. §240.10b-5. Dieselbe Terminologie verwendet Sec. 10(b) SEA. 703 Blue Chip v. Manor Drug Stores, 421 U.S. 723, 733 ff. (1975) rehearing denied, 423 U.S. 884; zuvor bereits Birnbaum v. Newport Steel Corp., 193 F.2d 461, 464 (2nd Cir. 1952), cert. denied, 343 U.S. 956. Übersichtlich hierzu Hazen, Securities Regulation, 7. Aufl. 2016, Vol. 3, § 12:32, S. 594. 704 Kulms, in: Hopt/Voigt (Hrsg.), Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 1141; Langevoort, Stan. L. Rev. 52 (1999), 87, 102: „privity is not required under Rule 10b5.“ 705 Hingegen ist nicht anspruchsberechtigt, wer aufgrund des möglicherweise missbräuchlichen Verhaltens der Altaktionäre von einem Aktienerwerb abgesehen hat und sich nunmehr auf ein möglicherweise verpasstes, profitables Investment beruft, vgl. Schiffers, Haftung von Altaktionären bei Verstoß gegen Marktschutzvereinbarungen, 2006, S. 122, dort Fn. 852. 706 SEC Rule 10b-5(a) – 17 C.F.R. §240.10b-5(a). 707 SEC Rule 10b-5(b) – 17 C.F.R. §240.10b-5(b).

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schließlich die Beteiligung an betrügerischen Handlungen gegenüber Dritten (fraud or deceit upon any person)708. Die Auslegung der einzelnen Tatbestände hat dabei in Zusammenschau mit Sec. 10b SEA zu erfolgen, welche ausdrücklich auf manipulatives und irreführendes Verhalten (manipulative or deceptive) verweist, sodass diese Elemente jedem Verstoß von SEC Rule 10b-5 zugrunde liegen müssen.709 Kern der Haftung aus Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 ist somit eine wesentliche Fehlinformation des Kapitalmarkts oder die Unterlassung einer solchen Information.710 Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen einer Haftung nach Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 wurden durch die Rechtsprechung konkretisiert.711 Maßgeblich für die Täuschungshandlung ist danach zunächst eine Falschdarstellung oder ein Verschweigen einer wesentlichen Angabe.712 Die Rechtsprechung hat sich bereits wiederholt mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Verstoß gegen Lock-up Agreements als ein solches Verhalten i.S.v. Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 zu werten ist. Im Folgenden soll auf die einzelnen Entscheidungen eingegangen werden, wobei die Besonderheiten der jeweiligen Sachverhaltskonstellationen berücksichtigt werden müssen. Anhand dieser Entscheidungen ist schließlich zu bewerten, ob und unter welchen Voraussetzungen der Verstoß eines Altaktionärs gegen ein Lock-up Agreement zu einer Haftung gegenüber den Anlegern führen kann. aa) Stream SIVAC v. Wang In der Rechtssache Stream SIVAC v. Wang713 wurde gegen ein zwischen dem Senior Management und der Gesellschaft vereinbartes Lock-up Agreement verstoßen, indem dieses heimlich aufgehoben wurde und daraufhin 19 % der dem Lock-up Agreement unterliegenden Aktien veräußert wurden, was ein Absinken des Wertpapierkurses um 44 % zur Folge hatte.714 Hinsichtlich einer Haftung aus Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 knüpft das Gericht an zwei Umstände an: zum einen, dass die Aufhebung des Lock-up Agreements nicht veröffentlicht wurde, während das Unternehmen weiterhin Äußerungen über die Existenz des in Wahrheit bereits aufgehobenen Lock-up Agreements machte. Zum anderen wurde auch die Veräußerung der Aktien durch die Altaktionäre nicht publik gemacht, sondern statt-

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SEC Rule 10b-5(c) – 17 C.F.R. §240.10b-5(c). Schreiber v. Burlington Northern, Inc., 472 U.S. 1, 7 f., 105 S.Ct. (1985); Ernst & Ernst v. Hochfelder, 425 U.S. 186, 192 f., 96 S.Ct. (1976); Hazen, Securities Regulation, 7. Aufl. 2016, Vol. 3, § 12:19, S. 555. 710 Vgl. Stübinger, Teilnehmerhaftung bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation, 2015, S. 158. 711 Übersichtlich zu den einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen Dura Pharmaceuticals v. Broudo, 544 U.S. 336, 341 ff. (2005). 712 Ganino v. Citizens Utilities Co., 228 F.3d 154, 161 (2nd Cir. 2000). 713 Stream SIVAC v. Wang, 989 F.Supp.2d 264 (2013). 714 Vgl. zum Sachverhalt Stream SIVAC v. Wang, 989 F.Supp.2d 264, 269 ff. (2013). 709

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dessen Angaben zum Bestehen des Lock-up Agreements veröffentlicht.715 In diesen fortwährenden Veröffentlichungen zur Existenz eines Lock-up Agreements zwischen der Gesellschaft und dem Senior Management, nachdem diese Vereinbarung bereits heimlich aufgelöst wurde, sieht das Gericht Falschaussagen, die wesentlich für die Anlageentscheidung der Investoren waren, da die Gesellschaft gerade die Existenz der Lock-up Agreements als Vertrauensbeweis des Senior Managements angepriesen hat.716 Das Gericht beruft sich dabei auf den Grundsatz, dass, sofern ein Unternehmen öffentliche Aussagen zu Unternehmensgrundsätzen und zur Unternehmensstrategie macht, ohne diese einzuhalten, die getroffenen Aussagen damit zu wesentlichen Falschaussagen werden.717 Folglich sah das Gericht den Tatbestand einer wesentlichen Falschaussage nach Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 als erfüllt an. Zu berücksichtigen bleiben indes die Besonderheiten der zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellation. In der Rechtssache Stream SIVAC v. Wang hat das Gericht gerade nicht an die unmittelbare Verletzung eines Lock-up Agreements, d. h. den Tatbestand der pflichtwidrigen Veräußerung von Aktien, die einem Lock-up Agreement unterliegen, angeknüpft, da das relevante Lock-up Agreement zuvor bereits aufgelöst wurde. Stattdessen hat das Gericht an die öffentlichen Aussagen des Emittenten über ein nicht (mehr) bestehendes Lock-up Agreement angeknüpft und diese Fehlinformationen als wesentliche Falschaussage des Emittenten bewertet. Es handelt sich dabei im Kern um eine Kapitalmarktinformationshaftung. Ferner ist zu beachten, dass das Lock-up Agreement in dem besagten Sachverhalt zwischen der Gesellschaft und der Unternehmensführung geschlossen wurde. Die öffentlichen Aussagen des Emittenten wurden durch die Altaktionäre veranlasst, sodass es im Kern um den Missbrauch der Unternehmensführung ging. Im Ergebnis lässt die vorliegende Entscheidung daher keine unmittelbaren Rückschlüsse darauf zu, ob der Verstoß gegen Lock-up Agreements als solcher den Tatbestand nach Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 erfüllt. bb) Nanopierce Technologies v. Southridge Capital Management Einen anderen Sachverhalt hatte das Gericht in Nanopierce Technologies v. Southridge Capital Management zu entscheiden. Den Verfahren718 liegt ein Sachverhalt zugrunde, wonach ein Aktionär seinen Anteilserwerb von der Bedingung abhängig macht, dass ein anderer Großaktionär sich verpflichtet, seine Anteile für die 715

Sofern die Voraussetzungen vorliegen, haftet nach SEC Rule 10b-5 nicht nur der Emittent, sondern auch die Geschäftsleiter persönlich, Howard v. Everex Systems, 228 F.3d 1057, 1061 f. (9th Cir. 2000). 716 Stream SIVAC v. Wang, 989 F.Supp.2d 264, 274 f. (2013). 717 Vgl. Novak v. Kasaks, 216 F.3d 300, 311 (2nd Cir. 2000). 718 Die Rechtsprechung umfasst mehrere Verfahren, vgl. Nanopierce Technologies, Inc. v. Southridge Capital Management, LLC, WL 22882137 (S.D.N.Y. 2003); Nanopierce Technologies, Inc. v. Southridge Capital Management, LLC, WL 22882146 (S.D.N.Y. 2003); Nanopierce Technologies, Inc. v. Southridge Capital Management, WL 2754653 (S.D.N.Y. 2004).

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Dauer von einem Jahr nicht zu veräußern. Zur Überwachung dieses Lock-up Agreements wurde ein Treuhänder eingesetzt, welcher die besagten Anteile verwahren sollte. Der Treuhänder transferierte die dem Lock-up Agreement unterliegenden Anteile jedoch nicht auf das Treuhand-, sondern auf sein privates Konto und half dem Altaktionär bereits unmittelbar nach Abschluss der Lock-up Agreements bei der Veräußerung dieser Aktien719 Zunächst befasst sich das Gericht mit der Frage, ob bereits die Verletzung einer schuldrechtlichen Vereinbarung den Tatbestand von Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 erfüllen kann. Dabei beruft sich das Gericht auf die vorangegangene Entscheidung Powers v. British Vita, nach der zwar der bloße Verstoß gegen eine schuldrechtliche Abrede nicht ausreiche, um betrügerische Absichten zu indizieren, eine solche aber wohl angenommen werden kann, wenn die Vertragsverletzung besonders verwerflich und unmittelbar nach Abschluss der Vereinbarung eintritt, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Absicht zum Vertragsbruch bereits vor Vertragsschluss vorlag.720 Wer hingegen bereits bei Abschluss eines Vertrags die heimliche Absicht hat, diesen zu brechen, der erfülle den Tatbestand von Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5.721 Maßgeblich ist danach die Art und Weise der Vertragsverletzung. Diesbezüglich führt das Gericht aus, dass der Treuhänder bereits während der ersten Woche nach Vertragsabschluss entgegen seiner besonderen Verantwortung als Treuhänder und entgegen dem Lock-up Agreement gehandelt hat. Nach Ansicht des Gerichts ließen die Handlungen des Treuhänders daher darauf schließen, dass dieser bereits bei Vertragsschluss des Lock-up Agreements nicht die Absicht hatte, sich daran zu halten. Folglich handele es sich auch nicht um einen gewöhnlichen Vertragsbruch, sondern um einen besonders verwerflichen Fall eines Vertragsbruchs nach den Grundsätzen der Powers v. British Vita-Rechtsprechung. Anknüpfungspunkt für den Tatbestand einer wesentlichen Falschaussage nach Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 ist dabei das Unterzeichnen der Treuhandvereinbarung mit der – durch das besagte Verhalten vermuteten – Absicht, diese Vereinbarung zu brechen. Die Unterzeichnung der Treuhandvereinbarung sowie der der Vereinbarung zugrundeliegende Erklärungsgehalt stellen vor diesem Hintergrund eine wesentliche Falschaussage dar, sodass der Tatbestand von Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 erfüllt ist.722 Bei der rechtlichen Beurteilung der Nanopierce-Entscheidung sind erneut die besonderen Umstände des Sachverhalts zu berücksichtigen, sodass nicht ohne 719

Zur Darstellung des Sachverhalts vgl. Nanopierce Technologies, Inc. v. Southridge Capital Management, WL 2754653, S. 3 ff. (S.D.N.Y. 2004). 720 Powers v. British Vita, P.L.C., 57 F.3d 176, 185 (2nd Cir. 1995): „While the mere nonperformance of promises is insufficient to create an inference of fraudulent intent, intent may be found when a defendant violates an agreement so maliciously and so soon after it is made that his desire to do so before he entered an agreement is evident.“ 721 Luce v. Edelstein, 802 F.2d 49, 44 (2nd Cir. 1986). 722 Nanopierce Technologies, Inc. v. Southridge Capital Management, WL 2754653, S. 8 f. (S.D.N.Y. 2004).

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

weiteres von einer grundsätzlichen Haftung nach Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 im Fall eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements ausgegangen werden kann. Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichts war die Stellung des Treuhänders. Dieser hat seine berufliche Stellung und das ihm entgegengebrachte Vertrauen in besonderer Weise ausgenutzt, indem er die dem Lock-up Agreement unterliegenden fremden Aktien zu seinem eigenen Vorteil in Gebrauch nahm.723 Zudem hat er bereits innerhalb der ersten Woche sowohl gegen die Treuhandvereinbarung als auch gegen das Lock-up Agreement verstoßen. Aufgrund ebendieser besonderen Umstände befand das Gericht das Verhalten als besonders verwerflich und bösartig (malicious). Auf den Fall, dass ein Altaktionär gegen ein Lock-up Agreement verstößt, indem er seine Aktien pflichtwidrig vor Ablauf der Lock-up-Periode veräußert, können diese Argumente jedoch nicht übertragen werden. Zum einen kommt dem Altaktionär keine besondere Stellung zu, aufgrund derer er ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt. Zudem greift der pflichtwidrig veräußernde Altaktionär auch nicht in fremde Vermögenspositionen ein, da er lediglich seine eigenen, d. h. die in seinem Eigentum befindlichen, Aktien veräußert. Die haftungsbegründenden besonders verwerflichen und bösartigen Umstände liegen im Fall der Verletzung eines Lock-up Agreements durch einen Altaktionär somit nicht grundsätzlich vor.724 Folglich lassen auch die Grundsätze der Nanopierce-Rechtsprechung keine unmittelbaren Rückschlüsse auf eine Haftung von Altaktionären infolge der Verletzung eines Lock-up Agreements nach Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 zu, denn ohne das Hinzutreten besonders verwerflicher Umstände gilt der Grundsatz, dass ein Vertragsbruch als solcher keine Haftung nach Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 begründen kann. cc) Vandenberg v. Adler In der Vandenberg v. Adler-Entscheidung725 hatte sich das Gericht mit Lock-up Agreements zu befassen, die zwischen den Altaktionären und der Emissionsbank geschlossen wurden. Dabei soll es zu geheimen Abreden zwischen der Emissionsbank und Altaktionären gekommen sein, wonach die Altaktionäre im Vorfeld der Emission Aktien zu stark vergünstigten Preisen erhielten, wobei vereinbart wurde, dass diese Anteile, trotz eines bestehenden Lock-up Agreements, im Nachgang an die Emission zu noch immer vergünstigten Konditionen an die Emissionsbank zurückveräußert werden sollten, sodass diese ihre Leerverkaufspositionen aus Ak723 In der diskutierten Entscheidung benutzte der Treuhänder die dem Lock-up Agreement unterliegenden Aktien, um sie als Sicherungsgegenstand für ein eigenes Darlehn einzusetzen, vgl. Nanopierce Technologies, Inc. v. Southridge Capital Management, WL 2754653, S. 6 (S.D.N.Y. 2004). 724 Selbstverständlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch das Verhalten eines gegen ein Lock-up Agreement verstoßenden Altaktionärs im Einzelfall als besonders verwerflich oder bösartig zu beurteilen ist. 725 Vandenberg v. Adler, WL 342718 (S.D.N.Y. 2000).

C. Haftung nach US-amerikanischem Kapitalmarktrecht

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tienverkäufen decken kann. Durch dieses Verfahren konnten die Altaktionäre und die Emissionsbank erheblich Gewinne im Rahmen von Emissionen erzielen.726 Das Gericht stellt bei der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts vor allem auf die geheime Abrede und den betrügerischen Plan zur gegenseitigen Preismanipulation und Gewinnerzielung ab und beruft sich auf den Tatbestand eines manipulativen Plans nach SEC Rule 10b-5(a) (any device, scheme or artifice to defraud). Entscheidend sei hierfür insbesondere, dass die Emissionsbank und die partizipierenden Altaktionäre gegenseitig aufeinander angewiesen waren und der Plan auf den gegenseitigen Tathandlungen beruhte, namentlich dem Vorverkauf und Rückerwerb der Aktien zu Preisen, die deutlich unter Marktniveau lagen (sog. „pump and dump scheme“).727 Folglich sah das Gericht den Tatbestand einer Haftung nach Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 für erfüllt an.728 Die Besonderheit der beschiedenen Sachverhaltskonstellation beruht auf der Gegenseitigkeit der heimlichen Abrede. Bei dem Verstoß gegen das Lock-up Agreement steht somit nicht der einseitige Verstoß als solcher, d. h. die pflichtwidrige Veräußerung der Aktien, im Vordergrund, sondern der gemeinsame und heimliche, betrügerische Plan, den die Emissionsbank und die Altaktionäre zusammen ausführten. Insofern lässt sich der Sachverhalt den Konstellationen eines kollusiven Zusammenwirkens zuordnen, bei denen eine Haftung stets an dem gemeinsamen Zusammenwirken zulasten eines Dritten anknüpft. Folglich lässt auch die Entscheidung Vandenberg v. Adler keine unmittelbaren Rückschlüsse auf eine einseitige Verletzung eines Lock-up Agreements im Sinne einer pflichtwidrigen Veräußerung von Aktien während der Lock-up-Periode durch einen Altaktionär zu. dd) In re Sterling Foster Der Sachverhalt, welcher der In re Sterling Foster-Rechtsprechung729 zugrunde lag, ähnelt im Wesentlichen dem Sachverhalt der zuvor besprochenen Vandenberg v. Adler-Rechtsprechung.730 Im Kern geht es um zwischen den Altaktionären und der Emissionsbank abgeschlossene Lock-up Agreements, welche im Wertpapierprospekt veröffentlicht wurden. Gleichzeitig haben die Altaktionäre und die Emissionsbank vereinbart, dass die Altaktionäre ihre zuvor unter dem Marktpreis erworbenen Aktien an die Emissionsbank zurückveräußern, damit diese ihren Verpflichtungen aus ungedeckten Leerverkäufen an Aktien nachkommen kann („pump and dump scheme“). Zweck der Vereinbarung war, mittels der Veröffentlichung des Lock-up Agreements den Aktienkurs in die Höhe zu treiben, um sodann Aktien zu 726 Zur Darstellung des Sachverhalts vgl. Vandenberg v. Adler, WL 342718, S. 1 ff. (S.D.N.Y. 2000). 727 Vandenberg v. Adler, WL 342718, S. 1 (S.D.N.Y. 2000). 728 Vandenberg v. Adler, WL 342718, S. 8 f. (S.D.N.Y. 2000). 729 In re Sterling Foster Co., Inc., Sec. Litig., 222 F.Supp.2d 216 (E.D.N.Y. 2002). 730 Vgl. 4. Kapitel C. II. 1. b) cc).

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

erhöhten Preisen zu verkaufen. Dabei verkaufte die Emissionsbank mehr Aktien als sie besaß (Leerverkäufe) und war folglich zur Deckung dieser Positionen auf den vergünstigten Rückerwerb der Anteile von den Altaktionären angewiesen.731 In seiner rechtlichen Würdigung stellt das Gericht hinsichtlich einer Haftung aus Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 auf die heimliche Abrede zwischen der Emissionsbank und den Altaktionären ab und bejaht in diesem Zusammenhang sowohl das Fehlen wesentlicher Angaben im Wertpapierprospekt732 als auch die Vereinbarung eines betrügerischen Plans.733 Anknüpfungspunkt einer Haftung ist danach erneut nicht die eigentliche Verletzung des Lock-up Agreements im Sinne einer pflichtwidrigen Veräußerung während der Lock-up-Periode, sondern vielmehr eine dem Lock-up Agreement vorgeschaltete heimliche Abrede. Insofern lassen sich auch die Grundsätze der In re Sterling Foster-Rechtsprechung nicht unmittelbar auf die Konstellation eines einseitigen Bruchs eines Lock-up Agreements übertragen. c) Ergebnis Gleichwohl sich die US-Rechtsprechung bereits mehrfach mit Verstößen gegen Lock-up Agreements befasst hat und in diesem Zusammenhang auch wiederholt eine Haftung nach Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 bejaht hat, knüpfen die Gerichte in den besagten Entscheidungen hinsichtlich des haftungsbegründenden Tatbestands gerade nicht an die eigentliche Verletzung eines Lock-up Agreements als solche an, sondern beziehen sich stets auf darüber hinausgehende Elemente, etwa eine heimliche betrügerische Abrede oder die Veröffentlichung falscher Unternehmensmitteilungen. Daraus folgt, dass der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement, d. h. die pflichtwidrige Aktienveräußerung während der Lock-up-Periode seitens der Altaktionäre, grundsätzlich keine Haftung aus Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b5 begründet. Stattdessen bedarf eine solche Haftung stets, dass weitere besonders verwerfliche Umstände zu dem Verstoß hinzutreten. 2. Haftung nach Sec. 9(f) SEA Ferner kommt eine Marktmanipulationshaftung nach Sec. 9(f) SEA in Betracht, welche an einen Verstoß gegen die Regelungen aus Sec. 9(a)–(c) SEA anknüpft, wonach ausschließlich solche Marktmanipulationen verboten sind, die nicht auf

731 Zur Darstellung des Sachverhalts vgl. In re Sterling Foster Co., Inc., Sec. Litig., 222 F.Supp.2d 216, 227 f. (E.D.N.Y. 2002). 732 In re Sterling Foster Co., Inc., Sec. Litig., 222 F.Supp.2d 216, 272 (E.D.N.Y. 2002): „that the prospectus omitted material information regarding the lock-up agreement.“ 733 In re Sterling Foster Co., Inc., Sec. Litig., 222 F.Supp.2d 216, 274 (E.D.N.Y. 2002): „the material omission or the fraudulent scheme.“

C. Haftung nach US-amerikanischem Kapitalmarktrecht

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Fehlinformationen beruhen.734 Allerdings hat der Haftungstatbestand von Sec. 9 SEA aufgrund des weiten Anwendungsbereichs der Haftung aus Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 in der Praxis an Bedeutung verloren. Im Gegensatz zu Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 sind die Anforderungen an eine Haftung aus Sec. 9 SEA deutlich strenger und setzen insbesondere eine erhöhte Beweispflicht des Anspruchstellers voraus.735 Während teilweise vertreten wurde, dass eine Haftung aus Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 dann ausgeschlossen sein soll, wenn der Anwendungsbereich von Sec. 9 SEA eröffnet ist,736 ist inzwischen allgemein anerkannt, dass Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 neben Sec. 9 SEA Anwendung findet.737 Aufgrund des weiter gefassten Tatbestands und der geringeren Beweisanforderungen von Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 kommt dem Tatbestand von Sec. 9(f) SEA damit in der Praxis keine Bedeutung mehr zu.738 Für eine Haftung infolge der Verletzung eines Lock-up Agreements bedeutet dies, dass wenn schon die Haftung für Marktmanipulationen gem. Sec. 10(b) SEA i.V.m. SEC Rule 10b-5 ausscheidet, eine Marktmanipulationshaftung nach den strengeren Voraussetzungen von Sec. 9(f) SEA ebenfalls nicht in Betracht kommt.

III. Fazit Der Verstoß von Altaktionären gegen Lock-up Agreements im Sinne einer pflichtwidrigen Veräußerung von Aktien während der Lock-up-Periode begründet auch nach US-amerikanischem Kapitalmarktrecht keine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern. Zwar haben sich US-amerikanische Gerichte in der Vergangenheit wiederholt mit der Verletzung von Lock-up Agreements befasst 734

Übersichtlich Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 100. Chemetron Corp. v. Business Funds, Inc., 682 F.2d 1149, 1162 (5th Cir. 1982): „While Rule 10b-5 permits recklessness to fulfill its scienter requirement, […] section 9(a) (4) and (e) [nun (f)] and its legislative history do not permit us to loosen its scienter requirement by permitting recklessness to suffice.“ Ausführlich zu den erschwerten Beweisdarlegungspflichten und der daraus resultierenden begrenzten praktischen Bedeutung der Haftungsnorm vgl. Hazen, Securities Regulation (Hornbook Series), 3. Aufl. 1996, § 12.1, S. 701. 736 Chemetron Corp. v. Business Funds, Inc., 682 F.2d 1149, 1163 (5th Cir. 1982): „We hold that permitting a judgement […] under a Rule 10b-5(b) implied action for misrepresentation or nondisclosure of the stock scheme impermissibly nullifies Congress’ deliberate and careful limitations on the express statutory remedy of subsection 9(a) (4).“ – Inzwischen durch den Supreme Court aufgehoben. 737 Herman MacLean v. Huddleston, 459 U.S. 375, 384 (1983): „Federal courts had consistently and routinely permitted a plaintiff to proceed under § 10(b) even where express remedies under § 11 or other [Hervorh. i. Orig.] provisions were available.“ Ausführlich zur Diskussion über die Anwendbarkeit von Sec. 10(b) SEC i.V.m. SEC Rule 10b-5 neben anderen Haftungsnormen vgl. Steinberg, Corn. L. Rev. 67 (1982), 557 ff., zur Anwendbarkeit neben Sec. 9 SEA, 588 ff.; ders., Securities Regulation, 2005, § 9.04, 9 – 72; ferner Poser, Univ. M. L. Rev. 40 (1986), 671, 707 ff. 738 So auch Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 100. 735

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4. Kap.: Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements

und in diesem Zusammenhang auch kapitalmarktrechtliche Schadensersatzansprüche bejaht, jedoch knüpfte der haftungsbegründende Tatbestand in diesen Entscheidungen jeweils nicht an die Verletzung des Lock-up Agreements im eigentlichen Sinne an, sondern stets an eine darüber hinausgehende Falschdarstellung oder ein besonders verwerfliches oder betrügerisches Element. Daraus lässt sich schließen, dass die einschlägigen US-amerikanischen Haftungsnormen im Falle eines reinen Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement, d. h. einer einseitigen, pflichtwidrigen Veräußerung von Aktien durch die Altaktionäre, keine Schadensersatzhaftung begründen. Insoweit kommt die rechtsvergleichende Betrachtung des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts zu denselben Ergebnissen wie das zuvor untersuchte deutsche Kapitalmarktrecht. Dieser Befund lässt sich somit als Bestätigung der bisherigen Auslegung und Interpretation der kapitalmarktrechtlichen Regelungen verstehen, wonach die Verletzung von Lock-up Agreements keine informationsbasierte kapitalmarktrechtliche Schadensersatzhaftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern begründet.

D. Zusammenfassung Im vorangegangenen Kapitel wurde dargelegt, dass der Abschluss von Lock-up Agreements mit Kosten für die Altaktionäre verbunden sein kann, weswegen diese – als Ausprägung opportunistischen Verhaltens – ein Interesse an der Verletzung von Lock-up Agreements haben können. Die Verletzung eines Lock-up Agreements ist dabei in verschiedenen Konstellationen denkbar und oftmals Bestandteil eines komplexen Gesamtsachverhalts, dessen einzelnen Elemente (etwa ein kollusives Zusammenwirken) klar von dem eigentlichen Verstoß gegen ein Lock-up Agreement abzugrenzen sind. Der eigentliche Verstoß beschreibt dabei die pflichtwidrige Veräußerung von Aktien, die einem Lock-up Agreement unterfallen durch einen gebundenen Altaktionär, sowie jegliche Umgehungsgeschäfte, bzw. Handlungen, die einer Veräußerung aus wirtschaftlicher Sicht entsprechen. Obwohl für Altaktionäre ein finanzieller Anreiz bestehen kann, gegen ein getroffenes Lock-up Agreement zu verstoßen, existiert kein wirksames Rechtsmittel um die Durchsetzung, bzw. Einhaltung von Lock-up Agreements sicherzustellen, wobei insbesondere die von einem Verstoß geschädigten Anleger keine Möglichkeit haben, sich rechtsgeschäftlich oder faktisch gegen eine Verletzung der Lock-up Agreements abzusichern. Das Fehlen wirksamer Sicherungsmittel rückt zwangsläufig die Frage nach einer Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements in den Vordergrund. Aufgrund möglicher negativer Kursreaktionen eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements, sind insbesondere die Anleger einem potentiellen Vermögensschaden ausgesetzt, sodass hinsichtlich etwaiger Sanktionsmittel untersucht wurde, ob den Anlegern ein Schadensersatzanspruch gegen die pflichtwidrig veräußernden Alt-

5. Kap.: Ergebnisse des ersten Teils

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aktionäre zusteht. Dabei hat die Untersuchung der kapitalmarktrechtlichen, verbandsrechtlichen, vertraglichen und deliktischen Normen gezeigt, dass eine solche Haftung im Rahmen der allgemeinen Anspruchsgrundlagen nicht begründbar ist. Da sich das Institut der Lock-up Agreements aufgrund ihrer Wirkungsweise funktional dem Kapitalmarktrecht zuordnen lässt, wurden die Untersuchungen einer möglichen kapitalmarktrechtlichen Haftung zudem mit dem US-amerikanischen Kapitalmarktrecht verglichen. Dabei wurde festgestellt, dass die Ergebnisse hinsichtlich einer möglichen Haftung der Altaktionäre in beiden Rechtsordnungen übereinstimmen, sodass der Rechtsvergleich die vorherigen Untersuchungen insoweit bestätigen konnte. 5. Kapitel

Ergebnisse des ersten Teils Der erste Teil dieser Untersuchung hat sich den Grundlagen des Instituts der Lockup Agreements gewidmet und den Status quo einer Haftung aufgrund einer Verletzung von Lock-up Agreements dargelegt. Lock-up Agreements sind ein in der Emissionspraxis übliches Instrument, da der Abschluss von Lock-up Agreements dem Abbau von Informationsasymmetrien und der Vermeidung von moralischen Risiken dient und dadurch das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt fördert. Folglich gewährleisten Lock-up Agreements den Funktionsschutz des Kapitalmarkts und dienen damit dem obersten Regelungsziel des Kapitalmarktrechts. Aufgrund ihrer Funktion sind Lock-up Agreements zudem kursrelevant, sodass es insbesondere im Fall einer Verletzung von Lock-up Agreements durch die Altaktionäre zu negativen Kursreaktionen kommen kann, was anhand empirischer Untersuchungen belegt werden konnte. Unter der Annahme von rational nutzenmaximierenden Marktakteuren können die Altaktionäre ein Interesse daran haben, gegen ein getroffenes Lock-up Agreement zu verstoßen. Da den Lock-up Agreements aufgrund von § 137 S. 1 BGB keine dingliche Wirkung zukommt, können die Altaktionäre trotz Bestehens eines Lock-up Agreements nicht daran gehindert werden, gegen ein getroffenes Lock-up Agreement zu verstoßen und ihre Anteile vor Ablauf der Lock-up-Periode zu veräußern. Vor diesem Hintergrund kommt dem Befund besondere Bedeutung zu, dass keine rechtlichen oder faktischen Mittel existieren, die eine Sicherung der Einhaltung oder Durchsetzung von Lock-up Agreements gewährleisten können. In Anbetracht der Bedeutung von Lock-up Agreements für den Kapitalmarkt und der fehlenden Sicherungsmöglichkeit stand daher die Frage im Zentrum der bisherigen Untersuchungen, ob die Verletzung eines Lock-up Agreements einen Schadensersatzanspruch der geschädigten Anleger gegenüber den Altaktionären begründet. Ein solcher Anspruch kommt nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen jedoch nicht in Betracht. Für das Kapitalmarktrecht kann dies im Rahmen eines Rechtsvergleichs

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5. Kap.: Ergebnisse des ersten Teils

bestätigt werden: Auch nach US-amerikanischem Kapitalmarktrecht führt die Verletzung eines Lock-up Agreements als solche nicht zu einer Schadensersatzhaftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern. Aufgrund der Vorbildfunktion des USamerikanischen Kapitalmarktrechts kann die Interpretation des deutschen Kapitalmarktrechts, wonach die informationsbasierte Kapitalmarkthaftung keine Schadensersatzhaftung infolge der Verletzung von Lock-up Agreements begründet, insofern bestätigt werden. Die Ergebnisse der Untersuchungen des ersten Teils führen damit zu folgendem Befund: Durch den Abschluss von Lock-up Agreements soll das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt gestärkt werden, wobei die Anleger selbst in keiner rechtsgeschäftlichen Beziehung oder sonstigem Kontakt zu den Parteien des Lockup Agreements stehen. Die Folgen einer Verletzung von Lock-up Agreements treffen hingegen vornehmlich die Anleger in Form von Vermögensschäden. Mangels Durchsetzbarkeit der Lock-up Agreements und aufgrund des Fehlens eines Schadensersatzanspruchs oder der Möglichkeit einer rechtsgeschäftlichen oder faktischen Absicherung der Anleger können diese einen Schaden infolge der Verletzung von Lock-up Agreements nicht abwenden. Nach dem Status quo können eingegangene Lock-up Agreements folglich jederzeit und fast sanktionslos durch die Altaktionäre gebrochen werden. Dieser Befund steht im Widerspruch zu der Bedeutung der Lock-up Agreements für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, sodass im zweiten Teil dieser Untersuchung der Versuch unternommen wird, diesen Widerspruch aufzulösen.

Zweiter Teil

Entwicklung eines Haftungskonzepts im Wege der Rechtsfortbildung Die Untersuchungen des ersten Teils dieser Arbeit haben gezeigt, dass Lock-up Agreements weder rechtlich noch faktisch durchgesetzt bzw. deren Einhaltung gesichert werden können und dass den geschädigten Anlegern im Fall eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen kein Schadensersatzanspruch gegen die Altaktionäre zusteht. Die fehlende Sicherungsbzw. Sanktionierungsmöglichkeit steht damit im Widerspruch zu der praktischen Bedeutung von Lock-up Agreements für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Der zweite Teil dieser Untersuchung befasst sich daher mit der Auflösung dieses Konflikts, indem der Versuch unternommen wird, ein kohärentes Haftungskonzept zu entwickeln, welches die Verletzung von Lock-up Agreements mit einer privatrechtlichen Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern sanktioniert. Dabei soll gezeigt werden, dass ein solches Haftungsinstitut mit der geltenden Rechtsordnung vereinbar ist und im Wege der Rechtsfortbildung hergeleitet werden kann, sodass eine Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern infolge der Verletzung von Lock-up Agreements bereits de lege lata existiert. 6. Kapitel

Vorüberlegungen zur Methodologie der Rechtsfindung Die Beantwortung einer juristischen Konfliktfrage hat grundsätzlich im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung zu erfolgen. Ob die Rechtsordnung dabei die gesuchte Antwort auf die besagte Konfliktfrage bereithält, ist gegebenenfalls im Rahmen der Auslegung zu ermitteln. Indes wurde stets anerkannt, dass die Rechtsordnung, sei sie noch so gewissenhaft formuliert und sorgsam ausgelegt, keineswegs für jedes regelungsbedürftige Problem eine Antwort parat haben kann.1 1 Unstr., vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 472; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 366; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 187. Anders nur die Lehre von einem rein positivistischen Recht und dem „allgemeinen negativen Satz“, wonach rechtliche Ansprüche und Einreden grundsätzlich nicht bestehen, wenn sie nicht in einer positiven Rechtsnorm begründet sind. Danach sei das Konzept einer „Lücke“ im Gesetz unlogisch, vielmehr sei

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6. Kap.: Vorüberlegungen zur Methodologie der Rechtsfindung

Führt also die Rechtsordnung bzw. ihre Auslegung zu keinen bzw. nur zu unbefriedigenden Ergebnissen, so muss der Wortsinn des Gesetzes und damit die äußerste Auslegungsgrenze überschritten werden,2 um das Recht weiterzuentwickeln. Mit dem Überschreiten dieser Grenze wird gleichzeitig der Boden der richterlichen Rechtsfortbildung betreten.3 Im Folgenden wird zunächst dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsfortbildung zulässig ist (A.), bevor im Anschluss auf die verschiedenen Stufen der Rechtsfindung und deren Abgrenzung eingegangen werden soll (B.).

A. Zulässigkeit der Rechtsfortbildung Grundsätzlich ist anerkannt, dass eine Rechtsfortbildung zwar einer besonderen Begründung bedarf, darüber hinaus jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen ist.4 Die Anforderungen an die Begründung einer Rechtsfortbildung wachsen dabei, je weiter sich die Rechtsfortbildung von dem Gesetz entfernt, d. h. über dessen Wortsinn hinausgeht. Die Grenze der Rechtsfortbildung ist schließlich erreicht, wo diese der Rechtsordnung zuwiderläuft (Rechtsfindung contra legem).5 Denn eine Rechtsfortbildung entgegen dem Sinn und Zweck des Gesetzes widerspricht nicht nur der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht gem. Art. 20 Abs. 3 GG, sondern auch dem Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes, welches aufgrund von Art. 20 Abs. 3 GG sowohl für die vollziehende Gewalt als auch für die Rechtsprechung gilt.6 Ein contra legem-Judizieren hat somit stets eine Verbesserung des Rechts aus rechtspolitischer Sicht zum Ziel;7 die Notwendigkeit beurteilt sich daher vom Standpunkt eines künftigen besseren Rechts, also de lege ferenda, und nicht vom grundsätzlich erlaubt, was nicht durch Rechtsnorm verboten ist, vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 251. 2 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 187. 3 Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 637. Hinsichtlich der Terminologie herrscht keine Einigkeit: Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 472 spricht von „ergänzender Rechtsfortbildung“; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 187 sprechen von „richterlicher Rechtsfortbildung“; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 12. Aufl. 2018, S. 193 benutzt den Terminus „Rechtsergänzung“. Ausführlich zum Rechtsfortbildungsbegriff ferner Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht, 2007, S. 34 ff. 4 BVerfG, Beschl. v. 3. 4. 1990 – 1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6, 11 ff.; BVerfG, Beschl. v. 30. 3. 1993 – 1 BvR 1045/89, 1381/90 und 1 BvL 11/90, BVerfGE 88, 145, 167. 5 Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 500, 569 f.; Canaris, in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 91 f.; Neuner, Die Rechtsfindung contra legem, 1992, S. 132 ff. Teilw. wird für krasse Ausnahmesituationen die Zulässigkeit eines contra legemJudizierens in Erwägung gezogen, etwa aufgrund eines Versagens des Gesetzgebers („echter Rechtsnotstand“), vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 427. 6 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 246 f.; Neuner, Die Rechtsfindung contra legem, 1992, S. 132. 7 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 195.

B. Stufen der Rechtsfindung

165

Standpunkt des geltenden Rechts de lege lata. Eine Verbesserung des Rechts de lege ferenda ist indes alleinige Aufgabe des Gesetzgebers.8 Rechtsfortbildung beschreibt dagegen lediglich die Anwendung des geltenden Rechts. Ihr Ziel ist nicht, anstelle der Gesetzgebung neues Recht zu schaffen, vielmehr versucht sie, aus dem existierenden Gesetzesrecht die verdeckte und nicht immer deutlich ausgesprochene Bewertung zu finden.9

B. Stufen der Rechtsfindung Daran anknüpfend lässt sich in Anlehnung an Larenz/Canaris ein vierstufiges System der Rechtsfindung aufzeichnen:10 Die erste Stufe der Rechtsfindung stellt die Auslegung dar, bei der sich der Rechtsanwender innerhalb des Wortsinns des Gesetzes bewegt, weswegen von einer Rechtsfindung secundum legem oder intra legem gesprochen wird.11 Wird die Wortlautgrenze des Gesetzes überschritten, beginnt der eigentliche Bereich der Rechtsfortbildung,12 wobei Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung nicht als wesensverschieden, sondern lediglich als methodologisch voneinander getrennte Stufen eines einheitlichen gedanklichen Prozesses anzusehen sind.13 Ist die Wortlautgrenze des Gesetzes überschritten und der Anwendungsbereich der Rechtsfortbildung eröffnet, lässt sich zwischen der Rechtsfortbildung praeter legem und der Rechtsfortbildung extra legem, intra ius unterscheiden. Die Rechtsfortbildung praeter legem bewegt sich dabei innerhalb des ursprünglichen Plans, d. h. der Teleologie des Gesetzes selbst, weswegen auch von gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung gesprochen wird.14 Geht eine Rechtsfortbildung dagegen über die immanente Teleologie des Gesetzes hinaus und bewegt sich außerhalb der gesetzlichen Regelungen, ist demnach extra legem, bleibt dabei jedoch innerhalb des Rahmens der allgemeinen Rechtsordnung und deren leitenden Prinzipien, also folglich intra ius, so wird von einer gesetzesüberschreitenden Rechtsfortbildung 8

Engisch, Einführung in das juristische Denken, 12. Aufl. 2018, S. 198. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 9. Aufl. 2016, § 23 Rn. 894. 10 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 252. 11 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 187, 252. 12 Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 13 Rn. 14. Teilweise wird bereits im Rahmen der Auslegung von einer Rechtsfortbildung gesprochen, etwa wenn eine Vorschrift auf ein Problem angewendet wird, dessen Lösung nicht in den Kernbereich der Norm fällt, so Larenz/ Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 252. Ferner wird vertreten, dass jede Rechtsanwendung zugleich Rechtsfortbildung sei, vgl. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 636. 13 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 187; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 366. Ähnlich Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Aufl. 2016, S. 192. 14 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 187, 195. 9

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6. Kap.: Vorüberlegungen zur Methodologie der Rechtsfindung

bzw. einer Rechtsfortbildung extra legem, intra ius gesprochen.15 Bei der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung geht es folglich „um die Schaffung neuer Rechtsinstitute, die im Gesetz so nicht angelegt sind.“16 Eine scharfe Trennung zwischen der gesetzesimmanenten und der gesetzesüberschreitenden Rechtsfortbildung ist bisweilen schwierig. Zwar dient die Differenzierung der beiden Stufen der Veranschaulichung des Verhältnisses der Rechtsfortbildung zur Rechtsordnung, doch der Unterschied zwischen den beiden Stufen ist nur marginal: Denn während die Rechtsfortbildung praeter legem auf immanente Prinzipien des Gesetzes abstellt,17 stellt die Rechtsfortbildung extra legem, intra ius auf allgemeine Prinzipien der Gesamtrechtsordnung ab,18 wobei eine präzise Differenzierung zwischen den gesetzesimmanenten Prinzipien und den Prinzipien der allgemeinen Rechtsordnung kaum möglich ist. Daher ist es überzeugend, nicht scharf zwischen der zweiten und dritten Stufe der Rechtsfindung zu differenzieren, sondern von einem fließenden Übergang auszugehen und im Rahmen der Unterscheidung zwischen gesetzesimmanenter und der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung lediglich auszudrücken, auf welchem Weg eine Rechtsfortbildung erfolgt. Die Unterscheidung zwischen immanenter und gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung hat danach keine Bedeutung für die Zulässigkeit der Rechtsfortbildung. Dafür spricht zum einen, dass auch die immanenten Rechtsprinzipien, auf die sich die Rechtsfortbildung praeter legem stützt, nicht selbst Teil des Gesetzesrechts im eigentlichen Sinne und folglich stets extra legem sind, gleichzeitig aber die gesetzliche Wertung fortschreiben und insofern zugleich als praeter legem beschrieben werden können.19 Gegen die Notwendigkeit einer scharfen Trennung spricht zudem Art. 20 Abs. 3 GG, wonach der Richter an Gesetz und Recht gebunden ist, sodass eine Unterscheidung zwischen den Prinzipien des Gesetzes und denen der Gesamtrechtsordnung nicht notwendig ist, sondern diese vielmehr fließend ineinander übergehen.20 Gleichwohl es keiner methodologischen Unterscheidung von gesetzesimmanenter und gesetzesüberschreitender Rechtsfortbildung bedarf, ist zu berücksichtigen, wie weit sich die Rechtsfortbildung vom Telos des Gesetzes und den allgemeinen Grundgedanken der Rechtsordnung entfernt. Denn auch wenn eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung zulässig ist, steigen die Anforderungen an die Rechtfertigung und Argumentationsdichte, je weiter sie sich von der Teleologie des Gesetzes entfernt. 15 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 232; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 413 f. 16 Bruns, JZ 2014, 162, 163 (Hervorh. d. Bearb.). 17 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 195. 18 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 232. 19 Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze im Europäischen Privatrecht, 2009, S. 183, dort Fn. 104. 20 Canaris, in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 84 f. Kritisch Bruns, JZ 2014, 162, 170, der gesetzesübersteigende Rechtsfortbildungen jedenfalls in mehrpoligen Rechtsverhältnissen für tendenziell unzulässig hält.

B. Stufen der Rechtsfindung

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Die vierte Stufe der Rechtsfindung stellt schließlich das contra legem-Judizieren dar,21 welches sowohl dem Wortsinn als auch der Wertung des Gesetzes zuwiderläuft, sodass eine Rechtsfindung contra legem gegen das Prinzip der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht gem. Art. 20 Abs. 3 GG verstoßen würde und damit unzulässig ist.22 Die Rechtsfindung contra legem markiert damit die Grenze zwischen der Rechtsfortbildung als Anwendung des geltenden Rechts de lege lata und der rechtspolitischen Verbesserung des Gesetzes de lege ferenda, die einzig dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Die Frage, ob sich Altaktionäre aufgrund eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement gegenüber den Anlegern schadensersatzpflichtig machen, stellt, wie die Gesamtschau des ersten Teils dieser Abhandlung gezeigt hat, eine juristische Konfliktfrage dar. Die Untersuchung, ob die aufgeworfene Rechtsfrage der Haftung infolge eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement nach geltendem Recht zu beantworten ist, hat demnach entlang der soeben aufgezeigten Stufen der Rechtsfindung zu erfolgen, da die verschiedenen methodologischen Stufen an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft sind. Nach den Erkenntnissen des ersten Teils und der Prüfung der allgemeinen Anspruchsgrundlagen lässt sich bereits feststellen, dass eine Lösung des aufgeworfenen Problems nicht im Rahmen des möglichen Wortlauts des Gesetzes, d. h. im Wege der Auslegung, erfolgen kann. Eine Lösung des Koflikts kann folglich nur jenseits der Wortlautgrenze des Gesetzes gefunden werden, sodass der Bereich der Rechtsfortbildung eröffnet ist. Im Folgenden wird daher zu untersuchen sein, ob eine Problemauflösung noch innerhalb des geltenden Rechts, d. h. im Rahmen der immanenten Teleologie des Gesetzes (praeter legem), oder zumindest im Rahmen der allgemeinen Prinzipien der Rechtsordnung (extra legem, intra ius) zu entwickeln ist. Kommt ein solcher Weg nach dem geltenden Recht nicht in Betracht, müsste für eine Konfliktlösung der Boden der Rechtsordnung verlassen werden und wäre damit contra legem und als Rechtsfortbildung unzulässig, sodass eine Weiterbildung des Rechts dem Gesetzgeber überlassen wäre und nur de lege ferenda in Betracht käme.23

21

Nach dem hier zugrunde gelegten Begriffsverständnis soll eine unzulässige Rechtsfortbildung keine Rechtsfortbildung im eigentlichen Sinne sein, sodass zunächst der wertungsneutrale Oberbegriff der Rechtsfindung verwendet wird. Der Begriff der Rechtsfortbildung beinhaltet insofern bereits eine wertende Abgrenzung zu anderen (z. T. unzulässigen) Formen der Rechtsfindung. Kritisch zu einer solchen methodologisch wertenden Betrachtungsweise Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht, 2007, S. 116 f. 22 Canaris, in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 91 ff. 23 Die Rechtsfortbildung schafft somit kein neues Recht, sondern wendet das geltende Recht an. Mit den Worten Zitelmanns, Lücken im Recht, 1903, S. 25: „Die Tätigkeit des Richters beruht auf der Vorstellung, daß der von ihm angewandte Satz bereits Recht sei.“

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

7. Kapitel

Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut Die Untersuchungen des ersten Teils dieser Abhandlung haben gezeigt, dass Lock-up Agreements nicht mittels rechtlicher Instrumente durchgesetzt bzw. gesichert werden können. Ebenso wenig bieten die allgemeinen Anspruchsgrundlagen eine Möglichkeit, den Verstoß gegen ein Lock-up Agreement im Wege einer Schadensersatzhaftung zu sanktionieren. Im Folgenden sollen diese Erkenntnisse einer wertenden Betrachtung unterzogen werden. Dafür wird in einem ersten Schritt untersucht, ob das Fehlen von Sicherungs- bzw. Sanktionsmechanismen eine Schutzlücke im Gesetz darstellt (A.). Anschließend wird erörtert, ob und unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen einer Schutzlücke zugleich die Notwendigkeit einer privatrechtlichen Haftung begründet (B.). Anzumerken bleibt, dass die Grenze zwischen der Feststellung einer Lücke und deren Ausfüllung fließend ist, da bereits die Lückenfeststellung eine wertende und damit subjektive Betrachtung erfordert. Dennoch soll der Versuch unternommen werden, zunächst das Recht auf seine Vollständigkeit hin zu untersuchen, um daraus Rückschlüsse für das Bedürfnis eines Haftungsinstituts zu ziehen, bevor sich mit der Ausfüllung einer Lücke befasst wird.

A. Vorliegen einer Lücke im Gesetz Die zentrale Voraussetzung einer Rechtsfortbildung ist die Lücke im Gesetz.24 Die Art der Lücke gibt nicht nur Aufschluss über die Stufen der Rechtsfortbildung und deren Abgrenzung zueinander,25 vielmehr existiert die Befugnis zur Rechtsfortbildung nur dort, wo das Recht lückenhaft ist.26 Folglich ist zu untersuchen, ob das Fehlen einer Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements eine Lücke im Gesetz darstellt. Hierfür ist zunächst auf den Begriff der Lücke einzugehen, bevor festgestellt werden kann, ob eine Gesetzeslücke im konkreten Fall vorliegt.

24 Unstr., vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 472 f.; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 17 f.; ders., in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 82; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 12. Aufl. 2018, S. 200; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 191; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 3. Aufl. 1999, § 11 Rn. 453, 461. Grundlegend zum Lückenbegriff bereits Zitelmann, Lücken im Recht, 1903, S. 6 ff. 25 Zu den einzelnen Stufen der Rechtsfortbildung vgl. 6. Kapitel B. 26 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 189.

A. Vorliegen einer Lücke im Gesetz

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I. Lückenbegriff Eine Lücke beschreibt nach allgemeinem Sprachgebrauch eine Unvollständigkeit innerhalb eines mehr oder weniger geschlossenen Ganzen. Der Lückenbegriff beschränkt sich jedoch nicht auf das Feststellen einer objektiven Unvollständigkeit, lückenhaft ist vielmehr nur, was eigentlich vollständig sein sollte. Dem Lückenbegriff liegt somit stets eine immanente Wertung zugrunde:27 Es wird folglich von einer planwidrigen Unvollständigkeit gesprochen.28 Die Gesetzeslücke beschreibt demnach einen Rechtsfall, der nach dem geltenden Recht nicht interpretiert werden kann (Unvollständigkeit), jedoch einer rechtlichen Beurteilung im Sinn der Festlegung von Rechtsfolgen bedarf (Planwidrigkeit).29 1. Merkmal der Unvollständigkeit Das Merkmal der Unvollständigkeit bemisst sich danach, ob das Gesetz für eine bestimmte rechtserhebliche Fragestellung Anordnungen trifft, d. h. ob es gesetzliche Normen gibt, die in der besagten Konstellation unmittelbar Anwendung finden.30 Die Grenze stellt dabei der Wortsinn des Gesetzes als unmittelbarer Autoritätsträger des Gesetzgebers dar. Soweit ein Tatbestand im Rahmen der Auslegung unter den Wortsinn des Gesetzes subsumiert werden kann, ist das Gesetz folglich nicht unvollständig.31 Wird ein Sachverhalt dagegen nicht mehr vom Wortsinn einer Norm erfasst, liegt eine Unvollständigkeit vor.32 Das Kriterium der Unvollständigkeit kann somit anhand objektiver Merkmale bestimmt werden und bedarf keiner Wertung. Das Merkmal der Unvollständigkeit dient aus funktionaler Sicht der Abgrenzung der Rechtsfortbildung gegenüber der Auslegung, d. h. der Rechtsfindung secundum legem.33 Denn soweit eine Norm durch Auslegung auf einen Rechtssachverhalt angewandt werden kann, sich somit innerhalb des Wortsinns des Gesetzes bewegt, ist das Gesetz nicht unvollständig oder lückenhaft, sodass es einer Rechtsfortbildung nicht bedarf.

27

Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 635. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 16; ferner Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 472 f.; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 12. Aufl. 2018, S. 194, 198; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 370 ff. 29 Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 473. 30 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 19. 31 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 20; Germann, Probleme und Methoden der Rechtsfindung, 2. Aufl. 1965, S. 115. 32 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 20. 33 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 21. 28

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

2. Merkmal der Planwidrigkeit Von zentraler Bedeutung für die Feststellung einer Lücke ist das Merkmal der Planwidrigkeit, welches, im Gegensatz zum Kriterium der Unvollständigkeit, zugleich ein Werturteil enthält.34 Denn die Planwidrigkeit einer Lücke lässt sich nur erkennen, wenn der Plan des Gesetzes als solcher erkannt wird. Es ist daher die vorhandene Gesetzeslage mit einer ideal gedachten Konzeption des Gesetzes zu vergleichen,35 wobei diese anhand einer historischen und teleologischen Auslegung zu ermitteln ist.36 Dort, wo das Gesetz gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht unvollständig ist, liegt danach eine Lücke vor. Dabei soll insbesondere auf Anordnungen im positiven Recht sowie die immanente Teleologie des Gesetzes abgestellt werden, wozu die objektiven Regelungszwecke und allgemeinen Prinzipien, die Eingang in das Gesetz gefunden haben, zählen, sowie das Prinzip der Gleichbehandlung des Gleichartigen, wonach gleichliegende Sachverhalte gleich zu behandeln sind.37 Davon abzugrenzen ist hingegen die Unvollständigkeit des Gesetzes, die zwar im Einklang mit der Regelungsabsicht des Gesetzgebers steht, jedoch aus rechtspolitischer Sicht kritikwürdig ist. Hier ist das Gesetz nicht planwidrig unvollständig, sondern es liegt lediglich ein rechtspolitischer Fehler vor.38 Aus funktionaler Sicht dient das Merkmal der Planwidrigkeit somit der Abgrenzung einer Rechtsfortbildung gegenüber einem unzulässigen contra legem-Judizieren:39 Ist eine Regelung nach der immanenten Wertung des Gesetzes nicht vorgesehen, stellt ihr Fehlen auch keine planwidrige Unvollständigkeit dar. Dieser Wertung des Gesetzgebers darf der Richter aufgrund seiner Bindung an Recht und Gesetz gem. Art. 20 Abs. 3 GG nicht zuwiderhandeln. Tut er dies, indem er einen rechtspolitischen Fehler korrigiert, handelt er contra legem und damit unzulässig. 3. Der „weite“ Lückenbegriff Wird zur Bestimmung einer Lücke bzw. deren Planwidrigkeit auf die immanente Teleologie des Gesetzes abgestellt, kommt eine Rechtsfortbildung nur in Betracht, wenn eine Unvollständigkeit dem Plan des Gesetzes zuwiderläuft. Denkbar sind 34

Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 16, 31. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 9. Aufl. 2016, § 23 Rn. 833. 36 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 194. 37 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 374 f. Folglich kommt bereits im Rahmen der Lückenfeststellung die eingangs behandelte Differenzierung zwischen der immanenten Teleologie des Gesetzes und den der Rechtsordnung zugrundeliegenden Prinzipien zum Tragen, da unklar ist, ob die Teleologie des Gesetzes oder die Prinzipien der Rechtsordnung als Maßstab für die Beurteilung der Planwidrigkeit einer Lücke heranzuziehen sind. Zur Auflösung dieses Konflikts sogleich unter A. I. 3. 38 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 195. 39 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 37. 35

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indes auch Konstellationen, in denen eine Lückenausfüllung zwar nicht ausdrücklich vom Gesetz gefordert, wohl aber von der Gesamtrechtsordnung angeregt wird.40 Um den Begriff der Rechtsfortbildung nicht in einen gesetzesimmanenten (praeter legem) und einen rechtsimmanenten (extra legem, intra ius) Teil trennen zu müssen, ist es vorzugswürdig, für das Merkmal der Lücke bzw. der Planwidrigkeit nicht allein auf die immanente Teleologie des Gesetzes abzustellen, sondern den Maßstab über das Gesetz hinaus auf die gesamte Rechtsordnung zu erweitern.41 Für diesen sogenannten „weiten“ Lückenbegriff spricht insbesondere, dass er den gesamten Bereich zwischen der Auslegung auf der einen und dem contra legem-Judizieren auf der anderen Seite abdeckt und damit der Abgrenzungsfunktion des Lückenbegriffs hinreichend Rechnung trägt. Ferner wurde bereits festgestellt, dass eine Rechtsfortbildung sowohl praeter legem als auch extra legem, intra ius grundsätzlich zulässig ist, sodass hinsichtlich des Lückenbegriffs nicht zwischen dem Beurteilungsmaßstab des Gesetzes und der Rechtsordnung differenziert werden braucht, zumal diese ohnehin fließend ineinander übergehen, sodass eine scharfe Unterscheidung kaum möglich ist.42 Entscheidender Bewertungsmaßstab für die Feststellung einer Lücke ist somit die Rechtsordnung als Ganzes, wodurch Art. 20 Abs. 3 GG und der Bindung des Richters an Gesetz und Recht Rechnung getragen wird.43 Eine Lücke liegt folglich vor, wenn das Gesetz innerhalb seines möglichen Wortsinns eine Regelung nicht enthält, die es nach der Wertung der Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit enthalten sollte.44 Danach liegen eine Gesetzeslücke und die Voraussetzung einer Rechtsfortbildung auch dann noch vor, wenn das Fehlen einer Regelung zwar mit dem Gesetz vereinbar wäre, jedoch im Widerspruch zu den Grundsätzen und Prinzipien45 der Gesamtrechtsordnung stünde.46 40

So insbesondere die Lehre der culpa in contrahendo und der Geschäftsgrundlage, bevor diese im Rahmen der Schuldrechtsreform Einzug ins Gesetz gefunden haben, vgl. Canaris, in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 84; ferner Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 413 f. 41 Hierzu v. a. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 473; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 37 f.; ders., in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 84 f. Hierzu bereits 6. Kapitel B. 42 Canaris, in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 84. 43 Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 473; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 38; ders., in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 84. 44 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 39. 45 Rechtsgrundsätze und Rechtsprinzipien umfassen normativ verbindliche, gebietsübergreifende Rechtsgedanken, die auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen angesiedelt sein können und für die Rechtsarbeit handhabbar gemacht werden, vgl. Bumke, Rechtsdogmatik, 2017, S. 139. Zwar werden diese mittels interner Induktion von den Regelungen der Rechtsordnung abgeleitet, sind jedoch nicht selbst Teil des Gesetzesrechts, da es ihnen an einer entsprechenden Entscheidung der Legislativorgane fehlt, vgl. Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze im Europäischen Privatrecht, 2009, S. 107 und S. 159 ff. 46 Canaris, in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 84.

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

II. Feststellung einer Lücke Ausgehend von dem hier vorgestellten Lückenbegriff ist nunmehr zu untersuchen, ob das Fehlen eines Haftungsinstituts infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements eine Lücke, d. h. eine planwidrige Unvollständigkeit, darstellt, die den Weg einer Rechtsfortbildung eröffnet. Ausgehend von dem „weiten“ Lückenbegriff ist dafür die Wertung der Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit als Beurteilungsmaßstab heranzuziehen. Unproblematisch lässt sich zunächst das Merkmal der Unvollständigkeit feststellen. Da es sich hierbei um das objektive Fehlen einer Anordnung innerhalb des gesetzlichen Wortsinns handelt,47 kann hierfür auf die Ergebnisse des ersten Teils dieser Abhandlung verwiesen werden, welche aufgezeigt haben, dass nach Auslegung und Interpretation der allgemeinen Anspruchsgrundlagen eine Haftung der Altaktionäre infolge eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement nicht in Betracht kommt.48 Folglich fehlt es an einer gesetzlichen Anordnung, sodass eine Unvollständigkeit im Sinne des Lückenbegriffs vorliegt. Ungleich schwieriger ist die Beurteilung, ob die dargelegte Unvollständigkeit auch planwidrig ist, d. h. ob eine Haftungsnorm, welche einen Schadensersatzanspruch der Anleger gegenüber den abredewidrig veräußernden Altaktionären begründet, nach den Wertungen und Zielen der Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit gefordert wird. Anders gesprochen ist zu untersuchen, ob das Fehlen einer Regelung, die eine Haftung wegen einer Verletzung von Lock-up Agreements begründet, den allgemeinen Grundsätzen und Prinzipien der Rechtsordnung zuwiderläuft.49 Zu beachten ist jedoch, dass es sich bei Rechtsprinzipien und allgemeinen Rechtsgrundsätzen um verallgemeinerungsfähige Rechtsgedanken handelt, die stets einer Konkretisierung bedürfen und insofern nicht subsumptionsfähig sind.50 Als Ansatzpunkte für solche allgemeinen Rechtsprinzipien dienen die Funktionsweise und der Schutzzweck der Lock-up Agreements: So wurde festgestellt, dass das Treffen von Lock-up Agreements und deren Veröffentlichung im Wertpapierprospekt das Vertrauen der Anleger fördern, Kooperation gewährleisten und damit dem Funktions- und Anlegerschutz des Kapitalmarkts dienen.51 Die Beurteilung der Planwidrigkeit einer Regelungslücke bewegt sich daher zunächst auf abstrakter Ebene; es ist mithin zu erörtern, ob es sich bei den besagten Rechtsprinzipien um allgemeine Rechtsgrundsätze und Prinzipien handelt, denen das Fehlen einer gesetzlichen Regelung zuwiderläuft. Einer dogmatischen Diffe47

Dazu bereits unter A. I. 1. Zusammenfassend 4. Kapitel B. VI. und 5. Kapitel. Ausführlich zu den einzelnen Anspruchsgrundlagen vgl. 4. Kapitel B. II. – V. 49 Unbeachtlich ist an dieser Stelle zunächst die konkrete Ausgestaltung eines Haftungskonzepts. Dazu sogleich unter 8. Kapitel und 9. Kapitel. 50 Vgl. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 11 Rn. 11 ff. 51 Siehe dazu 1. Kapitel B. I., sowie 3. Kapitel A. und C. 48

A. Vorliegen einer Lücke im Gesetz

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renzierung, ob es sich dabei um Grundsätze und Prinzipien des Gesetzes oder der Rechtsordnung handelt, bedarf es aufgrund des weiten Lückenbegriffs nicht.52 1. Vertrauensschutz und Kooperationsschutz Als Maßstab für die Feststellung einer Gesetzeslücke bzw. insbesondere der Planwidrigkeit des Fehlens einer Haftungsregelung für die Verletzung von Lock-up Agreements könnte das Prinzip des Vertrauens- und Kooperationsschutzes dienen. Der Vertrauensschutz ist dabei als Rechtsprinzip bzw. als Rechtsgrundsatz und Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben gem. § 242 BGB53 – insbesondere im Zusammenhang mit kapitalmarktrechtlichen Sachverhaltskonstellationen –54 allgemein anerkannt55 und wurde auch von der Rechtsprechung wiederholt als Legitimationsgrundlage herangezogen.56 Die letzten Zweifel an der dogmatischen Tragfähigkeit des Vertrauensprinzips sind mit dessen Kodifikation in § 311 Abs. 3 S. 2 BGB im Rahmen der Schuldrechtsreform endgültig ausgeräumt worden.57 Mithin finden der Vertrauensgedanke und das Prinzip des Vertrauensschutzes nunmehr eine unmittelbare Anknüpfung im Gesetz.58 Eng verwoben mit dem Vertrauensgedanken ist das Prinzip der Kooperation. Dem Kooperationsprinzip liegt der Gedanke zugrunde, dass der Markt59 in einer pluralistischen Gesellschaft eine notwendige Voraussetzung für ein stabiles Zusammenleben darstellt, wobei der Markt eines institutionellen Rahmens bedarf, welcher insbesondere durch Kooperation und 52 Zwar scheint es überzeugend, die allgemeinen Rechtsgrundsätze mittels interner Induktion aus dem Gesetz abzuleiten, diese mangels einer entsprechenden Legislativentscheidung aber nicht dem Gesetzesrecht zuzuordnen, vgl. Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze im Europäischen Privatrecht, 2009, S. 107; hierzu bereits Fn. 784. Eine Entscheidung kann indes dahinstehen, da sowohl die Berufung auf die immanente Teleologie des Gesetzes als auch auf die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit eine Rechtsfortbildung erlauben, vgl. bereits 6. Kapitel A. 53 Vgl. Fehlmann, Vertrauenshaftung, 2002, S. 13. 54 Stöhr, AcP 214 (2014), 425, 438. 55 Koch, AcP 204 (2004), 59, 70; Kramer, in: FS Bydlinski, 2002, S. 197, 200; Lang, AcP 201 (2001), 451, 465; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 476 ff.; Stöhr, AcP 214 (2014), 425, 437; Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, 1998, S. 53 ff. Grundlegend zum Vertrauensgedanken als einem der „fundamentalsten Prinzipien einer jeden Rechtsordnung“ Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 3, 491 ff., 525 ff. 56 BGH, Urt. v. 19. 12. 1977 – II ZR 164/76, BGHZ 70, 337, 344; BGH, Urt. v. 7. 7. 1998 – XI ZR 375/97, BB 1998, 1711, 1712; BGH, Urt. v. 26. 9. 2000 – X ZR 94/98, BGHZ 145, 187, 198. 57 Koch, AcP 204 (2004), 59, 70. 58 Vor der Schuldrechtsreform galt der Vertrauensschutz zwar nicht als vom gesetzgeberischen Plan gefordert, wohl aber als der allgemeinen Rechtsordnung immanent, vgl. Larenz/ Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 247. 59 Der Marktbegriff ist in diesen Zusammenhang funktional zu verstehen und beschränkt sich keineswegs nur auf den Kapitalmarkt.

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

Kooperationssicherung gewährleistet wird.60 Kooperation ist folglich ein wesentlicher Bestandteil eines funktionsfähigen Markts und damit notwendige Voraussetzung des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Das Kooperationsprinzip ist dabei eng mit dem Vertrauensgedanken verwoben, da Kooperation stets Vertrauen voraussetzt, gleichzeitig aber auch Vertrauen schafft.61 Die Funktionsmechanismen von Lock-up Agreements haben gezeigt, dass diese das Vertrauen der Anleger gewährleisten und die beteiligten Parteien zur Kooperation ermutigen. Da Lock-up Agreements jedoch nicht durchgesetzt oder deren Einhaltung gesichert werden können und die Verletzung der Lock-up Agreements nach den allgemeinen gesetzlichen Regelungen keine Haftung und Sanktionierung des Verstoßes zur Folge hat, kann die vertrauenssichernde und kooperationsschützende Funktion der Lock-up Agreements nicht gewährleistet werden. Die Möglichkeit einer sanktionslosen Verletzung von Lock-up Agreements läuft folglich den Prinzipien und Grundgedanken des Vertrauens- und Kooperationsschutzes zuwider, sodass das Fehlen einer Haftungsregelung planwidrig ist. 2. Anlegerschutz und Funktionsschutz Daneben kann auf die Prinzipien des Anleger- und Funktionsschutzes abgestellt werden. Indem Lock-up Agreements den Abbau von Informationsasymmetrien und die Stabilisierung des Kursniveaus fördern, dienen sie dem kapitalmarktrechtlichen Funktions- und Anlegerschutz.62 Einer scharfen Trennung zwischen Anleger- und Funktionsschutz bzw. zwischen Individual- und Kollektivschutz bedarf es dabei nicht, da diese nach der hier vertretenen Auffassung ohnehin untrennbar miteinander verbunden sind und zwei Seiten derselben Medaille darstellen.63 Indes sind der Anleger- und Funktionsschutz eng mit dem Vertrauensgedanken verknüpft, da der Abbau von Informationsasymmetrien, die Vorbeugung von Interessenkonflikten und die Reduzierung von Vertretungskosten im Kern auf der Förderung von Vertrauen beruhen.64 Unabhängig von ihrer konzeptionellen Trennung werden sowohl der Funktionsschutz als auch der Anlegerschutz als Rechtsgrundsatz bzw. Rechtsprinzip anerkannt. Zunächst gilt der Schutz der Funktionsfähigkeit der Märkte als primäres

60 Grundlegend zur marktförmigen Kooperation Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 111 ff., 117 ff., 173. 61 Zum Vertrauen als Organisationsprinzip zwischenmenschlicher Beziehungen vgl. Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, 1998, S. 1 ff. 62 Vgl. 3. Kapitel A., B. und C. 63 Ausführlich zur Konzeption des kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes vgl. 2. Kapitel C. II. 2. 64 Ausführlich zu den einzelnen Aspekten vgl. 3. Kapitel A. I. – III.

A. Vorliegen einer Lücke im Gesetz

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Regelungsziel des Kapitalmarktrechts,65 sodass der Funktionsschutz als allgemeines Rechtsprinzip des Kapitalmarktrechts verstanden werden kann. Daneben hat sich der Anlegerschutz, trotz der bestehenden konzeptionellen Diskussionen, als allgemeines Rechtsprinzip etabliert und ist „als Postulat, Normzweck und dogmatische Kategorie selbstverständlich geworden.“66 Zugleich wird dem Anlegerschutzprinzip sowohl von der Rechtsprechung67 als auch von der Literatur eine erhebliche Bedeutung bei der richterlichen Rechtsfortbildung beigemessen und wird in diesem Zusammenhang als „Wertungsprinzip zur Rechtsfortbildung“68, „Legitimationsgrund richterlicher Normproduktion“69 oder „richterliche Wertungsvariable“70 bezeichnet. Folglich können der kapitalmarktrechtliche Funktions- und Anlegerschutz als allgemeine Rechtsprinzipien herangezogen werden und dienen als Maßstab für die Feststellung einer planwidrigen Unvollständigkeit. Ausgehend von dem Befund, dass mangels einer Durchsetzungs- bzw. haftungsrechtlichen Sanktionsmöglichkeit die Lock-up Agreements ihrer funktions- und anlegerschützenden Zielkonzeption nicht gerecht werden können,71 läuft das Fehlen einer Haftungsnorm den allgemeinen Prinzipien des Funktions- und Anlegerschutzes zuwider. Das Fehlen einer gesetzlichen Haftungsnorm kann in diesem Zusammenhang auch nicht als bewusste Entscheidung im Sinne eines beredeten Schweigens des Gesetzgebers verstanden werden,72 da der Kapitalmarkt keinesfalls ein rechtsfreier Raum, sondern gerade besonders regelungsbedürftig ist. Ebenso stellt das Fehlen einer Haftungsnorm keinen bewussten Umkehrschluss und damit eine negative Regelung dar.73 Zwar regelt das Gesetz vornehmlich im positiven Sinne, d. h., es normiert in erster Linie, an welche Fälle eine Rechtsfolge geknüpft werden soll, und

65 Oulds, in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 14.142. Ausführlich zum Funktionsschutz bereits unter 2. Kapitel C. I. 66 Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken, 2000, S. 307, 313. Ferner Krolop, Der Rückzug vom organisierten Kapitalmarkt, 2005, S. 137: „Der Anlegerschutz als Rechtsprinzip des Kapitalmarktrechts.“ Zudem verweist auch der Gesetzgeber ausdrücklich auf den Anlegerschutz, vgl. Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, 62. 67 Der BGH stellt schlicht auf die Formel eines „rechtlich gebotenen Anlegerschutzes“ ab, vgl. BGH, Urt. v. 6. 10. 1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 341; BGH, Urt. v. 22. 3. 1982 – II ZR 114/82, BGHZ 83, 222, 223. 68 Assmann, ZBB 1989, 49, 51. 69 Assmann, ZBB 1989, 49, 51. 70 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 106. 71 Vielmehr wurde bereits aufgezeigt, dass das Fehlen einer Haftungsregelung im Widerspruch zu der Bedeutung der Lock-up Agreements für den Kapitalmarkt steht, vgl. dazu 5. Kapitel. 72 Dazu Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 40 f.; Larenz/ Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 191. 73 Zum Verhältnis der Lücke und einem argumentum e contrario vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 44 ff.

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

verzichtet darauf, jene Fälle zu nennen, an welche keine Rechtsfolge geknüpft wird,74 sodass nicht jedes Fehlen einer gesetzlichen Regelung eine Lücke darstellt. Jedoch kommt ein solcher Umkehrschluss hinsichtlich des Fehlens einer Regelung im Fall der Verletzung von Lock-up Agreements nicht in Betracht, da sich der Fall einer Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern grundlegend von den gesetzlich normierten Haftungstatbeständen, etwa der Prospekthaftung oder der Marktmissbrauchshaftung, unterscheidet,75 sodass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Verstoß von Lock-up Agreements bewusst von den gesetzlichen Haftungstatbeständen ausgeschlossen sein soll. Folglich stellt das Fehlen keine bewusste negative Lösung des Gesetzes dar. Das Fehlen einer gesetzlichen Anordnung zur Haftung von Altaktionären infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements läuft folglich den allgemeinen Prinzipien des Funktions- und Anlegerschutzes zuwider, sodass insoweit von einer planwidrigen Unvollständigkeit, d. h. einer Lücke im Gesetz, gesprochen werden kann.

III. Zwischenergebnis Das Fehlen einer Haftungsnorm im Zusammenhang mit dem Verstoß gegen ein Lock-up Agreement ist bei einer wertenden Betrachtung nicht mit den allgemeinen Prinzipien des Vertrauens- und Kooperationsschutzes sowie des Anleger- und Funktionsschutzes vereinbar. Dabei ist zu beachten, dass die einzelnen Prinzipien keineswegs isoliert zu betrachten sind, sondern wechselseitig miteinander verbunden sind. So wurde gezeigt, dass sich der Vertrauensgedanke und das daraus entstehende Kooperationsprinzip zugleich im Anleger- und Funktionsschutzprinzip widerspiegeln.76 Die Sicherstellung des Vertrauens der Anleger in den Kapitalmarkt ist maßgebliche Voraussetzung eines funktionsfähigen Kapitalmarkts und wurde in diesem Zusammenhang ausdrücklich als gesetzgeberisches Ziel formuliert.77 Dies veranschaulicht zugleich die enge Verknüpfung des Vertrauensschutzes mit den Regelungszielen des Kapitalmarktrechts. Da das Fehlen einer Haftungsnorm den Wertungen der dargestellten Grundgedanken und Prinzipien zuwiderläuft, liegt, ausgehend von dem weiten Lückenbegriff, eine planwidrige Unvollständigkeit, d. h. eine Gesetzeslücke vor. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Rechtsprinzipien bzw. Rechtsgrundsätze lediglich richtunggebende Maßstäbe beschreiben.78 Sie sind folglich konkretisierungsbedürftig und nicht subsumtionsfähig,79 sodass der Befund, 74

Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 46. Vgl. die Ausführungen unter 4. Kapitel B. II. 1. und 4. 76 Dazu bereits 2. Kapitel C. II. 2. b). 77 Vgl. ErwG Nr. 1 RL 88/627/EWG v. 12. 12. 1988 (Beteiligungstransparenz-Richtlinie), ABl. EG L 248, 62; ErwG Nr. 4 RL 89/592/EWG v. 13. 11. 1989 (Insider-Richtlinie), ABl. EG L 334, 30; ferner Möllers, AcP 208 (2008), 1, 7. 78 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 421. 79 Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 11 Rn. 12 ff. 75

B. Notwendigkeit einer privatrechtlichen Haftung

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dass das Fehlen einer Haftungsregelung den Rechtsgrundsätzen des Vertrauens- und Kooperationsschutzes sowie des Funktionsschutzes zuwiderläuft, zwar die Planwidrigkeit der Regelungslücke indiziert, als solcher jedoch noch keine Aussage über die Art und Weise der Lückenschließung treffen kann. Im Folgenden ist daher darauf einzugehen, welche Anforderungen an eine Lückenausfüllung zu stellen sind.

B. Notwendigkeit einer privatrechtlichen Haftung Die Feststellung einer Gesetzeslücke beruht zwar nicht allein auf objektiven Kriterien, sondern berücksichtigt bereits wertende Aspekte, denen zugleich Aussagen über die Lückenausfüllung innewohnen; dennoch soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, die Art und Weise der Lückenausfüllung näher zu charakterisieren und darzulegen, dass ein konkretes Bedürfnis für ein privatrechtliches Haftungsinstitut existiert. Das leitende Motiv bei der Konkretisierung einer Lückenausfüllung soll dabei sein, das Recht in „optimaler Weise“ mit den dargelegten Rechtsprinzipien in Einklang zu bringen, ohne dabei den Boden der Rechtsordnung zu verlassen, d. h. ohne deren Wertungen zuwiderzulaufen. Wird in diesem Zusammenhang von einer „optimalen“ Lückenausfüllung gesprochen, ist damit der Topos der Effizienz einer Lückenausfüllung gemeint. Im Rahmen der Effizienz einer Lückenausfüllung wird folglich nicht nur darauf abgestellt, ob eine Gesetzeslücke ausgefüllt wird – anderenfalls wäre eine Rechtsfortbildung ohnehin unzulässig –, sondern es wird die Eignung einer Vorschrift oder Regelung zur Verwirklichung eines bestimmten Regelungsziels bewertet.80 Zu untersuchen ist folglich, ob ein privatrechtliches Haftungsinstitut aus ökonomischer Sicht geeignet ist, die aufgezeigte Gesetzeslücke zu schließen, d. h. ob durch ein solches Haftungsinstitut der Widerspruch zwischen der Bedeutung von Lock-up Agreements für den Kapitalmarkt und dem Fehlen einer wirksamen Durchsetzung bzw. Haftung aufgelöst werden kann. Gleichzeitig ist danach zu fragen, ob andere Regelungsalternativen, etwa öffentlich-rechtliche Sanktionsmechanismen, die ein Tätigwerden des Gesetzgebers de lege ferenda erfordern, nicht eine „bessere“, d. h. effizientere, Lösung bieten. Denn nur soweit es keine besseren Regelungsalternativen gibt, ist ein privatrechtliches Haftungsinstitut auch die „optimale“ Ausfüllung der Gesetzeslücke. An einem Bedürfnis für ein privatrechtliches Haftungsinstitut könnte es zudem grundsätzlich fehlen, wenn bereits außerrechtliche Sanktionsmechanismen existieren, die eine rechtliche Regelung obsolet machen. Umstritten ist jedoch, inwieweit Effizienzkriterien im Rahmen der Rechtsfortbildung Berücksichtigung finden müssen bzw. ob sie überhaupt berücksichtigt 80 Fleischer/Zimmer, in: dies. (Hrsg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 9, 13 schlagen vor, in diesem Zusammenhang nicht von Effizienz, sondern von Effektivität zu sprechen, um Missverständnissen vorzubeugen.

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

werden dürfen. Bevor auf die einzelnen Gesichtspunkte des Erfordernisses eines privatrechtlichen Haftungsinstituts eingegangen werden kann, ist somit zunächst zu erörtern, ob der Effizienzgedanke ein normatives Rechtsprinzip darstellt und inwieweit Effizienzgedanken im Rahmen der Rechtsfortbildung berücksichtigt werden können.

I. Effizienz als (normatives) Rechtsprinzip Dem Effizienzkriterium81 liegt die ökonomische Analyse des Rechts zugrunde, deren Anliegen es ist, dem ökonomisch effizientesten Ergebnis, sowohl auf Rechtssetzungs- als auch Rechtsfindungsebene, zum Durchbruch zu verhelfen (auch normative ökonomische Theorie des Rechts).82 Inwieweit Effizienzkriterien im Rahmen der richterlichen Entscheidungsfindung Berücksichtigung finden dürfen bzw. müssen, ist jedoch umstritten. Jedenfalls die deutsche Literatur steht der Anwendung von Effizienzgesichtspunkten im Rahmen der Fortbildung des Privatrechts noch immer weitestgehend reserviert gegenüber,83 während die Berücksichtigung von Effizienzkriterien im US-amerikanischen Privatrecht bereits weithin anerkannt ist.84 So vertritt Eidenmüller die Auffassung, dass vornehmlich der Gesetzgeber zur Berücksichtigung von Effizienzgesichtspunkten legitimiert ist, während das Effizienzziel de lege lata nur eine begrenzte Rolle spielt.85 Die Berücksichtigung von Effizienzkriterien im Rahmen einer Rechtsfortbildung kommt danach nur dann in 81

Zur Bestimmung von Effizienz wird zwischen der Pareto-Effizienz und dem KaldorHicks-Optimum unterschieden. Nach dem Pareto-Kriterium liegt Effizienz vor, wenn ein Zustand erreicht ist, bei dem keine Partei bessergestellt werden kann, ohne dass dadurch die andere Partei schlechtergestellt wird, vgl. Korch, Haftung und Verhalten, 2015, S. 7; Richter/ Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. 2010; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 13 f. Da ein solcher Zustand vollständiger Effizienz in der Realität nur sehr selten auftreten wird, wird auf das Kaldor-Hicks-Optimum abgestellt (benannt nach den Ökonomen Nicholas Kaldor und John Hicks, vgl. Kaldor, Econ. J. 49 (1939), 549 ff.; Hicks, Econ. J. 49 (1939), 696 ff.), wonach ein effizienter Zustand erreicht ist, wenn die Vorteile des einen so groß sind, dass sie die Nachteile des anderen ausgleichen könnten und dem Bevorteilten trotzdem ein Restvorteil bliebe, wobei ein tatsächlicher Ausgleich nicht notwendig ist, vgl. Kaldor, Econ. J. 49 (1939), 549 ff.; Hicks, Econ. J. 49 (1939), 696 ff.; ferner Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 51; Korch, Haftung und Verhalten, 2015, S. 8; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 20 f. 82 Vgl. Janson, Ökonomische Theorie im Recht, 2004, S. 23; Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, 2007, S. 70. 83 Vgl. etwa Canaris, JZ 1993, 377, 384; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 414 ff.; Fezer, JZ 1986, 817, 823. Zur Rezeption der ökonomischen Analyse in Deutschland Wagner, in: FS Canaris, 2017, S. 281, 284 ff. 84 Wagner, in: FS Canaris, 2017, S. 281 ff. 85 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 13.

B. Notwendigkeit einer privatrechtlichen Haftung

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Frage, wenn der Gesetzgeber dazu ausdrücklich Stellung genommen hat.86 Voraussetzung einer normativen Bindung der Rechtsfortbildung an ökonomische Effizienzziele wäre somit, dass ökonomische Effizienz im Sinne eines Kosten-NutzenKriteriums87 ein allgemeines Rechtsprinzip wäre, welches überall in der Rechtsordnung verankert ist. Dies treffe jedoch nicht zu; vielmehr sei die Verfassung wirtschaftspolitisch neutral und verlange keineswegs, nur effizientes Recht zu setzen.88 Würden ökonomische Effizienzkriterien zu allgemeinen Wertungsmaßstäben erklärt, liefe dies der Wertung der Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit zuwider, sodass die Grenzen zur Rechtspolitik und einem unzulässigen contra legem-Judizieren überschritten würden.89 Indes wird auch von Vertretern der ökonomischen Analyse keineswegs behauptet, dass das Effizienzprinzip das einzige und maßgebliche Rechtsprinzip sei. Anerkannt ist vielmehr, dass der Gesetzgeber sich jederzeit über das Effizienzkriterium hinwegsetzen und evident ineffiziente Regelungen schaffen kann, an welche der Rechtsanwender dann auch im Rahmen der Rechtsfortbildung gebunden ist.90 Im Kern der Frage, ob Effizienz als ein normatives Rechtsprinzip zu verstehen ist, geht es folglich darum, ob bei der Fortbildung und Konkretisierung des Rechts auch die Effizienz bzw. Ineffizienz der herzuleitenden Regelungen im Vergleich zu alternativen Regelungsoptionen berücksichtigt werden darf.91 Effizienz soll danach nur ein Kriterium von vielen sein, welches im Rahmen einer Rechtsfortbildung lediglich Berücksichtigung finden soll, dagegen aber keine Neuordnung des Rechts nach Effizienzkriterien beschreibt.92 Erkennt man zudem an, dass privatrechtliche Entscheidungen einen Einfluss auf das Verhalten von Menschen haben, so ist es nicht ersichtlich, weshalb die Folgen dieser Entscheidungen im Rahmen der Rechtsanwendung nicht berücksichtigt werden sollen. Daraus folgt, dass sofern für eine Rezeption von Effizienzkriterien geeignete Bezugspunkte bestehen, d. h. soweit der 86 Eidenmüller, AcP 197 (1997), 80, 96 stellt klar, dass die „Ökonomisierung des Rechts“ nicht Aufgabe der Gerichte ist; ebenso Miller, Das Haftungsrecht als Instrument der Kontrolle von Kapitalmärkten, 2003, S. 109. 87 Die Kosten-Nutzen-Analyse basiert auf dem Kaldor-Hicks-Optimum (vgl. Fn. 81) und bewertet die mit einer bestimmten Maßnahme verbundenen Vor- und Nachteile monetär, um bei einem Vergleich einen positiven bzw. negativen Saldo festzustellen. Im Rahmen der ökonomischen Analyse des Rechts werden rechtliche Regeln oder Standards danach bewertet, ob sie nach Kosten-Nutzen-Aspekten optimal sind, oder ob es andere Regelungen gibt, die zu einem besseren Ergebnis führen würden, vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 51 ff. 88 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 445 und S. 464 stellt darauf ab, dass nicht einmal die soziale Marktwirtschaft im Grundgesetz verankert ist, sodass dies für die ökonomische Analyse des Rechts erst recht gelten muss; ferner Fleischer/Zimmer, in: dies. (Hrsg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 9, 13. 89 Fleischer/Zimmer, in: dies. (Hrsg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 9, 22. 90 Wagner, in: FS Canaris, 2017, S. 281, 313. 91 Wagner, in: FS Canaris, 2017, S. 281, 313. 92 Janson, Ökonomische Theorie im Recht, 2004, S. 179.

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

Gesetzgeber ökonomische Motive verfolgt, können und müssen diese sowohl in der Rechtsdogmatik als auch in der Rechtsanwendung – um nichts anderes handelt es sich bei der Rechtsfortbildung – herangezogen werden.93 Denn ökonomische Erkenntnisse sind in diesem Zusammenhang oft nichts anderes „als Reformulierungen des common sense“.94 Auch die Kritiker der ökonomischen Analyse erkennen das Effizienzkriterium zumindest als ein lokales Rechtsprinzip an, sofern einzelne Vorschriften eines bestimmten Rechtsgebiets dies ausdrücklich bestimmen. Die Reichweite eines lokalen Effizienzprinzips beschränkt sich dabei ausschließlich auf den jeweiligen Regelungsbereich.95 Ob das Effizienzprinzip ein allgemeingültiges oder nur ein lokales Rechtsprinzip darstellt, bedarf vorliegend keiner endgültigen Klärung. Denn der zu untersuchende Sachverhalt einer Verletzung von Lock-up Agreements ist untrennbar mit dem Wirtschafts- und Kapitalmarktrecht verknüpft, welche von ökonomischen Effizienzgedanken geprägt sind, sodass auch ökonomische Überlegungen Berücksichtigung finden müssen.96 Effizienzgesichtspunkte haben an verschiedenen Stellen Einzug in das Kapitalmarktrecht gefunden,97 etwa im Rahmen der Informationseffizienz98 oder der allokativen, operationalen und institutionellen Effizienz,99 die gemeinsam das Regelungsziel des Funktionsschutzes definieren und damit zu den Zielbestimmungen kapitalmarktrechtlicher Gesetze zählen.100 Zudem sind sowohl das Prinzip des Anlegerschutzes als auch das des Funktionsschutzes eng mit dem ökonomischen Effizienzgedanken verbunden.101 Vor allem aber dient das Instrument des Lock-up Agreements gerade der Förderung bzw. Aufrechterhaltung der Markteffizienz, indem Informationsasymmetrien abgebaut und Vertrauen geschaffen werden soll. Die Suche nach einem Haftungsinstitut für den Fall der Verletzung von 93 Janson, Ökonomische Theorie im Recht, 2004, S. 179; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 190; Wagner, in: FS Canaris, 2017, S. 281, 297; Zimmermann/Wagner, AcP 216 (2016), 1, 10. 94 Wagner, in: FS Canaris, 2017, S. 281 f. 95 So Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 465, der auf das Haushaltsrecht verweist; Miller, Das Haftungsrecht als Instrument der Kontrolle von Kapitalmärkten, 2003, S. 108. 96 Vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 190; Möllers, AcP 208 (2008), 1, 6. 97 Bspw. ErwG Nr. 1, 6, 7 VO (EU) 2017/1129 v. 14. Juni 2017 (EU-Prospektverordnung 2017), ABl. EU L 168, 12 f.; ErwG Nr. 2 VO (EU) 596/2014 v. 16. April 2014 (MMVO bzw. MAR), ABl. EU L 173, 1 ff. 98 Vgl. 2. Kapitel B. I. 99 Vgl. 2. Kapitel C. I. Zum Konzept der Kapitalmarkteffizienz zudem Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 100, 102 ff. 100 Ebenso Kübler, in: FS Steindorff, 1990, S. 687, 688; Miller, Das Haftungsrecht als Instrument der Kontrolle von Kapitalmärkten, 2003, S. 108; Möllers, AcP 208 (2008), 1, 7. 101 Köndgen, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Effizienz als Regelungsziel im Handels- und Wirtschaftsrecht, 2008, S. 100, 108 ff.

B. Notwendigkeit einer privatrechtlichen Haftung

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Lock-up Agreements darf diesen Funktionszusammenhang nicht ignorieren und muss folglich auch Effizienzgesichtspunkte berücksichtigen. Im Hinblick auf die Entwicklung eines Haftungskonzepts für den Fall einer Verletzung von Lock-up Agreements folgt daraus, dass die Herleitung eines privatrechtlichen Haftungsinstituts nicht nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Grenzen einer Rechtsfortbildung erfolgen muss, sondern zudem erfordert, dass das entwickelte Institut am ehesten dazu geeignet ist, das angestrebte Ziel und die Förderung des Gemeinwohls zu erreichen, sprich, effizient ist.102 Zu beachten ist dabei, dass die Berücksichtigung von Effizienzgesichtspunkten stets nur im Rahmen der Rechtsfortbildungerfolgen kann und den Lückenbegriff daher nicht ersetzt bzw. ablöst.103 Folglich legitimiert eine „Effizienzlücke“ alleine nicht zur Rechtsfortbildung.104 Ist der Weg der Rechtsfortbildung jedoch – wie im Vorfeld dargelegt – eröffnet, können ökonomische Effizienzgesichtspunkte im Rahmen der konkreten Ausgestaltung der Lückenausfüllung und innerhalb der dargelegten Rechtsprinzipien berücksichtigt werden.105 Stehen folglich verschiedene Wege der Lückenausfüllung zur Verfügung, die allesamt die Grenze der Rechtsfortbildung nicht übersteigen, ist es geboten, den effizientesten Weg der Lückenausfüllung zu wählen.106 Im Folgenden ist daher anhand ökonomischer Kriterien darzulegen, dass die aufgezeigte Gesetzeslücke am effizientesten mittels eines privatrechtlichen Haftungsinstituts geschlossen werden kann.

II. Ökonomische Analyse der Haftung als Verhaltenssteuerung Nach einer rein rechtswissenschaftlichen Betrachtungsweise dient das Haftungsrecht vornehmlich dem sogenannten „Ausgleichsziel“, d. h. dem Schadensausgleich und der Kompensation. Daneben spielen Reue, Sühne, Genugtuung und

102

Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 4 f. Miller, Das Haftungsrecht als Instrument der Kontrolle von Kapitalmärkten, 2003, S. 108; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 126: „Die ökonomische Analyse […] als Teil einer Gesamtbetrachtung“. Oftmals wird die ökonomische Analyse ohnehin zu Ergebnissen kommen, die mit den juristischen Lösungsvorschlägen übereinstimmen bzw. kompatibel sind, vgl. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 425. 104 Ähnlich Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 448: „In keinem Fall würde ein derartiges Rechtsprinzip die Gerichte zwingen, bei der Rechtsfortbildung systematisch ökonomisch zu argumentieren.“ 105 In diese Richtung Eidenmüller, AcP 197 (1997), 80, 135: „Ein Argumentationstopos, der als einer von mehreren Gesichtspunkten herangezogen werden kann“; Grundmann, RabelsZ 61 (1997), 423, 443; Ott, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, 1989, S. 25, 31 und 44; Schenke, Die Rechtsfindung im Steuerrecht, 2007, S. 70; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 127 und 136; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 425. 106 Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 136 spricht in diesem Zusammenhang von einer „Realitätskontrolle […] des zu schaffenden Rechts“. 103

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

Vergeltung eine Rolle.107 Die Schadensprävention im Wege einer Verhaltenssteuerung der Menschen wird nach dieser Ansicht lediglich als (erwünschtes) Nebenprodukt betrachtet,108 ohne dass ihr eine besondere eigenständige Bedeutung zugeteilt wird. Nach dieser Auffassung ist die Schadensverhütung folglich kein Regelungsziel des Haftungsrechts; stattdessen erfüllen einzig das Strafrecht und das Verwaltungsrecht die Aufgabe einer Schadensprävention und damit Verhaltenssteuerung.109 Zu einer anderen Auffassung gelangt die ökonomische Analyse des Rechts. Danach hat sich das praktizierte Recht am Regelungsziel ökonomischer Effizienz zu orientieren. Das Recht hat folglich das Ziel einer optimalen Allokation der verfügbaren knappen Ressourcen zu verfolgen (Wohlfahrtsmaximierung).110 Die Beurteilung rechtlicher Regelungen geschieht dabei im Rahmen einer Abwägung, ob die vorgegebenen Ziele mit den eingesetzten Mitteln erreicht werden bzw. erreicht werden können und ob es andere, kostengünstigere Mittel gibt, mit denen die Ziele ebenfalls erreicht werden können (Mittel-Zweck-Relation).111 Bezogen auf das Schadensrecht geht es im Kern somit um die Frage, ob es günstiger ist, den Schaden nachträglich auszugleichen (Ausgleichsfunktion) oder den Schaden von vornherein zu verhindern (Präventivfunktion), da die mit den höheren Kosten verbundene Alternative dem Ziel der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsmaximierung zuwiderliefe.112 Wird nun das Verhältnis von Ausgleichs- und Präventionsfunktion des Haftungsrechts im Zusammenhang mit dem Ziel gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrtsoptimierung betrachtet, so wird deutlich, dass die dem Haftungsrecht zugrundeliegende Ausgleichsfunktion einen über den eigentlichen Schaden hinausgehenden Wohlfahrtsverlust zur Folge hat, welcher sich in den Kosten des Ausgleichs, d. h. den Schadensfeststellungskosten, Verwaltungskosten, Rechtsverfolgungskosten und Kosten der Zahlung (tertiäre Kosten), manifestiert.113 Daneben wird vorgebracht, dass ein Schadensausgleich ohnehin wirkungsvoller und effizienter über Versicherungsmodelle erfolgen kann.114 Daher muss nach der ökonomischen Analyse des Rechts die Präventivfunktion der Haftung im Vordergrund stehen.115 107

Kötz/Schäfer, AcP 189 (1989), 501, 502. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. 1, 14. Aufl. 1987, S. 423. Dazu kritisch Schäfer/ Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 150 f. 109 Vgl. Kötz/Schäfer, AcP 189 (1989), 501, 502. 110 Kübler, in: FS Steindorff, 1990, S. 687, 689; Miller, Das Haftungsrecht als Instrument der Kontrolle von Kapitalmärkten, 2003, S. 106; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. XXXIII. 111 Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 136. 112 Korch, Haftung und Verhalten, 2015, S. 9. 113 Calabresi, The Costs of Accidents, 1970, S. 28; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 151, 164 ff.; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 138, 141. 114 Franck, Marktordnung durch Haftung, 2016, S. 81 m.w.N. 115 Calabresi, Harv. L. Rev. 78 (1965), 713, 715 ff. 108

B. Notwendigkeit einer privatrechtlichen Haftung

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Inzwischen hat auch der BGH in einem umstrittenen Urteil erklärt, dass ein Schadensersatz weniger dem Schadensausgleich als vielmehr der Schadensprävention dienen kann.116 Die Vorzugswürdigkeit der ökonomischen Analyse und des Verständnisses der Präventivfunktion des Schadensrechts zeigt sich insbesondere im kapitalmarktrechtlichen Kontext. Ausgehend von dem Regelungsziel des Funktionsschutzes des Kapitalmarkts ist eine reine Ausrichtung des Schadensrechts auf die Ausgleichsfunktion nicht zielführend. Denn eine bloße nachträgliche Schadenskompensation vermag die Bildung „unfairer“, d. h. auf Informationsdefiziten beruhender, falscher Preise nicht zu verhindern, wodurch die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts beeinträchtigt würde. Vor dem Regelungsziel des Funktionsschutzes müssen somit bereits solche Handlungen unterbunden werden, die eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts erwarten lassen. 1. Verhaltenssteuerung durch Haftung Eng verbunden mit dem Präventivcharakter des Haftungsrechts ist die Steuerungsfunktion des Haftungsrechts, welche auf der Annahme beruht, dass menschliches Verhalten durch ökonomische Anreize grundsätzlich steuerbar ist.117 Dieser Annahme liegt die Theorie des rationalen, egoistischen Menschen (REM-Hypothese)118 zugrunde,119 wonach der Mensch stets eigeninteressiert und rational nutzenmaximierend handelt und auf Veränderungen seiner Umwelt durch Änderungen seines eigenen Verhaltens reagiert.120 Nach diesem Modell trifft der Mensch seine Entscheidungen losgelöst von moralischen Kategorien und orientiert sein Verhalten einzig an einer rational-wirtschaftlichen Nutzenmaximierung.121 Das Recht dient in diesem Zusammenhang als Faktor der Entscheidungsumgebung, welches konkrete Kosten (bspw. Sanktionen) oder Nutzen an die einzelnen Handlungsoptionen knüpft, die bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden.122 Folglich lässt sich das Verhalten des Einzelnen durch rechtliche und wirtschaftliche Sanktionen oder An116 BGH, Urt. v. 15. 11. 1994 („Caroline von Monaco“) – VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f. In der Literatur wurde z. T. kritisiert, der BGH habe in seinem Urteil Strafrecht geschöpft, dazu Wagner, AcP 206 (2006), 352, 359. Zur Verhaltenssteuerung durch Haftung sogleich unter B. II. 1. 117 Bachmann, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil (Hrsg.), Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, 2007, S. 93, 95; Kötz, ZVersWiss 1993, 57, 58; Miller, Das Haftungsrecht als Instrument der Kontrolle von Kapitalmärkten, 2003, S. 111; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 358 ff. 118 Dazu bereits 1. Teil, Fn. 264. 119 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 28. 120 Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 3; ders., in: Assmann/Kirchner/ Schanze (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Rechts, 1978, S. 93. 121 Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 117 f. 122 Schmolke, JZ 2015, 121, 124.

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

reize steuern.123 Diesem Gedanken liegt erneut das Prinzip bzw. das Ziel einer gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsoptimierung zugrunde, welche durch eine individuelle Nutzenmaximierung erreicht wird, da kollektive Entscheidungen lediglich die Aggregation individueller Entscheidungen sind („methodologischer Individualismus),124 sodass sich die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt aus der Summe der Nutzenniveaus der Beteiligten ergibt.125 Die verhaltenssteuernde Wirkung privater Schadensersatzklagen hat auch der EuGH in Bezug auf das europäische Wettbewerbsrecht anerkannt und betont, dass diese zur Aufrechterhaltung eines Wettbewerbs wesentlich beitragen können.126 Indem das Haftungsrecht wirtschaftliche Sanktionen und Anreize schafft, ist es in der Lage, das Verhalten des Einzelnen zu steuern. Vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Präventivfunktion der Haftung soll das Verhalten des Einzelnen folglich so gesteuert werden, dass solche Schadensereignisse verhütet werden, deren Eintritt (und anschließender Ausgleich) zulasten der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt erfolgte, und danach ineffizient wäre.127 Daraus folgt, dass ein Haftungsinstitut, welches die Altaktionäre im Fall einer Verletzung von Lock-up Agreements verpflichtet, den Anlegern den entstandenen Schaden zu ersetzen, dazu geeignet sein kann, das Verhalten der Altaktionäre dahingehend zu steuern, dass diese von einem Verstoß ganz absehen. Voraussetzung für einen solchen Anreiz ist, dass die mit der Haftung einhergehenden (Kompensations-)Kosten größer sind als der Nutzen, den die Altaktionäre aus der Verletzung eines Lock-up Agreements ziehen, da ein rationaler Marktakteur in diesem Fall von einem Verstoß gegen ein Lock-up Agreement absehen würde.128 Im Folgenden ist nunmehr zu untersuchen, ob eine solche Verhaltenssteuerung aus gesamtökonomischer Perspektive effizient ist.

123 Hinsichtlich der Verhaltenssteuerung kann zwischen Spezialprävention und Generalprävention differenziert werden. Während die Spezialprävention denjenigen, der bereits einmal pflichtwidrig gehandelt hat, davon abhalten soll, ein solches Verhalten erneut an den Tag zu legen, zielt die Generalprävention darauf ab, über den konkreten Normverletzer hinaus bestimmte Verhaltensweisen grundsätzlich zu minimieren bzw. zu vermeiden. Dem Haftungsrecht kommt dabei v. a. generalpräventive Wirkung zu, vgl. Beurskens, Haftung für enttäuschtes Aktionärsvertrauen, 2008, S. 285 ff. 124 Kirchgässner, JZ 1991, 104, 106. 125 Campen, Benefit, Cost, and Beyond, 1986, S. 28; Dieckmann/Sorge, in: dies. (Hrsg.), Der homo oeconomicus in der Rechtsanwendung, 2016, S. 1, 21; Kirchgässner, JZ 1991, 104, 106; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 117 f. 126 EuGH, Urt. v. 20. 9. 2001, Rs. C-453/99 („Courage“), Slg. 2001, I-6314, 6323 Rn. 27. 127 Kötz, in: FS Steindorff, 1990, 643, 645. 128 Vgl. zur verhaltenssteuernden Wirkung der Haftung Franck, Marktordnung durch Haftung, 2016, S. 110; Poelzig, ZGR 2015, 801, 821.

B. Notwendigkeit einer privatrechtlichen Haftung

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2. Kostenz-Nutzen-Analyse zur Bestimmung des Optimalzustands Aus ökonomischer Sicht ist das Ziel einer Haftung und einer daraus resultierenden Verhaltenssteuerung die Optimierung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt. Wann dieser Zustand erreicht ist, lässt sich anhand verschiedener Effizienzkriterien bestimmen,129 wobei insbesondere die dem Kaldor-Hicks-Optimum zugrundeliegende Kosten-Nutzen-Analyse herangezogen wird.130 Dafür werden die mit einer rechtlichen Maßnahme verbundenen Kosten, d. h. die Aufwendungen für eine schadensverhütende Verhaltenssteuerung zur Schadensvermeidung,131 dem Gesamtnutzen der Maßnahme gegenübergestellt und sodann abgewogen, wobei Kosten und Gesamtnutzen monetär bemessen werden.132 Überwiegt der Gesamtnutzen die mit der Maßnahme verbundenen Kosten, ist die Maßnahme effizient.133 Der Optimalzustand ist folglich erreicht, wenn es keine alternativen Maßnahmen gibt, die bei gleichem Gesamtnutzen weniger Kosten verursachen.134 Ob der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement aus ökonomischen Gesichtspunkten eine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre begründen soll, ist somit im Rahmen eines konkreten Abwägungsvorgangs zu beurteilen. Auf der einen Seite stehen dabei die Kosten einer solchen Haftung, welche den Aufwand der Schadensverhütung seitens der Altaktionäre beziffern. Dem wird der gesamtgesellschaftliche Nutzen einer durch die haftungsrechtliche Verhaltenssteuerung erreichten Vermeidung von Verstößen gegen Lock-up Agreements gegenübergestellt. Führt eine solche Abwägung zu dem Ergebnis, dass eine Schadensprävention nach dem Kaldor-Hicks-Optimum effizient ist, so ist eine Schadensersatzhaftung, die geeignet ist, das Verhalten der Altaktionäre zu steuern, aus ökonomischer Sicht effizient. a) Kosten Die Kosten einer schadensverhütenden Verhaltenssteuerung treffen im Fall einer Haftung infolge der Verletzung von Lock-up Agreements insbesondere die Altaktionäre. Aufgrund der rein schuldrechtlichen Natur von Lock-up Agreements begründen diese grundsätzlich keine dingliche Wirkung und wirken folglich nicht 129

Zur Pareto-Effizienz und zum Kaldor-Hicks-Optimum vgl. bereits Fn. 81. Campen, Benefit, Cost, and Beyond, 1986, S. 25 ff.; Kötz, ZVersWiss 1993, 57, 60; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 22. Zur Kosten-Nutzen-Analyse kapitalmarktrechtlicher Normsetzung vgl. Merkt, Gutachten G zum 64. DJT (2002), G 67 f. 131 Miller, Das Haftungsrecht als Instrument der Kontrolle von Kapitalmärkten, 2003, S. 114; Schirmer, ZVersWiss 1996, 1, 8. 132 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 22. 133 Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012, S. 370. 134 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 52; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 22. 130

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

gegenüber den Anlegern, sondern allein im Vertragsverhältnis gegenüber der Emissionsbank.135 Eine Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern erweitert somit den Kreis der potentiellen Anspruchsteller um ein Vielfaches. Eine Schadensersatzhaftung und damit einhergehende Verhaltenssteuerung der Altaktionäre kann zudem zu einer faktischen Bindung der Altaktionäre an das Lock-up Agreement führen und setzt diese somit dem Kursrisiko des Emittenten aus. Während ein Lockup Agreement grundsätzlich keine dingliche Wirkung entfaltet und die Altaktionäre ihre Aktien folglich jederzeit veräußern können, um Kursverluste zu vermeiden,136 kann eine Schadensersatzhaftung gegenüber den Anlegern zur Folge haben, dass eine pflichtwidrige Veräußerung der Aktien wirtschaftlich mit höheren Kosten verbunden ist als die potentielle negative Kursentwicklung. b) Nutzen Den Kosten eines Haftungsinstituts ist der gesamtwirtschaftliche Nutzen einer Schadensprävention gegenüberzustellen. Wird durch eine Schadensersatzhaftung ein verhaltenssteuernder Anreiz geschaffen, infolgedessen einem Verstoß gegen Lock-up Agreements vorgebeugt wird, so dient dies der Einhaltung von Lock-up Agreements. Der gesamtwirtschaftliche Nutzen eines solchen Haftungsinstituts orientiert sich folglich an dem Schutzzweck von Lock-up Agreements und deren Beitrag zur Förderung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Lock-up Agreements dienen dem Abbau von Informationsasymmetrien,137 gewährleisten eine stabile Kursentwicklung138 und fördern das Anlegervertrauen und den Funktionsschutz des Kapitalmarkts.139 Sie verfolgen somit das gesamtvolkswirtschaftliche Ziel der allokativen Effizienz des Kapitalmarkts.140 Es wurde bereits dargestellt, dass die Funktion der Lock-up Agreements nicht gewährleistet werden kann, wenn diese mangels wirksamer Sicherung sanktionslos verletzt werden können.141 Ein Haftungsinstitut, das einen wirksamen und verhaltenssteuernden Anreiz zur Prävention von Verstößen gegen Lock-up Agreements schafft, gewährleistet damit die Funktionsfähigkeit der Lock-up Agreements und fördert somit das Gruppenwohl. Hinzu kommt, dass eine präventive Wirkung einer Haftung zugleich die Rechtsverfolgungskosten eines Verstoßes vermeidet. Denn wenn die Altaktionäre infolge eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement einer (privatrechtlichen oder öffentlichrechtlichen) Sanktion ausgesetzt sind, so ist die Inanspruchnahme eines solchen 135 136 137

I. – III. 138

Vgl. 1. Kapitel C. I. Vgl. 1. Kapitel C. I. und 4. Kapitel A. I. Zu den ökonomischen Funktionsweisen von Lock-up Agreements vgl. 3. Kapitel A.

Zum Einfluss von Lock-up Agreements auf die Kursentwicklung, vgl. 3. Kapitel B. Vgl. 3. Kapitel C. und D. 140 Zur Allokationseffizienz als wesentlicher Bestandteil der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts vgl. 2. Kapitel C. I. 1. 141 Vgl. dazu 5. Kapitel. 139

B. Notwendigkeit einer privatrechtlichen Haftung

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Haftungsinstituts für den Rechtsdurchsetzer mit tertiären Kosten (Rechtsverfolgungskosten, Gerichtskosten) verbunden. Würden Verstöße gegen Lock-up Agreements dagegen von vornherein unterbunden, so entfielen diese Kosten, was aus ökonomischer Perspektive den Nutzen vergrößern würde. Ein Haftungsinstitut, welches der Verletzung von Lock-up Agreements durch eine Verhaltenssteuerung der Altaktionäre vorbeugen würde, würde somit nicht nur den individuellen Anleger vor Kursverlusten und tertiären Kosten schützen, sondern insbesondere auch dem Kapitalmarkt als solchem dienen, indem dessen Funktionsfähigkeit gewährleistet wird. Ein funktionsfähiger und effizienter Kapitalmarkt erhöht wiederum unmittelbar den gesamtwirtschaftlichen Nutzen. c) Fazit Eine Abwägung von Kosten und Nutzen einer verhaltenssteuernden Haftung infolge der Verletzung von Lock-up Agreements zeigt, dass es aus gesamtwirtschaftlicher Sicht vorzugswürdig ist, Verstöße gegen Lock-up Agreements durch die Altaktionäre zu unterbinden. Denn die auf Seiten der Altaktionäre auftretenden Kosten einer Haftung fallen im Verhältnis zu den gesamtwirtschaftlichen Kosten infolge der Verletzung von Lock-up Agreements deutlich geringer aus. Anders gesprochen überwiegt der gesamtwirtschaftliche Nutzen einer Einhaltung von Lock-up Agreements die Kosten der Altaktionäre. Denn während die Kosten lediglich die Altaktionäre treffen und für diese sowohl vorhersehbar als auch vermeidbar sind, betrifft der Nutzen einer Haftungsregelung den Kapitalmarkt als solchen und dient damit dem volkswirtschaftlichen Ziel einer effizienten Allokation von Kapital. Eine Optimierung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt wird folglich erreicht, wenn der Verstoß gegen Lock-up Agreements unterbunden wird. Um dieses Optimum, d. h. die Prävention von Verstößen gegen Lock-up Agreements, zu erreichen, muss einer Haftung der Altaktionäre eine hinreichende Verhaltenssteuerung zukommen. Folglich muss der Nutzen aus der Verletzung eines Lock-up Agreements geringer sein als die Kosten der Schadenskompensation gegenüber den Anlegern, sodass der Altaktionär seinen wirtschaftlichen Nutzen maximiert, indem er von einem Verstoß gegen ein Lock-up Agreement absieht. Maßgeblich für einen verhaltenssteuernden Effekt einer Haftung ist demnach, mit welcher Wahrscheinlichkeit und in welcher Höhe eine Sanktion tatsächlich eintritt.142 3. Kritik Die ökonomische Analyse des Rechts wird aufgrund der zur Beurteilung effizienter, d. h. optimaler, Zustände angewandten Kriterien, zum Teil heftig kritisiert und sowohl als ungerecht als auch ungeeignet für rechtliche Untersuchungen befunden. 142 Becker, J. Pol. Econ. 76 (1968), 169, 176; Poelzig, ZGR 2015, 801, 821; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 444.

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

Gleichwohl eine umfassende Auseinandersetzung mit der Kritik an der ökonomischen Analyse den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde,143 soll im Folgenden insbesondere untersucht werden, ob die Kosten-Nutzen-Analyse im Rahmen einer rechtlichen Bewertung herangezogen werden kann und inwieweit die ihr zugrundeliegenden Annahmen zutreffen. a) Zweifel an der praktischen Anwendbarkeit Zunächst wird kritisiert, dass die Annahme eines rational nutzenmaximierenden, egoistischen Menschen nach der REM-Hypothese realitätsfern sei und demnach nicht Grundlage für die Kosten-Nutzen-Abwägungen und die Beurteilungen effizienter Zustände sein könne. Denn der Mensch verhalte sich keineswegs in allen Fällen eigennützig – zu denken sei nur an den Bereich intimer familiärer Beziehungen –144 und sowohl alltägliche Beobachtungen als auch wissenschaftlich Studien belegen, dass sich der Mensch nicht stets rational verhalte (bounded rationality),145 sodass mit der REM-Hypothese eine realitätsferne Ökonomisierung des Menschenbildes einhergehe.146 Dem ist entgegenzuhalten, dass die REM-Hypothese den Menschen lediglich als repräsentatives Mitglied einer Gruppe sehen will, um daraus auf das durchschnittliche Verhalten einer jeweiligen Gruppe schließen zu können.147 Einzelne Abweichungen stehen dem somit nicht entgegen, da sie sich regelmäßig ausgleichen.148 Ebenso wenig ist der Homo oeconomicus ein Konstrukt vollständiger Informationen; das ökonomische Verhaltensmodell setzt lediglich voraus, dass das Individuum unter Zugrundelegung des eigenen Informationsgefüges in der Lage ist, sich in systematischer Weise für die Handlungsalternative zu entscheiden, die aus ihrer Sicht die beste ist.149 Darüber hinaus vermag die Kritik der realitätsfernen Ökonomisierung im Bereich des Kapitalmarktrechts nicht zu überzeugen. Die Teilnehmer des Kapitalmarkts sind gerade „ökonomisiert“ – ihre Handlungen dienen der Vergrößerung des 143 Dazu Fezer, JZ 1986, 817, 821 ff.; monographisch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, passim. Zur Zulässigkeit ökonomischer Argumente in der Rechtswissenschaft vgl. bereits 7. Kapitel B. I. 144 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 38. 145 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 38; Krause, in: Dieckmann/Sorge (Hrsg.), Der homo oeconomicus in der Rechtsanwendung, 2016, S. 123, 128; Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 17. Zum Einfluss der Verhaltensökonomik auf das Rationalverhaltensmodell und Konzept der „bounded rationality“ vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 103 ff. 146 Fezer, JZ 1986, 817, 822; ders., JZ 1988, 223, 227. 147 Dieckmann/Sorge, in: dies. (Hrsg.), Der homo oeconomicus in der Rechtsanwendung, 2016, S. 1, 22; Kirchgässner, JZ 1991, 104, 106. 148 Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, S. 18 f. 149 Dieckmann/Sorge, in: dies. (Hrsg.), Der homo oeconomicus in der Rechtsanwendung, 2016, S. 1, 34; Kirchgässner, JZ 1991, 104, 106; Schmidtchen, in: Schmidtchen/Weth (Hrsg.), Der Effizienz auf der Spur, 1999, S. 9, 16.

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Kapitals und sind demzufolge stets gewinnmaximierend und rational ausgerichtet.150 Denn wer am Kapitalmarkt agiert, bewertet seine verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten und entsprechenden Verhaltensweisen ausschließlich am Kriterium des wirtschaftlichen, d. h. monetären, Vorteils. Ferner wird angeführt, dass die immanente Kosten-Nutzen-Analyse, welche der Mensch nach der REM-Hypothese seinen Entscheidungen zugrunde legt, nicht immer möglich ist, sondern in Stress- oder Gefahrensituationen – etwa ein Autofahrer in akuter Unfallgefahr –151 spontan bzw. intuitiv („blitzschnell“) entschieden werden muss.152 Eine langfristig orientierte wirtschaftliche Abwägung sei in solchen Fällen nicht möglich, weshalb auch die ökonomische Analyse samt ihrer Annahme der Steuerbarkeit menschlichen Verhaltens mittels ökonomischer Anreize verfehlt sei. Indes läuft auch diese Kritik ins Leere, wenn es sich, wie vorliegend, um einen kapitalmarktrechtlichen Sachverhalt handelt. Denn wer am Kapitalmarkt agiert, ist stets in der Lage, die verschiedenen Entscheidungsalternativen abzuwägen, um sein Verhalten vorausschauend zur Gewinnmaximierung bzw. Schadensverhütung anzupassen.153 Dagegen wird der Kapitalmarktakteur regelmäßig keinen Gefahrenbzw. Unfallsituationen ausgesetzt sein, die einen rationalen Abwägungsprozess verbieten.154 b) Widerspruch von Effizienz und Gerechtigkeit Ein weiterer Kritikpunkt der ökonomischen Analyse und der Effizienzorientierung zielt auf das Auseinanderfallen von Effizienz und Gerechtigkeit ab. Ein effizienter Zustand sei danach nicht zwangsläufig auch ein gerechter Zustand.155 Insbesondere werde im Rahmen des Kaldor-Hicks-Optimums die Verteilungsgerechtigkeit vernachlässigt, da es sich um eine Kollektiventscheidungsregel handelt und nicht jeder erwarten kann, im Wege einer Generalkompensation profitieren zu können.156 Hingegen soll die ökonomische Analyse des Rechts keineswegs als universale Theorie verstanden werden, sondern lediglich eine von mehreren Argumentations150

Dieckmann/Sorge, in: dies. (Hrsg.), Der homo oeconomicus in der Rechtsanwendung, 2016, S. 1, 27; Miller, Das Haftungsrecht als Instrument der Kontrolle von Kapitalmärkten, 2003, S. 111 f., 120. 151 Kötz, in: FS Steindorff, 1990, S. 643, 653; ders., ZVersWiss 1993, 57, 62; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 139. 152 Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 139. 153 So allgemein für den beruflichen, gewerblichen und industriellen Bereich Schirmer, ZVersWiss, 1996, 1, 4. 154 Miller, Das Haftungsrecht als Institut der Kontrolle von Kapitalmärkten, 2003, S. 112. 155 Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze, 1988, S. 285; Fezer, JZ 1986, 817, 822; Kübler, in: FS Steindorff, 1990, S. 687, 698. 156 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 25.

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linien darstellen, die durchaus miteinander im Konflikt stehen können.157 Aufgabe der Rechtsordnung ist es dabei, diesen Zielkonflikt zu einem Ausgleich zu bringen. Gerade im Bereich des Kapitalmarktrechts stehen Gerechtigkeit und Effizienz jedoch in keinem Zielkonflikt zueinander, sondern stimmen überein. Denn ein funktionsfähiger Kapitalmarkt ist stets auch ein gerechter Kapitalmarkt und die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts wird maßgeblich durch dessen Effizienz bestimmt.158 c) Stellungnahme Die ökonomische Analyse des Rechts sieht sich zweifelsohne berechtigten Kritikpunkten ausgesetzt. Im Bereich des Kapitalmarktrechts vermögen diese Zweifel indes nicht zu überzeugen, da der Kapitalmarkt und das Kapitalmarktrecht bereits hinreichend durch den Gesetzgeber „ökonomisiert“ worden sind, sodass im Kontext des Kapitalmarktrechts Gerechtigkeit und Effizienz übereinstimmen und sowohl die REM-Hypothese als auch das Kosten-Nutzen-Kriterium zu realitätsgetreuen Annahmen führt. 4. Fazit Bei der Bewertung eines Haftungsinstituts zur Ausfüllung der aufgezeigten Gesetzeslücke bietet sich die ökonomische Analyse aufgrund des kapitalmarktrechtlichen Sachverhaltsbezugs als Bewertungskriterium an, da das Kapitalmarktrecht untrennbar mit Effizienzgesichtspunkten verbunden ist. Dabei hat die ökonomische Untersuchung offenbart, dass sich ein verhaltenssteuerndes Haftungsinstitut, welches dazu geeignet ist, einen Anreiz für die Altaktionäre zu schaffen, nicht gegen Lock-up Agreements zu verstoßen, im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse zu einer Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt führen kann und somit aus ökonomischer Perspektive effizient ist. Ferner wurde aufgezeigt, dass ein solches Haftungsinstitut eine effiziente Verhaltenssteuerung gewährleistet, wenn die infolge der Verletzung eines Lock-up Agreements zu leistende Schadensersatzpflicht der Altaktionäre höher ist als der aus dem Verstoß gegen ein Lock-up Agreement zu erwartende Nutzen. Der Verstoß eines Altaktionärs gegen ein Lock-up Agreement wurde bereits als opportunistisches Verhalten definiert,159 welches zu ineffizienten Anreizen und damit verbundenen Wohlfahrtsverlusten bis hin zu einem Marktversagen führen

157

Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 136. Vgl. dazu bereits 7. Kapitel B. I. Zur allokativen, operationalen und institutionellen Effizienz des Kapitalmarkts vgl. 2. Kapitel C. I. 1. – 3. 159 Vgl. 4. Kapitel A. I. 158

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kann.160 Eine Haftung, wonach Altaktionäre im Fall eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements gegenüber den Anlegern schadensersatzpflichtig sind, kann einen Anreiz bieten, nicht gegen Lock-up Agreements zu verstoßen, wodurch opportunistisches Verhalten unterbunden würde. Vor diesem Hintergrund ist ein Haftungsinstitut als Lückenausfüllung aus ökonomischer Perspektive effizient.

III. Bedürfnis nach privater Rechtsdurchsetzung Nachdem festgestellt wurde, dass eine Haftung der Altaktionäre infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements aus ökonomischer Perspektive effizient ist, ist nunmehr darzulegen, dass ein privatrechtliches Haftungsinstitut auch gegenüber alternativen Gestaltungsmöglichkeiten vorzugswürdig ist. Dafür sind insbesondere die ökonomischen Vorzüge einer privaten Rechtsdurchsetzung gegenüber einer öffentlich-rechtlichen Rechtsdurchsetzung zu untersuchen. Dabei dürfen die Grenzen der zulässigen Rechtsfortbildung nicht überschritten werden. Es sollen folglich keine rechtspolitischen Forderungen de lege ferenda formuliert werden, vielmehr soll gezeigt werden, dass und warum eine optimale Ausfüllung der dargelegten Gesetzeslücke nicht im Wege einer öffentlich-rechtlichen Sanktion, sondern im Wege eines privatrechtlichen Haftungsinstituts zu erfolgen hat. 1. Begriff der privaten Rechtsdurchsetzung Der Begriff der privaten Rechtsdurchsetzung bzw. des private enforcements lässt sich anhand von drei Merkmalen charakterisieren:161 Zunächst wird der Einsatz zivilrechtlicher Normen und Rechtsinstrumente gefordert, wodurch die private Rechtsdurchsetzung zu öffentlich-rechtlichen Regelungen, etwa einem Verwaltungsakt, abgegrenzt wird. Daneben muss die Durchsetzung dieser Rechtsinstrumente durch private Akteure erfolgen, womit eine Rechtsdurchsetzung durch einen Hoheitsträger ausgeschlossen wird.162 Das letzte Merkmal, welches weniger als Abgrenzungskriterium dient, sondern vielmehr als typische Erscheinungsform privater Rechtsdurchsetzung verstanden werden muss, besagt, dass die private Anspruchsverfolgung zumindest mittelbar auch der Durchsetzung eines gesamtwirtschaftlichen Allgemeininteresses zu dienen hat163 sowie eine disziplinierende und verhaltenssteuernde Wirkung aufweisen muss.164 160

Zum Zusammenhang von informationsbedingtem opportunistischem Verhalten und der Gefahr eines Marktversagens vgl. 2. Kapitel B. II. 161 Wundenberg, ZGR 2015, 124, 127 f. 162 Veil, EBOR 11 (2010), 409, 417; ders., in: FS Hopt, 2010, S. 2641, 2650; Wundenberg, ZGR 2015, 124, 127 f. 163 Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012, S. 29 f. 164 Wundenberg, ZGR 2015, 124, 128.

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

Gegenstand der privaten Rechtsdurchsetzung ist folglich nicht nur die Verfolgung eines individuellen Rechtsanspruchs und Schadensausgleichs, vielmehr kommt der privaten Rechtsdurchsetzung auch eine marktsteuernde Funktion zu. Dabei wird wiederum an die zuvor beschriebene Präventivfunktion des Haftungsrechts angeknüpft,165 denn eine marktsteuernde Wirkung der privaten Rechtsdurchsetzung resultiert aus der Präventivfunktion und Verhaltenssteuerung der Haftung.166 Insbesondere im Rahmen des Kapitalmarktrechts hat sich die private Rechtsdurchsetzung bereits etabliert, wie sich etwa am Beispiel der Prospekthaftung zeigt, deren Haftungsvorschriften nicht nur dem Schutz der Anleger, sondern vor allem regulatorischen Zwecken, d. h. dem Funktionsschutz des Kapitalmarkts, und dem Vertrauen der Anleger dienen.167 2. Abwägung von privater und öffentlich-rechtlicher Rechtsdurchsetzung Um die Frage beantworten zu können, ob eine privatrechtliche Normdurchsetzung vorzugswürdig zur Ausfüllung der beschriebenen Lücke im Gesetz ist, ist die private Normdurchsetzung mit der öffentlich-rechtlichen Normdurchsetzung zu vergleichen. Hierbei hat die ökonomische Regulierungstheorie verschiedene Kriterien zu einem beweglichen System zusammengefasst, anhand derer untersucht werden soll, unter welchen Voraussetzungen eine private Normdurchsetzung effizient ist.168 Zu diesen Kriterien gehören die Kosten einer Rechtsdurchsetzung, die Anreize zu einer Rechtsdurchsetzung sowie die Flexibilität einer Rechtsdurchsetzung. a) Durchsetzungskosten Zunächst sind die mit einer Rechtsdurchsetzung verbundenen Kosten zu betrachten. Diese umfassen zum einen die sogenannten Informationskosten, worunter solche Kosten fallen, die für das Erkennen des Rechtsverstoßes, das Abschätzen der rechtlichen Auswirkungen sowie die Identifizierung des Täters aufgewendet werden. Daneben umfassen die Durchsetzungskosten die sogenannten Verfolgungskosten, worunter die Kosten für die Verfolgung und Sanktionierung des Täters fallen.169

165

Vgl. zuvor 7. Kapitel B. II. 1. Wundenberg, ZGR 2015, 124, 128 f. 167 Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, 2016, S. 170 f.; in diese Richtung auch Einsele, JZ 2014, 703, 708; Möllers, in: FS Hopt, 2010, S. 2247, 2259. 168 Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2013, 2014, S. 229, 236 f.; ders., in: Schulze (Hrsg.), Compensation of Private Losses, 2011, S. 179, 187 f.; Shavell, Foundations of Economic Analysis of Law, 2004, S. 578 ff. Dazu auch Ackermann, in: FS Köndgen, 2016, S. 1, 10 ff. 169 Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2013, 2014, S. 229, 237. 166

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Im Gegensatz zu einer öffentlich-rechtlichen Rechtsdurchsetzung basiert die private Rechtsdurchsetzung auf einer dezentralen Informationsbeschaffung und -verarbeitung, da nicht ein Hoheitsträger, etwa eine Behörde, sondern der Markt als Aggregat der einzelnen Marktteilnehmer die relevanten Informationen beschafft.170 Hierbei gilt zunächst, dass die Marktakteure regelmäßig einen besonderen Anreiz zur Rechtsdurchsetzung haben.171 Ferner verfügt ein dezentrales System regelmäßig über einen Informationsvorsprung, da eine vergleichbare Informationsbeschaffung mittels eines zentralen Systems, d. h. einer Behörde, eine fortwährende Überwachung des Markts erfordern würde, die nicht nur in (datenschutz-)rechtlicher Hinsicht, sondern auch praktisch kaum umzusetzen ist.172 Insbesondere wenn Private direkt von einer (potentiellen) Rechtsverletzung betroffen sind, verfügen sie regelmäßig über einen Informationsvorsprung gegenüber Hoheitsträgern.173 Hinzu kommt, dass private Akteure nur dann tätig werden, d. h. Ressourcen in Anspruch nehmen, wenn eine Rechtsverletzung eingetreten ist, sodass auf eine fortwährende und flächendeckende Überwachung des Markts durch einen Hoheitsträger verzichtet werden kann.174 Es gilt mithin der Grundsatz, dass der Markt stets besser informiert ist als jede Behörde.175 Hingegen verfügen Hoheitsträger über besondere Befugnisse, welche im Rahmen der Informationsbeschaffung oder Verfolgung des Täters eingesetzt werden können. Im Gegensatz zu Privaten können Träger hoheitlicher Gewalt etwa in die Privatsphäre von Bürgern eingreifen, um Sachverhalte aufzuklären oder die Identität eines Täters zu ermitteln.176 Im Hinblick auf eine Rechtsdurchsetzung infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements gilt zunächst, dass das Vorliegen eines Verstoßes am ehesten von den betroffenen Anlegern ermittelt werden wird, da diese direkt betroffen sind. Zwar ließe sich anmerken, dass Verstöße gegen Lock-up Agreements oftmals anonym erfolgen, sodass die Identität der Täter unbekannt ist. Jedoch spricht auch dieser Umstand nicht für eine öffentlich-rechtliche Durchsetzung. Denn regelmäßig wird bereits der Verstoß im Geheimen erfolgen, sodass es nicht in erster Linie um die Ermittlung der Identität des veräußernden Altaktionärs geht, sondern um das Aufklären eines Verstoßes als solchen. Diesbezüglich verfügt ein Träger öffentlicher 170

Klöhn, in: Schulze (Hrsg.), Compensation of Private Losses, 2011, S. 179, 188. Dazu sogleich ausführlich unter b). 172 Klöhn, in: Schulze (Hrsg.), Compensation of Private Losses, 2011, S. 179, 188; Shavell, J. Leg. Stud. 13 (1984), 357, 360; Roach/Trebilcock, Osgoode Hall L. J. 34 (1996), 461, 475. 173 Stephenson, Va. L. Rev. 91 (2005), 93, 108. 174 Shavell, J. Leg. Stud. 13 (1984), 357, 364; Wagner, in: FS Köndgen, 2016, S. 649, 674. 175 Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2013, 2014, S. 229, 237: „Keine Behörde kann so viel sehen wie der Markt!“; Langenbucher, in: E. Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2014: Anlegerschutz durch Haftung, 2015, S. 5, 13 f. 176 Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2013, 2014, S. 229, 238. 171

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Gewalt indes über keine spezifischen Vorteile, da das Vorliegen eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement nur durch eine vollständige Überwachung des Aktienmarkts ermittelt werden kann, was sowohl aus rechtlicher als auch praktischer Sicht unmöglich ist. Vorzugswürdig ist daher eine private Rechtsdurchsetzung, da insbesondere die von einem Verstoß betroffenen Aktionäre über die relevanten Informationen für eine Rechtsdurchsetzung verfügen. b) Durchsetzungsanreize Ein weiteres Kriterium für die Abwägung von privater und hoheitlicher Rechtsdurchsetzung ist der Anreiz des Rechtsdurchsetzers zu einer erfolgreichen Rechtsdurchsetzung. Ein optimaler Zustand ist erreicht, wenn die Anreize des Rechtsdurchsetzers mit den sozial wünschenswerten Anreizen zur Durchsetzung des Rechts übereinstimmen,177 d. h. das Ziel einer gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsoptimierung verfolgen.178 Für die öffentlich-rechtliche Rechtsdurchsetzung gilt dabei, dass der Anreiz einer erfolgreichen Rechtsdurchsetzung regelmäßig geringer ist als der daraus entstehende Nutzen. Denn der Nutzen des Hoheitsträgers bzw. des ausführenden Beamten hängt nicht von einem Erfolg der Rechtsdurchsetzung ab, sodass ein zusätzlicher Aufwand nicht mit einem privaten Nutzengewinn einhergeht und daher aus ökonomischer Sicht nachteilig ist.179 Dagegen steht bei einer Rechtsdurchsetzung durch Private, insbesondere sofern es sich um die Geltendmachung bzw. Durchsetzung eines eigenen Rechtsanspruchs handelt, der Nutzen der Rechtsdurchsetzung in einer direkten Abhängigkeit vom Erfolg der Rechtsdurchsetzung. Indem sie direkt betroffen sind und über ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse an einer erfolgreichen Rechtsdurchsetzung verfügen,180 haben Private folglich einen höheren Anreiz an einer erfolgreichen Rechtsdurchsetzung.181 Dient die Rechtsdurchsetzung neben dem Individualinteresse des privaten Rechtsdurchsetzers auch einem gesamtge-

177 Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2013, 2014, S. 229, 239. Ferner Ackermann, in: FS Köndgen, 2016, S. 1, 14 f. 178 Vgl. dazu bereits 7. Kapitel B. II. 179 Grundlegend Becker/Stigler, J. Leg. Stud. 3 (1974), 1, 2 ff. und 6 ff.; ferner Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2013, 2014, S. 229, 240; ders., in: Schulze (Hrsg.), Compensation of Private Losses, 2011, S. 179, 189; Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012, S. 569. 180 Becker/Stigler, J. Leg. Stud. 3 (1974), 1, 14; Cohen/Rubin, Yale J. on Reg. 3 (1985), 167, 188. 181 Klöhn, in: Schulze (Hrsg.), Compensation of Private Losses, 2011, S. 179, 190; Langenbucher, in: E. Lorenz (Hrsg.) Karlsruher Forum 2014: Anlegerschutz durch Haftung, 2015, S. 5, 13 f.; Poelzig, ZGR 2015, 823; dies., Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012, S. 569; Roach/Trebilcock, Osgoode Hall L. J. 34 (1996), 461, 480.

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sellschaftlichen Allgemeininteresse, ist der zuvor beschriebene optimale Zustand eines gleichlaufenden Anreizsystems erreicht.182 Übertragen auf den Verstoß eines Altaktionärs gegen ein Lock-up Agreement, zeigen diese Überlegungen, dass die Anleger, welche einen potentiellen Schaden in Form von Kursverlusten erleiden, einen besonderen Anreiz an der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber den Schädigern, d. h. den Altaktionären, haben, da die geschädigten Aktionäre unmittelbar von einer erfolgreichen Rechtsdurchsetzung profitieren. Ausgehend von dem Befund, dass der gesamtgesellschaftliche Nutzen optimiert wird, wenn Verstößen gegen Lock-up Agreements vorgebeugt wird,183 stimmt der Anreiz der geschädigten Aktionäre an einer erfolgreichen Rechtsverfolgung somit mit den sozial wünschenswerten Anreizen zur Rechtsdurchsetzung überein. Denn nur eine erfolgreiche Rechtsverfolgung gewährleistet eine hinreichende Verhaltenssteuerung der potentiellen Schädiger und ist somit Voraussetzung des Erreichens eines wohlfahrtsoptimierenden Zustands. c) Durchsetzungsflexibilität Schließlich ist auf die Flexibilität der Rechtsdurchsetzung einzugehen. Eine öffentlich-rechtliche Rechtsfortbildung durch Hoheitsträger ist stets an besondere Ermächtigungsgrundlagen und detaillierte gesetzliche Vorlagen gebunden, wodurch eine Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen sowie der Umgang mit untypischen Sachverhaltskonstellationen regelmäßig mit hohen Kosten und zeitlichem Aufwand verbunden ist.184 Dagegen ermöglicht die Rechtsdurchsetzung durch Private ein höheres Maß an Flexibilität und Innovation hinsichtlich möglicher Rechtsfortbildungen,185 da Private regelmäßig besser geeignet sind, innovative (juristische) Argumente für den jeweiligen Fall zu entwickeln.186 Ebenso fördert bereits die zahlenmäßige Überlegenheit von privaten Rechtsdurchsetzern gegenüber einem Hoheitsträger als Rechtsdurchsetzungsinstitution Innovation in der Rechtsfindung.187 Dies kann zudem einen positiven Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen, da 182 Dazu und zur Rolle des Privaten als sog. „Private Attorney General“ vgl. Roach/Trebilcock, Osgoode Hall L. J. 34 (1996), 461, 477 f. Vor dem Hintergrund der Doppelfunktionalität des Kapitalmarktrechts, wonach sich Anleger- und Funktionsschutz notwendigerweise gegenseitig bedingen und „zwei Seiten derselben Medaille“ sind (vgl. 2. Kapitel C. II. 2. c)), sind der individuelle Anlegerschutz und der überindividuelle Funktionsschutz ohnehin gleichgerichtet, sodass stets von einem gesamtgesellschaftlichen Allgemeininteresse ausgegangen werden kann, vgl. Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 224. 183 Insbesondere dient die Prävention von Verstößen gegen Lock-up Agreements dem Funktionsschutz des Kapitalmarkts und dem Schutz des Anlegervertrauens, vgl. 7. Kapitel B. II. 2. a). und b). 184 Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, 2012, S. 571. 185 Stephenson, Va. L. Rev. 91 (2005), 93, 112. 186 Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2013, 2014, S. 229, 242. 187 Thompson, Univ. Ill. L. Rev. 2000 (2000), 185, 206.

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insbesondere das US-amerikanische Recht gezeigt hat, dass zentrale Rechtssätze ihren Ursprung in privaten Schadensersatzklagen haben können.188 In Anbetracht der vielfältigen Sachverhaltskonstellationen bei Verstößen gegen Lock-up Agreements und der damit verbundenen Komplexität scheint eine flexible Rechtsdurchsetzung vorzugswürdig, die in der Lage ist, die rechtlichen Argumente für die unterschiedlichen sachverhaltsspezifischen Probleme zu finden. Folglich sprechen auch die Flexibilität und Innovationskraft der privaten Rechtsdurchsetzung dafür, einen Verstoß gegen ein Lock-up Agreement im Rahmen einer privaten Rechtsdurchsetzung zu verfolgen. 3. Zusammenfassung Bei der Rechtsdurchsetzung kann gemeinhin zwischen öffentlich-rechtlicher Rechtsdurchsetzung durch einen Hoheitsträger und privater Rechtsdurchsetzung unterschieden werden. Dabei wurde aufgezeigt, dass die Kriterien der Durchsetzungskosten, Durchsetzungsanreize und Durchsetzungsflexibilität dafür sprechen, Verstöße von Lock-up Agreements im Wege der privaten Rechtsdurchsetzung zu verfolgen. Im Kern ist dies darauf zurückzuführen, dass ein Haftungsanspruch und damit eine Rechtsdurchsetzung demjenigen zustehen soll, der ein eigenes Interesse an der Durchsetzung des Anspruchs hat, da dies eine erfolgversprechende Rechtsdurchsetzung und effiziente Verhaltenssteuerung der potentiellen Schädiger gewährleistet.189 Ein solches eigenes Interesse haben regelmäßig die infolge eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements von Kursverlusten betroffenen Anleger. Darüber hinaus liegt der Durchsetzungsanreiz der geschädigten Anleger auf einer Linie mit dem gesamtgesellschaftlichen Anreiz an einer Unterbindung von Verstößen gegen Lock-up Agreements, sodass eine private Durchsetzung etwaiger Schadensansprüche gegen pflichtwidrig veräußernde Altaktionäre nicht lediglich dem Individualinteresse der Anleger dient, sondern auch einem überindividuellen Allgemeininteresse, da die Unterbindung von Verstößen gegen Lock-up Agreements den Funktionsschutz des Kapitalmarkts und die Aufrechterhaltung von Vertrauen in den Kapitalmarkt fördert. Daraus folgt, dass die Lücke im Gesetz mittels eines privatrechtlichen Haftungsinstituts zu schließen ist, da die geschädigten Anleger am besten geeignet sind, Ansprüche gegen die pflichtwidrig veräußernden Altaktionäre durchzusetzen, um eine wirksame Verhaltenssteuerung zu bewirken und somit den Rechtsprinzipien und regulatorischen Zwecken des Funktions- und Anlegerschutzes zu dienen.

188 Zum US-amerikanischen Kartellrecht vgl. Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2013, 2014, S. 229, 242; ferner Stephenson, Va. L. Rev. 91 (2005), 93, 112; Thompson, Univ. Ill. L. Rev. 2000 (2000), 185, 206 f. 189 Vgl. Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 224.

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IV. Verhaltenssteuerung mittels außerrechtlicher Sanktionsmechanismen Das Gelingen zwischenmenschlicher Beziehungen beruht im Kern auf kooperativem Verhalten. Ausgehend von der Hypothese des rational nutzenmaximierenden Menschen kann es indes rational sein, sich für die nichtkooperative Strategie bzw. opportunistisches Verhalten zu entscheiden. Ziel ist es daher, ein Gefüge von positiven und negativen Anreizen zu schaffen, das die Menschen dazu veranlasst, die beiderseitig nutzenmaximierende Strategie der Kooperation zu wählen.190 Eine solche Verhaltenssteuerung ist dabei nicht allein Aufgabe der Rechtsordnung. Vielmehr kann beobachtet werden, dass am Markt auch Versprechen oder Vereinbarungen eingehalten werden, ohne dass es einer Androhung von rechtlichen Sanktionen im Fall ihrer Nichteinhaltung bedarf.191 Grund hierfür sind außerrechtliche bzw. soziale Mechanismen, die geeignet sind, das Verhalten der Akteure dergestalt zu steuern, dass diese zu kooperativem Verhalten bereit sind.192 Ob und unter welchen Voraussetzungen es ökonomisch sinnvoll ist, einer funktionsfähigen sozialen Selbst- bzw. Verhaltenssteuerung den Vorzug gegenüber einer rechtlichen Verhaltenssteuerung zu überlassen, soll im Folgenden erörtert werden. Bislang wurde, insbesondere im Rahmen der Feststellung einer Lücke im Gesetz, allein auf rechtliche Instrumente und Mechanismen abgestellt. So wurde festgestellt, dass rechtliche Sicherungs- und Haftungsinstrumente fehlen, um einen hinreichenden Schutz vor der Verletzung von Lock-up Agreements zu gewährleisten. Es soll nunmehr auch untersucht werden, ob nicht außerhalb der Rechtsordnung Steuerungsmechanismen existieren, die (im Einzelfall) eine soziale Verhaltenssteuerung bewirken, und ob bzw. in welchem Rahmen eine solche Steuerungswirkung bei der Herleitung eines Haftungskonzepts berücksichtigt werden kann oder gar berücksichtigt werden muss. Dabei ist zu beachten, dass nicht etwa das Vorliegen einer Lücke im Gesetz in Frage gestellt werde soll. Vielmehr soll erörtert werden, ob soziale Mechanismen außerhalb der Rechtsordnung eine hinreichende Verhaltenssteuerung gewährleisten, gegenüber der ein privatrechtliches Haftungsinstitut keinen Mehrwert begründet. 1. Formen und Wirkungsweisen außerrechtlicher Sanktionsmechanismen Außerrechtliche bzw. soziale Sanktionsmechanismen dienen der Sicherung von Kooperation, indem sie einen positiven oder negativen Anreiz schaffen, der bewirkt, dass die kooperative Strategie der nichtkooperativen vorgezogen wird. Dabei lassen sich verschiedene Formen außerrechtlicher Kooperationssicherung unterscheiden: Einerseits gehört dazu der drohende Verlust von psychischen und sozialen Werten 190 191 192

Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 221 f. Vgl. Ellickson, J. Leg. Stud. 16 (1987), 67 ff.; Ramseyer, J. Leg. Stud. 20 (1991), 91 f. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 203 und 222.

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

sowie darüber hinaus der drohende Verlust von potentiellen beziehungsspezifischen Vorteilen und der drohende Verlust von Reputation.193 Im Folgenden sollen die verschiedenen Erscheinungsformen der außerrechtlichen Kooperationssicherung näher untersucht werden. a) Gewissen und Moral als Verhaltenssteuerung Zunächst ist auf das Gewissen und die Moral als außerrechtliche Verhaltenssteuerung einzugehen. In diesem Zusammenhang wird darauf abgestellt, dass wortbrüchiges bzw. opportunistisches Verhalten mit psychologischen Kosten für den Schädiger verbunden sein kann. Zu diesen psychologischen Kosten zählen Schuldgefühle, ein vermindertes Selbstwertgefühl oder der Verlust von gesellschaftlicher Anerkennung.194 In einer „perfekten“ Gesellschaft voller ehrlicher und aufrichtiger Menschen überwögen diese intrinsischen Kosten jeden Nutzen, der aus opportunistischem Verhalten gezogen werden könnte, sodass es keines weiteren Korrektivs in Form einer Rechtsordnung bedürfte.195 Gleichwohl eine Verhaltenssteuerung kraft intrinsischer Wertesysteme und darauf basierender Sanktionen und Belohnungen keineswegs abzustreiten ist,196 steht eine solche Konzeption im Widerspruch zu dem ökonomischen Grundmodell des Markts und der Marktteilnehmer. Denn zum einen steht einer Verhaltenssteuerung aufgrund moralischer und ethischer Wertvorstellungen die Annahme des eigensinnigen, rational nutzenmaximierenden Menschen entgegen,197 zum anderen darf die Funktionsfähigkeit eines Markts nicht davon abhängig sein, dass die Marktakteure aus eigenen Stücken bereit sind, sich kooperativ zu verhalten bzw. kooperationsfreundliche Strategien zu wählen.198 Insbesondere am Kapitalmarkt agieren die Teilnehmer einzig mit dem Ziel der Vermehrung ihres Kapitals,199 sodass eine Verhaltenssteuerung zur Unterbindung opportunistischen Verhaltens nicht auf einem intrinsischen Anreizsystem beruhen kann, welches gänzlich auf monetäre Sanktionen verzichtet. Folglich spielen das Gewissen und die Moral als Verhaltenssteuerung im Kontext von Kapitalmärkten eine untergeordnete Rolle und können eine Kooperationssicherung durch die Rechtsordnung nicht ersetzen.

193 Zu dieser Differenzierung Charny, Harv. L. Rev. 104 (1990), 373, 392 ff.; ähnlich auch Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 222 ff. 194 Charny, Harv. L. Rev. 104 (1990), 373, 393 f.; Shavell, Am. L. & Econ. Rev. 4 (2002), 227, 230. 195 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 222. 196 Dazu Ellickson, Order without Law, 1994, S. 126 ff. und passim. Zum Konzept internalisierter Werte und Verhaltensnormen und deren Steuerungswirkung aus verhaltensökonomischer Sicht vgl. Mazar/Amir/Ariely, J. M. R. 45 (2008), 633 ff. 197 Vgl. bereits 7. Kapitel B. II. 1. und 1. Teil, Fn. 264. 198 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 223. 199 Vgl. bereits 7. Kapitel B. II. 3. a).

B. Notwendigkeit einer privatrechtlichen Haftung

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b) Reputation als Verhaltenssteuerung Eine zweite Erscheinungsform der außerrechtlichen Verhaltenssteuerung umfasst den Verlust von beziehungsspezifischen Vorteilen und den Reputationsverlust.200 Diese bilden zugleich den Ausgangspunkt für die Theorie der sich selbst durchsetzenden Vereinbarungen, worunter solche Vereinbarungen zu verstehen sind, deren Einhaltung weder von einem Hoheitsträger noch von einem Dritten überwacht oder durchgesetzt werden kann.201 Stattdessen beruht ihre Einhaltung einzig auf der ausdrücklichen oder stillschweigenden Androhung der Auflösung der Vereinbarung durch die andere Partei und der Verstoß gegen eine solche Vereinbarung kann einzig durch die Auflösung derselben sanktioniert werden.202 Reputation beschreibt die Erfahrung bzw. die Geschichte des Verhaltens eines Marktteilnehmers im Hinblick auf dessen Einhaltung von Vereinbarungen und dient damit als Indikator für die Verlässlichkeit des betreffenden Marktteilnehmers.203 Erfüllt ein Marktteilnehmer aufgrund opportunistischen Verhaltens nicht die Erwartungen, die er bzw. das von ihm gegebene Versprechen bei seinem Gegenüber erweckt hat, muss er fürchten, dass dieses Verhalten dazu führt, dass er in Zukunft bei Geschäften mit seinem Gegenüber oder anderen Marktteilnehmern nicht mehr berücksichtigt wird.204 Der Verlust von Reputation bedeutet folglich den Verlust von Gewinnen aus künftig ausbleibenden Geschäften. Übersteigt der Verlust dieser (auf die Gegenwart diskontierten) Gewinne aus künftigen Geschäften den Nutzen, der unmittelbar aus der opportunistischen Verhaltensweise gezogen werden kann, so wird sich ein rationaler Marktteilnehmer gegen die opportunistische Verhaltensweise und für die kooperative Strategie entscheiden, um die geweckten Erwartungen zu erfüllen.205 Im Gegensatz zu einer Verhaltenssteuerung aufgrund von internalisierten moralischen Normen beruht die Verhaltenssteuerung aufgrund von Reputation somit auf einem monetären Anreizsystem und dem wirtschaftlichen Gewinnstreben des Einzelnen, welcher sich nur dann für die Kooperation entscheidet, wenn es sich für ihn wirtschaftlich rentiert,206 d. h. wenn es rational ist, sodass der Ansatz einer Verhaltenssteuerung kraft Reputation mit der These des rational nutzenmaximierenden Akteurs vereinbar ist. 200

In diese Richtung auch Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 223, der auf die Erscheinungsform der „sich selbst durchsetzende[n] Kooperation“ abstellt. Dagegen behandelt Charny, Harv. L. Rev. 104 (1990), 373, 392 f. den Verlust beziehungsspezifischer Vorteile und den Verlust von Reputation als eigenständige Erscheinungsformen außerrechtlicher Sanktionsmechanismen. 201 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. 2010, S. 279. 202 Telser, J. Bus. 53 (1980), 27, 43. 203 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. 2010, S. 279. 204 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 223; Charny, Harv. L. Rev. 104 (1990), 373, 393. 205 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 223. 206 Telser, J. Bus. 53 (1980), 27, 29.

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

Der Reputation eines Marktteilnehmers kommt indes nicht ohne weiteres eine verhaltenssteuernde Wirkung zu, sondern eine sich selbst durchsetzende Vereinbarung ist an gewisse Bedingungen geknüpft. Anders gewendet müssen spezifische Voraussetzungen erfüllt sein, damit es für einen Marktakteur rational richtig ist, die kooperative anstelle der unkooperativenen Strategie zu wählen.207 aa) Unbegrenzte oder ungewisse Dauer der Geschäftsbeziehung Zunächst ist zu berücksichtigen, wie sich das Verhalten eines Akteurs in einem Austauschgeschäft auf künftige Austauschgeschäfte auswirkt, sodass die einzelnen Geschäfte zwischen den Parteien nicht isoliert, sondern im Kontext einer fortdauernden Geschäftsbeziehung zu betrachten sind, welche im Rahmen der Spieltheorie als Wiederholung von einzelnen Geschäften bzw. „Spielen“ (games) verstanden wird (repeated games).208 Sofern beide Parteien wissen, welches das letzte Spiel ist, d. h. wie oft das Spiel wiederholt wird, ist es für beide Parteien rational, im letzten Spiel die Nichtkooperation zu wählen, da dies die beste Antwort auf jede Strategie der Gegenseite ist (Nash-Gleichgewicht)209 : Wählt die Gegenseite die Kooperation, kann mittels der Nichtkooperation ein Gewinn zulasten der Gegenseite erzielt werden; wählt die Gegenpartei die Strategie der Nichtkooperation, ist die Nichtkooperation ebenfalls die beste Antwort.210 Da zudem im Anschluss an das letzte Spiel keine weiteren Spiele zu erwarten sind, kann ein opportunistisches Verhalten von der Gegenseite nicht durch den Abbruch der Geschäftsbeziehung sanktioniert werden, sodass folglich auch kein entgangener Gewinn infolge des Ausbleibens weiterer Geschäfte droht.211 Wenn es für beide Parteien rational ist, bei dem letzten Geschäft die unkooperative Strategie zu wählen, so gilt das Gleiche für das vorletzte Geschäft, das vorvorletzte Geschäft usw., denn jede Partei wird bestrebt sein, dem unkooperativen Verhalten der Gegenpartei zuvorzukommen, mit der Folge, dass diese Rückwärtsinduktion bis auf das erste Geschäft bzw. Spiel zurückwirkt und ein kooperatives Verhalten der Parteien verhindert.212 Sofern die Anzahl an Wiederholungen eines Spiels bzw. die Dauer einer Geschäftsbeziehung bekannt ist und die Parteien zudem über den jeweiligen Ertrag der Geschäftsbeziehung bzw. der einzelnen Geschäfte informiert sind, kann sich kooperatives Verhalten somit nicht durchsetzen, sodass die Parteien 207

Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 224. Baird/Gertner/Picker, Game Theory and the Law, 1995, S. 159. 209 Eine Situation, in welcher es für keine Partei sinnvoll ist, von ihrer gewählten Strategie abzuweichen, wird als Nash-Gleichgewicht bezeichnet und stellt eines der zentralen Lösungskonzepte der Spieltheorie dar, dazu Baird/Gertner/Picker, Game Theory and the Law, 1995, S. 21 f.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. Aufl. 2010, S. 9. 210 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 225. 211 Telser, J. Bus. 53 (1980), 27, 29. 212 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 225; Baird/Gertner/Picker, Game Theory and the Law, 1995, S. 164, 167; Telser, J. Bus. 53 (1980), 27, 29. 208

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jeweils die unkooperative Strategie wählen werden.213 Folglich kommt eine sich selbst durchsetzende Vereinbarung nur dann in Betracht, wenn die Dauer der Geschäftsbeziehung entweder unbegrenzt oder zumindest ungewiss ist,214 da die Parteien dann auch mit künftigen Gewinnen aufgrund einer fortdauernden Geschäftsbeziehung rechnen müssen.215 Die Kooperationsbereitschaft der Parteien hängt daher insbesondere von der Wahrscheinlichkeit der künftigen Geschäfte und deren Erträgen ab:216 Je höher der Erwartungswert217, desto höher die Bereitschaft zu kooperativem Verhalten.218 bb) Informationelle Transparenz des Markts Eine weitere Voraussetzung, um eine Verhaltenssteuerung mittels Reputation zu gewährleisten, ist die informationelle Transparenz des Markts. Damit dem Verlust von Reputation und einem daraus resultierenden Verlust von künftigen Geschäften eine sanktionierende und damit verhaltenssteuernde Wirkung zukommt, muss gewährleistet werden, dass unkooperatives Verhalten von Marktteilnehmern erkannt und mit einem Vertrauensentzug, d. h. Reputationsverlust, geahndet wird. Ist eine Partei danach nicht in der Lage zu erkennen, ob sich die andere Partei opportunistisch oder kooperativ verhält, so kann sie ihr Verhalten nicht dem der anderen Partei anpassen. Insbesondere bei einer großen Anzahl und ständig wechselnden Marktteilnehmern, die keine repeat player sind,219 ist die Überwachung des Verhaltens eines Marktteilnehmers schwierig, da die verschiedenen Marktteilnehmer nicht über den gleichen Informationsstand über die Vertrauenswürdigkeit eines Marktteilnehmers verfügen, sondern darauf angewiesen sind, dass solche Informationen am Markt kollektiv gesammelt werden und dort verfügbar bzw. zugänglich sind.220 Ist der Markt dagegen nicht hinreichend informiert, kann opportunistisches Verhalten unerkannt bzw. unbekannt bleiben,221 mit der Folge, dass der Markt ein solches Verhalten auch nicht mittels Reputationsentzug sanktionieren kann, sodass auch keine verhaltenssteuernde Wirkung eintritt. Je kontinuierlicher die Geschäftsbeziehungen 213

27, 29. 214

Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 225; Telser, J. Bus. 53 (1980),

Strukturell gleicht ein Spiel mit unendlicher Laufzeit einem Spiel mit ungewisser Laufzeit, vgl. Baird/Gertner/Picker, Game Theory and the Law, 1995, S. 164, 167. 215 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 225. 216 Ackermann, Der Schutz des negativen X Interesses, 2007, S. 226. 217 Der Erwartungswert Eð X Þ ¼ xi 1 PðX ¼ xi Þ beschreibt das Produkt aus der Wahrscheinlichkeit künftiger Geschäfte PðX ¼ xi Þ und deren Ertrag (xi ). 218 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 226. 219 Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT (2002), F 23. 220 Charny, Harv. L. Rev. 104 (1990), 373, 412 f.; Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT (2002), F 23. 221 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 228.

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

und je transparenter und informationseffizienter der Markt,222 desto wahrscheinlicher ist auch die Sanktionierung opportunistischen Verhaltens und damit das Vorliegen sich selbst durchsetzender Vereinbarungen.223 2. Verhältnis von privat- und außerrechtlichen Steuerungsmechanismen Nachdem die verschiedenen Formen außerrechtlicher Steuerungsmechanismen sowie deren Funktionsweisen vorgestellt worden sind, ist nun auf das Verhältnis von außerrechtlichen Steuerungsmechanismen und (privat-)rechtlichen Steuerungsmechanismen einzugehen. Dabei ist insbesondere zu untersuchen, inwieweit sich die beiden Formen der Verhaltenssteuerung jeweils ausschließen bzw. ergänzen. Unproblematisch ist dies, sofern die Parteien ihre Beziehung ausdrücklich bzw. für Dritte klar erkennbar dem Privatrecht unterstellen oder dies gerade nicht tun, sondern stattdessen auf außerrechtliche Kooperationsmechanismen vertrauen.224 Insbesondere dort, wo die Parteien keine rechtliche Bindungswirkung beabsichtigt haben, sondern bewusst auf die außerrechtliche Verhaltenssteuerung vertraut haben, soll ihnen ein privatrechtlicher Sanktionsmechanismus auch nicht nachträglich aufgezwungen werden.225 Fehlt es hingegen an einer expliziten Regelung, stellt sich die Frage, ob eine privatrechtliche Bindung nur dann in Betracht kommt, soweit eine außerrechtliche Verhaltenssteuerung nicht vorliegt. Zunächst wird angeführt, dass der Markt regelmäßig besser in der Lage ist, opportunistisches Verhalten zu erkennen, als die Rechtsordnung, vertreten durch die Gerichte. Denn der Markt als Gesamtheit seiner Akteure ist näher am Schädiger als einzelne Gerichte,226 sodass er (in der Theorie)227 über mehr Informationen und eine größere Expertise verfügt und zudem in der Lage ist, opportunistische Verhaltensweisen unmittelbar und in verschiedenen Formen zu sanktionieren.228 Ferner ist eine rechtliche Durchsetzung stets mit Verwaltungskosten, Schadensfeststellungskosten sowie Rechtsverfolgungs- und -durchsetzungskosten verbun-

222 Im Kontext des Kapitalmarkts kommt hierbei v. a. der Informationseffizienz und Informationsverteilung eine besondere Bedeutung zu, vgl. 2. Kapitel B. I. und II. Zum Signaling und Screening als Mechanismen zum Abbau von Informationsungleichgewichten vgl. bereits 2. Kapitel B. II. 2. 223 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 228; Bull, Q. J. Econ. 102 (1987), 147, 148. 224 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 232. 225 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 240. 226 Insoweit ähnelt das Argumentationsmuster dem der Vorzüge privater Rechtsdurchsetzung, wonach private Akteure regelmäßig besser informiert sind als Hoheitsträger, vgl. 7. Kapitel B. III. 2. 227 Voraussetzung ist ein transparenter und informationseffizienter Markt, vgl. 2. Kapitel B. I. und II. 228 Charny, Harv. L. Rev. 104 (1990), 373, 415.

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den (tertiäre Kosten),229 sodass eine außerrechtliche Verhaltenssteuerung regelmäßig kosteneffizienter und daher aus ökonomischer Sicht vorzugswürdig ist.230 Daraus folgt, dass rechtliche Maßnahmen zur Verhaltenssteuerung, wozu auch die Herleitung eines Haftungsinstituts zählt, grundsätzlich nur dann erforderlich sind, wenn der Markt als solcher nicht in der Lage ist, Marktversagensprobleme selbstständig zu lösen, und es den Marktteilnehmern nicht gelingt, ihre Interessen in kostengünstiger Weise eigenständig zu schützen.231 Sofern jedoch außerrechtliche Sanktionsmechanismen eingreifen und eine hinreichende Verhaltenssteuerung bewirken, haben diese Vorrang gegenüber privatrechtlichen Sanktionsmechanismen. Denn zum einen ist das Eingreifen rechtlicher Mechanismen in diesen Fällen nicht notwendig und die Erzeugung zusätzlicher Rechtsdurchsetzungskosten daher ineffizient.232 Zum anderen darf die Selbststeuerung des Markts nicht umgangen werden, da anderenfalls die Funktionsfähigkeit sozialer Kooperationssicherung beeinträchtigt würde.233 Im Ergebnis kommt es darauf an, ob der Markt so effizient und transparent ist, dass opportunistisches Verhalten von den Marktteilnehmern sowohl erkannt als auch sanktioniert wird. Liegen diese Voraussetzungen vor und ist somit von einer wirksamen außerrechtlichen Steuerungswirkung auszugehen, soll und muss dieser Vorrang vor privatrechtlichen Regelungen zukommen, da der Markt – seine Funktionsfähigkeit vorausgesetzt – als solcher regelmäßig effizienter bei der Verfolgung und Sanktionierung opportunistischen Verhaltens ist als die Gerichte. Ist der Markt hingegen nicht in der Lage, opportunistisches Verhalten zu erkennen und zu sanktionieren, bedarf es privatrechtlicher Steuerungsinstrumente als Korrektiv.234 3. Möglichkeit einer außerrechtlichen Verhaltenssteuerung der Altaktionäre Im Folgenden ist nunmehr zu untersuchen, inwieweit die Voraussetzungen außerrechtlicher Steuerungsmechanismen zur Unterbindung von Verstößen gegen Lock-up Agreements vorliegen. Es wurde bereits dargelegt, dass das Gewissen und Moralverständnis der Akteure insbesondere im kapitalmarktrechtlichen Kontext regelmäßig keine soziale Verhaltenssteuerung bewirken.235 Auch kann das Fehlen vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Altaktionären und den Anlegern nicht als Indiz gesehen werden, dass die Parteien bewusst auf eine rechtliche Regelung 229 Calabresi, The Costs of Accidents, 1970, S. 28; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 164. 230 Charny, Harv. L. Rev. 104 (1990), 373, 415 f. 231 Baums, ZHR 166 (2002), 375, 376; Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 200. 232 Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 247 f.; Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT (2002), F 23; Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken, 2000, S. 307, 321. 233 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 240, 490. 234 In diese Richtung auch Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 35; ders., Private Ordnung, 2006, S. 248. 235 Dazu bereits unter 7. Kapitel B. IV. 1. a).

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

verzichtet haben, da die Anleger keinen Kontakt zu den Altaktionären haben und im Zweifel nicht einmal wissen, wer diese sind, sodass eine Kooperationssicherung durch rechtliche Vereinbarungen bereits faktisch nicht möglich ist. Damit rücken der Aufbau und der Verlust von Reputation als außerrechtliche Steuerungsmechanismen in den Vordergrund. Danach ist zu untersuchen, ob der Verstoß eines Altaktionärs gegen ein Lock-up Agreement als Ausprägung opportunistischen Verhaltens mit einem Reputationsverlust sanktioniert wird. Ein solcher Reputationsverlust könnte die pflichtwidrig veräußernden Altaktionäre treffen, wenn der Markt Verstöße gegen Lock-up Agreements erkennt und dementsprechend sanktioniert. Jedoch ist bereits zweifelhaft, ob das opportunistische Verhalten der Altaktionäre überhaupt erkannt bzw. dieses hinreichend bekannt wird. Denn zum einen zeichnet sich der Kapitalmarkt durch seine Anonymität und große Teilnehmerzahl aus, zum anderen wird es regelmäßig zu keinen Wiederholungsgeschäften mit den Altaktionären kommen, da diese keine repeat player sind. Veräußern Altaktionäre ihre Aktien während der Lock-up-Periode und verstoßen damit gegen die getroffene Vereinbarung, sind dies meist einmalige Handlungen. Folglich ist eine Überwachung der opportunistischen Verhaltensweisen der Altaktionäre und deren Information kaum durchführbar.236 Hinzu kommt, dass die von dem Verstoß gegen ein Lock-up Agreement betroffenen Anleger in keiner Geschäftsbeziehung zu den Altaktionären stehen, sodass ein Abbruch von bestehenden oder künftigen Geschäftsbeziehungen kein wirksames Sanktionsmittel darstellt.237 Auch wenn infolge eines durch die Verletzung von Lockup Agreements bedingten Kurssturzes auf einen Reputationsverlust des Emittenten abgestellt wird, begründet dies keine Verhaltenssteuerung der Altaktionäre, da sich diese durch den Verstoß gegen ein Lock-up Agreement von ihren Anteilen trennen und damit von dem Emittenten emanzipieren, sodass sie von einem etwaigen Reputationsverlust gerade nicht mehr betroffen sind. Einen Reputationsverlust könnte indes die Emissionsbank erleiden, die eine erfolgreiche Emission und stabile Kursentwicklung verspricht und gerade zu diesem Zweck Lock-up Agreements mit den Altaktionären abschließt. Um einem Reputationsverlust vorzubeugen, müsste die Emissionsbank die Einhaltung der Lock-up Agreements gegenüber den Altaktionären durchsetzen, sodass sie einen besonderen Anreiz zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder Vertragsstrafen 236 Anders wohl Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 36, der davon ausgeht, dass die Anleger als repeat player lern- und absorptionsfähig sind. Dagegen sprechen indes das strukturelle Informationsdefizit der Anleger und die Anonymität der Altaktionäre, die einer andauernden Geschäftsbeziehung zwischen Anlegern und Altaktionären entgegenstehen. 237 Es kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Anleger ihre Aktien entweder im Rahmen einer Primärmarkttransaktion vom Emittenten oder auf dem Sekundärmarkt erworben haben. Selbst der unwahrscheinliche Fall, dass ein Neuanleger die Aktien unmittelbar vom Altaktionär erwirbt (welcher durch ebendiese Veräußerung gegen ein Lock-up Agreement verstößt), ändert nichts an dem Befund, da eine künftige Geschäftsbeziehung auch dann unwahrscheinlich ist.

B. Notwendigkeit einer privatrechtlichen Haftung

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haben könnte, denen wiederum eine verhaltenssteuernde Wirkung zukommt.238 Diesbezüglich ist jedoch anzumerken, dass ein etwaiger Reputationsverlust der Emissionsbanken keinen ersatzfähigen Schaden darstellt, der gegenüber den Altaktionären im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs geltend gemacht werden kann.239 Zudem dürfte die Emissionsbank aufgrund des großen Wettbewerbs auf dem Emissionsmarkt kaum in der Lage sein, hinreichend hohe Vertragsstrafen gegenüber den Altaktionären zu vereinbaren oder durchzusetzen.240 Folglich bezweckt auch ein etwaiger Reputationsverlust der Emissionsbanken keine außerrechtliche Verhaltenssteuerung zur Prävention von Verstößen gegen Lock-up Agreements. Dies ist letztlich auf die Charakteristika des Kapitalmarkts zurückzuführen, welcher sich durch seine Anonymität und große Anzahl an Marktakteuren auszeichnet und wodurch keine fortdauernden Geschäftsbeziehungen mit ungewisser Laufzeit entstehen, sondern stattdessen Einzeltransaktionen von verschiedenen Marktteilnehmern den Regelfall darstellen. Dass die Voraussetzungen einer außerrechtlichen Kooperationssicherheit am Kapitalmarkt somit nicht vorliegen, da eine hinreichende Überwachung und Sanktionierung opportunistischen Verhaltens oftmals nicht möglich ist, erkennt auch der Gesetzgeber an, was sich nicht zuletzt in der Existenz der Prospekthaftung ausdrückt.

4. Fazit Eine Verhaltenssteuerung bedarf nicht zwangsläufig rechtlicher Instrumente oder Regulierungen, vielmehr können auch außerrechtliche, soziale Mechanismen geeignet sein, die Marktteilnehmer zu einem gewünschten Verhalten zu veranlassen. Dabei kommt vor allem dem Reputationsverlust als außerrechtlichem Sanktionsmechanismus eine besondere Bedeutung zu, da ein Anreizsystem geschaffen wird, welches Kooperation zur ökonomisch rationalen Strategie werden lässt. Liegen die Voraussetzungen einer solchen außerrechtlichen Kooperationssicherung vor, bedarf es somit auch keiner rechtlichen Bindungswirkung, vielmehr sind die sozialen Mechanismen in diesem Fall besser geeignet, das Verhalten der Marktteilnehmer zu steuern. Liegen die Voraussetzungen der außerrechtlichen Kooperationssicherung hingegen nicht vor, so bedarf es stets eines rechtlichen Instruments zur Verhaltenssteuerung. Im Hinblick auf den Verstoß gegen Lock-up Agreements wurde aufgezeigt, dass aufgrund der Charakteristika des Kapitalmarkts, sowie der besonderen Sachverhaltskonstellation bei Verstößen gegen Lock-up Agreements, eine außerrechtliche Verhaltenssteuerung und Kooperationssicherung nicht gewährleistet werden kann. In Ermangelung solcher außerrechtlichen Steuerungsmechanismen bedarf es eines privatrechtlichen Instruments zur Verhaltenssteuerung und Prävention von Verstößen gegen Lock-up Agreements. 238 239 240

In diese Richtung auch Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 36. Vgl. 4. Kapitel B. I. 1. a). Dazu bereits unter 4. Kapitel A. II. 3.

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7. Kap.: Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut

C. Zusammenfassung Im vorangegangenen Kapitel wurde dargelegt, dass das Fehlen einer rechtlichen Sanktionsmöglichkeit infolge eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement eine Lücke im Gesetz darstellt. Insbesondere widerspricht die fehlende Sanktionsmöglichkeit den allgemeinen Rechtsprinzipien des Anleger- und Funktionsschutzes sowie des Vertrauens- und Kooperationsschutzes. In einem zweiten Schritt wurde sodann untersucht, wie die aufgezeigte Lücke am effizientesten geschlossen werden kann, wobei dafür auf ökonomische Erkenntnisse abgestellt wurde. So wurde zunächst dargelegt, dass einem Haftungsinstitut eine verhaltenssteuernde Wirkung zukommen kann, wodurch die Altaktionäre dazu veranlasst werden können, nicht gegen die getroffenen Lock-up Agreements zu verstoßen. Ferner wurde gezeigt, dass die Sanktionierung von Verstößen gegen Lockup Agreements nach einer Kosten-Nutzen-Analyse effizient ist, da der Nutzen für das Gruppenwohl und die Wohlfahrtsförderung überwiegt. Im Anschluss wurde zudem belegt, dass eine private Rechtsdurchsetzung in Abgrenzung zu einer öffentlichrechtlichen Rechtsdurchsetzung vorzugswürdig ist. Denn eine private Rechtsdurchsetzung ist aufgrund der besseren Informationslage, der niedrigeren Kosten und des höheren Durchsetzungsanreizes von Privaten effizienter und daher gegenüber einer öffentlich-rechtlichen Rechtsdurchsetzung vorzugswürdig. Schließlich wurde in einem letzten Schritt untersucht, ob eine rechtliche Sanktionierung nicht entbehrlich und damit unzulässig ist, wenn bereits außerrechtliche Steuerungsmechanismen eine hinreichende Verhaltenssteuerung und Kooperationssicherung gewährleisten. Denn einer rechtlichen Verhaltenssteuerung im Rahmen eines Haftungsinstituts bedarf es nur dann, wenn die Akteure nicht bereits selbst in der Lage sind, opportunistische Verhaltensweisen zu erkennen und wirksam – etwa durch Kooperationsentzug – zu sanktionieren. Zwar kann insbesondere der Reputation eine verhaltenssteuernde Sanktionswirkung zukommen, jedoch verhindern die Gegebenheiten des Kapitalmarkts und die Sachverhaltskonstellationen von Lock-up Agreements eine hinreichende Verhaltenssteuerung mittels außerrechtlicher und sozialer Instrumente, sodass eine rechtliche Regelung nicht entbehrlich, sondern notwendig ist. Daraus folgt, dass das Fehlen eines Haftungsinstituts im Fall der Verletzung von Lock-up Agreements eine Gesetzeslücke darstellt, die mittels eines privatrechtlichen Haftungsinstituts geschlossen werden muss. Ziel eines solchen privatrechtlichen Haftungsinstituts muss sein, ein Anreizsystem zu schaffen, aufgrund dessen die Marktakteure die Kooperation dem opportunistischen Verhalten vorziehen. Die Altaktionäre müssen folglich ein Interesse daran haben, nicht gegen die zuvor getroffenen Lock-up Agreements zu verstoßen. Wie ein solches privatrechtliches Haftungsinstitut rechtlich umzusetzen bzw. zu entwickeln ist, ohne dass diese Grenzen der Rechtsordnung überschritten werden und

A. Dogmatische Grundlagen eines Haftungskonzepts

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der Bereich der unzulässigen Rechtsfindung contra legem betreten wird, soll im folgenden Kapitel untersucht werden. 8. Kapitel

Entwicklung eines Haftungskonzepts Nachdem festgestellt wurde, dass das Fehlen einer Haftungsregelung für den Fall des Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement eine Gesetzeslücke darstellt, die, unter Zugrundelegung ökonomischer Erkenntnisse, mittels eines privatrechtlichen Haftungsinstituts zu schließen ist, das einen Anreiz zu kooperativem Verhalten vermittelt, soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, ein solches Haftungsinstitut zu entwickeln und herzuleiten. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass ein (ökonomisches) Bedürfnis allein noch kein privatrechtliches Haftungsinstitut begründen kann. Vielmehr ist darauf zu achten, dass die Entwicklung eines Rechtsinstituts stets im Rahmen der Rechtsordnung und innerhalb der Grenzen einer zulässigen Rechtsfortbildung geschieht. Im Folgenden ist somit darzulegen, dass ein privatrechtliches Haftungsinstitut de lege lata, d. h. im Rahmen des geltenden Rechts, entwickelt und hergeleitet werden kann. Maßgeblich ist dafür zunächst die rechtsdogmatische Einordnung eines zu entwickelnden Haftungskonzepts, wobei insbesondere auf die Einordnung innerhalb des privatrechtlichen Haftungssystems einzugehen sein wird (A.). Im Anschluss sollen verschiedene Begründungsansätze für ein Haftungskonzept untersucht werden (B.), bevor daraus ein eigenes Haftungskonzept entwickelt wird (C.). Daran schließt sich sodann die dogmatische Herleitung des entwickelten Rechtsinstituts unter Bezugnahme der verschiedenen Stufen der Rechtsfindung an (D.). Abschließend wird das entwickelte Haftungsinstitut anhand der im vorherigen Kapitel dargelegten ökonomischen Anforderungen bewertet (E.).

A. Dogmatische Grundlagen eines Haftungskonzepts Die Herleitung und Begründung eines kohärenten Haftungskonzepts setzt dessen dogmatische Grundlegung sowie Einordnung in das Haftungssystem voraus. Dies kann jedoch insofern Schwierigkeiten bereiten, als eine dogmatische Betrachtung zugleich eine gewisse Vorstellung des Haftungskonzepts voraussetzt. Das dogmatische Fundament steckt daher einerseits den Rahmen einer nachvollziehbaren Herleitung eines Haftungsmodells ab, bestimmt sich andererseits gerade durch die Eigenschaften und Tatbestandsvoraussetzungen des jeweiligen

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

Rechtsinstituts.241 Würde hingegen zunächst an die Tatbestandsvoraussetzungen eines zu entwickelnden Haftungsmodells angeknüpft, um von diesem auf die dogmatischen Grundlagen zu schließen, würde dies der Entwicklung eines kohärenten Konzepts zuwiderlaufen. So soll die Rechtsdogmatik der Offenlegung der maßgeblichen Werturteile und Prinzipien und damit zur Rationalisierung des Rechtsverständnisses und der Rechtsanwendung beitragen.242 Denn Ziel der Rechtsfortbildung ist nicht etwa die Anpassung der Rechtsordnung an wünschenswerte Tatbestandsvoraussetzungen, in diesem Fall wäre der Bereich des contra-legem-Judizierens eröffnet, sondern stattdessen die Herleitung konkreter Tatbestände anhand der Rechtsordnung. Im Rahmen der dogmatischen Grundlegung soll insbesondere untersucht werden, wo ein privatrechtliches Haftungskonzept anzusiedeln ist, d. h. wie sich dieses in das Haftungssystem der Privatrechtsordnung einfügt. Dabei spielt die klassische Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Haftung eine besondere Rolle, wobei der Versuch unternommen werden soll, ein zu entwickelndes Haftungskonzept innerhalb dieser Dichotomie zu verorten bzw. Wege zu finden, um mögliche Schwächen dieser klassischen Haftungsdichotomie zu überwinden.

I. Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Haftung Grundsätzlich differenziert das Haftungssystem der Privatrechtsordnung zwischen zwei Haftungstypen: der vertraglichen Haftung und der deliktischen Haftung. Diese klassische Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Haftung hat ihren Ursprung im römischen Recht und findet jedenfalls im kontinentaleuropäischen Rechtskreis allgemeine Anwendung.243 Der Differenzierung zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung kommt insbesondere in praktischer Hinsicht Bedeutung zu,244 da bezüglich der Schutzbereiche und der Verjährungsfristen Unterschiede zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung bestehen,245 die auch durch eine Angleichung im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung nicht gänzlich beseitigt 241 Zu dieser Wechselbeziehung von dogmatischen Grundlagen und konkreten Tatbeständen auch Küpper, Das Scheitern von Vertragsverhandlungen als Fallgruppe der culpa in contrahendo, 1988, S. 204. 242 Lobinger, AcP 216 (2016), 28, 41 f.; Singer, in: FS Canaris, 2017, S. 425, 426. 243 Allgemein zur Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Haftung vgl. Immenhauser, Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006, S. 3 ff.; Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 28; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. 1, 14. Aufl. 1987, S. 421; Picker, JZ 1987, 1041 f. Zur rechtshistorischen Entwicklung und einem rechtsvergleichenden Ausblick vgl. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 47 ff. und S. 56 ff. 244 Picker, JZ 1987, 1041. 245 Ernst, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2019, § 280 Rn. 82; Wagner, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, S. 203, 204 f.; ders., in: MüKoBGB, 7. Aufl. 2017, Vor § 823 Rn. 79.

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wurden.246 Der maßgebliche Unterschied zwischen der vertraglichen und der deliktischen Haftung betrifft hingegen die Zurechnung von Gehilfenverschulden, welche im Vertragsrecht durch § 278 BGB und im Deliktsrecht durch § 831 BGB normiert wird. Da nur das Deliktsrecht eine Exkulpationsregel kennt, ist die vertragliche Haftung insofern vergleichsweise strenger.247 Im Folgenden soll daher zunächst der Versuch unternommen werden, eine Haftung der Altaktionäre aufgrund der Verletzung eines Lock-up Agreements innerhalb des klassischen Systems aus vertraglicher und deliktischer Haftung zuzuordnen. 1. Vertragliche Einordnung Eine vertragliche Haftung erfasst grundsätzlich auch den reinen Vermögensschaden und grenzt sich somit bereits durch den Schutzbereich von der deliktischen Haftung ab. Erleiden Aktionäre infolge eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement und dadurch bedingte Kursverluste einen Schaden, so wäre ein solcher Vermögensschaden im Rahmen einer vertraglichen Haftung grundsätzlich ersatzfähig.248 Jedoch beruht ein vertragliches Haftungsinstitut auf vertraglich vereinbarten Pflichten und setzt damit notwendigerweise eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien voraus. Es handelt sich mithin um eine willensbasierte Haftung. Hinsichtlich einer Schadensersatzhaftung der gegen ein Lock-up Agreement verstoßenden Altaktionäre gegenüber den Anlegern wurde bereits dargelegt, dass es an einer vertraglichen Vereinbarung fehlt, sodass ein vertragliches Haftungsinstitut insoweit ausscheidet. Zwar wird die Haftung Dritter auch im Rahmen der vertraglichen Haftung anerkannt, wie nicht zuletzt die Existenz des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter belegt, jedoch sind der Einbeziehung Dritter in den schuldrechtlichen Pflichtenkreis enge Grenzen gesetzt. Insbesondere darf eine schuldrechtliche Vereinbarung nicht mittels des Instituts der ergänzenden Vertragsauslegung derart überdehnt werden, dass ein Haftungswille der Parteien zur bloßen Willensfiktion wird.249 Es wurde bereits festgestellt, dass eine Einbeziehung der Anleger in das durch ein Lock-up Agreement begründete Schuldverhältnis weder im Rahmen eines Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB)250 noch eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht kommt, da es an einem entsprechenden Willen der Parteien mangelt und ein solcher nicht fingiert werden darf.251 Auch im 246 Im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung wurde unter anderem die regelmäßige Verjährungsfrist verkürzt und vereinheitlicht, vgl. Grothe, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 195 Rn. 2. Davon abweichend indes die Verjährung der Mängelansprüche gem. § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB. 247 Ausführlich dazu Thom, Ähnliche geschäftliche Kontakte, 2010, S. 8 ff. 248 Zur Ersatzfähigkeit und konkreten Schadensberechnung vgl. 9. Kapitel B. 249 Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 215 f.; Kersting, JR 2008, 312, 313; Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 29. 250 Vgl. bereits unter 4. Kapitel B. IV. 1. 251 Vgl. bereits unter 4. Kapitel B. IV. 2.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

Rahmen einer Rechtsfortbildung darf folglich kein Parteiwille fingiert werden, um eine vertragliche Haftung zu begründen. 2. Deliktische Einordnung Im Gegensatz zur vertraglichen Haftung kennt das Deliktsrecht keine generalklauselartige Anspruchsgrundlage, sondern beschränkt sich auf drei Grundtatbestände:252 Danach muss entweder ein absolutes Recht oder Rechtsgut verletzt worden sein (Rechtsverstoß, § 823 Abs. 1 BGB) oder es muss gegen ein Schutzgesetz verstoßen worden sein (Gesetzesverstoß, § 823 Abs. 2 BGB).253 Daneben kommt als Auffangtatbestand eine Haftung für sittenwidrige Schädigung in Betracht (vorsätzlicher Sittenverstoß, § 826 BGB), wobei einer solchen Haftung aufgrund der hohen Anforderungen an das Merkmal der Sittenwidrigkeit Ausnahmecharakter zukommt.254 Vermögensschäden sind jedoch nur in den Fällen der Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 Abs. 2 BGB) oder einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) ersatzfähig. Die bisherigen Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement weder ein Schutzgesetz verletzt noch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstellt. Abgesehen von diesen Tatbeständen kommt der Ersatz eines Vermögensschadens im Rahmen des Deliktsrechts nicht in Betracht. Zudem zielt das Deliktsrecht nicht darauf ab, Probleme zu lösen, die auf Informationsdefiziten und adverser Selektion beruhen, da Informationsasymmetrien nicht ausschließlich auf Fälle arglistigen Verhaltens zurückgeführt werden können.255 Die deliktische Verortung einer Schadensersatzpflicht der Altaktionäre gegenüber den Anlegern ist daher nicht mit der Konzeption des Deliktrechts vereinbar. Da auch eine rechtsfortbildende Entwicklung eines Haftungsinstituts dieser Wertung des Gesetzes nicht zuwiderlaufen darf, scheidet eine deliktische Einordnung eines zu entwickelnden Haftungsinstituts aus. 3. Stellungnahme Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die Einordnung eines zu entwickelnden Haftungsinstituts innerhalb der klassischen Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Haftung nicht gelingt. Während eine vertragliche Haftung für den Verstoß gegen ein Lock-up Agreement nur mittels einer unzulässigen Willensfiktion zu begründen wäre, scheidet eine deliktische Haftung aufgrund der engen 252 Picker, JZ 1987, 1041; Wagner, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, Vor § 823 Rn. 7, 15. Indes spricht Canaris, VersR 2005, 577, 581 in diesem Zusammenhang von „drei ,kleinen‘ Generalklauseln“. 253 Zur Schutzgesetzeigenschaft gem. § 823 Abs. 2 BGB vgl. bereits 4. Kapitel B. II. 3. b)., 4. b). und B. V. 254 Dazu bereits ausführlich unter 4. Kapitel B. V. 255 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 155. In diese Richtung auch H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741, 755.

A. Dogmatische Grundlagen eines Haftungskonzepts

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Grenzen der §§ 823 ff. BGB und des Fehlens eines allgemeinen Vermögensschutzes im Deliktsrecht aus. Tatsächlich gewährleistet die strenge Aufteilung in vertragliche und deliktische Sachverhalte keinen umfassenden Schutz vor Vermögensschäden, sodass, nachdem die Haftungsdichotomie lange Zeit als etwas „Naturgegebenes“ hingenommen wurde,256 sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur das Bedürfnis und die Notwendigkeit einer Kompensation außerhalb des Vertragsrechts, aber jenseits der engen Grenzen des Deliktsrechts anerkannt haben.257 Spätestens mit der gesetzlichen Kodifikation der culpa in contrahendo in § 311 Abs. 2 und 3 BGB kann nun kein Zweifel mehr daran bestehen, dass auch der Gesetzgeber eine Haftung zwischen Vertrag und Delikt anerkennt, sodass die strenge Alternativität zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung aufgehoben ist,258 ohne dass jedoch ein konkretes Pflichtenprogramm entwickelt worden ist.259 Folglich steht der rechtsfortbildenden Entwicklung eines Haftungsinstituts die klassische Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Ordnung nicht im Weg.260 Im Folgenden wird zu untersuchen sein, welche Ansätze zur Ausfüllung dieses Bereichs zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung in Betracht kommen.

II. Gründe für eine Beschränkung des Ersatzes von Vermögensschäden Bevor untersucht werden kann, wo eine Haftung auf Vermögensschäden im Bereich zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung angesiedelt werden kann, sind zunächst die Gründe herauszuarbeiten, warum das Deliktsreicht keinen allgemeinen Vermögensschutz kennt. Aus diesen können sodann im Wege der Deduktion Maßstäbe für die Zulässigkeit eines konkreten Ersatzes von Vermögensschäden abgeleitet werden. Auf den ersten Blick scheint der Gedanke des neminem laedere für eine grundsätzliche deliktische Einstandspflicht für jeden zurechenbaren Schaden zu sprechen. Denn diesem liegt die Überlegung zugrunde, dass eine sozial per se unerwünschte, weil ausschließlich schadensstiftende Handlung stets eine Restitutionspflicht auslösen soll. Kommt es infolge eines ausschließlich schadensstiftenden Verhaltens zu

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Picker, JZ 1987, 1041, 1043. Bachmann, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil (Hrsg.), Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, 2007, S. 93, 99 f. 258 Bachmann, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil (Hrsg.), Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, 2007, S. 93, 99 f.; Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 221; ders., VersR 2005, 577, 578; Picker, AcP 183 (1983), 505 ff.; ders., JZ 1987, 1041, 1055. 259 Ernst, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2019, Einl. (SchuldR) Bd. 2 Rn. 38. 260 Bachmann, in: Bachmann/Casper/Schäfer/Veil (Hrsg.), Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, 2007, S. 93, 99 f. 257

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

einem Vermögensschaden, so müsste dieser folglich auch ersatzfähig sein.261 Daneben lassen sich auch ökonomische Gesichtspunkte für eine grundsätzliche Ersatzfähigkeit von Vermögensschäden finden, denn der Anreiz zur Schadensprävention könnte zu gering ausfallen, wenn vom Schädiger verursachte Vermögensschäden externalisiert würden.262 Diese Erwägungen greifen indes zu kurz. Denn eine Ausklammerung von Vermögensschäden aus der allgemeinen Deliktshaftung verhindert eine ausufernde Haftung, die jedermann treffen kann und aufgrund ihrer Unkalkulierbarkeit die allgemeine Handlungsfreiheit einschränken würde. Denn anders als die absoluten Rechtsgüter des § 823 Abs. 1 BGB sind Vermögensinteressen zu unkonkret, um im allgemeinen Verkehr erkannt und kalkuliert zu werden.263 Hinzu kommt, dass der Geschädigte regelmäßig besser in der Lage ist, Vorsorgevorkehrungen für Vermögensschäden zu treffen, und dies regelmäßig auch tut, da er im Gegensatz zum Schädiger potentielle Vermögensschäden besser vorhersehen und kalkulieren kann.264 Im Gegensatz zu § 823 Abs. 1 BGB lässt sich der Schutz von Vermögensschäden aus § 826 BGB dadurch begründen, dass die Norm die Einhaltung des rechts- und sozialethischen Minimums der guten Sitten schützt, welches grundsätzlich von jedermann erwartet werden kann. Ebenso lässt sich der Ersatz von Vermögensschäden infolge der Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB rechtfertigen, da der Tatbestand des Schutzgesetzes, insbesondere aufgrund seiner strafrechtlichen Interpretation, eine hinreichende Präzisierung aufweist und von seinem Unrechtsgehalt mit § 826 BGB vergleichbar ist.265 Zudem unterscheiden sich §§ 823 Abs. 2 und 826 BGB von § 823 Abs. 1 BGB dadurch, dass zwar die geschützten Rechte und Güter sehr weit sind, die subjektiven Voraussetzungen dagegen sehr eng gefasst sind.266 Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass der Zweck der Limitierung einer Vermögenshaftung darin liegt, das allgemeine Haftungsrisiko zu beschränken und die Potenzierung der Gläubigerzahl zu verhindern, um die notwendige Handlungsfreiheit des Verkehrs zu gewährleisten.267 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum die Rechtsordnung einen grundsätzlichen Schutz von Vermögensinteressen erst gewährt, sobald diese Gegenstand von privatautonomen Vereinbarungen werden.268 Denn wenn eine Ausklammerung von Vermögensschäden aus der allgemeinen Deliktshaftung dem Zweck dient, den 261 Faust, AcP 210 (2010), 555, 557 f.; ausführlich dazu Picker, AcP 183 (1983), 369, 462 ff.; ders., JZ 1987, 1041, 1051 ff. 262 Faust, AcP 210 (2010), 555, 557 f. 263 Picker, AcP 183 (1983), 369, 460 ff., 470 ff.; ders., JZ 1987, 1041, 1052 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 324 f. 264 Faust, AcP 210 (2010), 555, 559 f. 265 Canaris, in: FS Larenz, 1983, S. 27, 36 f., 49 f., 58 f.; ders., VersR 2005, 577, 581. Ferner Thom, Ähnliche geschäftliche Kontakte, 2010, S. 12 ff. 266 Canaris, VersR 2005, 577, 581. 267 Picker, JZ 1987, 1041, 1053; ders., in: FS Medicus, 1999, S. 397, 437. 268 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 325. Ferner Thom, Ähnliche geschäftliche Kontakte, 2010, S. 14.

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Kreis der Haftungsberechtigten und den Umfang der Haftung abstrakt-generell zu konkretisieren, so ist dieser im Vertragsrecht bereits erreicht, da die autonome Vereinbarung eine hinreichende Fixierung der Gläubigerzahl und damit Konkretisierung der potentiellen Haftung bewirkt.269 Vor dem Hintergrund der Differenzierung und einer damit einhergehenden Legitimation des Ersatzes von Vermögensschäden wird deutlich, dass die klassische Dichotomie von Vertrag und Delikt keinesfalls in Stein gemeißelt ist. Vielmehr ist es denkbar, unter Berücksichtigung der herausgearbeiteten Grundlagen, auch außerhalb bzw. zwischen den Polen des Vertrags- und Deliktsrechts eine Haftung auf den Ersatz von Vermögensschäden zu entwickeln.270

III. Dogmatische Kategorien einer Haftung Bevor auf konkrete Begründungsansätze eines Haftungsinstituts eingegangen werden kann, sind verschiedene dogmatische Kategorien herauszuarbeiten und gegeneinander abzugrenzen, innerhalb derer ein Haftungsinstitut verortet werden kann. Denn eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den jeweiligen Haftungsansätzen muss stets innerhalb des dogmatischen Rahmens einer solchen Haftung erfolgen. Vor diesem Hintergrund kann insbesondere hinsichtlich des Anknüpfungspunkts einer Haftung differenziert werden: So kann zwischen einer pflichtenbasierten Haftung auf der einen und einer Haftung kraft normativitätsstiftenden Verhaltens auf der anderen Seite unterschieden werden. Im Folgenden wird auf die abstrakten Grundzüge dieser Haftungsmodelle eingegangen, bevor im Anschluss konkrete Begründungsansätze einer Haftung vorgestellt werden. 1. Anknüpfung an eine Pflichtverletzung Eine Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements könnte zunächst an eine Pflichtverletzung seitens der Altaktionäre geknüpft werden. Dafür ist zunächst zu untersuchen, woraus sich etwaige Pflichten der Altaktionäre gegenüber den Anlegern begründen lassen, da vertragliche Pflichten mangels einer vertraglichen Beziehung grundsätzlich ausscheiden. Außerdeliktische Pflichten können sich jedoch im Rahmen einer Sonderverbindung zwischen den Altaktionären und den Anlegern ergeben. a) Außerdeliktische Sonderverbindungen Es wurde bereits dargelegt, dass keine vertragliche Beziehung zwischen den Altaktionären und den Anlegern besteht. Ebenso wenig stellt das Lock-up Agree269 270

Vgl. Picker, in: FS Medicus, 1999, S. 397, 437. Ähnlich Picker, in: FS Medicus, 1999, S. 397, 432 f.

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ment einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Anleger dar. Es könnte jedoch eine außerdeliktische Sonderverbindung zwischen den Altaktionären und den Anlegern existieren, aus welcher sich konkrete Schutzpflichten ergeben. Die Kategorie der außerdeliktischen Sonderverbindung stellt eine Möglichkeit dar, die Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Haftung zu überwinden, und wird als „eine der wichtigsten neuen Erkenntnisse im Schuldrecht überhaupt“ bezeichnet.271 Dabei umschreibt eine Sonderverbindung letztlich den Bereich zwischen Vertrags- und Deliktsrecht, ohne diesen näher zu konkretisieren. aa) Terminologie Der Begriff der Sonderverbindung wird grundsätzlich im Zusammenhang mit bestimmten Rechtsbeziehungen verwendet, die nicht eindeutig innerhalb der Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Haftung eingeordnet werden können, sondern „zwischen“ diesen Polen stehen. Eine erste Annäherung des Begriffs der Sonderverbindung erfolgt im Wege einer negativen Abgrenzung gegenüber den rein deliktischen Beziehungen, in welchen sich die Beteiligten grundsätzlich beziehungslos gegenüberstehen.272 Die Kategorie der außerdeliktischen Sonderverbindung beschreibt hingegen Rechtsbeziehungen zwischen zwei oder mehreren Personen, in denen sich die Personen nicht in einer auf einer Zufallsbegegnung basierenden273 „Jedermannbeziehung“ befinden.274 Folglich muss zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten ein vom Schadensereignis unabhängiger Bund, d. h. eine (intersoziale)275 Verbindung, bestehen.276 Die Definition einer Sonderverbindung erschöpft sich indes nicht in einer negativen Abgrenzung gegenüber dem Deliktsrecht. Vielmehr bedarf es einer weitergehenden Konkretisierung hinsichtlich des Inhalts dieser über die bloße Zufallsbegegnung hinausgehenden Beziehung zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner. Das Vorliegen einer Sonderverbindung setzt voraus, dass zwischen den Parteien außerdeliktische Schutzpflichten bestehen, deren Verletzung einen 271

Medicus, Probleme um das Schuldrecht, 1987, S. 16. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 6. 273 So stellt Krebber, VersR 2004, 150 auf den „nicht zufälligen Kontakt ohne Vertragsnähe“ ab. Ferner Picker, AcP 183 (1983), 369, 411, der von einer „über den Zufallskontakt hinausgehenden engen Beziehung“ spricht. 274 Frost, „Vorvertragliche“ und „vertragliche“ Schutzpflichten, 1981, S. 53 ff.; Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 1 f.; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. 1, 14. Aufl. 1987, S. 105. 275 So Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 420. 276 Von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, in: Rengeling (Hrsg.), Europäisierung des Rechts, 1995, S. 167, 177 verwendet den Begriff der Sonderverbindung gar als Definitionsmerkmal des Deliktsrechts, wonach der Umstand, dass zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner keine dem Schadensereignis vorgelagerte Sonderverbindung besteht, einen Kernaspekt des Deliktsrechts darstellt. 272

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Haftungsgrund277 darstellt.278 Gegenstand dieses Haftungsgrundes kann die Verletzung außerdeliktischer Schutzpflichten sein, welche die Pflicht zur Erhaltung der sonstigen Rechtsgüter des anderen Teils beschreiben und nicht nur die Integrität der absoluten Rechtsgüter umfassen, sondern grundsätzlich auch das bereits bestehende Vermögen, folglich das negative Erhaltungsinteresse des Vermögens schützen.279 Aufgrund der Ersatzfähigkeit von Vermögensschäden gehen außerdeliktische Schutzpflichten somit über den Schutzbereich des Deliktsrechts hinaus, welches einen Vermögensschutz nur im Rahmen einer Schutzgesetzverletzung (§ 823 Abs. 2 BGB) oder einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) gewährleistet.280 Schutzpflichten sind Verhaltenspflichten, die dem Verpflichteten auftragen, durch aktives Tun oder Unterlassen die Rechtsgüter des anderen Teils zu schützen.281 Außerdeliktische Schutzpflichten existieren zudem unabhängig von einer primären Leistungspflicht und können sowohl im Rahmen vertraglicher Schuldverhältnisse mit primären Leistungspflichten bestehen als auch in solchen Schuldverhältnissen, in denen eine primäre Leistungspflicht nicht existiert.282 Die Kategorie der Sonderverbindung beschreibt damit ein Verhältnis gegenüber einer anderen Person, in welchem Schutzpflichten bestehen, deren Verletzung eine Schadensersatzhaftung begründen kann. Eine außerdeliktische Sonderverbindung kann folglich sowohl den Kreis der haftpflichtigen Personen als auch den Kreis der geschützten Rechtsgüter bestimmen bzw. erweitern.283 Diese dogmatische Kategorie 277 Zur Terminologie des Haftungsgrundes und dessen Verhältnis zum Zurechnungsprinzip vgl. Canaris, Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 468 ff. und im Anschluss unter 8. Kapitel D. II. 1. und 2. 278 Canaris, JZ 1965, 475, 479; ders., Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 538 f., der in diesem Zusammenhang von einem „einheitlichen Schutzverhältnis“ spricht, das Grundlage für alle Schutzpflichten sein soll. 279 Bachmann, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 114; Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 5; Medicus, Probleme um das Schuldrecht, 1987, S. 15. 280 Vgl. bereits 8. Kapitel A. I. 2. Ferner Bachmann, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 115. 281 Thom, Ähnliche geschäftliche Kontakte, 2010, S. 25. 282 Bachmann, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2019, § 241 Rn. 117; Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 4 f.; ders., in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 241 Rn. 24; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. 1, 14. Aufl. 1987, S. 14, 105 ff.; Medicus, Probleme um das Schuldrecht, 1987, S. 16. Teilw. wird vertreten, dass ein Schuldverhältnis i.w.S. auch solche Beziehungen erfassen soll, in denen ausschließlich Schutzpflichten bestehen, sodass der Begriff der Sonderverbindung obsolet sei, vgl. Keller, Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, 2007, S. 144 ff. Vorzugswürdig ist es hingegen, den Begriff des Schuldverhältnisses nur auf die Verhältnisse mit Leistungs- oder Unterlassungspflichten gem. § 241 Abs. 1 BGB zu beschränken, um dem Schuldverhältnis eine klare Kontur zu verschaffen und neben dem Schuldverhältnis i. e.S. und i.w.S. nicht noch eine dritte Begriffsvariante hinzuzufügen, vgl. Krebs, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 241 Rn. 9. 283 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 214.

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hat der Rechtsprechung und dem Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, den Bereich zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung dogmatisch auszufüllen, um Haftungslücken zu schließen,284 wobei zum Teil von einer „dritten Spur“ zwischen Vertrag und Delikt gesprochen wird.285 Beispiele für Rechtsinstitute mit außerdeliktischen Schutzverhältnissen, die der Kategorie der Sonderverbindung unterfallen und ihren Ursprung in der richterlichen Rechtsfortbildung haben, sind etwa die Drittschadensliquidation, die nun kodifizierte culpa in contrahendo oder der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.286 Festzuhalten bleibt, dass das Vorliegen einer Sonderverbindung noch keine Haftung begründet, sondern lediglich die Existenz von außerdeliktischen Schutzpflichten beschreibt, deren schuldhafte Verletzung wiederum einen Schadensersatzanspruch zur Folge haben kann. bb) Legitimation Nachdem die Kategorie der außerdeliktischen Sonderverbindung vorgestellt und als möglicher Anknüpfungspunkt für eine außerdeliktische Schutzpflicht identifiziert worden ist, deren Verletzung eine Schadensersatzhaftung begründen könnte, schließt sich die Frage der Legitimation einer außerdeliktischen Sonderverbindung an. Dabei muss scharf zwischen der Sonderverbindung als dogmatischer Kategorie und den konkreten Schutzpflichten innerhalb dieser Sonderverbindung differenziert werden.287 Einen umfassenden Ansatz einer abstrakten Legitimation von Sonderverbindungen stellt Krebs dar, welcher einen funktionalen Legitimationsansatz entwickelt hat.288 Diesem liegt die Annahme zugrunde, dass jedes Rechtsinstitut einer wertungsmäßigen Rechtfertigung bedarf, weshalb ihm eine spezifische Funktion zukommen muss. Die Funktion eines Rechtsinstituts dient wiederum der Erreichung eines bestimmten Zwecks.289 Danach lassen sich insbesondere drei Funktionen der Sonderverbindung ausmachen:290 Zum einen soll eine erhöhte Einwirkungsmöglichkeit der Gegenseite auf die Rechtsgüter des Gefährdeten und dessen verminderte Verteidigungsmöglichkeit dadurch kompensiert werden, dass im Rahmen der Sonderverbindung gewisse Schutzpflichten bestehen, die somit der Schutzbedürftigkeit 284

Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 9. So Canaris, in: FS Larenz (1983), S. 27, 102 ff.; ders., ZHR 163 (1999), 206, 220 f. im Zusammenhang mit der Vertrauenshaftung. 286 In dieser Reihenfolge zu den einzelnen Rechtsinstituten vgl. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 9 ff. und 19 ff.; ferner Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 216 f. 287 Vgl. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 45. 288 Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 210 ff., 339 ff. 289 Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 210. 290 Dazu Krebs, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 241 Rn. 31. 285

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des Gefährdeten Rechnung tragen. Zudem sollen die sonderverbindungsspezifischen Schutzpflichten die störungsfreie Erreichung des Leistungs- bzw. Unterlassungszwecks der Sonderverbindung fördern, indem sie einen Anreiz zum vertrauensvollen Miteinander setzen. Schließlich soll die Sonderverbindung dazu dienen, die konkreten Schutzpflichten nach der Art der zwischen den Beteiligten bestehenden Beziehung zu konkretisieren. Krebs setzt damit die wertungsmäßige Legitimation des Rechtsinstituts mit dessen inhaltlicher Funktion und dessen angestrebtem Zweck gleich, weshalb dieser Ansatz als funktionaler Legitimationsansatz bezeichnet wird.291 Dem funktionalen Legitimationsansatz ist entgegenzuhalten, dass das bloße Bedürfnis nach einem Haftungsinstitut ein solches nicht bereits rechtfertigen kann. Ein (rechtspolitisches) Bedürfnis kann lediglich durch den Gesetzgeber de lege ferenda umgesetzt werden, nicht jedoch als Grundlage für eine Rechtsfortbildung im Rahmen der Rechtsordnung dienen.292 Denn die Notwendigkeit für eine Haftung erschließt sich gerade aus dem konkreten Rechtsverhältnis der Personen und kann somit nicht zugleich dessen Rechtfertigung darstellen.293 Wird hingegen allein auf ein allgemeines Bedürfnis der Rechtsordnung abgestellt,294 würde unzulässigerweise von einem rechtlichen Sollen auf ein rechtlichen Sein geschlossen,295 womit zugleich die Grenze des unzulässigen contra legem-Judizierens überschritten wäre. Stattdessen ist im Hinblick auf die Rechtfertigung eines zu entwickelnden Rechtsinstituts auf die allgemeinen Prinzipien der Rechtsordnung abzustellen. Trotz dieser Einwände ist erneut die Differenzierung zwischen der Sonderverbindung als solcher und den im Rahmen der Sonderverbindung bestehenden Schutzpflichten hervorzuheben. Denn nach richtigem Verständnis dient der funktionale Legitimationsansatz lediglich der abstrakten Rechtfertigung der Kategorie der Sonderverbindung, ohne zugleich das Bestehen von außerdeliktischen Schutzpflichten zu begründen. Die Sonderverbindung dient somit als Oberbegriff für solche Beziehungen, in denen besondere Einwirkungsmöglichkeiten für die Rechtsgüter der Gegenseite bestehen, welche durch die Existenz von Schutzpflichten kompensiert werden soll. Festzuhalten bleibt, dass Sonderverbindungen eine dogmatische Kategorie darstellen, innerhalb derer außerdeliktische Schutzpflichten entstehen können, deren Verletzung eine Schadensersatzhaftung begründen kann. Unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang haftungsbegründende Schutzpflichten entstehen, hängt hingegen von den Umständen und konkreten Gegebenheiten der jeweiligen

291 292 293 294 295

Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 210. Dazu bereits unter 6. Kapitel A. So auch Eichler, Vertragliche Dritthaftung, 2007, S. 112 f. Vgl. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000, S. 364. Eichler, Vertragliche Dritthaftung, 2007, S. 113.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

Beziehung ab und ist daher im Einzelfall zu beurteilen, weswegen von der „Situationsgebundenheit der Schutzpflichten“ gesprochen wird.296 b) Voraussetzungen einer außerdeliktischen Sonderverbindung Nachdem die Grundzüge von außerdeliktischen Sonderverbindungen dargelegt worden sind, soll nun untersucht werden, unter welchen Voraussetzungen eine solche Sonderverbindung im Verhältnis zwischen den gegen ein Lock-up Agreement verstoßenden Altaktionären und den Anlegern entstehen kann. Dafür werden zunächst die abstrakten Kriterien dargestellt, in denen eine Sonderverbindung in Betracht kommt, wobei in diesem Zusammenhang noch nicht auf die Existenz konkreter Schutzpflichten eingegangen wird. Daneben wird untersucht, welche Rolle die Kodifikation der culpa in contrahendo, insbesondere der Tatbestand des § 311 Abs. 3 BGB für die Begründung einer Sonderverbindung spielt. Schließlich gilt es die Zurechenbarkeit eines Schutzpflichtverstoßes zu diskutieren, wobei vor allem die Frage zu klären sein wird, inwieweit diese ein Verschulden voraussetzt. aa) Tatsächliches Näheverhältnis und erhöhte Einwirkungsmöglichkeit Die grundlegenden Strukturmerkmale einer Sonderverbindung knüpfen an das Vorliegen eines tatsächlichen Näheverhältnisses und die daraus resultierende erhöhte Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter des Gefährdeten an.297 Das Merkmal des tatsächlichen Näheverhältnisses dient der Abgrenzung gegenüber der rein deliktischen Zufallsbegegnung und setzt voraus, dass sich Schädiger und Geschädigter nicht gänzlich beziehungslos gegenüberstehen. Eine solche Nähebeziehung beschreibt ein Verhältnis, welches „auch privatautonom begründet werden könnte“, von der Rechtsordnung, insbesondere dem Deliktsrecht, jedoch nicht ausreichend geschützt wird.298 Dem Merkmal des tatsächlichen Näheverhältnisses kommt dabei indes keine konstitutive Wirkung zu und es kann als solches auch nicht das Entstehen von Schutzpflichten begründen; da anderenfalls das Erfordernis einer privatautonomen Vereinbarung untergraben würde.299 Indes kommt dem Merkmal des tatsächlichen Näheverhältnisses insofern Bedeutung zu, als es Aufschluss darüber gibt, ob eine Partei eine erhöhte Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils innehat, aufgrund derer das Entstehen von Schutzpflichten gerechtfertigt erscheint.300 296 Medicus, in: FS Canaris, 2007, S. 835, 840; Thom, Ähnliche geschäftliche Kontakte, 2010, S. 25. Zu den Begründungsansätzen der konkreten Schutzpflichten und den Haftungsfolgen aufgrund deren Verletzung siehe unten 8. Kapitel B. 297 Vgl. Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 219 f.; Krebs, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016. 298 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 219 [Hervorh. i. Orig.]. 299 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 220. 300 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 220.

A. Dogmatische Grundlagen eines Haftungskonzepts

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Wird in diesem Zusammenhang die Beziehung zwischen den Altaktionären und den Anlegern betrachtet, so ist ein tatsächliches Näheverhältnis auf den ersten Blick nicht ersichtlich; insbesondere eine Einbeziehung der Anleger in die schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Altaktionären und der Emissionsbank würde eine unzulässige Willensfiktion darstellen.301 Gleichwohl besteht ein wirtschaftliches Näheverhältnis zwischen den Altaktionären und den Anlegern, da ein Verstoß der Altaktionäre gegen ein Lock-up Agreement unmittelbare Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Interessen der Anleger haben kann.302 Somit lässt sich feststellen, dass zwar ein wirtschaftliches Näheverhältnis vorliegt, ein rechtliches Näheverhältnis auf den ersten Blick jedoch nicht erkennbar ist. Ein Auseinanderfallen von wirtschaftlicher und rechtlicher Nähebeziehung ist indes ein typisches Strukturmerkmal des Kapitalmarkts.303 Eine außerdeliktische Sonderverbindung soll gerade die Aufgabe erfüllen, dieses strukturbedingte Auseinanderfallen von erhöhter wirtschaftlicher Einwirkungsmöglichkeit und fehlender rechtlicher Beziehung zu kompensieren, indem eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen den Personen entwickelt wird.304 Folglich lässt sich zusammenfassen, dass sich die durch das Lock-up Agreement verpflichteten Altaktionäre und die Anleger nicht gänzlich beziehungslos gegenüberstehen. Der Umstand, dass dieses Verhältnis auf den ersten Blick rein wirtschaftlicher Natur ist, ist auf das strukturelle Auseinanderfallen von wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen am Kapitalmarkt zurückzuführen, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen den Altaktionären und den Anlegern ein tatsächliches Näheverhältnis besteht, welches wiederum Indiz für eine besondere Einwirkungsmöglichkeit der Altaktionäre auf die Interessen und Rechtsgüter der Anleger ist. bb) Anwendungsvorrang des § 311 Abs. 3 S. 1 BGB? Die Beurteilung der Beziehung zwischen den Altaktionären und den Anlegern im Hinblick auf das Vorliegen einer außerdeliktischen Sonderverbindung erfordert zwangsläufig eine Auseinandersetzung mit § 311 Abs. 3 BGB. Denn § 311 Abs. 3 S. 1 BGB normiert, dass ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB 301

Dazu bereits ausführlich unter 4. Kapitel B. IV. 1. und 2. Zur Kursrelevanz von Lock-up Agreements, sowie der negativen Kursentwicklung infolge von Verstößen gegen Lock-up Agreements, vgl. bereits 3. Kapitel B. II. sowie 4. Kapitel A. I. 303 Vgl. Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 228, der sich auf das Beispiel der Emission beruft, welche aus wirtschaftlicher Sicht ein Geschäft zwischen dem Emittenten und dem Anleger darstellt, wovon die rechtliche Beziehung durch das Dazwischentreten der Emissionsbank (so jedenfalls im Regelfall der Fremdemission) entkoppelt wird. 304 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 228. Ähnlich auch Krebber, VersR 2004, 150, der auf Konstellationen hinweist, in denen „ein an sich vertraglicher Sachverhalt gesetzlich so geregelt ist, dass die rechtlichen Beziehungen nicht unmittelbar zwischen den in Kontakt stehenden Personen bestehen.“ 302

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

auch zu Personen entstehen kann, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Auf den ersten Blick scheint das Verhältnis zwischen Altaktionären und Anlegern somit dem Anwendungsbereich der Norm zu unterfallen. Allerdings ist der Regelungsgehalt von § 311 Abs. 3 S. 1 BGB umstritten. Teilweise wird vertreten, dass § 311 Abs. 3 S. 1 BGB als Generalnorm für alle Sonderverbindungen zu Dritten zu verstehen ist, wobei es unerheblich sein soll, ob dabei ein Bezug zu einem vorvertraglichen Verhältnis besteht.305 Gegen eine solche Auffassung spricht jedoch bereits, dass Abs. 3 S. 1 der Vorschrift keine Voraussetzungen für das Entstehen einer solchen Sonderverbindung benennt und somit keinen Tatbestand darstellt. § 311 Abs. 3 S. 1 BGB hat somit lediglich einen klarstellenden Charakter, wonach eine Beteiligtenstellung des Dritten keine Voraussetzung für das Entstehen eines Sonderrechtsverhältnisses ist.306 Vor allem aber spricht eine historische Auslegung, insbesondere der Gesetzgebungsprozess, gegen die Auffassung, § 311 Abs. 3 S. 1 BGB stelle eine allgemeingültige Generalnorm für Sonderverbindungen gegenüber Dritten dar. Zwar lässt die offene Gestaltung des Abs. 3 S. 1 zusammen mit der Formulierung des Abs. 3 S. 2 Raum für Weiterentwicklungen, was der Gesetzgeber erkannt und ausdrücklich gewollt hat.307 Dennoch handelt es sich bei der Normierung der §§ 241, 311 BGB lediglich um die Kodifizierung des bereits bestehenden, ungeschriebenen Rechts, namentlich der Fallkonstellationen der culpa in contrahendo. Eine darüber hinausgehende Änderungs- bzw. Regelungsabsicht wurde vom Gesetzgeber hingegen nicht verfolgt.308 Daher soll nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers für die Auslegung der Vorschrift weiterhin auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden.309 Daraus folgt, dass für eine Sonderverbindung nach § 311 Abs. 3 BGB der Dritte stets dem Lager eines potentiellen Vertragspartners zugehören muss bzw. einen „parteiähnlichen Einfluss“ auf den Vertragsschluss ausüben muss,310 sodass ein aktuelles oder potentielles 305

Becker, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 311 Rn. 109 ff., 151. Eichler, Vertragliche Dritthaftung, 2007, S. 268 f.; Keller, Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, 2007, S. 211; Koch, AcP 206 (2016), 59, 63. Weiter geht Kersting, Dritthaftung für Informationen, 2007, S. 123 f., der auch den „lehrbuchartigen Charakter“ der Vorschrift erkennt, in der Vorschrift dennoch eine allgemeine Rechtfertigung der Dritthaftung sieht. 307 Vgl. Begr. RegE SchuldRModG, BT-Drucks. 14/6040, 163. 308 Emmereich, JuS 2003, 402 spricht in diesem Zusammenhang von einer „Merkzettelgesetzgebung“; ders., in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 311 Rn. 173; Grüneberg, in: PalandtBGB, 78. Aufl. 2019, § 311 Rn. 60; Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring (Hrsg.), Das Neue Schuldrecht, 2002, § 3 Rn. 48; Medicus, JuS 2003, 521; Stürner, in: PWW-BGB, 13. Aufl. 2018, § 311 Rn. 34. In diese Richtung auch Canaris, JZ 2001, 499, 519. Kritisch dazu Kersting, Dritthaftung für Informationen, 2007, S. 160 ff., der von einer „unzulässigen Überbetonung des historischen Arguments“ spricht. 309 Allg. Ansicht, vgl. Däubler-Gmelin, NJW 2001, 2281, 2284; Emmerich, in: MüKoBGB, 7. Aufl. 2016, § 311 Rn. 173; Grüneberg, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 311 Rn. 60; Kersting, Dritthaftung für Informationen, 2007, S. 153; Lieb, in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/ Ring (Hrsg.), Das Neue Schuldrecht, 2002, § 3 Rn. 48. 310 So Koch, AcP 204 (2004), 59, 74. 306

A. Dogmatische Grundlagen eines Haftungskonzepts

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vertragliches bzw. vertragsähnliches Verhältnis zwischen zwei Parteien bestehen muss, an welchem der Dritte zumindest mittelbar beteiligt ist.311 Vor diesem Hintergrund kommen insbesondere zwei von der Rechtsprechung entwickelte Fallkonstellationen in Betracht, in denen gem. § 311 Abs. 3 BGB eine Sonderverbindung entstehen kann. Die Figur der Sachwalterhaftung ist dabei in Abs. 3 S. 2 eigens angesprochen,312 jedoch haben die vorangegangenen Untersuchungen bereits ergeben, dass eine Sonderverbindung nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB im Verhältnis zwischen den Altaktionären und den Anlegern ausscheidet.313 Daneben kommt eine Eigenhaftung Dritter in Betracht, wenn der Dritte ein eigenes, unmittelbares und erkennbares Interesse an dem Vertragsschluss hat (Fallgruppe des procurator in rem suam).314 An den Tatbestand des eigenen wirtschaftlichen Interesses sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen und dieser ist auf Ausnahmefälle zu beschränken, da anderenfalls eine unüberschaubare Ausdehnung des Haftungskreises droht.315 Dies lässt sich bereits der Entscheidung des Gesetzgebers entnehmen, die Fallgruppe des wirtschaftlichen Eigeninteresses nicht als Regelbeispiel in § 311 Abs. 3 BGB zu kodifizieren.316 Daher wird ein unmittelbares eigenes Interesse nur noch bejaht, wenn der Dritte bei den Verhandlungen im Grunde in eigener Sache tätig wird und als Quasi-Partei, d. h. auch selbst, im Rahmen der Verhandlungen auftritt, da erst die parteigleiche Vertrauenswürdigkeit eine haftungsrechtliche Gleichstellung rechtfertigt.317 Eine solche Stellung nehmen die Altaktionäre indes nicht ein. Denn im Rahmen der Vertragsverhandlungen bzw. der Vertragsbeziehungen bezüglich des Anteilserwerbs zwischen den Anlegern und der Emissionsbank bzw. dem Anteilsveräußerer treten die Altaktionäre gar nicht in Erscheinung. Auch ein wirtschaftliches Interesse der Altaktionäre an einem Wertpapiererwerb des Anlegers wäre fingiert. Zwar ist eine positive Entwicklung des Aktienkurses auch im Interesse der Altaktionäre, jedoch lässt sich daraus kein konkretes Interesse an dem jeweiligen Aktienerwerb herleiten. Folglich kommt eine Sonderverbindung zwischen den Altaktionären und den Neuanlegern aufgrund eines unmittelbaren Eigeninteresses nach § 311 Abs. 3 S. 1 BGB nicht in Betracht. Fraglich ist nunmehr, was dieser Befund für die Begründung einer Sonderverbindung zwischen den Altaktionären und den Anlegern bedeutet. Denn mit der Einführung des § 311 BGB ist die Rechtsprechung nunmehr aufgrund von 311 Eichler, Vertragliche Dritthaftung, 2007, S. 269 f.; Feldmann, in: Staudinger-BGB (2018), § 311 Rn. 183, 223. 312 Feldmann, in: Staudinger-BGB (2018), § 311 Rn. 183. 313 Vgl. 4. Kapitel B. IV. 3. b). 314 Emmerich, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 311 Rn. 175; Feldmann, in: StaudingerBGB (2018), § 311 Rn. 183; Grüneberg, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 311 Rn. 61 ff. 315 Canaris, JZ 2001, 499, 520 spricht in diesem Zusammenhang von einem mehr als „überragenden“ Einzelinteresse, welches auf „Extremfälle“ zu beschränken ist. So auch Emmerich, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 311 Rn. 175; Koch, AcP 204 (2004), 59, 64. 316 Dazu Canaris, JZ 2001, 499, 520. 317 Emmerich, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 311 Rn. 175; Koch, AcP 204 (2004), 59, 78.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

Art. 20 Abs. 3 GG an das Gesetz und folglich an § 311 Abs. 3 BGB gebunden. Für die Beurteilung einer Dritthaftung hat dies zur Folge, dass § 311 Abs. 3 BGB, jedenfalls innerhalb des Anwendungsbereichs der Norm, Gesetzesvorrang hat. Innerhalb des Anwendungsbereichs von § 311 Abs. 3 BGB muss eine Rechtsfortbildung daher ausscheiden, da diese der besagten Norm und damit dem Gesetz zuwiderliefe.318 Dennoch schließt die Regelung des § 311 Abs. 3 BGB eine rechtsfortbildende Entwicklung eines Haftungsinstituts im Fall des Verstoßes gegen ein Lockup Agreement nicht grundsätzlich aus. Denn Anliegen der Regelung der §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3 BGB war gerade die Kodifikation der bis dato ungeregelten culpa in contrahendo, sodass sich auch der Anwendungsbereich der Norm auf diese Konstellationen beschränkt.319 Vorliegend wurde festgestellt, dass eine Sonderverbindung zwischen den Altaktionären und den Anlegern gerade nicht auf § 311 Abs. 3 BGB gestützt werden kann, sodass die Vorschrift keine Anwendung findet und somit einer Rechtsfortbildung nicht im Wege steht.320 c) Voraussetzung eines Vertretenmüssens Soweit eine Sonderverbindung mit außerdeliktischen Schutzpflichten begründet und eine dieser Schutzpflichten verletzt wird, stellt sich die Frage nach der Zurechenbarkeit einer solchen Pflichtverletzung. Fraglich ist insbesondere, ob ein Schadensersatzanspruch stets ein Vertretenmüssen gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB voraussetzt. Für eine Haftung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo gem. § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 311 Abs. 2, 3, 241 Abs. 2 BGB gilt unweigerlich, dass der Schädiger die Pflichtverletzung zu verschulden haben muss (§§ 280 Abs. 1 S. 2, 276 BGB).321 Sofern jedoch der Anwendungsbereich von § 311 Abs. 3 BGB nicht eröffnet ist, sondern eine Sonderverbindung außerhalb der Grundsätze der culpa in contrahendo entsteht, können auch andere Zurechnungsmaßstäbe als ein Verschulden in Betracht kommen. Auch das Gesetz kennt Haftungstatbestände, die unabhängig von einem Verschulden des Schädigers eingreifen, etwa § 122 Abs. 1 BGB322 oder § 179 Abs. 1 BGB.323 Daraus folgt, dass ein Haftungsinstitut, welches an eine Sonderverbindung mit außerdeliktischen Schutzpflichten anknüpft, nicht notwendigerweise ein Ver-

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Eichler, Vertragliche Dritthaftung, 2007, S. 278. Vgl. bereits die Nachweise unter Fn. 308. 320 Ähnlich auch Krawitz, Schutz vorvertraglicher Investitionen, 2015, S. 121 f.; a.A. Kersting, Dritthaftung für Informationen, 2007, S. 108, 159 ff. 321 Becker, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 311 Rn. 49a; Feldmann, in: Staudinger-BGB (2018), § 311 Rn. 186. 322 Armbrüster, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 122 Rn. 3; Ellenberger, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 122 Rn. 1. 323 Ellenberger, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 179 Rn. 1; Schubert, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 179 Rn. 2. 319

A. Dogmatische Grundlagen eines Haftungskonzepts

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schulden des Schädigers voraussetzen muss, sondern auch andere Zurechnungstatbestände in Betracht kommen können. d) Zwischenergebnis Eine Schadensersatzhaftung, welche zwischen den beiden Polen des Vertragsund Deliktsrechts zu verorten ist, kann an die Verletzung einer außerdeliktischen Schutzpflicht anknüpfen, die im Rahmen einer Sonderverbindung zwischen Schädiger und Geschädigtem entsteht. Existieren zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten außerdeliktische Schutzpflichten, liegt folglich eine Sonderverbindung vor, ist auch der Ersatz von Vermögensinteressen gerechtfertigt, da im Rahmen der Sonderverbindung eine hinreichende Konkretisierung der potentiellen Gläubiger erfolgt, sodass ein Schaden für den Schädiger – anders als in der deliktischen Jedermannbeziehung – kalkulierbar bleibt. Da es sich bei den außerdeliktischen Schutzpflichten trotz des notwendigen rechtsgeschäftlichen Kontakts im Ergebnis um gesetzliche Pflichten handelt,324 deren Verletzung unabhängig vom Willen der Parteien eine Ersatzpflicht begründet, wird in diesem Zusammenhang von einer Haftung ex lege gesprochen. Es wurde dargelegt, dass zwischen den Altaktionären und den Anlegern jedenfalls ein wirtschaftliches Näheverhältnis existiert, aufgrund dessen die Altaktionäre eine erhöhte Einwirkungsmöglichkeit auf die Interessen der Anleger haben, sodass die abstrakten Voraussetzungen einer Sonderverbindung vorliegen. Indes geben die beiden Voraussetzungen noch keinen Aufschluss über die Existenz eines haftungsbegründenden Schutzverhältnisses, welches die Sonderverbindung begründet. Vielmehr sind die hier untersuchten Voraussetzungen als abstrakte Umstände zu sehen, innerhalb derer eine Sonderverbindung entstehen kann. Erst in einem nächsten Schritt ist sodann zu untersuchen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein konkretes Schutzverhältnis entsteht, dessen Verletzung eine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre zur Folge hat und welches eine entsprechende Sonderverbindung begründet.325 2. Anknüpfung an ein normativitätsstiftendes Verhalten Neben der Anknüpfung an eine Pflichtverletzung könnte ein Haftungsinstitut auch entwickelt werden, indem an ein normativitätsstiftendes Verhalten angeknüpft wird. Während eine Haftung infolge einer Pflichtverletzung auf Schutzpflichten beruht, welche unabhängig vom Willen und den Entscheidungen der Beteiligten entstehen, bzw. einem solchen Willen oftmals gar zuwiderlaufen, wird im Rahmen einer Haftung aufgrund normativitätsstiftenden Verhaltens gerade auf das Verhalten, 324 Dazu Eichler, Vertragliche Dritthaftung, 2007, S. 298; Krebs, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 241 Rn. 20. 325 Dazu sogleich unter 8. Kapitel B. I.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

insbesondere die Verhaltensäußerungen der Beteiligten, abgestellt. Dabei sollen aus den Erklärungen und dem Verhalten der Parteien gerade keine Willenserklärungen und vertraglichen Bindungen fingiert werden, stattdessen soll auch von Verhaltensweisen unterhalb der Schwelle zur Willenserklärung eine Bindungswirkung ausgehen können, welche Ausgleichs- bzw. Ersatzpflichten zur Folge haben kann. Im Gegensatz zu der Anknüpfung an gesetzliche Pflichten und die Schutzbedürftigkeit des Geschädigten steht somit das autonome Verhalten der Parteien im Vordergrund, weswegen in diesem Zusammenhang auch von einer Haftung ex voluntate oder einer quasi-vertraglichen Haftung gesprochen werden kann. Die Anknüpfung an das vom Willen getragene Verhalten der Parteien rechtfertigt zugleich den Ersatz von Vermögensinteressen. Denn die insoweit quasi-vertragliche Beziehung ist, anders als die deliktische Jedermannbeziehung, hinreichend konkretisiert, sodass eine unkalkulierbarere Potenzierung der Gläubiger und eine damit einhergehende Ausuferung der Haftung gerade nicht drohen. Unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten normativitätsstiftend ist, wird im Folgenden zu untersuchen sein.326

IV. Zusammenfassung Der Versuch einer dogmatischen Einordnung eines zu entwickelnden Haftungsinstituts hat gezeigt, dass die Zuordnung einer Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern infolge der Verletzung eines Lock-up Agreements innerhalb der klassischen Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Haftung nicht gelingt: Während eine vertragliche Einordnung eines Haftungsinstituts an einer vertraglichen Beziehung zwischen den Altaktionären und den Anlegern scheitert, stehen die engen Grenzen des Deliktsrechts einem Vermögensschutz und damit einer Haftung der Altaktionäre entgegen. Ferner wurde dargelegt, dass eine Haftung für den Ersatz von Vermögensinteressen voraussetzt, dass der Kreis der potentiellen Gläubiger konkretisierbar und eine etwaige Schadensersatzhaftung für den Schädiger somit kalkulierbar sein muss, da anderenfalls eine Potenzierung und Ausuferung von Schadensersatzansprüchen drohte, die der Funktionsfähigkeit des Rechtsverkehrs entgegenstünde. Mögliche Ansätze, welche die klassische Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Haftung überwinden und die Herleitung eines Haftungsinstituts im Fall einer Verletzung von Lock-up Agreements begründen, lassen sich auf abstrakter Ebene in zwei dogmatische Kategorien unterteilen: So kann zum einen auf eine gesetzliche Haftung abgestellt werden, welche an eine Pflichtverletzung des Schädigers anknüpft. Unbeachtlich ist hierfür die innere Willensrichtung der Parteien, da eine Haftung an einen objektiven Tatbestand anknüpft. Daneben kommt eine Haftung nach quasi-vertraglichen Grundätzen in Betracht, welche nicht auf der Ver326

Dazu sogleich unter 8. Kapitel B. II.

B. Begründungsansätze einer Haftung

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letzung einer gesetzlichen Pflicht beruht, sondern das Verhalten und die Erklärungen der Parteien dahingehend bewertet, ob diese normativitätsstiftend waren, sodass diese bereits für sich genommen eine Einstandspflicht begründen.

B. Begründungsansätze einer Haftung Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass zwischen zwei verschiedenen dogmatischen Kategorien unterschieden werden kann, innerhalb derer ein Haftungsinstitut für den Fall einer Verletzung von Lock-up Agreements verortet werden kann. Dabei handelt es sich jedoch um abstrakte Kategorien, sodass nun konkrete Begründungsansätze eines Haftungsinstituts dargestellt werden. Hierbei soll stets untersucht werden, inwieweit die verschiedenen Begründungsansätze geeignet sind, eine Haftung der Altaktionäre infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements zu begründen. Damit wird weitestgehend rechtliches Neuland betreten, da die Haftung aufgrund einer Verletzung von Lock-up Agreements bislang kaum aus rechtsfortbildender Perspektive betrachtet worden ist.327 Das Angebot theoretischer Begründungsansätze ist vielfältig und reicht von einer reinen Vertrauenshaftung328 über den Verkehrsschutz,329 sozialtypische Sprechhandlungen330 bis hin zu einer marktfunktionalen Selbstbindung.331 Die verschiedenen Ansätze werden anhand der vorgestellten Kategorien zwischen gesetzlichen und quasi-vertraglichen Begründungsansätzen differenziert, wobei diese Kategorisierung in erster Linie dem Verständnis und der Veranschaulichung der Unterschiede der verschiedenen Ansätze dient, wobei nicht auszuschließen ist, dass diese Grenzen bei einzelnen Begründungsansätzen mitunter verschwimmen.

I. Gesetzliche Begründungsansätze Zunächst soll auf solche Begründungsansätze eingegangen werden, die eine Haftung von der Erfüllung eines bestimmten (faktischen) Tatbestands abhängig machen und damit von einem konkreten privatautonomen Entschluss, d. h. von dem Willen der Betroffenen, entkoppeln.332 Eine Haftung wird danach unabhängig von

327 Zu derartigen Ansätzen äußern sich einzig Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 23 ff. und am Rande Fleischer, WM 2002, 2305, 2312; Hausmaninger/Splechtna, ÖBA 2002, 37, 41. 328 Dazu sogleich unter B. I. 2. 329 Dazu sogleich unter B. I. 3. 330 Dazu sogleich unter B. II. 4. 331 Dazu sogleich unter B. II. 6. 332 Vgl. die Definition bei Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 214.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

einem entsprechenden Parteiwillen durch Gesetz begründet, weshalb von einer gesetzlichen Haftung bzw. einer Haftung ex lege gesprochen wird.333 1. Deliktische Haftung Im Rahmen einer gesetzlichen Haftung ist zunächst an die deliktsrechtlichen Haftungstatbestände zu denken, welche an das Verhalten des Schädigers als grundlegend unerlaubte Handlung anknüpfen. Jedoch wurde bereits dargelegt, dass eine deliktsrechtliche Haftung im Fall einer Verletzung von Lock-up Agreements nicht in Betracht kommt334 und auch eine rechtsfortbildende Entwicklung einer deliktischen Haftung ausscheidet, da ein umfassender Vermögensschutz den Wertungen des Deliktsrechts zuwiderliefe.335 2. Theorie der vertrauensrechtlichen Haftung (Canaris) Ein umfassendes Konzept für die Haftung im Rahmen einer Sonderverbindung zwischen Vertrag und Delikt bietet die maßgeblich von Canaris geprägte Theorie der Vertrauenshaftung und der ihr zugrundeliegende Vertrauensgedanke.336 Anknüpfungspunkt für den Vertrauensschutz und die darauf aufbauende Vertrauenshaftung ist nach Canaris ein objektiver Vertrauenstatbestand, d. h. ein Sachverhalt, der geeignet ist, in eine bestimmte Richtung Vertrauen zu erwecken. Zusätzlich zu dem objektiven Tatbestand müssen bestimmte Merkmale in der Person des Vertrauenden337 erfüllt sein: Zum einen muss dieser gutgläubig sein und darf nicht leichtfertig vertraut haben, zum anderen muss sich das Vertrauen in einer bestimmten Maßnahme, d. h. einer Vertrauensinvestition oder -disposition, objektiviert haben.338 Im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch der geschädigten Anleger gegenüber den gegen ein Lock-up Agreement verstoßenden Altaktionären ließe sich argumentieren, 333 „Gesetz“ umfasst in diesem Zusammenhang nicht nur das positives Recht, sondern objektives Recht insgesamt. So auch Picker, JZ 1987, 1041, 1044, dort Fn. 14. 334 Vgl. bereits unter 4. Kapitel B. V. 335 Vgl. bereits unter 8. Kapitel A. I. 2. 336 Dazu Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. VIII und passim, der den Versuch unternimmt, „das allgemeine Rechtsprinzip des Vertrauensschutzes zu subsumptionsfähigen Normen zu konkretisieren und dabei eine auf einheitlichen Kriterien beruhende Ordnung, also ein System zu entwickeln.“ Ferner Canaris, JZ 1965, 475 ff.; ders., ZHR 163 (1999), 206 ff.; ders., in: 50 Jahre BGH, Bd. I, 2000, S. 129, 171 ff. 337 Im Rahmen der Vertrauenshaftung wird zwischen dem Vertrauenden bzw. Vertrauensgeber und dem Vertrauensnehmer unterschieden. Der Vertrauende ist diejenige Person, die Vertrauen gewährt und auf dieser Grundlage eine Handlung vornimmt, die zu einem potentiellen Schaden führen kann, sodass der Vertrauende auch als Geschädigter bezeichnet werden kann. Potentiell haftungsverpflichtet ist danach der Vertrauensnehmer, der das Vertrauen der anderen Person für sich beansprucht und diese zu einer Handlung veranlasst. Zu dieser Terminologie vgl. Kersting, Dritthaftung für Informationen, 2007, S. 78, dort Fn. 411. 338 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 491 ff.

B. Begründungsansätze einer Haftung

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dass die Offenlegung des Lock-up Agreements im Emissionsprospekt339 einen Vertrauenstatbestand darstellt, wonach sich die Anleger darauf verlassen können, dass die Altaktionäre ihre Aktien bis zum Ablauf der Lock-up-Periode nicht veräußern werden. Zudem lässt sich argumentieren, dass die Anleger ihre Anteile gerade aufgrund des Vertrauens in den Bestand des Lock-up Agreements erwerben und folglich eine Vertrauensinvestition tätigen.340 Die Annahme, dass die Veröffentlichung des Lock-up Agreements im Emissionsprospekt einen Vertrauenstatbestand schafft, scheint intuitiv plausibel, begründet als solche jedoch noch keinen Schadensersatzanspruch der Anleger. Daher ist im Folgenden zu erörtern, ob die Theorie der Vertrauenshaftung einen tauglichen Begründungsansatz für eine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre liefern kann – sprich, ob das Vertrauen der Anteilseigner schutzwürdig ist und eine Verletzung dieses Vertrauens eine Schadensersatzpflicht begründet. Das Konzept der Vertrauenshaftung wird von Canaris in zwei „Spuren“ unterteilt, die sich anhand ihrer Schutzbereiche und Rechtsfolgen unterscheiden: Durch den positiven Vertrauensschutz wird der Vertrauende so gestellt, wie es der von ihm (im Vertrauen) angenommenen Lage entspricht (Erfüllungshaftung), wogegen der Vertrauende im Rahmen des negativen Vertrauensschutzes so gestellt wird, als hätte er die wahre Lage gekannt und folglich nicht vertraut bzw. disponiert (Ersatz des Vertrauensschadens).341 Die Untersuchung, ob die Theorie der Vertrauenshaftung einen tauglichen Begründungsansatz für die Haftung der Altaktionäre infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements darstellt, erfordert somit zunächst die Zuordnung eines solchen Haftungsinstituts zu der entsprechenden Spur der Vertrauenshaftung. a) Positiver Vertrauensschutz Die vertrauensrechtliche Erfüllungshaftung zielt auf eine Vertrauensentsprechung ab und lässt sich in die Rechtsscheinhaftung342 und die Haftung kraft rechtsmiss-

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Die Pflicht zur Veröffentlichung von Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt ergibt sich aus § 7 WpPG i.V.m. Anhang III Ziff. 7.3 EU-ProspektVO, dazu bereits unter 1. Kapitel C. II. 1. 340 Vgl. Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 23. Ähnlich argumentieren auch Fleischer, WM 2002, 2305, 2312 und Hausmaninger/Splechtna, ÖBA 2002, 37, 41, die einen Vertrauenstatbestand kraft Prospektveröffentlichung für die anders gelagerte Fallkonstellation eines zwischen Altaktionär und Emittenten geschlossenen Lock-up Agreements annehmen, welches nachträglich von den Parteien einvernehmlich geändert oder aufgehoben wird. 341 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 5, der sich in seiner Habilitationsschrift jedoch vornehmlich mit dem positiven Vertrauensschutz befasst und vertrauensrechtliche Schadensersatzansprüche weitestgehend ausklammert (vgl. a.a.O., S. VIII). Ferner ders., in: FS Schimansky, 1999, S. 43, 49 ff.; ders., in: 50 Jahre BGH, 2000, S. 129, 132 ff. und 171 ff. 342 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 9 ff.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

bräuchlichen Verhaltens unterteilen.343 Eine Rechtsscheinhaftung kommt in Betracht, wenn der Schein einer bestimmten Rechtslage oder eines bestimmten Rechtsverhältnisses – etwa der Anschein einer Vollmacht – erzeugt wird, welche in Wahrheit nicht oder nicht mehr bestehen.344 Die Fallgruppe der Erfüllungshaftung kraft rechtsmissbräuchlichen Verhaltens stellt hingegen auf den Gedanken des Rechtsmissbrauchs und § 242 BGB ab.345 Im Hinblick auf die Begründung einer Schadensersatzhaftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern aufgrund der Verletzung eines Lock-up Agreements scheidet der Ansatz der vertrauensrechtlichen Erfüllungshaftung indes aus. Zunächst kommt eine Rechtsscheinhaftung schon deshalb nicht in Betracht, weil sich der Vertrauenstatbestand stets auf ein Rechtsverhältnis oder eine Rechtslage beziehen muss. Hingegen vertrauen die Anteilseigner darauf, dass die Altaktionäre das getroffene Lock-up Agreement einhalten und ihre Anteile nicht vor Ablauf der Sperrfrist veräußern werden, was lediglich eine natürliche Tatsache darstellt und einen sog. „Tatsachenschein“ begründet, welcher jedoch nicht der Rechtsscheinhaftung unterfällt.346 Darüber hinaus scheidet der positive Vertrauensschutz als Begründungshaftung auch grundsätzlich aus, da dieser ausschließlich auf Hauptleistungspflichten abzielt,347 welche im Verhältnis zwischen den Altaktionären und den Anlegern gerade nicht bestehen. Zwar sollen im Rahmen des Vertrauensgedankens und des Grundsatzes von Treu und Glauben gem. § 242 BGB (erfüllungs-)anspruchsbegründende Tatsachen ersetzt werden können,348 jedoch beschränkt sich dies auf die Voraussetzungen für die Begründung von Hauptleistungspflichten und erstreckt sich nicht auf die Herleitung von Hauptleistungspflichten als solche. Vielmehr würde der Grundsatz der Privatautonomie außer Kraft gesetzt, wenn zwischen den Altaktionären und den Anlegern Hauptleistungspflichten begründet würden, obwohl aus dem Lock-up Agreement erkennbar ist, dass sich die Altaktionäre ausschließlich gegenüber der Emissionsbank und nicht gegenüber den Anlegern verpflichten wollten.349 Der positive Ver343

Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 266 ff., der dort auf „die Vertrauenshaftung kraft rechtsethischer Notwendigkeit gemäß § 242 BGB“ abstellt. Übersichtlich zur Unterscheidung der Formen positiver Vertrauenshaftung Canaris, in: 50 Jahre BGH, 2000, S. 129, 132 ff. 344 Canaris, in: 50 Jahre BGH, 2000, S. 129, 133. 345 Zur Weiterentwicklung von § 242 BGB als Grundlage von Erfüllungsansprüchen vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 270 f. 346 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 496. Begründet wird dies mit der verbesserten Einflussnahmemöglichkeit auf Rechtslagen im Vergleich zu natürlichen Tatsachen, weshalb die umfangreichere Erfüllungshaftung nur bei Vorliegen einer solchen Rechtslage greifen soll, vgl. dazu Canaris, JZ 1968, 494, 500. 347 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 267. 348 In diesem Zusammenhang wird häufig das Beispiel des Formmangels genannt, etwa wenn eine Partei der anderen Partei erklärt, dass ein Vertrag, welcher einem gesetzlichen Formerfordernis unterliegt, formlos gültig sei, vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 268; ders., in: 50 Jahre BGH, 2000, S. 129, 133 f. 349 Dazu bereits unter 4. Kapitel B. IV. 1. und 2.

B. Begründungsansätze einer Haftung

229

trauensschutz stellt folglich keinen tauglichen Begründungsansatz für eine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre dar. b) Negativer Vertrauensschutz Neben der Erfüllungshaftung stellt die vertrauensrechtliche Schadensersatzhaftung die zweite Spur der Vertrauenshaftung dar, welche auf den Ersatz des Vertrauensschadens, d. h. des negativen Interesses, gerichtet ist (negativer Vertrauensschutz). Danach soll der Vertrauende so gestellt werden, als hätte er nicht vertraut, wobei Gegenstand des Vertrauensschutzes – anders als bei der Rechtsscheinhaftung – auch natürliche Tatsachen sein können.350 Wird nun an den zuvor beschriebenen Vertrauenstatbestand351 angeknüpft, so wären die Anleger im Rahmen einer vertrauensrechtlichen Schadensersatzhaftung so zu stellen, als hätten sie nicht darauf vertraut, dass die Altaktionäre ihre Anteile für die Dauer der Lock-up-Periode nicht veräußern werden. Die Anleger wären folglich so zu stellen, wie sie ohne die Vertrauensinvestition, d. h. den Erwerb von Aktien im Vertrauen auf die Einhaltung des Lock-up Agreements, stünden. Dennoch ist damit noch nicht erwiesen, dass die Theorie des vertrauensrechtlichen Schadensersatzes einen tauglichen Begründungsansatz für einen Schadensersatzanspruch der Anleger gegen die Altaktionäre darstellt. Vielmehr ist zu untersuchen, ob das konkrete Vertrauen auch schutzwürdig ist, da die Rechtsordnung eine allgemeine Vertrauenshaftung nicht kennt,352 wobei hinsichtlich der vertrauensrechtlichen Schadensersatzhaftung zwischen den Erscheinungsformen der Vertrauenshaftung wegen Schutzpflichtverletzung und der Erklärungshaftung differenziert werden kann. Die Erscheinungsform der Vertrauenshaftung wegen einer Schutzpflichtverletzung beruht auf der Annahme, dass die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens zu einer gesteigerten Verantwortlichkeit bei der Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr führt, welche sich in entsprechenden Schutzpflichten niederschlägt, deren schuldhafte Verletzung eine Schadensersatzhaftung zur Folge hat. Der Vertrauenshaftung soll zwar auch die Haftung der culpa in contrahendo unterfallen, jedoch gehe die Vertrauenshaftung über deren Anwendungsbereich hinaus, indem nicht nur die Parteien des intendierten Vertrags, sondern auch Dritte erfasst werden353 und sowohl vor- als auch nachvertragliche Schutzpflichten, welche zu einem einheitlichen gesetzlichen Schuldverhältnis zusammengefasst werden sollen, der Vertrauenshaftung 350

Canaris, in: 50 Jahre BGH, 2000, S. 129, 175; in diese Richtung bereits zuvor ders., JZ 1968, 494, 500. 351 Vgl. soeben unter 8. Kapitel B. I. 2. 352 Dies räumt auch Canaris ein, vgl. ders., in: FS Schimansky, 1999, S. 43, 59; ders., ZHR 163 (1999), 206, 220. 353 Dies wird mit der Existenz von § 179 Abs. 2 BGB begründet, denn wenn das Gesetz im Rahmen dieser Vorschrift eine verschuldensunabhängige und insoweit strengere Haftung Dritter kennt, muss eine (engere) culpa-Haftung ebenfalls zulässig sein, vgl. Canaris, in: 50 Jahre BGH, 2000, S. 129, 173.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

unterfallen.354 Um eine ausufernde Haftung von Dritten, die nicht Partei des intendierten oder geschlossenen Vertrags sind, zu vermeiden, sollen die aus dem Strafrecht bekannten Gedanken von Täterschaft und Teilnahme herangezogen werden, um eine haftungsrechtliche Gleichstellung von Dritten mit den intendierten Vertragsparteien zu rechtfertigen.355 Im Hinblick auf die Fallkonstellation des Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement befinden sich die Altaktionäre in keiner (intendierten) Parteistellung gegenüber den Anlegern, sodass, um nach dem Konzept der vertrauensrechtlichen Schadensersatzhaftung wegen Schutzpflichtverletzung eine Haftung der Altaktionäre zu begründen, diese Vertrauen für sich in Anspruch genommen und als Dritte zudem Tatherrschaft innegehabt haben müssten. Darüber hinaus müsste der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement eine schuldhafte Verletzung einer Schutzpflicht darstellen. Eine weitere Erscheinungsform der vertrauensrechtlichen Schadensersatzhaftung stellt das Konzept der Erklärungshaftung dar. Die Erklärungshaftung beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der eine falsche oder fehlerhafte Erklärung abgibt, für die Folgen bzw. den Schaden einzustehen hat, den diese Erklärung bei demjenigen, der auf ihre Richtigkeit vertraut, verursacht hat.356 Die Erklärungshaftung trifft nach Canaris sowohl auf die gesetzlich normierten Vorschriften der §§ 122 Abs. 1 und 179 Abs. 2 BGB zu als auch auf andere in diesen Zusammenhang fallende, jedoch gesetzlich ungeschriebene Tatbestände.357 Im Gegensatz zu der Vertrauenshaftung wegen einer Schutzpflichtverletzung knüpft die Erklärungshaftung nicht an ein Verschulden des Erklärenden an, sondern begründet eine Haftung mit dem Risikogedanken, wonach die Abgabe einer falschen oder fehlerhaften Erklärung der „Sphäre“ des Erklärenden entstammt,358 sodass dieser für daraus entstehende Schäden aufzukommen hat.359 Folglich ließe sich eine Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern im Rahmen einer Erklärungshaftung kraft Risikozuweisung begründen, vorausgesetzt man erkennt die Veröffentlichung des Lock-up Agreements im Emissionsprospekt als Erklärung der Altaktionäre an und akzeptiert eine über die §§ 122 Abs. 1 und 179 Abs. 2 BGB hinausgehende, allgemeine vertrauensrechtliche Erklärungshaftung.

354

Canaris, JZ 1965, 475, 478 ff.; ders., in: FS Giger, 1989, S. 91, 96; ders., in: FS Schimansky, 1999, S. 43, 51 f.; ders., in: 50 Jahre BGH, 2000, S. 129, 173 f. 355 Dazu und insbesondere zur Vertrauenshaftung kraft Tatherrschaft Canaris, in: FS Giger, 1989, S. 91, 101 ff. 356 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 532 f.; ders., in: 50 Jahre BGH, 2000, S. 129, 171. 357 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 532 f., 537; ders., in: FS Schimansky, 1999, S. 43, 59. 358 Ausführlich zum Risikoprinzip und Sphärengedanken unter 8. Kapitel D. II. 2. c). 359 Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 534 ff.; ders., in: 50 Jahre BGH, 2000, S. 129, 171 f.

B. Begründungsansätze einer Haftung

231

c) Kritik und Stellungnahme Die Darstellung der verschiedenen Erscheinungsformen der vertrauensrechtlichen Haftung hat gezeigt, dass lediglich die negative Vertrauenshaftung als möglicher Ansatz für eine Haftung der Altaktionäre infolge der Verletzung eines Lock-up Agreements in Betracht kommt. Indes hat sich die Theorie einer eigenständigen Vertrauenshaftung nicht durchsetzen können und es sprechen sowohl rechtliche Erwägungen360 als auch praktische Gesichtspunkte gegen eine vertrauensrechtliche Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern. Nach dem Ansatz einer Vertrauenshaftung wegen Schutzpflichtverletzung soll eine Sonderverbindung samt außerdeliktischer Schutzpflichten außerhalb des intendierten Vertragsverhältnisses entstehen, welche allein durch die Inanspruchnahme von Vertrauen begründet wird. Zwar wird der Vertrauensschutz als allgemeines Rechtsprinzip anerkannt,361 vom Gesetz jedoch nur punktuell zur Anspruchsgrundlage erhoben und begründet gerade keine allgemeine Vertrauenshaftung,362 sodass die Inanspruchnahme von Vertrauen allein keine Haftung begründen kann.363 Dies hat der Gesetzgeber nicht zuletzt mit der Regelung von § 311 Abs. 3 S. 2 BGB verdeutlicht, die zwar auf die Inanspruchnahme von Vertrauen abstellt, gleichzeitig aber klarstellt, dass die Vertrauensinanspruchnahme alleine nicht genügt, um eine Haftung zu begründen.364 Es sprechen darüber hinaus auch grundlegende Erwägungen gegen die Theorie der Vertrauenshaftung. So ist insbesondere der Vertrauensbegriff zu unpräzise, um als alleinige Legitimation einer Sonderverbindung mit Schutzpflichten zu dienen. Problematisch ist dabei bereits die notwendige Abgrenzung von alltäglichem und gesellschaftlichem Vertrauen in zwischenmenschlichen Beziehungen und jenem Vertrauen, welches nach Ansicht der Vertrauenslehre Schutzpflichten begründet, deren Verletzung haftungsbewehrt ist.365 Der Begriff des Vertrauens ist zudem viel zu diffus und leerformelartig, um als Tatbestandsmerkmal über diese Abgrenzung Klarheit schaffen zu können, da er zu einem Großteil in den Gefühls- und Glau-

360 Zur Kritik an der Vertrauenshaftung insbesondere Hopt, AcP 183 (1983), 608, 641 f.; Keller, Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, 2007, S. 88 ff.; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 97 ff.; Krebber, VersR 2005, 150, 153; Picker, AcP 183 (1983), 369, 418 ff.; ders., JZ 1987, 1041, 1045 f.; ders., in: FS Medicus, 1999, S. 397, 419 ff. 361 Vgl. dazu 7. Kapitel A. II. 1. 362 Vgl. Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 23 f. 363 Zu der ähnlichen Konstellation eines Verstoßes gegen den Corporate Governance Kodex nach einer positiven, öffentlichen Entsprechenserklärung vgl. Bachmann, WM 2002, 2137, 2140. 364 So auch Eichler, Vertragliche Dritthaftung, 2007, S. 100. 365 Keller, Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, 2007, S. 89; Picker, AcP 183 (1983), 369, 420.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

bensbereich und damit in die Ebene des Unbewussten eindringt.366 Insbesondere für die Fallgruppe der Auskunftshaftung, welche eine strukturelle Ähnlichkeit zum Fall des Verstoßes gegen Lock-up Agreements aufweist, kann der Vertrauensbegriff keine trennscharfe Abgrenzung zwischen haftungsbegründenden und haftungsfreien Auskünften gewährleisten.367 Zwar mag die Assoziation, es werde ein Vertrauensbruch sanktioniert, auf den ersten Blick einem grundsätzlichen Rechtsempfinden entsprechen, tatsächlich führt ein solches „gefühlsmobilisierendes“ Entscheidungskriterium jedoch zu völlig unberechenbaren Haftungsfolgen.368 Versuche, den Vertrauensbegriff mit weiteren Leerformeln wie der des Treu und Glaubens zu konkretisieren, sind in diesem Zusammenhang als bloße Tautologie zu bewerten und folglich abzulehnen.369 Neben der begrifflichen Ungenauigkeit kann auch die Einordnung der Vertrauenshaftung als eigenständige dritte Spur zwischen dem Vertrags- und Deliktsrecht nicht überzeugen. Denn aufgrund der Allgegenwärtigkeit von Vertrauen spielt der Vertrauensgedanke auch im Vertrags- und Deliktsrecht eine zentrale Rolle und begründet demnach immer ein Glied der Kausalkette, die von der Verletzungshandlung zum Schaden führt.370 So vertraut etwa ein Verkehrsteilnehmer auf die Handzeichen und Gesten eines anderen Verkehrsteilnehmers, mit welchen dieser Vorfahrt gewährt. Dass es sich hierbei um die Inanspruchnahme von Vertrauen handelt, ist unbestritten; ebenso unbestritten dürfte jedoch sein, dass in diesem Fall keine besondere, über das Deliktsrecht hinausgehende Vertrauenshaftung greift.371 Dasselbe gilt für das Vertragsrecht, denn auch der Vertragspartner setzt sich und sein Vermögen dem Vertragsgegner aus, im Vertrauen darauf, dass sich dieser vertragsgerecht und rücksichtsvoll verhält.372 Vertrauen wird somit sowohl im Vertrags- als auch im Deliktsrecht gewährt und in Anspruch genommen, findet im Rahmen einer vertraglichen oder deliktischen Haftung jedoch keine besondere Berücksichtigung. Folglich ist Vertrauen als ubiquitäres Moment Vorbedingung jeder Schadenszufügung und kann demnach nicht als konstitutives und differenzierendes Merkmal einer eigen-

366

Hopt, AcP 183 (1983), 608, 641; Keller, Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, 2007, S. 94 f.; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 70 und 114 f.; Luhmann, Vertrauen, 5. Aufl. 2014, S. 42. 367 Koch, AcP 204 (2004), 59, 72. 368 So Picker, AcP 183 (1983), 369, 421. 369 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 98. 370 Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 232; Frotz, in: GS Gschnitzer, 1969, S. 163, 169; Picker, JZ 1987, 1041, 1046; in diese Richtung bereits Ermann, AcP 139 (1934), 273 312. Ferner Keller, Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, 2007, S. 92 ff.; Küpper, Das Scheitern von Vertragsverhandlungen als Fallgruppe der culpa in contrahendo, 1988, S. 32. 371 Vgl. Picker, AcP 183 (1983), 369, 422. 372 Picker, AcP 183 (1983), 369, 422; ders., JZ 1987, 1041, 1046.

B. Begründungsansätze einer Haftung

233

ständigen Spur der Vertrauenshaftung dienen (sog. Einwand der Ubiquität),373 da anderenfalls die Grenze zwischen Recht und Vertrauen verwischt würde.374 Canaris erwidert dem Einwand der Ubiquität, dass nahezu alle allgemeinen Rechtsprinzipien ubiquitäre Elemente enthalten und gerade deshalb als „allgemein“ zu bezeichnen sind.375 Diesem Befund ist nicht zu widersprechen, dennoch kann ein allgemeines Rechtsprinzip als solches gerade nicht zum konstitutiven rechtsfolgenbegründenden Tatbestandselement erhoben werden und eine Haftung begründen.376 Ebenso wenig überzeugen kann daher der Zirkelschluss, die Haftung mit einer Schutzpflichtverletzung zu begründen, wobei sich die Schutzpflichten wiederum aus einem Vertrauensverhältnis herleiten.377 Es bedarf folglich einer scharfen Trennung zwischen dem Prinzip des Vertrauensschutzes, auf welches bereits im Zusammenhang mit der Identifizierung einer Gesetzeslücke eingegangen wurde,378 und einem konkreten Haftungsinstitut samt haftungsbegründenden Tatbestandsmerkmalen. Somit lässt sich zusammenfassen, dass die Theorie der Vertrauenshaftung zwar auf dem Prinzip des Vertrauensschutzes beruht, welches nicht in Frage zu stellen ist, das Konzept der allgemeinen vertrauensrechtlichen Schadensersatzhaftung dagegen keinen tauglichen Ansatz für die Begründung eines Schadensersatzanspruchs der Anleger gegenüber den Anlegern infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements liefert. Dies bedeutet indes nicht, dass der Vertrauensgedanke bei der Begründung eines Haftungsinstituts grundsätzlich außen vor zu bleiben hat; Vertrauensgesichtspunkte können durchaus eine Rolle bei der Entwicklung eines Haftungsmodells spielen.379 Nicht zuletzt der Gesetzgeber hat mit § 311 Abs. 3 S. 2 BGB gezeigt, dass der Vertrauensgedanke als ein Kriterium bei der Begründung von Sonderverbindungen Berücksichtigung finden kann. 3. Konzept des Verkehrsschutzes Einen anderen Ansatz, der ebenfalls auf dem Vertrauensgedanken beruht und damit terminologisch der Vertrauenshaftung zugeordnet werden kann, stellt das Konzept des Verkehrsschutzes dar. Trotz einer inhaltlichen Nähe zu der zuvor un373 Eichler, Vertragliche Dritthaftung, 2007, S. 99; Keller, Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, 2007, S. 92 f.; Loges, Die Begründung neuer Erklärungspflichten und der Gedanke des Vertrauensschutzes, 1991, S. 81; Picker, AcP 183 (1983), 369, 427; ders., JZ 1987, 1041, 1046; ders., in: FS Medicus, 1999, S. 397, 420. 374 Assmann, Prospekthaftung, 1985, S. 232; Luhmann, Vertrauen, 5. Aufl. 2014, S. 42 ff. 375 Canaris, in: 50 Jahre BGH, 2000, S. 129, 193. Ferner zur Erwiderung des Einwands der Ubiquität ders., in: FS Larenz, 1983, S. 27, 105 f.; ders., in: FS Schimansky, 1999, S. 43, 53 ff. 376 So auch Loges, Die Begründung neuer Erklärungspflichten und der Gedanke des Vertrauensschutzes, 1991, S. 82. 377 Ähnlich Picker, AcP 183 (1983), 369, 421. 378 Vgl. 7. Kapitel A. II. 1. 379 So auch Koch, AcP 204 (2004), 59, 71. Für einen Überblick über den Vertrauensgedanken in der Rechtsprechung vgl. Canaris, in: 50 Jahre BGH, 2000, S. 129, 176 ff.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

tersuchten Vertrauenshaftung grenzt sich das Konzept des Verkehrsschutzes gegenüber dieser ab:380 Im Rahmen des Verkehrsschutzes wird das Vertrauen normativiert und auf einen institutionellen Vertrauensgedanken abgestellt, der vor allem auf das Wohl der Allgemeinheit und den Schutz des Verkehrs abzielt.381 Denn wenn die Teilnehmer des Rechtsverkehrs davon ausgehen müssten, dass sie außerhalb von vertraglichen Beziehungen bis zur Grenze der deliktischen Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB oder § 826 BGB der Rücksichtslosigkeit und Unbekümmertheit der anderen Verkehrsteilnehmern ausgesetzt sind, so wäre der Rechtsverkehr notwendigerweise durch ängstliche Vorsicht und Misstrauen geprägt.382 Übersetzt in die ökonomische Analyse des Rechts begründen Misstrauen und Vorsicht im Rechtsverkehr Kosten, genauer: Transaktionskosten, etwa um Informationen zu beschaffen oder sich wirtschaftlich abzusichern.383 Insbesondere im Bereich des Kapitalmarkts, der sich durch seine Anonymität und ein strukturelles Informationsgefälle auszeichnet,384 sind niedrige Transaktionskosten Voraussetzung der operationalen Effizienz des Kapitalmarkts und dienen somit dessen Funktionsfähigkeit.385 Im Zentrum des Konzepts des Verkehrsschutzes stehen folglich nicht das Individuum und dessen Vertrauen auf eine konkrete (Rechts-)Lage, sondern der abstrakte und unpersönliche Rechtsverkehr als solcher, d. h. die Erwartungen aller am Rechtsverkehr teilnehmenden Parteien.386 Der Brückenschlag zu dem Fall der Verletzung von Lock-up Agreements fällt nicht schwer: Zweck der Lock-up Agreements sind gerade der Aufbau von Vertrauen und die Vermeidung von Informationskosten durch den Abbau von Informations-

380 Ausführlich zur Abgrenzung von Verkehrs- und Vertrauensschutz Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, 2010, S. 46 ff. 381 Der Gedanke des institutionellen Verkehrsschutzes wird von verschiedenen Autoren aufgegriffen, wobei sich die jeweiligen Haftungsinstitute dogmatisch unterscheiden, vgl. Frotz, in: GS Gschnitzer, 1969, S. 163, 174 ff.: „Auf den möglichst störungsfreien, gefahrlosen Ablauf des rechtsgeschäftlichen Verkehrs angewiesen“; Larenz, in: FS Ballerstedt, 1975, S. 397, 414: „Voraussetzung für einen reibungslosen, nicht durch ständiges Mißtrauen gehemmten Geschäftsverkehr“; Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, 2010, S. 50; E. Schmitz, Dritthaftung aus culpa in contrahendo, 1980, S. 109: „Erfordernis eines reibungslosen, gefahrenlosen und störungsfreien Geschäftsverkehrs“; Weber, AcP 192 (1992), 391, 414 ff. Übersichtlich zu den verschiedenen Ansichten Krawitz, Schutz vorvertraglicher Investitionen, 2015, S. 129. 382 Frotz, in: GS Gschnitzer, 1969, S. 163, 174. 383 Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, 1981, S. 307 f. 384 Zur Informationsverteilung auf dem Kapitalmarkt vgl. 2. Kapitel B. II. 1. 385 Zur operationalen Effizienz des Kapitalmarkts vgl. 2. Kapitel C. I. 2. 386 Omlor, Verkehrsschutz im Kapitalgesellschaftsrecht, 2010, S. 50; Rademacher, Verkehrsschutz im englischen Privatrecht, 2016, S. 7. Ähnlich Kersting, Dritthaftung für Informationen, 2007, S. 185; ders., JR 2008, 312, 314 f., der auf überindividueller Ebene von einer „Vertrauensatmosphäre als der generellen Erwartung, dass in Anspruch genommenes Vertrauen nicht enttäuscht wird“ spricht.

B. Begründungsansätze einer Haftung

235

asymmetrien.387 Im Kern dienen Lock-up Agreements folglich der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts,388 worunter letztlich eine konkrete Form des Verkehrsschutzes zu verstehen ist. Können Altaktionäre sanktionslos gegen getroffene Lock-up Agreements verstoßen und wird damit das institutionelle Vertrauen bzw. die „Vertrauensatmosphäre“389 der Anlegerschaft in das Institut der Lock-up Agreements beeinträchtigt, werden Anleger gezwungen sich anderweitig Informationen zu beschaffen, deren Kosten wiederum durch eine geringere Zahlungsbereitschaft kompensiert würden. In jedem Fall liefe dies der Effizienz und folglich der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zuwider. Eine Haftung der Altaktionäre infolge eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement böte die notwendige Anreizfunktion, um die Einhaltung von Lock-up Agreements und somit die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zu gewährleisten.390 Gleichwohl die Gesichtspunkte des Verkehrsschutzes intuitiv für eine Haftung der pflichtwidrig veräußernden Altaktionäre gegenüber den Anlegern sprechen, reicht der Gedanke des Verkehrsschutzes als solcher nicht aus, um ein konkretes Haftungsinstitut zu begründen. Vielmehr gilt erneut, dass der Verkehrsschutz ein abstraktes und übergeordnetes Rechtsprinzip ist, welches an verschiedenen Stellen im Gesetz Ausprägung gefunden hat. Zwar ist es durchaus denkbar, dass sich ein Haftungsinstitut auf den Gedanken des Verkehrsschutzes beruft, indes genügt der Verkehrsschutz als alleiniges Kriterium nicht, um eine Haftung zu begründen.391 4. Konzept eines gesetzlichen Schuldverhältnisses auf Anlegerschutz (Hopt) Einen weiteren Begründungsansatz, auf welchen infolge der inhaltlichen Nähe von Lock-up Agreements zum kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz eingegangen werden soll, liefert Hopt, der ein auf den Grundsätzen der Geschäftsverbindung beruhendes gesetzliches Schuldverhältnis auf Anlegerschutz begründet.392 Ein solches Rechtsverhältnis soll unabhängig vom Parteiwillen durch Aufnahme des geschäftlichen Kontakts zwischen einer Bank und ihren Kunden entstehen und beinhaltet Schutzpflichten, welche die verschiedenen Anlegerschutzbedürfnisse befriedigen und infolge der Verletzung dieser Schutzpflichten Schadensersatzansprüche der Anleger begründen können.393 Dieses Rechtsinstitut soll Anwendung 387 Zum Schutzzweck und der Funktionsweise von Lock-up Agreements vgl. bereits 1. Kapitel B. I. und 3. Kapitel A. 388 Vgl. 3. Kapitel C. 389 So die Terminologie bei Kersting, Dritthaftung für Informationen, 2007, S. 185; ders., JR 2008, 312, 314 f. 390 Vgl. 7. Kapitel B. II. 1., 2. und 4., sowie zusammenfassend 7. Kapitel C. 391 In diese Richtung auch Krawitz, Schutz vorvertraglicher Investitionen, 2015, S. 130 f. 392 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 404 ff. 393 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 408 f.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

finden, wenn ein Vertrag zwischen Bank und Kunde nicht oder nicht wirksam zustande kommt und eine vertragliche Absicherung somit ausbleibt,394 sodass Anleger der wirtschaftlichen und intellektuellen Überlegenheit der Banken ausgesetzt wären, wodurch der kapitalmarktrechtliche Anlegerschutz unterlaufen würde.395 Erleiden Anleger infolge eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements einen Kursverlust, liegt es zunächst nahe, sich auf den kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz zu berufen. Das von Hopt entwickelte Konzept eines gesetzlichen Schuldverhältnisses auf Anlegerschutz beruht indessen auf der besonderen Beziehung des Anlegers zu einem Kreditinstitut und dessen „Mittlerstellung“ zwischen dem Anleger und dem Emittenten.396 Im Zusammenhang mit einer etwaigen Haftung infolge der Verletzung eines Lock-up Agreements kann indessen nicht auf das Verhältnis zwischen Anleger und Kreditinstitut, d. h. Emissionsbank, abgestellt werden, da dieser – wie bereits erläutert – keine Pflichtverletzung zuzurechnen ist und sich ein Anspruch der Anleger daher gegen die Altaktionäre richten muss.397 Die Altaktionäre stehen gegenüber den Anlegern jedoch weder in einer vergleichbaren Mittlerposition noch stehen sie mit diesen in unmittelbarem Kontakt. Das Konzept des gesetzlichen Schuldverhältnisses auf Anlegerschutz soll jedoch gerade dort eingreifen, wo ein vertraglicher Schutz nicht besteht, obwohl man diesen erwarten würde – etwa bei nicht oder nicht wirksam zustande gekommenen Verträgen mit dem Kreditinstitut.398 Daran fehlt es im Verhältnis zwischen Anleger und Altaktionär: Mangels eines unmittelbaren Kontakts oder einer geschäftsähnlichen Beziehung kann nicht argumentiert werden, dass zwischen den Altaktionären und den Anlegern eine vertragliche Verbindung fehlt, wo diese normalerweise zu erwarten wäre.

II. Quasi-vertragliche Begründungsansätze Neben den Begründungsansätzen, die auf eine Haftung kraft Gesetz abstellen, kommen auch solche Ansätze in Betracht, die vornehmlich auf das privatautonome und nach außen getragene Verhalten der Beteiligten abstellen, weswegen diese Ansätze der Kategorie der quasi-vertraglichen Haftung zugeordnet werden. Anknüpfungspunkt für eine Haftung ist hierbei stets die Frage, ob das Verhalten, insbesondere die Erklärungen und das Auftreten der Parteien, normativitätsstiftend ist und eine Selbstbindung begründet, woraus eine Schadensersatzhaftung resultieren kann. 394

Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 404 f. Ferner Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 214 f. 395 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 406 f. 396 Zur sog. „Mittlerfunktion“ von Kreditinstituten und den sich daraus ergebenden Pflichten vgl. Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 375 ff. und 404 f. 397 Zur Anspruchsrichtung und Schadensverteilung vgl. 4. Kapitel B. I. 1. c). 398 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975, S. 404 f.

B. Begründungsansätze einer Haftung

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1. Lehre von der Erklärung an die Öffentlichkeit (Ehrenberg) Grundlegend ist zunächst die heute nicht mehr vertretene Lehre von der Erklärung an die Öffentlichkeit, wie sie von Ehrenberg postuliert und von der Rechtsprechung des RG rezipiert worden ist.399 Dieser Ansatz knüpft an den öffentlichen Glauben des Handelsregisters an, sieht darin jedoch nur einen speziellen Fall eines allgemeinen Rechtsprinzips, demzufolge einer für die Allgemeinheit bestimmten, öffentlichen Erklärung juristische Bedeutung zukommt, sodass sich derjenige, der sie in handelsüblicher Weise abgibt, gefallen lassen muss, dass Dritte ihren Inhalt für richtig halten.400 Das am Kapitalmarkt mittels Wertpapierprospekt veröffentlichte Lock-up Agreement scheint auf den ersten Blick inhaltlich mit einer solchen Erklärung an die Öffentlichkeit verwandt. Die Lehre von der Erklärung an die Öffentlichkeit verdient hingegen keine Zustimmung, da sie annimmt, der Erklärende wolle für die abgegebene Erklärung haften, sodass sich die Lehre offenkundig einer Willensfiktion bedient, welche, wie bereits deutlich gemacht wurde, mit dem Grundsatz der Privatautonomie unvereinbar ist.401 Denn wo es an einer Willenserklärung der Parteien fehlt, darf diese nicht einfach durch den Richter fingiert werden. 2. Rechtsvergleichender Ausblick: Promissory Estoppel Bevor nun auf verschiedene Begründungsansätze im Rahmen der nationalen Rechtsordnung eingegangen wird, soll zunächst ein Ausblick in das englische und US-amerikanische Recht gewagt werden. Denn die im Rechtskreis des Common Law entwickelte Figur des promissory estoppel kann durchaus Anregungen für die Entwicklung eines eigenen Haftungsinstituts geben und dient verschiedenen nationalen Haftungskonzepten als Vorbild.402 Ausgangspunkt ist die Doktrin der considerations: Im Gegensatz zu den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen reichen im Rechtskreis des Common Law zwei übereinstimmende Willenserklärungen nicht aus, um einen Vertrag zu schließen. Stattdessen ist im englischen und US-amerikanischen Recht ein Leistungsversprechen nur dann durchsetzbar, wenn das Versprechen im Hinblick auf einen Vorteil (benefit) des Versprechenden oder ein Gegenopfer (detriment) des Versprechensempfängers gegeben wird, wobei dieser Vorteil bzw. dieses Gegenopfer als

399 RG, Urt. v. 12. 2. 1902 – Rep. I. 333/02, RGZ 51, 33, 37; RG, Urt. v. 2. 7. 1918 – Rep. II 63/18, RGZ 93, 227, 228; RG, Urt. v. 24. 10. 1933 – VII 163/33, RGZ 142, 98, 104; RG Urt. v. 8. 6. 1940 – II 149/39, RGZ 164, 115, 123. 400 Ehrenberg, in: ders. (Hrsg.), Handbuch des gesamten Handelsrechts I, 1913, S. 644 ff. 401 Zur Ablehnung der Lehre von der Erklärung an die Öffentlichkeit statt vieler Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 153 ff. 402 Etwa Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 49 ff.; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 65 ff.; H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741 ff.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

consideration bezeichnet wird.403 Die consideration indiziert zugleich einen Rechtsbindungswillen und dient als Vermutung, dass die Parteien von der Privatautonomie Gebrauch gemacht und rechtlich verbindliche Regelungen geschaffen haben.404 Während die englische Rechtsordnung weiterhin an dieser benefit-detriment-Doktrin festhält,405 hat sich in der US-amerikanischen Rechtsordnung die Auffassung durchgesetzt, dass die consideration ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Versprechendem und Versprechensempfänger herzustellen hat (sog. bargain test), was in § 71 des Restatement (Second) of Contracts406 Niederschlag gefunden hat.407 Nach den strengen Voraussetzungen der bargain-Theorie ist das Vorliegen einer consideration notwendige Voraussetzung einer vertraglichen Beziehung und damit Voraussetzung für eine Durchsetzung von gegebenen Versprechen.408 Um auch in solchen Fällen, in denen nach der bargain-Theorie keine consideration vorliegt, zu einer vertraglichen Haftung bzw. Durchsetzbarkeit von Versprechen zu gelangen, wird das US-amerikanische Vertragsrecht durch die Rechtsfigur des promissory estoppel ergänzt.409 Nach dieser Figur wird der Rahmen 403

Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 47 f.; Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, § 5 Rn. 187; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3. Aufl. 1996, § 29 II, S. 384. 404 Vgl. Hepple, C. L. Rev. 28 (1970), 122, 128; Patterson, Col. L. Rev. 58 (1958), 929, 958; Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, § 5 Rn. 188; H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741, 742. Umstritten war lange, ob eine schriftliche Vereinbarung den Rechtsbindungswillen so eindeutig belege, dass eine consideration in diesem Fall überflüssig sei. Diese Auffassung wird indes nur noch am Rande vertreten, vgl. für den US-amerikanischen Rechtskreis Watson, Tul. L. Rev. 71 (1997), 1749, 1803. Übersichtlich dazu Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, § 5 Rn. 188. 405 Dazu Farnsworth, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, 2008, S. 899, 908 f. 406 Die Restatements of the Law werden vom American Law Institute (ALI) herausgegeben und fassen das Case Law der einzelnen Bundesstaaten systematisch und nach Rechtsgebieten unterteilt zusammen und abstrahieren daraus allgemeine Rechtsgedanken und Normsätze. Die Restatements of the Law haben nicht den Rang einer Rechtsquelle, sollen mittels einheitlicher Definitionen jedoch für Übersichtlichkeit und eine vereinfachte Anwendbarkeit des Rechts sorgen. 407 § 71 Restatement (Second) of Contracts [1981] lautet: „(1) To constitute a consideration, a performance or a return must be bargained for. (2) A performance or return promise is bargained for if it is sought by the promisor in exchange for his promise and is given by the promisee in exchange for that promise.“ Ursprünglich hat die Bargain-Theorie in Restatement (First) of Contracts [1932] § 75 Niederschlag gefunden. Zu der Entwicklung der considerations-Doktrin vgl. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 47 f.; Farnsworth, in: Reimann/Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law, 2008, S. 899, 908 f.; Pardolesi, in: Monateri (Hrsg.), Comparative Contract Law, 2017, S. 469, 477 ff. 408 Feinman, Harv. L. Rev. 97 (1984), 678, 681. 409 Die Rechtsfigur des estoppel besagte ursprünglich nur, dass eine Person rechtlich daran gehindert ist, eine Tatsache zu bestreiten. Im Gegensatz zum US-amerikanischen Recht hat die englische Rechtsordnung an diesem Verständnis festgehalten, wonach die Figur des promissory estoppel keine eigenen Rechte und Ansprüche begründet, vgl. Combe v. Combe [1951] 2 KB 215: „This principle [estoppel] does not create any new cause of action where none existed before; so that, where a promise is made which is not supported by any consideration, the

B. Begründungsansätze einer Haftung

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der Privatautonomie erweitert, indem das Vertrauen auf ein Versprechen geschützt wird und der Versprechensempfänger ein Recht auf eine Leistung erwirbt, aufgrund dessen ihm ein Erfüllungsanspruch bzw. ein Ersatz des Erfüllungsinteresses bei Nichtleistung zusteht.410 Während die Figur des promissory estoppel ursprünglich vor allem der Durchsetzung von unentgeltlichen Versprechen und Spendenzusagen diente,411 wird die Figur spätestens mit der Aufnahme in den ersten Restatement of the Law of Contracts als allgemeines Rechtsprinzip und Ergänzung der considerations-Doktrin angesehen und gilt zugleich als eine der bedeutendsten Entwicklungen des Vertragsrechts.412 Danach ist ein Versprechen bindend, wenn der Versprechende vernünftigerweise davon auszugehen hat, dass sein Versprechen den Versprechensempfänger oder einen Dritten zu einer Handlung oder Unterlassung veranlasst, diese Person auch tatsächlich zu einer Handlung oder Unterlassung veranlasst wird und unbillige Ergebnisse einzig durch die Durchsetzung des Versprechens vermieden werden können.413 Ebenso fortentwickelt hat sich die Rechtsfolge des promissory estoppel: Während ein Anspruch ursprünglich auf den Ersatz des positiven Interesses abzielte, besagt der letzte Satz in § 90 (1) des Restatement (Second) of Contracts, dass unter Umständen auch nur der Ersatz des negativen Interesses gerechtfertigt sein kann: „The remedy granted for breach may be limited as justice requires.“414 Folglich kennt die US-amerikanische Rechtsordnung mit der Figur des promissory estoppel einen vertragsähnlichen und auf Vertrauensgrundsätzen beruhenden Selbstbindungstatbestand,415 der die Durchsetzung von Versprechensvereinbarungen zwischen einem unverbindlichen Versprechen und der Schwelle einer vertraglichen

promisee cannot bring an action.“ Dazu Kischel, Rechtvergleichung, 2015, § 5 Rn. 195; H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741, 742, dort Fn. 10. Zu neueren Tendenzen, die eine Annäherung an das US-amerikanische Verständnis des promissory estoppel vorschlagen, vgl. Pardolesi, in: Monateri (Hrsg.), Comparative Contract Law, 2017, S. 469, 476 f. 410 H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741, 744. 411 Vgl. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 68. 412 Farber/Matheson, Univ. Chic. L. Rev. 52 (1985), 903, 908: „Courts are now comfortable enough with the doctrine to use it as a primary basis of enforcement.“ Ferner Feinman, Harv. L. Rev. 97 (1984), 678; Henderson, Yale L. J. 78 (1969), 343, 344. 413 § 90 Restatement (Second) of Contracts [1981] lautet: „(1) A promise which the promisor should reasonably expect to induce action or forbearance on the part of the promisee or a third person and which does induce such action or forbearance is binding if injustice can be avoided only by enforcement of the promise. The remedy granted for breach may be limited as justice requires.“ Zu den einzelnen Voraussetzungen vgl. Boyer, Univ. Pa. L. Rev. 98 (1950), 459, 461 ff. 414 Die ursprüngliche Formulierung des promissory estoppel in § 90 Restatement (First) of Contracts [1932] kannte diese Einschränkung nicht. Dazu auch Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 56 ff. 415 So Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 48; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 68 f. Anders H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741, 746 f., nach welchem die Figur des promissory estoppel über den Bereich des Vertragsrechts hinaus bis hin zu einer gesetzlichen Einstandspflicht für die Inanspruchnahme von Vertrauen geht.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

Vereinbarung gewährleistet.416 Der Rechtsgedanke des promissory estoppel wird dabei nicht nur zur Durchsetzung von Versprechen herangezogen, sondern auch für Äußerungen, bei denen zweifelhaft ist, ob damit ein Rechtsbindungswillen einhergehen sollte.417 Im Kern geht es folglich um die Frage, ob der Versprechende ein Versprechen gegeben hat, das ein Vertrauen der anderen Partei in dieses Versprechen rechtfertigt.418 Die Grundlagen dieses Instituts waren zudem Anlass für hiesige rechtswissenschaftliche Diskussionen, sodass die Grundzüge des promissory estoppel auch Einzug in verschiedene Haftungskonzepte erfahren haben, von denen einige im Folgenden dargestellt und im Hinblick auf die Entwicklung eines eigenen Haftungsinstituts untersucht werden sollen. 3. Vertrauensschutz bei einseitigen Leistungsversprechen (Stoll) In Anlehnung an die US-amerikanische Rechtsfigur des promissory estoppel entwickelt Stoll ein Konzept einer gesetzlichen Vertrauenshaftung kraft einseitigen Leistungsversprechens, mit welchem er insbesondere die der Rechtsprechung vorgeworfene Fiktion eines Rechtsbindungswillens überwinden will.419 Nach Stoll sollen einseitige Leistungsversprechen, die unabhängig von einem Rechtsbindungswillen bei dem Versprechensempfänger eine begründete Leistungserwartung hervorrufen, eine besondere Vertrauenshaftung begründen.420 Anknüpfungspunkt der Haftung ist daher nicht etwa der Vorwurf an den Versprechenden, das Vertrauen eines anderen in Anspruch genommen zu haben, sondern es handelt sich vielmehr um eine „Haftung für das gegebene Wort“ und die enttäuschte Leistungserwartung eines Versprechensempfängers, der das Versprechen auf sich beziehen durfte und in vorhersehbarer Weise zu Vermögensdispositionen veranlasst worden ist.421 Da es sich dabei gerade nicht um einen mit Rechtsbindungswillen geschlossenen Vertrag handelt, sondern Haftungsgrund lediglich die enttäusche Leistungserwartung ist, erstreckt sich der Vertrauensschutz nicht auf das (positive) Erfüllungsinteresse, sondern der Versprechensempfänger kann nur verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er auf das (rechtsgeschäftlich nicht bindende) Versprechen nicht vertraut hätte (negatives Interesse).422 416

So Boyer, Univ. Pa. L. Rev. 98 (1950), 459, 498: „To promissory estoppel, then, is to be left the gap between the mere promise and the bargain.“ 417 H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741, 744 f. 418 Feinman, Harv. L. Rev. 97 (1984), 678, 690: „The principal issue in applying promissory estoppel is whether the promisor has made a promise that justifies the promisee’s reliance.“ 419 H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741, 747 ff.; ders., in: FS v. Caemmerer, 1978, S. 435, 447 ff. 420 H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741, 753. 421 H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741, 755, 773. 422 H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741, 773.

B. Begründungsansätze einer Haftung

241

Vor diesem Hintergrund scheint es auf den ersten Blick verwunderlich, dass das von Stoll entwickelte Haftungskonzept im Rahmen der quasi-vertraglichen Begründungsansätze diskutiert wird, denn die Bezeichnung als „gesetzliche Vertrauenshaftung“423 indiziert eine terminologische Nähe zu der von Canaris entwickelten Theorie der vertrauensrechtlichen Haftung.424 Bei näherer Betrachtung zeigen sich hingegen deutliche Unterschiede zur Theorie der gesetzlichen Vertrauenshaftung, die es rechtfertigen, die Haftung kraft einseitigen Leistungsversprechens den quasivertraglichen Ansätzen zuzuordnen. Denn zum einen ist der primäre Haftungsgrund gerade nicht die Inanspruchnahme von Vertrauen, sondern das einseitige Leistungsversprechen. Danach nimmt jemand Vertrauen in Anspruch, indem er ein Leistungsversprechen gibt.425 Ferner beruht die Haftung im Gegensatz zu der Vertrauenshaftung von Canaris auch nicht auf einem Fehlverhalten des Versprechenden oder einer Schutzpflichtverletzung, sondern auf der Nichterfüllung eines Leistungsversprechens, durch die sich der Versprechende gewissen Festlegungen unterworfen hat, welche er gegen sich gelten lassen muss.426 Es steht somit nicht eine falsche oder fehlerhafte Erklärung im Vordergrund, sondern die durch ein einseitiges Leistungsversprechen begründete Erwartung des Versprechensempfängers. Folglich unterscheidet sich das Haftungskonzept Stolls von den zuvor dargestellten Ansätzen, da es auf die Hervorrufung einer Erwartung des Versprechensempfängers und damit ein privatautonomes Verhalten der verantwortlichen Partei abstellt.427 Stoll selbst beruft sich dabei auf Flume, wonach für den Haftungsgrund nicht das Vertrauen, sondern das Vertrauen begründende Verhalten maßgeblich sei.428 Dies verdeutlicht Stoll, nach welchem es „berechtigt [ist], von einem gesetzlichen Schuldverhältnis (§ 242 BGB) zu sprechen, das vertragsgleiche oder vertragsähnliche Wirkungen hervorruft.“429 Dem Konzept von Stoll wird jedoch vorgehalten, es greife zu kurz, wenn es nur auf Leistungsversprechen abziele, da es dadurch die breite Tatbestandsvielfalt von versprechensähnlichen Verhaltensweisen ausklammere, bzw. auf lebensfremde Konstruktionen zurückgreifen müsse, um dennoch zu einer Haftung zu gelangen.430 Denn indem auf das Versprechen abgestellt wird, welches das für einen Bindungswillen erforderliche Kriterium der Bestimmbarkeit erfordert, beschränkt sich die Anwendung des Rechtsinstituts vornehmlich auf Fälle bereits erreichter Ab423

H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741, 754. Vgl. 8. Kapitel B. I. 2. 425 Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 348. 426 H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741, 755. Dazu Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 348. 427 H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741, 754; Weber, AcP 192 (1992), 390, 407. 428 So der Verweis bei H. Stoll, in: FS Flume, 1978, S. 741 auf Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II: Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, § 10 5., S. 132 f. 429 H. Stoll, in: FS v. Caemmerer, 1978, S. 435, 447. Ähnlich ders., in: FS Flume, 1978, S. 741, 754. 430 So Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 105. 424

242

8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

schlussreife.431 Verdeutlicht wird diese Kritik, wenn das Haftungskonzept Stolls im Kontext eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement betrachtet wird. Um zu einer Haftung zu gelangen, müsste das Lock-up Agreement als einseitiges Leistungsversprechen gewertet werden. Tatsächlich handelt es sich bei dem Lock-up Agreement jedoch um eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen den Altaktionären und der Emissionsbank, von welcher die Anleger lediglich aufgrund der Veröffentlichung im Wertpapierprospekt Kenntnis erlangen. Diese Kenntniserlangung aufgrund der Prospektveröffentlichung kann hingegen nicht ohne Weiteres als einseitiges Leistungsversprechen bewertet werden, ohne dass sich damit dem Vorwurf der lebensfremden Konstruktion ausgesetzt würde. Wenngleich das von Stoll propagierte Haftungskonzept nicht nur Anerkennung erfahren hat und auf die hier diskutierte Fallkonstellation der Verletzung von Lock-up Agreements nicht unmittelbar anwendbar ist, hat es sich dennoch verdient gemacht, indem es den Haftungsgrund von fingierten Willenserklärungen und Pflichtverletzungen löst und stattdessen die Perspektive der Vertrauensveranlassung und einer ihr bereits immanenten Bindungswirkung einbringt.432 4. Selbstbindung kraft sozialtypischer Sprachhandlung (Lüsing) Einen weiteren Haftungsansatz liefert Lüsing mit dem von ihm entwickelten Konzept einer Selbstbindung kraft sozialtypischer Sprechhandlung.433 Dabei beschreibt Lüsing einen Mechanismus der Selbstbindung, d. h. der Erzeugung selbstgestalteter Pflichten, welcher sich gegenüber der Willenserklärung auf der einen und dem bloßen rechtlich relevanten Verhalten auf der anderen Seite abgrenzt.434 Dafür muss das eine Selbstbindung begründende Verhalten zum einen frei von einem Verpflichtungswillen sein, d. h., es darf nicht auf die Begründung eines Rechtsverhältnisses abzielen, wonach das Gewollte als Gesolltes gewollt wird (Abgrenzung zur Willenserklärung). Gleichzeitig muss das Verhalten jedoch auch einen Bezug zu der eintretenden Rechtsfolge des Verhaltens aufweisen.435 Als Folge dieser Abgrenzung stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine rechtliche Selbstbindung ohne Rechtsgeschäft möglich ist. Zwar sei das Rechtsgeschäft das einzige rechtlich institutionalisierte Selbstbindungsinstrument; daraus lasse sich indes nicht schließen, dass das Rechtsgeschäft auch 431 432

407.

Weber, AcP 192 (1992), 390, 407. Vgl. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 104; Weber, AcP 192 (1992), 390,

433 Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 356 ff.; ders., Selbstbindung durch sprachliches Handeln, 2012, S. 153 ff. 434 Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 395. Zu der Differenzierung zwischen Willenserklärung und lediglich rechtlich relevantem Verhalten vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II: Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, § 10 1., S. 113 ff. 435 Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 356.

B. Begründungsansätze einer Haftung

243

prinzipiell die einzige Möglichkeit rechtlicher Selbstbindung darstellt.436 Nach Ansicht Lüsings wohnt dem Rechtsgeschäft das Moment der Selbstgestaltung und das Moment der Selbstinstitutionalisierung inne. Während das Moment der Selbstgestaltung ausdrückt, dass der Inhalt der Rechtsfolge selbst bestimmt wird, besagt das Moment der Selbstinstitutionalisierung, dass der Inhalt als Rechtsfolge, d. h. als rechtliche Bindung, selbst gewollt wird.437 Vor diesem Hintergrund setzt die Selbstbindung kraft sozialtypischer Sprachhandlung zunächst eine sprachliche Handlung voraus. Die mit den sprachlichen Handlungen eingegangenen Festlegungen auf zukünftiges Verhalten müssen dabei identisch mit den rechtlichen Bindungen sein, sodass sich – wie beim Rechtsgeschäft – das Moment der Selbstgestaltung verwirklicht.438 Schwieriger zu beurteilen ist in diesem Zusammenhang die Selbstinstitutionalisierung, d. h. die rechtliche Bindung an die durch sprachliche Handlung eingegangene Festlegung.439 Im Rahmen eines Rechtsgeschäfts wird die eingegangene Festlegung kraft eines Verpflichtungswillens institutionalisiert,440 bei einer Selbstbindung ohne Rechtsgeschäft fehlt es jedoch gerade an einem solchen Verpflichtungswillen. Eine andere Form der rechtlichen Institutionalisierung stellt Lüsing mit dem Konzept der Selbstbindung kraft sozialtypischer Sprachhandlung dar, welches wie das Rechtsinstitut des Rechtsgeschäfts ein Mechanismus der Selbstbindung, d. h. der Erzeugung selbstgestalteter Pflichten, ist.441 Dabei sollen die Festlegungen durch sprachliches Handeln rechtlich institutionalisiert werden, wenn dadurch Interessen geschützt werden, die bereits sozial institutionalisiert sind.442 Wann die sozialen Normen des Eingehens und Tilgens von Festlegungen als rechtliche Normen übernommen werden, wird durch Rechtsentscheidungen bestimmt, indem die Rechtsprechung für bestimmte soziale Institute Fallgruppen gefestigter Haftungstatbestände entwickelt.443 Daraus folgt, dass die Verletzung von durch sprachliche Handlungen eingegangenen Festlegungen und damit selbst erzeugten Rechtspflichten eine Haftung wegen Nichterfüllung darstellt.444 Der Ansatz Lüsings, für eine Haftung nicht auf eine Pflichtverletzung, sondern auf das Verhalten und die Verhaltensäußerungen der Parteien abzustellen, um eine Selbstbindung unterhalb der Schwelle des Rechtsgeschäfts zu konzipieren, ist zunächst begrüßenswert. Indes vermag das Konzept nicht zu überzeugen, da es letztlich von durch die Rechtsprechung bereits etablierten Fallgruppen abhängt und somit dort versagt, wo noch keine gefestigte Rechtsprechung existiert. Überdies grenzt die 436 437 438 439 440 441 442 443 444

Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 358. Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 358. Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 371. Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 363. Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 368 f. Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 384. Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 395 f. Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 396. Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 396.

244

8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

starre Ausrichtung auf das sprachliche Handeln den potentiellen Anwendungsbereich des Konzepts ein. Insbesondere im Hinblick auf eine Haftung der Altaktionäre aufgrund der Verletzung eines Lock-up Agreements kann nicht auf das Konzept Lüsings zurückgegriffen werden. Denn zum einen impliziert das Bedürfnis nach einer rechtsfortbildenden Entwicklung eines Haftungsinstituts gerade, dass die vorliegende Konstellation keiner gefestigten Fallgruppe der Rechtsprechung zuzuordnen ist. Darüber hinaus fehlt es im Verhältnis zwischen den Altaktionären und den Anlegern an jeglicher Form von sprachlichen Handlungen; es kommt nicht einmal zu irgendeiner Form der persönlichen Interaktion. Da das Konzept Lüsings jedoch gerade an der sprachlichen Handlung anknüpft, vermag es für die hier zu untersuchende Fallkonstellation keinen Aufschluss zu geben. 5. Soziologische Selbstbindungslehre (Köndgen) Hervorzuheben ist ferner die von Köndgen entwickelte Lehre einer Selbstbindung ohne Vertrag,445 die insbesondere dem Konzept der Vertrauenshaftung kritisch gegenübersteht.446 Darin beschreibt Köndgen ein rechtsfortbildendes Konzept einer quasi-vertraglichen Haftung aufgrund eines Selbstbindungsmechanismus unterhalb der Schwelle einer Willenserklärung und eines Vertrags und plädiert dafür, den Bereich des privatautonomen Handelns mittels der Figur der Selbstbindung ohne Vertrag zu erweitern.447 Mit dem Konzept der Selbstbindung versucht Köndgen einen substitutiven Zurechnungsgrund zu entwickeln, der zur Anwendung kommt, wenn eine Zurechnung über die Willensfreiheit des Handelnden, d. h. eine Zurechnung kraft Willenserklärung, nicht verfügbar ist.448 Dabei findet erneut die US-amerikanische Rechtsfigur des promissory estoppel Anklang und dient insoweit als Anknüpfungspunkt für die Lehre der Selbstbindung ohne Vertrag.449 Grundlage des von Köndgen entwickelten Ansatzes eines Selbstverpflichtungsmechanismus ohne Willenserklärung sind die Konzepte von Selbstbindung und Reziprozität, wobei Köndgen ausführt, dass die Selbstbindung darlegt, wie Verpflichtungen entstehen, während die Reziprozität darlegt, warum eingegangene Selbstbindungen über die Zeit Bestand haben.450 Mit dem Konzept der Reziprozität wird der Grundsatz des „quid pro quo“,451 d. h. die Gegenseitigkeit der Austauschbeziehung, ausgedrückt, wonach empfangene Leistungen zu erwidern und soziale

445 446 447 448 449 450 451

Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, passim. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 97 ff. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 7, 189 und passim. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 7. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 65 ff. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 280. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 234.

B. Begründungsansätze einer Haftung

245

Interaktionen als Austauschprozesse zu steuern und zu gestalten sind.452 Dagegen beschreibt Selbstbindung den Inbegriff allen kommunikativen Handelns, mit dem eine Partei bei anderen unterschiedlich stabile Erwartungen an ihr künftiges Handeln auslöst,453 wobei von einem soziologischen Selbstbindungsverständnis auszugehen ist, worunter alle Varianten von Verpflichtungsverhalten fallen, die Bestandteil sozialer Interaktion sind.454 Selbstbindung ist somit nicht auf den Eintritt einer Rechtsfolge beschränkt, sondern umfasst grundsätzlich jede Form von sozialer Bindungswirkung aufgrund von Verhaltenserwartungen an den Akteur.455 Köndgen zufolge ist jede Form der Selbstbindung Konsequenz einer Selbstdarstellung, wobei diese Selbstdarstellung nicht notwendigerweise einen Mitteilungswillen in Form von kommunikativem Verhalten im engeren Sinne voraussetzt, sondern grundsätzlich jede Form eines von anderen wahrgenommenen Verhaltens annehmen kann.456 Vor diesem Hintergrund können verschiedene Verhaltensmuster hinsichtlich ihrer Verpflichtungsintensität bzw. der Erwartungssicherheit des Gegenübers differenziert werden.457 Danach beschreibt die intentionale bzw. normative Form der Selbstbindung solche Verhaltensweisen, die von einem Akteur bewusst als Träger von Informationen an einen anderen eingesetzt werden und bei diesem bestimmte Erwartungen auslösen sollen.458 Dagegen sind die nichtintentionalen Selbstdarstellungen von schwächerer Selbstbindungsintensität, sodass eine verlässliche Bindungswirkung lediglich von solchen (nichtintentionalen) Selbstdarstellungen ausgeht, die über einen längeren Zeitraum wiederholt werden. Köndgen erläutert diese Habitualisierung mit der Normemergenz, nach welcher die durch ständige Wiederholung erzeugte Kontinuitätserwartung des Adressaten dazu führt, dass dieser Abweichungen des bisherigen Verhaltens als Normabweichung versteht.459 Verhaltenserwartungen kraft Selbstdarstellung führen somit zu sozialer Bindung; rechtliche Bindung tritt hingegen erst ein, wenn die Verhaltenserwartung institutionalisiert ist,460 d. h. der Erwartende sich auf unterstellbare Erwartungserwartungen Dritter stützen kann.461 Nach Ansicht Köndgens ist das Versprechen der einzige vom Recht umfassend institutionalisierte Selbstbindungstypus, während andere Formen der 452 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 241. Zugleich erinnert der Grundsatz der Reziprozität an die considerations-Lehre des Common Law, vgl. bereits unter 8. Kapitel B. II. 2. 453 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 280. 454 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 163. 455 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 188. 456 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 165. 457 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 165. 458 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 188 ff. 459 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 167 ff. Zur Kontinuitätserwartung aufgrund von wiederholter Selbstdarstellung vgl. auch Luhmann, Rechtssoziologie I, 1972, S. 74 f. 460 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 117. 461 Luhmann, Rechtssoziologie I, 1972, S. 64 f.

246

8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

Selbstbindung entweder über Willensfiktionen oder unter Verkennung einer Selbstbindung als gesetzliche Vertrauenshaftung geregelt werden.462 Hingegen soll nicht der (vertragliche) Konsens, sondern vielmehr die Kontinuität einer nach außen gerichteten Verhaltensweise bzw. Selbstdarstellung eine rechtliche Bindung begründen, da die beim Adressaten hervorgerufenen normativen Erwartungen im Wesentlichen nichts anderes sind als bilaterale Normen oder Regelungen.463 Köndgen will diese Verhaltensmuster mit Selbstbindungseffekt rechtlich institutionalisieren und den Bereich der Privatautonomie erweitern, um damit „dem Vertragsrecht einen Bereich zurück[zu]geben, der bisher unter dem Zwang eines übertriebenen Konsensualdogmas […] fehlsystematisiert wurde.“464 Diese Regelungen unterscheiden sich gegenüber dem Rechtsgeschäft insbesondere dadurch, dass sie zunächst „pendent“ bleiben, d. h. nicht unter unmittelbarem Vollzugsgebot stehen, sondern der Aktualisierung im weiteren rechtsgeschäftlichen Kontakt bedürfen.465 Daneben unterscheidet sich der Tatbestand des Selbstbindungsverhaltens insofern in objektiver Weise, als dass dieses keinen abgrenzbaren Einzelakt, sondern das gesamte von anderen wahrgenommene Verhalten umfasst, während es in subjektiver Weise nicht von einem nach Geschäftspartner und Geschäftsgegenstand konkretisierten,466 sondern stattdessen von einem generalisierten Geschäftswillen getragen wird.467 Folglich ist die Selbstbindung ohne Vertrag auch dem Bereich privatautonomen Handelns zuzuordnen und als quasi-vertraglich zu bezeichnen.468 Die quasivertragliche Selbstbindung ist somit das Resultat einer Vielzahl selbstdarstellender Verhaltensweisen, welche „erst im mosaikartigen Gesamtbild konkrete normative Verhaltenserwartungen produzieren.“469 In diesem Zusammenhang fasst der Vertragsschluss lediglich den Konsens zusammen und stellt demnach einen deklaratorischen Schlusspunkt der Vertragsverhandlungen dar,470 weswegen Köndgen in dem vertraglichen Versprechen auch keine gegenüber der Selbstbindung eigenständige Kategorie sieht, sondern vielmehr einen durch Unmittelbarkeit des Erfüllungsgebots qualifizierten Sonderfall der Selbstbindungskategorie.471 Folglich beschreibt das Konzept der Selbstbindung ein Kontinuum von Verhaltensmustern zwischen den beiden Polen von Vertrag und Delikt, die unterschiedlich stabile Erwartungen bei anderen auslösen und sich dementsprechend im Grad ihrer 462

Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 164. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 188. 464 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 420. 465 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 188. 466 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 186 f. 467 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 189. 468 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 188 f. 469 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 187. 470 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 160 f. 471 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 189 und 420. So auch Luhmann, Rechtssoziologie I, 1971, S. 74 f. 463

B. Begründungsansätze einer Haftung

247

Verpflichtungsintensität unterscheiden.472 Für die Selbstbindung ohne Vertrag gilt somit, je konkreter ihr Verpflichtungsgehalt, desto ähnlicher wird sie dem Rechtsgeschäft.473 Die Stärke des von Köndgen entwickelten Ansatzes liegt darin, dass die überkommene Dichotomie von Vertrag und Delikt weit hinter sich gelassen wird,474 ohne dafür auf Hilfs- bzw. Zwischenkonstruktionen zurückzugreifen. Zwar wird der Selbstbindungslehre aufgrund ihrer Nähe zur Soziologie zum Teil „Methodensynkretismus“ vorgeworfen,475 jedoch verkennt diese Kritik, dass neben der traditionellen Rechtsdogmatik längst auch andere Methoden wie die der Rechtssoziologie, Rechtsvergleichung und ökonomischen Analyse Einzug in die Rechtswissenschaften gefunden haben.476 Ferner wird der Theorie der Selbstbindung ohne Vertrag vorgehalten, dass sie sich kaum merklich von der von ihr kritisierten Vertrauenshaftung unterscheide, da das Abstellen auf legitime Erwartungen letztlich eng mit dem berechtigten Vertrauen der Vertrauenshaftung verwandt sei,477 sodass die Frage, wann geweckte Erwartungen legitim sind bzw. in Anspruch genommenes Vertrauen berechtigt ist, offenbleibt. Zwar bemüht sich Köndgen mittels der soziologischen Analyse um eine möglichst objektive Beschreibung dessen, was unter legitimen Erwartungen zu verstehen ist, und will damit einen gegenüber der Vertrauenshaftung technischeren und neutraleren Maßstab setzen,478 letztlich bleibt es aber bei einer schwer zu fassenden Umschreibung,479 der die Rechtfertigung eines Gleichsetzens von sozialer und rechtlicher Bindung nicht zweifelsfrei gelingt.480 Insbesondere verkennt Köndgen, dass soziale Selbstbindungsmechanismen wie ein drohender Reputationsverlust ein Eingreifen des Rechts oftmals entbehrlich machen und rechtliche Regelungen die Funktionsfähigkeit dieser außerrechtlichen Mechanismen gefährden können.481 6. Marktorientiert funktionale Selbstbindungslehre (Ackermann) Schließlich ist auf das Konzept Ackermanns einzugehen, der die zuvor dargestellten Ansätze der Selbstbindungslehre aufgreift, diese jedoch im Kontext der 472

Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 280 f., 420. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 189. 474 Lang, AcP 201 (2001), 451, 477. 475 So Breinersdorfer, Die Haftung der Banken für Kreditauskünfte gegenüber dem Verwender, 1991, S. 184 f. 476 Hopt, AcP 183 (1983), 608, 641 f.; Lang, AcP 201 (2001), 451, 478. 477 Vgl. Krawitz, Schutz vorvertraglicher Investitionen, 2015, S. 133; Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 355. 478 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, 1981, S. 117 f. 479 Vgl. Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 31. 480 Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 247. 481 In diese Richtung auch Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 247 f. Zu den Funktionsweisen von außerrechtlichen Sanktionsmechanismen vgl. bereits 7. Kapitel B. IV. 1. 473

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

Marktfunktionen und Institutionenökonomie interpretiert.482 Der Ansatz Ackermanns unterscheidet sich von der soziologischen Selbstbindungslehre darin, dass die Legitimation der Selbstbindung nicht anhand ethischer Erwägungen über die Verbindlichkeit des Versprechens hergeleitet wird, sondern die freiheitssichernde Funktion der Selbstbindung in den Mittelpunkt stellt.483 Demnach ist der Markt aufgrund von normativen Erwägungen der primäre Bezugspunkt der privatrechtlichen Selbstbindung, da dem Markt in einer ihrem Selbstverständnis nach pluralistischen Gesellschaft fundamentale Bedeutung für ein stabiles Zusammenleben zukommt.484 Der Markt wiederum existiert als Institution nicht voraussetzungslos, und ist nicht einfach da, sondern bedarf eines institutionellen Rahmens, wozu auch Formen privatrechtlicher Selbstbindung gehören.485 Folglich ist das Konzept der Selbstbindung im Ausgangspunkt „marktfunktional“, d. h., es knüpft an den Markt als vorrangiges Bezugssystem an, versteht die Adressaten privatrechtlicher Selbstbindung als rationale Marktakteure (Homo oeconomicus)486 und hat zur Aufgabe, die aufgrund der am Markt existierenden Informationsasymmetrien487 grundsätzlich zum Scheitern verurteilte Kooperation zwischen den (rational nutzenmaximierenden) Marktakteuren zu gewährleisten.488 So dient die Selbstbindung der Unterbindung opportunistischen Verhaltens, indem privatrechtliche Sanktionen als Anreize zur Kooperation geschaffen werden,489 wo eine außerrechtliche und kostengünstigere Kooperationssicherung nicht in Betracht kommt.490 Nach der Lehre Ackermanns existiert eine Selbstbindung indes nicht lediglich in den Fällen eines expliziten Leistungsversprechens, sondern lässt sich auf alle Fälle der Produktion zurechenbarer normativer Erwartungen erweitern.491 Haftungsbegründend im Rahmen einer Selbstbindung ist daher ein Verhalten,492 welches normative Erwartungen eines anderen weckt, was in diesem Zusammenhang als nor-

482

Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, passim. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 68 f., 136. 484 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 113. 485 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 111 ff. Zur „Nachtwächterrolle“ des Staates, der lediglich die Rahmenbedingungen für einen sich selbst regulierenden Markt bereitzustellen hat, vgl. Böhm, ORDO 22 (1971), 11, 14 ff. 486 Zum Homo oeconomicus und der REM-Hypothese vgl. bereits 1. Teil, Fn. 264 und 7. Kapitel B. II. 1. 487 Vgl. bereits 2. Kapitel B. II. 488 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 112. 489 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 118, 136. 490 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 122, 221 ff. Zu den Formen außerrechtlicher Verhaltenssteuerung und Kooperationssicherung vgl. bereits 7. Kapitel B. IV. 1. 491 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 167. 492 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 65 verwendet die Begriffe „Selbstbindung“ und „autonome Bindung“ synonym. 483

B. Begründungsansätze einer Haftung

249

mativitätsstiftendes Verhalten bezeichnet wird.493 Von normativitätsstiftendem Verhalten ist auszugehen, wenn durch das Verhalten ein Geltungsanspruch erhoben wird,494 wobei dies nicht zwangsläufig den Gebrauch eindeutiger Redewendungen voraussetzt, sondern auch durch deklaratorische Erklärungen und nonverbales Verhalten geschehen kann.495 Jedoch müssen der erhobene Geltungsanspruch und die damit erweckte normative Erwartung so weit reichen, dass zu Vertrauensinvestitionen Anlass gegeben werden kann.496 Gerade im Hinblick auf deklaratorische Erklärungen gilt jedoch, dass der Empfänger einer solchen Erklärung, anders als der Empfänger eines Leistungsversprechens, keine künftige Leistung, sondern lediglich die Übereinstimmung der behaupteten mit der wirklichen Tatsachenlage erwartet. Je nach Geltungsanspruch der Erklärung – dieser kann absolut oder relativ sein – haftet der Erklärende somit für die absolute bzw. die im Rahmen bestimmter Erkenntnismöglichkeiten liegende Wahrheit der Behauptung.497 Den Anreiz zum Gelingen der marktförmigen Kooperation soll nach Ackermann die Haftung auf das negative Interesse bewirken, indem die sozialen Kosten von Versprechen und anderen normativitätsstiftenden Verhaltensweisen minimiert werden.498 Ausgangspunkt dieser Überlegung ist die Feststellung, dass der Wert eines Versprechens nicht mit dem Gegenstand, auf welches sich das Versprechen bezieht, gleichgesetzt werden kann.499 Denn der Wert eines Versprechens, das nicht eingehalten wird, ist nicht etwa gleich null, sondern mitunter negativ, da das nicht eingehaltene Versprechen Kosten verursacht: sogenannte Vertrauenskosten.500 Die Vermeidung von Vertrauenskosten ist jedoch kein Ziel, dessen Erreichung unbegrenzte Anstrengungen bzw. Kosten rechtfertigt.501 Jedenfalls sofern es sich lediglich um Vermögensschäden handelt,502 gibt die ökonomische Analyse vor, dass Schadenskosten nur so lange zu vermindern sind, wie die Summe aus Schadenskosten und Schadensvermeidungskosten nicht ansteigt, was unter dem Begriff der „Marginal-

493

Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 65, 167. Dieser Gedanke findet Anlehnung an die Differenzierung zwischen kognitiven und normativen Erwartungen, deren Unterscheidung funktional, d. h. entsprechend der Art der antizipierten Enttäuschungsabwicklung, vorzunehmen ist. Als kognitiv werden danach solche Erwartungen erlebt, die im Enttäuschungsfall an die Wirklichkeit angepasst werden, während an normativen Erwartungen auch im Enttäuschungsfall festgehalten wird, vgl. dazu Luhmann, Rechtssoziologie I, 1972, S. 42 f. 495 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 167 f. 496 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 169. 497 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 169 f. 498 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 118, 173. 499 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 141. 500 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 143. 501 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 146. 502 Etwas anderes kann gelten, wenn es um die Abwehr bzw. Vermeidung von Personenschäden geht, vgl. Calabresi, The Costs of Accidents, 1970, S. 18 ff. 494

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

bedingung optimaler Sorgfalt“ zusammengefasst wird.503 Grundsätzlich sollen Versprechender und Versprechensempfänger vor diesem Hintergrund selbst Vereinbarungen treffen, um Anreize für eine effiziente Schadensvermeidung zu schaffen.504 Aufgrund der am Markt vorliegenden ungleichen Verteilung von Informationen zwischen den Akteuren ist dies jedoch gerade nicht möglich, sodass es einer Haftung als angemessene Anreizstruktur bedarf,505 welche Ackermann in einem verschuldensunabhängigen Ersatz des negativen Interesses sieht.506 Während der Ersatz des Erfüllungsinteresses ein ineffizientes Übermaß an Sicherung begründen würde, da lediglich die bereits bestehenden normativen Erwartungen gesichert werden, beugt der Ersatz des negativen Interesses einer ineffizienten Sicherung vor, indem gewährleistet wird, dass bereits die Produktion normativer Erwartungen das sozial erwünschte Niveau nicht überschreitet.507 Der Ansatz Ackermanns überzeugt aufgrund seiner Ausrichtung auf das Verhalten der Akteure, ohne sich dabei der klassischen Dichotomie von Vertrag und Delikt zu unterwerfen. Insbesondere gelingt es ihm, die zuvor soziologisch geprägte Selbstbindungslehre fortzuentwickeln und mit der Institutionenökonomie und der Methode der ökonomischen Analyse zu belegen.508 Während es der soziologischen Selbstbindungslehre noch schwerfällt, eine präzise Grenze zwischen rein sozialer Bindung und rechtlicher Bindung zu ziehen, erkennt Ackermann, dass soziale Selbstbindungsmechanismen eine rechtliche Bindung zum Teil entbehrlich machen, sodass eine Selbstbindung nur in solchen Fällen in Betracht kommt, in denen eine außerrechtliche, d. h. soziale, Kooperationssicherung ausscheidet. Daneben ist es vorzugswürdig, dass sich Ackermann mit dem Haftungsumfang auseinandersetzt und eine qualifizierte Haftung auf das negative Interesse propagiert, die sich eindeutig von der grundsätzlichen Erfüllungshaftung bzw. der Haftung auf das positive Interesse abgrenzt. Durch einen einheitlichen Sanktionsmaßstab werden folglich auch jene dogmatischen Unklarheiten vermieden, denen sich insbesondere die Selbstbindungslehre Köndgens ausgesetzt sah, wenn sie den Vertrag als Sonderform der Selbstbindung bezeichnet, sodass der Haftungsumfang von der Bestimmtheit des jeweiligen Selbstbindungstatbestands abhängen soll.509 Vor allem aber ist das vorgestellte Konzept im Zusammenhang mit dem kapitalmarktrechtlichen Kontext einer Haftung für die Verletzung von Lock-up Agreements überzeugend, denn nach Ackermann kommt eine Haftung aufgrund einer Selbstbindung nur dann in Betracht, wenn dies der marktförmigen Kooperation dient.510 Wie bereits festgestellt wurde, 503 Vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 154 f. 504 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 146 f. 505 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 153 f. 506 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 173. 507 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 139, 200. 508 So auch Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 31. 509 Vgl. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 86. 510 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 201 f.

B. Begründungsansätze einer Haftung

251

spielen die Kooperationsförderung und der Abbau von Informationsasymmetrien am Kapitalmarkt eine besondere Rolle,511 sodass die Legitimation einer außervertraglichen Selbstbindung mit den Funktionen und Regelungszielen des Kapitalmarktrechts übereinstimmt. Folglich gelingt es Ackermann, den Anknüpfungspunkt und die Legitimation einer Haftung von den unbestimmten Konzepten wie Vertrauen oder Erwartung zu entkoppeln und an die Prinzipien des Funktionsschutzes und des Gruppenwohls zu knüpfen, welche insbesondere im Rahmen des Kapitalmarktrechts den Status eines unangefochtenen Regelungsziels innehaben.512

III. Antinomie zwischen gesetzlicher und (quasi-)vertraglicher Haftung Nachdem die verschiedenen Begründungsansätze einer Haftung untersucht worden sind, soll nun auf das Verhältnis zwischen den Kategorien der gesetzlichen und der (quasi-)vertraglichen Begründungsansätze eingegangen werden. Es ist folglich zu untersuchen, inwieweit sich eine gesetzliche und eine vertragliche Haftung gegenseitig ausschließen. Auf den ersten Blick scheinen sich die verschiedenen Haftungskategorien diametral gegenüberzustehen: Während die vertragliche Haftung auf einem willensbasierten Entschluss der Parteien beruht, wird die gesetzliche Haftung den Parteien willensunabhängig aufgrund der Verletzung einer gesetzlichen Pflicht aufoktroyiert. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich indes, dass die Kriterien keineswegs zwingend sind und es Überschneidungen der beiden Haftungskategorien gibt. So ist der willensbasierte Konsens zwar Voraussetzung einer vertraglichen Bindung, jedoch muss sich dieser nicht zwangsläufig auch auf sekundäre Haftungsansprüche erstrecken. Oftmals werden die Parteien eine vertragliche Haftung gerade nicht wollen, zu denken ist etwa an die §§ 474 ff. BGB, sodass nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass sich der Parteiwille stets auf jede Form der vertraglichen Bindung bzw. Haftung erstreckt.513 Auch die gesetzliche Haftung beruht nicht zwangsläufig auf dem Zurechnungskriterium des Verschuldens, wie etwa die Haftungstatbestände § 122 BGB oder § 179 Abs. 1 BGB belegen.514 Mangels einer eindeutigen Differenzierung zwischen gesetzlicher und (quasi-)vertraglicher Haftung bedarf es daher auch keiner endgültigen Zuordnung. Stattdessen können Elemente beider Haftungskategorien Berücksichtigung finden, was nicht zuletzt die Figur der culpa in contrahendo darlegt, welche nach einhelliger Meinung als gesetzliche Haftung nach vertragsähnlichen Grundsätzen beschrieben wird515 und 511

Vgl. bereits die Ausführungen unter 2. Kapitel B. II. Vgl. 2. Kapitel C. I. 513 Vgl. Krawitz, Schutz vorvertraglicher Investitionen, 2015, S. 143. 514 Vgl. Krawitz, Schutz vorvertraglicher Investitionen, 2015, S. 143. 515 Etwa Becker, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 311 Rn. 49; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 11. Aufl. 2017, § 19 Rn. 89; ähnlich auch Emmerich, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 311 Rn. 39; Krebber, VersR 2004, 150, 152. 512

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

somit zeigt, dass die Grenzen zwischen gesetzlicher und vertraglicher Haftung nicht mehr starr sind, sondern teils verschwimmen. Zu beachten ist jedoch, dass eine gesetzliche Haftung stets voraussetzt, dass in einem Tatbestand konkrete Voraussetzungen genannt werden müssen, die sämtliche haftungswürdigen von den haftungsunwürdigen Fällen trennen, was insbesondere bei einer Vielzahl möglicher Fallkonstellationen zu Schwierigkeiten führen kann.516 In diesem Zusammenhang sind (quasi-)vertragliche Haftungsansätze aufgrund ihrer Flexibilität im Vorteil, wobei stets gilt, dass Flexibilität nicht zulasten von Rechtssicherheit gehen darf.

IV. Stellungnahme Abschließend sind die vorgestellten Begründungsansätze einer Haftung zu bewerten, um festzustellen, ob daraus ein eigenes Haftungskonzept für die Begründung einer Schadensersatzhaftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern aufgrund der Verletzung eines Lock-up Agreements entwickelt werden kann. Als Anknüpfungspunkt für eine Haftung kommt lediglich die mit der Veröffentlichung des Wertpapierprospekts kundgetane Information über das Bestehen eines Lock-up Agreements zwischen den Altaktionären und der Emissionsbank in Betracht, wobei es zunächst unbeachtlich ist, inwieweit dies eine Erklärung, ein Versprechen oder ein sonst zurechenbares Verhalten darstellt. Es wurde bereits dargelegt, dass eine Haftung weder nach Vertragsrecht noch nach Deliktsrecht in Frage kommt, sodass nach einem Haftungskonzept zwischen den Polen der vertraglichen und deliktischen Haftung gesucht wird.517 Dabei lassen sich die gefundenen Ansätze zwar in gesetzliche und quasi-vertragliche Konzepte differenzieren; da eine scharfe Abgrenzung zwischen diesen Kategorien jedoch schwerfällt, ist es vorzugswürdig hinsichtlich des „Blickwinkels“ einer Haftung zu unterscheiden. Vor diesem Hintergrund lassen sich im Grunde zwei gangbare Wege ausmachen: Zum einen kommt eine (indirekte) Bindung an eine gesetzliche Pflicht in Betracht, deren Verletzung wiederum eine Haftung begründet. Dieser Weg hat vor allem in der Lehre der Vertrauenshaftung Ausprägung gefunden, wobei die Perspektive dabei vorwiegend auf den Informationsempfänger gerichtet ist; es wird folglich gefragt, wer vertraut. Der andere gangbare Weg stellt auf eine direkte Bindung ab, die zwar mangels einer Willenserklärung nicht auf einem Rechtsgeschäft beruht, diesem aber hinsichtlich der Rechtsfolge weitestgehend gleichstehen soll.518 Diese Ansätze lassen sich unter dem Konzept der Selbstbindungslehre zusammenfassen, welche vornehmlich auf den Informations- bzw. Versprechensgeber abstellt und danach fragt, wer einer Selbstbindung unterliegt. Haftungsbegründende Merkmale der beiden Konzepte sollen zum einen schutzwürdiges Vertrauen (Vertrauenshaftung) und zum anderen 516 517 518

Kersting, JR 2008, 312, 313. Vgl. 8. Kapitel A. I. Vgl. Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 240.

B. Begründungsansätze einer Haftung

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legitime Erwartungen (Selbstbindung) sein. Beide Merkmale sind für sich genommen jedoch ungeeignet, um eine Haftung zu begründen. Der Vertrauenshaftung ist zwar grundsätzlich zugutezuhalten, dass die Rechtsordnung einen Vertrauensschutz anerkennt und diesem einen hohen Stellenwert zumisst, doch stellt das Merkmal des Vertrauens einen ubiquitären und wenig greifbaren Begriff dar, der subjektiv und emotionsgeladen ist und folglich mangels hinreichender Konkretisierung nicht geeignet ist, um als Anknüpfung für eine gesetzliche Haftung zu dienen. Dies gilt umso mehr, wenn vor dem Hintergrund des kapitalmarktrechtlichen Zusammenhangs auf vage Topoi wie den eines allgemeinen „Marktvertrauens“ abgestellt werden soll, wodurch nicht nur das Erfordernis des besonderen Vertrauens gem. § 311 Abs. 3 BGB umgangen würde, sondern auch mangels klarer Konturen eine willkürliche Haftungsausweitung unvermeidbar wäre.519 Der Vertrauensbegriff ist daher als verlässliches Kriterium zur Abgrenzung von haftungsbegründendem und unschädlichem Verhalten ungeeignet. Der Ansatz der Selbstbindungslehre, welcher anstelle des schutzwürdigen Vertrauens auf legitime Erwartungen abstellt, ist grundsätzlich vorzugswürdig, da das positive Verhalten des Versprechenden in den Vordergrund gestellt und eine daraus resultierende Bindung in Form einer verpflichtenden Zusage begründet wird. Unter dem Begriff der „Bindung“ kann somit eine erzwingbare Zusage verstanden werden, welche im Fall eines Abweichens von der erbrachten Zusage eine negative Verpflichtung begründet.520 So ist es zunächst überzeugend, dass das Konzept der Bindung von der vertraglichen Erfüllungspflicht entkoppelt wird, was der Vielzahl von außervertraglichen Formen einer Bindung Rechnung trägt. In Anbetracht dieser unterschiedlichen Formen sozialer Bindung reicht die vertragliche Einigung als einziger Selbstbindungstatbestand nicht aus. Stattdessen ist es angebracht, auch weitere Formen der Selbstbindung unabhängig von einer vertraglichen Einigung anzuerkennen. Begrüßenswert ist ebenfalls, dass im Gegensatz zur Theorie der Vertrauenshaftung auf das nach außen getragene Verhalten des Versprechens- bzw. Zusagegebers abgestellt wird, welches einer objektiven Bewertung deutlich zugänglicher ist als das innere Vertrauen und die Schutzbedürftigkeit des Vertrauenden bzw. des Zusageempfängers und zudem keiner Konstruktion von gesetzlichen (Schutz-)Pflichten bedarf, deren Verletzung eine Haftung begründet. Trotz dieser Vorzüge kann auch der Ansatz der (reinen) Selbstbindungslehre nicht gänzlich überzeugen. Denn Voraussetzung einer haftungsbegründenden Selbstbindung ist das Erwecken legitimer Erwartungen. Dieses Kriterium vermittelt jedoch auch nicht die notwendige Objektivität, um daran eine haftungsbegründende Selbstbindung anzuknüpfen. Es lässt sich folglich kein greifbarer Unterschied zwischen dem Kriterium des schutzwürdigen Vertrauens und dem der legitimen Erwartung ausmachen, mit der Folge, dass beide Kriterien allein nicht ausreichen, um eine Haftung zu 519 Zum Begriff des „Marktvertrauens“ Peltzer, NZG 2002, 10, 11. Kritisch Bachmann, WM 2002, 2137, 2141. 520 Vgl. Krawitz, Schutz vorvertraglicher Investitionen, 2015, S. 137.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

begründen. Zwar verdienen der Schutz von Vertrauen und legitimen Erwartungen als allgemeine Rechtsprinzipien Anerkennung, begründen als solche jedoch keine Anspruchsgrundlage. Sie stellen vielmehr „Richtmaße des Rechts“ dar, welche, um eine Haftung zu begründen, einer zusätzlichen Präzisierung und Individualisierung bedürfen.521 Damit soll der Ansatz der Selbstbindungslehre jedoch noch nicht gänzlich verworfen werden. Ausgangspunkt für eine Präzisierung und Individualisierung ist der Grundgedanke der Selbstbindung, wonach ein Akteur, der mittels nach außen gerichteter Darstellungen bei anderen gewisse Erwartungen weckt, sich diesen nicht sanktionslos entziehen kann. Rechtlich institutionalisiert ist die Selbstbindung im Fall einer vertraglichen Einigung, indes soll auch unterhalb der Schwelle gleichgerichteter Willenserklärungen eine Selbstbindung aufgrund von nach außen getragenen Verhaltensweisen existieren. Diese Selbstbindung erschöpft sich jedoch gerade nicht in der ethisch-moralischen Sicherung eines Versprechens oder einer konkludent geäußerten Zusage, sondern bedarf einer funktionalen Konkretisierung: Die Legitimität eines solchen Rechtsinstituts liegt in der Kooperationssicherung, welche dem Funktionsschutz des Markts und damit dem Gruppenwohl dient. Die außervertragliche Selbstbindung bezweckt somit keine Bestrafung desjenigen, der Erwartungen eines anderen weckt und diese sodann nicht erfüllt, sondern soll die Funktionsfähigkeit einer auf Freiwilligkeit basierenden Kooperationsordnung gewährleisten,522 welche aufgrund von Informationsasymmetrien und dadurch bedingten opportunistischen Verhaltensweisen gefährdet ist. Dies zeigt, dass die Überlegungen der verkehrsschutzorientierten, gesetzlichen Ansätze, welche trotz ihrer überzeugenden Gedanken mangels hinreichender Konkretisierung abgelehnt wurden,523 im Wege der funktionalen Legitimation dennoch Berücksichtigung finden. Vor diesem Hintergrund steht das Konzept einer außervertraglichen Selbstbindung auch keineswegs im Widerspruch zum Legitimationsideal des rechtsgeschäftlichen Konsenses, sondern muss geradezu als dessen Fortsetzung verstanden werden. Denn Kooperation stellt eine dynamische Beziehung dar, die nicht erst mit der Begründung eines Rechtsgeschäfts beginnt,524 sodass es einer Kooperationssicherung nicht nur im Falle einer vertraglichen Beziehung bedarf, sondern auch bzw. gerade im Vorfeld und außerhalb eines Vertragsverhältnisses, da die Kooperation oftmals notwendige Voraussetzung für das Entstehen eines Rechtsgeschäfts ist. Wären die Marktakteure außerhalb der Reichweite von Willenserklärungen und vertraglichen Bindungen opportunistischen Verhaltensweisen schutzlos ausgeliefert, liefe dies der Funktionsfähigkeit des Markts als zentraler Institution einer pluralistischen Gesellschaft zuwider, weil die Marktakteure jegliche Form außervertrag-

521 522 523 524

Dazu Picker, JZ 1987, 1041, 1049. Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 251. Vgl. 8. Kapitel B. I. 3. Ähnlich Lüsing, Die Pflichten aus culpa in contrahendo, 2010, S. 371.

C. Konzept eines eigenen Haftungsinstituts

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licher Kooperation ablehnen und stattdessen opportunistische Verhaltensweisen wählen und damit dem Gemeinwohl zuwiderhandeln würden.525 Wird also von einer funktionalen Legitimation der außervertraglichen Selbstbindung ausgegangen, wonach diese der Kooperationssicherung und der Förderung des Gruppenwohls dient, ergibt sich für die außervertragliche Selbstbindung Folgendes: Zwar kann die Erfüllung einer durch ein nach außen gerichtetes Verhalten geweckten Erwartung allein durch Rechtsgeschäft erzwungen, d. h. durchgesetzt, werden, jedoch kommt eine Sanktionierung von Verhaltensweisen, die nicht mit den geweckten Erwartungen konform sind, auch außerhalb von vertraglichen Beziehungen in Betracht. Dabei bedingt die Funktion der Kooperationssicherung, dass eine solche Sanktion nur dann in Betracht kommt, wenn außerrechtliche und soziale Sanktionsmechanismen eine hinreichende Kooperationssicherung nicht gewährleisten können, Kooperation zugleich aber maßgeblich für die Funktionsfähigkeit des Markts ist. Ferner muss der Selbstbindungstatbestand, d. h. die durch Verhalten geweckte Erwartung, auf einem kooperativen Element beruhen. Haftungsbegründend können somit nur Erwartungen sein, die in einem transaktionsspezifischen Kontext stehen und folglich geeignet sind, den Dritten zu einer Investition bzw. Disposition im Zusammenhang mit der geweckten Erwartung zu veranlassen. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist das nach außen gerichtete Verhalten des Versprechensbzw. Informationsgebers normativitätsstiftend, d. h., die durch das Verhalten geweckten Erwartungen erheben einen Geltungsanspruch und sind demnach normative Erwartungen, deren Enttäuschung nicht lediglich die Korrektur der Erwartungshaltung des anderen zur Folge hat, sondern einen Schadensersatzanspruch begründen kann.

C. Konzept eines eigenen Haftungsinstituts Nachdem die dogmatischen Grundlagen eines herzuleitenden Haftungskonzepts dargelegt wurden und im Anschluss die verschiedenen Begründungsansätze einer Haftung untersucht worden sind, soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, die bisherigen Erkenntnisse zu einem eigenen kohärenten Konzept eines Haftungsinstituts zusammenzuführen, mit dem Ziel, eine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements zu begründen. Dabei soll zwischen dem Haftungstatbestand und dem Umfang der Haftung differenziert werden. Während die vorangegangenen Ausführungen lediglich abstrakte Haftungskonzepte betrafen und somit weitestgehend keinen Bezug zu bestimmten Sachverhaltskonstellationen aufwiesen, gilt es nun das eigene Haftungskonzept im Hinblick auf die konkrete Fallfrage, nämlich die der Haftung aufgrund des Verstoßes gegen 525

Ähnlich Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 257.

256

8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

Lock-up Agreements, zu entwickeln. Vorab ist dafür noch einmal die zugrundeliegende Problematik darzulegen: Lock-up Agreements werden regelmäßig zwischen den Altaktionären und der Emissionsbank geschlossen und stellen schuldrechtliche Vereinbarungen dar, denen keine dingliche Wirkung zukommt. Verstoßen Altaktionäre gegen ein Lock-up Agreement, indem sie während der Lock-up-Periode pflichtwidrig Anteile veräußern, so kann dies zu negativen Kursreaktionen führen,526 wodurch insbesondere die Neuanleger Vermögensschäden erleiden.527 Ein Schadensersatzanspruch der Anleger gegenüber den Altaktionären besteht nach den allgemeinen Anspruchsgrundlagen jedoch nicht. Vertragliche Ansprüche scheiden mangels Willenserklärungen aus, während ein deliktsrechtlicher Ersatz von Vermögensschäden an den Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 2 und 826 BGB scheitert.528 Dennoch wurde dargelegt, dass es einer privatrechtlichen Haftung im Fall des Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement bedarf und dass das Fehlen eines solchen Haftungstatbestands eine Gesetzeslücke darstellt.529 Gesucht wird folglich eine willensunabhängige Haftung auf den Ersatz des Vermögensschadens, den die Anleger dadurch erleiden, dass ein oder mehrere Altaktionäre gegen ein Lock-up Agreement verstoßen und dies eine negative Kursreaktion zur Folge hat. Die vorangegangenen Untersuchungen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass insbesondere der Ansatz einer marktfunktionalen außervertraglichen Selbstbindung überzeugen kann, sodass dieser Ansatz im Folgenden aufgegriffen wird.

I. Außervertragliche Selbstbindung kraft Prospektveröffentlichung Anknüpfungspunkt einer Haftung aufgrund einer Verletzung von Lock-up Agreements ist eine außervertragliche Selbstbindung der Altaktionäre. Erst im Funktionszusammenhang mit dem vertrauensbildenden Zweck der Lock-up Agreements, den Schutzzielen des Kapitalmarktrechts und der Veröffentlichung der Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt lässt sich aus diesem Ansatz ein Haftungsinstitut begründen. Das eigentliche Lock-up Agreement stellt, wie bereits dargelegt wurde, lediglich eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Altaktionären und der Emissionsbank dar. Im Rahmen dieses Vertrags begründet das Lock-up Agreement auch eine Selbstbindung der Altaktionäre in der institutionalisierten Form des Rechtsgeschäfts, welche jedoch ausschließlich innerhalb der rechtsgeschäftlichen Beziehung Geltung entfaltet. Die bloße Vereinbarung des Lock-up Agreements hat folglich keine Wirkung außerhalb des Vertragsverhältnisses und kann als solche auch 526 527 528 529

Vgl. bereits 3. Kapitel B. II. Vgl. bereits 4. Kapitel B. I. 1. c). Dazu 4. Kapitel B. II., III., IV. und V. sowie zusammenfassend 4. Kapitel B. VI. Vgl. die Zusammenfassung unter 7. Kapitel C.

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keine Selbstbindung gegenüber anderen Parteien als dem Vertragspartner entfalten. Entscheidend ist neben dem Bestehen des eigentlichen Lock-up Agreements aber dessen Veröffentlichung im Wertpapierprospekt.530 Indem die Existenz des Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt veröffentlicht und damit dem Anlegerpublikum kundgetan wird, übersteigt das Lock-up Agreement den Bereich des Privatrechts und erlangt kapitalmarktrechtliche Relevanz.531 Denn erst durch die Veröffentlichung des Lock-up Agreements erfüllt dieses seine vertrauensbildende Funktion und fördert Kooperation und den Abbau von Informationsasymmetrien.532 Das Lock-up Agreement vermittelt somit eine über die schuldrechtliche Vereinbarung hinausgehende Geltung und begründet die normative Erwartung der Anleger, dass die Altaktionäre ihre Anteile für die Dauer der Lock-up-Periode nicht veräußern werden. Diesen Geltungsanspruch vermittelt der Wertpapierprospekt kraft seiner Funktionen. So stellt der Wertpapierprospekt ein zentrales Informationsdokument dar, welches die für eine fundierte Anlageentscheidung notwendigen Informationen bereithält, um das Informationsgefälle zwischen den Kapitalmarktakteuren zu überwinden. Dadurch soll das Vertrauen der Anleger gestärkt und so dem Anlegerschutz gedient werden.533 Neben der Information der Anleger zielt der Prospekt zudem auf die Überzeugung der Anleger ab und erfüllt damit zugleich eine Werbe- bzw. Marketingfunktion.534 Der Wertpapierprospekt stellt daher die für den Anlageinteressenten wichtigste Informationsquelle dar und bildet regelmäßig die Grundlage für eine Anlageentscheidung.535 Dieses Zusammenspiel von Information und Werbung sorgt beim Empfänger, d. h. beim Anleger, dafür, dass konkrete Erwartungen geweckt werden.536 Diese Erwartungen sind keinesfalls nur konstitutive Erwartungen, sondern sind aufgrund der durch den Prospekt vermittelten Richtigkeitsgewähr normative Erwartungen, also solche Erwartungen, von denen auch im Fall eines Abweichens vom erwarteten Verhalten nicht abgerückt wird. Zwar darf an dieser Stelle die Grenze zur Prospekthaftung nicht überschritten werden, denn der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement macht den Prospekt nicht unrichtig, da dieser lediglich angibt, dass ein Lock-up Agreement besteht, und somit keine Zukunftsaussagen trifft. Die durch die Prospektveröffentlichung geweckte Erwartung der Anleger 530 Die Pflicht zur Veröffentlichung von Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt ergibt sich aus § 7 WpPG i.V.m. Anhang III Ziff. 7.3 VO (EG) 809/2004 v. 29. 04. 2004 (EU-ProspektVO), vgl. bereits 1. Kapitel C. II. 1. 531 Vgl. Grüger, WM 2010, 247, 251. 532 Ausführlich dazu unter 3. Kapitel A. 533 Vgl. ErwG Nr. 7 und 10 VO 2017/1129 v. 14. Juni 2017 (EU-Prospektverordnung 2017), ABl. EU L 168, 13, sowie bereits ErwG Nr. 18 RL 2003/71/EG v. 4. November 2003 (Prospektrichtlinie), ABl. EU L 345, 65. Ausführlich Kaufmann, Die Prospektpflicht nach dem WpPG, 2015, S. 44 f.; Köndgen, Zur Theorie der Prospekthaftung, 1983, S. 13 f. 534 Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 34; Kaufmann, Die Prospektpflicht nach dem WpPG, 2015, S. 45 f.; Köndgen, Zur Theorie der Prospekthaftung, 1983, S. 13. 535 Vgl. BHG, Urt. v. 19. 7. 2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134, 138; BGH, Urt. v. 31. 5. 2011 – II ZR 141/09, BGHZ 190, 7, 14 Rn. 18. 536 Ähnlich Canaris, in: FS Schimansky, 1999, S. 43, 58.

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beschränkt sich indes nicht auf die bloße Existenz eines Lock-up Agreements, sondern auf deren Einhaltung. Denn nicht die formelle Existenz eines Lock-up Agreements soll das Vertrauen der Anleger stärken und eine stabile Kursentwicklung garantieren, sondern gerade seine Einhaltung. Das Vorliegen einer schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen Altaktionär und Emissionsbank ist für den Anleger ohne Belang, da sich die Bedeutung des Lock-up Agreements für die Investitionsentscheidung des Anlegers allein auf die faktische Nichtveräußerung von Aktien durch die Altaktionäre stützt. Folglich erweckt die Veröffentlichung eines Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt die normative Erwartung, dass die Altaktionäre für die Dauer der Lock-up-Periode von einer Anteilsveräußerung absehen werden. Über die Veröffentlichung im Wertpapierprospekt wird das Lock-up Agreement mit einem Geltungsanspruch ausgestattet, der dieses über die bloße Information hinaus zu einem Selbstbindungstatbestand erhebt. Dass die Altaktionäre keinen Bindungswillen gegenüber den Anlegern haben, ist insofern unbeachtlich, da eine Selbstbindung auch durch Verhaltensweisen jenseits der Willenserklärung möglich ist. Hinzu kommt, dass es sich bei dem veröffentlichten Lock-up Agreement um ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft handelt, durch welches die Altaktionäre ihren Bindungswillen gegenüber der Emissionsbank äußern. Zwar kann nicht jede mit Bindungswillen abgegebene Erklärung gleichzeitig normative Erwartungen Dritter an den Bestand dieser Erklärung wecken. Durch die Veröffentlichung des Lock-up Agreements im Prospekt wird der – zwar weiterhin nur gegenüber der Emissionsbank geltende – Bindungswille jedoch öffentlich kundgetan, wodurch normative Erwartungen geweckt werden. Die Produktion normativer Erwartungen genügt als solche jedoch nicht, um eine außervertragliche Selbstbindung und eine daraus resultierende Haftung zu begründen. Legitimationsgrundlage ist vielmehr der Funktionsschutz des Markts, welcher im Zuge der modernen Institutionenökonomik als oberstes Regelungsziel anerkannt ist. Folglich muss von einem funktionalen Selbstbindungsansatz ausgegangen werden, wonach die Selbstbindung die Kooperationssicherung und den Funktionsschutz des Markts gewährleisten und damit dem übergeordneten Gruppenwohl dienen soll. Hier ist nun abermals auf die Funktion der Lock-up Agreements im kapitalmarktrechtlichen Kontext einzugehen. Indem sich die Altaktionäre verpflichten, ihre Anteile nicht zu veräußern, sondern sich stattdessen der Kursentwicklung des Emittenten aussetzen, signalisieren sie den Anlegern, dass sie zum einen nicht „Kasse machen“ wollen und zudem an eine positive Entwicklung des Unternehmens glauben. Da der Kapitalmarkt durch Anonymität und Intransparenz geprägt ist und aufgrund der Beschaffenheit von Wertpapieren ein strukturelles Informationsungleichgewicht zulasten der Anleger existiert, kommt den Lock-up Agreements somit eine vertrauensbildende und damit kooperationsfördernde Funktion zu, um opportunistische Verhaltensweisen zu unterbinden, sodass sie im Ergebnis der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts dienen. Können Lock-up Agreements jedoch sanktionslos von den Altaktionären gebrochen werden und wird opportunistisches Verhalten seitens der Altaktionäre folglich nicht unterbunden, ist

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für die Anleger nicht erkennbar, welche Altaktionäre zuverlässig sind bzw. welche Informationen vertrauenswürdig sind. Sie können daher nicht zwischen guten und schlechten Investitionen unterscheiden, sodass sie möglicherweise ganz von einer Investition absehen könnten, was im Extremfall zu einem Marktversagen führen könnte.537 Dies gefährdet die Kooperation der Marktakteure und somit die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, was aufgrund dessen volkswirtschaftlicher Bedeutung dem Gemeinwohl zuwiderläuft. Daraus folgt, dass eine auf Einhaltung des Lock-up Agreements gerichtete, außervertragliche Selbstbindung, deren Nichteinhaltung eine Haftung begründet, allem voran dem Funktionsschutz des Kapitalmarkts und damit dem Gruppenwohl dient, indem sie die Anreizsituationen für die beteiligten Akteure so gestaltet, dass diese zu beiderseitig nutzensteigernder Kooperation bereit sind. Die Legitimation einer außerrechtlichen Selbstbindung resultiert folglich aus der Funktionssicherung des Markts,538 welcher wiederum notwendige Voraussetzung einer pluralistischen Gesellschaft ist.539 Die außerrechtliche Selbstbindung gewährleistet folglich die Einhaltung von Lock-up Agreements, die aufgrund ihrer Funktion die Effizienz des Markts sicherstellen, sodass das Institut der außervertraglichen Selbstbindung der Förderung des Gruppenwohls dient. Einer außervertraglichen Selbstbindung kommen indes nur dann eine funktionsschützende Wirkung und eine Förderung des Gruppenwohls zu, wenn nicht bereits außerrechtliche, d. h. insbesondere soziale, Sanktionsmechanismen existieren, die eine hinreichende Kooperationssicherung gewährleisten. Nur soweit die Marktakteure nicht selbst in der Lage sind, opportunistisches Verhalten zu erkennen und durch Kooperationsentzug wirksam zu sanktionieren, bedarf es einer rechtlichen Haftung als Substitut, um die Funktionssicherheit des Markts zu sichern. Denn eine außerrechtliche Verhaltenssteuerung durch den Markt ist grundsätzlich effizienter und damit kostengünstiger als eine rechtliche Sanktionierung und darf folglich nicht durch rechtliche Regelungen unterlaufen werden.540 Die Funktion der außervertraglichen Selbstbindung, Kooperationssicherung zu gewährleisten und die Marktfunktionen zu fördern, erübrigt sich jedoch bzw. wird konterkariert, wenn eine Sanktionierung im Wege der außervertraglichen Selbstbindung die soziale Koope537 Grundlegend zum Problem der Negativauslese und der Gefahr informationsbedingen Marktversagens Akerlof, Q. J. Econ. 84 (1970), 488 ff., sowie bereits 2. Kapitel B. II. 1. 538 Ähnlich auch Assmann, in: Assmann/Baasner/Wertheimer (Hrsg.), Vertrauen, 2014, S. 57, 64, 71, der vertritt, dass sofern es im Interesse der Funktionsfähigkeit bestimmter Systeme geboten ist, auch solchen Beziehungen eine Bindungswirkung beizumessen ist, die sich nicht durch Rechtsgeschäft oder eine konkrete Rechtsnorm begründen lässt. Ferner Beurskens, Haftung für enttäuschtes Aktionärsvertrauen, 2008, S. 408; Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 223, der für ein kapitalmarktrechtliches Sonderrechtsverhältnis plädiert, dessen Verletzung immer genau dann zu einer Haftung führen soll, wenn durch die Zuwiderhandlung die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts beeinträchtigt wird. 539 Vgl. Böhm, ORDO 22 (1971), 11, 13 ff. 540 Vgl. 7. Kapitel B. IV. 2.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

rationssicherung untergräbt. Grundsätzlich sollen demnach außerrechtliche Kooperationsmechanismen Vorrang haben, sodass es den Parteien selbst überlassen bleibt, Regelungen zur Sicherung ihrer Erwartungen zu treffen. Im Fall einer Verletzung von Lock-up Agreements scheidet die Vereinbarung solcher Regelungen indes aus, da die Anleger in keinem unmittelbaren Kontakt zu den Altaktionären stehen und regelmäßig nicht einmal wissen, wer diese sind, sodass die Vereinbarung etwaiger Regelungen nicht in Betracht kommt. Aufgrund des Informationsgefälles zwischen Altaktionären und Anlegern wird das opportunistische Verhalten der Altaktionäre auch nicht durch außerrechtliche Mechanismen sanktioniert, da zwischen den Akteuren keine fortdauernden Geschäftsbeziehungen bestehen, aufgrund derer einem Reputationsverlust sanktionierende und damit kooperationsfördernde Wirkung zukommen könnte.541 Dies zeigt im Umkehrschluss, dass das Institut einer außervertraglichen Selbstbindung notwendig ist, um die Kooperation zwischen den Marktteilnehmern zu gewährleisten. Das Konzept der außervertraglichen Selbstbindung kraft Prospektveröffentlichung basiert auf dem Grundgedanken, dass derjenige, der durch nach außen getragenes Verhalten die Zuversicht bzw. Erwartung Dritter weckt, sich an bestimmte Regeln halten zu wollen, sich zum Schaden der Dritten jedoch nicht an diese hält, haften muss. Die außervertragliche Selbstbindung der Altaktionäre setzt sich dabei aus zwei Komponenten zusammen: Zum einen werden durch die Veröffentlichung der Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt normative Erwartungen der Anleger geweckt, welche auf der vertrauensbegründenden Funktion des Prospekts und dessen Informations- und Richtigkeitsgewähr beruhen. Die Erweckung normativer Erwartungen genügt für sich genommen jedoch nicht für eine haftungsbegründende außerrechtliche Selbstbindung, sondern es bedarf zudem einer marktorientiert funktionalen Ausrichtung, wonach die außerrechtliche Selbstbindung dem Gruppenwohl und der Kooperationssicherung dienen muss. Da die Lock-up Agreements insbesondere der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts dienen, liegt ein marktorientiert funktionaler Bezug vor. Denn indem die Altaktionäre durch eine außerrechtliche Selbstbindung dazu angehalten werden, die Lock-up Agreements nicht zu verletzen, wird die Kooperation der Marktakteure gewährleistet und die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts gefördert. Das Institut der außervertraglichen Selbstbindung begründet folglich ein Anreizsystem, das die Marktakteure zu gegenseitiger, nutzensteigernder Kooperation anhält.

II. Ersatz des negativen Interesses Nachdem das Institut der außervertraglichen Selbstbindung kraft Prospektveröffentlichung als Grundlage einer Haftung der Altaktionäre infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements dargelegt worden ist, gilt es nun den Umfang einer Haftung 541

Dazu 7. Kapitel B. IV. 3.

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zu bestimmen. Grundsätzlich kommen diesbezüglich zwei Ansätze in Betracht: Zum einen kann sich die Ausgleichspflicht auf das positive Interesse, d. h. das Erfüllungsinteresse, erstrecken. Daneben ist ein Ersatz des negativen Interesses denkbar, wonach den Anlegern derjenige Schaden zu ersetzen ist, der ihnen widerfahren ist, weil sie auf die Einhaltung des Lock-up Agreements vertraut haben. Dabei ist zu bedenken, dass der Ausgleichspflicht keine eigenständige Funktion zukommt, sondern sie der zuvor dargelegten kooperationsgewährleistenden und gruppenwohlsichernden Funktion der außervertraglichen Selbstbindung dient. Der Haftungsumfang ist folglich im Licht einer optimalen, d. h. möglichst effizienten, Anreizstruktur zu kooperativem Verhalten zu bewerten. Auf den ersten Blick scheint der Ersatz des positiven Interesses aufgrund der umfassenden Erfüllungspflicht und damit verbundenen Sanktionsandrohung den effizientesten Anreiz zu kooperativem Verhalten zu schaffen. Jedoch darf eine effiziente Anreizstruktur nicht mit einer größtmöglichen Sanktionsandrohung gleichgesetzt werden. Vielmehr kann eine übermäßige Sanktionsandrohung zu ineffizienten Anreizstrukturen führen, wenn sie den Schuldner unverhältnismäßig stark belastet. Würde die Produktion normativer Erwartungen stets zu einer außervertraglichen Selbstbindung und einer Erfüllungshaftung führen, würde es der Schuldner in Zukunft vermeiden, normative Erwartungen zu produzieren. Denn im Gegensatz zu einer vertraglichen Beziehung kann sich der Schuldner die zusätzliche Belastung einer haftungsbewährten Sicherung der geweckten Erwartungen im Rahmen einer außervertraglichen Beziehung nicht entgelten lassen. Dies liefe dem Ziel der außervertraglichen Selbstbindung jedoch zuwider, denn normativitätsstiftendes Verhalten bzw. dessen Produktion vermittelt dem Empfänger Informationen, an welche dieser sein Verhalten anpassen kann. Dem Empfänger normativitätsstiftenden Verhaltens entsteht demnach ein Nutzen, der sich vor allem in dem Abbau von Informationsasymmetrien niederschlägt und folglich gefördert und nicht unterbunden werden soll.542 Indem Lock-up Agreements den Anleger informieren und Vertrauen stiften, damit dieser eine fundierte Anlageentscheidung treffen kann, stellen Lock-up Agreements einen Nutzen für den Anleger dar. Würden Altaktionäre aufgrund des umfassenden Risikos einer Erfüllungshaftung davon absehen, Lock-up Agreements abzuschließen, liefe dies der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts gerade zuwider. Gegen den Ersatz des positiven Interesses spricht auch, dass es im Fall einer außervertraglichen Selbstbindung an vertraglichen Leistungspflichten fehlt, sodass aufgrund einer Nichterfüllung der geweckten Erwartung auch kein Ersatz des Leistungsinteresses gefordert werden kann. Vorzugswürdig ist es daher, den Haftungsumfang auf den Ersatz des negativen Interesses zu beschränken. Denn der Ersatz des negativen Interesses schafft in außervertraglichen Beziehungen einen hinreichenden Anreiz zu kooperativem Verhalten, ohne dabei eine Kostenbelastung für den Schuldner darzustellen, die jegliches normativitätsstiftende Verhalten unterdrückt. Zudem berücksichtigt der Ersatz des 542

Vgl. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 193 ff.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

negativen Interesses, dass Anknüpfung einer außervertraglichen Selbstbindung stets das normativitätsstiftende Verhalten ist, d. h. die Produktion normativer Erwartungen. Folglich ist es konsequent, hinsichtlich des Haftungsumfangs nicht das Erfüllungsinteresse zu ersetzen und damit die Sicherung bereits bestehender Erwartungen zu bezwecken, sondern zu gewährleisten, dass die Produktion normativer Erwartungen das sozial erwünschte Niveau nicht überschreitet und nicht zum Nachteil der anderen Marktteilnehmer ausgenutzt wird.543 Die Vorzugswürdigkeit eines Ersatzes des negativen Interesses zeigt sich auch im Rahmen einer Haftung der Altaktionäre aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements. Würde eine außervertragliche Selbstbindung den Ersatz des positiven Interesses begründen, hätte der gegen ein Lock-up Agreement verstoßende Altaktionär die Anleger so zu stellen, wie sie stünden, wenn der Altaktionär seine Anteile nicht pflichtwidrig veräußert hätte. Damit ginge eine potentiell unbegrenzte und damit unkalkulierbare Vermögenshaftung für die Altaktionäre einher, wobei sich die Altaktionäre dieses enorme Haftungsrisiko nicht entgelten lassen können, da sie mit den Begünstigten, d. h. den Anlegern, in keiner synallagmatischen Beziehung stehen, sodass eine Erfüllungshaftung wohl zur Folge hätte, dass Altaktionäre keine Lock-up Agreements mehr eingehen würden. Ein Ersatz des negativen Interesses infolge der Verletzung eines Lock-up Agreements ist hingegen vorstellbar, da der pflichtwidrig veräußernde Altaktionär die Anleger so zu stellen hat, wie sie stünden, wenn sie nicht darauf vertraut hätten, dass die Altaktionäre sich an die getroffenen Lock-up Agreements halten werden. Zu ersetzen ist damit die Kursdifferenz zwischen dem Einstandswert und dem Aktienwert nach Bekanntwerden des Verstoßes gegen das Lock-up Agreement.544 Indes kann auch der uneingeschränkte Ersatz des negativen Interesses zu ineffizienten Anreizen führen. So ist es vorstellbar, dass sich jemand durch normativitätsstiftendes Verhalten zu einer Vermögensdisposition veranlasst sieht, diese Vermögensdisposition jedoch auch bei erwartungsgemäßem Verhalten des Versprechenden ineffizient, d. h. mit Kosten verbunden, wäre. Würde sich der Erklärende nun entgegen den von ihm geweckten normativen Erwartungen verhalten, so würde ein uneingeschränkter Ersatz des negativen Interesses die ohnehin ineffiziente Vermögensdisposition des Erklärungsempfängers umfassen. Zweck der außervertraglichen Selbstbindung ist jedoch nicht, das Investitionsrisiko des Versprechensbzw. Erklärungsempfängers zu kompensieren, indem die Nichterfüllung von normativen Erwartungen das Risiko von Fehlinvestitionen ausgleicht, was den Versprechensempfänger zu ineffizienten Investitionen verleiten kann.545 Besonders deutlich wird dies im Zusammenhang mit Investitionen auf dem Kapitalmarkt, da die 543

Vgl. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 139. Ferner können auch Transaktionskosten ersetzt werden; vorliegend soll der Fokus jedoch auf dem potentiell entscheidenden Schaden aufgrund eines Kursrutsches liegen. Ausführlich zur Bestimmung des ersatzfähigen Schadens unter 9. Kapitel B. 545 Vgl. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 160 ff. 544

D. Dogmatische Herleitung eines eigenen Haftungsinstituts

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Anleger dort stets dem allgemeinen Marktrisiko ausgesetzt sind.546 Erwerben Anleger Wertpapiere eines Emittenten, die im Folgenden an Wert verlieren, so realisiert sich dadurch das Marktrisiko. Verstoßen nun, nachdem der Wertpapierkurs bereits gefallen ist, Altaktionäre gegen ein Lock-up Agreement und kommt es infolgedessen zu einem weiteren Kursverlust, so würde eine Haftung der Altaktionäre auf das uneingeschränkte negative Interesse die Anleger so stellen, als hätten diese von vornherein von einer Investition abgesehen, sodass der gesamte Kursverlust zu ersetzen wäre. Dies liefe jedoch der Funktion der außervertraglichen Selbstbindung zuwider, denn geschützt werden soll lediglich die Erwartung der Anleger in die Einhaltung des Lock-up Agreements. Das allgemeine Marktrisiko der Kapitalmarktinvestition soll hingegen nicht auf die Altaktionäre übertragen werden.547 Daraus folgt, dass der Ersatz des negativen Interesses zu weit geht und daher auf den Betrag des positiven Interesses zu begrenzen ist, um ineffizienten Anreizen vorzubeugen. Bereits das Reichsgericht hat in diesem Zusammenhang befunden, dass der auf einen Vertrag Vertrauende jenen Schaden, der ihn auch bei Gültigkeit des Vertrags getroffen hätte, selbst zu tragen hat.548 Dieser Grundsatz hat überdies im Gesetz in § 122 Abs. 1 letzter Halbs. BGB Niederschlag gefunden. Der Geschädigte darf durch den Ersatz des negativen Interesses folglich nicht besserstehen, als er durch den Ersatz des positiven Interesses, d. h. bei Erfüllung seiner Erwartungen, stünde, sodass der Betrag des positiven Interesses die Obergrenze des Ersatzes des negativen Interesses darstellt.549

D. Dogmatische Herleitung eines eigenen Haftungsinstituts Nachdem das Konzept der außervertraglichen Selbstbindung vorgestellt worden ist, um auf seiner Grundlage eine Haftung der Altaktionäre infolge der Verletzung von Lock-up Agreements zu begründen, ist nunmehr zu untersuchen, wie es innerhalb der verschiedenen Stufen der Rechtsfindung einzuordnen ist.550 Im Folgenden soll daher der Kreis geschlossen werden, indem das entwickelte Haftungskonzept der außervertraglichen Selbstbindung anhand der im 6. und 7. Kapitel dargelegten Maßstäbe der Rechtsfortbildung bewertet wird. Denn nur soweit sich das Konzept einer außervertraglichen Selbstbindung im Rahmen einer zulässigen 546 Dazu bereits 2. Kapitel C. II. 2. a) bb). Zum inhärenten Kapitalmarktrisiko als Schadensbegrenzung vgl. Fleischer, BB 2002, 1869, 1871. 547 Vgl. bereits 2. Kapitel C. II. 2. a) bb). Ähnlich, aber im Hinblick auf Schadensersatzansprüche wegen unwahrer oder unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen Fleischer, BB 2002, 1869, 1871. Zu dem Szenario einer negativen Kursentwicklung bis zum Bekanntwerden des Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement vgl. 9. Kapitel B. II. 2. 548 RG, Urt. v. 22. 6. 1936 – IV 75/36, RGZ 151, 357, 358 f. 549 Vgl. Singer, in: Staudinger-BGB (2017), § 122 Rn. 15. 550 Vgl. 6. Kapitel B.

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

Rechtsfortbildung herleiten lässt, kommt eine Haftung de lege lata überhaupt in Betracht. Anderenfalls kann lediglich eine Umsetzung durch den Gesetzgeber de lege ferenda gefordert werden. In diesem Zusammenhang wurde bereits festgestellt, dass eine Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern infolge eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement nicht innerhalb des möglichen Wortlauts des Gesetzes herzuleiten ist, sprich, ein Haftungsinstitut nicht im Rahmen der Auslegung begründet werden kann. Ist damit die Wortlautgrenze überschritten und der Bereich der gesetzesimmanenten bzw. der gesetzesüberschreitenden Rechtsfortbindung erreicht, ist zu untersuchen, inwieweit eine Rechtsfortbildung praeter legem oder extra legem, intra ius geeignet ist, das zuvor entwickelte Haftungskonzept herzuleiten. Dafür ist zunächst auf die Voraussetzungen der Rechtsfortbildung einzugehen, wobei insbesondere die verschiedenen Methoden einer Rechtsfortbildung und deren Abgrenzung gegenüber der unzulässigen Rechtsfindung contra legem darzustellen sind. In diesem Zusammenhang sind zudem mögliche Anknüpfungspunkte im Gesetz zu erörtern. Schließlich ist in einem letzten Schritt auf die Zurechnung einer Haftung einzugehen.

I. Voraussetzungen der Rechtsfortbildung Grundlegende Voraussetzung einer Rechtsfortbildung praeter legem oder extra legem, intra ius ist zunächst das Vorliegen einer Rechtsfrage, die im Rahmen des möglichen Wortsinns des Gesetzes nicht beantwortet werden kann, wobei das maßgebliche Kriterium hierfür das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke ist. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass das Fehlen einer Haftung der Altaktionäre infolge des Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement eine solche Regelungslücke begründet, wobei auf den weiten Lückenbegriff abgestellt wurde.551 Teilweise wird zudem vertreten, dass eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung nur in solchen Fällen zulässig ist, in denen eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung keine zufriedenstellenden Lösungen liefert.552 Erkennt man jedoch richtigerweise an, dass eine rechtstechnische Abgrenzung zwischen gesetzesimmanenter und gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung weder möglich noch notwendig ist,553 ist es für die Zulässigkeit einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung unerheblich, ob eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung ausscheidet. Sieht man von dieser Differenzierung ab, kommt es schlichtweg nicht darauf an, ob die Rechtsfortbildung im Rahmen der Teleologie des Gesetzes oder der allgemeinen Prinzipien der Rechtsordnung vollzogen wird. Die Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung erschöpfen sich indes nicht in dem Vorliegen einer Lücke. Vielmehr muss die gefundene Lücke im Einklang mit den Prinzipien und Wertungen der Rechtsordnung ausgefüllt werden. Es bedarf folglich 551 552 553

Vgl. 7. Kapitel A. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 245 f. Vgl. dazu bereits 6. Kapitel B.

D. Dogmatische Herleitung eines eigenen Haftungsinstituts

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einer positiven Begründung der Rechtsfortbildung, wodurch der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht gem. Art. 20 Abs. 3 GG Rechnung getragen wird.554 1. Methoden der Rechtsfortbildung Für die Ausfüllung der Gesetzeslücke im Wege der Rechtsfortbildung kommen verschiedene Methoden in Betracht, die sich hinsichtlich ihrer Nähe zum Gesetz unterscheiden, sodass an dieser Stelle die Differenzierung zwischen gesetzesimmanenter und gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung zum Tragen kommt.555 a) Analogieschluss Die wohl bekannteste Methode der Rechtsfortbildung und Ausfüllung von Gesetzeslücken ist der Analogieschluss.556 Ein Analogieschluss beschreibt die Übertragung der für einen Tatbestand oder mehrere Tatbestände gesetzlich normierten Rechtsfolge auf eine vom Gesetz nicht geregelte, den gesetzlichen Tatbeständen jedoch ähnliche Konstellation. Entscheidend ist dabei, dass die Tatbestände in den für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Gesichtspunkten übereinstimmen.557 Sind sich zwei Sachverhalte unter dem Blickwinkel einer bestimmten Norm ähnlich, sodass sie in wesentlichen Beziehungen übereinstimmen, soll ihnen auch rechtlich die gleiche Folge zukommen.558 Dem Analogieschluss liegt insoweit der Gerechtigkeitsgedanke des Gleichbehandlungsgrundsatzes zugrunde, wonach Gleichartiges grundsätzlich gleich zu behandeln ist, und stellt einen wertenden Akt des Rechtsanwenders dar.559 Im Rahmen des Analogieschlusses lässt sich zwischen der Gesetzes- bzw. Einzelanalogie auf der einen und der Rechts- bzw. Gesamtanalogie auf der anderen Seite unterscheiden: Während die Gesetzesanalogie von einer einzelnen Rechtsnorm ausgeht und dieser einen auf vergleichbare Sachverhalte anwendbaren Grundgedanken entnimmt, stellt die Rechtsanalogie auf einen Komplex von Rechtsnormen ab, aus welchem im Wege der Induktion allgemeine Rechtsgedanken 554

Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 245 f. Nach der hier vertretenen Ansicht drückt die Unterscheidung zwischen einer Rechtsfortbildung praeter legem und einer Rechtsfortbildung extra legem, intra ius lediglich die Nähe der Rechtsfortbildung zum Gesetz aus und dient mithin der Veranschaulichung des Verhältnisses eines hergeleiteten Rechtsinstituts zur Rechtsordnung. Da beide Formen der Rechtsfortbildung grundsätzlich zulässig sind, bedarf es folglich keiner scharfen methodologischen Abgrenzung. Vgl. dazu bereits 6. Kapitel B. 556 Engisch, Einführung in das juristische Denken, 12. Aufl. 2018, S. 203; Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Aufl. 2016, S. 211. 557 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 202. 558 Engisch, Einführung in das juristische Denken, 12. Aufl. 2018, S. 204. 559 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 202; Rüthers/ Fischer/Birk, Rechtstheorie, 9. Aufl. 2016, § 23 Rn. 889. 555

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

entwickelt werden, und wendet diese auf eine vergleichbare, jedoch ungeregelte Interessenlage an.560 Im Wege der Analogie wird folglich auf die einer Rechtsnorm bzw. einem Komplex von Rechtsnormen innewohnende ratio legis und deren Verallgemeinerung abgestellt; Grundlage ist demnach die dem Gesetz immanente Teleologie. Zu untersuchen ist nunmehr, ob das entwickelte Haftungskonzept der außervertraglichen Selbstbindung im Wege eines Analogieschlusses hergeleitet werden kann. aa) Analoge Anwendung von § 311 Abs. 3 BGB Das Konzept der außervertraglichen Selbstbindung lässt sich nicht im Wege eines Analogieschlusses aus § 311 Abs. 3 BGB herleiten. Zwar besagt die Vorschrift, dass Schuldverhältnisse auch zu Personen entstehen können, die selbst nicht Vertragspartei werden sollen, und durchbricht damit zum Teil die klassische Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Haftung. Jedoch wurde bereits dargelegt, dass der Vorschrift das Vorbild der culpa in contrahendo zugrunde liegt und Regelungsziel der Vorschrift solche Sachverhaltskonstellationen sind, die zuvor im Rahmen der Rechtsfigur der culpa in contrahendo behandelt wurden.561 Vor diesem Hintergrund ist nicht zu verkennen, dass Anknüpfungspunkt einer Haftung stets ein Vertragsverhältnis bzw. eine vorvertragliche Beziehung sein muss, während das hier entwickelte Konzept der außervertraglichen Selbstbindung gerade unabhängig von Vertragsverhandlungen und rechtsgeschäftlichen Beziehungen bestehen kann und allein auf das tatsächliche normativitätsstiftende Verhalten abstellt. Es handelt sich bei den Sachverhalten der außervertraglichen Selbstbindung bzw. dem Verstoß gegen ein Lock-up Agreement somit nicht um eine aus rechtlicher Perspektive mit der culpa in contrahendo vergleichbare Interessenlage, weswegen eine analoge Anwendung von § 311 Abs. 3 BGB nicht in Betracht kommt, um das Konzept der außervertraglichen Selbstbindung herzuleiten. bb) Analoge Anwendung von § 122 Abs. 1 BGB Ferner könnte an einen Analogieschluss aus § 122 Abs. 1 BGB gedacht werden, wobei die analoge Anwendung von § 122 BGB insbesondere im Zusammenhang mit der Vertrauenshaftung vertreten wird.562 Rechtsgrund der Haftung aus § 122 Abs. 1 BGB ist der Schutz des Vertrauens des Erklärungsempfängers auf die Gültigkeit einer nach § 118 BGB nichtigen oder nach §§ 119, 120 BGB angefochtenen Willenserklärung. Danach tritt die Haftung nicht ein, weil sie gewollt ist, sondern weil 560

Bruns, JZ 2014, 162, 163; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 12. Aufl. 2018, S. 209 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 204 ff.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 9. Aufl. 2016, § 23 Rn. 891 f. 561 Vgl. dazu 4. Kapitel B. IV. 3. sowie 8. Kapitel A. III. 1. b) bb). 562 Vgl. v. a. Larenz, in: FS Ballerstedt, 1975, S. 397, 415 f.

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ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde.563 Auf den ersten Blick scheint die willensunabhängige Haftung aufgrund des Vertrauens in die Gültigkeit einer Erklärung, sowie der Ersatz des negativen Interesses, dem Konzept der außervertraglichen Selbstbindung zu ähneln, welches zwar nicht auf ein Vertrauen in die Gültigkeit einer Erklärung, jedoch auf durch normativitätsstiftendes Verhalten geweckte Erwartungen abstellt. Um eine analoge Anwendung von § 122 BGB zu rechtfertigen, müsste es sich allerdings bei einer wegen fehlender Ernstlichkeit gem. § 118 BGB nichtigen oder wegen Irrtums oder falscher Übermittlung angefochtenen Willenserklärung und einer enttäuschten normativen Erwartung um aus rechtlicher Perspektive derart ähnliche Interessenlagen handeln, dass beiden Sachverhalten die gleiche Rechtsfolge zukommen soll. Teilweise wird in § 122 BGB die Grundlage für einen allgemeinen Rechtsgedanken gesehen, wonach jemandem, der im berechtigten Vertrauen auf den Bestand eines Rechtsgeschäfts einen Schaden erleidet, und wenn der Mangel des Rechtsgeschäfts seine alleinige Ursache in der Person eines Beteiligten hat, ein Ersatzanspruch auf das negative Interesse zusteht.564 Im Gegensatz zu den in diesem Zusammenhang diskutierten Konstellationen handelt es sich bei einer außervertraglichen Selbstbindung jedoch nicht um ein Vertrauen auf den Bestand eines Rechtsgeschäfts, sondern Anknüpfungspunkt ist ein normativitätsstiftendes Verhalten, welches gerade nicht rechtsgeschäftlich ist. Eine analoge Anwendung von § 122 BGB kommt folglich nur in Betracht, wenn sich das in Anspruch genommene Vertrauen auf ein ungültiges oder in Aussicht gestelltes Rechtsgeschäft bezieht,565 sodass die Beteiligten folglich in einer vertraglichen oder vorvertraglichen Beziehung zueinander stehen müssen. Dagegen weist die außervertragliche Selbstbindung keinen Rechtsgeschäftsbezug auf, denn werden normative Erwartungen geweckt, so beziehen sich diese keinesfalls stets auf ein ungültiges oder zukünftiges Rechtsgeschäft, sondern auf rein tatsächliche Verhaltenserwartungen. Deutlich wird dies am Beispiel der Verletzung von Lock-up Agreements: Infolge der Veröffentlichung der Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt wird die normative Erwartung der Anleger geweckt, dass die Altaktionäre ihre Aktien nicht veräußern werden.566 Die Erwartung der Anleger ist jedoch weder auf ein gedachtes noch auf ein intendiertes Rechtsgeschäft mit den Altaktionären gerichtet. Ebenso wenig bezieht sich die Erwartung der Anleger auf die Gültigkeit der schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen 563

Singer, in: Staudinger-BGB (2017), § 122 Rn. 1. RG, Urt. v. 30. 10. 1942 – VII 41/42, RGZ 170, 65, 69; BGH, Urt. v. 20. 3. 1986 – III ZR 326/84, NJW 1986, 2104, 2106; Armbrüster, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 122 Rn. 4; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 537 f.; Singer, in: Staudinger-BGB (2017), § 122 Rn. 4 ff.; a.A. Ellenberger, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, § 122 Rn. 2. 565 So wird vertreten, der Abbruch von Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund könne eine Haftung analog § 122 BGB begründen, vgl. Singer, in: Staudinger-BGB (2017), § 122 Rn. 7. 566 Vgl. ausführlich unter 8. Kapitel C. I. 564

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

Altaktionären und Emissionsbank. Hinzu kommt, dass eine Haftung aus § 122 BGB davon ausgeht, dass zum Zeitpunkt der Erklärungsabgabe eine Diskrepanz zwischen der Erklärung und dem inneren Willen besteht,567 weswegen vertreten wird, § 122 BGB analog auf Fälle fehlenden Erklärungsbewusstseins und abhandengekommener Willenserklärungen anzuwenden.568 Wird die Haftung hingegen durch normativitätsstiftendes Verhalten begründet, kommt es auf die innere Willensrichtung des Verhaltenden nicht an. Maßgeblich ist allein, ob das nach außen getragene Verhalten normative Erwartungen weckt. So wird die vertrauensstiftende Veröffentlichung der Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt durch das Gesetz vorgegeben, findet demnach unabhängig von einem darauf gerichteten inneren Willen der Altaktionäre statt. Auch in dieser Hinsicht mangelt es folglich an der notwendigen Vergleichbarkeit der durch § 122 BGB geregelten Konstellation und der Fallgruppe der außervertraglichen Selbstbindung. Daraus folgt, dass das entwickelte Haftungsinstitut der außervertraglichen Selbstbindung nicht im Wege eines Analogieschlusses aus § 122 BGB hergeleitet werden kann. cc) Gesamtanalogie aus §§ 122, 311, 434, 1298 BGB, §§ 21, 22 WpPG Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass eine Rechtsfortbildung nicht im Wege einer Einzelanalogie in Betracht kommt. Allerdings kennt das Gesetz verschiedene Normen, deren Ratio auch im Rahmen des Konzepts der außervertraglichen Selbstbindung Anklang findet, sodass möglicherweise eine Herleitung im Wege einer Rechts- bzw. Gesamtanalogie in Betracht kommt. Denn obwohl das Institut der außervertraglichen Selbstbindung nicht im Wege der Einzelanalogie aus § 311 Abs. 3 BGB oder § 122 BGB hergeleitet werden kann, haben die entsprechenden Ausführungen gezeigt, dass sich die Grundgedanken der besagten Normen zum Teil auch in dem Institut der außervertraglichen Selbstbindung widerspiegeln. Darüber hinaus ist im Wege einer Gesamtanalogie auch auf § 434 Abs. 1 S. 3 BGB einzugehen.569 Die Vorschrift normiert den Sachmangel einer Kaufsache und besagt, dass zu der Beschaffenheit der Kaufsache nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auch solche Eigenschaften zählen, die der Käufer aufgrund von öffentlichen Aussagen oder Werbungen des Verkäufers, Herstellers oder dessen Gehilfen erwarten kann. Eine Einzelanalogie aus § 434 Abs. 1 S. 3 BGB kommt nicht in Betracht, weil die Vorschrift den Sachmangel einer Kaufsache beschreibt und somit unmittelbar an einen Kaufvertrag zwischen den Beteiligten anknüpft, sodass eine Vergleichbarkeit zu dem Institut der außervertraglichen Selbstbindung insoweit nicht besteht. Allerdings stellt § 434 Abs. 1 S. 3 BGB auf durch öffentliche Äußerungen geweckte Erwartungen ab und ähnelt in dieser Hinsicht dem Konzept der außervertraglichen 567 568 569

Vgl. Krawitz, Schutz vorvertraglicher Investitionen, 2015, S. 160. Vgl. m.w.N. Armbrüster, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 122 Rn. 5 f. Vgl. bereits 4. Kapitel B. IV. 4.

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Selbstbindung, welches ebenfalls auf normativitätsstiftendes Verhalten bzw. die Produktion normativer Erwartungen abstellt. Der Norm lässt sich somit die Wertung des Gesetzgebers entnehmen, dass öffentliche Äußerung und Versprechen nicht ausschließlich im Rahmen sozialer Sanktionsmechanismen durchgesetzt werden können, sondern unter Umständen auch einer rechtlichen Sanktionierung und Verhaltenssteuerung bedürfen. Im Rahmen einer Rechtsanalogie kann zudem § 1298 Abs. 1 S. 1 BGB herangezogen werden, wonach solche Aufwendungen, die in Erwartung der Ehe gemacht wurden, zu ersetzen sind, wenn ein Verlobter (grundlos) vom Verlöbnis zurücktritt.570 Eine Einzelanalogie aus § 1298 BGB kommt zwar nicht in Betracht, da sich die Verlobten gerade in einer vertraglichen Beziehung gegenüberstehen,571 während Kennzeichen der außervertraglichen Selbstbindung gerade ist, dass kein (vor-)vertragliches Verhältnis zwischen den Beteiligten existiert. Eine Anlehnung an § 1298 BGB im Wege einer Gesamtanalogie kommt jedoch deswegen in Betracht, weil die Haftung aus § 1298 BGB ebenfalls an die geweckten Erwartungen an ein zukünftiges Verhalten anknüpft. Schließlich könnten auch die Wertungen der Prospekthaftung (§§ 21, 22 WpPG) im Wege einer Gesamtanalogie Berücksichtigung finden.572 Denn nach dem hier entwickelten Ansatz ist gerade die Veröffentlichung der Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt dafür ausschlaggebend, dass bei den Anlegern normative Erwartungen geweckt werden. Sowohl die kapitalmarktrechtliche Prospekthaftung als auch das Institut der außervertraglichen Selbstbindung dienen folglich dem (überindividuellen) Anlegerschutz.573 Die dogmatische Einordnung der Prospekthaftung unterscheidet sich unterdessen fundamental von der außervertraglichen Selbstbindung: Zwar sieht die Rechtsprechung die Prospekthaftung als einen Fall der Vertrauenshaftung an,574 nach herrschender Ansicht handelt es sich bei der Prospekthaftung jedoch um eine deliktische Haftung wegen der Verletzung einer kapitalmarktspezifischen Verhaltenspflicht.575 570 In diese Richtung Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 544, der sich auf die Wertung der §§ 1297 ff. BGB im Rahmen der von ihm propagierten vertrauensrechtlichen Erklärungshaftung bezieht. 571 Die Verlobung ist nach h.M. ein Vertrag, durch welchen sich die Parteien versprechen, künftig die Ehe miteinander einzugehen, vgl. BGH, Urt. v. 21. 11. 1958 – IV ZR 107/58, BGHZ 28, 375, 377; Brudermüller, in: Palandt-BGB, 78. Aufl. 2019, Einf. v. § 1297 Rn. 1; Roth, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 1297 Rn. 5 f. 572 Zu den Ansprüchen aus Prospekthaftung vgl. bereits 4. Kapitel B. II. 1. 573 Vgl. Seiler/Geier, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-HdB II, 5. Aufl. 2017, Vor § 104 Rn. 79 ff. 574 BGH, Urt. v. 24. 4. 1978 – II ZR 172/76, BGHZ 71, 284, 286 f.; BGH, Urt. v. 6. 10. 1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 340 ff.; BGH, Urt. v. 31. 5. 2011 – II ZR 141/09, BGHZ 190, 7, 14. 575 Assmann, in: Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb (Hrsg.), WpPG/VermAnlG-Kommentar, 3. Aufl. 2017, Vor §§ 21 – 25 WpPG Rn. 30; Grundmann, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-HdB, Bd. II, 5. Aufl. 2017, § 112 Rn. 55 jew. m.w.N.

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Die Gesamtschau der hier aufgeführten Vorschriften hat gezeigt, dass das Gesetz durchaus Normen kennt, deren Wertung auch im Konzept einer außervertraglichen Selbstbindung Anklang findet. Eine Rechtsfortbildung im Wege einer Gesamtanalogie setzt jedoch voraus, dass sich aus den verschiedenen Regelungen ein einheitlicher allgemeiner Rechtsgedanke ableiten lässt, anhand dessen das Institut der außervertraglichen Selbstbindung hergeleitet werden kann. Ein solches allgemeines Prinzip lässt sich den hier untersuchten Vorschriften jedoch nicht entnehmen. Denn Kern der hier entwickelten Haftung aufgrund einer außervertraglichen Selbstbindung ist gerade dessen marktorientiert funktionale Legitimation. Es handelt sich somit um eine Haftung ex voluntate, die nicht allein auf willensbasierenden Erklärungen, der Produktion von Erwartungen oder der Veröffentlichung im Wertpapierprospekt beruht, sondern stets im Kontext mit der kooperationsfördernden und dem Gruppenwohl dienenden Funktion zu betrachten ist. Zudem handelt es sich bei der außervertraglichen Selbstbindung um ein Haftungsinstitut, das unabhängig von einem Vertrag oder vorvertraglichen Verhandlungen existiert. Der Gedanke einer Selbstbindung ohne Vertragsbezug lässt sich dem Telos der hier diskutierten Normen jedoch nicht entnehmen. Im Ergebnis kommt demnach auch keine Gesamtanalogie in Betracht, um das Haftungsinstitut einer außervertraglichen Selbstbindung herzuleiten. b) Teleologische Reduktion Neben dem Analogieschluss kann eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung auch im Wege einer teleologischen Reduktion erfolgen. Dabei handelt es sich um eine Korrektur eines zu weit geratenen Gesetzeswortlauts: Eine fehlende gesetzliche Einschränkung des Wortlauts einer Norm, derer es aber gemäß der immanenten Teleologie des Gesetzes bedarf, wird durch die richterliche Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion vorgenommen.576 Der Anwendungsbereich einer Regelung wird folglich entgegen dem Gesetzeswortlaut eingeschränkt bzw. auf den Regelungszweck und Sinnzusammenhang des Gesetzes zurückgeführt,577 wodurch dem Vorrang des Normzwecks gegenüber dem Wortlaut Rechnung getragen wird.578 Während der Analogieschluss mit dem positiven Gleichheitssatz begründet wird, wonach Gleichartiges gleich zu behandeln ist, liegen der teleologischen Reduktion der negative Gleichheitssatz und das Gebot zugrunde, Ungleichartiges verschieden zu behandeln. Einer Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion bedarf

576 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 30. 3. 1993 – 1 BvR 1045/89, 1381/90 und 1 BvL 11/90, BVerfGE 88, 145, 167, wobei das Gericht zwar die teleologische Reduktion als „anerkannten Auslegungsgrundsatz“ bezeichnet, gleichzeitig aber von einer Rechtsfortbildung praeter legem ausgeht. Ferner Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 210 f.; Möllers, Juristische Methodenlehre, 2017, § 6 Rn. 115 ff. 577 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 210 f. 578 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 9. Aufl. 2016, Rn. 903.

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es somit überall dort, wo das Gesetz die wertungsmäßig gebotene Differenzierung nicht vornimmt.579 Indes kommt eine telelogische Reduktion nicht in Betracht, um das Rechtsinstitut der außervertraglichen Selbstbindung herzuleiten. Denn dafür bedürfte es einer gesetzlichen Regelung, deren Anwendungsbereich im Hinblick auf den Sinnzusammenhang der Vorschrift eingeschränkt wird. Das entwickelte Haftungsinstitut der außervertraglichen Selbstbindung geht jedoch gerade über die im Gesetz veranlagte Dichotomie von vertraglicher und deliktischer Haftung hinaus und propagiert eine vom rechtsgeschäftlichen Bindungswillen losgelöste Selbstbindung, die – wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben – im Gesetz keine unmittelbare Anknüpfung findet und daher auch nicht im Wege einer Reduktion des Wortlauts hergeleitet werden kann. c) Teleologische Extension Neben dem Analogieschluss und der teleologischen Reduktion kann als dritte Methode der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung auf die teleologische Extension abgestellt werden. Einer teleologischen Extension bedarf es, wenn der Tatbestand einer Norm im Wortlaut zu eng gefasst ist, sodass gewisse Lebenssachverhalte nicht unter die Norm subsumiert werden können, obgleich sie nach dem Normzweck und Sinnzusammenhang von dem Tatbestand erfasst werden müssten.580 Im Grunde handelt es sich bei der teleologischen Extension nicht um eine eigenständige Methode der Rechtsfortbildung, sondern um einen Spezialfall des Analogieschlusses.581 Dem wird zwar entgegengehalten, dass die teleologische Extension eine Erweiterung des gesetzlichen Tatbestands und des unmittelbaren Anwendungsbereichs anstrebe, während die Analogie auf dem Gleichheitssatz basiert und lediglich eine Rechtsfolgenanordnung einer Norm auf einen vergleichbaren Sachverhalt beschreibt, ohne den tatbestandlichen Anwendungsbereich zu erweitern.582 Im Ergebnis ist eine enge Verwandtschaft der beiden Figuren jedoch nicht von der Hand zu weisen, sodass auch eine Herleitung im Wege der telelogischen Extension ausscheidet. Denn die immanente Teleologie der bereits untersuchten gesetzlichen Vorschriften ist nicht mit den Grundlagen einer außervertraglichen Selbstbindung vereinbar, sodass sowohl eine auf dem Gleichheitssatz beruhende Analogie als auch eine Ausweitung des tatbestandlichen Anwendungsbereichs im Wege der teleologischen Extension nicht in Betracht kommen, um das Institut einer außervertraglichen Selbstbindung herzuleiten. 579 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 82; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 391 f. 580 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 9. Aufl. 2016, Rn. 904. 581 Kramer, Juristische Methodenlehre, 5. Aufl. 2016, S. 215, dort Fn. 663; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 9. Aufl. 2016, Rn. 904. 582 Vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 90; Larenz/ Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 216.

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d) Rechtsfortbildung kraft allgemeiner Rechtsprinzipien Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass das Rechtsinstitut einer außervertraglichen Selbstbindung im (ursprünglichen) Plan des Gesetzes nicht vorgesehen ist und diesem zum Teil zuwiderläuft, sodass eine Herleitung im Rahmen der ratio legis bzw. der immanenten Teleologie des Gesetzes nicht in Betracht kommt. Stehen analogiefähige Rechtssätze nicht zur Verfügung, kann eine Rechtsfortbildung jedoch auch unter Heranziehung allgemeiner Rechtsgedanken erfolgen,583 die jenseits der Teleologie des Gesetzes, aber innerhalb der Rechts- und Werteordnung als Ganzer liegen; es wird dann von einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung, bzw. einer Rechtsfortbildung extra legem, intra ius gesprochen.584 Das Heranziehen von allgemeinen Rechtsgrundsätzen lässt sich insbesondere der Wertung von § 242 BGB entnehmen. Im Unterschied zu einem Analogieschluss vermitteln allgemeine Rechtsgedanken und Prinzipien keine vollständigen Rechtssätze mit Tatbestand und Rechtsfolge, sondern lediglich Werttendenzen und einen allgemeinen Zweck,585 welche für eine nicht abschließend zu überblickende Vielzahl von Fallkonstellationen Geltung beanspruchen.586 Dennoch ist eine scharfe Abgrenzung gegenüber einer Gesamt- bzw. Rechtsanalogie mitunter schwierig, denn auch eine Rechtsfortbildung mit Hilfe allgemeiner Rechtsgrundsätze bedarf einer „Ähnlichkeitsprüfung“: Dabei besteht zwar keine Ähnlichkeit zu einer gesetzlich geregelten Norm, deren Sinnzusammenhang oder ratio legis das Abstellen auf die gesetzlichen Rechtsfolgen der Vorschrift legitimiert, wohl aber lassen sich der Rechtsordnung (und dem Gesetz)587 Wertungen bzw. gewisse Werttendenzen entnehmen, die nicht nur im Rahmen der gesetzlich geregelten Fälle, sondern darüber hinaus auch für ungeregelte Sachverhalte Geltung entfalten.588 Gleichwohl im Rahmen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung auf allgemeine – nicht notwendigerweise gesetzliche – Grundsätze und Prinzipien abgestellt wird, müssen diese hinreichend spezifisch und konkretisierbar sein.589 In diesem Zusammenhang kann etwa auf eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung aufgrund eines drin583

Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 481. Zu der Zulässigkeit und Abgrenzung der verschiedenen Stufen der Rechtsfindung vgl. bereits 6. Kapitel B. und 8. Kapitel D. I. Ferner Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 232 f. 585 Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 481, 485. 586 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 98. 587 Das Verhältnis von allgemeiner Rechtsordnung und Gesetz ist bisweilen schwierig zu beurteilen. Es wäre jedoch zirkulär, die allgemeinen Rechtsgedanken als tragende Elemente des Gesetzes zu sehen, die Rechtsgeltung der allgemeinen Rechtsgedanken jedoch zugleich aus dem Gesetz ableiten zu wollen. Konsequenterweise muss von der Geltung des Gesetzes auf die Geltung allgemeiner Rechtsgedanken bzw. -prinzipien geschlossen werden, vgl. Larenz, Richtiges Recht, 1979, S. 177 f. Kritisch Metzger, Allgemeine Rechtsgrundsätze im Europäischen Privatrecht, 2009, S. 65 ff. 588 Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 485. 589 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 246. 584

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genden Bedürfnisses des Rechtsverkehrs oder der Berücksichtigung von rechtsethischen Prinzipien abgestellt werden.590 Der Rechtsordnung lassen sich allgemeine Rechtsgedanken in Form von Wertungen und Werttendenzen entnehmen, die für eine Herleitung im Rahmen einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung herangezogen werden können. So kann bereits der Existenz der Prospekthaftung gem. §§ 21, 22 WpPG und der Regelung des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB eine der Rechtsordnung zugrundeliegende Wertung entnommen werden, wonach Äußerungen und Versprechen, indem sie öffentlich getätigt werden, nicht zwangsläufig nur einer außerrechtlichen, d. h. sozialen, Schutzsphäre unterfallen, sondern unter Umständen auch des besonderen Schutzes der Rechtsordnung bedürfen. Bevor ein allgemeines Rechtsprinzip als Grundlage einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung dienen kann, bedarf es einer weitergehenden Konkretisierung. Hierfür ist näher auf das Institut der außervertraglichen Selbstbindung einzugehen. Legitimation dieses entwickelten Instituts ist dessen marktorientiert funktionaler Zusammenhang. Nicht die Produktion normativer Erwartungen allein, sondern die damit verbundene Kooperationssicherung und Gemeinwohlförderung dienen danach als Rechtfertigung für das hier entwickelte Haftungsinstitut.591 Dieser funktionale Selbstbindungsansatz findet Anklang in den allgemeinen Grundgedanken der Rechtsordnung. So stellen der Funktionsschutz und die Kooperationssicherung elementare Rechtsprinzipien des Kapitalmarktrechts dar, da ein funktionsfähiger Kapitalmarkt notwendige Voraussetzung einer volkswirtschaftlichen Wohlfahrtsoptimierung ist und demnach dem Gemeinschaftswohl dient.592 Zwar können Funktionsschutz und Kooperationssicherung nicht anhand einzelner Vorschriften festgemacht werden und beschreiben keine auf Einzelfälle anwendbare Regelungen; jedoch stellen sie richtunggebende Maßstäbe und Wertungen dar und begründen Leitgedanken, deren Umsetzung im Rahmen der Gesetzgebung und Rechtsprechung erfolgt.593 So wird insbesondere im Rahmen der Gesetzesbegründungen kapitalmarktrechtlicher Vorschriften regelmäßig auf den Aspekt des Funktionsschutzes verwiesen,594 sodass Kooperationsförderung und Funktionsschutz als allgemeine oder rechtsethische Prinzipien anzusehen sind, die auch für ungeregelte Sachverhalte Geltung beanspruchen und daher Anknüpfungspunkt einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung sind. Darüber hinaus besteht auch ein dringendes Bedürfnis des Rechtsverkehrs und der Rechtsgemeinschaft für das Institut der außervertraglichen Selbstbindung und eine damit einher590 Dazu jew. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 233 ff. und S. 240 ff. 591 Vgl. 8. Kapitel C. I. 592 Zu der Rolle von Kapitalmärkten und deren Funktionsfähigkeit vgl. bereits 2. Kapitel C. I. 593 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 240. 594 Etwa ErwG Nr. 7 VO (EU) 2017/1129 v. 14. Juni 2017 (EU-Prospektverordnung 2017), ABl. EU L 168, 13; ErwG Nr. 2 VO (EU) 596/2014 v. 16. April 2014 (MMVO bzw. MAR), ABl. EU L 173, 1; Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, 62.

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gehende Verhaltenssteuerung, da anderenfalls die Gefahr von opportunistischen Verhaltensweisen und dem damit verbundenen Risiko eines Marktversagens besteht. Zwar kann nicht jedes Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung begründen. In besonders dringenden und hinreichend spezifischen Fällen hat die Rechtsprechung jedoch bereits gezeigt, dass sie einem derartigen Bedürfnis des Rechtsverkehrs entsprochen hat.595 Daraus folgt, dass das Institut einer marktorientiert funktionalen, außervertraglichen Selbstbindung kraft Prospektveröffentlichung nicht mehr im Einklang mit der immanenten Teleologie des Gesetzes steht und daher nicht im Wege eines Analogieschlusses hergeleitet werden kann. Jedoch lassen sich der Rechtsordnung allgemeine Gedanken und Prinzipien entnehmen, die im Einklang mit dem entwickelten Institut der außervertraglichen Selbstbindung stehen, sodass das Institut im Wege einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung extra legem, intra ius hergeleitet werden kann. 2. Abgrenzung gegenüber der Rechtsfindung contra legem Die Grenze einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung beschreibt die Bindung des Richters an Gesetz und Recht gem. Art. 20 Abs. 3 GG. Eine Rechtsfortbildung darf folglich nicht im Widerspruch zur Rechtsordnung stehen. Auch wenn im Rahmen der Rechtsfortbildung auf Prinzipien abgestellt wird, die den Plan des Gesetzes übersteigen und sich daher nicht mehr auf das Gesetz stützen lassen, müssen diese dennoch der Gesamtrechtsordnung entsprechen. Anderenfalls handelte es sich um ein contra legem-Judizieren, was aufgrund des Grundsatzes des Vorrangs des Gesetzes nicht zulässig ist.596 Je weiter sich die Rechtsfindung dabei von der ratio legis des Gesetzes entfernt, diese also übersteigt, desto näher rückt sie der Entscheidungsfreiheit eines Gesetzgebers. Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung bewegt sich folglich am äußersten Rand der Anwendung des geltenden Rechts, d. h. im Grenzbereich des Gewaltenteilungsprinzips597 und ist daher scharf gegenüber einer unzulässigen Rechtsfindung contra legem abzugrenzen. Die Grenze einer zulässigen Rechtsfortbildung ist jedenfalls erreicht, wo bewusste Entscheidungen des Gesetzgebers umgangen werden.598 Bereits der Lückenfeststellung liegt eine wertende Beurteilung zugrunde, da, ausgehend von dem weiten Lückenbegriff, eine Lücke nur dann vorliegt, wenn das Gesetz eine Regelung nicht enthält, die es nach der Wertung der Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit enthalten sollte.599 Das Vorliegen einer Lücke impliziert somit, dass 595

Dazu Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 233 ff. Canaris, in: FS Bydlinski, 2002, S. 47, 84; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 246. 597 Bruns, JZ 2014, 162, 163. 598 Vgl. Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 242. 599 Vgl. 7. Kapitel A. I. 3. 596

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das Fehlen einer Haftungssanktion infolge der Verletzung von Lock-up Agreements den Grundgedanken der Rechtsordnung zuwiderläuft. Die Feststellung einer Lücke gibt jedoch keinen Aufschluss darüber, ob die Ausfüllung der Lücke ebenfalls im Einklang mit der Rechtsordnung erfolgt ist. Allerdings haben die vorangegangenen Ausführungen gezeigt, dass die der Rechtsordnung zugrundeliegenden Wertungen und Prinzipien im Einklang mit dem Institut der außervertraglichen Selbstbindung stehen. Daneben ist nicht ersichtlich, dass das Institut einer außervertraglichen Selbstbindung der Rechtsordnung zuwiderläuft. Zwar kennt das Gesetz nur eine willensbasierte Selbstbindung kraft Rechtsgeschäft, diesem Umstand lässt sich jedoch kein Umkehrschluss entnehmen, wonach andere Haftungs- und Selbstbindungskonzeptionen grundsätzlich unzulässig sind. Denn das Institut der außervertraglichen Selbstbindung versucht nicht, eine Willenserklärung durch das Erwecken legitimer Erwartungen zu ersetzen; die Legitimation beruht vielmehr auf dem marktfunktionalen Zusammenhang und der Förderung des Gruppenwohls. Das Institut der außervertraglichen Selbstbindung läuft der Rechtsordnung somit nicht zuwider, sodass eine Rechtsfortbildung nicht contra legem und damit auch nicht unzulässig ist.

II. Grund und Zurechnung der Haftung Neben der Herleitung des Haftungskonzepts einer außervertraglichen Selbstfindung ist ferner auf die Zurechnung der Haftung einzugehen, wobei hierfür die von Canaris geprägte dichotomische Diktion von Haftungsgrund und Zurechnungsprinzip zugrunde gelegt werden soll, welche den verschiedenen Perspektiven einer Haftung Rechnung trägt: Der Haftungsgrund gibt an, warum und unter welchen Voraussetzungen die Rechtsordnung eine Partei schützt, während das Zurechnungsprinzip entscheidet, warum und unter welchen Voraussetzungen die andere Partei mit einer entsprechenden Haftungs- bzw. Einstandspflicht belastet wird.600 1. Haftungsgrund Der Haftungsgrund stellt vornehmlich auf die Seite des Berechtigten einer Haftung ab und fragt danach, warum der Berechtigte schutzwürdig ist. Der Haftungsgrund des hier entwickelten Instituts einer außervertraglichen Selbstbindung wurde bereits eingehend dargestellt: Durch die im Wertprospekt veröffentlichten Lock-up Agreements werden bei den Anlegern normative Erwartungen geweckt. Da diese Erwartungen der Kooperationssicherung und dem Funktionsschutz des Kapitalmarkts dienen, bewirken sie eine Selbstbindung der Altaktionäre.601 Der Haf600

Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 469 f. Ausführlich zum Haftungskonzept der außervertraglichen Selbstbindung unter 8. Kapitel C. I. 601

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tungsgrund beruht demnach auf der Kooperationsförderung und Funktionssicherung der Lock-up Agreements, welche gemeinsam dem Gruppenwohl dienen. Folglich betrifft der Haftungsgrund im Fall einer außervertraglichen Selbstbindung nicht allein die Partei des Berechtigten, d. h. der Anleger, sondern dient zudem überindividuellen Schutzzwecken. 2. Zurechnungsprinzip Das Zurechnungsprinzip stellt im Gegensatz zum Haftungsgrund auf die Partei des Verpflichteten ab und fragt danach, warum und nach welchen Kriterien ein Schaden auf die Partei des Verpflichteten abgewälzt wird.602 Die Entwicklung und Herleitung des Konzepts der außervertraglichen Selbstbindung hat sich damit auseinandergesetzt, warum den Anlegern ein Ersatzanspruch zustehen soll. Weitgehend ungeklärt ist dagegen bislang, warum ein Vermögensschaden aufgrund eines Kursverlustes infolge der Verletzung von Lock-up Agreements auf die Altaktionäre abgewälzt werden soll, d. h. nach welchen Kriterien der Schaden zurechenbar ist. Die verschiedenen Kriterien einer Zurechnung spiegeln sich in den drei maßgeblichen Zurechnungsprinzipien wider: Dem Veranlassungsprinzip, dem Verschuldensprinzip und dem Risikoprinzip.603 Im Rahmen der außervertraglichen Selbstbindung und einer Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements ist danach zu fragen, ob den Altaktionären die Produktion normativer Erwartungen zugerechnet werden kann. Hierbei ist zu beachten, dass die Altaktionäre regelmäßig anonym bleiben und nicht zwangsläufig in ihrer Rolle als durch Lock-up Agreements gebundene Altaktionäre am Markt auftreten. a) Veranlassungsprinzip Kein taugliches Zurechnungsprinzip stellt das Veranlassungsprinzip dar. Denn terminologisch ist die Veranlassung gleichzusetzen mit der Verursachung, sodass das Veranlassungsprinzip letztlich auf eine reine Kausalhaftung hinausläuft.604 Die Kausalität beschreibt jedoch eine lediglich technische Zurechnungskomponente, ohne darüber hinaus ein wertendes Kriterium zu enthalten, anhand dessen entschieden werden kann, warum die Ersatzpflicht auf eine Partei abgewälzt werden soll.605 Die Unzulänglichkeit des Veranlassungsprinzips wird auch im Rahmen eines 602

Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 470. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 473 ff. 604 Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 474; Singer, in: Staudinger-BGB (2017), § 122 Rn. 2. 605 Vgl. Armbrüster, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 122 Rn. 3 f.; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 474; Krawitz, Schutz vorvertraglicher Investitionen, 2015, S. 150. 603

D. Dogmatische Herleitung eines eigenen Haftungsinstituts

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Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement deutlich. Haftungsbegründend ist in diesem Fall die kraft Prospektveröffentlichung geweckte normative Erwartung der Anleger in Verbindung mit der kooperationsfördernden und gemeinwohlsichernden Funktion der Lock-up Agreements. Die Veröffentlichung der Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt wird jedoch kraft Gesetz vorgeschrieben,606 sodass die Altaktionäre – unabhängig von ihrer Stellung im Unternehmen – keinen Einfluss darauf haben, ob die Lock-up Agreements veröffentlicht werden.607 Die Veranlassung bzw. Kausalität dient folglich nicht als taugliches Zurechnungskriterium einer Haftung. b) Verschuldensprinzip Ein grundsätzlich anerkanntes Zurechnungskriterium stellt das Verschuldensprinzip dar, welches ein Verschulden des Schädigers, d. h. Vorsatz oder Fahrlässigkeit, voraussetzt.608 Grundgedanke des Verschuldensprinzips ist der Freiheitsgedanke: Denn wer für unverschuldetes Unrecht hafte, würde in unzumutbarer Weise in seiner Freiheit beschränkt.609 Das Verschuldensprinzip soll daher sicherstellen, dass der Schuldner nicht für Entwicklungen haftet, auf die er keinen Einfluss hat.610 Zunächst ist zu untersuchen, ob den gegen ein Lock-up Agreement verstoßenden Altaktionären ein schuldhaftes Verhalten gegenüber den Anlegern vorzuwerfen ist. Eine Pflichtverletzung könnte in dem Veräußerungstatbestand gesehen werden, durch welchen die Altaktionäre gegen das Lock-up Agreement verstoßen. Indes ist zu berücksichtigen, dass die sich aus dem Lock-up Agreement ergebende schuldrechtliche Pflicht, die Aktien während der Lock-up-Periode nicht zu veräußern, einzig im Rahmen der schuldrechtlichen Vereinbarung gilt, d. h. gegenüber dem Gläubiger des Lock-up Agreements. Dies ist jedoch regelmäßig die Emissionsbank,611 während die Anleger gerade nicht Vertragspartei des Lock-up Agreements geworden sind. Wollte man die schuldrechtliche Pflicht aus dem Lock-up Agreement auch gegenüber den Anlegern gelten lassen und eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen, so würde das Prinzip der Relativität der Schuldverhältnisse aufgelöst, indem die schuldrechtliche Leistungspflicht gegenüber vertragsfremden Dritten wirkte. Stattdessen wurde bereits dargelegt, dass eine Einbeziehung der Anleger in 606

§ 7 WpPG i.V.m. Anhang III Ziff. 7.3 EU-ProspektVO. Hiervon zu trennen ist der Begriff des Prospektveranlassers gem. § 21 Abs. 1 S. 1 WpPG, da die kapitalmarktrechtliche Prospekthaftung auf die inhaltliche Richtigkeit des Prospekts abzielt und daher denjenigen trifft, der für den Prospekt verantwortlich ist. Hingegen ist auch der Prospektveranlasser an die gesetzlichen Anforderungen der Prospektpflicht gebunden, sodass es nicht in seinem Ermessen steht, ob bzw. mit welchen Inhalten ein Prospekt veröffentlicht wird. 608 Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 476; Larenz, JuS 1965, 373. 609 Vgl. Deutsch, AcP 202 (2002), 889, 892. 610 Vgl. Grundmann, in: FS Schwark, 2009, S. 21, 31. 611 Vgl. 1. Kapitel A. III. 2. a). und 3. 607

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8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

die Leistungs- bzw. Schutzpflichten des Lock-up Agreements im Rahmen eines Vertrags zugunsten Dritter oder eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausscheidet, da sie eine unzulässige Fiktion eines Einbeziehungsinteresses darstellen würde.612 Zwar kann die Veräußerung von Aktien während der Lock-up-Periode gegenüber der Emissionsbank eine Pflichtverletzung darstellen, darüber hinaus normiert jedoch bereits der Grundsatz der Privatautonomie, dass weder das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft noch das dingliche Verfügungsgeschäft Anknüpfungspunkt für eine Pflichtverletzung sein können. Daneben kann auch das Erwecken bzw. die Produktion von normativen Erwartungen nicht als Bezugspunkt für ein Verschulden herangezogen werden. Denn die Produktion von normativen Erwartungen dient gerade dem Abbau von Informationsasymmetrien und soll das Vertrauen der Anleger und den Kapitalmarkt fördern und gewährleistet damit den Funktionsschutz des Kapitalmarkts. Die Produktion normativer Erwartungen kann folglich nicht zugleich Anknüpfungspunkt eines Verschuldens bzw. eines vorwerfbaren Verhaltens sein. Ebenso wenig kann an den Veräußerungstatbestand als opportunistische Verhaltensweise angeknüpft werden. Zwar ist es richtig, dass der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement opportunistisches Verhalten darstellt, unter der Annahme von Informationsasymmetrien besteht jedoch für den rational nutzenmaximierenden Marktakteur ein Anreiz, sich opportunistisch zu verhalten. Es wäre daher widersprüchlich, einerseits von einem rational nutzenmaximierenden Marktakteur auszugehen, diesem jedoch zugleich rationales Handeln vorzuwerfen und dies für per se pflichtwidrig zu erklären. Ein vorwerfbares, schuldhaftes Verhalten kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Altaktionär bereits von vornherein, d. h. schon bei Abschluss des Lock-up Agreements, die Absicht hatte, gegen dieses zu verstoßen, um das Vertrauen der Anleger in den Bestand der Vereinbarung auszunutzen.613 Es wurde jedoch bereits vorgebracht, dass ein solcher Beweis in der Praxis kaum zu erbringen sein wird.614 Ein vorwerfbares Verhalten lässt sich auch nicht einer unterlassenen Aufklärungspflicht der Altaktionäre entnehmen, sich nicht länger an das Lock-up Agreement gebunden zu fühlen. Denn während bereits fraglich ist, woraus eine solche Pflicht entsteht, wäre den Anlegern damit auch nicht geholfen: Sofern die mittelstarke Form der Informationseffizienz zugrunde gelegt wird, wird sich die Information bzw. die Aussage der Altaktionäre, gegen das Lock-up Agreement verstoßen zu wollen, unverzüglich im Wertpapierkurs niederschlagen, d. h. zu einer negativen Kursreaktion führen. Der Schaden würde folglich nicht von den Anlegern abgewendet, sondern eine entsprechende Ankündigung der Altaktionäre könnte vielmehr 612

Vgl. 4. Kapitel B. IV. 1. und 2. Ähnlich Krawitz, Schutz vorvertraglicher Investitionen, 2015, S. 108, der darauf abstellt, dass die „Selbstschwächung der anderen Partei“ nicht sehenden Auges hingenommen werden darf, um diese später auszunutzen. 614 Vgl. 4. Kapitel B. V. 613

D. Dogmatische Herleitung eines eigenen Haftungsinstituts

279

zu einer „Panikreaktion“ führen und den Wertpapierkurs weit mehr belasten, als dies eine anonyme Veräußerung, von welcher der Markt unter Umständen keine Kenntnis erlangt, täte. c) Risikoprinzip Neben dem Verschuldensprinzip kommt eine Zurechnung im Rahmen des Risikoprinzips in Betracht, welches nicht auf ein Verschulden des Schädigers abstellt, sondern den Sphärengedanken zugrunde legt und danach fragt, aus wessen Sphäre die Risiken stammen, die sich im eingetretenen Schaden realisiert haben.615 Das Schadensrisiko bzw. die Haftung wird folglich unabhängig von einem Verschulden, d. h. einer Verantwortlichkeit, einer Partei aufgebürdet, was dadurch begründet wird, dass derjenige, der einen Vorteil oder Nutzen aus einer Aktivität zieht, das damit korrespondierende Schadensrisiko tragen soll.616 Im Hinblick auf eine Haftung der Altaktionäre aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements ist danach zu fragen, ob den Altaktionären die Produktion normativer Erwartungen zuzurechnen ist. Nach dem Risikoprinzip wäre dies der Fall, wenn das Risiko einer negativen Kursentwicklung infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements der Sphäre der Altaktionäre zuzuordnen ist. Maßgeblich ist somit nicht, ob Altaktionäre gegen ein Lock-up Agreement verstoßen durften, sondern ob sie mit der Veröffentlichung der Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt das Risiko übernommen haben, dass es infolge eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements zu negativen Kursreaktionen und damit zu Vermögensschäden der Anleger kommt. Zwar wurde bereits dargelegt, dass die eigentliche Prospektveröffentlichung unabhängig vom Willen der Altaktionäre erfolgt und die im Prospekt veröffentlichten Informationen nicht zwangsläufig der Sphäre der Altaktionäre zuzuordnen sind. Jedoch ist den Altaktionären bekannt, dass die Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt veröffentlicht werden und dass diesem nicht nur eine Informations-, sondern auch eine Werbe- und Marketingfunktion zukommt.617 Von besonderer Bedeutung ist aber vor allem der Einfluss der Parteien auf die Einhaltung der Lock-up Agreements. So unterliegt die Wahrung der Lock-up Agreements einzig der Einflusssphäre der Altaktionäre. Andere Parteien, insbesondere die Anleger, haben dagegen keine Möglichkeit, auf die Einhaltung der Lock-up Agreements Einfluss zu nehmen. Die Gefahr einer negativen Kursentwicklung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements kann folglich einzig durch die Altaktionäre beherrscht und realisiert werden, sodass es gerechtfertigt ist, das Risiko eines Vermögensschadens der Anleger allein der Sphäre der Altaktionäre zuzuordnen. Eine Risikozuordnung an die Altaktionäre 615

Vgl. Armbrüster, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2018, § 122 Rn. 3 f.; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 480; Krawitz, Schutz vorvertraglicher Investitionen, 2015, S. 151 f.; Singer, in: Staudinger-BGB (2017), § 122 Rn. 2. 616 Larenz JuS 1965, 373, 374. 617 Vgl. Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 34; sowie 8. Kapitel C. I.

280

8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

trägt zudem der Verknüpfung von Nutzen und Risiko Rechnung: Zwar begründen die Lock-up Agreements eine Verpflichtung für die Altaktionäre, aufgrund derer sie einem Kursrisiko ausgesetzt werden, jedoch dienen die Lock-up Agreements der erfolgreichen Emission und einer stabilen Wertentwicklung. Von den Vorteilen einer Emission sowie von einer stabilen Wertentwicklung des Emittenten profitieren auch die Altaktionäre. Eine Zuordnung des Risikos einer negativen Kursveränderung korrespondiert folglich mit dem Nutzen, welchen Altaktionäre aus der Existenz der Lock-up Agreements ziehen. Daher ist es überzeugend, die Veröffentlichung der Lock-up Agreements und die dadurch geweckte Erwartung an die Einhaltung der Lock-up Agreements der Sphäre der Altaktionäre zuzuschreiben. Eine verschuldensunabhängige Haftung nach dem Risikoprinzip sieht sich zum Teil der Kritik ausgesetzt, sie beschränke die Freiheit des Einzelnen, wenn dieser unabhängig von einer eigenen Verantwortlichkeit hafte, weswegen das Verschuldensprinzip dem Risikoprinzip ethisch überlegen sei.618 Die Beurteilung, ob eine verschuldensunabhängige Haftung nach dem Risikoprinzip vorzugswürdig ist, bemisst sich indes nicht allein nach ethischen Gerechtigkeitsüberlegungen, sondern bedarf einer marktfunktionalen Bewertung,619 bei welcher auch ökonomische Aspekte zu berücksichtigen sind, die der verhaltenssteuernden Funktion der Haftung Rechnung tragen.620 Einem marktorientierten Bewertungsansatz kommt insbesondere Bedeutung zu, da Grundlage des Instituts der außervertraglichen Haftung gerade dessen marktorientiert funktionale Legitimation ist. Vor diesem Hintergrund ließe sich gegen eine verschuldensunabhängige Haftung anführen, dass der Geschädigte gegen jeden Schadensfall versichert ist und folglich keinen Anreiz hat, Vorsorgevorkehrungen zu treffen, um das Schadensrisiko zu minimieren.621 Im Hinblick auf eine Haftung wegen eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement ist jedoch zu beachten, dass zwischen den Altaktionären und den Anlegern ein Informationsungleichgewicht besteht. Die Anleger haben keine Informationen über die Absichten der Altaktionäre und können insbesondere keine Vorsorgevorkehrungen treffen, um sich gegen einen Verstoß gegen Lock-up Agreements abzusichern, da sie in keinem unmittelbaren Kontakt zu den Altaktionären stehen und i. d. R. auch keine Kenntnis über deren Identität haben.622 Die Anleger können ihr Verhalten im Hinblick auf die Lock-up Agreements nur zufällig optimieren, da sie über keine Informationen verfügen, anhand derer sie die Wahrscheinlichkeit einer opportunistischen Verhal618 Vgl. Deutsch, AcP 202 (2002), 889, 992 f.; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. 1, 14. Aufl. 1987, S. 279; S. Lorenz, in: E. Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2005: Schuldrechtsmodernisierung, 2006, S. 5, 59: „Das rechtsethisch als Grundsatz vorzugswürdige Verschuldensprinzip.“ 619 In diese Richtung Grundmann, in: FS Schwark, 2009, S. 21, 23 und 33 f. 620 Siehe dazu 7. Kapitel B. II. 1. 621 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 157. 622 Zur fehlenden Möglichkeit der Altaktionäre, die Einhaltung von Lock-up Agreements durchzusetzen bzw. sich gegen Verstöße abzusichern, vgl. 4. Kapitel A. II. und III.

E. Rechtsökonomische Bewertung

281

tensweise der Altaktionäre ermitteln können.623 Die Altaktionäre können das Schadensrisiko dagegen aufgrund ihrer überlegenen Informationslage kalkulieren und dieses bei Vereinbarung der Lock-up Agreements bzw. bei der Entscheidung, gegen diese zu verstoßen, einbeziehen. Der Verstoß gegen Lock-up Agreements stellt gegenüber den Anlegern somit zwar kein vorwerfbares Verhalten dar, jedoch beschreibt eine negative Kursentwicklung infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements die Realisierung eines Risikos, das der Sphäre der Altaktionäre entstammt, da diese den alleinigen Einfluss auf die Einhaltung der getroffenen Lock-up Agreements ausüben. Daher ist es überzeugend, den Altaktionären einen Vermögensschaden der Anleger im Wege des Risikoprinzips zuzurechnen, den diese aufgrund einer Verletzung von Lock-up Agreements erleiden, sodass das Institut der außervertraglichen Selbstbindung eine verschuldensunabhängige Haftung der Altaktionäre begründet.

III. Zusammenfassung Die vorangegangenen Untersuchungen haben gezeigt, dass das zuvor entwickelte Haftungsinstitut einer marktfunktional orientierten, außervertraglichen Selbstbindung kraft Prospektveröffentlichung im Wege einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung extra legem, intra ius hergeleitet werden kann und demnach durch allgemeine Gedanken und Prinzipien der Rechtsordnung legitimiert wird. Folglich existiert bereits de lege lata eine Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern aufgrund einer Verletzung von Lock-up Agreements. Darüber hinaus wurde dargelegt, dass es sich dabei um eine verschuldensunabhängige Haftung der Altaktionäre handelt, deren Zurechnung auf dem Risikoprinzip und Sphärengedanken beruht, da das Risiko eines Vermögensschadens der Anleger infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements einzig der Sphäre der gegen ein Lock-up Agreement verstoßenden Altaktionäre zuzuordnen ist.

E. Rechtsökonomische Bewertung Nachdem dargelegt worden ist, dass das entwickelte Haftungskonzept einer außervertraglichen Selbstbindung mit der Rechtsordnung vereinbar ist, ist nun der Kreis zu schließen, indem das entwickelte Rechtsinstitut anhand der zu Beginn dieses Teils aufgestellten rechtsökonomischen Anforderungen bewertet wird.624 In Frage steht damit nicht die rechtliche Zulässigkeit, sondern vielmehr die Zweckmäßigkeit des Haftungsinstituts, anhand derer zu beurteilen ist, ob die dargelegte Lücke im 623 Vgl. auch Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, 2007, S. 157, der im Fall eines Informationsdefizits für eine verschuldensunabhängige Haftung plädiert. 624 Vgl. dazu 7. Kapitel B. I. – IV.

282

8. Kap.: Entwicklung eines Haftungskonzepts

Gesetz mithilfe des Instituts der außervertraglichen Selbstbindung entsprechend den aufgestellten ökonomischen Anforderungen auch effizient geschlossen wird.

I. Effiziente Verhaltenssteuerung Aus rechtsökonomischer Perspektive muss eine Haftung effizient sein, d. h., sie muss der Maximierung einer gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsoptimierung dienen und effiziente Verhaltensanreize zur Schadensprävention setzen.625 Danach muss das Haftungsinstitut einer außervertraglichen Selbstbindung geeignet sein, die Altaktionäre dazu zu bewegen, nicht gegen die abgeschlossenen Lock-up Agreements zu verstoßen. Zugleich darf ein durch das Haftungsinstitut vermitteltes Anreizsystem keine übermäßige Belastung der Altaktionäre darstellen, sodass diese nicht gänzlich von dem Eingehen eines Lock-up Agreements absehen. Eine Haftung aufgrund einer außervertraglichen Selbstbindung führt zu einer effizienten Verhaltenssteuerung der Altaktionäre, da es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt, deren Androhung einer Vermögenseinbuße und vereinfachte Durchsetzung zu einem Anreiz der Altaktionäre führt, sich an die Lockup Agreements zu halten. Gleichzeitig stellt eine Haftung keine übermäßige Belastung der Altaktionäre dar, denn zum einen sind die Schadensrisiken für die Altaktionäre – im Gegensatz zu den Anlegern – kontrollierbar und daher kalkulierbar. Zum anderen sind die Altaktionäre im Fall einer Haftung lediglich zum Ersatz des negativen Interesses verpflichtet, sodass sie den Anlegern im Haftungsfall keinen potentiell unbegrenzten Wertzuwachs der Wertpapiere zu ersetzen haben. Folglich gewährleistet das Institut einer außervertraglichen Selbstbindung eine effiziente Verhaltenssteuerung der Altaktionäre und begründet ein Anreizsystem, das dem zuvor aufgezeigten Bedürfnis nach einer Haftungsregelung gerecht wird.

II. Private Rechtsdurchsetzung Es ist dargelegt worden, dass eine Verhaltenssteuerung der Altaktionäre im Wege einer privaten Rechtsdurchsetzung zu erfolgen hat. Hierfür wurde auf die Kriterien der Durchsetzungskosten, Durchsetzungsanreize und Durchsetzungsflexibilität abgestellt.626 Von einer privaten Rechtsdurchsetzung kann ausgegangen werden, wenn der Durchsetzung privatrechtliche Regelungen zugrunde liegen, diese von Privatpersonen betrieben wird und die Durchsetzung im Interesse der Allgemeinheit liegt.627 625 626 627

Vgl. 7. Kapitel B. II. 1. Zusammenfassend unter 7. Kapitel B. III. 3. Vgl. 7. Kapitel C. III. 1.

F. Zusammenfassung

283

Diese Anforderungen erfüllt das Institut der außervertraglichen Selbstbindung, da das entwickelte Konzept unweigerlich dem Privatrecht zuzuordnen ist und die Durchsetzung eines Haftungsanspruchs den geschädigten Anlegern obliegt. Darüber hinaus liegt dem Haftungsinstitut gerade eine kooperations- und gemeinwohlfördernde Funktion zugrunde, sodass die Durchsetzung eines Haftungsanspruchs dem Gruppenwohl dient. Das Institut einer außervertraglichen Selbstbindung kraft Prospektveröffentlichung entspricht somit dem ökonomischen Bedürfnis nach einem privatrechtlichen Rechtsinstitut.

III. Kein Zuwiderlaufen von außerrechtlichen Sanktionsmechanismen Schließlich wurde vorgebracht, dass eine Verhaltenssteuerung kraft außerrechtlicher Sanktionsmechanismen stets Vorrang vor einem Haftungsinstitut hat, da außerrechtliche Mechanismen regelmäßig effizienter sind und durch eine Haftung verdrängt würden.628 Es wurde jedoch ebenfalls bereits dargelegt, dass im Fall eines Verstoßes gegen Lock-up Agreements keine außerrechtlichen Mechanismen in Betracht kommen, die eine Verhaltenssteuerung der Altaktionäre bewirken, wodurch diese einen Anreiz zur Erfüllung der Lock-up Agreements erhielten.629 Das entwickelte Haftungskonzept einer außervertraglichen Selbstbindung untergräbt folglich keine außerrechtlichen Sanktionsmechanismen.

F. Zusammenfassung Es wurde gezeigt, dass im Wege einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung extra legem, intra ius, insbesondere unter Zugrundelegung des allgemeinen Prinzips des Funktionsschutzes, das Rechtsinstitut einer marktfunktional orientierten, außervertraglichen Selbstbindung kraft Prospektveröffentlichung entwickelt und hergeleitet werden kann. Dieses Institut erweitert den Ansatz der Selbstbindungslehre um eine funktionale Perspektive und stellt nicht den Schutz des Einzelnen, sondern die Kooperationssicherung und Förderung des Gemeinwohls ins Zentrum. Auf Grundlage einer außervertraglichen Selbstbindung kraft Prospektveröffentlichung steht den Anlegern im Fall einer Verletzung von Lock-up Agreements ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf den Ersatz des negativen Interesses, begrenzt durch den Betrag des positiven Interesses, gegenüber den Altaktionären zu. Hierdurch wird den ökonomischen Bedürfnissen nach einem privatrechtlichen Haftungsinstitut Rechnung getragen und eine effiziente Verhaltenssteuerung der 628 629

Vgl. 7. Kapitel B. IV. 2. Vgl. 7. Kapitel B. IV. 3. und 4.

284

9. Kap.: Voraussetzungen und Anwendung des Haftungsinstituts

Altaktionäre gewährleistet, welche der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts und damit dem Gruppenwohl dient. 9. Kapitel

Voraussetzungen und Anwendung des Haftungsinstituts Das vorige Kapitel hat sich mit den dogmatischen Grundlagen und der rechtsfortbildenden Herleitung eines Haftungsinstituts befasst. Anhand dieser Ergebnisse werden nun die praktischen Anforderungen untersucht, die an einen Schadensersatzanspruch der Anleger infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements zu stellen sind. Hierfür werden zunächst die konkreten Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs auf Tatbestandsseite zusammengefasst (A.), bevor im Anschluss auf die Rechtsfolgenseite eingegangen und die Berechnung des ersatzfähigen Schadensumfangs untersucht wird (B.). Schließlich wird erörtert, ob eine Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements ausgeschlossen bzw. vermieden werden kann (C.).

A. Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der Anleger Verstoßen Altaktionäre gegen ein Lock-up Agreement, führt dies nicht zwangsläufig zu einem Schadensersatzanspruch der Anleger. Vielmehr muss berücksichtigt werden, dass Lock-up Agreements in verschiedenen Konstellationen auftreten können und dass die Unterschiede dieser Konstellationen Auswirkung auf einen Schadensersatzanspruch der Anleger haben können. Darüber hinaus muss auch nach der Art der Verletzung eines Lock-up Agreements differenziert werden. Grundlegende Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch der Anleger infolge der Verletzung eines Lock-up Agreements ist zunächst die Existenz eines Lockup Agreements und dessen ordnungsgemäße Veröffentlichung im Wertpapierprospekt. Denn Anknüpfungspunkt der außervertraglichen Selbstbindung ist gerade die Veröffentlichung des Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt, welche aufgrund der Eigenschaft des Prospekts als zentrales Informationsdokument normative Erwartungen der Anleger produziert.630 Mangelt es bereits an einer Veröffentlichung oder ist diese fehlerhaft, kommen zwar möglicherweise andere Schadensersatzansprüche der Anleger in Betracht; eine Haftung kraft außervertraglicher Selbstbindung scheidet indes aus.

630

Vgl. dazu 8. Kapitel C. I.

A. Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der Anleger

285

I. Art des Lock-up Agreements Des Weiteren kommt ein Anspruch nur in Betracht, wenn es sich bei dem zwischen Altaktionären und Emissionsbank getroffenem Lock-up Agreement um ein sogenanntes „hartes“ Lock-up Agreement handelt, welches keinem Dispensvorbehalt der Emissionsbank unterliegt, und eine vorzeitige Veräußerung der Anteile durch die Altaktionäre somit unabhängig von einer Einwilligung der Emissionsbank unzulässig ist.631 Handelt es sich bei der Vereinbarung dagegen um eine Marktschonungsvereinbarung, kann die Veröffentlichung dieser Vereinbarung im Wertpapierprospekt keine normative Erwartung der Anleger begründen, die Altaktionäre werden ihre Anteile für die Dauer der Lock-up-Periode nicht veräußern. Denn bei einer Marktschonungsvereinbarung bzw. einem „weichen“ Lock-up Agreement handelt es sich gerade nicht um ein unbedingtes Veräußerungsverbot, sodass ein verständiger Anleger damit rechnen muss, dass es bereits vor Ablauf der Lock-up-Periode zu einer Anteilsveräußerung kommen kann.632 Dies gilt auch dann, wenn die Veräußerung ohne einen zuvor erteilten Dispens der Emissionsbank erfolgt. Zwar handelt es sich in diesem Fall um einen Verstoß gegen die schuldrechtliche Vereinbarung; da die Emissionsbank aber in ihrem Ermessen zur Erteilung einer Einwilligung grundsätzlich frei ist,633 können bei den Anlegern von vornherein keine normativen Erwartungen geweckt werden, die Emissionsbank werde einen Dispens nicht erteilen.634 Differenziert zu betrachten sind vor diesem Hintergrund jene Konstellationen, in denen im Prospekt (nur) der Eindruck vermittelt wird, dass es sich bei den Lock-up Agreements um „harte“, d. h. unbedingte, Lock-up Agreements handelt, in Wirklichkeit jedoch ein Dispensvorbehalt der Emissionsbank existiert. In diesem Fall ist auch ein Anspruch aus Prospekthaftung gem. § 21 WpPG nicht mehr fernliegend, da die Angaben im Wertpapierprospekt zur Art des Lock-up Agreements unrichtig bzw. – sofern die Möglichkeit eines Dispenses verschwiegen wird – unvollständig sind. Ob im Einzelfall ein Anspruch aus Prospekthaftung oder aufgrund einer außervertraglichen Selbstbindung in Betracht kommt, ist dann von der konkreten Sachverhaltslage abhängig zu machen: Sofern nachgewiesen werden kann, dass zwischen den Parteien des Lock-up Agreements ursprünglich die Möglichkeit einer vorzeitigen Veräußerung vereinbart worden ist, spricht viel dafür, auf einen Prospekthaftungsanspruch abzustellen, da der Unrechtsgehalt primär in der Fehlerhaftigkeit bzw. Unvollständigkeit des Prospekts liegt.635

631 Zu der Abgrenzung von „harten“ Lock-up Agreements und Marktschonungsvereinbarungen vgl. 1. Kapitel A. II. 1. und 2. 632 Vgl. LG Frankfurt/M., Urt. v. 17. 1. 2003 – 3-07 O 26/01 („EM.TV I“), ZIP 2003, 400, 402. 633 Vgl. 1. Kapitel A. II. 2. 634 So auch Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 35; Fleischer, WM 2002, 2305, 2312. 635 Anders Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 35, der eine quasi-vertragliche Selbstbindung für alle diejenigen Fälle in Betracht zieht, in denen der Prospekt bereits den Eindruck eines unbedingten Lock-up Agreements vermittelt.

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9. Kap.: Voraussetzungen und Anwendung des Haftungsinstituts

II. Art der Verletzung Ferner ist im Rahmen der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs auf die Art der Verletzung des Lock-up Agreements einzugehen. Voraussetzung einer Haftung ist ein einseitiger Verstoß gegen ein Lock-up Agreement durch einen Altaktionär, welcher sich dadurch auszeichnet, dass ein Altaktionär seine Anteile während der Lock-up-Periode veräußert. Haftungsträchtig sind im Rahmen einer außervertraglichen Selbstbindung neben der „einfachen“ Veräußerung von Aktien während der Lock-up-Periode auch sämtliche Formen von Umgehungsgeschäften, die aus wirtschaftlicher Sicht einer Veräußerung von Unternehmensanteilen entsprechen.636 Der einseitige Verstoß ist von solchen Sachverhaltskonstellationen abzugrenzen, in denen die Altaktionäre und die Emissionsbank zusammenwirken.637 Ferner ist zu beachten, dass im Fall eines kollusiven Zusammenwirkens von Emissionsbank und Altaktionär, d. h. wenn sich diese bereits im Vorfeld der Prospektveröffentlichung darüber verständigt haben, gegen das Lock-up Agreement zu verstoßen, auch eine Haftung aus § 826 BGB in Betracht kommt.638

B. Schadensberechnung Nachdem bislang vornehmlich auf die Tatbestandsseite des Instituts einer außervertraglichen Selbstbindung eingegangen worden ist, bedarf auch die Rechtsfolgenseite einer Betrachtung, bei der nicht das „Ob“ einer Haftung, sondern das „Wieviel“ im Mittelpunkt steht. Maßgeblich ist demnach der Umfang des Schadensersatzanspruchs. Kommt es infolge einer Verletzung von Lock-up Agreements zu negativen Kursveränderungen, liegt der Schaden der Anleger in dem Kursrückgang des Aktienkurses des Emittenten. Folglich sind die Grundzüge einer kapitalmarktbezogenen Schadensberechnung zu berücksichtigen. Die Berechnung von Kursschäden im Rahmen von Schadensersatzansprüchen wurde bislang vor allem im Zusammenhang mit Ansprüchen wegen unwahrer oder unterlassener unverzüglicher Ad-hoc-Mitteilungen diskutiert.639 Zwar ist zu beachten, dass es sich dabei um eine Emittentenhaftung handelt, während vorliegend eine Haftung der Altaktionäre untersucht wird, jedoch können die Erkenntnisse über die Berechnung eines Kursschadens herangezogen und entsprechend dem Institut einer außervertraglichen Selbstbindung angepasst werden. 636 Umgehungsgeschäfte kommen insbesondere in Betracht, wenn dadurch Sicherungsmechanismen von Lock-up Agreements, wie z. B. separate Wertpapiernummern oder Sperrdepots, umgangen werden sollen. Vgl. dazu 4. Kapitel A. II. 2. 637 Vgl. bereits 4. Kapitel B. I. 3. 638 Vgl. 4. Kapitel B. V. 639 Dazu Fleischer, BB 2002, 1869 ff.; Klöhn, ZIP 2015, 53, 54 ff.; Wagner, ZGR 2008, 495, 499 ff, 520 ff. Zur Prüfung des § 97 Abs. 1 WpHG i.V.m. Art. 17 MAR vgl. 4. Kapitel B. II. 2.

B. Schadensberechnung

287

I. Berechnung des Haftungsumfangs Die Schadensberechnung einer sekundärmarktrechtlichen Haftung im Kapitalmarktrecht beruht auf dem Grundmodell des Differenzschadens, wonach der Geschädigte nicht die Rückgängigmachung des Wertpapierkaufs im Wege einer Naturalrestitution verlangen kann, sondern allein den Kursdifferenzschaden ersetzt bekommt.640 Dieser berechnet sich aus der Differenz zweier Vermögenslagen, namentlich des (hypothetischen) Sollvermögens und des Istvermögens.641 Im Hinblick auf einen Anspruch aufgrund der Verletzung eines Lock-up Agreements ist zu berücksichtigen, dass eine Haftung aus einer außervertraglichen Selbstbindung auf das negative Interesse, begrenzt durch den Betrag des positiven Interesses, beschränkt ist.642 So bemisst sich der Ersatz des negativen Interesses aus der Differenz zwischen dem Kurswert unmittelbar nach der Verletzung des Lock-up Agreements bzw. ihrem Bekanntwerden (Istvermögen) und dem Einstandswert, d. h. dem Wert, zu dem der Anleger die Aktien erworben hat (Sollvermögen), wobei die jeweiligen Kurswerte stets mit der Anzahl der Wertpapiere des Anlegers zu multiplizieren sind. Neben einem Kursschaden umfasst das negative Interesse auch sonstige Vermögensschäden im Zusammenhang mit dem Wertpapiererwerb, wozu insbesondere Transaktionskosten zählen können. Das positive Interesse, durch welches der Ersatz des negativen Interesses begrenzt wird, errechnet sich aus der Differenz zwischen dem Kurswert nach dem Bruch des Lock-up Agreements (Istvermögen) und dem hypothetischen Wertpapierkurs, der bestünde, wenn es nicht zu einem Bruch des Lock-up Agreements gekommen wäre (Sollvermögen), wobei die Kurswerte wiederum mit der Anzahl der Aktien des Geschädigten zu multiplizieren sind. Da sich der hypothetische Wertpapierkurs und damit das Sollvermögen einer unmittelbaren Wahrnehmung entzieht, kann näherungsweise auf den Wertpapierkurs unmittelbar vor dem Verstoß gegen ein Lock-up Agreement abgestellt werden.643 Im Einzelfall müssen zudem allgemeine Markteinflüsse und Kursbeeinflussungen, die in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit der Verletzung des Lock-up Agreements stehen, herausgerechnet werden, was unter dem Begriff der „Kursbereinigung“ zusammengefasst wird. Denn der hypothetische Kurswert soll einzig den Wert darstellen, der zwar von dem schädigenden Ereignis (dem Bruch des Lock-up Agreements), nicht jedoch auch von sonstigen Markteinflüssen bereinigt ist.644 640 Vgl. Beurskens, Haftung für enttäuschtes Aktionärsvertrauen, 2008, S. 233 ff.; Fleischer, BB 2002, 1869, 1870 f.; Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008, S. 504; Klöhn, ZIP 2015, 495 ff. 641 Dazu Wagner, ZGR 2008, 495, 499 ff., 521. 642 Vgl. 8. Kapitel C. II. 643 Ausführlich dazu Fleischer, BB 2002, 1869, 1872 f. 644 Ausführlich zur Kursbereinigung und den finanztheoretischen Modellen der Portfoliotheorie und des Capital Asset Pricing Models (CAPM) vgl. Beurskens, Haftung für enttäuschtes Aktionärsvertrauen, 2008, S. 244 ff.; ferner Fleischer, WM 2002, 1869, 1873.

288

9. Kap.: Voraussetzungen und Anwendung des Haftungsinstituts

II. Mögliche Haftungsszenarien Die praktischen Implikationen der zuvor dargestellten Berechnung des Haftungsumfangs können anhand verschiedener Szenarien veranschaulicht werden, wobei insbesondere die Bedeutung einer Beschränkung des Haftungsumfangs auf den Betrag des positiven Interesses verdeutlicht wird. Die Szenarien unterscheiden sich hinsichtlich der Kursentwicklung der Aktien des Emittenten bis zum Verstoß gegen ein Lock-up Agreement bzw. bis zu dessen Bekanntwerden. Dabei wird gezeigt, dass sich die unterschiedlichen Kursverläufe auf den Umfang eines Schadensersatzanspruchs auswirken. Ausgangspunkt der Szenarien ist stets der Erwerb einer Aktie des Emittenten E im Wert von 100 E zum Zeitpunkt t0 durch einen Anleger. Es wird angenommen, dass zwischen der Emissionsbank und den Altaktionären ein Lock-up Agreement geschlossen wurde, wonach es den Altaktionären bis zum Zeitpunkt t12 untersagt ist, Aktien des E zu veräußern. Dieses Lock-up Agreement wurde zudem ordnungsgemäß im Wertpapierprospekt veröffentlicht. Zum Zeitpunkt t6 wird bekannt, dass ein Altaktionär gegen dieses Lock-up Agreement verstoßen hat, wodurch der Wertpapierkurs der E-Aktie auf 80 E fällt. 1. Szenario 1: keine Kursveränderung bis zum Verstoß Im ersten Szenario wird davon ausgegangen, dass sich der Kurs der E-Aktie bis zum Verstoß gegen das Lock-up Agreement nicht verändert, d. h. zum Zeitpunkt t6 100 E beträgt (vgl. Abb. 1).

110 €

Kurs E-Aktie Einstandswert

100 € 90 €

Differenzschaden

80 € 70 €

t0 (Aktienerwerb)

Istvermögen zum Zeitpunkt t6

t6 (Verstoß gegen Lock-up Agreement)

t12 (Ablauf Lock-up Periode)

Abbildung 1: Szenario einer konstanten Kursentwicklung bis zur Verletzung eines Lock-up Agreements

B. Schadensberechnung

289

Fällt der Aktienkurs anschießend bedingt durch das Bekanntwerden des Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement auf 80 E, umfasst das negative Interesse den Differenzschaden zwischen dem Istvermögen zum Zeitpunkt t6, d. h. 80 E, und dem Einstandswert, d. h. 100 E, wodurch sich einen Kursschaden von 20 E ergibt, welcher dem Anleger im Rahmen der Haftung aufgrund einer außervertraglichen Selbstbindung zu ersetzen ist. 2. Szenario 2: negative Kursentwicklung bis zum Verstoß Problematischer ist die Berechnung des Schadens im zweiten Szenario: Hier wird davon ausgegangen, dass sich der Kurs der E-Aktie nach dem Aktienerwerb negativ entwickelt und zum Zeitpunkt t6, bei Bekanntwerden des Verstoßes gegen das Lockup Agreement, nur noch 96 E beträgt und damit unter dem Einstandswert von 100 E liegt (vgl. Abb. 2).

110 €

Kurs E-Aktie Einstandswert

100 €

hypothetischer Kurswert 90 €

Differenzschaden

80 € 70 €

t0 (Aktienerwerb)

Istvermögen zum Zeitpunkt t6

t6 (Verstoß gegen Lock-up-Agreement)

t12 (Ablauf Lock-up-Periode)

Abbildung 2: Szenario einer negativen Kursentwicklung bis zur Verletzung eines Lock-up Agreements

Fällt der Aktienkurs nach Bekanntwerden des Verstoßes auf 80 E, so umfasst das negative Interesse erneut den Differenzschaden zwischen dem Istwert, 80 E, und dem Einstandswert, 100 E, demnach 20 E. Allerdings muss in diesem Szenario berücksichtigt werden, dass der Kurs der E-Aktie bereits vor Bekanntwerden des Verstoßes unter den Einstandswert gesunken ist. In diesem Fall beträgt das positive Interesse die Differenz zwischen dem Istwert und dem hypothetischen Kurswert, sprich 16 E, und ist folglich geringer als der Betrag des negativen Interesses von 20 E. Da der Ersatz des negativen Interesses durch den Betrag des positiven Interesses begrenzt wird, beträgt der ersatzfähige Differenzschaden des Anlegers somit nur 16 E. Anhand dieses Szenarios zeigt sich die Bedeutung der Haftungsbegrenzung durch das positive Interesse. Zweck der Haftung ist die Kooperationssicherung und För-

290

9. Kap.: Voraussetzungen und Anwendung des Haftungsinstituts

derung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Hingegen soll den Anlegern das kapitalmarktspezifische Marktrisiko nicht zulasten der Altaktionäre abgenommen werden.645 In einer negativen Kursentwicklung nach dem Erwerb der Aktie realisiert sich jedoch dieses kapitalmarktspezifische Kursrisiko. Kommt es nun zu einem weiteren Kurssturz der Aktie, bedingt durch das Bekanntwerden einer Verletzung von Lock-up Agreements, und wäre den Anlegern infolgedessen das gesamte negative Interesse zu ersetzen, so stünden sie folglich besser da, als sie ohne die Verletzung des Lock-up Agreements dastünden. Damit würde eine Haftung infolge der Verletzung von Lock-up Agreements die Anleger zugleich vor dem Risiko von Fehlinvestitionen schützen, was zu negativen und damit ineffizienten Anreizen der Anleger führen würde. Indem der Umfang des Schadensersatzes durch den Betrag des positiven Interesses begrenzt wird, ist gewährleistet, dass das Marktrisiko, d. h. die Gefahr einer Fehlinvestition, weiterhin bei den Anlegern verbleibt, sprich, die Anleger infolge eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement nicht bessergestellt werden können, als sie ohne den Verstoß dastünden. Dadurch wird der Funktion der außervertraglichen Selbstbindung Rechnung getragen, welche einzig der Kooperationssicherung und Gemeinwohlförderung dient, nicht jedoch einer Umverteilung des kapitalmarktspezifischen Kursrisikos.646 3. Szenario 3: positive Kursentwicklung bis zum Verstoß Schließlich ist ein drittes Szenario denkbar, in welchem davon ausgegangen wird, dass sich der Kurs der E-Aktie nach dem Erwerb der Aktie zunächst positiv entwickelt und bis zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Verletzung eines Lock-up Agreement auf 104 E steigt, infolge des Bekanntwerdens des Verstoßes, d. h. zum Zeitpunkt t6, jedoch auf 80 E fällt (vgl. Abb. 3). In diesem Fall beträgt der ersatzfähige Differenzschaden 20 E, welcher sich aus der Differenz zwischen dem Istvermögen zum Zeitpunkt t6, d. h. 80 E, und dem Sollvermögen, d. h. dem Einstandswert von 100 E, berechnet. Keine Berücksichtigung findet somit der Umstand, dass der Wertpapierkurs unmittelbar vor Bekanntwerden des Verstoßes bereits 104 E betrug, sodass der zwischenzeitliche Kursgewinn von 4 E nicht ersatzfähig ist. Dieses Szenario lässt sich ferner dahingehend abwandeln, dass der Wertpapierkurs der E-Aktie nach dem Bekanntwerden eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement zwar fällt, dabei jedoch nicht unter den Einstandswert sinkt, sodass, nach dem hier aufgezeigten Modell, den Anlegern gar kein ersatzfähiger Schaden entstünde.

645

Vgl. bereits 2. Kapitel C. II. 2. a) bb) und 8. Kapitel C. II. Übereinstimmend Beurskens, Haftung für enttäuschtes Aktionärsvertrauen, 2008, S. 227. 646

B. Schadensberechnung

110 €

Kurs E-Aktie Einstandswert

100 € 90 €

Differenzschaden

80 € 70 €

t0 (Aktienerwerb)

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Istvermögen zum Zeitpunkt t6

t6 (Verstoß gegen Lock-up Agreement)

t12 (Ablauf Lock-up-Periode)

Abbildung 3: Szenario einer positiven Kursentwicklung bis zur Verletzung eines Lock-up Agreements

Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass im Rahmen des Instituts der außervertraglichen Selbstbindung nur das negative Interesse ersatzfähig ist. Müssten die Altaktionäre auch etwaige Kursgewinne der Anleger ersetzen, würde dies eine potentiell unbegrenzte und damit unzumutbare Belastung für die Altaktionäre darstellen, aufgrund derer sie von der Vereinbarung eines Lock-up Agreements absehen könnten, was wiederum der Funktion der außervertraglichen Selbstbindung zuwiderliefe.647 Hinzu kommt, dass die Investition der Anleger ihren Preis wert ist, soweit der Wertpapierkurs der Aktie nach Bekanntwerden einer Verletzung von Lock-up Agreements oberhalb des Einstandskurses notiert, sodass ein Schaden der Anleger zu verneinen ist.648 Es lässt sich auch nicht argumentieren, dass dies einem wirksamen Anreiz der Altaktionäre zuwiderliefe. Zwar besteht die Möglichkeit, dass auch nach Bekanntwerden eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement der Wertpapierkurs nicht unterhalb des Einstandswerts absinkt, jedoch ist das Kursverhalten für die Altaktionäre nicht vorhersehbar, sodass diese nicht sicher kalkulieren können, ob sie im Fall eines Verstoßes gegen ein Lock-up Agreement schadensersatzpflichtig sind. Folglich bleibt das Risiko einer Haftung bestehen, sodass ein hinreichender Anreiz zur Einhaltung von Lock-up Agreements gegeben ist.

647

Vgl. bereits 8. Kapitel C. II. Ähnlich urteilte der BGH für den Fall, dass ein Vertragsschluss trotz Abweichung von den im Prospekt veröffentlichten Angaben für den Anleger nicht nachteilig ist, weil der Wert der Anlage die eigene Leistung des Anlegers übersteigt, vgl. BGH, Urt. v. 26. 9. 1991 – VII ZR 376/ 89, BGHZ 115, 213, 221 f. Ferner OLG Stuttgart, Urt. v. 10. 3. 1987 – 10 U 7/86, WM 1987, 1260, 1262; Emmerich, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2016, § 311 Rn. 187. 648

292

10. Kap.: Ergebnisse des zweiten Teils

C. Haftungsausschluss Schließlich ist zu untersuchen, wie eine Haftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements ausgeschlossen bzw. vermieden werden kann. Die außervertragliche Selbstbindung knüpft an die Veröffentlichung der Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt und die dadurch geweckte normative Erwartung der Anleger an. Würde im Wertpapierprospekt darauf hingewiesen, dass auch ein unbedingtes Lockup Agreement in der Praxis nicht durchsetzbar ist und keine Haftung der Altaktionäre begründen soll,649 würde bei den Anlegern keine normative Erwartung an die Einhaltung des veröffentlichten Lock-up Agreements durch die Altaktionäre geweckt. Eine außervertragliche Selbstbindung läge folglich nicht vor, sodass eine Haftung aufgrund der Verletzung eines Lock-up Agreements ausscheidet. Indes liefe ein solcher Hinweis im Wertpapierprospekt der Funktion von Lock-up Agreements zuwider. Aufgabe und Zweck der Lock-up Vereinbarungen sind gerade der Abbau von Informationsasymmetrien, die Förderung von Vertrauen und die Kooperationsgewährleistung. Würde in der Veröffentlichung eines Lock-up Agreements zugleich darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung gänzlich unverbindlich ist und sanktionslos gebrochen werden kann, ginge von den Lock-up Agreements auch keine vertrauensbildende und kooperationsfördernde Wirkung mehr aus,650 sodass die Lock-up Agreements ihrer ursprünglichen Funktion beraubt wären und folglich ganz auf ihren Abschluss verzichtet werden könnte. Daraus folgt, dass eine Haftung auf diesem Weg zwar vermieden werden kann, dieser Möglichkeit in der Praxis jedoch keine Bedeutung zukommen wird, da sie dem Instrument des Lock-up Agreements zuwiderläuft und dieses letztlich obsolet machen würde. 10. Kapitel

Ergebnisse des zweiten Teils Der zweite Teil dieser Untersuchung hat sich der rechtsfortbildenden Entwicklung eines Haftungsinstituts gewidmet, welches im Fall der Verletzung von Lock-up Agreements einen Schadensersatzanspruch der Anleger gegenüber den pflichtwidrig veräußernden Altaktionären begründet. Die Entwicklung eines Rechtsinstituts im Rahmen einer Rechtsfortbildung ist grundsätzlich zulässig, sofern die Rechtsfortbildung der Rechtsordnung nicht zuwiderläuft. In diesem Zusammenhang kann zwischen vier Stufen der Rechtsfindung differenziert werden: der Rechtsfindung intra legem, der Rechtsfortbildung praeter legem und extra legem, intra ius sowie der unzulässigen Rechtsfindung contra legem, welche zugleich die Grenze der Anwendung des geltenden Rechts markiert. 649 650

Dazu auch Bachmann, in: FS Köndgen, 2016, S. 17, 39. Zur Funktionsweise von Lock-up Agreements vgl. 3. Kapitel A.

10. Kap.: Ergebnisse des zweiten Teils

293

Das im ersten Teil dieser Untersuchung festgestellte Fehlen einer Haftung infolge der Verletzung eines Lock-up Agreements stellt eine Lücke im Gesetz dar, denn das Fehlen einer Haftung läuft dem von den Lock-up Agreements zu gewährleistenden Funktionsschutz des Kapitalmarkts sowie der Vertrauens- und Kooperationsförderung zuwider. Unter Zugrundelegung ökonomischer Effizienzgesichtspunkte besteht ein Bedürfnis, die dargelegte Gesetzeslücke mittels eines privatrechtlichen Haftungsinstituts für den Fall der Verletzung von Lock-up Agreements zu schließen. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend kann ein eigenes Haftungsinstitut einer marktfunktional orientierten, außervertraglichen Selbstbindung kraft Prospektveröffentlichung entwickelt werden, wonach der Verstoß gegen ein Lock-up Agreement eine Haftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern begründet. Als Grundlage dieses Haftungsinstituts dient der Ansatz der Selbstbindungslehre. Diese besagt, dass ein Marktakteur, der durch ein nach außen gerichtetes Verhalten bei anderen normative Erwartungen weckt, sich diesen Erwartungen nicht sanktionslos entziehen darf. Indes reicht die Produktion normativer Erwartungen nicht aus, um eine Haftung zu begründen. Die Legitimation des Rechtsinstituts liegt in dessen marktfunktionaler Konkretisierung. Danach bezweckt die außervertragliche Selbstbindung nicht lediglich den Schutz der Erwartungen des Einzelnen, sondern gewährleistet insbesondere die Funktionsfähigkeit einer auf Freiwilligkeit beruhenden Kooperationsordnung. Durch die Veröffentlichung im Wertpapierprospekt übersteigt das Lock-up Agreement die schuldrechtliche Zweipersonenbeziehung zwischen Altaktionär und Emissionsbank und weckt die normative Erwartung, dass die Altaktionäre für den Zeitraum des Lock-up Agreements ihre Anteile nicht veräußern werden. Darüber hinaus ist ein marktfunktionaler Zusammenhang gegeben: Denn Zweck der Lock-up Agreements sind gerade die Kooperationssicherung und der Abbau von Informationsasymmetrien, welche dem Funktionsschutz des Kapitalmarkts und der Förderung des Gruppenwohls dienen. Aufgrund der marktsichernden Funktion des Lock-up Agreements führt deren Veröffentlichung im Wertpapierprospekt zu einer außervertraglichen Selbstbindung. Für eine Schadensersatzhaftung aufgrund der Verletzung von Lock-up Agreements gilt damit Folgendes: Wird ein zwischen Altaktionären und Emissionsbank geschlossenes, unbedingtes Lock-up Agreement im Wertpapierprospekt veröffentlicht und kommt es während der Lock-up-Periode zu einer Verletzung des Lock-up Agreements, weil ein Altaktionär seine Aktien pflichtwidrig veräußert, steht den Anlegern damit ein verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch gegenüber den Altaktionären zu. Der Anspruch umfasst den Ersatz des negativen Interesses, begrenzt durch den Betrag des positiven Interesses, da dies eine optimale Anreizstruktur zur Kooperationsförderung schafft, ohne durch eine übermäßige Belastung der Altaktionäre dem Abschluss von Lock-up Agreements zuwiderzulaufen und ohne dass den Anlegern das marktimmanente Investitionsrisiko abgenommen wird.

294

10. Kap.: Ergebnisse des zweiten Teils

Das Rechtsinstitut der marktfunktionalen außervertraglichen Selbstbindung kraft Prospektveröffentlichung kann im Wege einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung extra legem, intra ius hergeleitet werden, wobei insbesondere auf das allgemeine Rechtsprinzip des Funktionsschutzes abgestellt werden kann. Daraus folgt, dass ein Schadensersatzanspruch der Anleger gegenüber den Altaktionären im Fall einer Verletzung von Lock-up Agreements bereits de lege lata existiert.

Schlussbetrachtung A. Ergebnis Ausgangspunkt dieser Untersuchung war die Frage, ob jemand gegen seinen Willen an etwas gebunden werden kann, was er einem anderen gegenüber versprochen hat und was sodann auf dem Markt veröffentlicht wurde. Dass es sich dabei keineswegs um ein theoretisches Gedankenkonstrukt handelt, zeigt das Instrument des Lock-up Agreements, durch welches sich die Altaktionäre eines Unternehmens gegenüber der Emissionsbank verpflichten, ihre Anteile nicht zu veräußern, und diese Vereinbarung sodann im Wertpapierprospekt veröffentlicht wird. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Altaktionäre auch gegenüber den Anlegern am Kapitalmarkt an das getroffene Lock-up Agreement gebunden sind, mit der Folge, dass die Verletzung eines Lock-up Agreements eine Schadensersatzhaftung gegenüber den Anlegern begründet. Eine solche Bindung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern kommt nach der Dichotomie aus willensgetragener und gesetzlicher Bindung nicht in Betracht. Ausgehend von diesem Befund wurde jedoch dargelegt, dass sich die Rechtsbindung privater Akteure nicht auf die beiden Formen der Bindung ex voluntate und ex lege beschränkt. Vielmehr bietet die Rechtsordnung darüber hinaus auch Raum für eine Form der rechtlichen Bindung, die weder willensbasiert noch gesetzlich angeordnet ist, sondern zwischen den beiden Polen liegt und im Rahmen dieser Untersuchung als „außervertragliche Selbstbindung“ bezeichnet wird. Diese knüpft zwar auch an das Verhalten des Gebundenen an, unterscheidet sich jedoch von der rechtsgeschäftlichen Bindung, indem nicht an eine Willensäußerung der Altaktionäre gegenüber einem individuellen Adressaten angeknüpft wird, sondern auf die Veröffentlichung des Lock-up Agreements im Wertpapierprospekt und die damit verbundene Kundgabe gegenüber dem Markt als Kollektiv abgestellt wird. Normativitätsstiftend ist demnach die mit der Veröffentlichung einhergehende Produktion normativer Erwartungen am Markt. Daraus folgt, dass die Legitimation der außervertraglichen Selbstbindung nicht an den Schutz des Einzelnen und dessen Erwartungen, sondern an den Schutz des Markts als Institution anknüpfen muss. Maßgeblich für die Beurteilung, ob Lock-up Agreements eine außervertragliche Selbstbindung der Altaktionäre und eine damit einhergehende Haftung infolge eines Verstoßes begründen, ist somit eine marktfunktionale Perspektive. Diese beruht auf der Erkenntnis, dass Informationen am Markt ungleich zwischen den Akteuren verteilt sind. Zusammen mit der Annahme, dass sich die Marktakteure stets eigenorientiert und rational nutzenmaximierend verhalten, fördert das informationelle

296

Schlussbetrachtung

Ungleichgewicht opportunistische Verhaltensweisen und bedroht dadurch die Kooperation und zugleich die Funktionsfähigkeit des Markts. Aufgabe und Zweck der Rechtsordnung ist es mithin, Anreize zu schaffen, welche die Funktionsfähigkeit des Markts gewährleisten, da diese eine notwendige Voraussetzung des gesellschaftlichen Zusammenlebens ist. Dies findet im allgemeinen Rechtsprinzip des Funktionsschutzes Niederschlag. Lock-up Agreements dienen zwar der Kooperationsförderung und Funktionssicherung des Kapitalmarkts, indem sie vertrauensbildende Signale an den Markt und die Anleger senden und Informationsasymmetrien abbauen; ihrer marktschützenden Funktion werden sie indes nur dann gerecht, wenn die Altaktionäre auch gegenüber den Anlegern rechtlich gebunden sind. Denn nur wenn der Verstoß gegen ein Lockup Agreement eine Haftung gegenüber den Anlegern begründet, wird die kooperationsfördernde Verhaltenssteuerung der Lock-up Agreements gewährleistet. Die rechtliche Bindung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern, die hier als außervertragliche Selbstbindung kraft Prospektveröffentlichung bezeichnet wird, leitet sich folglich aus dem Prinzip des Funktionsschutzes und der Aufgabe der Rechtsordnung ab, den Schutz des Markts als Institution zu gewährleisten. Das Rechtsinstitut der außervertraglichen Selbstbindung lässt sich somit dem geltenden Recht entnehmen, sodass eine Schadensersatzhaftung der Altaktionäre gegenüber den Anlegern infolge der Verletzung eines Lock-up Agreements de lege lata existiert.

B. Bewertung und Ausblick Das Konzept einer außervertraglichen Selbstbindung ist zwar mit der Rechtsordnung vereinbar, sodass eine Bindung der Altaktionäre und eine dadurch begründete Haftung gegenüber den Anlegern de lege lata existieren. Allerdings kann das Institut nicht mehr anhand des Gesetzes bzw. des Plans des Gesetzgebers hergeleitet werden, sondern bedarf einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung. Zwar ist diese grundsätzlich zulässig und unterscheidet sich insofern nicht von der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung praeter legem, zu beachten ist jedoch, dass die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung extra legem, intra ius gewissermaßen den äußersten Bereich des geltenden Rechts darstellt und insofern einer besonderen Rechtfertigung bedarf, was den Rechtsanwender stets vor Herausforderungen stellen wird. Dieser Umstand darf gleichwohl nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die im Rahmen einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung hergeleitete außervertragliche Selbstbindung lediglich eine Anwendung des geltenden Rechts beschreibt. Forderungen nach einer Regulierung durch den Gesetzgeber de lege ferenda sind daher abzulehnen, da ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf nur dann besteht, wenn das geltende Recht keinen ausreichenden Schutz gewährleisten kann. Dies wird man in Anbetracht der hier dargestellten Möglichkeit der Herleitung eines Rechtsinstituts de lege lata indes verneinen müssen.

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Stichwortverzeichnis adverse selection siehe Negativauslese Aktie – freie Übertragbarkeit 51, 127 – Preisbildung 97 – Vinkulierung siehe dort Altaktionär 39, 45, 258 Analogie 265 Anleger 42 Anlegerschutz – als Rechtsprinzip 174, 180 – gesetzliches Schuldverhältnis 235 – Individualschutz 85 – Kollektivschutz 89 Anlegervertrauen 42 außerdeliktische Schutzpflicht 214 außerrechtliche Verhaltenssteuerung 197, 199, 202 f., 205, 250, 255, 259, 283 – Reputation siehe dort Börsengang

34, 43

culpa in contrahendo

134, 220, 251, 266

Dichotomie von Vertrag und Delikt Differenzschaden 287 Dilemmastruktur 70

208

ECMH siehe Kapitalmarkteffizienzhypothese Effektivitätsgebot 126 Effizienz – als Rechtsprinzip 178 f., 182, 189 – Kosten-Nutzen-Analyse 179, 185, 190 – Kriterium der Rechtsfortbildung 178, 181 einseitiges Leistungsversprechen 240, 242 Emission siehe Börsengang Emissionsbank 37, 40, 44, 68, 258 Emissionskonsortium siehe Emissionsbank Emittent 43 Erklärung an die Öffentlichkeit 237

Erwartung – normative 248, 255, 257 – schutzwürdig 253 – Verhaltenserwartung siehe dort Fundamentalwert 71 Funktionsfähigkeit – als Rechtsprinzip 254, 260 Funktionsschutz 80, 102 – allokative Effizienz 81 – als Rechtsprinzip 174, 180, 251, 258, 273 – institutionelle Effizienz 83 – operationale Effizienz 82 Gesamtanalogie 268 Gesetzesvorbehalt 164 Gründer siehe Unternehmensleiter Haftungsausschluss 292 Haftungsgrund 275 Haftungsszenarien 288 Haltevereinbarung siehe Lock-up Agreement Homo oeconomicus siehe REM-Hypothese Informationsasymmetrie 77 f., 93, 174, 180, 251 Informationsdefizit 94 Informationseffizienz 72 f., 75 Informationshypothese 99 Informationsverteilung 75, 92 Insiderhaftung 120 Insiderinformation 120 Institutionenökonomik 76 Investitionsrisiko 262 Kapitalmarkt – Aufgabe 70 – Begriff 66 – Effizienz siehe Kapitalmarkteffizienzhypothese

326

Stichwortverzeichnis

– Liquidität 69 – Organisationsgrad 69 – Primärmarkt 68 – Sekundärmarkt 69 Kapitalmarkteffizienzhypothese 72 f. Kapitalmarktinformationshaftung 119 Kapitalmarktrecht – Anlegerschutz siehe dort – Funktionsschutz siehe dort – Insiderhaftung siehe dort – Kapitalmarktinformationshaftung siehe dort – Marktmanipulationshaftung siehe dort – Prospekthaftung siehe dort – Regelungsziele 80, 183 – US-amerikanisches 143 Kleinanleger 46 kollusives Verhalten 116 kollusives Zusammenwirken 140, 157 Kooperationsprinzip 173, 176, 197, 248, 254, 260, 273 Kursschaden 286 Lock-up Agreement – Abschlusspflicht 57 – als Zulassungsvoraussetzung 58 – Begriff 34 – Durchsetzbarkeit 107 f., 112 – empirische Kursrelevanz 101 – Funktionsweise 93, 102, 174 – hartes Lock-up Agreement 35, 116, 285 – Interessenlage 42, 105 – Konstellationen 39, 285 – Kosten-Nutzen-Analyse siehe dort – Rechtsnatur 48 – Verletzung 104, 106, 116, 174, 286 – Zulässigkeit 49 – Zweck und Schutzfunktion 42, 57 Lock-up-Periode 95 Lock-up-Vereinbarung siehe Lock-up Agreement Lücke im Gesetz 168, 171, 176, 264 Mängelgewährleistungsrecht 137 market for lemons siehe Markt für Zitronen Markt für Zitronen 77 Marktmanipulation 49 Marktmanipulationshaftung 122

Marktrisiko 263 Marktschonungsvereinbarung 36, 285 Marktschonungsvereinbarungen 116 Marktschutzvereinbarung 34 f. – Typenkomombination 37 Marktversagen 77 moral hazard siehe moralisches Risiko moralisches Risiko 96 Näheverhältnis 136, 218 Negativauslese 77 negatives Interesse 261, 287 Neuer Markt 58 normativitätsstiftendes Verhalten 223, 249, 261, 268 ökonomische Analyse 178, 182, 187, 189, 249 opportunistisches Verhalten 77, 105 Opportunitätsprämie 105 planwidrige Unvollständigkeit siehe Lücke im Gesetz Preisdruckhypothese 99 Prinzipal-Agenten-Theorie 96 private enforcement siehe Rechtsdurchsetzung durch Private promissory estoppel 237, 244 Prospekthaftung 117, 257 Publizität 91 pump and dump scheme 157 Rechtsdurchsetzung – Anreize 194 – durch Private 191, 196, 282 – Flexibilität 195 – Kosten 192 Rechtsfortbildung – contra legem 167, 274 – Effizienz siehe dort – extra legem, intra ius 165, 171, 272, 274 – gesetzesimmanent siehe praeter legem – gesetzesübersteigend 166, 272 – intra legem 165 – Methoden 265 – praeter legem 165, 171 – secundum legem siehe intra legem – Stufen 165, 263

Stichwortverzeichnis – Voraussetzungen 168, 264 – Zulässigkeit 164 Rechtsvergleich 142, 237 REM-Hypothese 183, 188, 190 Reputation 199, 204 Reziprozität 244 Risikokapitalgeber 46 Risikoprinzip 279 f. Schadensausgleich 181 Schadensberechnung 286 Schadensprävention 182, 184 Schutzgesetzeigenschaft 117, 121, 125 Schutzpflicht – außerdeliktisch siehe dort Screening 79 Selbstbindung – kraft Prospektveröffentlichung 256, 258, 260, 272 f., 281, 286 – kraft sozialtypischer Sprechhandlung 242 – marktorientiert funktional 247, 250 – ohne Vertrag 244, 246 Selbstbindungslehre 242, 244, 247, 252 Signal-Theorie 79, 94 Signaling siehe Signal-Theorie sittenwidrige Schädigung 138 Sonderverbindung 214, 216 f., 221 Sperrdepot 108 Stimmrechtsbindung 55 Substanzerhaltungsrisiko 86 Substitutionshypothese 98 teleologische Extension 271 teleologische Reduktion 270 Treuepflicht 59 f., 63, 127

Unternehmensleiter

327 45, 97

Veranlassungsprinzip 276 Veräußerungsbeschränkung 38 Verfügungsbefugnis 48 Verhaltenserwartung 245 f., 267 Verhaltenssteuerung 182 f., 197, 202, 280, 282 – außerrechtlich siehe dort Verkehrsschutz 234 Vermögenshaftung 262 Vermögensschaden 138, 209, 211 Verschuldensprinzip 277 Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 131 Vertrag zugunsten Dritter 129 Vertragsstrafe 109 Vertrauenshaftung 226, 231, 247, 252, 266 Vertrauensprämie 105 Vertrauensprinzip 173, 176, 226, 231, 233, 253 Vertrauensschutz siehe Vertrauensprinzip Vertrauenstatbestand 226 Vertretungskosten siehe Prinzipal-AgentenTheorie Verwässerungsschutzvereinbarung 35, 37 Vinkulierung 51 f. vorvertragliches Schuldverhältnis 134 Wertpapierprospekt

117, 257, 279

Zurechnungsprinzip 222, 276 – Risikoprinzip siehe dort – Veranlassungsprinzip siehe dort – Verschuldensprinzip siehe dort