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German Pages 514 [529] Year 2013
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL) Tobias Nicklas (Regensburg)
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Adrian Wypadlo
Die Verklärung Jesu nach dem Markusevangelium Studien zu einer christologischen Legitimationserzählung
Mohr Siebeck
Adrian Wypadlo, geboren 1970; Studium der katholischen Theologie in Paderborn, Tübingen und Frankfurt; 1998 Priesterweihe; 2006 Promotion (Paderborn); 2011 Habilitation (Tübingen); Dezember 2012 Ruf auf die Professur am Seminar für Exegese des Neuen Testaments an der Kath.-Theol. Fakultät der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster.
e-ISBN PDF 978-3-16-152561-2 ISBN 978-3-16-152560-5 ISSN 0512-1604 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio nalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb. de abrufbar. © 2013 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Zu meiner theologischen Anfangslektüre als Erstsemestler an der Theologischen Fakultät Paderborn gehörte im Jahre 1991 die kleine – immer noch lesenswerte – Studie „Markus – ein theologisches Portrait“ meines ersten exegetischen Lehrers Prof. Dr. Josef Ernst († 2012). Darin finden sich folgende Sätze zur Verklärungsperikope: „Die Erzählung von der Verklärung auf dem Berge fasziniert den Leser. In dem Augenblick freilich, wo er nach Erklärungen sucht, zieht sie sich in ein für menschliches Begreifen nicht zugängliches Geheimnis zurück. Vielleicht ist gerade dies der Grund für die besondere Ausstrahlungskraft der Perikope“ (S. 54).
Diese Einschätzung und die dahinter stehende biblische Erzählung haben mich seitdem nicht mehr losgelassen. So war es nichts anderes als die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches, dass ich die Perikope Mk 9,2–8 zum Gegenstand meines Habilitationsprojektes an der Eberhard-KarlsUniversität Tübingen machen durfte. Diese Studie wurde dort im Sommersemester 2011 als Habilitation angenommen. Vielen Menschen habe ich zu danken. Allem voran meinem Habilitationsbetreuer Prof. Dr. Michael Theobald, der das Wachsen dieser Studie konstruktiv-kritisch begleitet hat. Herzlichen Dank auch an Prof. Dr. Jörg Frey für die Aufnahme dieser Studien in die Reihe WUNT. Ich danke meinem Heimatbistum Paderborn, namentlich Herrn Erzbischof Hans-Josef Becker, für die Freistellung für eine akademische Laufbahn in einer Zeit knappen pastoralen Personals. Ich danke den Damen Irmgard Gockel und Agnes Hennemeier (beide Geseke), die viel Zeit in die Korrekturarbeiten investiert haben. Ein ganz besonderer Dank geht auch an meinen Assistenten an der WWU Münster, Herrn MA Volker Niggemeier, der mit immensem Fleiß die Drucklegung dieser Arbeit übernommen hat. Mit Dankbarkeit erwähne ich auch meine Sekretärin Angelika van Dillen sowie meine studentischen Mitarbeiter Natalia Löster und Gerrit Pischke, welche das Manuskript sorgfältig korrigiert haben. Nicht zuletzt danke ich den pastoralen Mitarbeitern im Pastoralverbund Hüttental-Freudenberg (Siegen), in dem ich in der Zeit der Entstehung dieser Studie priesterlich wirken durfte, für die gute Zusammenarbeit.
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Vorwort
Die Beschäftigung mit der markinischen Verklärungsperikope hat mir immer Freude bereitet. Ich hoffe, dass der geneigte Leser bei der Lektüre dieser Studie diese Freude spürt und sie sich – bei aller Fragmentalität des Gesagten – zumindest ein wenig zu eigen machen kann. Siegen, am Palmsonntag 2013
Adrian Wypadlo
Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse der Studie – Vorverständigungen ............................................................................. 1 1. Einleitung und Problemhorizont............................................................ 1 1.1 1.2 1.3 1.4
Exegetische Aporien der Verklärungsperikope ............................... 1 Vorhaben und Zielsetzung der Studie ............................................. 8 Problematik einer gattungskritischen Einordnung ......................... 12 Die Verklärungsperikope als Ausdruck der markinischen Theologie der Hoffnung.......................................... 18 1.5 Zur Frage der motivgeschichtlichen Sättigung von Mk 9,2-8 ...................................................................................... 28 1.5.1 Die Deutung der Verklärungsperikope vor dem Hintergrund von Ex 24/34 ....................................................... 28 1.5.2 Jüdische und pagane Verwandlungsvorstellungen ................... 40 1.5.3 Die Verklärungsperikope und die Morijaerzählung (Gen 22).................................................................................. 40 1.5.4 Die Verklärung als Inthronisationserzählung........................... 41 1.5.5 Die Verklärungsperikope und das Laubhüttenfest ................... 42 1.5.6 Die Verklärungsperikope und die jüdisch-christlichen Zukunftshoffnungen ................................................................ 43 1.5.7 Fazit der Überlegungen zur motivgeschichtlichen Sättigung von Mk 9,2–8 .......................................................... 44 2. Vorverständigungen ............................................................................ 45 2.1 Der Text der Verklärungsperikope................................................ 45 2.2 Die makrotextuelle Situierung der Verklärungsperikope............... 52 2.3 Überlegungen zum Konnex von Tauf- und Verklärungsperikope .................................................................... 58 2.3.1 Tauf- und Verklärungsperikope als Epiphaniegeschichten ...... 58 2.3.2 Theologische Berührungen von Tauf- und Verklärungsperikope .............................................................. 64
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Inhaltsverzeichnis
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Verklärungsperikope und ihres kontextuellen Umfeldes ............ 75 1. Hinführung ......................................................................................... 75 2. Die Logienfolge Mk 8,34-9,1 als Kontext der Verklärungsperikope .... 77 2.1 2.2 2.3 2.4
Einleitung in die Logienfolge Mk 8,34-9,1 ................................... 77 Die Logienfolge Mk 8,34-37 ........................................................ 84 Der eschatologische Ausblick Mk 8,38 ......................................... 96 Das Naherwartungslogion Mk 9,1............................................... 103
3. Analyse und Interpretation der Verklärungsperikope......................... 111 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
Einleitende Vorbemerkungen zur Einzelversanalyse................... 111 Die Zeitmarke MCKOGVCJBOGTCLG=Z (Mk 9,2a) ............................. 115 Das Jüngerauswahlmotiv (Mk 9,2a)............................................ 125 Berg- und Bergaufstiegsmotiv (Mk 9,2b).................................... 134 Das Verwandlungsmotiv (Mk 9,2c) ............................................ 138 Narrative Illustrierung der Metamorphose und Walker-Vergleich (Mk 9,3).................................................. 151 3.7 Das Erscheinen der Himmelsbewohner Elija und Mose (Mk 9,4) ..................................................................................... 159 3.7.1 Einführung in die Problematik von Mk 9,4 ........................... 159 3.7.2 Analyse von Mk 9,4 ............................................................. 162 3.7.3 Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope............... 170 3.7.4 Das Interesse des MkEv an Elija .......................................... 172 3.7.4.1 Elijanische Implikationen in der Textfolge Mk 1,1–11...................................................................... 173 3.7.4.2 Elija in der Verklärungsperikope (Mk 9,4f.) ................... 176 3.7.4.3 Elija im Bergabstiegsgespräch (Mk 9,11–13).................. 177 3.7.4.4 Elija in der Sterbeszene Jesu (Mk 15,33–35) .................. 182 3.7.4.5 Fazit der Beobachtungen zu Elija im MkEv .................... 191 3.8 Der Vorschlag des Petrus zur Errichtung von UMJPCK .................. 192 3.8.1 Allgemeine Beobachtungen .................................................. 192 3.8.2 Die Reaktion des Petrus (Mk 9,5a)............................................. 196 3.8.3 Die Bezeichnung Jesu als Rabbi (Mk 9,5b) .......................... 197 3.8.4 Das „Zeltbauprojekt“ (Mk 9,5c) ........................................... 199 3.8.5 Der Vorschlag des Petrus und das FGK des Leidens Jesu ........ 205 3.8.6 Epiphaniefurcht in Mk 4,35-41 und 9,5 – ein Vergleich........ 210 3.8.7 Abschließende Überlegungen zur Exegese von Mk 9,5f. ...... 213
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3.9 Mk 9,7f.: Wolkenüberschattung, Wolkenstimme und Aphanismos................................................................................ 214 3.9.1 Allgemeine Beobachtungen und Vorverständigungen........... 214 3.9.2 Das Motiv der überschattenden Wolke (Mk 9,7a) ................. 220 3.9.3 Die Gottes-Sohn-Prädikation (Mk 9,7c)................................ 227 3.9.4 Der Konnex von Mk 9,7c und 12,1-12.................................. 234 3.9.5 Der göttliche Imperativ CXMQWGVGCWXVQW (Mk 9,7d) ................. 243 3.9.5.1 Mk 9,7d als Zielpunkt der Verklärungsperikope ............. 243 3.9.5.2 Der himmlische Imperativ (9,7d) und das mk Gesetzesverständnis ....................................................... 250 3.9.6 Zur Frage der traditionellen Herkunft des Imperativs Mk 9,7d ............................................................................... 257 3.9.7 Zur Frage einer literarischen Verarbeitung von Dtn 18,15-18 LXX ............................................................... 260 3.9.8 Das Aphanismos-Motiv (Mk 9,8) ......................................... 265 4. Fazit: Traditionelle und redaktionelle Anteile in Mk 9,2-8 ................ 267 Die Zeitmarke MCKOGVCJBOGTCLG=Z in Mk 9,2a ............................ 271 Das Jüngerauswahlmotiv in Mk 9,2a .......................................... 272 Das Bergaufstiegsmotiv in Mk 9,2b............................................ 273 Das Verwandlungsmotiv in Mk 9,2c samt narrativer Illustrierung (Mk 9,3) ................................................................. 273 4.5 Das Erscheinen der Himmelsbewohner Elija und Mose (Mk 9,4) ..................................................................................... 274 4.6 Das Zeltbauprojekt des Petrus samt Kommentierung durch den Erzähler (Mk 9,5f.) .............................................................. 275 4.7 Wolkenüberschattung, Wolkenstimme und Aphanismos (Mk 9,7f.)................................................................................... 276 4.1 4.2 4.3 4.4
3. Kapitel: Verklärung – Metamorphose – Transfiguratio. Die Problematik des Verklärungsmotivs ..................................... 279 1. Einleitende Vorbemerkungen ............................................................ 279 2. Versuche einer überlieferungskritischen Separierung des Verklärungsmotivs (E. Lohmeyer; F. Hahn)...................................... 280 3. Begründung der Interpretation der Verklärungsperikope vor jüdischem Hintergrund...................................................................... 285 3.1 Zielsetzung der Überlegungen .................................................... 285
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3.2 Jüdische Elemente der Verklärungserzählung ............................. 287 3.3 Die Sinaitradition Ex 24/34 und die Rezeption im hellenistischen Judentum............................................................ 293 3.3.1 Berührungen von Ex 24/34 mit Mk 9,2-8.............................. 293 3.3.2 Die Diskussion um das Verb OGVCOQTHQWUSCK (Mk 9,2c; 2 Kor 3,18) .......................................................... 299 3.3.3 Die Inblicknahme des hellenistischen Judentums (D. Georgi)........................................................................... 307 3.3.4 Exkurs: Mk 9,2-8 und der „Mose-Midrasch“ in 2 Kor 3,7-18......................................................................... 310 4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien..................... 326 4.1 Die „Verwandlung“ des Mose bei Philo...................................... 326 4.2 Annäherung: Virt 217 als Beispiel eines prophetischen GXPSQWUKCUOQL .............................................................................. 335 4.2.1 Die Logos-Konzeption als Bindeglied zwischen Mose und Abraham........................................................................ 335 4.2.2 Die Gedankenentwicklung in Virt 211-219........................... 340 4.3 Die Verwandlung des Mose in VitMos II 69f. ............................ 349 4.3.1 Einleitende Vorbemerkung ................................................... 349 4.3.2 Exkurs: Das RTQUYRQP Moses in VitMos II 66-76 und 2 Kor 3,7.............................................................................. 350 4.3.3 Die Gedankenentwicklung in VitMos II 66-76 ..................... 352 4.4 Die Verwandlung des Mose in Quaest in Ex II 29....................... 365 4.4.1 Methodische Vorbemerkung zur Exegese von Quaest in Ex II 29 ................................................................ 365 4.4.2 Mose als verwandelter prophetischer Nous ........................... 369 4.4.2.1 Einleitende Vorbemerkungen ......................................... 369 4.4.2.2 Der Gedankengang in Quaest in Ex II 29 ........................ 372 4.4.2.3 Mose als Symbol des intellectus propheticus .................. 374 4.4.2.4 Entfaltung des Drei-Menschenklassen-Schemas ............. 375 4.4.2.5 Das inspirierte prophetische Bewusstsein – die allegorische Deutung ................................................ 377 4.4.2.6 Das göttliche Verwandtschaftsverhältnis des inspirierten Bewusstseins ............................................... 381 5. Die Verwandlung des Mose in LibAnt 12,1 und 19,16 ...................... 382 5.1 Die Deutung von Ex 34,29-35 in LibAnt 12,1............................. 382 5.2 Die Verwandlung des Mose im Todesmoment (LibAnt 19,16).... 387
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6. Ertrag: Mk 9,2-8 vor dem Hintergrund von Ex 23/34 im hellenistischen Judentum .................................................................. 392
4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope ................................................................. 396 1. Einleitung in die Problematik ............................................................ 396 2. Ansätze zur Deutung des Auftretens des „Elija mit Mose“ ................ 400 2.1 2.2 2.3 2.4
Die eschatologische Deutung des „Elija mit Mose“ .................... 400 Elija und Mose repräsentieren „Gesetz und Prophetie“ ............... 405 Elija und Mose als „himmlische Gerechte“................................. 407 Der Interpretationsvorschlag von A. Standhartinger ................... 409
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens ................................ 412 3.1 Begründung des Vorhabens ........................................................ 412 3.2 Das markinische Interesse an Elija ............................................. 415 3.3 Die Elija-Thematisierung beim Bergabstiegsgespräch (Mk 9,11-13) .............................................................................. 416 3.4 Das Leidensschicksal des Täufers Johannes (Mk 6,17-29) .............................................................................. 427 4. Ertrag: Johannes-Elija-Identifikation/ Elija als Topos des Leidens ............................................................... 437
5. Kapitel: Ergebnissicherung und Thesen zur markinischen Verklärungsperikope .............................................. 441 Quellen- und Literaturverzeichnis ......................................................... 445 A Quellen ............................................................................................. 445 1. Bibelausgaben ............................................................................... 445 2. Jüdische Quellen ........................................................................... 445 3. Frühchristliche und gnostische Texte............................................. 447 4. Pagane Literatur ............................................................................ 448 B Hilfsmittel ......................................................................................... 448
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C Kommentare...................................................................................... 449 1. Kommentare zu den Synoptikern................................................... 449 2. Kommentare zu sonstigen biblischen und außerkanonischen Schriften........................................................... 450 D Sekundärliteratur............................................................................... 451 Stellenregister ...................................................................................... 481 Autorenregister ..................................................................................... 503 Sachregister .......................................................................................... 505
ECNGRQKFGSGQKHCKPGUSCKGXPCTIGKL – „denn schwer zu ertragen sind Götter, wenn sie erscheinen“. (Homer, Ilias XX 131)
1. Kapitel
Grundlegung – Erkenntnisinteresse der Studie – Vorverständigungen 1. Einleitung und Problemhorizont 1.1 Exegetische Aporien der Verklärungsperikope Alte Fragen neu zu verhandeln, ist die Verpflichtung einer Wissenschaft, die von sich selbst behauptet, eine historisch-kritische zu sein.1 Diese Verpflichtung bewegt sich im Spannungsfeld traditioneller Ergebnissicherung einerseits und innovativer Fortschrittlichkeit andererseits, damit aber auch im Spannungsfeld, bereits vorliegende Forschungstätigkeit kritisch zu sichten und zu würdigen, sowie der Freude, neue Thesen aufzustellen bzw. alte neu zu begründen. Wer wollte leugnen, dass dem „Bericht“2 von der gewöhnlich sogenannten „Verklärung“3 Jesu auf dem Berg seit altersher das besondere Interesse 1
Ausdruck angelehnt an R. PESCH, Messiasbekenntnis I, 178. Im Folgenden wird angesichts von Mk 9,2–8 der Begriff „Bericht“ zugunsten von „Erzählung“, „narratio“ bzw. „Verklärungserzählung“ vermieden. Zielsetzung dieser Studie ist es nicht, nach der im Hintergrund von 9,2–8 stehenden historischen Wirklichkeit zu fragen, wie es neuerdings wieder von M. REISER [Verklärung Jesu, passim.] in die exegetische Diskussion eingebracht worden ist. Das historische Faktum ist uns nicht greifbar. Dieser Studie wird die Grundannahme zugrunde gelegt, dass wir in der Verklärungsperikope eine christologische Legitimationserzählung vor uns haben, die motivund theologiegeschichtlich die Mose-/Sinaitypologie christologisch fruchtbar macht, die als solche – ohne eine zurückdatierte Ostergeschichte zu sein – nur nachösterlich möglich ist. 3 Eine terminologische Vorverständigung. In dieser Studie wird folgende begriffliche Unterscheidung vorgenommen: Das Lexem Metamorphose ist exklusiv der „Wesensveränderung“ Jesu vorbehalten, sodass dieser Begriff für das in Mk 9,2c dargestellte und in 9,3 narrativ entfaltete Geschehen reserviert ist. Verklärung und Transfiguratio/Transfiguration werden deckungsgleich benutzt und fungieren als der weitere Begriff zur Erfassung des gesamten in Mk 9,2–8 dargestellten Geschehens, also der Metamorphose an sich (V.2c), wie auch der daraus folgenden Effekte, die a) im Leuchten der Gewänder Jesu, b) in der Erscheinung der atl. Würdenträger (Mk 9,4) und c) in den in Mk 9,7 (Wolkenüberschattung/Himmelsstimme) dargestellten Vorgängen bestehen. In dieser umfassenden Funktion wird auch der Terminus Verherrlichung benutzt, den ich von D.S. DU TOIT [vgl. Abwesender Herr, bes. 339–365] übernommen habe. 2
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
der Ausleger galt?4 Dieser Sachverhalt wird leicht durch einen Blick auf die kaum noch überschaubare Menge hervorgebrachter Literatur bestätigt.5 Gleichwohl stellt sich nach Sichtung der wesentlichen Linien der vorliegenden Literatur dem Ausleger wie jedem interessierten Leser die Frage, ob wir diese – für die christologische Konzeption des Markusevangeliums (=MkEv) zentrale6 – Erzählung tatsächlich besser verstehen als frühere Generationen. Diese Skepsis gilt in besonderer Weise gegenüber allen Versuchen, diese christologisch herausragende Erzählung7 monokausal mittels eines – zumeist vor der Auslegung definierten – hermeneutischen Generalschlüssels insgesamt erschließen zu wollen.8 So darf als erste erkenntnisleitende Vorverständigung für die vorliegende Studie die These ausgesprochen werden: Die eindimensionalen Deutungen der Verklärungsperikope engen den Text mehr ein, als dass sie sein Verstehen fördern. Die Einschätzung der Verklärungsperikope als antizipierte Parusieerzählung9,
4
Eine bis in das Jahr 1981 reichende Bibliographie legt T.F. BEST [Transfiguration, passim.] vor. 5 Bereits im Jahre 1959 urteilte H. B ALTENSWEILER [Verklärung Jesu, 9] über die Verklärungsperikope: „Es gibt wohl kein anderes Stück der evangelischen Tradition, das im Laufe der Jahre zu so zahlreichen und verschiedenartigen Deutungsversuchen Anlass geboten hätte wie die Verklärungsgeschichte.“ W. B OUSSET [Kyrios Christos, 61f.] kann angesichts der Transfigurationserzählung davon sprechen, dass die Verklärungsperikope „ihrem ganzen Stile nach als ein Fremdkörper in der evangelischen Erzählung“ anzusehen ist. D.S. DU TOIT [Abwesender Herr, 339f.] erkennt den Grund für die Rätselhaftigkeit der Verklärungsperikope in der „dem Text innewohnende[n] Vielschichtigkeit und Unschärfe“ in Verbindung mit einer Masse divergierender „intra- und intertextuelle[r] Bezüge“, die zusammen mit den „literarischen Struktur- und Formmerkmalen des Textes“ zu „unzähligen Permutationen und somit zu einer Vielzahl möglicher Deutungen“ führen. Wenn ein Autor wie Chr. HOLLINGSHURST [Transfiguration, 107] in Bezug auf die Transfigurationsnarratio behauptet, „academic studies are still relatively scarce“, dann dürfte das eher an der Tatsache liegen, dass nicht ins Englische übersetzte Veröffentlichungen von der anglophonen Exegese immer weniger zur Kenntnis genommen werden. Dies dürfte auch für die Einschätzung von S.L. JOHNSON [Transfiguration of Christ, 133f.] gelten, der eine Vernachlässigung der Transfigurationsperikope in der ntl. Forschung beklagt. 6 Mit D. SÄNGER, „Von mir hat er geschrieben“, 123. 7 Mit H. SCHÜRMANN [HThK-Lk I, 565] können wir in der Verklärungserzählung eine dem Christusgeschehen angemessene, einmalige und analogielose Darstellungsform erkennen, die sich als solche per se einer gattungskritischen Einordnung widersetzt. Vgl. auch W. GRUNDMANN, ThHK-Mk, 178; A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 80. 8 Vgl. z.B. U. BECKER, Elia, Mose und Jesus, 6. H. SCHÜRMANN [HThK-Lk I, 564] hat diese Problematik in seiner Auseinandersetzung mit den literarkritischen Teilungsversuchen E. Lohmeyers und H.-P. Müllers auf den Punkt gebracht, indem er von „literarkritische[n] Operationen, die von vorgefaßten Deutungen abhängig sind“, spricht. 9 Vgl. G.H. B OOBYER, Transfiguration Story, passim.; D ERS., Transfiguration, passim.
1. Einleitung und Problemhorizont
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als Bestätigung des Petrusbekenntnisses10, als deplatzierte Ostergeschichte11, als apokalyptische Vision12, als christologisch transformierte Sinaige10
Vgl. A. DEL AGUA, Narrative of the Transfiguration, 344; E. BEST, Transfiguration, 220; R. B ULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 279; C.E. CARLSTON, Transfiguration, 233.238; J. DECHOW, Gottessohn, 258; E. DINKLER, Petrusbekenntnis, 286; J. ERNST, Petrusbekenntnis, 59; M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 184; E. HAENCHEN, Komposition, 86 (Bestätigung des Jüngerbekenntnisses); M.D. HOOKER, „What Doest“, 59; M. HORSTMANN, Studien, 101–103; E. KLOSTERMANN, Markusevangelium, 86; M. SMITH, Origin and History, 39; H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 189; J. WELLHAUSEN, Evangelium Marci, 71; D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 114. Dieser exegetische Konsens wird von U.B. MÜLLER [Christologische Absicht, 181] in Zweifel gezogen: Die Himmelsstimme der Verklärungserzählung dürfe allein von daher nicht als Bestätigung des Petrusbekenntnisses gewertet werden, da es in ihr „hört Jesus“ und nicht „hört Petrus“ heiße. Darüber hinaus sei Petrus innerhalb der Verklärungsperikope durch den Erzähler-Tadel in 9,6 „diskreditiert“. Ähnlich auch J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 271: Die christologische Ausdeutung der Verklärungsperikope werde in 9,5f. „gerade ‚auf Kosten des Petrus‘ erreicht“. Zudem sei das Petrusbekenntnis durch das „Schweigegebot relativiert“. Dagegen z.B. U. LUZ, Geheimnismotiv, 23: „Verschwiegen werden soll, was wahr ist, nicht, was noch nicht vollgültig ist.“ Obgleich nicht die Rede davon sein kann, die Verklärungsperikope exklusiv als Bestätigung des Petrusbekenntnisses zu werten, ist Skepsis gegen die Argumentation bei Müller angebracht: Die darin aufgestellte Alternative („hört Jesus“ – „hört Petrus“) ist unzulässig. Ohne deckungsgleich zu sein, gibt es im MkEv deutliche Tendenzen, die christologischen Hoheitstitel ETKUVQL und WKBQL SGQW einander anzugleichen. Vgl. dazu G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 240; M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 45. Ferner A. BEDENBENDER , „Messiasgeheimnis“ im MkEv, 23. Dann arbeitet das Petrusbekenntnis der göttlichen Prädikation in 9,7 zu. Das Unverständnismotiv in 9,5f. hat eine „rezeptionsästhetische“ Zielsetzung, insofern es einer Fehlinterpretation der Transfiguratio wehrt. Wertvoll bleibt jedoch die Erkenntnis Müllers, die Dimension des Leidens, die beim Petrusbekenntnis systematisch ausgeklammert wird, in der markinischen Verklärungsperikope mitzubedenken, worauf m.E. die im MkEv mit der Leidensthematik konnotierte Erzählfigur Elija einen deutlichen Hinweis gibt. Im vierten Kapitel dieser Studie wird von daher der Versuch gemacht, das angesichts der in Mk 9,2–8 durchgängig vorliegenden Sinai-/ Mosetypologie überraschende Auftreten des Elija in einen kausalen Zusammenhang mit dem markinischen Interesse an dieser Erzählfigur zu bringen. 11 Maßgeblich hier war J. W ELLHAUSEN, Evangelium Marci, 71: „Die Vorschiebung der Verklärung, d.h. der Auferstehung an diese Stelle läßt sich sehr gut begreifen und charakterisirt [sic!] das ganze herrliche Stück …“. Die Gleichsetzung von „Verklärung“ und „Auferstehung“ wird von Wellhausen postuliert, ohne im Geringsten begründet zu werden. Wellhausen schweigt darüber, mit welcher theologischen Absicht eine solche Rückprojektion einer Ostergeschichte in die Vita Jesu erfolgt sein könnte, zu der es keine Analogie gibt. So auch die Anfrage bei M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 185. Gleichwohl wirkte Wellhausen für große Teile der späteren Forschung richtungsweisend. Vgl. nur R. B ULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 278f.; E. KLOSTERMANN, HNT-Mk, 86; R. P ESCH, HThK-Mk II, 69; W. SCHMITHALS, ÖTBK-Mk II, 399f.; Ph. VIELHAUER, Weg, 67; G. W OHLENBERG, Evangelium des Markus, 241. Massiv dagegen bereits A. V. HARNACK, Verklärungsgeschichte Jesu, 111f. Die Ablehnung der von Wellhausen eröffneten Forschungslinie ist inzwischen Allgemeingut der meisten neueren
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
schichte13, als christlich gedeutete Laubhüttenerzählung14, als messianische Inthronisation15, all diese Versuche vermögen es, einzelne Aspekte der Erzählung glaubwürdig zu erklären, sie scheitern jedoch in ihrem Anspruch, diese Perikope als Ganze erschließen zu wollen. In dem Maße wie die Verklärungsperikope eine markinische Schlüsselperikope „in der Spannung von vorösterlicher Verborgenheit, Mißverständlichkeit und geforderte[r] Verschwiegenheit einerseits und der nicht zu verbergenden Offenbarung der messianischen Würde Jesu … andererseits“16 ist, widersetzt sich diese faszinierende Erzählung dem einfachen Zugriff.17 Ein solcher wird Interpretationen von Mk 9,2–8. Vgl. nur E. BEST, Transfiguration, 207; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 155; J. ROLOFF, Markusevangelium, 89f.; Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 208f. Repräsentativ hierzu ist z.B. A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 95: „Die Unterschiede zu den Erscheinungserzählungen sind zu groß, als daß eine vordatierte Ostererzählung vorliegen könnte.“ Der regelmäßig vorgetragene Hinweis auf die Bezeugung von NGWMC bzw. NGWMJP exklusiv in Mk 9,3/16,5 kann die Beweislast nicht tragen. Besonders schwerwiegend ist das plötzliche Erscheinen des Elija und Mose, das in einer Osterperikope keinen genuinen Platz hat. Selbst bei Annahme des m.E. unwahrscheinlichen Falls, dass ihr Erscheinen auf Entrückungsphantasien des Elija und Mose rekurrieren könnte, ist ihr Erscheinen in einer Ostergeschichte nicht erklärbar, da so die Auferstehung kein verbindendes, sondern ein trennendes Glied wäre. Zur gründlichen Auseinandersetzung mit der These von Mk 9,2–8 als einer vordatierten Osterperikope vgl. die Ausführungen von R.H STEIN: Is the Transfiguration (Mark 9,2–8) a Misplaced Resurrection-Account? In: JBL 95 (1976), 79–96. Ferner R.-J. MILLER, Historicizing the Trans-historical, 240–244. Eine Bestreitung der Perikope Mk 9,2–8 im Sinne einer deplatzierten Ostergeschichte widerspricht selbstverständlich nicht der nachösterlichen Perspektive, in der allein die Verklärungsnarratio möglich ist. 12 H.C. KEE, Transfiguration, 149f. 13 Vgl. für viele R.E. OTTO, Fear Motivation, passim. 14 So der Duktus der Argumentation im Jesus-Buch von Papst BENEDIKT XVI./Joseph RATZINGER [vgl. Bd. 1, S. 353–365] im Anschluss an J.-M. VAN CANGH und Michel VAN ESBROECK: La primauté de Pierre (Mt 16,16–19) et son contexte judaïque. In: Revue théologique de Louvain 11 (1980), 310–324. Papst Benedikt XVI./Joseph Ratzinger plädiert somit für die Lektüre der Transfigurationserzählung im Zusammenhang des jüdischen Festkalenders und entscheidet sich gegen die Annahme einer Ex 24/34-Topologie im Hintergrund von Mk 9,2–8 parr., ohne diese jedoch vollauf auszuschließen. 15 Vgl. U.B. MÜLLER, Christologische Absicht, 185–190. 16 Mit K. SCHOLTISSEK, Von Galiläa nach Jerusalem, 75f. mit Anm. 48. 17 Vgl. für viele z.B. S.S. LEE, Jesus’ Transfiguration, 2. Der Begriff „Schlüsselperikope“ erscheint mir insofern berechtigt, als die christologisch hochverdichtete Verklärungsperikope durch die redaktionelle Tätigkeit des Evangelisten mit der Aussage von Mk 9,9 – dem locus classicus der Wrede’schen Messiasgeheimnistheorie – verknüpft worden ist. Beide Texte entstammen mit hoher Wahrscheinlichkeit unterschiedlichen Traditionen. Die vorliegende Arbeit geht somit einen anderen Weg, als er in der Studie von D.S. DU TOIT [Abwesender Herr, 342] vorgeschlagen worden ist, wonach Mk 9,9 integraler Bestandteil der Verklärungsperikope sei. Zwar ist es richtig, dass V.9 (Bergabstieg: MCK MCVCDCKPQPVYPCWXVYP GXM VQW QTQWL) eine gewisse Parallelität mit V.2 (Bergaufstieg: MCK CXPCHGTGKCWXVQWLGKXLQTQLWB[JNQP ) aufweist, gleichwohl indiziert m.E. das
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durch die Vielschichtigkeit, durch die sich die in Mk 9,2–8 vorliegende Perikope auszeichnet, ausgeschlossen.18 Weder im alttestamentlichen, jüdisch-hellenistischen noch paganen Bereich lässt sich ein Text finden, der in seiner Vielschichtigkeit mit Mk 9,2–8 vergleichbar wäre. Diese Erkenntnis befreit den Exegeten selbstredend nicht von der Verpflichtung, nach Texten und in diesen begegnenden Motiven zu suchen, auf denen aufbauend eine Erzählung wie 9,2–8 möglich geworden ist. Mit der Tatsache, dass uns in Mk 9,2–8 ein Erzähltext19 vorliegt, der durch die integrative Leistung des exzellenten Erzählers und Theologen Markus20 im Anfangsbereich des Mittelteils des Evangeliums platziert worden ist, dürfte ein Teil der von der Exegese beklagten Rätselhaftigkeit zusammenhängen. Es gilt zu erkennen, dass die Christologie hier nicht im Modus begrifflicher Distinktion, sondern im Modus der Erzählung präsentiert wird, de-
in V.8 platzierte Aphanismos-Motiv den Abschluss der Verklärung, worauf auch die anaphorische Wendung C? GK FQP in V.9 hinweist, die auf das zurückliegende Geschehen als ein vergangenes zurückblickt. Zudem gelingt es du Toit nicht überzeugend, den konkreten Abschluss der Transfiguration zu benennen, wenn er ausführt, dass V.10 „offenkundig noch eng mit VV. 2–9 zusammen“-hängt, der Subjektwechsel in V.10 (Jesus ĺ Jünger) aber einen neuen „Erzählgang“ indiziere. Vgl. a.a.O., 342. Ich erkenne in der Abfolge der Perikopen 9,2–8; 9,9f. und 9,11–13 die redaktionell-kompositorische Hand des Mk-Evangelisten, mit der er Stoffe aus unterschiedlichen Überlieferungen narrativ überzeugend komponiert hat. Vgl. dazu auch die Überlegungen in Kapitel 2 (1.) dieser Studie. Die Verklärungsperikope und ihr unmittelbares kontextuelles Umfeld sind ein Musterbeispiel sowohl markinischer Christologie als auch seiner Geheimnistheorie, da zentrale christologische Aussagen vorgelegt und bis zur endgültigen Epiphanie am Kreuz hinter der Schweigeverpflichtung der Jünger verborgen werden. Vgl. dazu z.B. U. B ECKER, Elia, Mose und Jesus, 5. Erst das Bekenntnis von 15,39 bleibt – bei aller Problematik der eigentlichen Aussage – unkorrigiert und unverborgen stehen. 18 Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 340. 19 Darunter verstehe ich grundlegend, dass eine erzählerische Instanz in einem verbalen Diskurs stehend eine Sequenz von Ereignissen mitteilt, die als solche temporal, kausal oder allgemein sachlogisch angeordnet sind. Vgl. dazu D.S. DU T OIT [Abwesender Herr, 8f.] mit Verweis auf N.R. PETERSEN, Literary Criticism, 49. Dabei ist stets von einer aktiven Rolle des Rezipienten im Erzählvorgang auszugehen, da er einen großen Anteil an der Sinnkonstitution des Textes hat, wobei das Alltagswissen des Hörers/Lesers im Hinblick auf die Sinnkonstitution des Textes eine wesentliche Rolle spielt. Vgl. zur Bedeutung des enzyklopädischen Wissens im Lektüreprozess die Ausführungen bei S. PELLEGRINI, Elija, 97–118. Das MkEv ist dabei als nicht-fiktionaler Erzähltext konzipiert. Vgl. dazu C. BREYTENBACH, Nachfolge, 84. Ferner M. REISER, Stellung der Evangelien, 15f.; D.S. DU TOIT, a.a.O., 14f. Die angesprochene, durchaus zu befürwortende These der „Nicht-Fiktionalität“ des MkEv entscheidet m.E. jedoch nicht über konstruktive, fiktionale Elemente einzelner Perikopen, über die im Einzelnen gesondert zu entscheiden ist. Dies ist gerade im Hinblick auf die in Mk 9,2–8 vorliegende christologische Legitimationserzählung besonders zu betonen. 20 Vgl. für viele K. SCHOLTISSEK, Von Galiläa nach Jerusalem, 59.
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ren Kennzeichen eine metaphorische, sich durch Spannung, Anschaulichkeit und Lebendigkeit auszeichnende Rede ist. Diese grundsätzliche Schwierigkeit wird durch die Komplexität des Textes an sich, der eine Vielzahl intra- und intertextueller Bezüge sowie religions- und motivgeschichtlicher Berührungen aufweist, die sich als solche einer einfachen Dekodierung des Textes entgegenstellen, nochmals verstärkt.21 So nimmt es kein Wunder, dass moderne Ausleger nach knapp 2000 Jahren Auslegungsgeschichte die Erzählung von der Verklärung Jesu auf dem Berg als großes Rätsel der neutestamentlichen Wissenschaft bezeichnen.22 Dabei wird über die Basiskoordinaten der Exegese der Verklärungserzählung noch vergleichsweise leicht Einigkeit zu erzielen sein: Die Verklärungsperikope bietet auf engem Raum eine hohe Christologie in narrativer Form. Sie fungiert als der zeitlich befristete Durchblick in die seit der RPGWOCBegabung in der Taufe in Jesus gegenwärtige Transzendenz.23 Sie ist vom Erzählduktus auf die Sohnesprädikation in V.7 hin konstruiert24, mit der sie zusammen eine Sohneschristologie vorlegt, „die alle Messiasprädikate übersteigt“.25 Der Sohn Gottes wird nicht nur offenbart, er wird in der ihm eigenen FQZCepiphan, wobei in der Epiphanie des Gottessohnes zugleich zwei der bedeutendsten Würdenträger Israels überboten werden.26 Damit überragt die Verklärungserzählung die ihr verwandte 21
Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 340. So z.B. M. ÖHLER, Verklärung, 197. Ferner D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 339; S. PELLEGRINI [Elija, 290 mit Anm. 2]: „Die Verklärungsperikope bietet die schwierigste crux interpretum der mk Exegese.“ Mit Recht verweist Pellegrini auf die diversen symbolischen Erzählelemente („die sechs Tage, die Zelte, Elija und Mose, den Berg, die Wolke, die Stimme in 9,7“), die der Fachexegese immense Probleme bereiten. Ähnlich bereits H. BALTENSWEILER, Verklärung Jesu, 9f.; P. Dabeck, „Siehe, es erschienen“, 175; S. PEDERSEN, Proklamation Jesu, 241 Anm. 1; W. W INK, Mark 9:2–8, 63. J.C. P OIRIER [Transfiguration, 517] bezeichnet die Verklärungserzählung als „one of the most misunderstood“ Perikopen der Evangelientradition. Die Einschätzung von G.B. CAIRD „The Transfiguration is at once the commentator’s paradise and his despair“ [vgl. Transfiguration, 291] erfreut sich regelmäßiger Zitation. Vgl. z.B. auch T.L. DONALDSON, Jesus on the Mountain, 136; A.A. T RITES, Transfiguration of Jesus, 67. 23 Treffend bei G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 243. 24 Deutlich gesehen bereits von E. LOHMEYER, Verklärung Jesu, z.B. 186f.199. 25 Mit H. SCHÜRMANN, HThK-Lk I, 553. Vgl. auch T.L. DONALDSON, Jesus on the Mountain, 148. Seit etwa dem Beginn der 1980er-Jahre hat sich – im Zusammenhang der Aufwertung des MkEv als Erzähltext – die Position durchzusetzen begonnen, dass die christologische Konzeption dieses Werkes „nur im Zusammenhang mit seiner Erzählkonzeption hinreichend beschrieben werden kann“. Mit D.S. DU TOIT, Prolepsis als Prophetie, 165. Die hohe Qualität der markinischen Verklärungsperikope als Erzähltext bietet in Verbindung mit der auf der Spitze der Perikope platzierten Sohn-Gottes-Prädikation der narrativ-orientierten Mk-Exegese ein reiches Betätigungsfeld. 26 Vgl. für viele D.S. DU T OIT, „Gesalbter Gottessohn“, 41f.; DERS., Abwesender Herr, 73 Anm. 21. 22
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Taufperikope und verweist auf das Centuriobekenntnis in 15,39, das als die entscheidende christologische disclosure gelten darf, insofern es nicht korrigiert und hinter einem Schweigegebot verborgen wird.27 Diesem exegetischen Konsens stehen nun massive Interpretationsprobleme zur Seite. Tatsächlich fasziniert und befremdet diese nur in der synoptischen Tradition zu findende Perikope28 den Leser und den Ausleger, denn in dem Augenblick, in dem er nach Erklärungen für die vielen verarbeiteten Motive sucht, entzieht sich diese Perikope in ein schwer zugängliches Geheimnis. Treffend formuliert J. Ernst zu diesem Sachverhalt: „Vielleicht ist gerade dies der Grund für die besondere Ausstrahlungskraft der Perikope.“29 In gewisser Weise fühlt sich der Leser an die augustinischen Überlegungen zur Zeit erinnert, die jedem selbstverständlich erscheint, die aber ebenso jeden überfordert, der versucht, sie zu erklären. Nicht anders wird die Einschätzung im Hinblick auf den Stil der Erzählung ausfallen. Hier verbindet sich hohe Christologie mit einem durch höchste Einfachheit und Sachlichkeit geprägten Erzählstil.30 Doch leidet an der – der Verklärungsgeschichte innewohnenden – Spannung bisweilen nicht nur der Fachexeget, der nach geeigneten Erklärungsansätzen Ausschau hält und diese glaubwürdig zu begründen hat, sondern ebenso jeder kritische Leser, der sich einerseits der geschichtlichen Problematik (sowie der Gefahr für die Botschaft von der Inkarnation des Gottessohnes) bewusst ist, der sich aber andererseits kaum der Schönheit und Faszination dieser Perikope entziehen kann.31 An dieser Perikope durchleiden Forscher 27 In diesem Sinne hat der Vorschlag von A.A. TRITES [Transfiguration of Jesus, passim.] eine gewisse Berechtigung, von der Verklärungsperikope als „gospel in microcosm“ zu sprechen. 28 G. SELLIN [Leben des Gottessohnes, 240] bezeichnet die Verklärungsperikope als johanneisch anmutend, ohne jedoch seine Position auszuführen. Wahrscheinlich rekurriert diese Einschätzung auf die sachliche Berührung des in Mk 9,2c passivisch gebrauchten Verbs OGVCOQTHQWUSCKmit dem johanneischen FQZCUSJPCKseitens des Vaters (vgl. Joh 7,39; 8,54; 12,28; 13,31; 16,14; 17,1). 29 So J. ERNST, Mk-theologisches Portrait, 54. 30 Ob der Stil als „lapidar“ treffend umschrieben ist [so D. DOMBROWSKI, Göttliches und Menschliches, 20], sei dahingestellt. Richtig ist in jedem Fall, dass der narrative Duktus der Verklärungsperikope in Mk 9,2–8 einer weiteren „erzählerischen Ausbreitung“ tatsächlich „einen Riegel“ vorschiebt. Die Verklärungserzählung ist streng im Hinblick auf die entscheidende christologische disclosure in Mk 9,7 hin konstruiert. Anstelle einer Rede hinsichtlich eines etwaigen „lapidaren Stils“ sollte vielmehr auf die auffallende hohe Erzählökonomie der Perikope hingewiesen werden, mit der ein hohes Maß an biblischen Bezügen mittels einer einfachen, jedoch zielgerichteten Verwendung von rhetorischen, semantischen und stilistischen Mitteln narrativ ansprechend vorgelegt wird. Überzeugend – besonders im Hinblick auf die Erzählökonomie der Verklärungsperikope – ist die grundsätzliche Einschätzung von M. REISER [Stellung der Evangelien, 22], wonach das MkEv einen „lebhaft-volkstümlichen Stil voller Energie“ aufweise. 31 Vgl. z.B. F. B OVON, EKK-Lk I, 492f.
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wie engagierte Leser jene Einsicht, mit der A. Schweitzer im Jahre 1906 seine monumentale „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung“ beendet: Es ist „gut, daß der historische Jesus den modernen stürzt, sich wider den modernen Geist erhebt und auch uns nicht den Frieden sendet, sondern das Schwert. Er ist nicht ein Lehrer und Grübler, sondern ein Gebieter und Herrscher.“32 Die Verklärungsperikope mit dem autoritativen göttlichen Imperativ CXMQWGVG CWXVQW (V.7) ist wie kein zweiter markinischer Text Ausdruck dieser von Schweitzer festgestellten gebietenden Herrschaft Jesu, wobei im Hinblick auf das MkEv gegen die von Schweitzer aufgestellte Alternative zu konstatieren ist, dass im Makrotext der Begriff FKFCUMCNQL durchaus „der besonderen, hervorhebenden Charakterisierung Jesu“ dient33, womit die Bezeichnung Jesu als TBCDDK (9,5) in einer engen Korrespondenz steht. Wenn der Verfasser in Mk 9,2–8 Jesus neben Elija und Mose, die großen Lehrer der Vergangenheit, platziert und diese zudem in 9,7 durch die göttliche Autorität deutlich überbieten lässt, so spricht er Jesus einen „einzigartigen … eschatologisch neuen Rang“ zu, wie bereits im Chorschluss in 1,27 angedeutet worden ist.34 1.2 Vorhaben und Zielsetzung der Studie Die Einschätzung H. Schürmanns zum Abschluss der Analyse des lukanischen Parallel-„berichts“ der Verklärungserzählung in HThK-Lk I weist auch 40 Jahre nach ihrer Niederschrift eine erstaunliche Aktualität auf: „Die ‚literarische Art‘ der Erzählung, die in ihr verwandten – und in den verschiedenen Traditionen sich wandelnden – Weisen des Denkens, Sprechens und Erzählens sind keineswegs genügend erforscht, um mit verläßlichem Urteil Geschehnis und Aussageweise im einzelnen sondieren zu können.“35 Nicht viel anders fällt das Urteil in dem genau 20 Jahre später erschienenen Lk-Kommentar F. Bovons (EKK-LK I) aus: „Leider fehlt noch eine gründliche Monographie darüber, so daß der Ursprung wie die Gattungen unbestimmt bleiben“.36 Die vorliegende Arbeit kann das damit markierte forschungsgeschichtliche Desiderat sicher nicht vollständig beheben, sie stellt jedoch angesichts der Aktualität dieser Beobachtungen die Frage nach dem geistigen Mutterboden, auf dem eine Erzählung wie Mk 9,2–8 möglich geworden ist. In der vorliegenden Studie wird der Versuch unternommen, die Verklärungserzählung von ihren beiden tragenden Säulen zu erschließen. Zu nennen sind hier das eigentliche Verklärungsmotiv in Mk 9,2c, das in 9,3 A. SCHWEITZER, Von Reimarus zu Wrede, 401. Mit M. KARRER, Lehrender Jesus, 5. 34 Vgl. zu diesem Gedanken M. KARRER, a.a.O., 13. 35 Vgl. H. SCHÜRMANN, HThK-Lk I, 567. 36 Vgl. F. B OVON, EKK-Lk I, 491. 32 33
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illustrativ-narrativ entfaltet wird und das sich im mikrokontextuellen Umfeld in auffälliger Weise mit zahlreichen der Sinai-Epiphanie entlehnten Motiven verbindet, sowie das Zusammensein Jesu mit den beiden biblischen Prominenten (9,4), das kontextuell ebenso überraschend wie traditionsgeschichtlich einmalig ist. Auf beiden Erzählelementen scheint – wie in der Einzelversanalyse im 2. Kapitel wahrscheinlich gemacht werden soll – eine narrative Emphase zu liegen, die für die Deutung der Gesamterzählung von hohem Interesse sein dürfte. Dagegen scheint es – wie in der Detailanalyse von Mk 9,5 näher zu begründen sein wird – nicht angeraten, das UMJPJ-Motiv zum Ausgangspunkt der Analyse der Verklärungsperikope zu erklären, insofern der Erzählfokus nicht auf dem Zeltmotiv an sich liegt, sondern auf der Dreizahl, mit der über den Weg des Erzählerkommentars (9,6) und der göttlichen Korrektur (9,7) des petrinischen Ansinnens (9,5) eine theologische Äquivalenz der drei auf dem Berg befindlichen Personen in Abrede gestellt wird. Die Studie beschränkt sich aus methodischen Gründen auf die markinische Verklärungsperikope. Diese Beschränkung erscheint vom Frageinteresse und angesichts der als Konsens geltenden markinischen Priorität sinnvoll und notwendig.37 Ein synoptischer Vergleich wird im Folgenden nur dann bemüht, sofern er zum Verständnis der markinischen Fassung dienlich ist. Da der Schwerpunkt des Erkenntnisinteresses dieser Studie im theologisch-motivlichen Hintergrund der in der Verklärungsperikope zutage tretenden Christologie liegt, steht die markinische Variante der Erzählung vom Ansatz her im Fokus des exegetischen Interesses, ist doch von der begründeten Vermutung auszugehen, dass der theologische Wurzelgrund hier noch am deutlichsten greifbar ist.38 Wichtiger als die Analyse der synoptischen Seitenreferenten ist hinsichtlich des Frageinteresses der Studie der motiv- und theologiegeschichtliche Vergleich mit dem „MoseMidrasch“ in 2 Kor 3, in dem prima facie ähnliche Traditionen Eingang in das Neue Testament gefunden haben. Hier wie dort finden sich Spuren 37
Eine erneute Diskussion der Priorität der markinischen Fassung ist m.E. nicht notwendig. Die sicher auffälligen minor agreements sind erklärbar und eignen sich kaum zur Eruierung einer Vorform der Verklärungserzählung bzw. einer deuteromarkinischen Fassung. Vgl. das Plädoyer für die Mk-Priorität bei A. V ÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 80f.; D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 109. Die von F. FENDLER [Studien, 180–184] vorgelegten Anfragen an den Ansatz Ch. N IEMANDs [Studien, passim.], mittels der minor agreements eine deuteromarkinische Fassung herauszuarbeiten, sind überzeugend. Mk 9,2–8 liegt Mt 17,1–8[9] und Lk 9,28–36 zugrunde. Der von H. SCHÜRMANN [HThK-Lk I, 563f.] und F. NEIRYNCK [Minor Agreements, passim.] vorgelegte Nachweis der Abhängigkeit der Lukasversion von Mk 9,2–8 ist von A.A. T RITES [Transfiguration in the Theology of Luke, 74–81] und J.A. FITZMYER [Gospel according to Luke, 792] bestätigt worden. 38 Vgl. für viele A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 80.
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neutestamentlichen Verwandlungsdenkens, das im Paulustext ekklesiologisch und im Markustext christologisch aktualisiert wird. Von daher wird das 3. Kapitel dem Verwandlungsmotiv in seiner ganzen Ambiguität gewidmet sein, wobei nach Analogien im Verwandlungsdenken des AT und der übrigen jüdischen, insbesondere aus dem hellenistischen Bereich uns überlieferten Literatur zu fragen sein wird. Kritisch zu beleuchten ist die traditions- und motivkritische Separierung des eigentlichen Verwandlungsmotivs, wie sie uns in den Ansätzen des (frühen) E. Lohmeyer und bei F. Hahn begegnet.39 Das 4. Kapitel ist der Frage nach der in Mk 9,4f. vorliegenden – aus Elija und Mose bestehenden – Figurenkonstellation gewidmet. Angesichts der Häufung der Erwähnung des Elija im unmittelbaren Textumfeld der Verklärungsperikope, die auf ein herausragendes Interesse des Mk-Evangelisten an der Gestalt des Elija schließen lässt, ist die Frage zu stellen, was dieses markinische Interesse für die Deutung der Verklärungsperikope austrägt, in der Elija eine hervorgehobene Position genießt, in der er jedoch ausgehend von der m.E. kaum zu leugnenden Exodus- und Mosetypologie in gewisser Weise ein „Fremdkörper“ bleibt. Dem Forschungsanliegen der Kapitel 3 und 4 arbeitet die Einzelversanalyse in Kapitel 2 zu, in der ausgehend von einer exegetischen Detailarbeit die Leitlinien für die interpretatorische Behandlung des Verklärungsmotivs an sich sowie des markinischen Interesses an der Gestalt des Elija zu entwerfen sind. In der Erschließung des Problemhorizontes dieser Studie ist auf die Fülle der vorliegenden Literatur zur Verklärungsperikope hingewiesen worden, die zugleich eine Anfrage an die Legitimation einer weiteren Veröffentlichung macht. Im deutschsprachigen Forschungsraum ist dabei insbesondere die Monographie von J.M. Nützel aus dem Jahre 1973 zu nennen, die ausdrücklich der markinischen Variante der Verklärungsperikope gewidmet ist. Die Arbeit Nützels entstand in einer aus heutiger Sicht völlig anderen Forschungslandschaft, insofern sie am Optimismus der 1960erund 70er-Jahre partizipiert, mithilfe der Redaktionskritik Tradition und Redaktion recht exakt voneinander abheben zu können. Der Durchgang durch die Krise der Mk-Forschung der 80er-Jahre40 und der sich anschließende Neuaufbruch durch die Hinzunahme neuerer Fragestellungen und analytischer Verfahren, von denen insbesondere die narratologischen
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Vgl. das Referat der entsprechenden Positionen in Kapitel 3 (2.) dieser Studie. Insbesondere hervorgerufen durch die zeitnahe Herausgabe maßgeblicher MarkusKommentare von J. GNILKA (1978/79); R. P ESCH (1976/77) und W. SCHMITHALS (1979). Vgl. dazu U. LUZ, Markusforschung, passim. Ferner D. LÜHRMANN, Markusevangelium als Erzählung, 213. 40
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Ansätze zusammen mit der Inblicknahme des Lesers zu nennen sind41, machen eine neuere Studie zur Thematik sinnvoll. Die aktuelle Mk-Forschung ist ungleich skeptischer im Hinblick auf die Möglichkeit einer exakten Trennung von Tradition und Redaktion.42 Der Schwerpunkt dieser Arbeit verschiebt sich somit von der dezidiert redaktionsgeschichtlichen Fragestellung hin zur motiv-, traditions- und religionsgeschichtlich ambitionierten Frage nach den unserem Verfasser vorliegenden theologischen Vorstellungen, was bei Nützel weitestgehend ein Desiderat darstellt. Somit wird in dieser Studie die Frage von besonderer Wichtigkeit sein, inwieweit im Neuen Testament und seinem religiösen Umfeld vergleichbare Traditionen vorliegen, die zur Erhellung der markinischen Verklärungsperikope herangezogen werden können. Von besonderem Interesse ist die Rezeption der Moseerzählung aus Ex 24 und 34 bei Philo von Alexandrien, die der jüdische Philosoph in VitMos II 66–76 und Quaest in Ex II 29 vorgelegt hat. Die vorliegende Arbeit geht davon aus, dass die Verklärungsperikope dem Verfasser des Evangeliums in wesentlichen Teilen als Traditionsgut vorlag, von ihm erstmalig verschriftlicht und sprachlich wie sachlich geschickt in den Ablauf seines Evangeliums integriert wurde, sodass dem Mk-Evangelisten das Verdienst zukommt, eine narratio sui generis durch 41
Initialzündend in dieser Hinsicht war der im Jahre 1985 von F. HAHN herausgegebene Sammelband „Der Erzähler des Evangeliums – Methodische Neuansätze in der Markusforschung“, der die literar- und redaktionskritische Verengung in der Markusexegese aufbrach. Darin formuliert N.R. PETERSEN [„Perspektive“, 90] die programmatischen Sätze: „Dennoch hat Markus ein vollständiges Ganzes geschaffen, und daher darf sein Evangelium nicht als ein überarbeitetes Werk gelesen werden. Es muß als Erzählung betrachtet werden. Liest man es als ein überarbeitetes Werk, so hat man einen Redaktor und seine Quellen im Auge, ein äußerst bedenkliches Verfahren“. Vgl. zu diesem Komplex auch E.M. BECKER, Redaktor als ‚Historiograph‘, 121 Anm. 52. Zu narrativen Ansätzen in der Erforschung des MkEv vgl. z.B. die Studien von E.S. M ALBON, Narrative Space (1986); L. SCHENKE, Markusevangelium (1988); B. VAN IERSEL, Markus (1993); R. ZWICK, Montage (1989). Einen interessanten Versuch, das MkEv als eine in narrativer Form vorgelegte „christologische Theologie“ gleichsam im Sinne einer „Theologie von unten her“ (vgl. S.21) zu verstehen, hat neulich die Studie von Chr. ROSE mit dem Titel „Theologie als Erzählung im Markusevangelium. Eine narratologisch-rezeptionsästhetische Untersuchung zu Mk 1,1–15“ vorgelegt. Dieser Studie, die primär dem „Eingangsbereich“ des MkEv in 1,1–15 gewidmet ist, gleichwohl auch die Transfigurationsgeschichte ausführlich in Blick nimmt, verdanke ich wertvolle Einsichten. Dennoch halte ich neben der hier überzeugend vorgelegten „flächigen“ Endtextexegese die diachrone Fragestellung nach den theologischen Wurzeln dieser Überlieferung gerade angesichts von 9,2–8 für unabdingbar. Der Gewinn des erzähltheoretischen Diskurses wäre bei einem konsequenten Verzicht auf Fragen, die die historische Genese des Endtextes des MkEv betreffen, aufgezehrt. 42 M. FRENSCHKOWSKI [Offenbarung und Epiphanie II, 151] spricht gar von einer postredaktionsgeschichtlichen Phase der Mk-Exegese. Vgl. ferner S. H ALL, Synoptic Transfigurations, 43.
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die Integration in sein Evangelium biographisiert zu haben. Die Einzelversanalyse wird zeigen, dass durch eine behutsame redaktionelle Tätigkeit des Verfassers die Erzählung von der Verklärung auf dem Berg gekonnt in den Makrotext integriert und mit den zentralen theologischen Leitlinien des markinischen Opus verbunden worden ist. 1.3 Problematik einer gattungskritischen Einordnung Ähnlich rätselhaft wie der Inhalt der Verklärungsperikope ist auch ihre literarische Form. Was für eine Gattung liegt uns in dieser Erzählung eigentlich vor?43 Dass es sich um eine Erzählung handelt, dass hier in narrativer Form – trotz des Fehlens des eigentlichen Lexems – eine an der FQZC Jesu orientierte Christologie vorgelegt wird, die gleichzeitig durch das kontextuelle Umfeld passionstheologisch eingebunden wird, dürfte nicht zu bestreiten sein.44 Doch ist damit tatsächlich die Gattung des Textes be43 Die Tatsache, dass die Verklärungserzählung nicht ohne Weiteres einer feststehenden Gattung zuzuordnen ist, führt in der Sekundärliteratur zu diversen Erklärungsansätzen. R. P ESCH [HThK-Mk II, 70] subsumiert Mk 9,2–8 unter die Obergattung „Epiphanie“ und führt aus: „Doch sind hier epiphaniale Motive nicht nach vorgeprägtem Erzählmuster einer bekannten Gattung, sondern frei im Blick auf eine eigenständige, durch den Kontext inaugurierte christologische Aussage hin verfugt.“ Der damit implizierten These einer gewollten Motivvermischung (R. PESCH, a.a.O., 71) haben sich J. ERNST [RNT-Mk, 255f.] und H. SCHÜRMANN [HThK-Lk I, 565–567] weitestgehend angeschlossen. J.M. NÜTZEL [Verklärungserzählung, 177f.] konstatiert die Tatsache, dass es in der Verklärungserzählung zu einer Aneinanderreihung unverbundener theologischer Motive komme, und sieht das literarische Genus eines Midrasch gegeben. 44 Der Konnex einer theologia crucis und theologia gloriae in der Abfolge der Perikopen 8,27–9,1 und 9,2–13 findet in der Sekundärliteratur häufige Erwähnung. Vgl. für viele z.B. Chr. HOLLINGSHURST, Transfiguration, 109. Die markinische Tendenz zum Ausgleich zwischen divergierenden Traditionen wird in der Markusexegese zunehmend gesehen, sie ist im mikrokontextuellen Umfeld der Verklärungsperikope deutlich zu greifen. Die integrativ-ausgleichende Tendenz des MkEv allgemein wird in einem interessanten Ansatz G. T HEIßENs [Evangelienschreibung, 393] in Richtung einer „kirchenpolitischen“ Einflussnahme seitens des Evangelisten als eines Gemeindeleiters ausgearbeitet. Die vorgelegte „sozialgeschichtliche Betrachtungsweise der Evangelien“ ist bei Theißen als Synthese der form- und redaktionsgeschichtlichen Betrachtungsweise der Evangelienforschung konzipiert und fragt nach dem „Ausdruck einer Interaktion zwischen Evangelisten und Gemeinde“ (vgl. a.a.O., 390). Der Ansatz Theißens ist für die Exegese der Verklärungsperikope von daher von Interesse, da die Platzierung des mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einer eigenständigen Überlieferung rezipierten Transfigurationsstoffes in der Mitte des Makrotextes am Beginn des Weges zur Passion in Jerusalem rezeptionsleitend zu verstehen ist: Die QBFQLJesu zum Kreuz ist von 9,2–8 an mit dem hier gewonnenen christologischen Wissen zu rezipieren. Dabei ist sowohl auf das Bestreben des Mk-Evangelisten zu verweisen, makrotextuell Verklärungs- und Sterbeszene miteinander zu verknüpfen (vgl. 9,7; 15,39), als auch eine Theologie der Hoffnung vorzulegen, wie im weiteren Verlauf detailliert aufzuweisen ist.
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reits vollauf bestimmt, zumal es grundsätzlich zu bezweifeln ist, dass die Einordnung eines Textes als Erzähltext im Sinne einer Gattungsangabe überzeugend ist? Ebenso wird Einigkeit darüber zu erzielen sein, dass in der Transfigurationsperikope eine christologische Legitimationserzählung vorliegt45, die als solche Ausdruck der hohen Christologie ist, die das MkEv vertritt.46 Dazu einige Beobachtungen: Zur narrativen Vorbereitung des Kulminationspunktes der markinischen Verklärungsperikope, den ich in der Prädikation Jesu als WKBQLSGQW in Mk 9,7 in Verbindung mit dem – Dtn 18,15 LXX literarisch verarbeitenden – göttlichen Imperativ CXMQWGVG CWXVQW im Teilvers 7d erkenne, dient die Unterhaltung Jesu mit zwei himmlischen Besuchern – Elija und Mose –, deren Gesprächsobjekt jedoch ein Desiderat (diff. Lk 9,31) bleibt. Das Fehlen der Angabe eines Gesprächsobjekts fokussiert die Tatsache des Gesprächs an sich: Dass es stattgefunden hat, allein ist wichtig. Für den Sachverhalt, dass eine Unterhaltung mit hohen Autoritäten der Vergangenheit als „vorzüglicher Legitimationserweis“ gilt, vgl. die im „Religionsgeschichtlichen Textbuch zum Neuen Testament“ von K. Berger und C. Colpe (Hrsg.) angeführte anonyme achmimische Apokalypse (Sophonias-Apk) bei 45
Vgl. D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 156. In diese Richtung argumentiert auch J. DE[Gottessohn, 259]: „… die Identität“ Jesu werde „nicht einfach nur ausgesagt, sondern nahegebracht und zu begründen versucht“. Ferner M.D. HOOKER, „What Doest“, 59; C.D. SMITH, Theology and Christology, 60. Von einer Legitimation spricht auch U.B. MÜLLER [Christologische Absicht, 175], wenngleich mit einer m.E. wenig überzeugenden Eingrenzung der Legitimation exklusiv auf die Leidenslehre Jesu. Als christologische Legitimationserzählung ist sie selbstredend zugleich eine christologische Offenbarungserzählung, wie von W.L. LIEFELD [Transfiguration Narrative, 178] betont wird. Von einer „Legitimation Jesu durch seine Entrückung in die himmlische Welt“ – so D. LÜHRMANN, a.a.O. – sollte man angesichts des narrativen Gefälles in Mk 9,2–8 jedoch nicht sprechen. Mit J.P. HEIL, Transfiguration, 78. Vgl. dazu auch die berechtigte Kritik an Lührmann bei S. P ELLEGRINI, Elija, 315: „Nicht Jesus wird in das ‚Himmlische‘ aufgenommen, sondern das sogenannte ‚Himmlische‘ (besser gesagt die FQZC) erscheint höchstens in ihm und durch ihn.“ Dem MkEv zufolge handelt es sich um eine Legitimation Jesu mittels eines „Einbruchs“ der himmlischen Welt in die irdische Wirklichkeit, wobei dem QTQL die Aufgabe zukommt, zwischen beiden Wirklichkeitsbereichen gleichsam zu vermitteln. Unglaubwürdig ist die Kategorie „Inthronisation“, die J. GNILKA [EKK-Mk II, 35f.] zur Beschreibung der Sinnspitze der Verklärungserzählung eingeführt hat. So findet sich weder königliche Symbolik, noch ist die Erzählung daraufhin angelegt, Jesus in einen ihm bis dahin nicht zukommenden Stand zu versetzen. Im Gegenteil: Die Verklärungsperikope ist die Bestätigung derjenigen Würde, die Jesus seit seiner Geistbegabung in der Taufe zukommt. Vgl. z.B. C.E. CARLSTON, Transfiguration, 234: „it shows in all its details who Jesus is“. 46 Vgl. H.-Chr. KAMMLER, Verständnis der Passion, 489. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Verklärungsgeschichte auf eine Legitimation Jesu, nicht aber auf die der Jünger hinausläuft. Dagegen stellen D. WENHAM ; A.D.A. MOSES [„There are some standing here“, 151] die Verklärung funktional den Erscheinungen des Auferstandenen an die Seite und erkennen in der Transfigurationsgeschichte eine Legitimationserzählung der drei zu Beginn genannten Jünger. Dabei verkennen sie jedoch die Erzähldynamik der Perikope, die spätestens in V.7 auf eine Legitimation Jesu, nicht jedoch der Jünger hinausläuft. Vgl. zur Kritik an diesem Ansatz D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 306. CHOW,
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
Steindorff, Die Apokalypse des Elias, p. 59 Kap. XIV: Der Seher erhält vom Engel die Offenbarung, dass sein Name im Buch der Lebendigen eingetragen ist. Der Versuch des Visionärs, den Offenbarungsengel zu küssen, scheitert an dessen übergroßer Herrlichkeit. Sodann heißt es: „Er lief nun zu allen Gerechten, welches Abraham ist und Isaak und Jakob und Henoch und Elias und David. Er unterhielt sich mit ihnen wie ein Freund mit einem Freunde, indem sie sich miteinander unterhielten.“ 47 Der in der Unterhaltung Jesu mit den himmlischen Besuchern vorliegende Legitimationserweis wird in Mk 9,4 durch einen recht auffälligen Anklang an Ex 34,35 flankiert. Der intertextuelle Vergleich ergibt, dass Jesus im Gespräch mit den Himmlischen die Position einnimmt, die Gott im Gespräch mit Mose auf dem Sinai innehatte.
Die Verklärung Jesu dient dazu, intradiegetisch48 den zu Verklärungs„Zeugen“ bestellten Jüngern, extradiegetisch den Rezipienten mittels einer vorübergehenden Metamorphose „die Identität des Messias-Menschen-
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Vgl. dazu K. B ERGER; C. COLPE, Religionsgeschichtliches Textbuch, 60. Eine weitere terminologische Vorverständigung: Die in dieser Studie benutzten Termini intradiegetisch bzw. extradiegetisch (ferner homodiegetisch; heterodiegetisch; metadiegetisch) lehnen sich an die von G. GENETTE [Die Erzählung, passim.] in die Erzählforschung eingebrachten Begriffe an. Dabei ist zunächst der Erzähler im Blick des Interesses, der im MkEv bekanntlich als auktorial zu bezeichnen ist. Vgl. nur N.R. PETERSEN, „Perspektive“, 78. Mit dem Erzähler hängt die Perspektive der zu erzählenden Geschichte integral zusammen: Dabei kann (1.) der Erzähler eine Hauptfigur der Handlung sein und als solche die Geschichte erzählen (homodiegetisch). Er kann (2.) als Nebenfigur innerhalb der Geschichte vorkommen und als solche die Geschichte des Haupthelden erzählen. Sodann kann der Erzähler (3.) keine Figur der zu erzählenden Geschichte sein und in heterodiegetischer Manier als allwissender Erzähler der Geschichte fungieren. Der Erzähler kann (4.) als distanzierter bzw. außenstehender Autor die Geschichte erzählen. Vgl. zu dieser Differenzierung das Schaubild bei G. GENETTE, Erzählung, 119. Vgl. auch Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 66. Neben die Perspektive der Geschichte tritt nach Genette die narrative Ebene, die nach dem Status des Erzählers fragt. Vgl. dazu G. GENETTE, a.a.O., 147–150. Zu unterscheiden ist hier zwischen dem extradiegetischen Erzähler, der „die Rahmenhandlung, also die äußeren Gegebenheiten“, erzählt, während der intradiegetische Erzähler derjenige Erzähler ist, „der innerhalb dieser Erzählung auftaucht und selbst seinerseits erzählt“. Mit Chr. ROSE, a.a.O., 67. In der Verklärungsperikope erweist sich der Erzähler – wie im MkEv allgemein – als extradiegetischheterodiegetischer Erzähler, der nicht als Erzählfigur in die erzählte Geschichte eintritt. Vgl. dazu G. GENETTE, a.a.O., 161. Wichtig ist nun, dass die Unterscheidung intra- bzw. extradiegetisch auch auf die in der Erzählung selbst befindlichen Personen bzw. die Rezipienten der Erzählung übertragen werden kann. So kann z.B. ein im Erzähltext begegnender Imperativ Adressaten aufweisen, die als Figuren der Erzählung vorkommen. In diesem Fall handelt es sich um intradiegetische Adressaten des besagten Imperativs. Der göttliche Imperativ kann in unverminderter Weise den Rezipienten des Textes gelten, er hat dann extradiegetische Adressaten. So hat die göttliche Stimme innerhalb der Taufperikope wie auch die Wolkenstimme der Verklärungsperikope intradiegetische (Jesus/ Jünger) als auch extradiegetische (Rezipienten) Adressaten, die durch die Himmels- bzw. Wolkenstimme direkt und unmittelbar adressiert werden. 48
1. Einleitung und Problemhorizont
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sohnes Jesus zu bestätigen“.49 Äußerlich lässt sich diese Einschätzung an der Beobachtung festmachen, dass der Name Jesu, der seit Mk 8,27 nicht mehr genannt wurde, in der Verklärungserzählung viermal erwähnt wird (9,2a.4b.5a.8b). Wie an anderen christologisch relevanten Textstellen gilt es jedoch auch hier im Hinblick auf die Gattungsbestimmung, den Konnex von Christologie und Theo-logie zu beachten. Dabei kommt es nicht zu einer christologischen Engführung, die die Gottesfrage zurücktreten lässt, vielmehr ist als Intention des Textes ein Vorgang anzusprechen, den man als theologische Fundierung der Christologie bezeichnen könnte.50 Diese Tendenz ist bereits ausgehend vom Spitzensatz der Verklärungserzählung in 9,7 unübersehbar, in dem Jesus durch die Autorität Gottes selbst als WKBQL bezeichnet wird, gewänne aber nochmals an theologischer Relevanz, sollte sich herausstellen, dass die Passivform OGVGOQTHYSJ (V.2) tatsächlich als Passivum divinum zu begreifen ist.51 Eine gattungskritische Einordnung wird diese Verschränkung von Theologie und Christologie ebenso zu beachten haben wie das Phänomen, das mit einer „Unbestimmtheit des Anfangs“ wiedergegeben werden kann. Die christologischen Reflexionsprozesse setzen allererst an, Begriffe müssen erkämpft und wieder verworfen werden, um neue, tragfähigere zu gewinnen: Das MkEv ist Zeugnis der semantischen Sattelzeit im Übergang von 49 Mit D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 310. Ferner F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 196f. Anm. 14. 50 Gut bei C. BREYTENBACH, Grundzüge, 173: „Die markinische Christologie ist kein selbständiges Thema. Sie muß im weiteren Horizont der markinischen Darstellung des eschatologischen Gotteshandelns gesehen werden!“ Tauf- und Verklärungsperikope können zusammen mit dem Winzergleichnis (Mk 12,1–12) als diejenigen Perikopen bezeichnet werden, in denen die besondere Beziehung Jesu zu seinem Vater kommuniziert wird, wofür äußeres Kennzeichen die Verwendung des VerbaladjektivsCXICRJVQL ist. Vgl. D.S. DU T OIT, „Gesalbter Gottessohn“, 41. Gegenüber der Winzerparabel sind Mk 1,9–11 und 9,2–8 dadurch ausgezeichnet, dass Gott selbst in die Handlung eingreift. Die Prädikation Jesu als Sohn Gottes findet aus dem Munde Gottes statt. Mit H.-Chr. KAMMLER, Verständnis der Passion, 466. Insofern nun in Mk 1,11 und 9,7 Jesus nicht Gott als „Vater“ anspricht, sondern umgekehrt, Gott Jesus als seinen „Sohn“ prädiziert, ist das primäre Interesse der Erzählungen nicht theo-logischer, sondern christologischer Natur. Prägnant bei G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 85. Markinische Christologie ist dabei konsequent narrativ qualifiziert. Die narrative Zielsetzung ist zu erzählen, wie Jesus von Nazaret als Gottes- und Menschensohn den Weg durch Galiläa nach Jerusalem als Weg in das Leiden, den Tod und die Auferstehung geht und darin zum NWVTQPCXPVK RQNNYP(10,45) geworden ist. Dieser narrative Entwurf hat insofern eine pragmatische Intention, als er in paränetischer Hinsicht die Leser/Hörer einerseits davor warnt, sich des Kreuzes Jesu zu schämen, andererseits dazu ermuntert, im weitesten Sinne den Weg der Kreuzesnachfolge zu gehen. Treffend bei L. Schenke, Präexistenzchristologie, 47. Die Christologie ist damit mehr die Voraussetzung als das schlechthinnige Thema des MkEv. 51 Zur Diskussion des Verbs OGVGOQTHYSJals Passivum Divinum vgl. die Ausführungen in in Kapitel 2 (3.5) dieser Studie.
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
der Urkirche zur Frühkirche.52 Weder der Vorwurf des Adoptianismus noch die Zuschreibung einer vollentfalteten Präexistenzchristologie53 werden seinem christologischen Ansatz gerecht. Von der Taufperikope, die mit der Verklärungserzählung makrotextuell korrespondiert, trägt unsere Schrift „einen kräftigen Akzent in Richtung auf eine Geist- und Taufchristologie hin“.54 52
Vgl. zum Begriff K. B ACKHAUS, Neuer Bund, 337. Die Verklärungsperikope funktioniert widerspruchsfrei sowohl bei Ablehnung als auch bei Annahme der Existenz einer Präexistenzchristologie im MkEv. Unzutreffend ist sicher das Urteil bei J. GRANADOS [Embodied Light, 37], wonach die Rezeption der Verklärungsüberlieferung Beweis der Existenz einer Präexistenzchristologie im MkEv sei. Ein Forschungsbeitrag zur Frage einer etwaigen markinischen Präexistenzchristologie kann in dieser Studie nicht geleistet werden, da es hierzu einer gesonderten Untersuchung bedürfte. Die Forschungslage ist disparat. M. T HEOBALD [Gottessohn und Menschensohn, 57–60] schließt das Vorhandensein präexistenzchristologischen Denkens im MkEv zugunsten einer „Tauf- oder Geistchristologie“ (vgl. a.a.O., 57) definitiv aus. So auch D.S. DU T OIT, „Gesalbter Gottessohn“, 39 mit Anm. 14. Auf dieser Linie auch M.E. B ORING, Markan Christology, 464; R. B ULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 374: „Das einzige wesentliche Moment des Christusmythos, das Mk noch nicht aufgenommen hat, ist die Präexistenz Jesu.“; H. CONZELMANN, Theologie des NT, 164; G. DAUTZENBERG, „Sohn Gottes“, 102: „kein Interesse an der Präexistenzchristologie“; J. ERNST, RNT-Mk, 8; R. Laufen, Anfangloser Sohn, 12; H. RÄISÄNEN, Messianic Secret, 253; E. SCHWEIZER, „Sendungsformel“, 206f.; V. Taylor, Gospel according to St. Mark, 121; Ph. V IELHAUER, Geschichte der urchristlichen Literatur, 346; D. ZELLER, Christologie des Neuen Testaments, 152f. (dahingehend einschränkend: „[e]s fehlt ein offener Hinweis auf seine Präexistenz“). Ein nachdrückliches Plädoyer für die Existenz der Präexistenzchristologie im MkEv findet sich bei L. SCHENKE [Präexistenzchristologie, passim.; vgl. auch DERS., Markusevangelium (1988), 85f.113–115] und R. KAMPLING, Israel, 39– 41.60–63. Eine Sympathie zur Bejahung der Frage findet sich auch bei P.G. D AVIS, Mark’s Christological Paradox, 12; G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 15 mit Anm. 64; U. MELL, Jesu Taufe, 178. Ebenso zustimmend äußern sich M. E BNER, Kreuzestheologie, 154f. mit Anm. 12; M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 197f.: „Präexistenzchristologie in statu nascendi“; R.G. H AMMERTON-KELLY, Pre-existence, Wisdom and the Son of Man, 47–66; O. H OFIUS, Allmacht des Sohnes Gottes, 120; DERS., Jesu Zuspruch der Sündenvergebung, 55; T.A. MOHR, Markus- und Johannespassion, 423; H.M. SCHENKE; K.M. FISCHER, Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments II, 72f.; P. STUHLMACHER, Biblische Theologie II, 137. Eine vermittelnde – mir überaus einleuchtend erscheinende – Position vertritt H.-J. KLAUCK [Vorspiel im Himmel?, 109–111], indem er die Termini „Adoptianismus“ und „Präexistenzchristologie“ im Hinblick auf das MkEv als nicht adäquat bezeichnet. Innerhalb der markinischen Christologie liege eine „Unbestimmtheit des Anfangs“ (vgl. a.a.O., 110 mit Verweis auf H. P AULSEN, Unbestimmtheit des Anfangs, passim.) vor, in der sich die markinische Christologie „auf ganz eigenen Pfaden“ bewege, „von der Taufperikope her“ aber „einen kräftigen Akzent in Richtung auf eine Geist- und Taufchristologie“ trage (mit Verweis auf M. THEOBALD, a.a.O., 57–66). 54 So H.-J. KLAUCK [„Vorspiel im Himmel?“, 110] mit Verweis auf M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 57–66. 53
1. Einleitung und Problemhorizont
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Jeder Versuch einer gattungskritischen Einordnung der Verklärungsperikope sieht sich zugleich mit der grundsätzlichen Schwierigkeit von Gattungsbestimmungen konfrontiert, da solche Versuche vom Ansatz her Gefahr laufen, ob eines vordergründig besseren Verstehens eine bedenkliche Komplexitätsreduktion in Kauf zu nehmen. Ebenso wird die Frage nach der uns in der Perikope vorliegenden Gattung von vornherein zu berücksichtigen haben, dass sie ohne eine adäquate religionsgeschichtliche Fragestellung kaum zu beantworten ist. Mit Blick auf die vorliegenden Gattungsbestimmungen ist einzugestehen, dass keine der bisher vorgelegten Versuche vollauf überzeugt. Die Bandbreite der präsentierten Erklärungsansätze ist beträchtlich und wird im weiteren Verlauf dieser Studie kritisch zu hinterfragen sein. Ohne den Versuch M. Reisers übernehmen zu wollen, die Frage der Gattung im Zusammenhang mit der Frage nach der Historizität dieser narratio abzuhandeln, ist einzugestehen, dass es bisher tatsächlich nicht gelungen ist, diese Perikope „einer bestimmten Gattung zuzuordnen“. Reiser fährt fort: „Sie sprengt alle Kategorien“.55 Es wird demnach zu prüfen sein, ob der Verzicht auf eine exakte gattungskritische Definition dem Text mehr Gerechtigkeit zukommen lässt als die prokrustesbettähnlichen vorliegenden Gattungsbestimmungen. Diese Anfrage sollte nicht als Kapitulation angesichts der bisherigen Forschungstätigkeit gedeutet werden, sondern als Anerkennung der Besonderheit der vorliegenden Perikope. Die Exegese der Verklärungsperikope muss ernsthaft damit rechnen, dass eine exakte Gattungsbestimmung vom Ansatz her nicht hilfreich ist. Diese Vorverständigung entlastet selbstredend nicht von der Mühe, Gattungsvorschläge daraufhin zu befragen, ob sie dem Richtungssinn des Textes mehr oder weniger Gerechtigkeit zukommen lassen. So bietet m.E. der Begriff „Epiphanie“ genügend Spielraum, einerseits die Originalität und Unvergleichbarkeit der Verklärungserzählung zu wahren, andererseits Verstehenskategorien bereitzustellen, die es ermöglichen, Mk 9,2–8 mit anderen antiken Texten aus dem biblisch-jüdischen und pagan-hellenistischen Bereich in Beziehung zu setzen. In Zusammenfassung dieser Überlegungen möchte ich daher den Vorschlag machen, in Mk 9,2–8 eine nach den Traditionsvorgaben von Ex 24/34 komponierte christologische Legitimationsgeschichte mittels einer Epiphanienarratio zu erkennen.56 55 Vgl. M. REISER, Verklärung Jesu, 34. Wenn ich mir dieses Diktum M. Reisers an dieser Stelle zu eigen mache, so verbinde ich mit dieser Einschätzung – anders als der Verf. – nicht ein Plädoyer für die Historizität des Ereignisses. Diese Studie fragt vielmehr nach dem theologischen Wurzelboden, auf dem eine christologische Legitimationsnarratio wie Mk 9,2–8 möglich geworden ist, die als solche auf ein beachtliches Spektrum traditioneller Motive zurückgreift, die in ihrem Zusammenspiel die Rede von einer „Sprengung aller Kategorien“ verantwortbar machen. 56 Zur gattungskritischen Bestimmung von Mk 9,2–8 als Epiphanie vgl. bereits E. P AX, Art. Epiphanie. In: RAC V (1962), Sp. 871: „Der in Menschengestalt verhüllte Got-
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1.4 Die Verklärungsperikope als Ausdruck der markinischen Theologie der Hoffnung Die Entstehung des MkEv stellt ein „großes Rätsel“ dar, da „uns die Vorgeschichte, die Bedingung seines Entstehens, und damit sein theologisches Profil selbst unbekannt sind“.57 Gleichwohl gehört zum exegetischen Konsens der Auslegung des zweiten Evangeliums die Würdigung seiner herausragenden theologischen Leistung58, wobei besonders die Tatsache herauszuheben ist, dass Markus die „literarische ‚Gattung des Evangeliums‘ begründet“ hat.59 Markus schuf durch sein Opus das Genus „‚Evangelium‘, das in der Folgezeit Schule machte“.60 Den bis dahin weithin auf mündlich tessohn läßt während seines Erdenlebens seine Herrlichkeit in besonderen Augenblicken aufleuchten, die bei der Parusie endgültig erstrahlen wird“; C. BREYTENBACH, Nachfolge, z.B. 250; J. ERNST, Petrusbekenntnis, 59; J.B. FULIGA, Temptation, 333; G. GUTTENBERGER , Gottesvorstellung, 88; P. MÜLLER , „Wer ist dieser?“, 100; D. LEE , Transfiguration and the Gospel of John, 159.165; U.B. M ÜLLER, „Sohn Gottes“, 19f.; S. P ELLEGRINI, Elija, 308f.; L. SCHENKE, Markusevangelium (1988), 109; D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 315–318; DERS., Verwandlung Jesu, 118–122. Auch Chr. ROSE [Theologie als Erzählung, 210] ordnet Mk 9,2–8 der Kategorie „Epiphanie“ zu und betont die intratextuelle Beziehung der Verklärungs- zur Taufperikope, die er ebenso als Epiphaniegeschichte liest: „In beiden Texten ist also die Epiphanie des Sohnes Gottes das bestimmende Thema.“ Die Einschätzung der Verklärungsperikope als Epiphaniegeschichte wird neuerdings auch von M. FRENSCHKOWSKI [Offenbarung und Epiphanie II, 184–187] favorisiert. Die Interpretation der Verklärungsperikope erfolgt dabei in Abschnitt 3.4 des II. Hauptteils. Die Transfiguratio wird darin zusammen mit den Naturwundern unter dem Stichwort „verborgene Epiphanie im Dienst der Christologie“ abgehandelt. Die Subsumierung insbesondere der Naturwunder unter Epiphanien ist angelehnt an den Ansatz von G. THEIßEN [Urchristliche Wundergeschichten, 102–107], wobei Frenschkowski hier besonders die Verborgenheit der Epiphanie herausstreicht. Vgl. a.a.O., 182. Nach Frenschkowski bilde die Frage VKLCTC QWVQL GXUVKP (V.41) die Pointe des ersten Naturwunders in 4,35–41, die nach dem Verf. „die Vorfrage aller Christologie“ (vgl. a.a.O., 178) darstelle, sodass auch 9,2–8 in Diensten dieser Frage stehe. Treffend verweist er darauf, dass „die Frage nach Jesu Identität die Struktur des Evangeliums bis zum Messiasbekenntnis“ darstellt. Vgl. a.a.O., 182f. Die Verklärung Jesu mit den diese begrenzenden Klammern der wahrscheinlich gottgewirkten Metamorphose Jesu (9,2c) und dem himmlischen Imperativ (9,7d) ist als revelatorischer Höhepunkt der Identitätsenthüllung Jesu zugleich Ausdruck einer Aktionseinheit Jesu mit seinem Vater, die bereits in 4,35–41 präludiert wird, insofern hier die beschriebene „Macht über das Meer“ Jesus „im jüdisch-atl. Denkrahmen an einem Prärogativ Gottes partizipieren“ lasse. Vgl. M. FRENSCHKOWSKI, a.a.O., 179. 57 Mit G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 238. 58 Grundlegend vgl. z.B. E. SCHWEIZER, NTD-Mk, 8; DERS., Theologische Leistung, passim. Ferner M. DE J ONGE, Christologie im Kontext, 1. 59 Vgl. z.B. Chr. ROSE [Theologie als Erzählung, 35 mit Anm. 59] mit Verweis auf M. HENGEL, Evangelienüberschriften, 49. Hengel subsumiert das MkEv als „Sonderfall“ unter die Gattung der antiken Biographien. Th. Söding [Evangelist in seiner Zeit, 50] bezeichnet das MkEv als „ein literarisches Novum“. 60 Mit R. SCHNACKENBURG, „Das Evangelium“, 323.
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tradiertes Jesusgut angewiesenen christlichen Gemeinden61 musste sein Werk daher als gleichsam revolutionäre Neuerung erschienen sein.62 Dem ersten Vers des MkEv –8$TEJVQWGWXCIIGNKQW8,JUQW&TKUVQWWKBQWSGQW – wird eine gleichsam programmatische Bedeutung zugesprochen. Das MkEv ist „die erste uns bekannte Schrift, die versuchte, die Jesusüberlieferungen in einer Darstellung zu sichten und zu sammeln. Als solche ist sie … ein bemerkenswerter Neueinsatz“.63 Diese neue Gattung kann bestimmt werden als „episodisch-biographische Erzählung mit kerygmatischer Wirkabsicht“.64 Als solche ist sie konsequent kausal konstruiert, insofern sie Zusammenhänge in etwa zwischen der Geistbegabung und dem GXZQWUKCBesitz oder dem Lehren und Leiden Jesu aufzeigt.65 Die Einzelepisoden zeigen sich im „Hinblick auf die Gesamtkomposition funktional eingesetzt“.66 Dieser Neueinsatz fällt in die Phase des allmählichen Sterbens der ersten christlichen Generation und damit in die Phase einer drohenden theologischen Orientierungslosigkeit.67 Wie sollte es weitergehen mit der Jesusüberlieferung angesichts der Tatsache, dass die Träger dieser Überlieferung abzuleben begannen? Wie konnte die lebenspraktische Unmittelbarkeit zu Jesus, für die die erste Generation der unmittelbaren Jesusjünger noch Garant war, in der markinischen Gemeinde aufrecht erhalten werden?68 Verstärkend auf das sich so einstellende Gefühl der Bedrängnis dürften sich zudem sowohl die empfundene Aversion der jüdischen wie heidnischen Umwelt zusammen mit deren konkurrierenden Heilsangeboten als auch die ausbleibende Parusie ausgewirkt haben.69 Am Horizont der christlichen Gemeinden wird so eine doppelte, gleichsam externe und interne Gefahr zu verzeichnen gewesen sein: 1. „die (latente) Gefahr des Abfalls aufgrund von Leidensdruck und Verfolgung“ und
61
Mit P.-G. KLUMBIES, Mk 16,1–8 als Verbindung, 134. Mit M. HENGEL, Evangelienüberschriften, 49. 63 Vgl. W.A. LÖHR, Fixierte Wahrheit, 96. 64 Mit K. B ACKHAUS [„Lösepreis für viele“, 92] in kritischer Aufnahme der Vorarbeiten von C. BREYTENBACH, MkEv als episodische Erzählung, 137–169; D. D ORMEYER, Evangelium, 173–193; F. HAHN, Überlegungen, 182–191. Vgl. auch die Überlegungen bei D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 58f.; G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 35 mit Anm. 191. Ferner M. B ÖHM, Wo Markus aufhörte, 73f. 65 Mit E.M. BECKER, Redaktor als ‚Historiograph‘, 127. 66 Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 59. 67 Vgl. auch G. THEIßEN, Evangelienschreibung, 413: Entstehung des MkEv „an einer Übergangsschwelle im Urchristentum“ nach dem Tod der „erste[n] Generation der unmittelbaren Jesusjünger“. 68 Vgl. G. T HEIßEN, a.a.O. 69 Mit M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 72. 62
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2. die durch die besagten konkurrierenden Heilsangebote verursachte „Verunsicherung im Glauben“.70 In dieser Situation ist die neu begründete Textgattung GWXCIIGNKQP weit mehr als nur eine neue Form der Literatur, in ihr steckt ein enormes Hoffnungspotential. Vor diesem Hintergrund stellt es einen lohnenden Versuch dar, die Verklärungsperikope im Zusammenhang einer markinischen „Theologie der Hoffnung“ zu befragen. Mit den im Folgenden vorgelegten Überlegungen wird ein hermeneutisches Vorzeichen benannt, unter dem in dieser Studie die Verklärungsgeschichte angegangen wird: Die Verklärungsperikope im Sinne einer christologischen Legitimationserzählung kann zugleich als Versuch des Markus gelesen werden, beim Hörer/Leser Hoffnung zu wecken.71 Das gilt in besonderer Weise angesichts der von K. Backhaus herausgestrichenen Erkenntnis, dass das narrative „Ziel der Konflikt- wie der Epiphanielinie … das Kreuz“ ist.72 Markinische Hoffnungstheologie wird gerade im Hinblick auf das Kreuz aktiviert, bei dem der „Spannungsbogen menschlicher Kausalursachen … vom Spannungsbogen des göttlichen Heilsplans“ umgriffen ist.73 Transfiguratio und Kreuzigungsszene berühren sich dabei insoweit, als sie die Folge „geheimer Epiphanien“ (M. Dibelius) durchbrechen und Züge einer offenkundigen Epiphanie annehmen. Als christologischer Legitimationstext steht die Transfigurationsperikope im Dienste der christologischen Grundfrage74 aus Mk 4,41: VKL CTC QWVQLGXUVKP.75 Damit ist das leitende Hauptthema des MkEv angeschnitten, 70
Mit M. T HEOBALD, a.a.O., 72. Auf das tröstend-stärkende Potential der Verklärungsperikope hat bereits E. H AENCHEN [Weg Jesu, 308] hingewiesen. Vgl. auch S.C. BARTON, Transfiguration, 246; J. MARCUS, Way of the Lord, 93: „For the members of the Markan community, the images of Jesus robed in light, conversing with Moses and Elijah, and being proclaimed Son of God by a heavenly voice probably function as a counter to other profoundly unsettling images: images of dark days of tribulation …; images of beatings in synagogues …; images of eloquent and militant personalities who are persuading many …“. 72 Vgl. K. B ACKHAUS, „Lösepreis für viele“, 97. Die das gesamte MkEv durchziehenden Fragen nach der funktionalen Identität der Person Jesu (vgl. 4,41; 6,14–16; 8,27) erhalten eine Antwort „mit der Einsicht des Hauptmannes (Mk 15,39) vom Kreuz her“. Mit C. B REYTENBACH, MkEv als episodische Erzählung, 154. 73 Mit K. B ACKHAUS, „Lösepreis für viele“, 97. 74 Vgl. dazu F. MUßNER, Ursprünge und Entfaltung, 79. 75 P. MÜLLER [„Wer ist dieser?“, passim.] ist recht zu geben, diese Frage als rezeptionsleitend für das MkEv insgesamt anzusehen. Ihm schließt sich D.S. DU T OIT [„Gesalbter Gottessohn“, 47 mit Anm. 58] an. Die Perikope Mk 4,35–41 ist deutlich auf die entscheidende Frage nach der Identität Jesu konstruiert, mit der sie ihre klimaktische Spitze findet. Die Frage nach der Identität Jesu ist als eines der zentralen Themen des Makrotextes anzusprechen. Mk 4,41 wird zunächst durch die Chorschlussfrage VK GXUVKP VQWVQ in 1,17 präludiert und in 6,2 variiert. Die christologische Identitätsfrage wird sodann im Anfangsbereich des markinischen Mittelteils von Jesus selbst aufgeworfen 71
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das in der Frage nach der Identität Jesu als des Boten des nahegekommenen Reiches Gottes besteht.76 Die Metamorphose Jesu (9,2c), deren narrative Illustrierung (9,3), das Erscheinen des Elija mit Mose (9,4) sowie die göttliche Stimme deuten eine Antwort auf diese Frage an 77, verbieten aber gleichzeitig, diese Frage in Absehung des Kreuzes endgültig zu beantworten, was mit dem Verbot, das auf dem Verklärungsberg „Gesehene“ vor der Auferstehung zu kommunizieren (Mk 9,9), angedeutet ist.78 Obwohl nun der Perikope Mk 9,2–8 keine expliziten Angaben darüber zu entnehmen sind, wie das MkEv die Situation der diese Erzählung rezipierenden Adressaten wahrnimmt – anders als dies angesichts der hinter Mk 13 stehenden Krisenlage der Fall sein dürfte –, stellt es m.E. einen lohnenden Versuch dar, die Erzählung von der Verklärung vor dem Hintergrund markinischer Hoffnungstheologie zu lesen. Welche Fingerzeige lassen sich nun in diese Richtung benennen? Das MkEv erzählt die Geschichte Jesu als die Geschichte des gegenwärtig in Israel wirkenden Gottessohnes, die sich zwischen den Polen der gottgewirkten pneumatischen Begabung des Gottessohnes bei der Taufe und seines Todes am Kreuz vollzieht79, nach dessen Eintritt der Centurio die nicht mehr hinter einer Schweigeverpflichtung verborgene, jedoch im Imperfekt formulierte Gottes-Sohn-Prädikation spricht. Die etwaige Erwartung des Rezipienten, dass das Evangelium – seinem Anfang gemäß – mit Aussagen über Gott enden wird, sodass es dem Hörer/Leser möglich wäre, gleichsam eine theo-logische Klammer über dem Gesamtwerk zu erkennen, mit der das Handeln Gottes „in und an Jesus“ theo-logisch eingeordnet werden kann, wird enttäuscht. Trotz des Auftretens eines Gottesboten in Mk 16,1–8 ist von Gott ebenso wenig die Rede, wie es zu einer – 1,2f. vergleichbaren – „Zitation“ atl. Texte kommt. Gleichwohl macht 16,6f. unmissverständlich deutlich, „dass die Geschichte Jesu trotz seines gewaltsamen Todes nicht zu Ende“ ist.80 Das eigentliche „Ende“ des MkEv in (8,27–29a), um dezidiert mit der Leidensthematik verbunden zu werden. Der so entstandene Konnex der Identitätsfrage mit dem Topos „Leiden“ verweist sachlogisch auf die Sterbeszene, auf deren Höhepunkt das Centuriobekenntnis vorgelegt wird, das als solches unverborgen und unkommentiert stehen bleibt. 76 Vgl. für viele K. SCHOLTISSEK, Von Galiläa nach Jerusalem, 64. Vgl. auch D.S. DU TOIT, „Gesalbter Gottessohn“, 47. 77 Vgl. dazu U. KMIECIK, Menschensohn, 148. 78 Mk 9,9f. gibt m.E. keinen Hinweis auf einen engeren Zusammenhang des Transfigurationsstoffes mit Ostererscheinungsberichten, gilt es doch mit D. ZELLER [Bedeutung und Hintergrund, 310] festzuhalten, dass die „Auferstehung Jesu … der terminus a quo für die Verkündigung des auf dem Berg Geschauten (9:9)“ ist, „nicht für seine Wahrheit“. 79 Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 6. 80 Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 116.
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chronologischer Hinsicht ist nicht in 16,8 zu suchen, sondern im 13. Kapitel, das im Hinblick auf seine Gattung als das „‚apokalyptische Schul- oder Lehrgespräch‘ Jesu in esoterischem Jüngerkreis“81 anzusprechen ist und als solches der markinischen Eschatologie und damit in verdichteter Form der markinischen Hoffnungstheologie gewidmet ist.82 Mit diesem Text wird das MkEv in der prophetischen Perspektive der markinischen Menschensohnchristologie „nach vorn hin“ geöffnet.83 Das 13. Kapitel des MkEv kann dabei als derjenige Text angesprochen werden, „der am ehesten Einblick in die Situation der Adressaten verspricht, wie Mk sie als Bezugsgröße für die Gestaltung seines Buches gesehen hat“.84 Mk 13 will angesichts einer „Welterfahrung“, die „der gespannten Hoffnung auf das Heil nicht entsprochen“ und auf diese Weise eine „neue Problemlage“ produziert hat85, neue Hoffnung stiften. Innerhalb des 13. Kapitels ist im Zusammenhang unserer Fragestellung insbesondere auf die Textpassage 13,24–27 zu verweisen, die die eschatologische Heilswende thematisiert, mit der 9,2–8 auffallende theologische Berührungspunkte hat, und die vor dem Hintergrund der Epiphanietraditionen biblischer Literatur zu rezipieren ist86: Die passivischen Formulierungen in 13,24f. (QB J=NKQL UMQVKUSJUGVCK ² CKB FWPCOGKL CKB GXP VQKL QWXTCPQKLUCNGWSJUQPVCK) deuten das verborgene Wirken Gottes ebenso an wie die Passiva OGVGOQTHYSJ und YHSJ in der Verklärungsperikope. Das eschatologische Ereignis des Kommens des Menschensohnes im Modus 81
So M. THEOBALD [Gottessohn und Menschensohn, 71] mit Verweis auf E. BRANDENBURGER , Markus 13, 13–20 („Form und Struktur von Markus 13“). Vgl. auch M. B ÖHM, Wo Markus aufhörte, 85; C. BREYTENBACH, Nachfolge, 282. 82 Vgl. dazu G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 74. Die Diskussion über die Gliederung sowie die Quellen und redaktionellen Teile von Kapitel 13 braucht im Zusammenhang unserer Frage nicht geführt zu werden. Vgl. dazu die ausführlichen Analysen z.B. bei E. B RANDENBURGER, Markus 13, 21–42; G. GUTTENBERGER, a.a.O., 74f.; G. THEIßEN, Lokalkolorit, 133–145. 83 Treffend bei M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 57. Das Kommen des Gottesreiches (1,14; 9,1) bzw. des Menschensohnes (13,24–27) stellt somit „die äußerste Grenze der narrativen Welt im Markusevangelium“ dar, wo zugleich das Ende der Zeitachse im narrativen Entwurf des MkEv zu platzieren ist. Vgl. D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 11 Anm. 34. 84 Mit M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 71. Vgl. auch G. T HEIßEN, Lokalkolorit, 133: Verarbeitung geschichtlicher Erfahrungen „im Rahmen apokalyptischer“ Überzeugungen. In diese Richtung deutet auch E.-M. BECKER [Redaktor als ‚Historiograph‘, 126], wonach „die apokalyptische Rede Jesu in Mk 13 … eine Kombination aus apokalyptisch verschlüsselter Darstellung und Deutung von bereits erlebter Geschichte“ ist, „d.h. der Jesus-Geschichte und der Zeitgeschichte der Jahre 66–70 n. Chr. und apokalyptisch geformter Erwartung futurisch-eschatologischer Ereignisse“. 85 Mit E. BRANDENBURGER, Markus 13, 93. 86 Vgl. für Mk 13,24f. z.B. J. VERHEYDEN, Describing the Parousia, 547: „vv. 24–25 are to be interpreted from the Theophany tradition“.
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einer klassischen Theophanie87 drückt gleichsam die Aktionseinheit zwischen Gott-Vater und Menschensohn aus und rückt letzteren – durch die Übertragung der kosmischen Zeichen auf den WKBQLVQW CXPSTYRQW– in eine „ganz ungewöhnlich große Nähe zu Gott“88, ohne aber einer Koinzidenz beider Größen das Wort zu reden. Ein „Präludium“ dieser Aktionseinheit Gottes mit seinem Sohn – bei einer ebenso implizierten Abgrenzung – ist nun auch die Verklärungsnarratio: Hinter der Metamorphose Jesu (9,2c–3) steht ebenso die Autorität Gottes wie hinter der Erscheinung der Himmelsgestalten (9,4) und der Wolkenstimme (9,7). Die Verwandlung Jesu im MkEv ist aber nicht als Widerspiegelung göttlicher Herrlichkeit auf der Gestalt des irdischen Jesus konzipiert, sondern fungiert nach einem treffenden Wort F. Bovons als „Fenster in die Vater-SohnBeziehung“, die als solche in V.7 explizit thematisiert wird.89 Diese Relation des Vaters mit seinem Sohn liegt im MkEv der gesamten autoritativ vorgetragenen Lehre Jesu samt der das Gesetz betreffenden Passagen zugrunde. Der Konnex des Gehorsams gegenüber der autoritativen Lehre Jesu und des Gehorsams gegenüber Gott selbst wird in der Einzelversanalyse zum Teilvers 9,7d im Detail zu prüfen und vor dem Hintergrund der Gesetzesthematik des MkEv zu beleuchten sein.90 Eine „Solidarisierung“ Gottes mit seinem Sohn in Verbindung mit einer narrativ implizierten Abgrenzung findet hier m.E. genauso statt wie in Mk 13,24f., wo die Aktionseinheit, und in 13,32 (QWXFG QB WKBQLGKX OJ QB RCVJT), wo die Abgrenzung beider jeweils stärker betont wird.91 Die epiphanialen Elemente 87 Vgl. für Mk 13,24–27 z.B. E. BRANDENBURGER [Markus 13, 54–61, bes. 59], der hier folgende Motive differenziert: Der Menschensohn nehme die „Funktionen des von seiner himmlischen Wohnstatt her weltordnend einschreitenden Jahwe“ wahr; das Kommen des Menschensohnes geschehe in der Begleitung von Engeln; durch sein Erscheinen OGVC FWPCOGYL RQNNJL MCK FQZJL nehme der Menschensohn die Funktionen wahr, „die das Wesen des kommenden Gottkönigs kennzeichnen“; das Kommen des Menschensohnes wird von kosmischen Ereignissen begleitet; zur Reaktion auf das Erscheinen gehöre besonders das „Motiv des ‚Sehens‘ oder Erkennens seitens der (feindlichen) Völker“; das Motiv des Gerichtes Gottes werde in Mk 13,24–27 durch den „Aspekt der Hilfe oder Rettung zugunsten des Gottesvolkes“ überlagert. Vgl. ferner D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 224; A. SCRIBA, Theophanie, 195–202; J. VERHEYDEN, Describing the Parousia, 530f. 88 Vgl. dazu z.B. G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 78. Ferner J. VERHEYDEN, Describing the Parousia, 47; A. VÖGTLE, Gretchenfrage, 105. 89 Diese von F. BOVON [vgl. EKK-Lk I, 495] für die lk Parallelversion getroffene Einschätzung ist auch für den Mk-Text geltend zu machen. 90 Vgl. dazu Kapitel 2 (3.9.5) dieser Studie. 91 Mk 13,32 mit der Abgrenzung von QB RCVJT und QB WKBQL ist einzigartig im Makrotext. Die Bezeichnung Gottes erfolgt zumeist mit SGQLoder MWTKQL. Lediglich in 8,38 ist vom „Vater des Menschensohnes“ die Rede. Die anderen beiden Bezeichnungen Gottes mit RCVJT erfolgen im Kontext der Gebetsthematik, vgl. 11,25 und 14,36. Die Bezeichnung Jesu durch Gott als „Sohn“ erfolgt in 1,11 und 9,7 in nicht öffentlichen Situationen, während Jesus sich an keiner anderen Stelle als in 13,32 selbst als „Sohn“ bezeichnet.
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der Transfiguration werden durch das theologische Passiv in 9,2 und den göttlichen Imperativ in 9,7 sachlich eingegrenzt, indem sie der Initiative Gottes selbst unterstellt werden: Das verborgene göttliche Wirken hinter Mk 9,2–8 ist somit „das notwendige Regulativ für die Hoheitschristologie“ der Verklärungserzählung.92 Dass auch die Texteinheit 13,30–32 hinsichtlich der Motive und der Wortwahl eine gewisse Affinität zu Vorstellungen enthält, wie sie in der Texteinheit Mk 8,38–9,11 verarbeitet sind, ist bekannt. Mk 13,30 erinnert inhaltlich stark an das „Naherwartungslogion“ in 9,1, wobei mit der Verwendung vonJB IGPGC ein Ausdruck gebraucht wird, der aus 8,38 bekannt ist. Das Gleiche gilt für das StichwortCIIGNQKin 8,38 und 13,32. Die Herausstellung der Wichtigkeit derNQIQKJesu verbindet die Textstellen 8,38; 9,7 und 13,31.93 Die Bezeichnung Gottes als „Vater“ und Jesu als „Sohn“ verweist semantisch in die Verklärungserzählung.94 Beide Abschnitte sind vom FGK durchzogen, bei dem ein Schwerpunkt auf der „Schrift-Notwendigkeit“ liegt. Das Leiden des Menschensohnes (8,31) entspricht dabei ebenso der Notwendigkeit der Schrift wie das eschatologische Kommen des Elija (9,11). Das Gleiche gilt auch für die verschiedenen Stationen des „eschatologischen Fahrplans“ (13,7.10.14). Sind also semantische und inhaltliche Berührungen zum Hoffnungskapitel des MkEv gegeben, als welches das 13. Kapitel zu benennen ist, so ist danach zu fragen, was die Verklärungsperikope speziell in dieser Hinsicht austrägt. Die Analyse des mikrokontextuellen Umfeldes der Verklärungsperikope wird erweisen95, dass das unmittelbare Umfeld der Transfigurationsnarratio stark passionstheologisch geprägt ist, sodass es zu einer Wechselwirkung kommt: Die passionskerygmatisch geprägte Textumgebung der Verklärungsnarratio warnt den Leser des MkEv vor einer exklusiv herrlichkeitschristologischen Rezeption der Perikope. Andererseits tröstet das der Transfigurationserzählung innewohnende Hoffnungspotential angesichts aktueller Aversionserfahrungen und ist dazu geeignet, vor der größten dem MkEv bekannten Gefahr zu bewahren: sich des Kreuzes Jesu zu schämen.96 Die Leidensthematik, an der das MkEv besonderes theologisches
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So G. GUTTENBERGER [Gottesvorstellung, 85] im Hinblick auf die Interrelation der VV. Mk 13,24–27 und 13,30–32. 93 Den intratextuellen Konnex von Mk 1,11; 9,7 und 13,32 betont nachdrücklich D.S.DU TOIT, Abwesender Herr, 373 mit Anm. 202. 94 Mit G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 75. 95 Vgl. dazu die Unterpunkte 2.1 bis 2.3 in Kapitel 2 dieser Studie. 96 Die Bewältigung jüdischer und heidnischer Kritik am Kreuz (vgl. 1 Kor 1,21–25; Minucius Felix, Octavius 9,4) gehört zu den ersten Herausforderungen, denen sich das frühe Christentum stellen musste. Vgl. dazu K. B ACKHAUS, „Lösepreis für viele“, 91. Das MkEv ist von daher als der theologisch-innovative Versuch anzusprechen, die der
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Interesse hat, wird durch die Hinzunahme des Elija in die Verklärungsperikope eingetragen, von dem die im 4. Kapitel dieser Studie näher zu begründende Annahme gilt, dass er nicht zum ursprünglichen Bestand der narratio gehörte, sondern im Hinblick auf die „konstruierte Gesprächsszene“97 beim Bergabstiegsgespräch integriert worden ist.98 Ohne die Verklärungserzählung eindimensional zu einer Prolepse der Parusie zu erklären, wie es besonders in der angelsächsischen Forschung aus der Mitte des letzten Jahrhunderts geschah99, ist gleichwohl zu notieren, dass die Transfiguratio dazu geeignet ist, das qualitative soteriologische Plus, das durch das eschatologische Kommen des Menschensohnes endgültig erschlossen wird, im Vorgriff narrativ auszumalen100 und so gleichzeitig vor der Versuchung zu bewahren, das Heil „innergeschichtlich“, in etwa „in der Befreiung von einer mutmaßlichen Endtyrannis“ zu suchen.101 Mk 9,2–8 will zusammen mit dem 13. Kapitel den Rezipienten mit Blick auf die Herrlichkeit Jesu (9,2f.; 13,26) in der Zukunftserwartung stärken, ihn ermutigen, wachsam (13,33–37) und den Worten Jesu gegenüber treu zu sein (8,38; 9,7; 13,5f.).102 Vor dem Hintergrund des Versuchs, Hoffnung zu stiften, lässt sich auch das Bestreben des MkEv begreifen, Jesus in Absetzung von konkurrierenden Heilsmittlergestalten der hellenistisch-römischen Umwelt zu profilieren103, wobei insbesondere an die „bedrückende Konkurrenzerfahrung hellenistischer Wanderprediger“ zu denken ist.104 Sind bereits die diversen Machttaten Jesu, die verstreut über das ganze Evangelium erzählt werden, dazu geeignet, auf die unvergleichliche und „alle Konkurrenz qualitativ überragende Gestalt Jesu von Nazaret“105 zu verweisen, so findet diese Tendenz in 9,2–8 eine nochmalige Verdichtung. Die explizite, der göttlichen Autorität geschuldete Gottes-SohnPrädikation in V.7, die durch das als vertraut zu bezeichnende Gespräch Person Jesu zugesprochene Heilsbedeutung in einen theologisch-stimmigen Sachzusammenhang mit dessen scheinbarem Scheitern am Kreuz zu bringen. 97 Mit J. ERNST, RNT-Mk, 261. Ferner A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 93. 98 Vgl. dazu Kapitel 4 dieser Studie. 99 Vgl. zu diesem Ansatz die beiden einschlägigen Veröffentlichungen von G.H. B OOBYER, St. Mark and the Transfiguration. In: JThS 41 (1940), 119–140 und D ERS., St. Mark and the Transfiguration Story. Edinburgh 1942. Zur berechtigten Kritik an diesem Ansatz vgl. H. SCHÜRMANN, HThK-Lk I, 565: Gefahr der Verabsolutierung eines „ohne Zweifel“ anklingenden eschatologischen Motivs. 100 E. BRANDENBURGER [Markus 13, 102] gemäß lebt Mk in einer „gemäßigten Naherwartung“. So auch M. THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 73. 101 So mit Blick auf Mk 13 auch M. THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 73. 102 Vgl. dazu auch C. BREYTENBACH, MkEv als episodische Erzählung, 157. 103 Vgl. M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 74f. 104 So M. THEOBALD [Gottessohn und Menschensohn, 75] mit Verweis auf E. B RANDENBURGER , Markus 13, 159. 105 Mit M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 77.
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des transfigurierten Jesus mit den himmlischen Besuchern vorbereitet wird, dient im MkEv als gleichsam unüberbietbarer Legitimationserweis Jesu. Während also die Taktik einer theologischen Profilierung Jesu gegenüber konkurrierenden Heilsmittlergestalten im Hinblick auf Mk 13 als exegetisch gesichert gelten kann, lohnt es, auch die Verklärungsperikope dahingehend zu befragen: Die narrative Ausmalung der himmlischen Herrlichkeit Jesu (9,2f.), die Skizzierung seiner unvergleichlichen theologischen Dignität in Absetzung von den beiden herausragenden Prominenten der atl. Heilsgeschichte sowie die Dtn 18,15 LXX einspielende imperativische Wendung, allein den Worten Jesu Gehorsam zu leisten (Mk 9,7), können als starke Hinweise in diese Richtung gedeutet werden. Der Blick des Rezipienten auf den verklärten Jesus markiert die Differenz zwischen „dieser Weltzeit“ und der „Weltzeit Gottes“. Der Text geht dabei nicht darin auf, bloße Prolepse einer Wirklichkeit zu sein, die apokalyptischer Natur ist, sondern verweist auf das eigentliche himmlische Wesen Jesu, das unter den Bedingungen „dieser Weltzeit“ ein weitestgehend verborgenherrliches ist, in der eschatologischen Zukunft jedoch ein offensichtlichherrliches sein wird. Der WKBQLSGQW wird zugleich als diejenige eschatologische Gestalt gezeichnet, die „allen anderen Konkurrenten seiner Zeit, Gottesmännern und Wundertätern“, unendlich überlegen ist106, sodass in Entsprechung zu dieser Erkenntnis das „Hören“ seiner eschatologisch verbindlichen Toraauslegung als ein Hoffnungsanker in stürmischer Zeit verstanden werden kann. Das Hoffnungspotential der Verklärungsgeschichte drückt sich zudem in der Jüngerauswahl aus, zumal es als äußerst unwahrscheinlich zu erachten ist, dass die Rezipienten nichts von deren gewaltsamen Tod wussten.107 Allein das Wissen um die gelungene Kreuzesnachfolge des Petrus – konkret das Wissen um sein Martyrium unter Nero – lässt sein Verhalten in 9,6 nicht als Karikatur seiner Person erscheinen, insofern er nicht beim Widerspruch gegen das Kreuz (8,32) stehen geblieben ist.108 Die Deutung des Vorschlags zur Errichtung dreierUMJPCK mittels des 106
So M. T HEOBALD [a.a.O., 78] im Hinblick auf die Skizzierung Jesu in Mk 13. Vgl. für die Verklärungsperikope auch M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 186. 107 Die explizite Leseranrede QB CXPCIKPYUMYP PQGKVY in Mk 13,14 offenbart das Bestreben des Erzählers, Elemente der erzählten Welt mit der Gegenwart der Rezipienten in Verbindung zu bringen. Die „Zeit und Welt der Adressaten“ werden so als „Verlängerung der erzählten Zeit und erzählten Welt“ konzipiert, sodass erzählte Zeit und erzählte Welt in einem kausalen oder historischen Zusammenhang mit der Gegenwart der Rezipienten stehen. Überzeugend bei D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 15. 108 Überzeugend bei L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 215. Ähnlich der Argumentationsduktus bei E.W. STEGEMANN, Rolle von Petrus, Jakobus und Johannes, 373f. Vgl. auch G. T HEIßEN, Evangelienschreibung, 410.
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von Petrus intendierten Versuchs, den als beglückend empfundenen Augenblick zu konservieren, damit aber in eine diametrale Opposition zuFGK (8,31) des Leidens des Menschensohnes zu geraten, stellt nach wie vor den besten Erklärungsansatz für die in 9,6 zu greifende „Rüge“ des Erzählers dar. Dann aber ist es wahrscheinlich, dass die gelungene Kreuzesnachfolge, von der in 8,34f. die Rede ist, und die Verklärung thematisch eng zusammenhängen, sodass letztere auf ihr Hoffnungspotential hin befragt werden kann. Die Verklärung bewahrt nicht vor der Notwendigkeit des Leidens in der Nachfolge Jesu – dagegen spricht bereits ihre bewusst kontrastive Platzierung gegenüber der kontextuellen Betonung der Leidensnotwendigkeit und des Todesgeschicks des Menschensohnes –, gibt aber ausgehend von dem ihr innewohnenden Hoffnungspotential die Kraft, dieses zu bestehen, indem sie narrativ andeutet, „dass der Tod letztlich machtlos sein wird“.109 Ebenso ist zu vermuten, dass die Leserschaft vom Tod des Jakobus und Johannes Kenntnis hatte. Auch in diesem Fall scheint das MkEv ein „extratextuelles Wissen seiner Leser zu implizieren“.110 Aus dieser Einsicht wird einerseits ersichtlich, dass die Schau des verklärten Jesus von seiner Nachfolge, die Leiden und Sterben implizieren kann, nicht befreit, andererseits aber die Kraft verleiht, dieses zu bestehen, insofern der Nachfolger Christi die Hoffnung haben darf, an jener eschatologischen Herrlichkeit dereinst teilzuhaben, derer er im Verklärungsgeschehen bereits ansichtig geworden ist.111 Diese Fingerzeige mögen hinreichend plausibel gemacht haben, dass die Exegese der Verklärungsnarratio vor dem Hintergrund der markinischen Zielsetzung, Hoffnung zu stiften, ein vielversprechender Deutungsansatz ist. So wird die vorliegende Studie, ausgehend von der paränetischen und tröstlichen Funktion der Transfigurationserzählung, nicht nur die christologische, sondern ebenso auch die anthropologische wie auch ekklesiologische Aussageintention112 im Auge zu behalten haben.
109 So K. B ERGER [Verklärung Jesu, 5] zur narrativen Funktion der Verklärungsperikope im Aufriss des MkEv. 110 Mit E.W. STEGEMANN, Rolle von Petrus, Jakobus und Johannes, 373. Vgl. auch G. THEIßEN, Evangelienschreibung, 410. Vgl. auch D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 240. 111 Mit M.D. HOOKER, „What Doest“, 70. 112 Vgl. dazu F. BOVON, EKK-Lk I, 493. Eine biographische Deutung des oben ausgeführten paränetisch-tröstlichen Potentials der Verklärungsperikope, die z.B. H. B ALTENSWEILER [Verklärung Jesu, 55] vorgelegt hat, wonach sich die Transfiguration in einer Krisensituation des Lebens Jesu ereignete, in der Jesus der Gefahr des politischen Messianismus in besonderer Weise ausgesetzt war, überzeugt nicht. Der von Baltensweiler herangezogene Vergleich mit der Gethsemane-Erzählung wirkt konstruiert.
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1.5 Zur Frage der motivgeschichtlichen Sättigung von Mk 9,2–8 Ein besonderes exegetisches Problem bei der Interpretation der Verklärungsperikope stellt die Vielzahl der verarbeiteten Motive dar. Keine andere neutestamentliche Perikope dürfte auf so engem Raum von nur sieben Versen eine solche Fülle von divergierenden, charakteristischen Einzelzügen und eine solche Menge von offenen und angedeuteten Traditionsbezügen aufweisen wie Mk 9,2–8 parr. Schrifttheologisch geprägt ist zudem das Gespräch Jesu mit den Verklärungs-„Zeugen“ in der Bergabstiegsszene, bei dem die quasi dogmatische eschatologische Elijaerwartung113 aufgegriffen und zugleich modifiziert wird. Die Anspielungen auf Inhalte und Motive der Schrift sind Wesensmerkmale der Transfigurationserzählung und ihres kontextuellen Umfeldes. Bereits der markinische Prolog bietet eine Vielzahl von biblischen Zitaten und Anspielungen und offenbart damit, dass der Text sich an größtenteils schriftkundige Rezipienten wendet, die in der Lage sind, das ihnen vorgelegte Material mit ihrem biblischen Vorwissen zu korrelieren und dabei Anspielungen und Zitate, aber auch Verfremdungen als solche erkennen zu können.114 An einen solchen bibelkundigen Leser wendet sich auch die Verklärungserzählung in ihrer sowohl problematischen als auch faszinierenden Vielschichtigkeit und bietet damit dem methodologischen Programm der Intertextualität ein reiches Betätigungsfeld im Hinblick auf deren produktions- und rezeptionsorientierten Aspekt. Mit H.-J. Klauck ist darauf zu verweisen, dass Texte für gewöhnlich auf vorgegebene Texte „reagieren“, indem sie diese aufgreifen, ausarbeiten, zitieren, verfremden, in Abrede stellen usw.115 Aufgabe dieses Unterpunktes ist es, den Pool möglicher „Prätexte“ zu skizzieren und deren Tragfähigkeit bei der Interpretation der Verklärungsperikope zu prüfen, ist doch von der begründeten Annahme auszugehen, dass auch eine Erzählung wie Mk 9,2–8 kaum „in einem Vakuum existiert, sondern auf andere Texte … bezogen ist“.116 1.5.1 Die Deutung der Verklärungsperikope vor dem Hintergrund von Ex 24/34 Der in Mk 9,2–8 vorliegende Text bietet eine hohe Zahl an biblischen und jüdischen Erinnerungen und Assoziationen, ohne dass ein einheitliches Deutemuster zu erkennen wäre. Immer wieder finden sich einzelne Motive, die miteinander kompatibel sind, während sich zugleich eine Vielzahl an113
Begriff von G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1086. Für den markinischen Prolog vgl. z.B. H.-J. K LAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 47. 115 Vgl. H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 47. 116 Mit B. J ANOWSKI, „Verstehst du auch …“, 161. 114
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derer Motive findet, die nicht in ein gewähltes Deuteschema passen. Die erste traditions- und motivgeschichtliche Referenz ist – trotz immer wieder vorgelegter Infragestellungen – die Sinai-Mose-Typologie von Ex 24/34 und die Rezeption dieser Texte im hellenistischen Judentum. An diesen Traditionsstoff wird der biblisch orientierte Hörer/Leser bei der Rezeption von Mk 9,2–8 zuerst gedacht haben. Diese Texte stellen m.E. den „Deutehorizont“ dar, der es ermöglicht, Jesus in den Farben des neuen, eschatologisch entscheidenden Mose zu malen und von daher das Christusereignis „von der Schrift her“ zu verstehen.117 Anders als Mose kommt der markinische Jesus jedoch nicht auf der Seite der Geschöpfe zum Stehen, sondern aufseiten Gottes, was durch die Gottes-Sohn-Prädikation in 9,7, aber auch durch die wahrscheinliche Allusion an Ex 34,35 LXX in Mk 9,4 deutlich wird, wonach Elija und Mose mit Jesus reden, wie Mose mit Gott gesprochen hat.118 Die bewusste Durchbrechung der Mosetypologie ist christologisch intendiert. So ist danach zu fragen, inwieweit sich Mk 9,2–8 als Relecture dieser Texte unter neuen, christologischen Vorzeichen verstehen lässt. J. Zumstein zufolge liegt ein Prozess der Relecture vor, „wenn ein erster Text die Bildung eines zweiten Textes hervorruft und wenn dieser zweite Text seine volle Verständlichkeit erst im Bezug zum ersten Text gewinnt“.119 Bei einer „Situation der Relecture“120 sind deutliche Berührungen wie auch Differenzen per se zu erwarten. Diese Bedingungen sind m.E. in Mk 9,2–8 mit Blick auf die Exodustradition Ex 24/34121 gegeben.122 117 Vgl. zum Prozess der Relecture im christologischen Erkenntnisprozess die Überlegungen bei B. JANOWSKI, „Verstehst du auch …“, 183. 118 Zur sprachlichen Parallelität von Ex 34,35 LXX (UWNNCNGKPCWXVY^) und Mk 9,4 (MCK J UCPUWNNCNQWPVGLVY^ 8,JUQW) vgl. die Einzelversanalyse zu Mk 9,4 in Kapitel 2 (3.7.2) dieser Studie. 119 Vgl. J. ZUMSTEIN, Prozess der Relecture, 395.404. Sein Schüler A. DETTWILER [Gegenwart des Erhöhten, 46–52] hat folgende idealtypische Regeln des Paradigmas Relecture übersichtlich zusammengestellt: 1. Die Relecture ist als intertextuelles Phänomen zu begreifen, das als solches sowohl in synchroner als auch diachroner Hinsicht zu untersuchen ist – 2. Der Rezeptionstext steht zum Bezugstext in Beziehung und hält an dessen Gültigkeit fest – 3. Relecture vollzieht sich in der Doppelbewegung von explizierender Rezeption und Akzentverlagerung – 4. Der Rezeptionstext ist von Anfang an als solcher konstruiert worden – 5. Ursache des Phänomens der Relecture kann sowohl ein innertheologisches Bedürfnis nach Explikation als auch eine neu eingetretene geschichtliche Situation sein. 120 J. ZUMSTEIN [Prozess der Relecture, 399f.] verdeutlicht dieses Phänomen am Verhältnis zwischen 1 Joh und dem vierten Evangelium. 121 Die erste systematisch zu nennende Ausarbeitung der These der Übertragung von Mosezügen auf Jesus legte D.F. STRAUß vor [Leben Jesu II, 270–274], der die MoseJesus-Typologie als Schluss a minori ad maius wertet und dazu das Motivinventar des „Prätextes“ und der „Überbietungsgeschichte“ auswertet. Sehr optimistisch auch H.-P. MÜLLER, Verklärung Jesu, 58: „Dies ist nichts als die christologische Abwandlung eines
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Je nach Vertrautheitsgrad mit den atl. Vorlagen wird der Leser/Hörer eine direkte Anspielung, zumindest jedoch „eine bestimmte Stimmung im Text vermittelt“123 bekommen, die an Ex 24/34 zurückdenken lässt. Das Interesse des Erzählers, Jesus und Mose nebeneinanderzustellen mit einer starken christologisch-überbietenden Tendenz, ist nicht abzuweisen.124 Damit rücken die Exoduskapitel, die vom Aufstieg und Abstieg des Mose berichten, als narrative Strukturgeber in den Fokus exegetischen Bemühens.125 uralten Stoffes.“ In neuerer Zeit vgl. A. DEL AGUA, Narrative of the Transfiguration, 347.352 mit Anm. 52: Die „Transfiguration“ des Mose (Ex 34) bilde „the narrative pattern“ (kursiv im Original, A.W.), die Mk 9,2–8 zugrunde liege. B.D. C HILTON [Transfiguration, 122] formuliert gar den kategorischen Satz: „At the level of tradition and redaction, it is beyond reasonable doubt that the Transfiguration is fundamentally a visionary representation of the Sinai motif of Exod. 24.“ (kursiv im Original, A.W.). Positiv aufgenommen bei C.R. MOSS, Exercise in Markan Accommodation, 72. So auch J. MARCUS, Way of the Lord, 82; W.R. STEGNER, Use of Scripture, 115. Vgl. auch H. GESE , Bedeutung Elias, 148; W. W ILLIAMS, Transfiguration I, 22–25. Vgl. auch G. S ELLIN, Leben des Gottessohnes, 245: Im Hintergrund der markinischen Verklärungsperikope „steht die Sinai-Tradition in ihrer hellenistisch-jüdischen Fassung“. 122 Ex 24 erzählt, dass Mose mit Aaron, Nadab und Abihu auf den von einer Wolke bedeckten Berg Sinai steigt und am siebten Tag seines Aufenthaltes von Gott gerufen wird. Beim Abstieg vom Gottesberg (Ex 34) beginnt sein Gesicht zu strahlen. Mit dieser Exodustradition stimmen die explizite Benennung dreier Begleiter und die Himmelsstimme in Mk 9,7 grundsätzlich überein, die in Anlehnung an Dtn 18,15 LXX dazu auffordert, auf Jesus, den entscheidenden eschatologischen Propheten, zu hören (CXMQWGVG CWXVQW). Doch sind ebenso die nicht zu verkennenden Differenzen zu beachten: Die Verwandlung des Mose in Ex 34 wurde sichtbar, nachdem Gott mit ihm gesprochen hatte, und war nicht auf den Augenblick begrenzt. Die Wolke ist zudem nicht spezifisch genug, um sie allein der Sinaitradition zuzuordnen, ist sie doch ein gemeinbiblisches Motiv der Gegenwart Gottes oder dient als „Vehikel zwischen Himmel und Erde“. Vgl. nur Mk 13,26 par.; 14,62 par.; Apg 1,9; 1 Thess 4,17; Offb 1,7; 10,1; 11,12; 14,14 u.a. Mit S. LÉGASSE, Art. PGHGNJ In: EWNT II (21992), Sp. 1140. Vgl. ferner S.H. RINGE, Luke 9:28–36, 89; L. SABOURIN, Biblical Cloud, passim. Mose wurde nicht allein von den drei oben genannten Personen begleitet, sondern ebenso von den 70 Ältesten. 123 Ausdruck orientiert an D. LÜHRMANN, Markus 14.55–64, 457. 124 Mit J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 239. 125 Die weitestgehende Verfechtung einer Mk 9,2–8 zugrunde liegenden Mosetypologie findet sich bei J. MARCUS, Way of the Lord, 80–93. Vgl. ferner K. B ERGER, Theologiegeschichte, 639f.; DERS., Verklärung Jesu, 5f.; H. GESE, Bedeutung Elias, 148; J. GNILKA, EKK-Mk II, 32; J. JEREMIAS, Art. /YWUJL In: ThWNT IV (1942), 873; M. MACH, Christus Mutans, 184 mit Anm. 38; H.-P. M ÜLLER, Verklärung Jesu, 58; J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 161f.238–249; R. P ESCH, HThK-Mk II, 72–76; A.F. SEGAL, Heavenly Ascent, 1372. Eine Bestreitung einer solchen Typologie findet sich mit je unterschiedlicher Gewichtung z.B. bei R.H. GUNDRY, Mark, 475f.; M. ÖHLER, Verklärung, 202–204; D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 312f.; DERS., Verwandlung Jesu, 112f. A.D.A. MOSES [Matthew’s Transfiguration Story, 45–49] gibt zu bedenken, dass die Mosetypologie bei Markus – anders als bei Matthäus – „debatable“ ist. Ähnlich deutet D. LEE [Transfiguration, 38–64] in der Analyse von Mt 17,1–9 die Matthäus-Pa-
1. Einleitung und Problemhorizont
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Gestaltungsprinzip und Intention der Transfigurationserzählung können von daher erklärt werden. Der Seitenblick auf 2 Kor 3,7–18 offenbart zudem, dass in den frühesten christlichen Gemeinden ein Midrasch über Ex 24/34 gelebt zu haben scheint.126 Das AT erzählt, dass Mose mit Aaron, Nadab und Abihu auf den Gottesberg Sinai steigt (Ex 24,1.9).127 Das Buch Exodus weiß weiter davon zu erzählen, dass der Berg sechs Tage lang von einer Wolke bedeckt worden ist (Ex 24,16), aus der Gott am siebten Tag Mose zu sich ruft. Auf dem Berg wird eine Verwandlung initiiert, die beim Herabstieg den Israeliten offenbar wird (Ex 34,29–35). Auch das Motiv der überschattenden Wolke (Mk 9,7a) findet sich in Exodus-Tradition.128 Die Zielsetzung der Perikope wäre dann der Erweis Jesu als des neuen Mose und des entscheidenden eschatologischen Propheten.129 Jesus wird durch die aufgezeigten Motivanrallele vor dem Hintergrund von Ex 24/34, während sie sich in der Analyse von Mk 9,2–8 [a.a.O., 9–37] dahingehend zurückhält. Vgl. auch DIES., On the Holy Mountain, 145f. 126 Vgl. dazu H. SCHÜRMANN, HThK-Lk I, 556. Ferner A. DEL AGUA, Narrative of the Transfiguration, 348. Zur Bedeutung der Mosetypologie für die Entwicklung der „hellenistisch-judenchristlichen“ und „hellenistisch-heidenchristlichen“ Christologie vgl. insbesondere D. GEORGI, Gegner des Paulus, 216–218. 127 Vgl. z.B. J. EAPEN, Transfiguration, 195. Obgleich Ex 24 und 34 von zwei zu differenzierenden Bergaufstiegen des Mose erzählen, lässt sich im Frühjudentum die Tendenz nachweisen, beide Bergaufstiege zusammenzuführen. Vgl. dazu Pseudo-Philo, LibAnt 11f. 128 Die Wendung PGHGNJGXRKUMKC\QWUCin 9,7a ist ein recht deutlicher Anklang an Ex 40,35 (Q=VKGXRGUMKC \GPGXR8CWXVJPJB PGHGNJMCK FQZJLMWTKQWGXRNJUSJJB UMJPJ), der sich zudem in charakteristischer Weise mit dem ebenso in Mk 9,2–8 verarbeiteten Zeltmotiv verbindet. 129 Dass das MkEv auf mit bestimmten Personen der atl. Heilsgeschichte zusammenhängende Motive zurückgreifen kann, um diese christologisch dienstbar zu machen, dürfte bereits aus der atl. Züge tragenden Versuchungsszene in Mk 1,12f. deutlich hervorgehen, in der Jesus in den Farben des neuen – im eschatologischen Frieden mit der Natur lebenden – Adam gezeichnet wird. Vgl. dazu z.B. J. ERNST, RNT-Mk, 46; R. P ESCH, HThK-Mk I, 95f.; Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 152.154. Die Intention des MkEvangelisten, mit dem Auftreten Jesu die für die Endzeit erwarteten Ereignisse in die Gegenwart Jesu zu verlegen, ist offensichtlich. Vgl. dazu D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 58. Dazu bedient sich der Evangelist der Adam-Jesus-Typologie. E. GRÄßER [-$, +0/(6$6903+4,90, 152] formuliert dazu (zustimmend und H.G. LEDER, Sündenfallerzählung, 190 ablehnend): „… in der neuesten Markus-Exegese ist sie [scil. Die Adam-Jesus-Typologie] zur Standardauslegung geworden“. Skeptisch zeigt sich hierbei D.S. DU TOIT, a.a.O., 58 Anm. 160. Der Evangelist legt eine Kombination von Motiven vor, wie sie dem Rezipienten aus Gen 1 bekannt sein dürften, verbindet diese zugleich mit der Verheißung des eschatologischen Friedens, den die Vision in Jes 11,6–8 (vgl. auch Jes 65,25; Hos 2,20; syrBar 73,6; TestNaph 8,4; Sib 3,785–795) verheißt. Zur Erwartung, dass der zweite Adam die Schöpfung heil machen wird, vgl. Röm 5,12–21; 1 Kor 15,21f.45. Die Wendung MCK QKB CIIGNQK FKJMQPQWP CWXVY^ (Mk 1,13) lässt zudem an das atl. Motiv der göttlichen Versorgung mit Manna und Wachteln in der Wüste den-
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
leihen an Ex 24/34 zunächst in der Position des eschatologischen Mose gezeichnet. Die Aussage in 9,7 bietet sodann den eigentlichen Quantensprung der Erzählung, der Jesus eindeutig aufseiten Gottes positioniert, was durch die autoritative Jüngerauswahl in 9,2 und die angesprochene Anspielung auf Ex 34,35, wonach Elija und Mose mit Jesus reden, wie Mose mit Gott gesprochen hat, erzähllogisch vorbereitet wird. Eine die christologische Prädikation vorbereitende Funktion hat – wie im Einzelnen zu zeigen sein wird – auch der verfehlte, da christologisch nivellierende Vorschlag des Petrus in V.5. Mit der aufgezeigten Lektüre der Verklärungsperikope vor dem Hintergrund von Ex 24/34 stimmt überein, dass der Erzählduktus auf die Himmelsstimme hin ausgelegt ist und die atl. „Reminiszenzen im Dienste der messianischen Proklamation Jesu“ stehen.130 Damit stimmt ferner die Beobachtung überein, dass die Verklärungserzählung von einer Tendenz der Überbietung des Mose durch Jesus geprägt ist. Nicht zufällig wird Jesus in Gegenwart des Mose als Sohn Gottes prädiziert. Im Gegensatz zu Mose ist die Verklärung nicht als Widerspiegelung göttlicher FQZC auf dem Gesicht Jesu konzipiert, sondern Ausdruck eigener Herrlichkeit, und anders als bei Mose wird nicht allein Jesu Gesicht „verklärt“, sondern in überbietender Weise seine gesamte Gestalt131, womit zugleich korrespondiert, dass der Anklang an Dtn 18,15 LXX in Mk 9,7 im bibelkundigen Leser sogleich Assoziationen an die Mosetradition erweckt. Wie die Kommunikation des Mose mit Gott auf dem Sinai zu dessen äußerer Veränderung führt (Strahlen des Gesichtes), so wird in Mk 9,2f. dieses Traditionsgut neu gelesen und modifiziert: Nicht mehr die Begegnung mit Gott ist es, die eine partielle Veränderung herbeiführt, sondern die Existenz Jesu als des in der Taufe mit dem göttlichen RPGWOCBegabten ist es, die eine vollständige, durch die Autorität Gottes (vgl. V.2c: OGVGOQTHYSJ) initiierte Verwandlung bedingt. Die Rezeption von Ex 24/34 erfolgt in Mk 9,2–8 nicht repetitiv, sondern innovativ.132 ken, vgl. Ex 16; Jos 5 und Dtn 8,2–4. Mit H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 56. In frühjüdischer Tradition ist ferner das Motiv der Versorgung Evas und Adams durch Engelsspeise zu nennen (vgl. VitAd 4), die mit dem Sündenfall beendet ist (vgl. VitAd 2; ApkMos 27, vgl. auch TestNaph 8,4.6). Ähnlich wie bei der Verklärungsgeschichte (Mosetypologie) setzt der Erzähler hier voraus, dass der Rezipient aufgrund seines Vorwissens die Erzählung in Bezug zu den atl. Vorlagen setzen kann, wobei die Versuchungserzählung wie auch die Verklärungsgeschichte den Gesetzen der Relecture gemäß in Anlehnung und Abgrenzung zu den Vorlagen platziert werden: Jesus ist der neue Adam, der jedoch mittels seiner Führung durch das göttliche RPGWOCder Versuchung in der Wüste nicht erliegt. Das von J. DECHOW [Gottessohn, 71] vorgelegte Argument gegen eine Adam-Christus-Typologie, „daß eine solche Typologisierung im weiteren Evangelium keinerlei Rolle spielt“, überzeugt nicht. 130 Gut bei D. SÄNGER, „Von mir hat er geschrieben“, 123. 131 Vgl. für viele J. EAPEN, Transfiguration, 204. 132 Begriff übernommen von S. PELLEGRINI, Elija, 325.
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Der Vorschlag des Petrus zur Errichtung dreier Zelte (Mk 9,5) wird – wie die entsprechende Einzelversanalyse ergeben wird – seitens des Erzählers zumindest auch deshalb kritisiert, weil er auf eine theologische Äquivalenz Jesu mit den genannten Himmelsbewohnern hinausläuft.133 Im Falle einer Errichtung dreier UMJPCK käme es zu einem auf gleicher Stufe anzusiedelnden Leben und Lehren dreier voneinander unabhängiger Himmelsbewohner, was für das MkEv als eine theologische Unmöglichkeit zu erachten ist. Die Aussage der Himmelsstimme in V.7 ist daher als eine göttliche Korrektur eines theologisch abwegigen Vorschlags des Petrus zu interpretieren. Die Annahme einer christologischen Transformation einer zugrunde liegenden Mose-/Sinaitradition bietet hervorragende Interpretationsansätze, hat aber – wie nun zu zeigen ist – ebenso ihre Grenzen, die es als unangebracht erscheinen lassen, die Verklärungsperikope exklusiv vor dem Hintergrund von Ex 24/34 LXX zu interpretieren. Gewöhnlich werden gegen die Annahme einer der Transfigurationsnarratio zugrunde liegenden Sinaitradition folgende Argumente ins Feld geführt 134: Die explizite Benennung Jesu als WKBQL SGQW könne nicht mit der Intention zusammengebracht werden, Jesus als neuen und eschatologisch entscheidenden Mose darzustellen. Dagegen spreche auch die Tatsache, dass Mose in Mk 9,4 zusammen mit Elija erscheint, sodass eine antithetische Parallelisierung Jesu mit Mose nicht die Intention des Verfassers sein könne. Das Erscheinen Elijas (Mk 9,4) bleibe bei Annahme einer Sinaitypologie theologisch unmotiviert. Zudem sei die „Verwandlung“ des Mose Folge der Konversation mit Gott, während die Metamorphose Jesu dem göttlichen Wort in Mk 9,7 vorangeht.135 Die von Jesus aus133
Vgl. vorab K. B ERGER, Verklärung Jesu, 4. Vgl. dazu z.B. E. B EST, Transfiguration, 218f.; U. LUZ, EKK-Mt II, 507; H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 173–178; D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 312f.; DERS., Verwandlung Jesu, 112f. 135 Vgl. für viele J.P. HEIL, Transfiguration, 92. In Heils „Conclusion“ im Anschluss an das Kapitel vier „Jesus’ Transfiguration“ (92f.) mischen sich m.E. richtige Erkenntnisse mit unzulässigen Alternativen und fragwürdigen Deutungen: Während über seine Position, wonach „Jesus’ transfiguration … not an internal self-transformation, but an external transformation effected by God“ sei, Einigkeit zu erzielen sein wird, überrascht seine radikale Absage an die Position, wonach die Transfiguration als „revelation“ oder „disclosure“ zu deuten ist. Leider verzichtet Heil auf eine Erklärung dieser Position. Stattdessen betont er den selbstevidenten Sachverhalt, dass Jesu Bergaufstieg keine Himmelfahrt bedeute, sodass die Verklärung auf der Erde geschieht. Ebenso schwach sind die Argumente, die eine Sinaitypologie in Abrede stellen. Sie postulieren entgegen allen Gesetzen der Relecture eine exakte Motivübertragung, die als solche nicht Intention des MkEv sein konnte. Unverständlich ist der Satz „The ‚glorification‘ of Mose on Mount Sinai did not occur in an epiphany“. Aufgrund der unvergleichlich höheren theologischen Dignität Jesu kann eine solche Deutung aus der Mose-Vita per se nicht in der Intention des MkEv gelegen haben. Im Gegenteil: Die Epiphanie, als die die Transfigurationserzählung anzusprechen ist, bedient sich ausgewählter Motivelemente aus Ex 24/34. Ebenso unverständlich ist der Einwand, dass im MkEv die Transfiguration der Erschei134
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strahlende FQZCist nicht wie im Fall des Mose der Widerschein der Herrlichkeit Gottes, sondern muss als „die ihm eigene Doxa“ angesprochen werden.136 Zu diesen grundsätzlichen Bedenken fügt sich die Beobachtung, dass manche Einzelheiten der Erzählung nicht mit Ex 24/34 vereinbart werden können.137 Ebenso sei das Motiv der Wolke nicht spezifisch genug, eine Analogie zu konstatieren, da es sich hierbei um ein im biblischen Denken weitverbreitetes Symbol göttlicher Gegenwart handele (vgl. nur Ex 40,34–38; 1 Kön 8,10f.). Ein fundamentaler Unterschied zwischen der Darstellung des Mose in Ex 24/34 und der Jesu in Mk 9,2–8 liege zudem darin, dass das spezifische Motiv des strahlenden Angesichtes des Mose in Mk 9,2–8 gerade fehle und erst von Matthäus und Lukas – wohl einer gemeinantiken Topik folgend138 – ergänzt worden sei. Zudem werde das Strahlen des Mose erst beim Bergabstieg sichtbar, während in der markinischen Darstellung die „Ansprache“ Gottes in 9,7 und das Leuchten der Kleider Jesu zeitlich koinzidieren.
Die referierten Einwände gegen eine Lektüre des Textes Mk 9,2–8 vor dem Hintergrund der Motivvorgaben aus Ex 24/34 sind als solche ernst zu nehmen und bei der Analyse zu berücksichtigen. Gleichwohl ist von vornherein die methodische Frage zu stellen, welche Übereinstimmungen einer Überbietungserzählung mit dem biblischen Prätext überhaupt zu erwarten sind, ist doch nicht eine exakte Motivübertragung die Intention des Textes, sondern die narrative Ausgestaltung einer christologischen Lehrerzählung. Kennzeichen typologischen Denkens ist nach G. Theißen, dass „[a]us der Vergangenheit stammende Erfahrungen“ zu „Analogien des Zukünftigen“ werden, wobei die „Zukunft … zugleich Wiederholung, Überbietung und
nung der beiden Himmelsbewohner vorangeht: Mose und Elija kommen nicht auf der Seite Gottes zum Stehen, sodass ihre Kommunikation mit Jesus in erzähllogischer Hinsicht nicht die Voraussetzung seiner Verwandlung sein kann, vielmehr sind die himmlischen Besucher mit dem eigentlichen Verwandlungsmotiv und der Wolke/Wolkenstimme ein zentrales Element der in Mk 9,2–8 vorliegenden Epiphanieerzählung und nicht deren Ursache. 136 So H. SCHÜRMANN, HThK-Lk I, 557. 137 Mose wird nach Ex 24,1.9 nicht allein von Aaron, Nadab und Abihu auf den Berg Sinai begleitet, sondern ebenso von den 70 Ältesten, was nach R. P ESCH [HThK-Mk II, 71] „eine öfter angenommene typologische Beziehung empfindlich stört“. So auch J.C. P OIRIER, Transfiguration, 518. Dagegen ist aber mit A. V ÖGTLE [Unnötige Glaubensbarrieren, 82] grundsätzlich einzuwenden, dass der „Mitaufstieg von siebzig Ältesten … in unserer Erzählung nicht zu erwarten“ ist. Es fällt auf, dass bereits Philo bei seiner Auslegung von Ex 24 die 70 Ältesten nicht erwähnt, vgl. Quaest in Ex II 27–29 – Die Verwandlung des Mose ist ein „lang anhaltendes“ Phänomen, während Jesus nur vorübergehend „verwandelt“ wird. – Nach Ex 24,16 empfängt Mose am siebten Tag die Offenbarung, nachdem die Wolke sechs Tage lang den Berg überschattet hat, während die Verklärung in Mk 9 tatsächlich auf den sechsten Tag zu datieren ist, wie in Unterpunkt 3.2 des zweiten Kapitels dieser Studie wahrscheinlich gemacht werden wird. 138 So J.E. FOSSUM, Ascensio, 84f. Vgl. z.B. Dan 10,6: VQ RTQUYRQP CWXVQW YBUGK Q=TCUKL CXUVTCRJL; Offb 1,16: JB Q[KL CWXVQW YBL QB J=NKQL HCKPGK GXP VJ^ FWPCOGK CWXVQW 10,1:MCK VQ RTQUYRQPCWXVQW YBL QB J=NKQL Ferner 4 Esr 7,97; ApkZeph 6,11; grHen 1,5; 19,1.
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Widerspruch zu den Analogien der Vergangenheit“ ist.139 So werden im konkreten Fall die Sinai-Motive im Hinblick auf die christologische Aussageintention assoziiert und verfugt. Jeder Versuch, den Text etwa in Richtung eines Midrasch der entsprechenden Exoduskapitel zu deuten, muss ins Leere laufen.140 Die Erzählung bleibt eine narratio sui generis, die sich vom Ansatz her nicht als Ganze durch einen literarischen Vergleich mit ähnlichen Texten erschließen lässt. Daher ist m.E. grundsätzlich davor zu warnen, den wertvollen Ansatz einer vergleichenden Lektüre von Mk 9,2– 8 vor dem Hintergrund von Ex 24/34 vorschnell fallen zu lassen. Unzweifelhaft ist, dass die Mosetypologie in der matthäischen Redaktion konsequenter ausgearbeitet wird und exegetisch allgemein anerkannt ist.141 Die Art der literarischen Verarbeitung durch den Seitenreferenten Matthäus offenbart dessen Verständnis des ihm vorliegenden Markustextes, in dem er unzweideutig Sinai-/Exodusanklänge vorgefunden zu haben scheint. Angesichts dieses Phänomens sollte daher hinsichtlich des Mk-Textes von einer „Unbestimmtheit des Anfangs“142 gesprochen werden, in der die christologischen Denkprozesse in vollem Gange und exakte begriffliche Definitionen vom Ansatz her nicht zu erwarten sind. Die Rezeptionsgeschichte ist daher von vornherein bei der Exegese von Mk 9,2–8 zu berücksichtigen. Der systematische Ausschluss der Tatsache, dass die Sinaitypologie der „direkte[n] Absicht des Evangelisten“143 entspricht, wäre m.E. exegetisch nicht statthaft, da nicht zuletzt der kumulative Effekt der einzelnen Sinaibezüge144 in die auch in dieser Studie anvisierte Richtung verweist. Dabei sollte aber nicht ausgeschlossen werden, dass die „Balance“ des markinischen Textes theologisch intendiert ist. Der Text sendet m.E. zwei unterschiedliche Signale aus: 1. Das auffällige Zeitsignal OGVCJBOGTCLG=Z, der esoterisch anmutende Aufstieg ausgewählter Persönlichkeiten, der hohe Berg, Mose, die Wolke und die Stimme Gottes sind Elemente, die zur Lektüre der Verklärung Jesu vor dem Hintergrund der Sinai-/Mosetradition in Ex 24/34 einladen. 2. Zugleich fordert der Text durch die oben zusammengestellten „Widersprüche“ eine Abgrenzung von der entsprechenden Sinai-/Mosetradition ein.145 Der biblisch geschulte Leser wird im Lektürevorgang durch eine
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Mit G. T HEIßEN, Neutestamentliche Überlegungen, 125. Mit B.D. CHILTON, Transfiguration, 122. 141 Vgl. z.B. P. DABECK, „Siehe, es erschienen“, 175. 142 So H.-J. KLAUCK [„Vorspiel im Himmel?“, 110] im Hinblick auf die mk Christologie mit Verweis auf H. P AULSEN, Unbestimmtheit des Anfangs, passim. 143 Mit K. BERGER, Verklärung Jesu, 6. 144 Gut bei T.L. DONALDSON, Jesus on the Mountain, 143. 145 Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 221. 140
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„Empfindung von Andersheit“146 irritiert und dadurch zu einer gründlichen Lektüre angespornt. Für beide Signale gilt aber, „daß die Bibel Israels der ‚maßgebliche Sprach- und Auslegungshorizont‘ für die Artikulation des Christusgeschehens ist“, sodass auch die Erzählung von der Verklärung „‚im Horizont der religiösen Erfahrung Israels‘“147 zu deuten ist. Dieser Horizont wird angesichts von Mk 9,2–8 m.E. durch die entsprechenden Vorgaben aus Ex 24/34 abgesteckt, sodass die „Aussageintention“ dieser ntl. Perikope „ohne ständiges Mitlesen des Alten Testaments nicht erfasst werden kann“.148 Mittels der Aufnahme vorgeprägten traditionellen Materials in Verbindung mit einer bewussten Durchbrechung werden die „Schriftgemäßheit“ wie auch die Analogielosigkeit des Christusereignisses in gleicher Weise kommuniziert. Eine zentrale Intention dieser Arbeit ist es, der Frage nachzugehen, wie Ex 24/34 im hellenistischen Judentum rezipiert worden ist und inwieweit diese Rezeption den Wurzelboden der narratio präpariert haben könnte, die uns nun in Mk 9,2–8 vorliegt.149 Das Bergabstiegsgespräch (Mk 9,11–13) mit dem Postulat der Leidensnotwendigkeit auch des wiederkommenden Elija lässt zudem die Frage danach akut werden, inwieweit durch die Eintragung des Elija die Leidensproblematik in der Transfigurationserzählung platziert wird und wie diese mit dem Interesse des Markus an der Gestalt des Täufers Johannes zu verbinden ist. Wie in etwa bei der umfangreichen Rezeption von Wundergeschichten ist auch hier davon auszugehen, dass der Verfasser im Zuge der Biographisierung dieser narratio sui generis das ihm vorliegende Traditionsgut nicht unkritisch übernommen, sondern gekonnt seiner Theologie dienstbar gemacht und „in die Flucht der Passion, des Versagens der Jünger und der Verkündigung der Gottesherrschaft“150 eingereiht hat.
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Begriff von G. ZUNTZ, Heide, 207 (kursiv von mir, A.W.) Mit H.-Chr. KAMMLER [Verständnis der Passion, 464] im Hinblick auf die markinische Passionsgeschichte, darin ein Zitat von B. J ANOWSKI, „Verstehst du auch …“, 158.160.171. Vgl. auch G. T HEIßEN, Neutestamentliche Überlegungen, 127. 148 Vgl. zu diesem Gedanken die grundsätzlichen Überlegungen bei B. JANOWSKI, „Verstehst du auch …“, 157. 149 Die von A. DEL AGUA [Narrative of the Transfiguration, 352] postulierte These, wonach die ideegeschichtliche Basis der Erzählung exklusiv „in the Jewish intellectual milieu and not in the Hellenistic milieu“ zu suchen sei, ist abzulehnen, da sie eine unzulässige Alternative forciert: Die Transformation biblischer Vorgaben seitens des hellenistischen Juden- und Judenchristentums im Rezeptionsbereich der paganen Welt ist in unserem Zusammenhang von besonderem Interesse. Bei del Agua führt diese unzulässige Alternative zu dem an keiner Stelle begründeten Postulat, dass der Ursprungsort der Verklärungsperikope „a Christian derashic school of Palestinian origin“ (a.a.O., 353) sein müsse. 150 Formulierung von H. P AULSEN, Unbestimmtheit des Anfangs, 26. 147
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Mit weiten Teilen der neueren postredaktions- und postformgeschichtlichen Markusforschung wird in dieser Studie nicht davon ausgegangen, dass uns im MkEv ein vergleichsweise lockeres Konglomerat theologischer Themen und Einzelperikopen vorliegt, sondern dass eine Theologie in der Form der Erzählung präsentiert wird, die sich einem distinkten literarisch-kompositorischen Gestaltungswillen eines profilierten Theologen verdankt.151 Daher ist zugleich darauf zu bestehen, dass die Verklärungserzählung ein theologisch-kerygmatisches Interesse verfolgt und sich somit dagegen verwehrt, in historisierender oder psychologisierender Weise vereinnahmt zu werden. Zielsetzung des Textes ist es, dem Rezipienten in narrativer Weise die wahre Bedeutung Jesu, des Sohnes Gottes, des entscheidenden Interpreten der Mosetora, auf den unbedingt zu hören ist, nahezubringen. In komprimierter Weise kann daher von einer theo-logisch fundierten christologischen Legitimationserzählung gesprochen werden. Dieser Forschungsansatz wird zudem durch folgende Überlegung nahegelegt: Die im MkEv vorzufindende Tendenz, dass der Gotteswille den Menschen durch die Auslegung Jesu kenntlich wird152, findet in Mk 9,7 eine radikale Verdichtung. Jesus wird in der Verklärungsperikope in den Farben des Mose153 gezeichnet, auf den zu hören ist, den er jedoch deutlich 151
Vgl. stellvertretend für die neuere Markusforschung z.B. H.-Chr. K AMMLER, Verständnis der Passion, 465. 152 Vgl. die markante Formulierung bei E. SCHWEIZER, Theologische Leistung, 341: „Markus proklamiert, was nur dem Glauben verständlich ist: daß im Lehren Jesu Gott selbst in diese Welt eingebrochen ist.“ Mit dieser Frage ist das Gesetzesverständnis des MkEv eng verknüpft. Vgl. dazu insbesondere die Interpretation des Imperativs der Wolkenstimme CXMQWGVGCWXVQW(V.7d) in Kapitel 2 (3.9.5) dieser Studie. 153 Vgl. zum Gesamtkomplex z.B. G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 162. Der von M. ÖHLER [Elia im NT, 120 mit Anm. 55] vorgebrachte Einwand, dass Jesus im MkEv sonst an keiner Stelle als Anti-Typos des Mose erscheint, kann m.E. kaum als überzeugender Einwand gegen eine Lektüre der Verklärungsperikope vor dem Hintergrund der Mosetradition gewertet werden. Zunächst ist auf die markinische Tendenz zu verweisen, in den rezipierten Wundertraditionen „Jesus als den Prophet wie Mose (Dtn 18,15.18) darzustellen“. Überzeugend bei D.S. DU T OIT, „Gesalbter Gottessohn“, 44, der zudem plausibel dargestellt hat, dass die markinischen Wunderberichte nicht zuletzt die Funktion haben, Jesus als einen Propheten wie Mose (Dtn 18,15.18) zu präsentieren. Zu nennen ist insbesondere die Macht über das Wasser (Mk 4,35–41; vgl. Ex 14,22f.26f.; vgl. dazu auch die Ausführungen bei D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 95), aber auch die „wunderbaren Speisungen“, die im MkEv als „typologische Wiederholungen der Speisungen der Wüstenzeit“ erzählt werden (vgl. 6,30–44; 8,1–9/vgl. Ex 18,21.26; Num 13,14 u.a.). Mk 6,34 (Q=VKJ UCPYBLRTQDCVCOJ GEQPVCRQKOGPC) bietet eine explizite Anspielung auf Num 27,17 und zeichnet Jesus in den Farben eines Hirten Israels, wie es Mose war. Vgl. auch D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 100f. Ist der Einwand Öhlers bereits von daher nicht überzeugend, so fällt noch schwerer die Tatsache ins Gewicht, dass die Verklärungstradition eine vom Mk-Evangelisten übernommene und nahtlos biographisierte eigenständige Überlieferung ist, die bereits vormarkinisch lebens- und tradier-
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übertrifft154, sodass der eigentliche Wille Gottes durch Jesu verbindliche Gesetzesinterpretation allererst deutlich wird.155 Der Wille Gottes und die rechtsverbindliche Auslegung Jesu treten an keiner Stelle auseinander, die Souveränität der Setzung von Normen durch Jesus ist aber rückgebunden an den umfassenden Willen Gottes.156 Der oben skizzierte Einwand, wonach eine antithetische Parallelisierung von Jesus und Mose allein deshalb nicht vorliegen könne, da Jesus in V.7 als Sohn Gottes tituliert werde, verkennt, dass es gerade diese Position Jesu ist, die ihn zur authentischen und endgültigen Interpretation des mosaischen Gesetzes berechtigt. Zudem findet die an zahlreichen Stellen des MkEv verifizierbare Tendenz, dass gerade die Fragen der Auslegung des Gotteswillens durch Jesus den Unmut der religiösen Autoritäten fördern, die letztlich zu seiner Verurteilung und Tötung führen, im Übergang von fähig war. Zudem bieten sich auf der Ebene des markinischen Makrotextes hinsichtlich der Interpretation von Mk 9,2–8 diejenigen Textpassagen besonders an, in denen von der verbindlichen Gesetzesinterpretation Jesu die Rede ist. Hier wird Jesus durchaus in der Position des Mose gezeichnet, den er durchgängig übertrifft. Damit ist die GXZQWUKC Konzeption des MkEv eng korreliert. Eine Mose-Jesus-Typologie vollkommen in Abrede zu stellen, ist ausgehend von diesen Textbezügen m.E. unglaubwürdig. 154 Der narrative Duktus der Transfigurationsnarratio geht deutlich in Richtung einer Überbietung. Das Erscheinen des Mose in V.4 macht zugleich klar: Jesus ist nicht Mose. Er ist der Mittelpunkt der himmlischen Gesellschaft, als der er dann explizit in V.7 benannt wird. Richtig bei W.R. S TEGNER, Use of Scripture, 114. 155 Der im MtEv konsequent ausgearbeitete christologische Zugang zur Mosetora liegt bereits im MkEv unübersehbar vor. Mk 9,7 dürfte dahingehend zu deuten sein, doch ist auf Stellen zu verweisen, die dem vorarbeiten. Als Beispiel kann auf die in Mk 7,1–23 vorgelegte Diskussion über die pharisäische Reinheitshalacha verwiesen werden. Der vonseiten der Pharisäer und Schriftgelehrten gegen Jesus gewandte Tadel in Mk 7,5 (FKC VK QWX RGTKRCVQWUKP QKB OCSJVCK UQW MCVC VJP RCTCFQUKP VYP RTGUDWVGTYP CXNNC MQKPCKL EGTUKP GXUSKQWUKP VQP CTVQP{) wird „qua Analogiefall (Mk 7,9–13)“ in eine „grundsätzliche Kritik“ an der RCTCFQUKL WBOYP überführt. Dazu kombiniert Jesus das dem Dekalog entnommene Elterngebot aus Ex 20,12/Dtn 5,16 mit Ex 21,17/Lev 20,9 (QB MCMQNQIYP RCVGTCCWXVQW J OJVGTCCWXVQW VGNGWVJUGK SCPCVY^). Die Korban-Praxis wird als unvereinbar mit dem Wort Gottes gekennzeichnet. Aus der Tatsache, dass Jesu Interpretation des Gesetzes mit der Formel /YW"JL ICT GK RGP eingeleitet wird, geht hervor, dass die Reinheitsfrage, die Anlass des Streitgespräches war, „allein auf der von Jesus anerkannten“ Ebene zu entscheiden ist, sodass er allein „zum authentischen Interpreten der Mosetora“ erklärt wird. Vgl. dazu D. SÄNGER, „Von mir hat er geschrieben“, 119f. Eine Anwendung des göttlichen Befehls aus Mk 9,7 bietet die „schriftgelehrte“ Diskussion in Mk 9,11–13. Jesus setzt dabei dem FGK der ITCOOCVGKL seine eigene Interpretation derITCHJ entgegen, die als solche für den Rezipienten entscheidend ist. Jesus zeigt sich damit als in die eschatologischen Pläne Gottes eingeweiht (trotz 13,32) und bestätigt die unbedingte und kontinuierliche Relevanz des göttlichen Imperativs CXMQWGVGCWXVQW(Imperativ Präsens!) aus Mk 9,7. Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 225. 156 Mit G. GUTTENBERGER [Gottesvorstellung, 162] gegen den Duktus der Interpretation bei P.-G. KLUMBIES, Mythos bei Markus, 160f.: Jesus „als normsetzende Autorität“.
1. Einleitung und Problemhorizont
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der eigentlichen Verklärung zum Gespräch beim Bergabstieg einen deutlichen Widerhall: Unmittelbar auf die „intolerante“157 himmlische Aufforderung, exklusiv auf Jesu verbindliche Gesetzesinterpretation zu hören (V.7), folgt die Voraussage seiner Auferstehung, damit aber auch seiner Tötung (VV.9f.). Jesu autoritative Deutung des mosaischen Gesetzes wird so implizit als Ursache seiner Tötung benannt. Auch kann der immer wieder ins Feld geführte Einwand nicht überzeugen, dass bei Mose die Veränderung seines Gesichtes Folge seiner Begegnung mit Gott war, während Jesu Transfiguration der Unterhaltung mit den himmlischen Besuchern (V.4) und der Himmelsstimme (V.7) zeitlich vorangeht.158 Der markinische Jesus kommt nicht wie Mose aufseiten der Geschöpfe zu stehen, sondern gehört seit der Geistbegabung der Taufe auf die Seite Gottes. Die Verklärungserzählung verweist daher auf die Taufperikope, ohne die sie faktisch nicht zu verstehen ist. Während Jesus in den anderen Texten, die im MkEv als „Epiphanietexte“ anzusprechen sind – insbesondere die Tauf- und Sturmstillungsperikope (vgl. 1,9–11 bzw. 6,45–52) –, „in seiner normalen menschlichen Gestalt verbleibt“, wird er in 9,2–8 in einer transzendenten Erscheinungsform skizziert.159 Sollte sich das Passiv in V.2c zudem als Passivum divinum herausstellen, so wäre im Ansatz auf eine „Aktionseinheit“ von Gott-Vater und Sohn verwiesen, die den vorgebrachten Einwand obsolet werden lässt.160 Anders als bei Mose ist es die Jesus selbst zukommende FQZC, die erstrahlt. Dieser qualitative Unterschied zwischen Jesus und Mose im Hinblick auf die theologische Dignität ist zu beachten. Die Verklärungsperikope lehnt sich m.E. sehr wohl an Ex 24/34 an, arbeitet zugleich mit Verfremdung und Überbietung. Ex 24/34 bietet – ohne dass eine exakte Übertragung der verarbeiteten Motive auf Jesus erwartet werden kann – in verdichteter Form ein reiches Repertoire von Motiven und Erzählzügen, die in der Verklärungserzählung zur Beschreibung der theologische Überbietung des Mose durch Jesus Verwendung finden.161
157
So K. BERGER, Verklärung Jesu, 6. So z.B. nachdrücklich J.P. HEIL, Transfiguration, 79. Als Gewährsmann für diese Position führt er M. MACH [Christus Mutans, 184f.] an. 159 Mit A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 81. 160 Den Terminus „Aktionseinheit“ verdanke ich den Ausführungen von F. MUßNER, Ursprünge und Entfaltung, 97. Er dient bei Mußner zur Beschreibung des Übergangs von der „Prophetenchristologie zur Sohneschristologie“, wonach das Sohnesprädikat die notwendige Folge dieser im Jüngerkreis wahrgenommenen „Aktionseinheit Jesu mit Jahwe“ gewesen sei. Vgl. auch DERS., Anspruch Jesu, 38. 161 So im Grundansatz auch L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 214. 158
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
1.5.2 Jüdische und pagane Verwandlungsvorstellungen Bei aller Notwendigkeit eines intensiven Studiums der von Ex 24/34 ausgehenden Rezeptionslinien ist ebenso im Blick zu behalten, dass der Gedanke der Metamorphose nicht auf die Figur des Mose beschränkt werden kann. Das Verwandlungsdenken spielt sowohl in jüdischen als auch in paganen Texten eine herausragende Rolle. So wird dem Verwandlungsmotiv ein eigenes Kapitel zu widmen sein.162 An dieser Stelle soll es genügen, auf die Vielfalt des antiken Verwandlungsdenkens zu verweisen163: Neben der bereits angesprochenen Verwandlung als Folge göttlicher Offenbarung (Ex 34; LibAnt 12,1; 19,16) ist auf die Verwandlung des Mose und des Abraham als Folge des prophetischen GXPSQWUKCUOQL hinzuweisen (Philo VitMos II 66–70; Virt 212–219), die Verwandlung der Aseneth als Ausweis der vollzogenen Konversion (JosAs 18,9), die „Verwandlung“ des Isismysten als Zeichen persönlicher Vervollkommnung (Apuleius Met. XI 23f.), die propädeutische Verwandlung der Töchter Hiobs beim Empfang der himmlischen Gürtel vor dem Offenbarungsempfang (TestHiob 48–50), die „Verwandlung“ der Märtyrer unter der Folter (4 Makk 7,13; 9,21f.: Eleazar; sieben Brüder), auf die vorübergehende Verwandlung des Jesaja bei seiner Himmelsreise für den dortigen Offenbarungsempfang (AscJes 7– 9), auf die irreversible Verwandlung des Henoch in eine engelsgleiche Gestalt anlässlich seiner Aufnahme in die Welt des Himmels (slHen 22,8–10) und die eschatologische endgültige Verwandlung der Gerechten (syrBar 49–51, vgl. Dan 12,2f.) als Voraussetzung ihres Einzuges in die himmlische Welt. Dieser kurze Überblick offenbart bereits, dass die Verklärungsnarratio in ihrem Verwandlungsdenken auf eine gemeinantike Plausibilität rekurrieren konnte. 1.5.3 Die Verklärungsperikope und die Morijaerzählung (Gen 22) Nach jüdischer Tradition (vgl. TgJ I zu Gen 22,4; Qoh R 9,7 §1) lag eine Wolke über dem Berg Morija, auf dem Abraham seinen Sohn Isaak opfern sollte, womit auch das in der Transfigurationserzählung verarbeitete Motiv des WKBQLCXICRJVQLübereinstimmt (Gen 22,2.12.16).164 Diese biblische Geschichte, die ebenso ihre Spuren in der Taufperikope hinterlassen hat, bietet jedoch – nach übereinstimmender Meinung der Ausleger – nur einen entfernteren Bezugspunkt zur Verklärungsgeschichte, zumal die für Gen 22 zentralen Aussagegehalte praktisch inkompatibel mit Mk 9,2–8 sind. 162 Vgl. Kapitel 3: Verklärung – Metamorphose – Transfiguratio. Die Problematik des Verklärungsmotivs. 163 Die folgende Aufzählung orientiert sich hier an der überzeugenden Differenzierung bei F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 24–76. 164 Mit U. LUZ, EKK-Mt II, 507 mit Anm. 16.
1. Einleitung und Problemhorizont
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1.5.4 Die Verklärung als Inthronisationserzählung Kritisch zu hinterfragen ist die Anwendung des Modells „Inthronisation“ auf die Verklärungserzählung. Dieser Ansatz ist in der Mk-Exegese mit dem Namen Ph. Vielhauers verbunden. Die Kritik setzt besonders dort an, wo diese Deutung in Richtung des altägyptischen Thronbesteigungszeremoniells ausgearbeitet wird.165 Der Dreischritt der (1.) Erhöhung [Apotheose], (2.) Präsentation vor himmlischen Mächten und (3.) Übertragung der Herrschaft kann m.E. weder auf den markinischen Makrotext (1,11f.; 9,2–8; 15,39) noch auf den Mikrotext der Verklärungserzählung übertragen werden: Während das eigentliche Verwandlungsmotiv (Mk 9,2) unter Umständen mit der Erhöhung identifiziert werden könnte, kann bereits das Gespräch des Mose und des Elija mit Jesus kaum als eine Präsentation vor himmlischen Mächten gedeutet werden. Der persönliche Charakter des Gesprächs zwischen Jesus, Elija und Mose setzt die Assoziation einer gegenseitigen Bekanntheit frei, die mit einer angeblich intendierten „Präsentation“ grundsätzlich nicht zu vereinbaren ist. Die benutzte Constructio periphrastica (J UCP UWNNCNQWPVGL …) impliziert keinen Fingerzeig in Richtung einer „Präsentation“, sondern betont nur das Gespräch in seinem Verlauf, ggf. – wie bei der Einzelversanalyse von Mk 9,4 favorisiert werden 165
Dieser Ansatz ist von Ph. V IELHAUER [Erwägungen, 166–169] im Hinblick auf den Gesamtaufriss des MkEv forciert worden, der in Mk 1,9–11; 9,2–8 und 15,39 die drei Stufen der „Erhöhung“, „Präsentation“ und „Übertragung der Herrschaft“ zu erkennen glaubt. Es fällt jedoch auf, dass Vielhauer es beim Postulat dieses Sachverhaltes belässt, ohne seine Thesen hinreichend zu begründen. Die Deutung der Taufe als Adoption kann allein wegen der bewussten Auslassung von UJOGTQPIGIGPPJMC UGim zugrunde liegenden Ps 2,7 nicht überzeugen. Die das Gespräch zwischen Jesus, Mose und Elija auszeichnende „Vertrautheit“ bei gleichzeitiger Vorordnung Jesu lässt den Gedanken der Präsentation schwierig erscheinen, unabhängig von der dornigen Frage, ob man angesichts des MkEv bereits von einer Präexistenzchristologie in statu nascendi sprechen kann oder einer Geistchristologie den Vorzug gibt. Vgl. z.B. die vorsichtige Argumentation bei H.-J. KLAUCK „Vorspiel im Himmel?“, 110: Die „markinische Christologie“ erhalte „von der Taufperikope her einen kräftigen Akzent in Richtung auf eine Geist- und Taufchristologie hin“. Inwiefern das Bekenntnis des Centurio im Imperfekt hinreichend als „Inthronisation“ samt Übertragung der Weltherrschaft gedeutet werden kann, wird von Vielhauer leider nicht ausgeführt. Das sympathisch-kurze, wenngleich kritische Urteil von J. ERNST [RNT-Mk, 474] hinsichtlich des Ansatzes Vielhauers wird wohl zutreffen: „kaum mehr als nur ein geistreicher Einfall“. So überzeugend die Betonung von 1,9–11; 9,7 und 15,39 als kompositorische Säulen der Gesamterzählung ist, so kritisch stimmt die daraus abgeleitete Hauptthese Vielhauers. Eine Wiederholung der Anfragen an den Ansatz Vielhauers ist nicht notwendig. Vgl. dazu die überzeugenden Analysen bei M. F RENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 205–210. Vgl. ferner die Kritik bei Chr. ROSE , Theologie als Erzählung, 58; H. S TEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 102f.; G. T HEIßEN, Evangelienschreibung, 397f. mit Anm. 23. Zu den religionsgeschichtlichen Voraussetzungen der ntl. messianischen Christologie vgl. insbesondere den hervorragenden Aufsatz von H. MERKLEIN, Ägyptische Einflüsse, passim.
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
wird166 – mit einer gewissen „Emphase“ des Gesprächs an sich, nicht des Gesprächsobjektes. Ebenso kann die himmlische Stimme nicht dazu Verwendung finden, eine Machtübertragung an einen neu kreierten König zu gewährleisten, insofern die Verklärungserzählung auf den Makrotext angelegt ist und deutlich mit der Taufstimme, dem Centuriobekenntnis sowie mit zahlreichen anderen christologischen Bekenntnissen korrespondiert. Die Einzelversanalyse wird wahrscheinlich machen, dass die Verklärungsperikope ungleich besser zu interpretieren ist, wenn in ihr die Bestätigung dessen gesehen wird, was Jesus seit seiner Geistbegabung in der Taufe ohne Abstriche bereits ist. Von einer Königsmetaphorik im Hinblick auf Jesus kann keine Rede sein. In Verbindung mit der Tatsache, dass die Motive „Berg“, „Wolke“, „sechs Tage“ und „Hütten“ kaum oder gar nicht in dieses Modell integriert werden können, empfiehlt es sich, vollständig Abstand von diesem Erklärungsversuch zu nehmen. Ungeachtet dieser notwendigen Kritik an der präzisen Ausfaltung und der exegetischen Begründung seines Ansatzes, kommt Vielhauer das unbestreitbare und von der neueren Exegese allgemein anerkannte Verdienst zu, die drei „Gottessohn“-Stellen (1,11; 9,7 und 15,39) von anderen Stellen, an denen Jesus ebenso als „Sohn Gottes“ oder vergleichbar tituliert wird, abgehoben und in ihrer für das MkEv gleichsam kompositorischen Bedeutung herausgestrichen zu haben.167 Der Erzähler installiert mit der Gottesstimme in Mk 9,7 eine tragende Säule des mit Mk 1,1.9–11 eröffneten Erzählbogens.168 1.5.5 Die Verklärungsperikope und das Laubhüttenfest Die Erwähnung der UMJPCK in V.5 weckt Erinnerungen an das Laubhüttenfest, die zugleich durch die Tatsache begünstigt werden, dass dieses am sechsten Tag nach dem Versöhnungstag beginnt (vgl. Lev 23,27.34). Weitere Bezugspunkte zum Laubhüttenfest lassen sich m.E. nicht ausfindig machen. Zudem bleibt der Vorschlag, UMJPCK zu bauen, einzig auf V.5 beschränkt. Bereits in V.6 wird die Thematik des „Hüttenbaus“ zugunsten des für Epiphanieerzählungen typischen Furchtmotivs sowie des markinischen Unverständnismotivs verlassen, sodass es bereits rein räumlich betrachtet ein gewagtes Unternehmen wäre, die Verklärungsperikope von dieser einzigen Bemerkung in V.5 aufschließen zu wollen. Auch fällt auf, dass Mk 9,5 nicht vom Erzählmotiv der UMJPCK, sondern von der Dreizahl beherrscht wird. So benennt der Petrusvorschlag die Dreizahl zunächst explizit (RQKJUYOGPVTGKLUMJPCL), präzisiert diese sodann durch das narrativ überschießende, gleichwohl Jesu Vorordnung forcierende Syntagma UQK 166
Vgl. dazu den Unterpunkt 3.7.2 im zweiten Kapitel dieser Studie. Vgl. z.B. die Würdigung bei H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 102. 168 Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 223. Vgl. auch G. T HEIßEN, Evangelienschreibung, 397f. 167
1. Einleitung und Problemhorizont
43
OKCPMCK/YW"UGKOKCPMCK8+NKC^OKCP. Die narrative Emphase des Textes macht es somit nicht wahrscheinlich, dass der Erzähler Nachdruck auf die UMJPCKlegen wollte. 1.5.6 Die Verklärungsperikope und die jüdisch-christlichen Zukunftshoffnungen Abschließend sei auf die Versuche verwiesen, die Verklärungsperikope vor dem Hintergrund der jüdischen und christlichen Zukunftshoffnungen zu verstehen. Die jüdische Apokalyptik wie auch Paulus sprechen von der eschatologischen Verwandlung der Gerechten in einen endzeitlichen Auferstehungsleib (1 Kor 15,51f.; syrBar 49,2f.; 51,3.5.9–12). Weiße Gewänder und leuchtende Angesichter sind Kennzeichen der Gerechten in der neuen Welt (vgl. nur Dan 12,3; äthHen 62,15f.; 4 Esr 7,97; syrBar 51,3).169 Damit wäre ein Bezugspunkt zu dem eigentlichen Verklärungsmotiv in Mk 169
Bekanntlich hat E. LOHMEYER in der Revision seiner These in der ZNW 21 (1922), in der er noch das in Mk 9,2c vorliegende Verwandlungsmotiv als „Bruchstück eines auf Jesus übertragenen hellenistischen Mythus“ (vgl. a.a.O., 205) verstand und folglich motiv- und überlieferungsgeschichtlich separierte, als Möglichkeit von „Verwandlungen“ im jüdischen Bereich u.a. auf die oben genannten Stellen des syrischen Baruch verwiesen. Vgl. das Referat der Position E. Lohmeyers in Kapitel 3 (2.) dieser Studie. Neben den entsprechenden Stellen des syrischen Baruch verweist er auf Dan 12,2f. und 4 Esr 7,97. Vgl. KEK-Mk, 174 mit Anm. 7. In den für die frühjüdische Eschatologie zentralen Kapiteln syrBar 49–51 ist der Gedanke der eschatologischen, universalen und endgültigen Verwandlung deutlich ausgesprochen. Vgl. dazu F. BACK, Verwandlung durch Offenbarung, 66f. H.C.C CAVALLIN , Life I, 87. In der dem biblischen Baruch literarisch zugesprochenen, pseudepigraphen Apokalypse, deren Endredaktion in die Jahrzehnte nach den Ereignissen des Jahres 70 n. Chr. zu datieren ist (vgl. zur Datierungsfrage die Diskussion bei H.C.C. CAVALLIN, a.a.O., 86; A.F.J. KLIJN, Die syrische Baruch-Apokalypse. JSHRZ V, 113f.; P. KUHN, Offenbarungsstimmen, 67 mit Anm. 7; M. M ACH, Christus Mutans, 188 Anm. 49; G. STEMBERGER, Leib, 85), ist – der tröstenden Grundintention des Werkes gemäß – von der neuen Leiblichkeit der Gerechten in der himmlischen Welt die Rede. Angesprochen ist dabei eine Verwandlung des Kollektivs der Gerechten in eschatologischer Hinsicht. Diese universale, endgültige und irreversible Verwandlung entscheidet sich an der Haltung zur Tora, Weisheit und Gerechtigkeit zu Lebzeiten, die zwischen der Existenz als Frevler bzw. als Gerechter unterscheidet (syrBar 51,2–4.7). Vgl. dazu F. B ACK, a.a.O., 66 mit Anm. 25. Demnach weist die Verwandlungsvorstellung des syrBar eine beachtliche paränetische Note auf, insofern sie sich mit dem Hinweis auf die Bedrängnisse der Gerechten in der Weltzeit (vgl. syrBar 51,5.14f.; 52,6) verbindet. Mittels des Konnex’ der aktuellen Bedrängnisse mit der erhofften eschatologischen Verwandlung wird der traditionelle frühjüdische (und frühchristliche) Topos „Freunde im Leiden“ aktiviert (vgl. nur 4 Makk 15,24; Mt 5,10f.; Jak 1,2–4; 1 Petr 4,13 u.a.). Vgl. dazu z.B. W. NAUCK, Freude im Leiden, 68–80. Ferner K. BERGER, Art. ECKTY In: EWNT III (21992), Sp. 1081f.; DERS., Art. ECTC. In: EWNT III (21992), Sp. 1089f.; H. CONZELMANN, Art. ECKTY MVN. In: ThWNT IX (1973), 358f. Besonders H. MILLAUER, Leiden als Gnade, 167–179. Zum Motiv der eschatologischen Verwandlung vgl. noch äthHen 38,4; 39,7; 50,1; 58,3; slHen 22,10; 66,7; 4 Esr 7,97; LibAnt 26,13; 28,9; 33,5.
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
9,2 gewonnen, der einen Vers später mittels des Walkervergleichs narrativ illustriert wird. Gleichwohl ist in der Verklärungsperikope nicht zu erkennen, dass hierauf der oder wenigstens ein Schwerpunkt liegen soll. Die Berührungen sind zudem nicht spezifisch genug. Die Benennung des weißen Gewandes Jesu reicht nicht aus, eine solche eschatologische Linie für die Verklärungsnarratio zu postulieren, ist doch das Weiß im jüdisch-christlichen Bereich die himmlische Farbe schlechthin, unabhängig vom apokalyptisch-eschatologischen Gedankengut. Dennoch soll dieser Deutung eine Teilberechtigung zugesprochen werden im Wissen darum, dass es sich hier um eine vom primären Richtungssinn („Epiphanieerzählung“ und „christologische Legitimationserzählung“) vergleichsweise weit entfernte sekundäre Bedeutungsrichtung handelt. Ist aber die von E. Brandenburger aus der Auslegung von Mk 13 gewonnene Einsicht geltend zu machen, dass es sich beim MkEv um ein Dokument einer „Theologie der Hoffnung“ handelt, so sollte dieser Nebenkrater des Richtungssinns im Hinblick auf die Rezipienten des Textes nicht ausgeschlossen werden. Dennoch sollte die Eschatologie nicht zum Schlüssel erklärt werden, um mit dessen Hilfe die Perikope insgesamt aufzuschließen. Die Verwandlungsgeschichte enthält durchaus Motive, die eschatologisch gedeutet werden können, dass hier jedoch ihre Intention liege, wird man schwerlich behaupten können.170 1.5.7 Fazit der Überlegungen zur motivgeschichtlichen Sättigung von Mk 9,2–8 Die zusammengestellten Erzählmotive stellen in ihrer isolierten Form durchaus bekannte und vertraute Elemente dar. Dagegen ist der Generalschlüssel zur Aufschließung der Motive in ihrem Zusammenspiel gerade ein Desiderat und wird es wohl auch bleiben. Der Blick allein auf die letzten 100 Jahre der Forschungsgeschichte zur Verklärungsperikope mitsamt ihren wertvollen Einsichten und ernüchternden Grenzen sollte genügend Skepsis hinsichtlich der grundsätzlichen Möglichkeit eines solchen Generalschlüssels wachsen gelassen haben, sodass ernsthaft zu erwägen ist, ob die Transfigurationserzählung als narratio sui generis vom Ansatz her als „polyvalente Geschichte“171 angelegt ist, deren Innovationsfaktor immens ist. Die Vielzahl von „Verbindungslinien und Assoziationsmöglichkeiten“, die der Text freigibt und den „Eindruck der Unerschöpflichkeit“172 vermittelt, sollte in aller Nüchternheit gesehen und anerkannt werden. Für ihn gilt in verdichteter Weise das, was H. Paulsen für urchristliche Texte insge170
Überzeugend bei U. LUZ, EKK-Mt II, 509. Begrifflichkeit von U. LUZ, EKK-Mt II, 509. Sachlich ähnlich auch K.P. FISCHER, Rätsel, 12; J. GATTA, Transfiguration, 485; W. KRAUS, Dtn 18,15–18, 162; A. L INDEMANN, Osterbotschaft, 311. 172 Gut bei M. REISER, Verklärung Jesu, 28. 171
1. Einleitung und Problemhorizont
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samt ausgeführt hat: „Der ‚Text‘ erweist sich vielmehr als mehrdeutig, er enthält Sinnpotential, das in seiner Gleichzeitigkeit nicht aufgeht, sondern auf Rezeption und Deutung drängt.“173 Doch sollte dieser Befund nicht mit einem resignativen Gestus zur Kenntnis genommen werden, insofern es gerade die Unerschöpflichkeit des Textes ist, die zur Vergleichung der Perikope mit verwandten Texten der jüdischen, jüdisch-hellenistischen und paganen Umgebung auffordert. Angesichts der exegetischen Beschäftigung mit der Verklärungsperikope gilt in verdichteter Weise, was M. Hengel in Anlehnung an einen Aphorismus Lichtenbergs für das NT allgemein ausgeführt hat: „Ein Neutestamentler, der nur etwas vom Neuen Testament versteht, kann dieses gar nicht richtig verstehen“.174 In der vorliegenden Studie wird insbesondere das uns aus der Antike überlieferte Schrifttum des hellenistischen Judentums danach befragt werden, inwiefern hier theologische Tendenzen zu verzeichnen sind, die eine Perikope wie Mk 9,2–8 allererst möglich gemacht haben. Nach dem propädeutischen Kapitel 1 und der Einzelversanalyse der Transfigurationsnarratio samt ihres kontextuellen Umfeldes ist daher das Kapitel 3 insbesondere der Frage nach dem religionsgeschichtlich hochstehenden Phänomen der Verwandlung gewidmet, die vor dem Hintergrund der antiken jüdischen wie paganen Literatur beleuchtet und unter der Leitfrage nach dem theologischen Wurzelgrund von Mk 9,2–8 abgehandelt werden wird.
2. Vorverständigungen 2.1 Der Text der Verklärungsperikope Die erste Vorverständigung betrifft den der Analyse zugrunde gelegten Text, der unten kolometrisch darzustellen ist. Dabei wird zwischen dem Überlieferungsgut der Verklärungserzählung unterschieden, das in Mk 9,2–8 zu greifen ist und vom Mk-Redaktor m.E. nur geringfügig bearbeitet wurde, und dem redaktionell angeschlossenen Bergabstiegsgespräch, das aber in Korrespondenz zum Bergaufstieg (Mk 9,2b) zur Verklärungsperikope hinzugezählt werden sollte, zumal hier wichtige, das Verständnis von 9,2–8 leitende christologische Weichenstellungen vorgenommen werden. Die Asymmetrie zwischen dem traditionellen, äußerst kurzen Bergaufstieg (9,2b) und dem gewichtig ausfallenden Bergabstiegsgespräch (9,9–13) ist Indiz für eine rege, interessegeleitete redaktionelle Tätigkeit. Dazu passt die Thematisierung des im MkEv mit dem Topos „Leiden“ konnotierten Elija in 9,11–13. 173 174
Vgl. H. P AULSEN, Unbestimmtheit des Anfangs, 34. Vgl. M. HENGEL, Aufgaben der ntl. Wissenschaft, 321.
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
Der folgende Text entspricht der Ausgabe in NA27 und wird in dieser Arbeit in folgender Kolometrie interpretiert:
6a 6b 6c 7a 7b 7c 7d 8a 8b
-CKOGVCJBOGTCLG?ZRCTCNCODCPGKQB8,JUQWLVQP2GVTQPMCKVQP 8,CMYDQPMCKVQP8,YCPPJP MCKCXPCHGTGKCWXVQWLGKXLQTQLWB[JNQPMCV8KXFKCPOQPQWLx MCKOGVGOQTHYSJGORTQUSGPCWXVYP MCKVCKBOCVKCCWXVQWGXIGPGVQUVKNDQPVCNGWMCNKCP QKCIPCHGWLGXRKVJLIJLQWXFWPCVCKQW=VYLNGWMCPCKx MCKYHSJCWXVQKL8+NKCLUWP/YW"UGK MCKJ UCPUWNNCNQWPVGLVY^8,JUQWx MCKCXRQMTKSGKLQB2GVTQLNGIGKVY^8,JUQW `4CDDKMCNQPGXUVKPJBOCLYFGGK PCK MCKRQKJUYOGPVTGKLUMJPCLUQKOKCPMCK/YW"UGKOKCPMCK 8+NKC^OKCPx QWXICTJ^FGK VKCXRQMTKSJ^ GMHQDQKICTGXIGPQPVQx MCKGXIGPGVQPGHGNJGXRKUMKC\QWUCCWXVQKL MCKGXIGPGVQHYPJGXMVJLPGHGNJL 1WVQLGXUVKPQBWKBQLOQWQBCXICRJVQL CXMQWGVGCWXVQWx MCKGXZCRKPCRGTKDNG[COGPQKQWXMGVKQWXFGPCGK FQP CXNNCVQP8,JUQWPOQPQPOGS8GBCWVYPx
9a 9b 9c 10a 10b 11a 11b 11c 12a 12b 12c 12d 13a 13b 13c 13d
-CKMCVCDCKPQPVYPCWXVYPGXMVQWQTQWLFKGUVGKNCVQCWXVQKL K=PCOJFGPKC?GK FQPFKJIJUYPVCK GKXOJQ=VCPQBWKBQLVQWCXPSTYRQWGXMPGMTYPCXPCUVJ^x MCKVQPNQIQPGXMTCVJUCPRTQLGBCWVQWL UW\JVQWPVGLVKGXUVKPVQGXMPGMTYPCXPCUVJPCKx MCKGXRJTYVYPCWXVQPNGIQPVGL ]1VKNGIQWUKPQKBITCOOCVGKL Q=VK8+NKCPFGKGXNSGKPRTYVQP{ QBFGGHJCWXVQKL 8+NKCLOGPGXNSYPRTYVQPCXRQMCSKUVCPGKRCPVC> MCKRYLIGITCRVCKGXRKVQPWKBQPVQWCXPSTYRQW K=PCRQNNCRCSJ^MCKGXZQWFGPJSJ^{ CXNNCNGIYWBOKP Q=VKMCK8+NKCLGXNJNWSGP MCKGXRQKJUCPCWXVY^Q=UCJSGNQP MCSYLIGITCRVCKGXR8CWXVQPx
2a 2b 2c 3a 3b 4a 4b 5a 5b 5c
2. Vorverständigungen
2a 2b 2c 3a 3b 4a 4b 5a 5b 5c 6a 6b 6c 7a 7b 7c 7d 8a 8b 9a 9b 9c 10a 10b 11a 11b 11c 12a 12b 12c 12d 13a 13b 13c 13d
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Und nach sechs Tagen nimmt Jesus den Petrus und den Jakobus und den Johannes und führt sie hinauf auf einen sehr hohen Berg, sie allein. Und er wurde verwandelt vor ihnen, und seine Gewänder wurden strahlend ganz weiß, wie sie ein Walker auf Erden nicht so weißen kann. Und es erschienen ihnen Elias mit Mose, und sie waren redend mit Jesus. Und antwortend sagt Petrus zu Jesus: Rabbi, gut ist es uns hier zu sein, und wir werden drei Zelte machen, dir eines und dem Mose eines und dem Elija eines. Denn er wusste nicht, was er antwortete. Erschreckt nämlich waren sie. Und es entstand eine Wolke sie überschattend, und es ertönte eine Stimme aus der Wolke: Dieser ist mein geliebter Sohn, hört ihn! Und plötzlich, herumschauend, sahen sie nicht einen einzigen, außer Jesus allein mit ihnen. Und während sie herabstiegen von dem Berg wies er sie an, dass sie keinem, was sie sahen, erzählten, außer, wann der Sohn des Menschen von den Toten auferstanden sei. Und das Wort hielten sie fest, erwägend, was das sei, von den Toten aufzuerstehen. Und sie befragten ihn sagend: Wieso sagen die Schriftgelehrten, dass Elias zuerst kommen müsse? Der aber sagte zu ihnen: Elias zwar kommend zuerst, stellt alles wieder her, und wieso ist geschrieben über den Sohn des Menschen, dass er viel leidet und verachtet wird? Doch ich sage euch: dass auch Elias gekommen ist, und sie taten mit ihm, was sie wollten, wie geschrieben ist über ihn.
Der Untersuchungsgegenstand dieser Studie ist die Verklärungsperikope in Mk 9,2–8 und ihre Bedeutung für das Verständnis des zweiten Evange-
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
liums.175 Während die durch das „Naherwartungslogion“ in Mk 9,1 und die auffallende Zeitangabe MCKOGVCJBOGTCLG=Zin 9,2a entstandene Zäsur überaus deutlich ist176, sodass ein klar definierter Erzählanfang vorliegt, muss betont werden, dass die kontextuellen Übergänge nach hinten hin fließend sind. Dies gilt zunächst für die syntaktisch eng angeschlossene Bergabstiegsszene (9,9f.): Die Verklärungserzählung endet in V.8 klassisch damit, dass alle Elemente der Metamorphose „verloschen“ sind und der Ursprungszustand weitestgehend wiederhergestellt ist (Aphanismos-Motiv). Das Schweigegebot in V.9 stellt einen ersten Anwendungsfall des göttlichen Imperativs aus V.7d dar, sodass ein Zusammenhang offensichtlich ist. Der Genitivus absolutus MCVCDCKPQPVYP CWXVYP markiert zugleich eine zeitliche Koordinate, deren Bezugspunkt in der vorhergehenden Verklärungserzählung liegt.177 Von einer abgeschlossenen Wiederherstellung des Anfangszustandes kann erst nach erfolgtem Bergabstieg in 9,14 die Rede sein, da sowohl Bergaufstieg als auch Bergabstieg integrale Elemente der Erzählung der Verklärung Jesu auf dem Berg sind.178 Die deutlichen Berührungen zwischen Bergaufstieg und Bergabstieg sind unverkennbar, insofern hier und da Verben der Bewegung (V.2: CXPCHGTGK; V.9: MCVCDCKPQPVYP) mit autoritativen Handlun175
Nicht Untersuchungsgegenstand im strengen Sinne sind die synoptischen Parallelbezeugungen der Verklärung (Mt 17,1–9 und Lk 9,28–36) und die Notiz im zweiten Petrusbrief (2 Petr 1,16–18), die von den meisten Auslegern zu Recht auf die Verklärung bezogen werden. Auf diese Referenztexte wird immer dann zurückzugreifen sein, wenn sie Erkenntnisse im Hinblick auf die Exegese der markinischen Verklärungserzählung versprechen. 176 So findet die ab Mk 8,34 fokussierte Nachfolgethematik in 9,1 mit einem Wort über die DCUKNGKC VQW SGQW ein Ende. Das Syntagma MCK GNGIGP CWXVQKL in 9,1a hat die Aufgabe, die Bedeutung des Naherwartungslogions besonders herauszuheben, nicht jedoch 9,1 von der Logienfolge 8,34ff. zu isolieren. Nachfolgerede und Naherwartungslogion sind eng aufeinander bezogen, das CXOJP-Wort in 9,1 nimmt direkt Bezug auf die Rede „vom Kommen des Menschensohnes GXP VJ^ FQZJ^ VQW RCVTQL CWXVQW“. Mit S. PELLEGRINI, Elija, 293. Zum Konnex der Texteinheiten Mk 8,34–9,1 und 9,2–8 vgl. die Einzelversanalyse in Kapitel 2 (2.) dieser Studie. Da es sich nicht empfiehlt, in die Verklärungserzählung die DCUKNGKC -Thematik in der Art einzutragen, wie es z.B. M. Ö HLER vorgeschlagen hat (vgl. Verklärung, passim: Die Verklärung als Ankunft des Reiches Gottes auf der Erde), sollte nach 9,1 ein deutlicher Einschnitt gesetzt werden. Vgl. z.B. S. PELLEGRINI, a.a.O. Die Rede vom Menschensohn wird nach Mk 8,38 in 9,9 in einer Passage wiederaufgenommen, die nach einer Unterbrechung zwischen 9,2c–8 erneut Jesus zum Subjekt des Geschehens hat. Die Verklärungserzählung ist in weiten Teilen ein Geschehen an Jesus. Während in 8,29–9,1 eine polare Zuordnung der christologischen Hoheitstitel ETKUVQL–WKBQLVQW CXPSTYRQW vorliegt, wird in der Versfolge 9,2–13 der Prädikation Jesu als WKBQLSGQWdie Selbstbezeichnung Jesu WKBQL VQWCXPSTYRQWpolar zugeordnet. 177 Mit S. P ELLEGRINI, Elija, 292: „Die Verbindung zwischen 9,8 (Abschluß der Verklärungsperikope) und 9,9 (Sektion zum Menschensohn) ist in der Endfassung des Textes bewußt formuliert … Daher ist sie auch bewußt wahrzunehmen“. 178 Mk 9,14 führt neue Aktanten ein (OCSJVCK ŌQENQLŌITCOOCVGKL). Zudem wird die mit dem Jüngerauswahlmotiv in 9,2a eröffnete esoterische Offenbarungssituation durch das Syntagma MCK GXNSQPVGLRTQLVQWLOCSJVCLin 9,14 für beendet erklärt. Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 342.
2. Vorverständigungen
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gen Jesu (V.2: RCTCNCODCPGK; V.9: FKGUVGKNCVQ) kombiniert werden. Die Tatsache, dass die Bergabstiegsszene ungleich stärker ausgebaut ist als die extrem kurze Bergaufstiegsnotiz, wurde bereits angesprochen und als Indiz für einen markanten redaktionellen Eingriff gedeutet.
Die angesprochenen fließenden Übergänge sind auch für die Thematisierung des eschatologischen Kommens des Elija (VV.11–13) festzustellen, die auf die auffällige Erwähnung des Elija auf 9,4f. zurückweist. Aber auch die Heilungserzählung in 9,14–29 sollte in die Überlegung einbezogen werden, in der zahlreiche epiphaniale Elemente verarbeitet sind, die als solche mit der zentralen Epiphanie der Verklärungserzählung zusammenhängen dürften.179 Es sollte daher mehr von thematischen Übergängen als von scharfen Zäsurierungen gesprochen werden. In diesem Sinne ist nach V.8 eine kleine Zäsur zu setzen. Die anaphorische Wendung C? GK FQP in 9b markiert ein Gliederungsmerkmal, das auf die Erzähleinheit Mk 9,2– 8 als einer abgeschlossenen zurückblickt.180 Ebenso ist hierbei auf die Ortsveränderung (MCK MCVCDCKPQPVYP CWXVYP GXM VQW QTQWL) zu verweisen.181 Mk 9,2–8 hängt daher auf das Engste mit dem Gespräch der Jünger über die Auferstehung (9,9f.) und den Erwägungen über die heilsgeschichtliche Funktion des Elija (9,11–13) zusammen182, muss aber dennoch als ein eigenständiger Erzählabschnitt begriffen werden. Ein neuer Erzählkomplex
179 Ich setze damit einen anderen Schwerpunkt, als es in der Studie von P ELLEGRINI (vgl. Elija, 293f.) der Fall ist, in der bereits mit Mk 9,11 ein „deutliche[r] Neueinsatz“ und mit 9,14 gar ein völlig neuer Komplex konstatiert wird. 180 N.R. PETERSEN [Zeitebenen, 110] spricht angesichts des thematischen Übergangs von Mk 9,8 zu 9,9 von „Vergangenheitsmomente[n]“, die „einen Verweis auf ein vorausgegangenes“ Ereignis enthalten. 181 Mk 9,2 setzt ein deutliches Gliederungssignal, das erst durch das in 9,9 vorliegende ersetzt wird. Das spricht bei aller thematischen Verklammerung mit dem Kontext für die Texteinheit 9,2–8 als einer distinkten thematischen Einheit. Überzeugend bei U.B. MÜLLER, Christologische Absicht, 177. 182 Die Textsequenz Mk 9,2–13 wird durch die den ganzen Text durchziehende Erwähnung des Elija zusammengehalten, vgl. die VV.4.5.11.12.13. Mit dem Stichwort Elija verbindet sich zudem das Missverständnis der Szene durch die zu Verklärungs-„Zeugen“ bestimmten Jünger. Dieses Missverständnis der Situation ist vom Erzähler im Hinblick auf Petrus, der nach 8,29 erneut als Sprecher der Jüngerschaft fungiert, bereits in den VV.5f. verdeutlicht worden. Die Nennung des QTQL verbindet die VV. 2 (CXPCHGTGK CWXVQWLGKXLQTQLWB[JNQP) und 9 (MCVCDCKPQPVYPCWXVYPGXMVQW QTQWL) miteinander, wobei in V.9 die in V.2 genannten Personen im Genitivus absolutusMCVCDCKPQPVYPCWXVYPimpliziert sind. Die VV.9 und 12 werden durch das Theologoumenon QB WKBQLVQW CXPSTYRQW verbunden. Das Textgewebe spricht demnach für die enge Zusammengehörigkeit von Mk 9,2–13, wobei gleichwohl innerhalb der Unterperikopen „jeweils eigene Akzente gesetzt werden“. Mit P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 97.
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
beginnt sodann ab V.14 mit einer Veränderung des Ortes, der Zeit, des Themas und der handelnden Personen.183 Der Einzelversanalyse von Mk 9,2–8 wird in dieser Studie folgende Gliederung zugrunde gelegt: Der Transfigurationstext beginnt mit der auffälligen Zeitangabe MCK OGVC JBOGTCL G=Z(Mk 9,2a), die die Vorgänge auf dem Berg in eine zeitliche Relation zu den in 8,27– 9,1 geschilderten Ereignissen bringt.184 Als Handlungsträger wird im gleichen Vers Jesus benannt, dem 2GVTQL MCK 8,CMYDQL MCK 8,YCPPJL als Begleiter beigesellt werden. Jesus vollzieht an seinen Begleitern zwei autoritative Akte: das „Beiseitenehmen“ (9,2a) sowie das „Hinaufführen“ (9,2b) auf einen hohen Berg. Die Betonung der Exklusivität der Jüngerauswahl sowie der Höhe des Berges implizieren ein „esoterisches“ Absonderungsmotiv. Klar davon abzuheben ist der Teilvers 9,2c, der das eigentliche Metamorphosemotiv enthält. Die Wechsel des Tempus (Praesens historicum zu Aorist) und des Genus verbi (Aktiv zu Passiv) indizieren ebenso diese Zäsur wie eine veränderte Erzählperspektive: Die Verklärungsgeschichte wird ab 9,2c aus der Sicht der Jünger erzählt, zu deren Gunsten die Metamorphose Jesu geschieht. Die Geschichte enthält so Elemente einer Visio 183
Darüber darf nicht übersehen werden, dass es Berührungen der Texteinheiten 9,2– 13 und 14–29 gibt. Die Einleitung zur Heilungsperikope in V.14 spricht von den vier Handlungsträgern des Verklärungsberges, wobei das GXNSQPVGL(V.14) direkt mit der partizipialen Wendung MCK MCVCDCKPQPVYP CWXVYP Kn V.9 korrespondiert. Die in V.15 geschilderte Begebenheit mit der Hervorhebung der ehrfürchtigen Begrüßung Jesu [zu CXURC\GUSCKin Mk 9,15 vgl. insbesondere H. W INDISCH, Art.CXURC\QOCKMVNIn: ThWNT I (1933), 496] seitens des QENQLpasst sachlich zur Verklärungsperikope. Gleiches gilt für GXZGSCODJSJUCP(„sie gerieten in Erregung“). Das Verb GXMSCODGKUSCKist ntl. nur im MkEv bezeugt (vgl. noch 14,33 und 16,5f.) und sollte nicht durch ein einfaches „staunen“ bzw. „sich wundern“ übersetzt werden. So z.B. E. KLOSTERMANN, HNT-Mk, 90; E. LOHMEYER, KEK-Mk, 185. Das Verbum steht in Diensten des in Mk 9,2–8 erzählten Epiphaniegeschehens und ist entsprechend zu gewichten. Dagegen dürfte der Text überstrapaziert sein, wollte man dieses Verhalten der Volksmenge analog zu Ex 34,29f. damit erklären, dass noch „Reste“ des Verklärungsglanzes auf Jesu Gesicht zu erkennen sind. So z.B. von J. W ELLHAUSEN [Evangelium Marci, 73] und J. SCHNIEWIND [NTD-Mk, 129] erwogen. Das „Volk fürchtet sich“ – anders als in Ex 34,29f. – nicht vor Jesus, „sondern kommt Jesus ehrfürchtig entgegen, um ihn zu begrüßen“. Mit J. ROLOFF, Kerygma, 146. Ein weiteres Verbindungsglied liegt darin, dass das Verb GXMSCODGKUSCKhäufige Verwendung als Terminus technicus in Epiphaniedarstellungen [vgl. G. B ERTRAM, Art. SCODQL MVNIn: ThWNT III (1938), 6] findet. Dies macht wahrscheinlich, dass die in Mk 9,14– 29 erzählte Heilungsgeschichte ebenso Züge einer Epiphanieschilderung trägt wie die Verklärungserzählung. Gut bei O. H OFIUS, Allmacht des Sohnes Gottes, 119. So auch G. B ORNKAMM, 2PGWOC CNCNQP 26: Die Erzählung bekomme „in ihrem Anfang geradezu den Charakter einer Epiphaniegeschichte“, deren Charakteristikum es aber sei, dass der „Heilungsakt selbst … in unserer Perikope, vom Eingang weit getrennt, erst 9,25–27“ geschieht. Vgl. a.a.O., 28. Skopus der ebenso wie die Verklärungsperikope christologisch dichten Wundererzählung ist „Jesu Person und seine einzigartige göttliche Macht“. Mit O. HOFIUS, a.a.O., 136 mit Verweis auf D. TRAKATELLIS, Authority and Passion, 58. Insofern entspricht der in 9,2–8 dargestellten FQZC Jesu die in 9,14–29 berichtete GXZQWUKC die im autoritativen Ausfahrbefehl an das unreine RPGWOCkulminiert: GXIY GXRKVCUUYUQK MVNDamit passt zusammen, dass in Mk 9,14 diese GXZQWUKC wie auch in 1,22.27 im Gegensatz zu den Schriftgelehrten profiliert wird. 184 Vgl. für viele z.B. D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 341f.
2. Vorverständigungen
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beatifica der Jünger.185 Der Teilvers 9,2c wird durch den angeschlossenen Walker-Vergleich in 9,3 narrativ illustriert, sodass die VV. 9,2c–3 als eine eigenständige Subeinheit zu werten sind. Damit bilden die VV.2–3 den ersten aus den Erzähleinheiten 9,2a.b und 9,2c–3 bestehenden Teil der Verklärungsnarratio. Das Hinzutreten der Himmelsbewohner Elija und Mose eröffnet den zweiten bis 9,8 dauernden Teil der narratio, da die Notiz QWXFGPC GK FQP CXNNC VQP 8,JUQWP OQPQP OGS8 GBC WVYP(9,8a.b) die Abwesenheit des Elija und Mose thematisiert, sodass sich zwischen Mk 9,4 und 9,8 eine Inclusio ergibt. Diese Inclusio verweist zugleich auf die theologische Sinnspitze der ganzen Erzählung, insofern Jesus in V.4 Elija und Mose zunächst zugeordnet wird, um dann durch die Himmelsstimme in V.7c.d in seiner theologischen Dignität als derart herausgehoben dargestellt zu werden, dass Elija und Mose als von der Epiphaniebühne abgetreten bezeichnet werden können (vgl.8,JUQWPOQPQP!). Auf die unvergleichliche theologische Dignität des Gottessohnes verweist zudem der „missglückte“ Vorschlag des Petrus in V.5, der im Folgevers sogleich seitens des Erzählers korrigiert wird. Die schwerfällig-überpräzise Formulierung in 5c (… VTGKL UMJPCL UQK OKC P MCK /YW"UGK OKCP MCK 8+NKC ^ OKC P) indiziert, dass der Skopus kaum auf der Zeltmetaphorik liegt, sondern auf der unsachgemäßen Parallelisierung der himmlischen Gestalten unter nachdrücklicher Betonung der Dreizahl. Der Abschnitt 5a–6b genießt dabei einen Sonderstatus, insofern hier von einem Kommunikat eines Verklärungsbeobachters die Rede ist, an das sich eine „Kommentierung“ seitens des Erzählers anschließt. Der Wechsel von einer rein erzählenden zu einer kommentierenden Haltung ist auffällig. Der zweite Teil 9,4–8 lässt sich daher ausgehend von den handelnden Personen in die Unterabschnitte 9,4 (Erscheinen der himmlischen Prominenten), 9,5f. (Intervention des Petrus samt Erzählerkommentar) und 9,7f. (Wolke, Wolkenstimme und topischer Abschluss der Epiphanie)186 gliedern. Dieser Teil der Verklärungserzählung zeichnet sich gegenüber dem ersten dadurch aus, dass von zwei Kommunikaten (9,5b.c: Petrus; 9,7c: Himmelsstimme) die Rede ist, während in 9,2–4 Dialoge zwar narrativ angedeutet, inhaltlich aber nicht referiert werden. Das gilt sowohl für das wahrscheinlich eine mündliche Aufforderung enthaltende autoritative RCTCNCODCPGK (9,2a) Jesu als auch den durch die Coniugatio periphrastica sachlich hervorgehobenen (J UCP UWNNCNQWPVGL VY^ 8,JUQW) Dialog der himmlischen Gäste mit dem verklärten Jesus.
185
Vgl. dazu L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 218. Der abrupte Schluss der Verklärungserzählung ist für Epiphanieerzählungen stilgemäß und entlässt den Rezipienten des Textes mit der Frage, inwieweit bei den genannten Verklärungs-„Zeugen“ ein christologischer Erkenntnisfortschritt zu erwarten ist. K. KERTELGE [NEB-Mk, 89] setzt einen m.E. falschen Schwerpunkt, wenn er formuliert: „Am Schluß steht die ‚Ernüchterung‘“. Das8,JUQWLOQPQLkorrespondiert mit dem göttlichen Gehorsamsbefehl in V.7 („allein auf Jesus ist zu hören“) und platziert rückwirkend eine Begründung dafür, dass der Vorschlag des Petrus zur Errichtung dreier gleichberechtigt nebeneinanderstehender Zelte seitens des Erzählers einer Kritik unterzogen worden ist (vgl. 9,6). 186
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse – Vorverständigungen
Schema der Gliederung von Mk 9,2–8: I. Teil: Zeitangabe, autoritative Akte Jesu und „esoterisches“ Absonderungsmotiv 2a 2b
-CKOGVCJBOGTCLG?ZRCTCNCODCPGKQB8,JUQWLVQP2GVTQP MCKVQP8,CMYDQPMCKVQP8,YCPPJP MCKCXPCHGTGKCWXVQWLGKXLQTQLWB[JNQPMCV8KXFKCPOQPQWLx
Eigentliches Verwandlungsmotiv und narrative Illustrierung 2c 3a 3b
MCKOGVGOQTHYSJGORTQUSGPCWXVYP MCKVCKBOCVKCCWXVQWGXIGPGVQUVKNDQPVCNGWMCNKCP QKCIPCHGWLGXRKVJLIJLQWXFWPCVCKQW=VYLNGWMCPCKx
II. Teil: Himmlische Gäste 4a 4b
MCKYHSJCWXVQKL8+NKCLUWP/YW"UGK MCKJ UCPUWNNCNQWPVGLVY^8,JUQWx
Vorschlag des Petrus 5a 5b 5c 6a 6b
MCKCXRQMTKSGKLQB2GVTQLNGIGKVY^8,JUQW `4CDDKMCNQPGXUVKPJBOCLYFGGK PCK MCKRQKJUYOGPVTGKLUMJPCLUQKOKCPMCK/YW"UGKOKCPMCK 8+NKC^OKCPx QWXICTJ^FGKVKCXRQMTKSJ^ GMHQDQKICTGXIGPQPVQx
Wolke/Wolkenstimme 7a 7b 7c 7d
MCKGXIGPGVQPGHGNJGXRKUMKC\QWUCCWXVQKL MCKGXIGPGVQHYPJGXMVJLPGHGNJL 1WVQLGXUVKPQBWKBQLOQWQBCXICRJVQL CXMQWGVGCWXVQWx
Aphanismosmotiv 8a 8b
MCKGXZCRKPCRGTKDNG[COGPQKQWXMGVKQWXFGPCGK FQP CXNNCVQP8,JUQWPOQPQPOGS8GBCWVYPx
2.2 Die makrotextuelle Situierung der Verklärungsperikope Die Transfigurationserzählung entspringt nicht der redaktionellen Tätigkeit des Verfassers, sondern dürfte dem Evangelisten bereits in ihrer Grundform vorgelegen haben. Im MkEv liegt die erste Verschriftlichung und Biographisierung der mündlich rezipierten Verklärungserzählung vor. Als Ursprungsort dieser Überlieferung ist – wie insbesondere im dritten Kapi-
2. Vorverständigungen
53
tel zu zeigen sein wird – das hellenistische Judenchristentum anzusprechen. In ihrer heutigen Gestalt ist sie jedoch auf den Kontext angewiesen und ohne diesen nicht zu verstehen.187 Bei der Interpretation der Verklärungsperikope ist die Erkenntnis der Rezeptionsforschung zu berücksichtigen, dass die Wirkung eines Textes „stets von der Ganzheit eines Textes ausgeht …, nicht von isolierten Sätzen oder Perikopen“, sodass auch Vorsicht angeraten ist, den „ursprünglichen“ Sinn mittels einer Eruierung rekonstruierbarer, literarischer Vorstufen erheben zu wollen188, wie dies bisweilen in der durch redaktionsgeschichtliche Fragestellungen geprägten Forschungsphase der 1970er- und 80er-Jahre versucht worden ist. Das „globale“, den Makrotext des MkEv durchziehende Thema der Gottessohnschaft Jesu189 wird in Mk 9,2–8 auffällig forciert, wobei es die textarchitektonische Positionierung dieser Perikope zu beachten gilt, die im MkEv als mittlerer Pfeiler der drei „kompositionell miteinander verbundenen ‚Gipfel‘“190 in Mk 1,11; 9,7; 15,39 fungiert, auf deren Sinnspitze die Prädikation Jesu als WKBQL SGQW fällt.191 Die genannten Stellen sind als 187
Obgleich das MkEv als episodische Erzählung konstruiert ist (vgl. dazu insbesondere C. BREYTENBACH, Nachfolge, 75–84, bes. 81–84. Ferner D.S. DU T OIT, „Gesalbter Gottessohn“, 42f.), in der die Einzelüberlieferungen in einen übergreifenden Erzählrahmen integriert und einer narrativen Makrostruktur komponierend untergeordnet werden (mit C. BREYTENBACH, MkEv als episodische Erzählung, 145.157), sodass diese Einzelüberlieferungen als integrale und oft in sich geschlossene Erzählungen als Bestandteile eines Makrotextes fungieren, der als Erzähltext begreiflich zu machen ist, ist die Erkenntnis von R. KAMPLING [Israel, 3f.] zu unterstreichen, dass das „Verständnis der einzelnen Perikopen aus der Korrespondenz mit den anderen und damit zugleich aus der Gesamtkomposition“ zu erheben ist. Dies gilt für die Verklärungsperikope in verdichteter Weise, laufen doch in ihr zahlreiche erzählerische Fäden zusammen: Diese Perikope ist der Ort, an dem die ausgewählten Jünger hinsichtlich der christologischen Erkenntnis mit dem Leser/Hörer gleichziehen, insofern die himmlische Stimme der Transfigurationserzählung – anders als es bei der Taufperikope der Fall ist – (V.7) intradiegetische (Jünger) als auch extradiegetische Zeugen (Rezipienten) hat. Sie ist zugleich der Ort, an dem viele bis dato verarbeitete Motive wiederkehren („Auswahl einer Jünger-Dreier-Gruppe“ – „Absonderungsmotiv“ – „Interesse an Elija“ – „Jüngerunverständnis“ – „himmlische Prädikation“ – „Messiasgeheimnis“). Sie ist auch der Ort, an dem Jesu FQZCund das FGK des Leidens aufs Engste in ihrer inneren Einheit gesehen werden. W.R. STEGNER [Narrative Theology, 103] bezeichnet die Texteinheit Mk 9,2–13 treffend als „literary fulcrum“ des markinischen Makrotextes. 188 Vgl. dazu grundlegend J. FREY [Impliziter Leser, 285] mit Verweis auf H. F RANKEMÖLLE , Biblische Handlungsanweisungen, 11. 189 Vgl. z.B. M. DE J ONGE, Use of Christos, 325. 190 So M. THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 39f. Anm. 9. Vgl. auch R. FELDMEIER, Gekreuzigter im „Gnadenstuhl“, 217; E. L INDEMANN, Osterbotschaft, 313. 191 Die Verklärungsperikope ist erzähltechnisch deutlich auf die göttliche Stimme in Mk 9,7c.d. hin konstruiert, auf der die Klimax liegt. Vgl. zur Begründung z.B. H. KEE, Transfiguration, 139. Ausgehend von der Platzierung des Gottes-Sohn-Titels auf dem Höhepunkt der Verklärungsperikope in Mk 9,7 und im Zusammenhang der makrotextuel-
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
Schlüsselstellen markinischer Christologie zu bezeichnen.192 Dieser christologische Hoheitstitel dürfte daher für den Verfasser bzw. seine Gemeinde der maßgebende gewesen sein.193 Da nun die Verklärungsperikope deutlich auf die christologische Spitzenaussage in V.7c.d hin konstruiert ist, die in charakteristischer Weise ekklesiologisch-paränetisch ausgestaltet und mit einer konkreten Handlungsanweisung versehen ist (CXMQWGVG CWXVQW)194, ist es sinnvoll, diese Passage sowohl vor dem Hintergrund der Geistbegabung len Verknüpfung dieser Stelle mit den anderen Gottes-Sohn-Prädikationen (1,11 und 15,39) ist auf die sehr emphatische, wenngleich überaus treffende Bemerkung G. ZUNTZ’ [Heide, 214] zu verweisen: „Je mehr man dies kleine Buch bedenkt, um so mehr bewundert man die Überlegenheit, weite Sympathie und geistige Konzentration, die seiner Gestaltung zugrunde liegen.“ 192 Vgl. M. DE J ONGE, Christologie im Kontext, 54. 193 Vgl. zur näheren Begründung M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 45f. Vgl. auch H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 80. Nach Klauck zieht sich die schrittweise Enthüllung des Gottes-Sohn-Titels „wie ein roter Faden … durch das Gewebe, durch die ‚Textur‘ der markinischen Erzählung … Der Leser ist schon durch 1,1 vorgewarnt“. 194 Der göttliche Imperativ ist auf zwei Ebenen zu hören: Er bezieht sich auf die gesamte Lehre Jesu, also auf die seit der Geistbegabung in der Taufe vorgelegte autoritative Lehre Jesu. So in etwa D. Zeller, Verwandlung Jesu, 110. Mikrokontextuell dürfte diese Anweisung jedoch passionstheologisch spezifiziert sein, wie auch im MkEv das „Passionskerygma“ als „Schlüssel zum Verständnis des Weges Jesu“ fungiert. Mit K. B ACKHAUS, „Lösepreis für viele“, 92. Vgl. auch G. B ARTH, Tod Jesu Christi, 126; T.L. D ONALDSON, Jesus on the Mountain, 153. Die „Korrektur“ des Petrusbekenntnisses durch die erste Leidensankündigung (8,31–33); die Positionierung des mit dem Topos „Leiden“ konnotierten Elija auf dem Verklärungsberg (9,4f.); die auffällige Terminierung des Schweigegebotes bis zur Auferstehung von den Toten (9,9) sowie das passionskerygmatisch geprägte Bergabstiegsgespräch (9,11–13) dürften als deutliche Rezeptionssignale gelten. Vgl. ferner zur passionskerygmatischen Spezifizierung des göttlichen Imperativs in Mk 9,7 U. KMIECIK, Menschensohn, 140; P. MÜLLER „Wer ist dieser?“, 108; Chr. ROSE , Theologie als Erzählung, 225: Durch die Texteinheit 9,2–13 werden nach Rose „Gottessohn“ und „Menschensohn“ miteinander identifiziert, sodass die Lehre vom Leiden des Menschensohnes die Lehre des durch Gott selbst autorisierten Gottessohnes ist. Narrativ ist nach Rose der göttliche Imperativ auf zwei Ebenen zu hören: Er richte sich „intradiegetisch an die Jünger“, ziele aber „extradiegetisch auf den Rezipienten“. Diese Ausführungen sind überzeugend. Zur passionstheologischen Spezifizierung dieses Imperativs vgl. auch die Paraphrase bei A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 95: „Hört auf diesen Jesus, nehmt es gläubig an, daß sein Weg durch das Todesleiden zu seiner Auferstehungsherrlichkeit führen wird.“ Vgl. auch D. LEE, Transfiguration, 12: „…suffering is implied by the command to listen to Jesus“. Unabhängig von der inhaltlichen Qualifizierung des göttlichen Imperativs wird die „Lehrautorität“ Jesu durch diese Stelle auf jeden Fall als „unüberbietbar“ präsentiert. Gut bei G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 89f. Von hier aus ergeben sich in Verbindung mit der Beobachtung, dass in Mk 9,7d mit hoher Wahrscheinlichkeit Dtn 18,15 LXX literarisch verarbeitet ist, deutliche Berührungen mit dem markinischen Gesetzesverständnis, wie in Unterpunkt 3.9.5 des zweiten Kapitels dieser Studie näher zu untersuchen ist.
2. Vorverständigungen
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in 1,9–11 als auch dem des Centuriobekenntnisses in 15,39 zu beleuchten, wobei in allen Fällen der christologische Hoheitstitel „Sohn Gottes“ im Zuge einer expliziten Prädikation fällt. Die engere Verwandtschaft besteht jedoch zwischen Tauf- und Verklärungsperikope: Der narrative Duktus ist derart angelegt, dass die Leser/Hörer dazu aufgefordert werden, beide Perikopen aufeinander zu beziehen mit der Konsequenz, dass die Präsenz Gottes in der Erzählwelt in der Tauf- und der Verklärungsperikope „eng an Jesus gebunden“ wird, wobei gleichzeitig die Transzendenz Gottes unangetastet bleibt.195 Obgleich nun die Verklärungsperikope aufgrund ihrer traditionsgeschichtlichen wie auch christologischen Originalität ein markantes „Eigenleben“ führt, ist sie in der vorliegenden Form sprachlich wie sachlich voll in die kerygmatische Konzeption des Gesamtwerkes integriert.196 Für die Transfigurationsnarratio gilt, dass sie in traditionsgeschichtlicher Hinsicht durch keine uns vorliegende Verwandlungsvorstellung voll erschlossen werden kann, wie im dritten Kapitel, das der Ambiguität speziell des Verklärungsmotivs gewidmet ist, zu zeigen sein wird, dass sie aber gerade in dieser Eigenschaft durch die Tätigkeit des Redaktors mitsamt ihren internen Beziehungen und Handlungen in einen konkreten Kontext hineingestellt worden ist und innerhalb dieses Kontextes „funktioniert“. Diese fruchtbare „Spannung“ von Originalität und Redaktionalität sowie das hohe Maß an Unbestimmtheit, die – wie in den Überle195
Vgl. Himmelsspaltung (Mk 1,10); Wolkenmotiv (9,7). Vgl. zum Folgenden bes. G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 90f.: Die Tendenz zur Wahrung der Transzendenz Gottes aus der Taufperikope wird in der Verklärungserzählung fortgesetzt. Verbirgt sich dort das Göttliche im RPGWOC, zu dessen Illustration das Motiv der herabsteigenden Taube gebraucht wird (ggf. mit einer adverbiellen Bedeutung des Vergleichs YBL RGTKUVGTCP, vgl. die Diskussion bei U. MELL, Jesu Taufe, 173 Anm. 59), sodass es zu einer gleichsam doppelten Sicherung der göttlichen Transzendenz kommt, so ist das Göttliche in Mk 9,2– 8 im theologischen Passiv OGVGOQTHYSJ (V.2) angedeutet, und mit der überschattenden Wolke wird ein klassisches Epiphanie- bzw. Theophanieelement gebraucht, das die göttliche Präsenz bei gleichzeitiger Transzendenz narrativ zum Ausdruck bringt. Wichtig ist nun, dass die Mose-Jesus-Typologie in Mk 9,2–8 in charakteristischer Weise verändert wird, sodass Jesus nicht aufseiten des Mose, sondern aufseiten Gottes zu positionieren ist mit dem Effekt, dass der transzendente Gott im Wirken und Lehren Jesu (vgl. 9,7c.d) präsent wird: „Die Präsenz Gottes in der irdischen Wirklichkeit ist bis zu dem Höhepunkt der Endereignisse hin an Jesus gebunden: Wer ihn erkennt, gerät in die Nähe des epiphanen Gottes“. Vgl. G. GUTTENBERGER, a.a.O., 91. Die Prädikation Jesu als WKBQLSGQWwird nicht zufällig in Mk 9,7 mit dem Imperativ CXMQWGVG CWXVQW (diff. 1,11) versehen. Dazu passt, dass im Textabschnitt 8,27–10,52 die Wundertätigkeit zugunsten der autoritativen Lehre Jesu stark zurücktritt. Ist die Gehorsamsverpflichtung ein traditionelles Element der Vater-Sohn-Beziehung – so die Deutung bei A. B ÖCKLER [Gott als Vater, 263f.] für das Bildwort in Hos 11,1.3a –, so wird in Mk 9,7 die Gehorsamsforderung intradiegetisch auf die Beziehung „Jesus-Jünger“, extradiegetisch auf die Beziehung „Jesus-Rezipient“ verlagert. 196 Ausdruck angelehnt an R. KAMPLING, Israel, 5.
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
gungen zur traditionsgeschichtlichen Sättigung bereits aufgewiesen worden ist – als solche zur kreativen Mitarbeit197 im Prozess des Hörens/ Lesens „nötigen“, bewirken, dass die Hörer/Leser umso „leichter … in die Welt der Erzählung selbst eintreten und diese ‚bewohnen‘“ können.198 Die bisweilen beklagte Unbestimmtheit der Perikope, die eine Fülle von Bezügen ermöglicht, ist daher nicht einseitig als Schwäche zu notieren, sondern ebenso als deren Stärke zu würdigen. Mk 9,2–8 ist aufgrund seiner zentralen Stellung im Makrotext als stabilisierender Pfeiler in der textarchitektonischen Komposition des Opus zwischen der einleitenden Prädikation Jesu als Sohn Gottes (Mk 1,1; 1,11) und der christologischen disclosure des Centuriobekenntnisses konstruiert. Aufgrund dieser Mittelstellung der Prädikation Jesu als WKBQLSGQWauf der Sinnspitze der Verklärungserzählung ist es möglich, davon zu sprechen, dass diese Prädikation „in zwei Zeitdimensionen eingespannt“ ist: „die des ‚Woher‘ (Geistbegabung seit seiner Taufe) und das ‚Wohin‘ (Auferstehungsherrlichkeit Jesu)“.199 Der christologische Erkenntnisprozess der Jünger, die auch in Mk 9,2–8 die klassischen Identifikationsfiguren für den Rezipienten bilden, findet jedoch „vor den Lesern statt“, den diese mit dem durch 1,1 und 1,11 zugerüsteten VorWissen miterleben.200 Die Prädikation Jesu als WKBQLCXICRJVQL markiert im dramaturgischen Aufbau des Evangeliums daher die Stelle, an der die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Jünger und Leser im Hinblick auf das Persongeheimnis Jesu gleichziehen können.201 Das angesprochene „Eigenleben“ dieser Perikope wurde in der älteren Forschung zum MkEv oftmals dahingehend gedeutet, dass ein ursprünglicher Zusammenhang von Mk 9,1 und 11–13 vermutet wurde, der durch die vorliegende Positionierung der Transfigurationsnarratio unterbrochen werde. Dieser Ansatz ist in der neueren Forschung weitestgehend zugunsten der Ansicht aufgegeben worden, dass das RTYVQP der Elijafrage (V.12) auf das GXM PGMTYP CXPCUVJPCK (V.10) logisch zu beziehen ist202, nicht aber mit dem „Naherwartungslogion“ in 9,1 zu verknüpfen ist, sodass von einer Störung des ursprünglichen Zusammenhanges von Mk 9,1 und 11–13 m.E. nicht die Rede
Vgl. dazu G. THEIßEN, Neutestamentliche Überlegungen, 116. Vgl. die Überlegungen zur „Unbestimmtheit als Wirkungsbedingung“ bei J. FREY, Impliziter Leser, 271f. 199 Treffend bei M. THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 41 Anm. 14. 200 Mit L. SCHENKE, Präexistenzchristologie, 48. 201 Dass die zu „Verklärungsbeobachtern“ ausgewählten Jünger nicht „begreifen, wer Jesus wirklich ist und daß sein Kommen unlösbar mit seinem Kreuz verbunden ist“ – so C. BREYTENBACH, MkEv als episodische Erzählung, 153 –, steht dem nicht entgegen. Entscheidend ist das Faktum der Prädikation Jesu als WKBQL SGQW durch die Autorität Gottes selbst. 202 Vgl. dazu die Einzelversanalyse von Mk 9,11–13 in Kapitel 4 (3.3) dieser Studie. 197 198
2. Vorverständigungen
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sein kann. Dieser Konsens der neueren Markusforschung wird in dieser Studie geteilt und vorausgesetzt. Die zentrale Stellung dieser Perikope im Makrotext ist lange gesehen worden und ist heute im Wesentlichen anerkannt.203 Zusammen mit dem Petrusbekenntnis (8,27–30), der ersten Leidensankündigung und Nachfolgerede (8,31–38) samt dem notorisch schwer zu interpretierenden Naherwartungslogion (9,1) eröffnet sie den Mittelteil des MkEv, in dem die Wundertätigkeit Jesu zurücktritt und die verhandelten Themen „stärker der Belehrung der Jünger“ gewidmet sind.204 Die besagte Mittelstellung dieser Perikopenfolge, die ich als einen ersten „revelatorischen Höhepunkt der Identitätsenthüllung Jesu“205 lese, ist aber nicht nur räumlich im Sinne einer textlichen Mitte im dramaturgischen Aufbau des MkEv zu verstehen, sondern auch thematisch. Zur Verklärungsperikope „hin und von ihr aus laufen zahlreiche motivische Fäden und Verbindungslinien zu allen wichtigen theologischen Aussagen des Evangeliums“.206 Die Verklärungserzählung lenkt den Blick des Rezipienten zunächst nach rückwärts „auf die literarische Feststellung der Identität Jesu in 1,11“207 und die gleichsam rezeptionsleitende Jüngerfrage VKL CTC QWVQL GXUVKP in 4,41 (vgl. auch 1,27; 6,2f.14–16; 8,27–30), auf die sie eine Antwort Gottes bietet, sodann in verstärktem Maße auch nach vorne – über das Bekenntnis des römischen Centurio in 15,39 hinweg – auf die Auferstehungs- und Parusiewirklichkeit, bei der die Herrlichkeit Jesu nicht wie in Mk 9,2–8 eine vorübergehende, sondern eine offenkundige und kontinuierliche sein wird.208 Für dominierend halte ich jedoch die Zukunftsperspektive209, die bereits durch die redaktionelle Positionierung der Verklärungsperikope zwischen dem erwarteten Kommen der Gottesherrschaft (9,1) und der Schweigeverpflichtung bis zur Auferstehung narrativ herausgestrichen ist. Für die Texteinheit Mk 9,2–8 gilt daher in verdichteter Weise, was für den markinischen Mit203 Vgl. K. BERGER, Verklärung Jesu, 3; D.J. LOSE, What Does This Mean?, 87; N.R. PETERSEN, Zeitebenen, 115. Ferner J. GATTA, Transfiguration, 488. 204 Mit M. THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 76. Ferner H.-J. KLAUCK, Erzählerische Rolle, 17. 205 Sprachlich angelehnt an M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 183. 206 Mit M. REISER, Verklärung Jesu, 27. 207 Mit N.R. PETERSEN, Zeitebenen, 115. 208 Zum Konnex der Perikopenfolgen Mk 8,34–9,1 und 9,2–8 vgl. die Einzelversanalyse in Kapitel 2 (2.) dieser Studie. Vorab ist hier insbesondere auf den Abschluss der Logienreihe zur Kreuzesnachfolge in Mk 8,38 zu verweisen, wonach der Menschensohn GXP VJ^ FQZJ^ VQW RCVTQLCWXVQW kommen wird. Die damit ins Wort gebrachte Aktionseinheit von Gott-Vater und Sohn weist über die erzählte Zeit hinaus auf die ParusieWirklichkeit. Diese Einheit von Gott-Vater und Sohn in der FQZC wird in der Verklärungsperikope narrativ im Voraus angedeutet, es kann aber nicht von einer tatsächlichen Erfüllung von 8,38 durch 9,2–8 die Rede sein. 209 Mit M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 41 Anm. 14.
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
telteil insgesamt festzustellen ist: Die drei Leidens- und Auferstehungsankündigungen, das Naherwartungslogion, die Verklärungsperikope, das bis zur Auferstehung terminierte Schweigegebot fungieren als „Vorgriff auf einen nachösterlichen Zeitpunkt“210, sind demnach in ihrer Ausrichtung stark zukunftsgewandt.211 Mit dieser Deutung ist m.E. die antizipatorische Funktion der Verklärungsperikope gesichert und zugleich vermieden, sie in unsachgemäßer Weise als Prolepse einer zukünftigen Wirklichkeit zu definieren. Skopus der Verklärungsperikope als einer christologischen Legitimationserzählung bleibt die Offenbarung der aus der Sicht der Erzählung gegenwärtigen christologischen Würde Jesu, wie aus der im Präsens ergehenden Gottes-Sohn-Prädikation deutlich zu entnehmen ist.212 Die Ausrichtung auf die Zukunft ergibt sich ebenso aus der Tatsache, dass die Prädikation Jesu als Sohn Gottes in Mk 9,7 makrotextuell auf das Bekenntnis des römischen Centurio verweist, das als einziges unrelativiert stehen bleibt und als solches nicht hinter einer Schweigeverpflichtung verborgen wird. Die christologische Basisfrage von 4,41 „erhält ihre Antwort erst mit der Einsicht des Hauptmannes (Mk 15,39) vom Kreuz her“.213 Diese makrotextuelle Beziehung verbindet sich mit einem Phänomen, das als passionsthematische Einbettung der Verklärungsperikope zu bezeichnen ist, wonach das Kreuz/Leiden in die Frage nach dem Persongeheimnis Jesu miteinzubeziehen ist. So wird einerseits im Rahmen der Einzelversanalyse zu Beginn des zweiten Kapitels die der Verklärungsperikope vorgelagerte Logienfolge 8,34–9,1 sowie andererseits im vierten Kapitel das Bergabstiegsgespräch, das den im MkEv mit dem Leiden konnotierten Elija thematisiert, näher zu beleuchten sein (9,11–13). 2.3 Überlegungen zum Konnex von Tauf- und Verklärungsperikope 2.3.1 Tauf- und Verklärungsperikope als Epiphaniegeschichten Die in makrotextueller Hinsicht größte theologische Nähe der Verklärungsperikope lässt sich zur Taufperikope feststellen. Diese Feststellung ist Allgemeingut der meisten Interpretationen von Mk 9,2–8.214 Um die im zweiten Kapitel vorzulegende Einzelversanalyse der Verklärungsperikope 210
Mit N.R. PETERSEN, Zeitebenen, 114. Gut beobachtet von N.R. PETERSEN, Zeitebenen, 110: „Trotz dieser wenigen Rückbezüge bietet der Abschnitt 8,27–10,52 mehr Information zu den die Zukunft betreffenden zeitlichen Koordinaten der Erzähl-Welt als irgendein vorhergehender Abschnitt“. Ferner a.a.O., 114f. 212 So D. ZELLER [Verwandlung Jesu, 113] mit Verweis auf T.A. B URKILL, Mysterious Revelation, 159f.: „The voice from the cloud does not declare that Jesus will be the Son of God at some future date, but simply that he is the Son of God“. 213 Mit C. BREYTENBACH, MkEv als episodische Erzählung, 154. 214 Vgl. für viele z.B. D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 345–347. 211
2. Vorverständigungen
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von einem ständigen Vergleich mit 1,9–11 freizuhalten, empfiehlt es sich, exkursartig zum Verhältnis dieser beiden christologischen Spitzenperikopen Stellung zu beziehen. In dieser Studie wird die Verklärungsperikope mit der Kategorie einer an der atl. Sinaitradition orientierten Epiphanieerzählung zu erfassen versucht. Ihr ist – ausgehend von der dramaturgischen Konzeption des MkEv – die Tauferzählung vergleichend an die Seite zu stellen, die ich im Folgenden auch als Erzählung mit stark epiphanialen Zügen zu lesen vorschlage.215 Ebenso weist der Sterbebericht Mk 15,33–39 Züge eines epi215 Zur formkritischen Einordnung der Taufperikope als Epiphanieerzählung vgl. z.B. U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 16. Ferner G. G UTTENBERGER, Gottesvorstellung, 88f. Dazu passt die von H.-J. KLAUCK [„Vorspiel im Himmel?“, 91] aufgewiesene Grundtendenz antiker Texte, dass Themen des Prologs dazu neigen, im Makrotext „wiederzukehren und ein Echo zu finden“. Klauck arbeitet diesen Gedanken insbesondere im Hinblick auf den Konnex der Taufperikope (1,9–11) mit der in 10,38f. angedeuteten „Todestaufe“ der Zebedäussöhne sowie mit dem in 15,38 angesprochenen UEK\GKPdes Tempelvorhangs aus. Mit dem Vorschlag, die Taufperikope unter die Großgattung „Epiphanie“ einzuordnen, ist – wie oben bereits im Hinblick auf die verwandte Erzählung in Mk 9,2–8 ausgeführt – keine Vorentscheidung hinsichtlich der Frage einer Präexistenzchristologie im MkEv getroffen. Auch eine ggf. intendierte pneumachristologische „Einsetzung“ zum Sohn Gottes kann in den Farben einer Epiphanieerzählung dargestellt werden. Die von M. Dibelius [Formgeschichte, 271] aufgestellte Alternative „Epiphanie“ versus „Adoption zum Sohne Gottes“ dürfte in ihrer Ausschließlichkeit nicht zu halten sein, zumal es deutliche Indizien dafür gibt, dass der markinische Erzähler Tauf- und Verklärungsperikope aufeinander abstimmen wollte. Vollkommen richtig formuliert G. STRECKER, Messiasgeheimnistheorie, 40: „Epiphanie und Adoption sind keine einander ausschließenden Vorstellungen“, wenngleich ich den Terminus „Adoption“ vom Taufbericht fernhalten möchte. Mit U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 16: „Die Erzählung ist nicht am Gedanken der Adoption interessiert …“. Die Taufperikope funktioniert, auch wenn „der Geist“ nicht von vornherein als „sein [scil. Jesu] Besitztum“ erscheint (so der Einwand von M. D IBELIUS, a.a.O.), als Offenbarungsgeschichte der weitestgehend verborgenen Würde Jesu. Die gattungskritische Einordnung der Taufperikope stellt gleichwohl eine kontrovers diskutierte Frage dar. Als gängige Gattungsvorschläge werden in etwa genannt: „Adoptionserzählung“ (in weiten Teilen der älteren Forschung) – „Einsetzungsbericht“ (K. B ALTZER, Biographie der Propheten, 193; Chr. Rose, Theologie als Erzählung, 145f.: konkret „Inthronisation“, so auch H. HÜBNER, Theologie III, 79; M. T ILLY, Johannes, 44. Ferner Ph. VIELHAUER, Erwägungen, 161f.: „Jesus wird bei der Taufe durch Johannes von Gott zum König der eschatologischen Heilszeit eingesetzt“) – „mythische Erzählung“ (M. DIBELIUS, a.a.O., 270: Die Taufperikope stelle – wie die Versuchungs- und Verklärungsperikope auch – ein „beziehungsreiches Handeln zwischen ‚mythischen‘, nicht menschlichen Personen“ dar) – „Berufungserzählung“, näher „christologische Fundamentalgeschichte“ (vgl. J. GNILKA, EKK-Mk I, 53f. Ähnlich auch K. BERGER, Messiastraditionen, 28f.; L.W. HURTADO, Mark, 20; W. SCHMITHALS, ÖTBK-Mk I, 82.87) – „Legende“ (R. B ULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 263f.) – „Deutevision“ (so die These von F. LENTZEN-DEIS, Taufe Jesu, passim.; kritisch dazu die Rezension von A. VÖGTLE, in: BZ NF 17 (1973), 115–123) – „Epiphanie(-szene)“ (vgl. M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 157–165; U.B. M ÜLLER , „Sohn Gottes“, 16; L.
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
phanialen Geschehens auf. Dieser steht in komplementärer Zuordnung zur Verklärungsperikope und markiert nach der dort skizzierten FQZC-christologischen Annäherung an das Persongeheimnis Jesu den Tiefpunkt seiner irdischen Existenz.216 Die Prädikation Jesu als WKBQLSGQW „stellt eine innere Beziehung zwischen Tauf-, Verklärungs- und Todesort Jesu her“ (1,11; 9,7; 15,39).217 Alle drei Orte sind m.E. als Orte der epiphanialen Offenbarung des Gottessohnes anzusprechen. Ist die Bezeichnung Jesu als WKBQL SGQW in 1,1 noch außerhalb der erzählten Zeit platziert, so sind die beiden Prädikationen Jesu in 1,11 und 9,7 sowie das Centuriobekenntnis innerhalb der erzählten Zeit positioniert und bei der Exegese der Verklärungsperikope besonders zu berücksichtigen. Bereits Ph. Vielhauer hat in seinem wirkmächtigen Aufsatz „Erwägungen zur Christologie des Markusevangeliums“ in der Bultmann-Festschrift im Jahre 1964 eine vergleichende Lektüre von Tauf- und Verklärungsperikope empfohlen.218 SCHENKE, Markusevangelium [1988], 109) – „Christus-Zeugnis“ (A. VÖGTLE, Taufperikope, 125). Wiederholt wird der Begriff „Messiasweihe“ in die gattungskritische Diskussion eingebracht. Vgl. z.B. R. B ULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 268. Dieser Begriff erweist sich jedoch formgeschichtlich als inhaltsleer. 216 Mit M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 199. Als epiphaniale Elemente des markinischen Kreuzigungsberichts sind zu nennen: 1. Die Finsternis zwischen der 6. und 9. Stunde. Angesprochen ist hier kein „Wetterbericht“ (mit Chr. B URCHARD, Markus 15,34, 7), sondern ein „kosmisches Wunder“ (mit J. GNILKA, EKK-Mk II, 321), das per Rückgriff auf traditionelle Vorgaben die umfassende Bedeutung des Sterbens Jesu indiziert. Die primäre traditionelle Vorgabe sollte in Am 8,9 gesehen werden. Mit M. T HEOBALD, Tod Jesu, 22. Zur Bedeutung der Finsternis im Alten Testament und Judentum vgl. J. SCHREIBER, Kreuzigungsbericht, 132–147. Vgl. auch P.-G. K LUMBIES, Mythos bei Markus, 267f. – 2. Der Schrei Jesu, mit dem das RPGWOCausgehaucht wird. – 3. Zerreißen des Tempelvorhangs – 4. Das Zeugnis des Centurio. Die Finsternis sowie das Zerreißen des Tempelvorhangs können zugleich als himmlische UJOGKC bezeichnet werden, die als solche die verborgene Anwesenheit Gottes indizieren. Mit M. T HEOBALD, a.a.O., 21f. Interessant bleibt zudem die von P.-G. K LUMBIES [a.a.O., 269] neu in die exegetische Diskussion eingebrachte Position: „Der Ruf Jesu von V. 34 koinzidiert mit der Aufhellung der verdunkelten Szenerie. Beim Tod Jesu ist es hell.“ Vgl. auch D ERS., Konzept des ‚mythischen Raumes‘, 114f. So auch W. FRITZEN, Rätselhaftes Kreuz, 53. Aufgrund eines sowohl inkludierend als auch exkludierend möglichen Gebrauchs der Konjunktion G=YL (vgl. Mk 15,33: MCK IGPQOGPJL Y=TCL G=MVJL UMQVQL GXIGPGVQ GXH8 Q=NJP VJPIJPG=YLY=TCLGXPCVJL) ist eine eindeutige Entscheidung nicht möglich. Der Gedanke bleibt gleichwohl höchst plausibel. Es liegt somit trotz der auffallenden narrativen Nüchternheit in der Ausgestaltung der Kreuzigungsszene (mit M. FRENSCHKOWSKI, a.a.O., 199; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 265) eine nahezu flächendeckende Sättigung des markinischen Sterbeberichts mit ominös-apokalyptischen Erzählzügen vor, die das Geschehen einem Epiphanieereignis annähern. Vgl. M. FRENSCHKOWSKI, a.a.O., 202: „Die Kreuzigungsszene ist eine Offenbarungsszene mit epiphanialem Beiwerk.“ (kursiv im Original, A.W.) 217 Mit P.-G. KLUMBIES, Konzept des ‚mythischen Raumes‘, 110. 218 Vgl. Ph. VIELHAUER, Erwägungen, 162.
2. Vorverständigungen
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Nach der einleitenden Bezeichnung Jesu als Sohn Gottes in 1,1 liegt die narrative Wiederaufnahme dieser Prädikation gleichsam in der Luft. Dieser Erwartung entspricht der Erzähler mittels der Taufperikope und indiziert dadurch die unvergleichlich hohe theologische Dignität der Bezeichnung Jesu als Sohn Gottes, insofern Jesu erster Auftritt in der erzählten Zeit in diese Prädikation aus dem Munde Gottes mündet.219 Die in 1,1 eingeführte christologische Dignität Jesu wird so durch die Himmelsstimme in 1,11 theo-logisch begründet: „Gott selbst bestimmt das Verhältnis zu Jesus als das der Beziehung zwischen Vater und Sohn.“220 Der Himmelsstimme der Taufe entspricht weitgehend die Wolkenstimme der Verklärungsperikope, die jedoch ekklesiologisch-paränetisch erweitert ist. Nach einer treffenden Bemerkung H.-J. Klaucks schlingt sich „die schrittweise Enthüllung des Gottessohntitels“ einem „rote[n] Faden“ vergleichbar „durch das Gewebe, durch die ‚Textur‘ der markinischen Erzählung“.221 Dabei fällt auf, dass weder der Christus- noch Gottessohntitel in irgendeiner Form thematisch vorbereitet werden: Beide werden ohne narrative Propädeutik bereits im Initium des Makrotextes unvermittelt eingeführt, und zwar „als unhinterfragbare Grundlage, als Ausgangspunkt, der als Voraussetzung für alle folgenden Erzählungen akzeptiert werden muß“.222 Die Konzeption des Makrotextes verrät eine entsprechende Rezeptionserwartung seitens des markinischen Erzählers und eine vergleichbare Kompetenz aufseiten der Rezipienten.223 Es ist wahrscheinlich, dass die Leser des MkEv – „viele werden streng genommen Hörer gewesen sein“224 – in der Lage waren, Stellen, die ein derart prominentes Theologoumenon wie WKBQLSGQW enthalten, miteinander in Beziehung zu setzen: wenn z.B. im Winzergleichnis der Weinbergbesitzer in 12,6 erwägt, als ultima ratio seinen Sohn, den er nachdrücklich als CXICRJVQLqualifiziert, zu den „bösen Weinbergpächtern“ zu schicken, dann ist es als wahrscheinlich zu erachten, dass der Rezipient an die Tauf- und Verklärungserzählung zurückverwiesen wird, die ebenso 219
Treffend bei Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 138. Vgl. P.-G. KLUMBIES, Mythos bei Markus, 154. 221 Vgl. H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 80. 222 Mit J. DECHOW, Gottessohn, 30. Der Verfasser spricht recht anschaulich von einem christologischen „Paukenschlag“, mit dem das MkEv in 1,1 beginnt. 223 Treffend formuliert G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 37: „Es ist überaus wahrscheinlich, dass Markus entsprechende Leistungen auch von den Hörenden erwartet. Sie sollen sich das Erzählte auch in Einzelheiten merken, Episoden miteinander in Beziehung setzen und für den mit den Sprachformen Metapher und Allegorie verbundenen Sinnzuwachs offen sein.“ 224 Mit Chr. B URCHARD, Markus 15,34, 1 Anm. 2. G. GUTTENBERGER [Gottesvorstellung, 37 Anm. 197] macht ebenso diese Vermutung geltend und ergänzt: „Es dauert etwa 120 bis 150 Minuten den Text des Markusevangeliums laut vorzutragen.“ Vgl. auch die Beobachtungen zur Rhythmik im MkEv bei G. LÜDERITZ, Rhetorik, 168–176. 220
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dieses im MkEv seltene und zudem emotional stark aufgeladene Adjektiv enthalten.225 Dies dürfte auch im Hinblick auf die Gottes-Sohn-Prädikation für das christologische „Selbstbekenntnis“ in Mk 14,61f. sowie für das aufgrund des vorliegenden Imperfekts und des fehlenden Artikels notorisch schwer zu deutende „Bekenntnis“ des römischen Hauptmannes unter dem Kreuz gelten. Dem Leser des Evangeliums wird die Möglichkeit geboten, aber auch die Leistung abgefordert, sein in Mk 1,1 gewonnenes Wissen situativ zu entfalten. Der Titel „Sohn Gottes“ erweist sich als „identifikatorischer Haftpunkt für den Leser“226 und steuert die Rezeption der im Folgenden dargelegten Jesusgeschichte. Die Rekapitulation dieses christologischen Hoheitstitels an derart aus dem Text herausragenden Textstellen wie Taufe (1,9–11), Verklärung (9,2–8) und Sterbeszene (15,33–39) unterstützt diese Einschätzung vollauf: Jesus Christus ist der Sohn Gottes.227 225
Vgl. dazu G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 37. In Unterpunkt 3.9.4 des zweiten Kapitels dieser Studie ist folglich nach dem Konnex von Verklärungsperikope und Weinbergparabel zu fragen. 226 Gut bei M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 156. 227 Unter diesem Aspekt ist es legitim zu sagen, dass der Verfasser des MkEv in 1,1 mittels der vorgelegten Identifikationsaussage die Kriterien zum Verständnis seiner Schrift benennt. Gut bei R. KAMPLING, Israel, 35. In Verbindung mit den VV.2f. werde nach Kampling [a.a.O., 29] dem Leser „der hermeneutische Schlüssel zum markinischen Werk an die Hand gegeben“. So erkennt auch J. DECHOW [Gottessohn, 34] in der Tauferzählung „eine narrative Entfaltung der Aussage …, die den Lesenden schon in Mk 1,1 mitgeteilt wurde: ‚Jesus ist der Sohn Gottes‘“. Die „Determination der Rezeptionshaltung“ (vgl. a.a.O., 28) wird in Mk 1,9–11 aufgegriffen und weitergeführt. Wenn nun in Mk 1,1 der Leser/Hörer durch die Evangeliumsüberschrift den entscheidenden hermeneutischen Schlüssel in die Hand gelegt bekommt – Jesus ist der WKBQL SGQW –, so wird der Hörer/Leser nicht vom Anspruch befreit, diese Wahrheit schrittweise zu seiner eigenen zu machen. Das MkEv könnte so – in metaphorischer Umschreibung des Sachverhalts – als mystagogische Einübung in das Persongeheimnis Jesu gedeutet werden. Die hohe Bedeutung und die gliedernde Funktion, die das MkEv selbst im Verlauf der Erzählung dem christologischen Hoheitstitel WKBQLSGQW zuschreibt, sprechen deutlich für die textkritische Bevorzugung dieses Terminus in Mk 1,1. Diese Lesart wird durch namhafte Textzeugen wie D B D L W sowie durch die lateinische, syrische und koptische Überlieferung bezeugt. Die ebenso bezeugte Auslassung (vgl. D 3(28) pc sowie Origenes) lässt sich als frühes Homoioteleuton auffassen. Vgl. zur ausführlichen, die Ursprünglichkeit favorisierenden Diskussion dieser textkritischen Frage C.R. KAZMIERSKI, Jesus, 1–9. Für die Ursprünglichkeit sprechen sich ferner aus C. B REYTENBACH, Grundzüge, 173; G. DAUTZENBERG, „Kompendien“, 228; DERS., Zeit des Evangeliums, 229; P. DSCHULNIGG, ThK-Mk, 58 Anm. 3; M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 156; J. GNILKA, EKK-Mk I, 43 (mit Hinweis auf das ungewöhnliche und von daher wohl ursprüngliche Fehlen des Artikels); F. H AHN, Verständnis des Glaubens, 65 Anm. 92; O. H OFIUS, Jesu Zuspruch der Sündenvergebung, 54 mit Anm. 65; H.-Chr. KAMMLER, Verständnis der Passion, 466; R. KAMPLING, a.a.O., 31 Anm. 34; K. KERTELGE, NEB-Mk, 16; H.-J. KLAUCK, Allegorie und Allegorese, 310; DERS., „Vorspiel im Himmel?“, 45f.; K.W.
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Bereits M. Dibelius hat in seinem epochemachenden Werk „Formgeschichte des Evangeliums“ deutliche Fingerzeige in Richtung des Verständnisses der Taufperikope als Epiphanieerzählung gegeben, wenngleich seine Ausführungen bisweilen nicht klar sind. Dibelius gibt zur Taufperikope zunächst zu bedenken: „Wenn es sich nur um eine feierliche Darstellung dessen handelte, was Jesus bereits ist – also um eine Epiphanie –, so müßte der Geist als sein Besitztum erscheinen.“228 Er macht damit auf die Tatsache der pneumatologischen Dimension der markinischen Tauferzählung aufmerksam und damit auf die Frage, inwieweit die bei der Taufe empfangene Geistesgabe den Menschen Jesus zum Christus macht. An anderer Stelle macht Dibelius bei der formkritischen Ortsbestimmung der Taufgeschichte den Versuch, den Leser des Evangeliums in Blick zu nehmen, indem er zur Taufperikope ausführt: „Sie hätte dann als eine Epiphanie Jesu zu gelten, aber nicht als eine Epiphanie vor der Welt, die ihrer noch nicht fähig ist; auch für den Täufer ist diese himmlische Kundgebung nicht bestimmt, da er ihrer nach des Markus Auffassung wohl kaum bedarf, sondern für Jesus selbst und – werden wir wohl hinzufügen dürfen – für die in das Geheimnis von Jesu Würde Eingeweihten, die Leser des Buches.“229 Damit hat M. Dibelius trotz der gewissen Spannung zur obigen Aussage das Stichwort „Epiphanie“ im Hinblick auf die Taufperikope ins Gespräch gebracht. Mit der Einführung des Stichwortes „Epiphanie“ ist keine Vorentscheidung hinsichtlich einer möglicherweise vorliegenden Präexistenzvorstellung getroffen. Auch eine pneumachristologische Lektüre der Tauferzählung schließt m.E. einen epiphanialen Charakter der Taufgeschichte nicht aus. In Anbetracht der rezeptionsleitenden Funktion der Taufperikope und der Übereinstimmungen mit der Verklärungsperikope sollte ein epiphanialer Charakter der Erzählung gerade nicht ausgeklammert werden. Die Tauferzählung lässt sich als Epiphanieszene im Hinblick auf die Leser auffassen, die Anteil an der auktorialen Allwissenheit des Verfassers erhalten sollen230, womit übereinstimmt, dass wir es hier mit der ersten wirklichen Szene des MkEv zu tun haben. LARSEN, Christological Reading, 45 Anm. 43; B.M. METZGER, Textual Commentary, 62; L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 43f.; D ERS., Präexistenzchristologie, 47; Th. SÖDING, Glaube, 223; V. T AYLOR, Gospel according to St. Mark, 153. Anders E. CUVILLIER , „Kreuzestheologie“, 113 Anm. 8; D. D ORMEYER, Markusevangelium, 144f.; R. PESCH, HThK-Mk I, 74 Anm. a; E. SCHWEIZER, NTD-Mk, 12. Unentschlossen fragend D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 33. Die angesprochene Frage bleibt jedoch eine Crux interpretum der Markusforschung. 228 Vgl. M. DIBELIUS, Formgeschichte, 271. 229 Vgl. M. DIBELIUS, Formgeschichte, 233. 230 Gut bei M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 157. Vgl. auch R. KAMPLING, Israel, 56; H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 103; L. SCHENKE, Mar-
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
2.3.2 Theologische Berührungen von Tauf- und Verklärungsperikope Auf der Ebene des Endtextes drängt die Formulierung QB WKBQL OQW QB CXICRJVQL dazu, die Verklärungsperikope vor dem Hintergrund der markinischen Taufperikope zu bedenken.231 Beide Perikopen finden ihren Höhepunkt in einer aus der himmlischen Sphäre ergehenden göttlichen Stimme, die als solche als Hermeneutin des zuvor geschilderten Geschehens fungiert. In beiden Fällen wird diejenige christologische Wirklichkeit narrativ eingeholt und höchstautoritativ begründet, die Mk 1,1 als „Überschrift über das Gesamtwerk … bereits vorausgesetzt hat“.232 In beiden Perikopen liegt ein Konnex von Vision und Audition vor, mit der die erstere eine himmlische Deutung erfährt.233 Sind in 1,10f. eine Audition und eine Vision dahingehend einander zugeordnet, „daß es das vorangehende Geschehen der Herabkunft des Geistes ‚in ihn‘ ist, das in der nachfolgenden Himmelsstimme als Vorgang der Erwählung gedeutet wird“234, so werden das göttlich initiierte (vgl. 9,2c) Geschehen der Metamorphose Jesu sowie das Erscheinen der himmlischen Besucher (YHSJ) mittels der Wolkenstimme (9,7c.d) ebenso göttlich gedeutet, sodann mittels einer literarischen Verarbeitung der bekannten „Prophet-wie-Mose-Tradition“ aus Dtn 18,15–18 LXX ekklesiologisch ausgearbeitet.235 In Mk 9,7c liegt eine identifikatorische Akklamation angesichts der zu Zeugen berufenen Jünger vor, in der die funktionale Identität Jesu als des mit dem göttlichen RPGWOCbegabten Sohnes höchstautoritativ und endgültig geklärt wird. Der Grad an Gottes-
kusevangelium (2005), 54; DERS., Präexistenzchristologie, 55. Vgl. zur „Allwissenheit“ des markinischen Erzählers die Belege bei Th. SÖDING, Evangelist in seiner Zeit, 24 Anm. 51. 231 Mit D.S. DU T OIT, „Gesalbter Gottessohn“, 41. Die in Mk 1,11 und 9,7 vorliegende, ähnlich lautende Gottes-Sohn-Prädikation darf keinesfalls vorschnell in Richtung einer wie auch immer gearteten Abhängigkeit missverstanden werden. Richtig urteilt R. PESCH, HThK-Mk II, 77: „Die Beziehungen zwischen Tauf- und Verklärungsgeschichte sind nicht im Sinne der Abhängigkeit der einen von der anderen … zu lösen“. 232 Mit P.-G. KLUMBIES, Mythos bei Markus, 154. Dabei ist aber zu beachten, dass Mk 1,1 nicht isoliert, sondern im Verbund mit der Zitatenkombination in den VV.2f. die Überschrift über den Makrotext bildet. Vgl. zur Begründung die Ausführungen in Kapitel 4 (3.3) dieser Studie. 233 Vgl. dazu K. B ERGER, Formgeschichte, 282: „In der Regel erklärt und deutet die Audition die Vision.“ 234 Mit M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 59. Der von Theobald vorgelegten geistchristologischen Interpretation des Geschehens schließt sich D.S. DU TOIT [Abwesender Herr, 345f.] an. Vgl. auch DERS., „Gesalbter Gottessohn“, 47–49. 235 J.M. NÜTZEL [Verklärungserzählung, 248] deutet den Sachverhalt dahingehend, dass „die Stimme … das Erschaubare der Szene in eine akustische Wahrnehmung“ übersetzt.
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nähe ist im Falle Jesu somit unüberbietbar hoch.236 Das Erscheinen der beiden herausragenden alttestamentlichen Gestalten transportiert eine christologische Botschaft, die in 9,7 explizit formuliert wird: Insofern Jesus der Sohn Gottes ist, muss seine theologische Dignität als unübertrefflich hoch angesprochen werden. Eine ähnliche Gedankenbewegung liegt in der Taufperikope in 1,9–11 vor, insofern diese ebenso von einer überbietenden Gegenüberstellung „Johannes – Jesus“ lebt und die „ganz neue heilsgeschichtliche Würde Jesu“ betont.237 Ist – ohne in die schwierige Gattungsdiskussion angesichts der Taufperikope im Detail einsteigen zu können – darüber Einigkeit zu erzielen, dass Mk 1,9–11 eine „Legitimationsurkunde Jesu … für sein kommendes Wirken“ darstellt238, so lässt sich 9,2–8 als weitere, auf dieser „Legitimationsurkunde“ aufbauende christologische Legitimationsgeschichte verstehen. In beiden Perikopen wird einer Aktivität Jesu ein Geschehen an ihm sachlogisch zugeordnet: Liegt in der Taufperikope im Syntagma J NSGP 8,JUQWL«GKXLVQP8,QTFCPJP(1,9) eine Aktivität Jesu vor, so indiziert das Verb GXDCRVKUSJ, dessen logisches Subjekt der Täufer Johannes ist, eine Aktivität, die an der Person Jesu vollzogen wird und die eine göttliche Gottes-Sohn-Prädikation (UWGK QBWKBQLOQWQBCXICRJVQL) nach sich zieht. In 9,2a.b markiert das Jüngerauswahl- zusammen mit dem Bergaufstiegsmotiv ein autoritatives Handeln Jesu, an das sich ein Handeln an Jesus anschließt: die göttlich initiierte Metamorphose Jesu239, das Erscheinen der himmlischen Besucher und die erneute himmlische Gottes-Sohn-Prädikation. Beide Perikopen dienen der narrativen Entfaltung des in 1,1 formulierten christologischen Anspruchs Jesu und haben eine legitimatorische Intention. Ist die Taufstimme intradiegetisch auf Jesus und extradiegetisch auf die Rezipienten des Textes ausgerichtet, so ist durch die in 9,2a erfolgte Auswahl dreier Jünger der Zeugenkreis in intradiegetischer Hinsicht erweitert.240 Wie die Himmelsstimme in 1,11 hat auch die Wolkenstimme 236
In diese Richtung deutet auch [D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 346f.] mit Verweis auf S. PELLEGRINI, Elija, 330: „Durch diese Metamorphose offenbart Gott den Jüngern die Identität Jesu als die ‚des Sohnes‘, d.h., als jenes, den Gott ausgewählt hat, der in einem einzigartigen Verhältnis mit Gott steht und für ihn spricht.“ Vgl. auch DERS., „Gesalbter Gottessohn“, 48f. 237 Überzeugend bei U.B. M ÜLLER, „Sohn Gottes“, 17. 238 Mit M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 61. 239 Zur Diskussion des in Mk 9,2c vorliegenden Passivum divinum vgl. Kapitel 2 (3.5) dieser Studie. 240 Während die in Mk 1,9 erwähnte Taufe noch Züge eines öffentlichen Geschehens trägt, insofern sich Jesus tendenziell dem Strom der Taufwilligen (vgl. 1,5) anschließt, vollzieht sich mit 1,10 ein Wechsel in der Szenerie: Durch die Gegenüberstellung von CXPCDCKPYP und MCVCDCKPQP kommt es zu einer komplementären Annäherungsbewegung
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
des Verklärungsgeschehens eine identifizierende und legitimierende Funktion, wird aber im Gegensatz zur Taufstimme durch die imperative Wendung CXMQWGVG CWXVQW paränetisch ausgearbeitet. Dies ist erzähltechnisch sinnvoll, da im Gegensatz zu 1,11 der Leser mit der Person Jesu vertraut gemacht worden ist und im markinischen Mittelteil, an dessen Beginn die Transfigurationserzählung platziert ist, wichtige Teile der autoritativen Lehre Jesu nun vorgetragen werden. Ist die Taufperikope als eine inhaltliche Präzisierung des in 1,1 kommunizierten christologischen Anspruchs konzipiert, und zwar dahingehend, dass Jesus der WKBQLSGQW ist, insofern er Träger des göttlichen RPGWOC ist, fungiert die Wolkenstimme der Transfigurationsnarratio als paränetische Ausfaltung dieses christologischen Wissens. Dabei kommt es aber auch zu einer großräumigen Inclusio: Wird im Anschluss an die Taufszene und den Wüstenaufenthalt das erste autoritative Auftreten Jesu mit einem Appell zu einer umfassenden Verhaltensänderung berichtet – OGVCPQGKVG MCK RKUVGWGVG GXP VY^ GWXCIIGNKY^ –, so wird dieser Anspruch Jesu in 9,7d gleichsam theo-logisch ratifiziert und damit zugleich ein Rezeptionshinweis für die im Folgenden vorgetragene autoritative Lehre Jesu kommuniziert. Diese Weisung der Wolkenstimme betrifft auf einer ersten Ebene die Jünger, auf einer zweiten Ebene unvervon „Sohn“ und „Gott“. Vergleichbares ist im Zusammenhang der Transfiguratio zu beobachten: Mit dem durch die Initiative Jesu initiierten „Aufsteigen“ auf den Berg der Verklärung korrespondiert die der göttlichen Initiative geschuldete Metamorphose Jesu (Mk 9,2c), die „Einhüllung“ aller auf dem Verklärungsberg befindlichen Personen (vgl. zum semantischen Gehalt des Lexems GXRKUMKC\GKPund zur Reichweite dieses Verbs die Diskussion in Kapitel 2 (3.9.2) dieser Studie) sowie die Wolkenstimme in V.7. Gott löst somit erneut (nach Mk 1,11) den vom Erzähler in Mk 1,1 rezeptionsleitend kommunizierten christologischen Anspruch ein. Während beim Taufakt erzähllogisch andere Anwesende mitzudenken sind, werden „[d]urch die Wendung ‚er sah‘ … die übrigen mitanwesenden Figuren von dieser Wahrnehmung ausgeschlossen“, sodass es sich um ein Geschehen zwischen Sohn und Vater handelt. Mit R. ZWICK, Montage, 216. Ferner R. KAMPLING, Israel, 49. Eine Differenzierung gegenüber den anderen Taufempfängern liegt zudem in der Tatsache vor, dass die OGVCPQKCsowie das Bekenntnis und die Vergebung der CBOCTVKCKkeine Erwähnung finden. Das im Anschluss an die Taufe erfolgte Geschehen wird aus der Perspektive Jesu erzählt. Vgl. nur P.-G. K LUMBIES, Mythos bei Markus, 153. Ist das zentrale visionelle Element als Geschehen zwischen Jesus und Gott zu deuten, so gilt dies uneingeschränkt auch für den auditionellen Part des Vorgangs (HYPJ GXIGPGVY GXM VYP QWXTCPYP), was durch den konkreten Inhalt der Himmelsstimme vollauf bestätigt wird, die Jesus mittels der 2. Pers. Singular adressiert (UW GK …) und die somit auf die Beziehung zwischen Vater und Sohn rekurriert bzw. eine solche begründet. Vgl. dazu auch J. DECHOW, Gottessohn, 33f. Die Akklamation erfolgt in Mk 1,11 in nicht-öffentlicher Weise ad personam Jesu. Mit D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 346. Die durch die Interaktion von Sohn und Vater erzeugte „esoterische Stimmung“ wird zudem dadurch forciert, dass der Täufer nicht über das in Mk 1,1–3 vermittelte Wissen verfügt und somit nicht weiß, an wem er die Taufe vollzieht. Vgl. z.B. M.D. HOOKER, Beginnings, 15: „John does not recognize him … he does not know what we know“.
2. Vorverständigungen
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mindert auch die Rezipienten des Textes.241 Inhalt des „Hörens“ ist die gesamte autoritative Lehre Jesu, die aber durch die kontextuelle Platzierung des Verklärungsgeschehens auf das Passionsgeschehen und die Nachfolgethematik hin spezifiziert ist. Beide Szenen lassen sich als Epiphanieszenen begreiflich machen, wobei die Verklärungsperikope weit über die Taufperikope hinaus auf die Aktionseinheit Jesu und Gottes verweist, in der die Aktivität Jesu (9,2a: Jüngerauswahlmotiv; 9,2b: Rückzugsmotiv) an die Aktivität Gottes rückgebunden und durch sein Handeln (9,2c: Verwandlung Jesu; Erscheinung der Himmelsbewohner; Wolkenstimme) flankiert wird. Die Intention beider Perikopen ist die Hervorhebung der besonderen Würde Jesu, die in seiner „einzigartigen Relation zu Gott“ gründet.242 Das Motiv der Himmelsspaltung im Zusammenhang mit der Tauferzählung in 1,10 und die Wolkenstimme bei der Verklärung sprechen eine alttestamentlich-jüdische Plausibilität an und lassen sich als Einbruch des Göttlichen in irdische Vorgänge interpretieren. Diese Phänomene gehören in prophetischer wie apokalyptischer Literatur zu den Charakteristika von Epi- bzw. Theophanien und anderen Offenbarungsereignissen.243 Das Motiv des UEK\GKP des Himmels rekurriert auf die Metaphorik eines Himmelszeltes, dessen Durchbrechung die Kommunikation zwischen der irdischen und der göttlichen Sphäre ermöglicht, während die Überschattung durch die Wolke auf die insbesondere in der Exodus-/Sinaitradition (Ex 14,20; 16,10; 19,9; 20,21; 24,15f.18; 34,5; 40,34–38) häufig bezeugte Vorstellung der Präsenz Gottes in einer Wolke abhebt.244 Tauf- und Verklärungsperikope verbindet ebenso die Tat241
Mit D.R. DUMM, Transfiguration, 161. So für die Taufperikope R. KAMPLING, Israel, 48f. 243 Vgl. z.B. H.-J. KLAUCK [„Vorspiel im Himmel?“, 63] mit Verweis auf Jes 11,2; 61,1; 63,19; Ez 1,1; 1 Sam 16,13. 244 Vorsicht ist m.E. jedoch gegenüber dem weitergehenden Versuch geboten, mittels des StichwortesUEK\Ydie für die markinische Christologie zentralen Stellen Mk 1,10f.; 9,7 und 15,38f. miteinander zu verzahnen. Die herausragende Stellung der Stellen Mk 1,10f.; 9,7; 15,38f. für die markinische Christologie ist spätestens seit dem Aufsatz Ph. V IELHAUERS [Erwägungen, passim.] aus dem Jahre 1964 gesichert. Mit H.-J. K LAUCK [„Vorspiel im Himmel?“, 92] ist jedoch anzumerken, dass Interpretationen, „die 1,9 und 15,38 miteinander zu vereinigen suchen, … sich … nicht immer von Übertreibungen frei“-halten. Zwar war nach Josephus (Bell V 212–14) auf dem inneren, dem Allerheiligsten vorgelagerten Vorhang des Tempels der Anblick des Himmelszeltes wiedergegeben, der Rekurs darauf setzt jedoch voraus, dass diese Tatsache im Kreise der Leser bekannt war, was m.E. für einen Großteil der Erstleser nicht zutreffen dürfte. Das Problem dieser besonders von D. ULANSEY [The Heavenly Veil Torn. Mark’s Cosmic Inclusio. In: JBL 110 (1991), 123–125]; S. MOTYER [The Rending of the Veil: A Markan Pentecost? In: NTS 33 (1987), 155–157]; H.M. J ACKSON [The Death of Jesus in Mark and the Miracle from the Cross. In: NTS 33 (1987), 16–37] vertretenen Position ist die Tatsache, dass sie ausschließlich auf dem Weg der Intertextualität gewonnen, nicht aber dem Erzählzu242
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sache, dass die ertönende Himmelsstimme kein atl. Zitat, sondern ein kunstvolles Gewebe atl. Traditionssplitter ist245, bei dem Ps 2,7 aufgrund der Frontstellung besondere Aufmerksamkeit zukommen dürfte. Tauf- und Verklärungsperikope stehen im Dienste der christologischen Grundfrage246 nach der funktionalen Identität Jesu247, wie sie in Mk 4,41 expliziten Ausdruck findet: VKLCTCQWVQLGXUVKP{ Tauf- und Verklärungserzählung haben die Intention, in Vision und Audition und in Anlehnung an atl. Zitate und Motive nachzuweisen, dass Jesus der vollmächtig auf Erden wirkende Gottessohn ist. Beide Erzählungen setzen dabei aber eigene Schwerpunkte: Geht es der Taufperikope darum, zu erweisen, dass Jesus als der geliebte Sohn der Geistbegabte Gottes ist, so zielt die Transfiguratio auf die Legitimation Jesu als des neuen, eschatologischen Mose, dessen Lehre endgültige Verbindlichkeit besitzt. Die Wolkenstimme der Verklärungsperikope hat zudem eine präzisierende Funktion: Obgleich die Frage nach der funktionalen Identität Jesu mit der Taufperikope, insofern sie durch die Autorität Gottes selbst geklärt wird, verbindlich beantwortet ist248, macht die ab 8,27 forcierte Leidensthematik eine nochmalige Präzisierung notwendig: Auch der ins Leiden gehende Jesus ist der Sohn Gottes. Ist also die Himmelsstimme bei der Taufe als hermeneutisches Vorzeichen zu interpretieren, mit dem im ersten Hauptteil (1,16–8,26) die Abfolge von Taten Jesu zu lesen ist, die Jesu GXZQWUKC herausstellen, so kann die Wolkenstimme der Verklärungserzählung ebenso als ein solches Vorzeichen vor einer Erzählfolge gelesen werden, die nun auf Leiden und Kreuz hinausläuft, womit übereinstimmt, dass dieser entscheidende christologische Hoheitstitel aus dem Mund des römischen Centurio auf dem Höhepunkt des Passionsberichts noch einmal ertönt und eine Anspielung auf diesen zentralen Titel innerhalb der stark passionstheologisch gefüllten Weinbergparabel in Mk 12,6 erfolgt.
sammenhang des MkEv selbst entnommen werden kann. Zudem ist das Verb UEK\Y als Terminus technicus anzusprechen, das nur mit Mühe durch ein Synonym ersetzt werden konnte. Sollte – was sich tatsächlich nicht ausschließen lässt – ein Anklang an 1,10f. in 15,38f. intendiert sein, so ist der von H.-J. KLAUCK [a.a.O., 91] vorgetragenen „vorsichtigen“ Deutung der Vorzug zu geben: Das Zerreißen des Tempelvorhangs „wirkt wie das Aufreißen der Himmel, nur in anderer Bewegungsrichtung“. 245 Vgl. dazu M. EBNER, Kreuzestheologie, 154 mit Anm. 10; R. KAMPLING, Israel, 55f.; A. SUHL, Funktion, 101f. 246 Mit F. MUßNER, Ursprünge und Entfaltung, 79. 247 Vgl. dazu D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 88 Anm. 97; DERS., Prolepsis als Prophetie, 185. 248 Mit J.D. KINGSBURY, Christology, 66. Ähnlich auch L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 55: „Der Leser weiß von nun an authentisch, wer der Jesus von Nazaret, dessen Geschichte er liest, in Wahrheit ist.“
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Die markinische Tauf- und Verklärungsperikope sind Spitzenstellen einer an die Theo-logie rückgebundenen Christologie. Beide Perikopen beinhalten neben ihrer christologischen Dimension auch pragmatische und heilsökonomische Aspekte. Bedeutet die Taufperikope am relativen Beginn des Gesamttextes für den Leser in pragmatischer Hinsicht die Möglichkeit, „in der Taufe Jesu samt seinem Geistempfang das Urbild der eigenen Taufe wahrzunehmen“249, so hat auch die Verklärungsperikope eine pragmatische Funktion, wie die Ausführungen zu dem in 9,2–8 enthaltenen „Hoffnungspotential“ gezeigt haben.250 In heilsökonomischer Sicht rekurriert die Verklärungsperikope mittels der partiellen Berührung mit der Himmelsstimme in 1,11 auf die christologische Aussage der Geistbegabung Jesu, unterstreicht jedoch vielmehr als diese durch die Verbindung eines Handelns Gottes mit einem Handeln Jesu die Aktionseinheit von Gott-Vater und Sohn. Die in der Taufperikope vollzogene pneumachristologische Annäherung an das Persongeheimnis Jesu wird in 9,2–8 mittels der Sinai-/ Mosetypologie weiter ausgearbeitet: Ist die Geistbegabung als „schlechthin endzeitliches, äonenwendendes Ereignis“ konzipiert251, sodass die folgende Jesusgeschichte „unter dem Vorzeichen der nahen, im Anbruch befindlichen Gottesherrschaft“252 erzählt werden kann, so dient die Perikope der Metamorphose Jesu als Ausdruck markinischer Hoffnungstheologie. Das deutlichste Rezeptionssignal zu einer vergleichenden Lektüre von Tauf- und Verklärungserzählung gibt jedoch der im Hintergrund von Mk 1,11b und 9,7c stehende Ps 2,7 LXX253 sowie die himmlische HYPJDiese Berührung gibt zu erkennen, wie stark die Verklärungserzählung auf den Makrotext ausgerichtet ist, ohne den sie praktisch unverständlich bliebe. Aussagen zur traditionsgeschichtlichen Priorität der Himmelsstimme der Taufperikope bzw. der Wolkenstimme der Verklärungsperikope sind m.E. jedoch kaum möglich. Beide Perikopen verarbeiten Überlieferungsmaterial unterschiedlicher Herkunft, sodass die Frage nach einer Priorität ins Leere läuft.254 Die beliebte These einer traditionsgeschichtlichen Priorität der 249
So überzeugend M. THEOBALD, [Gottessohn und Menschensohn, 58 mit Anm. 73] mit Hinweis auf die Prophetie in Mk 1,8, „die ja in der Taufe der Christen in Erfüllung geht“. 250 Vgl. dazu Unterpunkt 1.4 in diesem Kapitel der Studie. 251 Vgl. A. VÖGTLE, Taufperikope, 136. 252 Mit M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 58. 253 Mit U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 15. 254 Der vor jeglicher Interpretation erfolgende systematische Ausschluss einer unabhängigen Entstehung wird insbesondere in Arbeiten aus der redaktionskritischen Forschungsphase quasi dogmatisch vorausgesetzt, ohne wirklich begründet zu werden. Als Beispiel mag ein Zitat von M. H ORSTMANN [Studien, 91] genügen: „Die strukturelle Ähnlichkeit der Formel QWVQL GXUVKP(bzw. UW GK QB WKBQLOQWQB CXICRJVQLdas in der synoptischen Tradition singuläre Stilmittel der HYPJdie erschallt, und das Motiv der geöff-
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Himmelsstimme in Mk 1,11 gegenüber der Wolkenstimme in 9,7 kann kaum zur Evidenz erhoben werden.255 Zugunsten einer solchen Priorität wird regelmäßig auf die Beobachtung hingewiesen, dass die in Ps 2,7 vorliegende Anredeform (K7 D \Q,%) in Mk 1,11b noch gewahrt ist, während das QWVQLGXUVKPQB WKBQLOQWQB CXICRJVQL in 9,7 auf eine traditionsgeschichtlich fortentwickeltere Stufe schließen lasse. Dabei wird m.E. zu wenig berücksichtigt, dass in der dem Mk-Evangelisten wahrscheinlich in mündlicher Form vorliegenden Verklärungsüberlieferung die Gottes-Sohn-Prädikation der Wolkenstimme bereits im Verbund mit dem Dtn 18,15 LXX literarisch verarbeitenden himmlischen Imperativ tradiert wurde, sodass die dritte Person innerhalb der christologischen Prädikation als ursprüngliches Überlieferungsgut durchaus wahrscheinlich ist.256 neten Himmel bzw. der überschattenden Wolke lassen es nicht zu, eine voneinander unabhängige Entstehung anzunehmen.“ Eine Begründung dieses Vorentscheides bleibt jedoch ein Desiderat. 255 Überzeugend ist nach wie vor die Position von R. P ESCH, HThK-Mk II, 77: „Die Beziehungen zwischen Tauf- und Verklärungsgeschichte sind nicht im Sinne der Abhängigkeit der einen von der anderen (auf welcher Stufe von Tradition und Redaktion auch immer) zu lösen“. Gegen J. ZMIJEWSKI, Sohn-Gottes-Prädikation, 28; D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 110. 256 Die gegenüber der Taufperikope divergierende Herkunft der Verklärungsüberlieferung – m.E. aus dem Bereich des hellenistischen Judenchristentums [so völlig zu Recht von D. ZELLER (Bedeutung und Hintergrund, 320) erwogen] – lässt sich auch als Anfrage an den Vorschlag J.M. NÜTZELS [Verklärungserzählung, 149] vorbringen. Nützel macht die Beobachtung geltend, dass es in Mk 9,7 zu einem Wechsel vom Singular (QWVQLGXUVKP QB WKBQL OQW QB CXICRJVQL) in den Plural (CXMQWGVG CWXVQW) kommt, erscheint es doch „verständlicher, daß eine mit UW GK formulierte Stimme in pluralische Anrede umgesetzt wurde, als daß der umgekehrte Vorgang stattgefunden hätte“. Zur Begründung seiner Position macht er die Beobachtung geltend, dass es bei den synoptischen Seitenreferenten die Tendenz gebe, bereits bei der Taufe „die Umgebung an den Ereignissen“ partizipieren zu lassen (Mt 3,17). Die Entwicklung gehe demnach „weg von einer nur für Jesus bedeutsamen Stimme hin zu einer göttlichen Präsentation Jesu als Sohn Gottes“. Hier liegt m.E. eine Verkennung der Tatsache vor, dass zu der vom Mk-Evangelisten rezipierten Verklärungsüberlieferung, die bereits vorredaktionell als christologische Legitimationsgeschichte konzipiert war, der Imperativ des Prätextes Dtn 18,15 LXX (CWXVQW CXMQWUGUSG) integral hinzugehörte. In die rezipierte Überlieferung hat der Mk-Evangelist durch Wortumstellung und eine Veränderung des Tempus sowie des Genus verbi eingegriffen. Ebenso wenig überzeugend sind die von M. HORSTMANN [Studien, 90–92] zugunsten einer traditionsgeschichtlichen Priorität der Wolkenstimme bei der Verklärung vorgebrachten Argumente. Horstmann macht zunächst im Anschluss an W. BOUSSET [Kyrios Christos, 268 Anm. 2] geltend, dass die Einsetzung Jesu zum Sohn Gottes „in einer stufenweise erfolgten Reflexion“ beginnend mit der Auferstehung über die Verklärung hin zum Taufbericht erfolgt sei. Zudem sei die auf einer Stichwortverbindung (RPGWOC) beruhende Einheit von Tauf- und Versuchungsperikope durch die Himmelsstimme in 1,11 unterbrochen. Hier erscheine die Himmelsstimme als „Fremdkörper“, die den Zusammenhang störe. Dagegen spreche nach Horstmann auch nicht der zweite Teil der Himmelsstimme
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Für Mk 1,11c (GXP UQK GWXFQMJUC) bleibt der Rekurs auf Jes 42,1 LXX die wahrscheinlichste Lösung. Dieser zweite traditionelle Anklang zitiert ein Fragment des Beginns des ersten Gottesknechtsliedes. Die in der neueren Exegese vorzufindende Tendenz, diese beiden traditionellen Referenzen (Ps 2,7 LXX und Jes 42,1 LXX) gleichsam gegeneinander auszuspielen, ist abzulehnen.257 Durch nichts wird nahegelegt, dass die vormarkinische Überlieferung, die dem Offenbarungswort in Mk 1,11 zugrunde lag, zwangsläufig nur eine einzige Tradition beinhaltet hat, die durch die Exegese zu eruieren sei.258 Sowohl eine exklusive Beschränkung auf Ps 2,7 als
(GXPUQK GWXFQMJUC), da der hier benutzte Aorist als gnomischer Aorist begreifbar sei, „der die Summe aus einer Aussage“ ziehe, sodass sich die Himmelsstimme „als ein interpretierender Einschub des Markus“ erweise. Diese Beobachtungen genügen Horstmann bereits, die traditionsgeschichtliche Priorität der Wolkenstimme der Verklärungsperikope zu postulieren. Neben einer grundsätzlichen Anfrage, inwieweit eine „dogmengeschichtliche“ Vorentscheidung diese exegetische Position Horstmanns diktiert, ist ebenso zu fragen, ob der von ihr postulierte Anschluss von 1,9f. und 1,12f. mittels der besagten Stichwortverknüpfung (RPGWOC) nicht gerade die Himmelsstimme bei der Taufperikope erzwinge, da diese ohne die in V.11 vorgenommene „himmlische Deutung“ unverständlich bliebe. Dann aber tut man gut daran, davon auszugehen, dass die Taufperikope zusammen mit der ihr angehörenden Himmelsstimme ursprünglich selbstständig existiert hat. Mit A. VÖGTLE, Taufperikope, 106. So auch J. ZMIJEWSKI, Sohn-Gottes-Prädikation, 22. Die überlieferungsgeschichtliche Selbstständigkeit der Taufperikope gegenüber Mk 1,2–8 kann jedenfalls ausgehend von den beiden biblizistischen Formulierungen MCK GXIGPGVQ/GXP GXMGKPCKL VCKL JBOGTCKL in V.9, dem Verzicht auf einen Artikel bei Eigennamen, der gegenüber V.5 differierenden Benennung des Jordan (GXP VY^ X,QTFCPJ^ RQVCOY^ – GKXLVQP8,QTFCPJP) und dem absoluten Gebrauch von VQ RPGWOCals gesichert gelten. Mit R. P ESCH, HThK-Mk I, 88. Vgl. auch H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 110f. 257 Als Vertreter der erwähnten divergierenden Forschungspositionen sei H.-J. STEICHELE [Leidender Sohn Gottes, 123–148] genannt, der die Verwendung von Jes 42,1 für praktisch ausgeschlossen erachtet und für die literarische Verarbeitung von Ps 2,7 plädiert. Umgekehrt erkennt U. MELL [Jesu Taufe, 163.170f.] keinerlei Bezugnahme auf Ps 2,7 und plädiert zur Stützung seiner These der in der Taufperikope vorliegenden apokalyptischen Erfüllungschristologie (vgl. a.a.O., 177) für einen Rekurs auf Jes 42,1. Für Jes 42,1 als zugrunde liegende Tradition der gesamten göttlichen Äußerung in Mk 1,11b.c plädieren ferner F. HAHN, Christologische Hoheitstitel, 340; J. JEREMIAS, Art.RCKLSGQW In: ThWNT V (1954), 699; F. LENTZEN-DEIS, Taufe Jesu, 191–193; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 37f.; J. ZMIJEWSKI, Gottes-Sohn-Prädikation, 24. Für Ps 2,7 plädieren u.a. E. SCHWEIZER, Art.WKBQL MVNIn: ThWNT VIII (1969), 369f; Ph. VIELHAUER, Erwägungen, 162. Ferner M. DIBELIUS, Formgeschichte, 271. Die Deutung M. Dibelius’, dass die Himmelsstimme in „der vorkanonischen Gestalt dieser Geschichte“ ursprünglich lautete: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt“, leidet indes an der Tatsache, dass Dibelius zur Begründung Zeugen des D-Textes der Parallelstelle Lk 3,22 bemüht und für die vormarkinische Fassung geltend zu machen versucht. Vgl. dazu die Kritik bei J. GNILKA, EKK-Mk I, 50. 258 Vgl. auch das Referat divergierender Positionen bei R. KAMPLING, Israel, 55 Anm. 188. Kampling warnt m.E. zu Recht – ausgehend von der Disparatheit der Interpreta-
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
auch auf Jes 42,1 haben ihre Schwierigkeit.259 Dagegen muss es als die wahrscheinlichste Lösung der traditionsgeschichtlichen Probleme gelten, in dieser Sentenz ein Gewebe aus Ps 2,7, Jes 42,1 und Gen 22,2.12.16 (jeweils LXX)260 zu erkennen und den bibelkundigen Erstlesern des MkEv die Fähigkeit zuzusprechen, diese biblischen Anspielungen als solche auch wahrnehmen zu können. Diese Einschätzung wird zudem durch die Beobachtung nahegelegt, dass das Motiv der Himmelsöffnung eine weitere traditionelle Anleihe macht, die in Jes 63,19 zu suchen ist.261 Somit wird die Intention deutlich, diverses atl. Material christologisch fruchtbar zu machen. Eine solche Annahme wird zudem durch die Platzierung eines weiteren Mischzitates im kontextuellen Umfeld in Mk 1,2f. vollauf bestätigt. Die Textpassage Mk 1,10f. ist nicht an einer einzigen alttestamentlichen Textstelle interessiert, sondern bietet in ihrer Komposition „verschiedene atl. Anklänge“.262 Dass damit recht unterschiedliche theologische Vorstellungen auf Jesus übertragen werden – die Königsinstallation (Ps 2,7), die Gottesknecht-Motivik (Jes 42,1) und die T[ F\, WG\TH>@-Tradition (Gen 22,2.12.16 ) –, versteht sich von selbst und muss als vom Evangelistionsvorschläge – vor einer falschen Sicherheit hinsichtlich des Mk 1,11 zugrunde liegenden „Grundtextes“. 259 So weist der LXX-Text von Jes 42,1 eine deutlich von Mk 1,11 abweichende Formulierung auf, sodass eine Zitation in Anlehnung an den MT oder eine Übersetzung postuliert werden müsste, die auch Mt 12,18 zugrunde lag. So z.B. J. G NILKA, EKK-Mk I, 50. Die Abweichungen gegenüber Ps 2,7 sind bekannt und müssen nicht noch einmal referiert werden. 260 Für einen Rekurs auf die Tradition der T[ F\, WG\TH>@, der „Bindung Isaaks“, spricht auch die in der LXX vorliegende Tendenz, bei der Wiedergabe von Gen 22,2 das AG!\[L\!WD AQ!%L des MT mit VQP WKBQP UQW VQP CXICRJVQP zu übersetzen. Damit wäre in Mk 1,11 sowohl die „emotionale“ als auch die „nummerische“ Komponente bei der Sohnesanrede angesprochen: Der einzige Sohn ist der geliebte. So auch C.R. KAZMIERSKI, Jesus, 54f.; H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 131. Einen Bezug auf Gen 22 befürwortet dezidiert auch J. B LANK, Sendung des Sohnes, 36f. Eine über den aufgezeigten Anklang hinausgehende Isaak-Typologie ist jedoch im MkEv nicht gegeben. Vgl. z.B. R. KAMPLING, Israel, 57 mit Anm. 199; R. PESCH, HThK-Mk I, 93; E. RUCKSTUHL, Jesus als Gottessohn, 205. Es ist daran zu denken, im Attribut CXICRJVQL vermittelt über die Isaak-Typologie das Leiden Jesu angedeutet zu sehen. So z.B. J. B LANK, a.a.O., 38: „Bei der Taufe beginnt nach Mk der ‚Weg Jesu‘, der am Kreuze endet“. Ferner W. ECKEY, Markusevangelium, 62. Dazu fügt sich die Beobachtung, dass sogleich im Anschluss an die vergleichbare Prädikation Jesu in Mk 9,7 die Leidens- und Auferstehungsthematik angeschnitten werden. Da mit in dieser Hinsicht unkundigen Lesern/Hörern des MkEv nicht zu rechnen ist, kann der Einwand H.-J. STEICHELES [Leidender Sohn Gottes, 131 Anm. 83] nicht recht überzeugen, dass durch einen Anklang an die Leidensthematik die Darstellung des Evangeliums ihrer Spannung beraubt sei. 261 So auch J. GNILKA, EKK-Mk I, 52; G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 88; R. KAMPLING, Israel, 52; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 37; U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 17; E. RUCKSTUHL, Jesus als Gottessohn, 197f.; A. VÖGTLE, Taufperikope, 136. 262 Mit A. SUHL, Funktion, 101.
2. Vorverständigungen
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ten intendiert angesehen werden263, ist es doch vorauszusetzen, dass sowohl Autor als auch Erstleser des MkEv divergierende theologische Überlieferungen als miteinander kompatibel erachteten.264 So ist sowohl im Hinblick auf Mk 1,11 als auch auf 9,7 festzuhalten, dass das göttliche Intermezzo nicht mittels einer frei formulierenden Himmelsstimme erfolgt, sondern sich traditioneller alttestamentlicher Anklänge bedient, bei denen im Falle von Mk 9,7 auf Ps 2,7; Dtn 18,15 und Gen 2,2.12.16 (jeweils LXX) hinzuweisen ist. Auf eine weitere, durch die Topographie des Evangeliums nahegelegte Berührung von Tauf- und Verklärungsperikope soll abschließend kurz aufmerksam gemacht werden: Ohne den Berg der Verklärung zu lokalisieren, wird die Transfigurationserzählung im MkEv im Zusammenhang der Wanderungen Jesu durch Galiläa am Wendepunkt bei Cäsarea Philippi platziert. Das Stichwort Galiläa fällt explizit im weiteren kontextuellen Umfeld der Verklärungsperikope in Mk 9,30. Der passionstheologische Kontext der Verklärung insgesamt (vgl. 8,31–33; 9,9–13), besonders der sich anschließende Dialog beim Bergabstieg, lenkt – ohne den Städtenamen explizit zu gebrauchen – das Augenmerk des Lesers auf Jerusalem, den Ort des „Leiden-Müssens“ als auch der Auferstehung Jesu. Die Verklärungserzählung lebt – ohne explizit in Galiläa lokalisiert zu sein – von der Gegenüberstellung „Galiläa/Jerusalem“ und damit von der Gegenüberstellung der Vollmacht und derFQZCeinerseits und des Leidens und Todes Jesu andererseits. Damit bestätigt sich die Erkenntnis, dass der „Wert geographischer und topographischer Angaben in einer Erzählung … in ihrem Beitrag zur Erschaffung der die Handlung beinhaltenden erzählten Welt“ liegt.265 Dabei sind die geographischen und topographischen Angaben im Falle des MkEv zugleich eminent theologische Aussagen. Die zunächst lokale, sodann auch theologisch wichtige Opposition „Galiläa/Jerusalem“ wird durch die Tauferzählung präludiert: Den Auftakt der Tauferzählung macht die Notiz, dass Jesus CXRQ 0C\CTGV VJL *CNKNCKCL (Mk 1,9) an den Jordan kommt.266 Dorthin kehrt er nach der RCTCFQUKL des Johannes wieder zurück. Kurz zuvor in Mk 1,5 wird notiert, dass sich RCUC JB 8,QWFCKC EYTCXQGQKB `,GTQUQNWOKVCKRCPVGLzur Taufstelle des Johannes aufmachen, ohne jedoch die Zielsetzung und Intention dieser „Wallfahrt“ an den Jordan mitzuteilen.267 Die für die Gesamtkonzeption des Evangeliums zentrale Opposition von Galiläa und Jerusalem beginnt, sich „zunächst noch unterschwellig“ abzuzeichnen.268 Darin fügt sich nahtlos ein, dass das MkEv den thematischen Konnex der Taufe und des Kreuzestodes kennt, auf den 263
Mit K. SCHOLTISSEK, Vollmacht Jesu, 128. Mit M. HENGEL, Sohn Gottes, 90. Hengel spricht von der „Vielfalt der Annäherungsweisen“ im christologischen Erkenntnisprozess des antiken Christentums. 265 Mit P.-G. KLUMBIES, Konzept des ‚mythischen Raumes‘, 101. 266 Die lokalisierende Präzisierung VJL *CNKNCKCL ist notwendig, da der biblisch versierte Leser die Zusatzinformation benötigt. Bekanntlich findet der Ort weder im AT noch bei Josephus noch in der älteren rabbinischen Literatur Erwähnung. Vgl. zur Problematik H. KUHLI, Art.0C\CTGVIn: EWNT II ( 21992), Sp. 1114–1117. 267 Dieses Desiderat wird in der Predigt des Johannes in Mk 1,8 implizit nachgereicht: GXIYGXDCRVKUCWBOCLW=FCVK 268 Gut bei H.-J. KLAUCK [„Vorspiel im Himmel?“, 89] mit Verweis auf E.S. MALBON, Narrative Space, 22–25. 264
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1. Kapitel: Grundlegung – Erkenntnisinteresse - Vorverständigungen
der Dialog Jesu mit den Zebedäussöhnen deutlich verweist, in dem Jesus metaphorisch von der „Todestaufe“ spricht (vgl. Mk 10,35–40).269
Die Taufperikope stellt entscheidende Weichen zu einem aus der Sicht des Verfassers adäquaten Verständnis des im Anschluss beschriebenen Wirkens Jesu in Wort und Tat. Sie kann als christologische Fundamentalerzählung umschrieben werden, da sie die christologische Basisinformation aus Mk 1,1 aufnimmt und narrativ ausschmückt. Von der Tauferzählung gehen zugleich markante semantische Linien aus, die die Tauferzählung zunächst mit der Verklärungsperikope, sodann mit dem Gleichnis von den bösen Winzern und dem Bekenntnis des heidnischen Centurio verbinden. Die in der Begabung mit dem göttlichen RPGWOC fundierte Gottessohnschaft Jesu, seine Herrlichkeit, aber auch das FGK seines Leidens werden in der Tauferzählung Mk 1,9–11 grundgelegt.270 Zielsetzung der Studie ist die Eruierung des theologischen Milieus, in dem die Verklärungsperikope entstanden ist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde sie vom Mk-Evangelisten rezipiert, m.E. nur vorsichtig redaktionell bearbeitet und durch die Integration in den Anfangsbereich des Weges Jesu zum Leiden nach Jerusalem biographisiert. Bevor die Frage nach dem Entstehungsort dieser Überlieferung gestellt werden kann, ist die Perikope Mk 9,2–8 zusammen mit dem ihr vorgelagerten passionstheologischen Mikrokontext 8,34–9,1 innerhalb einer Einzelversanalyse gründlich zu studieren. Die Einzelversanalyse ist in dem nun folgenden zweiten Kapitel dieser Studie vorzulegen.
269
Mit H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 90. Dass die Wiederaufnahme der Taufe Jesu in 10,38f. in einem passionstheologischen Kontext erfolgt, ist hinlänglich bekannt und wird durch die oben vorgelegte Interpretation des Verbaladjektivs CXICRJVQL vor dem Hintergrund von Gen 22 bestätigt. Vgl. dazu z.B. H.-J. Klauck, „Vorspiel im Himmel?“, 91f.; Chr. Rose, Theologie als Erzählung, 148f. Vgl. zu diesem Konnex den Unterpunkt 3.9.4 im folgenden Kapitel dieser Studie. 270
2. Kapitel
Analyse und Interpretation der Verklärungsperikope und ihres kontextuellen Umfeldes 1. Hinführung Nach der Taufperikope in Mk 1,9–11 thematisiert der Evangelist im Zusammenhang der Verklärungsperikope noch einmal explizit die Gottessohnschaft Jesu (Mk 9,7). Während die Taufstimme exklusiv Jesus gilt und in extradiegetischer Hinsicht an die Rezipienten des Textes als Zeugen des Geschehens denken lässt, die der Erzähler an seinem auktorialen Wissen teilhaben lässt, hat die Verklärung zusammen mit der nicht zufällig in der zweiten Person Plural formulierten imperativischen Gottesrede (9,7d) intradiegetisch Zeugen des Geschehens: die drei in Mk 9,2a namentlich genannten Jünger. Die Wolkenstimme der Transfigurationsnarratio geht über die Himmelsstimme der Taufperikope hinaus, insofern sie paränetischekklesiologisch ausgerichtet und imperativisch ausformuliert ist. Adressaten dieses Imperativs sind sowohl die besagten Jünger als auch die Rezipienten des Textes. Der Imperativ ist auf zwei Ebenen zu hören. Mikrokontextuell bezieht er sich auf die passionstheologischen Aussagen Jesu, die im unmittelbaren Umfeld drängend werden. Makrotextuell ist an die gesamte autoritativ vorgetragene Lehre Jesu zu denken, womit übereinstimmt, dass im markinischen Mittelteil, an dessen relativem Anfang die Verklärungsnarratio platziert ist, die Wundertätigkeit Jesu deutlich in den Hintergrund tritt und die Lehre Jesu thematisch leitend wird. Der göttliche ImperativCXMQWGVGCWXVQWnimmt die Funktion eines Rezeptionssignals wahr und drängt auf die Lektüre des Makrotextes unter dem Vorzeichen dieser Aufforderung. Von daher wird – in der in diesem zweiten Kapitel zu leistenden Einzelversanalyse – der Text unter der Prämisse interpretiert, dass die Verklärungsgeschichte als christologische Legitimationserzählung fungiert, mit deren Hilfe die im Makrotext vorgelegte Lehre Jesu mit göttlicher Vollmacht ausgestattet wird. Als der entscheidende Kontext der Verklärungsperikope kann die Perikopensequenz Mk 8,27–9,13 angesprochen werden, in der gegenüber dem ersten markinischen Hauptteil (1,16–8,26) deutliche Veränderungen festzustellen sind: Die Frage nach der Identität Jesu, die in Mk 4,41 (VKLCTC QWVQL GXUVKP…) im Modus eines staunend-fragenden Ausrufs explizit the-
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
76
matisiert worden ist, gewinnt in dem Maße markant an Brisanz, in dem die Passion Jesu in den Blick gerät.1 Passionstheologisch geprägt sind sowohl die der Verklärungsperikope vorangehenden als auch die ihr nachfolgenden Perikopen. Eine besonders enge redaktionelle Verklammerung liegt zwischen Mk 9,2–8 und 9,9–13 vor, sodass der gelegentlich gemachte Vorschlag, 9,2–13 als eine einzige im Ganzen auszulegende Texteinheit zu betrachten, ernst zu nehmen ist.2 Gleichwohl wird der folgenden Einzelversanalyse die Grundannahme zugrunde gelegt, die Transfigurationserzählung exklusiv in 9,2–8 zu erkennen und die redaktionellen Texteinheiten 9,9f. („Messiasgeheimnis und Gespräch über die Auferstehung“) und 9,11–13 („Diskurs über die heilsgeschichtliche Funktion des Elija“) als mit der Transfigurationserzählung auf das Engste zusammenhängende, jedoch ebenso von dieser zu differenzierenden Perikopenfolge anzusehen.3 Die Rede von einem „Dreischritt“, den der Text in 9,2–13 vollzieht (9,2–8; 9f.; 11–13), ist demnach sehr überzeugend.4 In den sich an die Verklärungsnarratio unmittelbar anschließenden Perikopen werden mit dem Messiasgeheimnis (9,9f.) und der Rede vom leidenden Menschensohn (9,11–13) zwei für die markinische Christologie herausragende Themen behandelt, wobei in 9,11–13 das Leiden des Menschensohnes ausdrücklich in einen thematischen Konnex mit messianologisch-dogmatischer Elijaerwartung gebracht wird.5 Das vierte Kapitel der vorliegenden Studie ist von daher der Erzählfigur des Elija vorbehalten, zumal die Häufigkeit seiner Erwähnung in der Verklärungsperikope (9,4f.) und ihrem mikrokontextuellen Umfeld (8,28; 9,11–13) auf das auffallende Interesse des MkEv an Elija schließen lässt.6 Mit der Erzählfigur des Elija ist die eschatologische Aufgabe verbunden, die auf der Ebene der erzählten Zeit der Täufer Johannes leistet. In der Spannung zwischen der himmlischen Herrlichkeit, aus der Elija/Johannes auf dem Verklärungsberg erscheint, und dem Leiden, für das synonymisch 1
Vgl. z.B. Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 218. Vgl. Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 205. Die Tatsache, dass Mk 9,14 zu einer neuen Episode überleitet, wird deutlich durch die Nennung neuer Aktanten (OCSJVCK; QENQL;ITCOOCVGKL), sowie das Vorliegen eines nun wieder öffentlichen Wirkens Jesu indiziert, das sich von der esoterisch anmutenden Belehrungssituation in 9,2–13 unterscheidet. 3 Für eine Zäsur zwischen Mk 9,8 und 9,9 sprechen sowohl die anaphorische Wendung C? GK FQP, die als solche die Summe des auf dem Berg Erlebten zieht, als auch die Beobachtung, dass die Wendungen MCV8 KXFKC P OQPQWL in 9,2 und 8,JUQWP OQPQP OGS8 GBC WVYP in 9,8 miteinander korrespondieren und eine Inclusio bilden. Zudem ist durch das Bergabstiegsmotiv (GXMVQWQTQWL) in 9,9 deutlich angezeigt, dass die in 9,2–8 vorliegende Szene als solche abgeschlossen ist. 4 Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 205. 5 So durchzieht die Rede vom Propheten Elija die Texteinheit Mk 9,2–13 als ganze (V.4f.; 11–13). 6 Vgl. für viele H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 164. 2
1. Hinführung
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Elija/Johannes steht, ist die Christologie des MkEv in ihrer Spannung von FQZC(8,38; 9,2–8) und Leidensnotwendigkeit (8,31f.; 9,9.11–13) vorgebildet. Die Interpretation der für die Deutung von Mk 9,2–8 wichtigen Perikopenfolge 9,9f. und 9,11–13 ist daher im vierten Kapitel, das der Erzählfigur des Elija gewidmet ist, zu leisten. Schwerpunkt dieses zweiten Kapitels ist die Einzelversanalyse von Mk 9,2–8 samt der der Verklärungsperikope mikrokontextuell vorgelagerten Logienfolge 8,34–9,1.
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope 2.1 Einleitung in die Logienfolge Mk 8,34–9,1 Das unmittelbare mikrokontextuelle Umfeld der Verklärungsperikope stellt die an das Volk und die Jünger gerichtete Nachfolgerede Jesu dar, die mit dem notorisch schwer zu interpretierenden Naherwartungslogion (Mk 9,1)7 abgeschlossen wird.8 Von besonderer Wichtigkeit für die Exegese der Verklärungsperikope ist innerhalb dieser Logienreihe der Vers 8,38, da hier – wie in 9,7 – eine Aussage hinsichtlich der Aktionseinheit von „Vater“ und „Sohn“ getroffen wird. In der Abfolge der Entfaltung der christologischen Titel in 8,38–9,13 kommt es zudem zu einer Identifizierung des 7
Mit D. WENHAM /A.D.A. MOSES, „There are some standing here“, 148. Weitgehende Einigkeit besteht in der Mk-Exegese darin, dass mit 8,27 der markinische, der Jüngerbelehrung gewidmete Mittelteil beginnt, der als solcher durch zwei Blindenheilungen (8,22–26 und 10,46–52) gerahmt ist. Vgl. für viele H.-J. ECKSTEIN, Markus 10,46–52, 33. Dies muss im Zusammenhang dieser Studie nicht erneut aufgewiesen werden. Vgl. dazu den Exkurs zur „Gliederung des Markusevangeliums“ bei M. REICHARDT, Endgericht?, 37–40, bes. 40 mit Anm. 39. Dort auch umfangreiche Literaturangaben. Die der Verklärungsnarratio vorgelagerte Perikopenfolge macht einen Dreischritt: Die Unterperikope Mk 8,27–30 wird durch die beiden Fragen Jesu dominiert, die durch die Jünger (V.28) bzw. durch Petrus (V.29) beantwortet werden. Auf der Spitze dieser Unterperikope steht das Christusbekenntnis des Petrus sowie das an die Gesamtheit der Jünger gerichtete Schweigegebot. Die Versfolge 31–33 ist durch das Thema der Notwendigkeit des Leidens (V.31: FGK … RCSGKP) geprägt. Durch den auffallenden Personenwechsel initiiert kommt es in V.34 zu einer Anwendung der bisher christologisch abgehandelten Leidensthematik auf das aus QENQLundOCSJVCK bestehende Auditorium. Die Besonderheit dieser Unterperikope liegt in der sowohl an das Volk als auch an die Jünger gerichteten Offenbarungsrede Jesu. Vgl. dazu J. ERNST [RNT-Mk, 248]: „Die leitende Idee der mk-red Komposition ist in der bewußten Analogie zwischen dem Weg des Menschensohnes Jesus und dem der nachfolgenden Jünger zu sehen“. Der Textabschnitt in Mk 8,27–9,13 fällt insbesondere dadurch auf, dass es in ihm zu einer Entfaltung der drei zentralen christologischen Hoheitstitel ETKUVQL – WKBQL VQW CXPSTYRQW – WKBQL SGQW kommt, die in Mk 14,61f. im Zusammenhang des Verhörs seitens des Hohenpriesters gebündelt werden. Vgl. dazu D. LÜHRMANN, Markus 14,55–64, 462. 8
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
78
WKBQLVQW CXPSTYRQWmit dem WKBQL SGQW, sodass es der leidende Menschensohn ist, der von Gott auf dem Höhepunkt der Verherrlichungsperikope als WKBQLSGQWprädiziert wird.9 Obgleich die der Nachfolgethematik gewidmete Textfolge 8,34–9,1 eine zusammenhängende Logienkomposition bietet10, soll zwecks einer größeren Transparenz der Analyse der Text in drei Abschnitten – 8,34–37; 8,38 und 9,1 – untersucht werden. Das Herbeirufen der Volksmenge und Jünger in 8,34a (MCK RTQUMCNGUCOGPQLVQPQENQPUWPVQKLOCSJVCKL) dient der Einleitung in die im Folgenden vorgelegte, unter der Nachfolgethematik stehende Logienkomposition und stellt ein deutliches narratives Signal zur Absetzung der Szenen 8,27–30/8,31–33 einerseits und 8,34–9,1 andererseits voneinander dar.11 Die gegenüber 8,27–33 (Petrusbekenntnis und erste Leidensansage) wechselnde Szenerie12 und der veränderte Personenbestand (QENQL; OCSJVCK) indizieren diesen Sachverhalt deutlich.13 Die Logienfolge 8,34– 9,1, die der Nachfolgethematik gewidmet ist, genießt eine hohe Eigenständigkeit im kontextuellen Umfeld. Es fällt zudem auf, dass die übliche Reihenfolge von Volksbelehrung und Deutung dieser Belehrung im intimen Kreis der Jünger (vgl. 4,1–9/4,10–34; 7,1–15/7,17–23; 9,14–27/9,28f.; 10,2–9/10,10–12; 10,17–22/10,23–31) hier nicht vorliegt.14 Die redaktio9
Ähnlich auch J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 380. Vgl. z.B. P. KRISTEN, Familie, Kreuz und Leben, 170–197. Ferner D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 44. Mk 8,34–9,1 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit aus bereits Markus vorliegenden Sprüchen komponiert, die Komposition macht jedoch einen konsistenten und rhetorisch überzeugenden Eindruck. Ähnlich auch M. THEOBALD, Herrenworte, 109: keine „Anhäufung von ‚Überlieferungsmaterial‘“, sondern „formal-syntaktisch“ überzeugende Umsetzung eines „semantischen Programm[s]“. 11 Es ist daher im hohen Grade wahrscheinlich, dass Markus die Einleitung in Mk 8,34a selbst geschaffen hat. Damit werden die Texteinheiten 8,27–33 und 8,34–38/9,1 gegliedert. Vgl. für viele C. BREYTENBACH, Nachfolge, 238. 12 Im unmittelbaren Kontext findet ein Szenenwechsel auch in 8,27; 9,2a und 9,14 statt. Die „esoterische“ Offenbarungssituation, die für die Textfolge 9,2–13 kennzeichnend ist, liegt ab 9,14 nicht mehr vor. Hierzu werden in 9,14 neue Aktanten eingeführt: OCSJVCK – QENQL – ITCOOCVGKL. Vgl. dazu auch D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 342. Die Versfolge 9,2–13 ist zudem vom Bergmotiv (Aufstieg; Aufenthalt; Abstieg) geprägt und kann im Hinblick auf die Szenerie – trotz der notwendigen Unterteilung in die Subperikopen 9,2–8; 9,9f. und 9,11–13 – als eine zusammenhängende Szene begreiflich gemacht werden. 13 Vgl. z.B. U. KMIECIK, Menschensohn, 85; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 143; R. PESCH, Messiasbekenntnis I, 180; M. REICHARDT, Endgericht?, 36; A. WEIHS, Deutung des Todes, 233. 14 Vgl. F. VOUGA, „Habt Glauben an Gott“, 97. Eine weitere Besonderheit dieser Textstelle liegt in der Tatsache, dass der esoterische Charakter (so M. THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 43) des Gebrauchs von „Menschensohn“ in 8,38 „gelockert“ wird, indem Jesus hier einmalig angesichts des QENQL von „Menschensohn“ spricht. Im Unterschied zur vergleichbaren Belehrung in 9,35 und 10,41–45 wird das Auditorium 10
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
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nelle Tätigkeit des Evangelisten ist in der Formel QXRKUY OQW (8,33; 8,34) zu greifen, durch die die Sinnabschnitte 8,31–33 und 8,34–9,1 dahingehend miteinander verbunden werden, dass die Abwehrformel W=RCIGQXRKUY OQW UCVCPC aus 8,33 durch den Nachfolgeruf (GK VKL SGNGK QXRKUY OQW CXMQNQWSGKP) in der sich anschließenden gemeinsamen Belehrung von Volk und Jüngern aufgenommen und weitergeführt wird.15
Jesu hier aus den Jüngern und der Volksmenge gebildet. Die angesprochene „Lockerung“ hat gleichwohl eine verhüllende Funktion. Der esoterische Charakter dieses christologischen Prädikates leitet sich aus der Beobachtung ab, dass Jesus angesichts der Volksmenge lediglich einmal vom „Menschensohn“ spricht, dreimal in Gegenwart der Gegner (2,10: Schriftgelehrte; 2,28: Pharisäer; 14,62: Hoherpriester), in Gegenwart der Jünger jedoch zehnmal (vgl. 8,31; 9,9.12.31; 10,33.45; 13,26; 14,21 [zweimal]; 14,41), wobei das Leiden das bevorzugte Thema der Rede vom Menschensohn vor den Jüngern ist. Während die sprachliche Differenzierung bei gleichzeitiger sachlicher Identifizierung des aktuell sprechenden Jesus mit dem kommenden „Menschensohn“ in 8,34–38 für Jünger wie Leser durchschaubar ist, hat dieses Vorgehen für die Volksmenge eine „verhüllende Wirkung“. Ihnen ist die Identifizierung des in der Gegenwart sprechenden Jesus mit dem in seiner eschatologischen FQZC kommenden „Menschensohn“ nicht zugänglich. Diese Differenzierung dürfte die sachliche Intention verfolgen, die Hoheit Jesu gegenüber dem QENQLverborgen zu halten. Mit M. T HEOBALD, a.a.O., 43f. Vgl. auch U. KMIECIK, Menschensohn, 106. Der Leser partizipiert durch die angewandte Erzählstrategie am „Insiderwissen“, insofern er sowohl um die Identifikation Jesu mit dem Menschensohn als auch um das göttliche FGK seines Leidens weiß. Vgl. dazu die Ausführungen bei J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 381. 15 Dies ist zugleich als starkes Argument für die enge Zusammengehörigkeit der Perikopen 8,31–33 und 8,34–9,1 geltend zu machen. Dem imperativischen, an Petrus gerichteten Syntagma W=RCIGQXRKUYOQWUCVCPC in 8,33 werden im Folgevers drei Bedingungen der Nachfolge Jesu entgegengesetzt, die mit der Protasis GK VKL SGNGK QXRKUY OQW CXMQNQWSGKP eingeleitet werden. Vgl. dazu M. REICHARDT, Endgericht?, 109 mit Anm. 419 mit Verweis auf J. ERNST, RNT-Mk, 238f.; J. GNILKA, EKK-Mk II, 17.23 und D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 151. Das FGK des Leidens des Menschensohnes (vgl. 8,31) klingt in der 2. Apodosis des V.34 deutlich an, wo mittels der Wendung CXTCVY VQP UVCWTQP CWXVQW (vgl. V.34d) die zur Jesusnachfolge gehörende Leidens- und Sterbebereitschaft thematisiert wird. Das gegenseitige GXRKVKOCP Jesu und des Petrus (V.32: Petrus – Jesus; V.33: Jesus – Petrus) wird in dem ebenso auf Reziprozität ausgerichteten GXRCKUEWPGUSCK des V.38 (V.38a: Menschen – Menschensohn; V.38c: Menschensohn – Menschen) wiedereingespielt. Überzeugend bei M. REICHARDT, a.a.O., 110. Der Position von K.-G. REPLOH [Markus – Lehrer der Gemeinde, 123], wonach angesichts des Übergangs von 8,27– 33 zu 8,34–9,1 von einem regelrechten „Bruch in der Situation“ auszugehen ist, kann ich mich angesichts der Beobachtung, dass die Textfolge 8,27–9,1 eine Einheit von Ort und Zeit voraussetzt, nicht anschließen. So auch M. REICHARDT, a.a.O., 36 mit Anm. 14. Erst mit 9,2a ist eine deutliche Zäsur zu setzen, da es hier sowohl zu einem Wechsel im Personenbestand als auch zu einem Orts- und Zeitwechsel kommt. „Mk 8,27–9,1 spielen an einem einzigen Tag in den Dörfern von Cäsarea Philippi und sind somit aufgrund der Einheit der Zeit und des Ortes als zusammengehörig zu betrachten.“ Mit M. REICHARDT, a.a.O., 41.
80
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Die Perikope 8,34–9,1, die den „hermeneutische[n] Rahmen für das christologische Bekenntnis“ bietet, trägt deutliche Züge einer „pragmatische[n] Christologie“16, nach der das adäquate Bekenntnis zu Jesus eine lebenspraktische Dimension enthält, die nach Markus die Bereitschaft zur Kreuzesnachfolge impliziert.17 Das Jünger-Sein erschöpft sich nach marki16 Gut bei H. MERKLEIN, Jesusgeschichte, 145f. (kursiv im Original). Vgl. auch J. M. NÜTZEL, Hoffnung und Treue, 87. 17 Nach der Konzentration auf die christologische Frage mit dem Fokus auf der Notwendigkeit des Leidens des ETKUVQL in Mk 8,27–33 kommt der Mk-Evangelist auf die mit der christologischen Fragestellung eng verbundene Jüngerthematik zu sprechen. Es kommt näherhin zu einer Anwendung des christologischen Themas aus 8,27–33 auf die Jüngerschaft. Treffend bei L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 210. Zum narrativen Motiv der Jünger im MkEv vgl. bes. H.-J. KLAUCK, Erzählerische Rolle, 1–26. Ferner W. FRITZEN, Erzählkommunikation, 163–165. Auf der Jüngerthematik liegt ein deutlicher narativer Schwerpunkt des MkEv, wie bereits der rezeptionsleitenden Komposition aus Summarium (1,14f.) und Jüngerberufung (1,16–20) im Anfangsbereich zu entnehmen ist. Auch die Verklärungsperikope steht im Zeichen der Belehrung der Jünger, womit übereinstimmt, dass wesentliche Passagen der Perikope aus der Perspektive der ausgewählten Jünger erzählt werden. Das Jüngermotiv und die Nachfolgethematik werden im MkEv mit den Begriffen OCSJVJL und CXMQNQWSGKP ausgedrückt. Die enge sachliche Nähe beider Lexeme findet in 10,32 eine Bestätigung, wo es im Zusammenhang mit der dritten „Leidensansage“ zu einer Identifikation der CXMQNQWSQWPVGL mit den OCSJVCK kommt, was dem Vergleich mit der zweiten „Leidensansage“ in 9,31f. (GXFKFCUMGPICTVQWL OCSJVCL CWXVQW …) entnommen werden kann: Die dritte Leidensansage richtet sich an die CXMQNQWSQWPVGL (10,32), die identisch mit den OCSJVCK der zweiten Leidensansage in 9,31 sind. Während in 1,16–20 recht deutlich die räumliche Dimension der Aussage der Nachfolge im Vordergrund steht (vgl. 1,17f.: FGWVG QXRKUY OQW – MCK … JXMQNQWSJUCP CWXVY^, so auch in 10,17–22.28f.), wird in 8,34–38 die Frage der Schicksalsgemeinschaft mit Jesus fokussiert. Dieser Gedanke wird in 3,34f. durch das Modell der familia Dei vorbereitet, wonach das „Eintreten in die Nachfolge Jesu … das Heraustreten aus dem bisherigen Koordinatensystem sozialer Bindungen zugunsten einer engen Bindung an die Person Jesu“ impliziert. Vgl. D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 39f. Auch die Notiz im Anschluss an die „Heilung des Bartimäus“ dürfte in Richtung einer Schicksalsgemeinschaft zu deuten sein, da sich das Lexem QBFQL (vgl. Mk 10,52: MCKJXMQNQWSGKCWXVY^ GXPVJ^ QBFY^) keinesfalls in einer räumlich-lokalen Aussageintention erschöpft, sondern eine deutliche theologische Sinnfüllung erhält. Im Falle Jesu ist die QBFQL ab 8,27 der „Weg ans Kreuz“ (vgl. 8,27; 9,33; 10,17.32.46.52). Vgl. dazu H.J. ECKSTEIN, Markus 10,46–52, 48. In Mk 8,34– 38 wird diese Schicksalsgemeinschaft dezidiert mit einer eschatologischen Fragestellung kombiniert. Die „Aktionseinheit“ zwischen „Sohn“ und „Vater“, die sowohl im eschatologischen Ausblick in 8,38 als auch in 9,7 deutlich kommuniziert wird, lässt den Gedanken plausibel erscheinen, dass Jesus in der familia Dei die Rolle des pater familias innehat (überzeugend bei D.S. DU T OIT, a.a.O., 40f.), in der er letztlich als der eschatologisch entscheidende Bote Gottes (vgl. die Allusion an Dtn 18,15 LXX in 9,7 sowie die die GXZQWUKC Jesu betonende Textpassage 11,27–12,11) gegenüber den Jüngern die Rolle Gottes wahrnimmt. Dem entspricht, dass ein Anwendungsfall von 3,35 (Q?LICTC PRQKJUJ^ VQ SGNJOCVQW SGQW …) der göttliche Imperativ in 9,7 ist: Der Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes vollzieht sich durch den Gehorsam gegenüber der autoritativ vorgetragenen Lehre Jesu! Die Rolle Jesu als pater familias der durch die Nachfolge konstituierten
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
81
nischer Vorstellung nicht in einer theoretischen Übereinstimmung mit der Lehre Jesu, sondern beinhaltet eine personale Lebens- und Schicksalsgemeinschaft.18 Die damit angesprochene „Praxis der Nachfolge“19 erweist das Bekenntnis des Petrus rückwirkend allein von daher als unzureichend, da dessen Protest gegen das Leiden in Mk 8,32 implizit auch die Notwendigkeit der eigenen Kreuzesnachfolge in Abrede stellt.20 Skopus der Aussage in der Perikopenfolge 8,27–9,1 ist demnach die „enge Verwobenheit von Christologie und Nachfolge“21 in der theologischen Konzeption des MkEv. Die Logienfolge 8,34–9,1 ist dahingehend aufgebaut, dass nach dem Wechsel der Szene und des Personenbestandes in 8,34a der themaangebende Eröffnungssatz (8,34b) im Modus eines Konditionalsatzes (GK VKL SGNGK…) vorgelegt wird: Thema ist dasCXMQNQWSGKP22, die Nachfolge Jesu, neuen Familie wird zudem dadurch unterstrichen, dass Jesus in 14,12–26 innerhalb der Feier des Pesachfestes in der Funktion des die Feier leitenden Familienvaters gezeichnet wird. Vgl. dazu D.S. DU T OIT, a.a.O., 40. 18 Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 43. 19 Vgl. H. MERKLEIN, Jesusgeschichte, 148. Vgl. auch U. KMIECIK, Menschensohn, 99. 20 Mit U. KMIECIK, Menschensohn, 105 mit Anm. 120. Die paränetische Sinnspitze der durch ein vierfaches ICT miteinander verbundenen Logienkomposition Mk 8,34–38 bildet die implizite Warnung Jesu in 8,38, sich seiner und seiner Worte zu schämen (Q?L ICTGXC PGXRCKUEWPSJ^ OGMCK VQWLGXOQWLNQIQWL). Damit ist mikrokontextuell der Protest des Petrus aus V.32 wiederaufgenommen, wofür die Beobachtung spricht, dass das MkEv nur den negativen Aspekt des Doppelspruches der Q-Parallele in Lk 12,8f. bietet. Die paränetische Intention wird somit auf Kosten des Petrus erreicht, der dem Leser an dieser Stelle als negative Identifikationsfigur angeboten wird. Ein ähnliches narratives Vorgehen findet sich in der Verklärungsperikope in Mk 9,5–7, wo der christologische Erkenntnisfortschritt ebenfalls auf Kosten des Petrus erzielt wird. Der nivellierende Aspekt des Vorschlags des Petrus zur Errichtung dreier gleichberechtigt nebeneinander stehender UMJPCK wird durch die Wolkenstimme inkriminiert, insofern Jesus als Sohn Gottes eine unvergleichliche theologische Dignität zugesprochen wird. Die durch das Fehlen des positiven Aspekts des Doppelspruches der Q-Parallele in Lk 12,8f. (vgl. dazu M. THEOBALD, Herrenworte, 111f.) entstandene theologische „Härte“ wird durch die Anfügung von Mk 9,1 kompensiert, sodass der eschatologische Ausblick auf die DCUKNGKCVQW SGQW „das Fehlen der Verheißung, die sich in Q 12:8 findet“, abmildert. Überzeugend bei P. KRISTEN, Familie, Kreuz und Leben, 184. 21 Überzeugend bei J. SCHRÖTER [Erinnerung an Jesu Worte, 380] mit Verweis auf E. HAENCHEN, Komposition, 91; M. HORSTMANN, Studien, 28f. u.a. 22 In 8,34 liegt eine textkritische Unsicherheit vor. Die Lesart CXMQNQWSGKP (so NA26.27) wird z.B. von p45 C* D W Q 0214 ƒ 1 n lat samss Or geboten, während DA B C2 K L *ƒ 13 33. 579. 892 GXNSGKP (so noch NA25) lesen. Textkritisch ist der Sachverhalt aufgrund des Gewichtes der jeweiligen Bezeugungen durch die vorliegenden Lesarten praktisch nicht zu entscheiden. Diese Schwierigkeit wird durch divergierende Beobachtungen verstärkt: Zugunsten der Lesart GXNSGKPsprechen die geringfügig bessere Bezeugung, die „die Waage aufgrund der Textzeugen etwas stärker in Richtung der Lesart GXNSGKP neigt“ (mit J.
82
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
was durch die doppelte Platzierung dieses Lexems (8,34b.e) deutlich indiziert wird. An den themaangebenden Obersatz (Protasis) schließen sich drei Bedingungen an (8,34c.d.e), die zur Erfüllung des Anspruchs des Konditionalsatzes aus 8,34b zu leisten sind23, wobei die konkrete Nachfolgeforderung im Teilvers 34e klimaktisch an der Spitze positioniert ist.24 An die Nennung dieses übergreifenden Themas (8,34b) und der Entfaltung in 8,34c.d.e wird in V.35 ein mit ICTeingeleiteter, begründender konditionaler Relativsatz angefügt, der einen Aspekt der Nachfolgeforderung aus V.34 fokussiert: den Fall des Lebensverlustes in der Nachfolge Jesu. Es schließen sich sodann zwei rhetorische Fragen an (8,36f.), deren Aufgabe die rhetorische Verstärkung der Aussage in 8,35 ist.25 Während die VV.36f. mit ihren rhetorischen Fragen „weisheitlichen Zuschnitts“ eher an die Vernunft des Rezipienten appellieren, wird mit V.38 eine „christoloSCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 382 Anm. 9; vgl. auch D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 152), „die kontextuelle Stimmigkeit“ (so M. T HEOBALD, Herrenworte, 104f. Anm. 201), die als solche die unschöne Doppelung von CXMQNQWSGKP in Mk 8,34b.e behebt, sowie die Tatsache, dass die beiden Seitenreferenten Mt und Lk die Doppelung „unabhängig voneinander“ durch GXNSGKP (Mt 16,24) bzw.GTEGUSCK (Lk 9,23) beseitigt haben (so M. T HEOBALD, a.a.O.). Letzteres Argument hat aber zu beachten, dass es sich durchaus um eine unabhängige redaktionelle Bearbeitung seitens der Großevangelisten handeln könnte mit der Intention, die doppelte Bezeugung des markinischenCXMQNQWSGKP zu beseitigen. Andererseits könnte für die Lesart GXNSGKP eine Beeinflussung seitens der Großevangelisten vorliegen. Gegen H. SCHÜRMANN, HThK-Lk I, 541 Anm. 85. Mit M. REICHARDT, Endgericht?, 34. Der Lesart CXMQNQWSGKP ist gleichwohl der Vorzug zu geben, da es mit CXMQNQWSGKVY OQK in 8,34e zu einer stilistisch unschönen Doppelung kommt, sodass CXMQNQWSGKP in 8,34b als lectio difficilior anzusprechen ist, die als solche textkritisch zu favorisieren ist. Vgl. z.B. P. K RISTEN, Familie, Kreuz und Leben, 170 Anm. 6. Zur Frage nach dem semantischen Gefälle des Lexems CXMQNQWSGKP und der Bedeutung für die Interpretation von Mk 8,34 vgl. Haupttext oben. Der Konnex der Lexeme OCSJVJL und CXMQNQWSGKP (9,31; 10,32) rückt dieses Verb in die Nähe eines Terminus technicus der Nachfolgethematik, worüber die auffällige Doppelung in 8,34b.e erklärbar wird. Vgl. dazu auch die Überlegungen bei D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 44f.; J. GNILKA, EKKMk II, 23 Anm. 9; und J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 382 Anm. 9. 23 Vgl. z.B. M. REICHARDT, Endgericht?, 44f.; M. T HEOBALD, Herrenworte, 109; J. W ANKE, Bezugs- und Kommentarworte, 97. Vgl. auch M. EBNER, Jesus – Weisheitslehrer?, 99: „Präzisierung der Konditionen der Nachfolge …“. Ähnlich auch D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 44. Gegen die Deutung L. SCHENKEs [Markusevangelium (2005), 210], wonach die „apodiktische Kompromisslosigkeit“ der Aussage des Obersatzes von 8,34b durch die im Anschluss vorgelegten Bedingungen der Nachfolge argumentativ begründet wird, ist einzuwenden, dass vielmehr umgekehrt die „apodiktische Kompromisslosigkeit“ – will man von einer solchen reden – erst im Nachhinein durch die angeschlossenen Bedingungen (8,34c.d.e) erzeugt wird: Das semantisch offene CXMQNQWSGKP der Protasis (8,34b) wird erst durch die Nachfolgebedingungen derart mit Inhalt gefüllt, dass die Jüngerexistenz als Leidensexistenz interpretiert wird. 24 Vgl. M. T HEOBALD, Herrenworte, 108. 25 Mit J. SCHRÖTER , Erinnerung an Jesu Worte, 381.
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
83
gische Pointe“ platziert26, die im Verbund mit dem Naherwartungslogion 9,1 einen zweiteiligen eschatologischen Ausblick bietet, der als solcher als Motivationsfaktor der Nachfolge fungiert.27 Der doppelte eschatologische Ausblick strahlt auf die Nachfolgeforderung zurück und stellt diese vor einen eschatologischen Hintergrund. Während in V.38 – wie in den VV. 35–37 auch – die „Perspektive des Gerichts“ dominiert, tritt dieser mit dem Naherwartungslogion 9,1 „eine Verheißung zur Seite“, die der gesamten Logienkomposition „einen positiven Ausblick“ verleiht.28 Dazu passt, dass das Jüngerauswahlmotiv in 9,2a als Variation der CXMQNQWSGKP-Thematik verstanden werden kann. Die „Nachfolge“ Jesu auf den Berg der Verklärung mündet in einen Blick in die in der Gegenwart der Erzählung weitestgehend verborgene, eschatologisch jedoch offensichtliche und kontinuierliche FQZCdes Menschensohnes. Der Abschnitt 8,34–9,1 hat eine deutliche propädeutische Funktion im Hinblick auf die Verklärungsperikope, insofern es durch die redaktionelle Komposition der Perikopen 8,34–9,1; 9,2–8 und 9,9–13 zu einer Identifizierung des leidenden (8,31) und in der Endzeit wiederkehrenden Menschensohnes (8,38) mit dem Gottessohn kommt. Die in 8,38 herausgestellte eschatologische Funktion des Menschensohnes ist die Funktion des Sohnes Gottes, als der Jesus auf der Spitze der Transfigurationsnarratio aus göttlichem Munde prädiziert wird. Die Prophezeiung JesuQB WKBQLVQW CXPSTYRQW…Q=VCPGNSJ^ GXPVJ^ FQZJ^ VQW RCVTQLCWXVQW in 8,38 und seine Prädizierung als QB WKBQL QB CXICRJVQL korrespondieren miteinander, insofern dem „Bekenntnis“ des WKBQL VQW CXPSTYRQW zum Vater (8,38) das „Bekenntnis“ des Vaters zum WKBQL VQW OQW QB CXICRJVQL (9,7) entspricht.
26 Vgl. M. T HEOBALD, Herrenworte, 110. Es handelt sich nicht um eine allgemeingültige weisheitliche Regel, da die in den VV.36f. vorliegenden rhetorischen Fragen strikt im Kontext der in V.34 kommunizierten Nachfolgebedingungen Jesu zu interpretieren sind. In diese Richtung deutet aber J. S CHRÖTER , Erinnerung an Jesu Worte, 386. 27 Von hier aus ist der Verweis von Interesse, dass im MkEv ein Konnex der DCUKNGKC Thematik mit der Nachfolge Jesu besteht. Die Logienfolge 8,34–9,1 steht ab 8,34b unter der Thematik „Jüngerschaft Jesu“, die als solche in 8,34c.d.e zunächst mittels dreier Bedingungen der Jüngerschaft aufgeschlossen wird (vgl. M. T HEOBALD, Herrenworte, 109), um dann in einem ausführlichen Beweisgang (8,35–9,1, vgl. das vierfache ICT!) begründet zu werden. Abschluss der Begründungssequenz bildet ein doppelter eschatologischer Ausblick (8,38/9,1), wobei im Naherwartungslogion in 9,1 explizit das Theologoumenon DCUKNGKC fällt. Im Anfangsbereich des Evangeliums werden nach dem rezeptionsleitenden Summarium in 1,14f., in dem dezidiert von der nahegekommenen DCUKNGKCVQW SGQW die Rede ist, die ersten Jüngerberufungen (1,16–20) platziert. Der in 8,34–9,1 zu greifende Konnex der Jünger- und DCUKNGKC -Thematik wird so thematisch vorbereitet. 28 Mit M. T HEOBALD, Herrenworte, 110.
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
84
2.2 Die Logienfolge Mk 8,34–37 8,34
a b c d e
-CKRTQUMCNGUCOGPQLVQPQENQPUWPVQKLOCSJVCKLCWXVQW GK RGPCWXVQKL (KVKLSGNGKQXRKUYOQWCXMQNQWSGKP CXRCTPJUCUSYGBCWVQP MCKCXTCVYVQPUVCWTQPCWXVQW MCKCXMQNQWSGKVYOQKx
d
Q?LICTGXCPSGNJ^VJP[WEJPCWXVQWUYUCK CXRQNGUGKCWXVJP> Q?LF8C PCXRQNGUGKVJP[WEJPCWXVQWG=PGMGPGXOQWMCK VQWGWXCIIGNKQW UYUGKCWXVJPx
8,36
a b c
VKICTYXHGNGKCPSTYRQP MGTFJUCKVQPMQUOQPQ=NQP MCK\JOKYSJPCKVJP[WEJPCWXVQW{
8,37
a
VKICTFQKCPSTYRQLCXPVCNNCIOCVJL[WEJLCWXVQW{
8,35
a b c
Nach diesen einleitenden Vorbemerkungen ist nun die genaue Einzelversanalyse zu leisten: Vers 34 gibt das zu verhandelnde Thema der bis 9,1 reichenden Logienfolge an. Thema ist die Jüngerschaft Jesu, die sogleich mittels dreier imperativisch ausformulierter, eng miteinander verbundener, wenngleich zu differenzierender Bedingungen entfaltet wird: Selbstverleugnung, Kreuzesaufnahme und Nachfolge.29 Nach der szenischen Überleitung in 8,34a (MCK RTQUMCNGUCOGPQL VQP QENQP UWP VQKL OCSJVCKL CWXVQW GKRGP CWXVQKL) wird in V.34b zunächst die Protasis mittels eines Konditionalsatzes30 vorgelegt, die als thematischer Ausgangspunkt der nachfolgenden Ausführungen fungiert: GK VKL SGNGK QXRKUY OQW CXMQNQWSGKP31 Schwierigkeiten bereitet – nach der textkritischen Entscheidung für die Lesart CXMQNQWSGKPin V.34b – die doppelte Bezeugung dieses Lexems, da eine tautologische „Gefahr“ der Aussage nicht zu verkennen ist. Es ist daher Abstand davon zu nehmen, beide Bezeugungen von CXMQNQWSGKP (8,34b.e) als semantische Synonyma aufzufassen, da gemäß dem syntaktischen Aufbau des V.34 das CXMQNQWSGKVYOQKder Apodosis als eine der drei Bedingungen der Protasis GKVKLSGNGKQXRKUYOQWCXMQNQWSGKP 29 Ähnlich auch J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 381. Vgl. auch M. REICHARDT, Endgericht?, 44f. 30 Vgl. dazu M. T HEOBALD, Herrenworte, 105. 31 Nach G. KITTEL [Art. CXMQNQWSGY MVN. In: ThWNT I (1933), 211] und G. SCHNEIDER [Art. CXMQNQWSGY MVN. In: EWNT I (21992), Sp. 119] handelt es sich beim Syntagma CXMQNQWSGKP QXRKUY mit integriertem Genitiv (OQW) um eine semitisierende Ausdrucksweise, der das hebräische \U[DOKzugrunde liegt.
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
85
von V.34b erscheint.32 Der angesprochenen „Gefahr“ einer Tautologie lässt sich dadurch begegnen, dass die Polysemie dieses Verbs in Anschlag gebracht wird. Der semantische Befund ist dahingehend zu deuten, dass im MkEv das Verb CXMQNQWSGKP zwischen einer Nachfolge im konkret räumlich-lokalen Sinne einerseits und einer übertragenen Bedeutung der Nachfolge Jesu andererseits oszilliert.33 Im letzteren Fall nähert sich der Begriff einem Terminus technicus der christlichen Nachfolgetheologie. Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag zu machen, das Syntagma QXRKUY OQW CXMQNQWSGKPder Protasis (8,34b) im weiteren Sinne eines „Jünger-Seins Jesu“ zu fassen, während das Syntagma CXMQNQWSGKVY OQK der Apodosis (8,34e) zusammen mit der „Selbstverleugung“ und der „Kreuzesaufnahme“ als konkrete Explikationen der Jüngerschaft Jesu erscheinen.34 Somit wird in 8,34b das Hauptthema angeschlagen, das in 8,34c.d.e mittels dreier Bedingungen „durchdekliniert“ wird, woran sich in 8,35–9,1 ein sowohl erläuternder als auch motivierender Argumentationsgang (vgl. das vierfache ICT) anschließt. Diese Deutung ergibt einen in sich stringenten Text ohne 32
Anders z.B. E. KLOSTERMANN [HNT-Mk, 84], der von einem tautologischen Ausdruck „semitischer Art“ spricht. Diese Deutung überzeugt nicht. Von daher ist von drei, nicht von zwei voneinander zu unterscheidenden Bedingungen des „Jünger-Seins Jesu“ (vgl. 8,34b) auszugehen. Mit C. BREYTENBACH, Nachfolge, 220. Gegen J. GNILKA [EKK-Mk II, 23]; U. KMIECIK [Menschensohn, 99] und R. PESCH [HThK-Mk II, 59], die an der Synonymität des Verbs CXMQNQWSGKP festhalten und von zwei Nachfolgebedingungen sprechen. 33 Auf diesen Sachverhalt hat überzeugend J. SCHRÖTER [Erinnerung an Jesu Worte, 382f.] aufmerksam gemacht. Vgl. auch D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 45. In der Aussagedimension einer Nachfolge im unspezifisch-konkreten Sinne deutet Schröter den Sachverhalt in Mk 3,7; 5,24.37; 6,1; 11,9; 14,13.51.54. Im spezifischen Sinne einer Jesusnachfolge bzw. Zugehörigkeit zu Jesus findet dieses Verb in 1,18; 2,14.15; 8,34; 10,21.28.32.52; 15,41 Verwendung. In diesem spezifizierten Sinne ist auch 9,38 (Reaktion der Jünger auf den fremden Exorzisten) zu deuten. Die Bedeutung der Nachfolge im Sinne der „Zugehörigkeit zu Jesus“ ergibt für das MkEv eine „Erweiterung“ des Befundes der konkreten Nachfolge. Vgl. J. SCHRÖTER, a.a.O., 383. 34 Hierbei ist zudem zu beachten, dass die drei Apodosen in unterschiedlichen Tempora vorgelegt werden: Während die ersten beiden im Aorist stehen (CXRCTPJUCUSYGBC WVQP– CXTCVYVQPUVCWTQPCWXVQW) und somit punktuelle Handlungen intendieren, wird die dritte und letzte Apodosis im Imperativ Präsens vorgelegt, womit die kontinuierliche Nachfolge gemeint ist. Mit D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 48 Anm. 110. Ferner P. KRISTEN, Familie, Kreuz und Leben, 173: „Nachfolgen … als ein permanentes Geschehen“. Damit genießt die dritte Bedingung (8,34e) des „Jünger-Seins Jesu“ (8,34b) einen Sonderstatus: Die Praxis der konkreten Nachfolge Jesu ist als eine kontinuierliche konzipiert, wobei das „Sich-Verleugnen“ und das „Kreuztragen“ als konkrete Handlungen auf dem Weg der Jesusnachfolge anzusprechen sind. Dieser Deutungsvorschlag ist der im Anschluss an B. und J. W EIß [Die Evangelien des Markus und Lukas. KEK I/2, Göttingen 81892] vorgetragenen Interpretation C. BREYTENBACHs [Nachfolge, 220 Anm. 67] vorzuziehen, wonach die Intention, Jünger Jesu sein zu wollen (8,34b), nun in eine konkrete Handlung (8,34e) zu überführen ist.
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
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die für gewöhnlich als störend-redundant empfundene Verwendung des Verbs CXMQNQWSGKPmit gleichem semantischen Gehalt. Sind somit in 8,34 die beiden Bezeugungen von CXMQNQWSGKP für unsere Fragestellung hinreichend gedeutet, so gilt es nun auch, die dazwischen stehenden, verbleibenden, eng zusammengehörigen Bedingungen des Jünger-Seins – „Selbstverleugnung“ und „Kreuzesaufnahme“ – in Blick zu nehmen. Beide definieren – neben den semantisch offeneren Nachfolgebegriff tretend – die Nachfolge Jesu konkret als Leidensnachfolge. Das Leiden wird als realistische Möglichkeit der Nachfolge Jesu deutlich vor Augen gestellt.35 Ergänzend zu der ersten Leidensansage, die die Notwendigkeit des Leidens des Menschensohnes zum Thema hat (8,31), wird die Leidensthematik nun auf den Kreis der Nachfolger Jesu erweitert, sodass sich im Verbund dieser beiden Leidensthematisierungen ein markanter passionstheologischer Kontext ergibt, in den die redaktionell angeschlossene Verklärungsperikope eingebettet ist. Damit stimmt überein, dass auch das Bergabstiegsgespräch in 9,9–13 von der Leidensthematik beherrscht ist, für die in verdichteter Weise die Gestalt des Elija steht. Die realistische Möglichkeit des Leidens in der Nachfolge Jesu, die im Extremfall den Verlust des eigenen Lebens zur letzten Konsequenz haben kann, wird durch die redaktionelle Tätigkeit des Evangelisten der Transfigurationsperikope vorgeschaltet, sodass sich auf der Stufe des Endtextes eine Wechselwirkung ergibt: Die passionstheologische Einbettung der Verklärungsperikope wehrt einer einseitig FQZC-christologischen Rezeption des Textes, während umgekehrt die Transfigurationsgeschichte mitsamt des aus ihr sprechenden Hoffnungspotentials dazu motiviert, dem Leiden in der Nachfolge Jesu nicht auszuweichen. Das Verbindungsglied hierbei stellt der in zwei Anläufen (8,38 und 9,1) vorgelegte eschatologische Ausblick dar. 35
Unhaltbar und durch den Text an keiner Stelle gedeckt ist die durch A. SATAKE [Leiden der Jünger, 8] vorgelegte weitergehende Deutung des Leidens als Bedingung im Sinne einer „Voraussetzung für den Empfang des Heils“. Vgl. auch a.a.O., 6: „Dabei ist das Leiden der Jünger in der Gegenwart die Voraussetzung für ihre Partizipation an der Seligkeit.“ Mehr als textfern ist zudem angesichts von Stellen wie 10,45 u.a. die Behauptung Satakes, dass die Verursachung des Leidens der einzige Beitrag [sic!] Jesu sei, das „Heil der Jünger“ zu bewirken. Vgl. auch die scharfe Kritik an den Ausführungen Satakes bei P. KRISTEN, Familie, Kreuz und Leben, 175. Im Blick ist vielmehr die Bereitschaft der Jesus Nachfolgenden, „wegen der Bindung an Jesus zu sterben“. Richtig bei D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 46. Ähnlich auch C. BREYTENBACH, Nachfolge, 220. Diese Leidens- und Sterbebereitschaft wird durch den Evangelisten auch auf die nachösterliche Zeit, die als Zeit der Bedrängnis und des drohenden Heilsverlustes skizziert wird, ausgeweitet. Diese Ausweitung wird besonders durch das Syntagma G=PGMGPGXOQW MCK VQW GWXC IIGNKQW in V.35c indiziert. Vgl. dazu weiter unten. Nachösterlich ist gemäß dieser Konzeption eine christliche Nachfolge möglich, für die die in der erzählten Zeit des Evangeliums berichtete Nachfolge eine paradigmatische „Vorform“ ist. Vgl. dazu die treffenden Ausführungen bei L. SCHENKE, Markusevangelium (1988), 132–135.
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
87
Zur Interpretation der beiden zwischen Themaangabe (8,34b) und Nachfolgeaufforderung (8,34e) tretenden, weiteren Bedingungen (8,34c.d) empfiehlt es sich, bei der Aufforderung MCK CXTCVYVQPUVCWTQPCWXVQW (8,34d) anzusetzen, da die „Kreuzesaufnahme“ als letzte mögliche Konsequenz einer „kompromißlose[n] Bindung an die Person Jesu“36, die sogar die Möglichkeit des Verlustes des eigenen Lebens einschließt37, auch die Aufforderung zum CXRCTPGKUSCK determiniert.38 Angesprochen sind die vom Christen zu ertragenden „Bedrängnisse“, die an dieser Stelle als „Teilhabe an dessen [scil. Jesu] Leidensweg“ interpretiert werden.39 Nachdem der einflussreiche Vorschlag Dinklers, das Kreuztragen als „kultische Signierung“ zu interpretieren, als gescheitert angesehen werden muss40, sind die Markusinterpreten hinsichtlich der Frage in zwei Lager geteilt, ob dieses 36
Mit J. SCHRÖTER , Erinnerung an Jesu Worte, 385. Die Metapher CKTGKPVQPUVCWTQP fokussiert nicht das Tragen des Kreuzes an sich, sondern den Moment der Aufnahme des Kreuzes. Es ist zu beachten, dass der entsprechende Imperativ im Aorist vorgelegt wird, der die punktuelle Handlung der Kreuzesaufnahme anspricht. Mit Blick auf die Realien der Hinrichtungspraxis in der griechischrömischen Umwelt des Neuen Testamentes handelt es sich genauer um das patibulum (Querholz). Vgl. dazu z.B. W. B ÖSEN, Letzter Tag, 261; H.-W. KUHN, Kreuzesstrafe, passim.; H.-J. SCHNEIDER, Art. UVCWTQL. In: ThWNT VII (1964), 573. Die Kreuzesaufnahme initialisiert einen Prozess, an dessen Ende in der Regel der Kreuzestod steht. Vgl. D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 47 mit Anm. 105. Gleichwohl verbietet es die punktuelle Dimension der Aussage, im Kreuztragen eine Metapher für die Nachfolge Jesu an sich zu erkennen. 38 Noch weiter geht J. W ANKE, Bezugs- und Kommentarworte, 99: „Der Evangelist dürfte … die drei Logien Mk 8,35.36f.38 als illustrierende Entfaltung des Wortes vom Kreuztragen verstehen“. Das Wort Jesu vom „Kreuztragen“ ist bekanntlich vielfältig überliefert. Die älteste Fassung (traditio duplex) liegt in negativer Formulierung in Mt 10,38 (NCODCPY) und in Lk 14,27 (DCUVC\Y) vor. Mk 8,34 bietet die positive Fassung des Logions, in dem von einem CKTGKP des Kreuzes die Rede ist. Von hier aus findet sich die Wendung ein zweites Mal im MtEv und LkEv, jeweils ebenso in Verbindung mit dem Verb CKTGKP(vgl. Mt 16,24; Lk 9,23). Sodann auch in EvThom 55 in negativer Fassung. 39 Mit M. T HEOBALD, Herrenworte, 109 Anm. 220. 40 E. DINKLER [Jesu Wort vom Kreuztragen, 121f.] hatte vorgeschlagen, das Logion Mk 8,34d, das er als echtes, wenngleich nicht mit Blick auf seine eigene Kreuzigung gesprochenes Logion Jesu wertet (vgl. a.a.O., 113.124), in Anlehnung an die kultische Signierung mit dem „Jahwezeichen“ wt zu deuten (vgl. a.a.O, 122), wie sie in Gen 4,15; Jes 44,5 und Ez 9,4–6 begegnet. Dinkler muss zur Begründung seiner These in Absehung des uns vorliegenden griechischen Textes argumentieren, was als erstes Argument gegen seinen Vorschlag anzuführen ist. Zudem gelingt es ihm nicht, die Verwendung des Lexems UVCWTQL „unter Absehung vom Kreuzestod Christi“ zu erweisen. Mit J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 384 Anm. 19. Die von ihm auf S. 125f. als Belege herangezogenen Stellen zum Erweis einer „Versiegelung“ (2 Kor 1,21f.; Gal 6,17; Eph 1,13; 4,30) bieten keinen Beleg für UVCWTQL. Zur Kritik an Dinkler vgl. bes. J. SCHRÖTER, a.a.O., 384. Ferner J. ERNST, RNT-Mk, 249; J. GNILKA, EKK-Mk II, 23; R. LAUFEN, Doppelüberlieferungen, 310–312. 37
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Logion sachlogisch den Kreuzestod Jesu voraussetzt41 oder aber – auf eine gemeinantike Plausibilität rekurrierend – unabhängig davon zu verstehen ist.42 Die erste Annahme lässt sich dahingehend unterteilen, dass entweder ein Logion des historischen Jesus im Hintergrund steht oder eine Gemeindebildung vermutet wird, der die Erfahrung der tatsächlichen Kreuzigung Jesu zugrunde liegt. Die Tatsache, dass weder in der Profangräzität noch im jüdisch-hellenistischen Bereich Belege für das Syntagma CKTGKP VQP UVCWTQP zu finden sind43, spricht eher für eine christliche Bildung mit Blick auf das Kreuz Christi44, zumal die Metapher der Kreuzesaufnahme, die als solche auf einen grausamen und schändlichen Tod verweist, im christlichen Traditionsbereich unweigerlich das Wissen um den Kreuzestod Jesu einspielt. Die Kreuzesmetapher rekurriert somit auf die realhistorische Plausibilität eines Todes, „wie ihn Jesus erlitten hatte“45. „Sein Kreuz nehmen“ könnte so als Metapher eines christlichen Lebensentwurfs fungieren, der die „Nachfolge Jesu bis zur Übernahme des Todesgeschicks“ durchhält „in der Gewissheit, so sein Leben bei Gott zu bewahren“.46 Mit dieser Deutung ist sowohl die Bedeutung der angesprochenen Metapher im christlichen Traditionsraum angesprochen als auch die Gefahr 41 So z.B. P. DSCHULNIGG, ThK-Mk, 238f.; W. ECKEY, Markusevangelium, 231. Vgl. auch J. ERNST [RNT-Mk, 248f.], der hierzu die Differenz zum „Weissagungswort 8,31“, das allgemein vom „Getötet-Werden spricht“, geltend macht. Sodann J. GNILKA, EKKMk II, 23; E. KLOSTERMANN [HNT-Mk, 84]: „Mc denkt natürlich an das Kreuz des Herrn“; H.-W. KUHN, Art. UVCWTQL. In: EWNT III (21992), Sp. 642f.; L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 210. Die Frage, ob in 8,34d der Kreuzestod Jesu im Blick ist, führt zur weitergehenden Frage, ob es sich um eine Gemeindebildung oder um ein authentisches Wort Jesu handelt. Vgl. zu dieser Differenzierung die Belege bei J. SCHNEIDER , Art.UVCWTQL. In: ThWNT VII (1964), 578. 42 Dieser Deutungsvorschlag verbindet sich in der Regel mit der Annahme der Historizität dieses Logions. Vgl. dazu z.B. R. B ULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 173f.: „Könnte nicht doch UVCWTQL schon früher ein traditionelles Bild für Leid und Opfer gewesen sein?“ Ferner R. LAUFEN, Doppelüberlieferungen, 313f.; A. SCHULZ, Nachfolgen, 86f.; E. SCHWEIZER, NTD-Mk, 94. Alle gängigen Deutungsmöglichkeiten werden detailliert bei R. LAUFEN [Doppelüberlieferungen, 308–314] und J. SCHNEIDER [Art. UVCWTQL . In: ThWNT VII (1964), 578f.] aufgewiesen. 43 Wohl aber Wendungen mit DCUVC\GKPund HGTGKP(VQPUVCWTQP). Vgl. E. DINKLER, Jesu Wort vom Kreuztragen, 112 Anm. 6. Im semitischen Bereich fehlen derartige Wendungen völlig. Mit H.-W. KUHN, Art. UVCWTQL . In: EWNT III (21992), Sp. 642f. 44 Überzeugend bei H.-W. KUHN, Art. UVCWTQL . In: EWNT III (21992), Sp. 642f. Vgl. auch M. EBNER, Jesus – Ein Weisheitslehrer?, 103: „nachösterlicher Reflex auf die Kreuzigung Jesu“. Gleichwohl gilt es zu beachten, dass die Metapher der Kreuzesaufnahme auf die Realität der Kreuzigungsstrafe in der griechisch-römischen Welt rekurriert, sodass der Kreuzestod Jesu nicht zum einzigen Verstehenshintergrund dieses Logions erklärt werden darf. Mit D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 46 mit Anm. 103. 45 D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 46. 46 Mit M. T HEOBALD, Herrenworte, 115.
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
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eingedämmt, die Passion Jesu zum alleinigen Verstehenshintergrund von Mk 8,34 zu erklären. Weitergehende Aussagen zur Historizität des Logions im Sinne eines genuin jesuanischen Wortes bzw. zur Bildung dieses Logions in der christlichen Gemeinde sind schwer zu treffen. Sowohl ein authentisches Wort Jesu als auch eine Gemeindebildung bleiben möglich. Die auffälligste Querverbindung von Mk 8,34 ergibt sich zur Verleugnungsszene des Petrus, in der eine weitere Bezeugung des – sonst nur noch in Mk 8,34 auftauchenden – Verbs CXRCTPGKUSCKbegegnet, und zwar in Jesu Ankündigung der Verleugnung (14,30) und der Erfüllung dieser Ansage in 14,7247: Aus dem thematischen Konnex von 8,34 und 14,30/72 spräche dann eine Aufforderung, in der Nachfolge nicht Jesus, sondern sich selbst zu verleugnen.48 Neben der bereits angesprochenen redaktionellen Verknüpfung mit der ersten Leidensansage findet sich das Syntagma CKTGKPVQPUVCWTQPebenso in 15,21, wo Simon dem Rezipienten als lebenspraktisches Beispiel zur Einlösung des Anspruchs von 8,34 lebendig vor Augen gestellt wird.49 Der Kreuzesaufnahme wird der Vorgang des CXRCTPGKUSCKGBCWVQP flankierend zur Seite gestellt, wobei die Kreuzesaufnahme, die einen Prozess in Gang setzt, an dessen Ende für gewöhnlich der Tod steht, auf die Aufforderung, sich selbst zu verleugnen (8,34c), zurückstrahlt und deren Verständnis prägt. Selbstverleugnung und Kreuzesaufnahme stehen in einem engen Verstehenskonnex, sodass Vorsicht angeraten ist, beide Bedingungen der in 8,34b platzierten Protasis unabhängig voneinander interpretieren zu wollen. Die Grundbedeutung des Verbs CXRCTPGKUSCK, die in einer „sich versagenden Haltung eines Subjektes gegenüber einem Anspruch“ liegt – ein Prozess, der im Deutschen mit Verben wie „ablehnen (abschlagen, verwerfen)“ bzw. „verneinen“ wiederzugeben ist50 –, wird in 8,34c durch 47
Vgl. dazu M. THEOBALD, Herrenworte, 110. Ferner M. REICHARDT, Endgericht?,
45f. 48
In diese Richtung deuten auch U. KMIECIK, Menschensohn, 100; M. REICHARDT, Endgericht?, 45f.; J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 385. Der Konnex Mk 8,34 mit 14,30f.72 wird ferner dadurch unterstrichen, dass Petrus in 14,31 seine Bereitschaft zu sterben bekundet (GXC P FGJ^ OG UWPCRQSCPGKP UQK QWX OJ UG CXRCTPJUQOCK) und damit auf die Thematik der Logienreihe 8,34–38 (Metapher des Kreuztragens; Verlust des irdischen Lebens bzw. Gewinn des eschatologischen Lebens) rekurriert. Ebenso ist auf die semantische Verwandtschaft der Verben CXRCTPGKP und GXRCKUEWPGUSCK zu verweisen, durch die eine Verbindung von Mk 8,38 und 14,30f. gewährleistet ist. Leitthema der Perikopen 8,34–9,1 und 14,26–31 ist „das Leugnen der Bindung zu bzw. der Gemeinschaft mit Jesus“ und damit zugleich der „Verlust des endzeitlichen Heils“. Überzeugend bei D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 146. 49 In diese Richtung deutet auch M. T HEOBALD, Herrenworte, 110. 50 Vgl. die semantische Differenzierung bei W. SCHENK, Art. CXTPGQOCK MVN. In: EWNT I (21992), Sp. 369 (kursiv im Original). Vgl. auch H. RIESENFELD, Meaning of the Verb CXTPGKUSCK, passim.; H. SCHLIER, Art. CXTPGQOCK. In: ThWNT I (1933), 468.
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
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das Reflexivpronomen GBCWVQP präzisiert, sodass der mit dem Syntagma CXRCTPGKUSCK GBCWVQP kommunizierten Haltung ein bewusster Entscheidungsakt zugrunde liegt, der als solcher das Subjekt, seine vitalen Bedürfnisse und Interessen usw. direkt tangiert.51 Es geht um die vom Subjekt bewusst ausgehende Selbstverleugnung im Sinne der Hintansetzung der eigenen Interessen in der radikalen Nachfolge Jesu, die als solche Leid und ggf. auch das eigene Sterben implizieren kann. Makrotextuell sind hier Stellen wie 10,21f. und 10,28–31 zur paränetischen Illustration heranzuziehen.52 Mit V.35 wird nun eine Argumentationsreihe eröffnet53, deren Aufgabe die Begründung der in V.34 ausgesprochenen Paränese ist, in eine umfassende Schicksalsgemeinschaft mit Jesus einzutreten. Diese stark eschatologisch geprägte argumentative Katene54 endet mit einem expliziten eschatologischen Ausblick in V.3855, der das abschließende und wohl auch entscheidende Argument liefert, in die Nachfolge Jesu einzutreten. Der Abschnitt 8,35–38 wird von zwei mit Q?LICTGXCPeingeleiteten konditionalen
51
Vgl. z.B. R. PESCH, HThK-Mk II, 59: „Widerspruch gegen die eigenen Vitalinteressen“. 52 Die Paränese zur Selbstverleugnung erhält erst im Konnex mit 34d („Kreuzesaufnahme“) die radikale Schärfe. Im Verbund mit 8,34d ist es möglich, von einer radikalen Selbstpreisgabe zu sprechen. Mit C. BREYTENBACH, Nachfolge, 200. Breytenbach verweist auf die Paraphrasierung von Mk 8,34c bei A. FRIDRICHSEN, Sich selbst verleugnen, 8: „Sich selbst preisgeben, seine ganze Existenz aufs Spiel setzen“. Vgl. auch M. REICHARDT, Endgericht?, 45. 53 Vgl. das vierfache ICT (8,35a; 36a; 37a; 38a) in Verbindung mit zwei mit VK eingeleiteten rhetorischen Fragen (36a; 37a). 54 Vgl. die Dominanz des Futurs in 8,35–38: V.35b.c: CXRQNGUGK; 35d: UYUGK; 38c: GXRCKUEWPSJUGVCK 55 Das Syntagma MCK GNGIGPCWXVQKL verbietet es m.E., auch das Naherwartungslogion in 9,1 unter die Begründungsreihe 8,35–38 zu subsumieren. Zwar bietet 9,1 den zweiten „Flügel“ des einen eschatologischen Ausblicks der Verse 8,38 und 9,1, was nicht zuletzt daraus ersichtlich wird, dass die Adressaten der Rede Jesu ab 8,34 identisch sind. Das CWXVQKL (9,1a) bezieht sich demnach auf die in 8,34a genannten Handlungsträger. Auch in lokaler Hinsicht ist erst ab 9,2 eine Veränderung zu verzeichnen. Der Vers Mk 9,1 ist gleichwohl syntaktisch und semantisch deutlich von der Argumentationskatene 8,34ff. abgehoben. Eine redaktionelle Tätigkeit ist in 9,1 sehr wahrscheinlich, mit der das ursprünglich selbstständige Logion 9,1 in die ab 8,34 vorgelegte Logienkomposition integriert wurde. Es fällt zudem auf, dass in 8,34a eine Redeeinleitung geboten wird, an die sich ab V.34b ein ausführliches Kommunikat anschließt. Eine weitere Redeeinleitung begegnet in 9,1, an die eine erneute Rede Jesu angefügt wird. Erst mit 9,2a erfolgt ein Szenenwechsel. Zur Zäsurierung nach Mk 8,38 vgl. auch die Überlegungen bei C. BREYTENBACH, Nachfolge, 230f.; D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 44 Anm. 94; U. KMIECIK, Menschensohn, 86; P. KRISTEN, Familie, Kreuz und Leben, 170f.194f. J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 398f.
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
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Relativsätzen beherrscht (vgl. 8,35a und 8,38a)56, in deren Zwischenraum in den VV.36f. zwei mit VK ICT eingeleitete rhetorische Fragen platziert werden. Es fällt auf, dass ein Gros der Ausführungen in 8,35–38 nicht auf ein positives Verhalten gegenüber dem in V.34 formulierten Anspruch Jesu rekurriert, sondern seinen argumentativen Ausgangspunkt von einer implizierten negativen Antwort auf die Nachfolgeaufforderung Jesu nimmt. Einzig die Teilverse 8,35c.d führen hier ein „Sonderleben“, insofern sie auf eine positive Reaktion auf den Anspruch Jesu abheben.57 Die in V.34 vorgelegte Paränese zu einer konsequenten Nachfolge Jesu wird im sich anschließenden V.35 in einem ersten Schritt mittels eines allgemeinen Erfahrungssatzes, der als antithetischer, durch die Lexeme UY^\GKPCXRQNNWGKPgeprägter Parallelismus membrorum konstruiert ist, begründet.58 Der Konnex zwischen den VV.34 und 35 wird auf der Textoberfläche zunächst durch die Partikel ICT gewährleistet, doch ist ein enger sachlicher Zusammenhang auch in semantischer Hinsicht uneingeschränkt vorhanden, da durch das LexemUVCWTQL(V.34d) die Möglichkeit des Todes in der Nachfolge Jesu angesprochen wird, die in V.35 durch die dichte Abfolge der VerbenUY^\GKP²CXRQNNWGKP–CXRQNNWGKP–UY^\GKPmit[WEJ als Objekt thematisch variiert wird.59 Der Tod, für den das Lexem UVCWTQL synonymisch steht, und die [WEJ, die es in eschatologischer Hinsicht zu retten gilt, funktionieren so als Antipoden, zwischen denen der Argumentationsgang entfaltet wird.60 Die paradox anmutende Aussage, dass Lebenserhaltung Lebensverlust und – umgekehrt – Lebensverlust Lebensge56 Vgl. K. BEYER, Syntax, 166.210. An den ersten konditional formulierten Relativsatz 8,35a ist ein weiterer konditionaler Relativsatz angeschlossen, sodass in V.35a.b und V.35c.d ein Parallelismus membrorum vorliegt. Der dritte konditional formulierte Relativsatz in V.38a ist durch einen mit Q=VCPeingeleiteten Temporalsatz erweitert. Vgl. dazu D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 48. 57 Mit J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 390. Ferner D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 49. In V.35 sticht besonders die „Erweiterung“ des Teilverses 35c – G=PGMGP GXOQW MCK VQW GWXC IIGNKQW – hervor: Zum einen stört er die chiastische Struktur des V.35 (UY\GKP – CXRQNNWGKP – CXRQNNWGKP – UY\YGKP, vgl. dazu C. BREYTENBACH, Nachfolge, 221), zum anderen greift er auf den Teilvers 8,38a (Q?LICTGXCPGXRCKUEWPSJ^ OGMCK VQWL GXOQWLNQIQWL) voraus, mit dem er einen unübersehbaren thematischen Konnex bildet. 58 Vgl. z.B. J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 386. Reiches religionsgeschichtliches Vergleichsmaterial bietet G. Dautzenberg, Sein Leben bewahren, 53–56.59f. Ferner H. BRAUN, Das „Stirb und werde“ in der Antike und im Neuen Testament, 136–140. 59 Das Syntagma G=PGMGPGXOQW MCK VQW GWXC IIGNKQW in V.35c fokussiert die Einstellung zu Jesus im Sinne des heilsentscheidenden und in eschatologischer Hinsicht letztlich rettenden Verhaltens und korrespondiert somit mit der Protasis in V.34b (QXRKUY OQW CXMQNQWSGKP) und dem letzten Glied der dortigen Apodosis in V.34e (CXMQNQWSGKVY OQK). Damit ist zugleich gesagt, dass keinesfalls jeder „Verlust des Lebens“ zur Rettung führt, sondern exklusiv derjenige Lebensverlust, der anlässlich der Befolgung der Nachfolgeforderung Jesu geschieht. Vgl. dazu auch J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 387. 60 Vgl. dazu z.B. D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 49.
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
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winn bewirkt, erhält erst im Wechselspiel der VV.34f. ihren besonderen, auf die Nachfolgeforderung zugeschnittenen Sinn. Dabei ist zu beachten, dass das Lexem [WEJ im Verlauf des „Beweisganges“ eine charakteristische Neufüllung erhält, durch die der paradox anmutende Argumentationsgang in den VV.35–37 erst möglich wird. Hierbei wird ein die irdische [WEJ betreffendes UY^\GKPCXRQNNWGKP von einem solchen in eschatologischer Hinsicht abgehoben: Während in V.35a noch das physische Leben mit allen seinen vitalen Interessen61 im Blick ist, verschiebt sich die Referenz der[WEJ ab V.35b (CXRQNGUGKCWXVJP) in charakteristischer Weise. Angesprochen ist nun die eschatologische Perspektive desselben (!) Lebens62, die bis zum Spitzensatz der Logienreihe in V.38 kontinuierlich im Blick bleibt. Dabei ist nochmals zu betonen, dass der Text nicht mit zwei unterschiedlichen [WEJ-Begriffen operiert, sondern vielmehr zwei unterschiedliche Aspekte des einen Lebens fokussiert.63 Das Verhalten gegenüber dem Anspruch Jesu im „Hier und Jetzt“ hat demnach Konsequenzen für die endzeitliche Beurteilung seitens des Menschensohnes: Derjenige, der sich der Aufforderung Jesu zur Nachfolge aus Gründen gegenwärtiger Lebenserhaltung verschließt, wird bei der eschatologischen Wiederkunft des Menschensohnes in der FQZC seines Vaters auf der Seite der LebensVgl. dagegen das erste Glied der Apodosis in V.34c: CXRCTPJUCUSYGBCWVQP. Es wäre also verkehrt, zwei grundsätzlich zu differenzierende [WEJ-Begriffe (irdisches/ewiges Leben) voneinander abheben zu wollen. Darauf hat G. DAUTZENBERG [Sein Leben bewahren, 60] überzeugend hingewiesen. Vgl. auch J. GNILKA [EKK-Mk II, 25], der von dem „die Grenzen des irdischen Lebens sprengende[n] Psyche-Begriff“ spricht. Vgl. auch C. BREYTENBACH, Nachfolge, 222; D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 50 mit Anm. 115. 63 Vgl. z.B. G. DAUTZENBERG, Sein Leben bewahren, 60: „die [WEJ, die eine Existenz des Menschen, … wird von nun an in der Nachfolge Jesu festgehalten und doch nicht gerettet und preisgegeben und doch nicht verloren“. Ferner D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 49; J. GNILKA, EKK-Mk II, 24; E. KLOSTERMANN, HNT-Mk, 84; J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 387. Ist die semantische Verschiebung des [WEJ-Begriffs in V.35 hinreichend berücksichtigt, dann kann der interpretatorische Ansatz weiterverfolgt werden, die Aussage von Mk 8,35 vor dem Hintergrund der antiken Feldherrnrede (RCTCMGNGWUKL/cohortatio) zu deuten, wonach derjenige, der aus Angst zu fallen, vom Schlachtfeld flüchtet, mit Sicherheit den Tod finden wird, während derjenige, der sich mutig dem Kampf stellt, sein Leben bewahren wird. Vgl. zu diesem Ansatz z.B. J.B. B AUER: „Wer sein Leben retten will …“, passim. Bauer verweist u.a. auf 2 Sam 10,11f.; 2 Chr 20,20; 1 Makk 9,8.10.44.46; 13,3–6; Sallust Cat. 58,15–17; Sallust Iug. 87,2; Horaz Od. III 2,14; Cicero Tusc. II 54; Xenophon Anabasis III 1,43; 2,39; Cyr. III 3,44f.; IV 1,5; Homer Il. V 529–523; XV 561–564. Dieser Deutungsansatz bleibt hinsichtlich der Exegese von Mk 8,35 wertvoll, sofern er die Verschiebung in der semantischen Referenz von [WEJ beachtet. Das Lexem UVCWTQL in der zweiten Apodosis der Nachfolgeforderung in V.34 bringt die Möglichkeit des Sterbens in der Nachfolge Jesu zur Sprache, wobei ein solcher Tod eine soteriologische Relevanz im Hinblick auf die eschatologische Situationseinschätzung des Menschensohnes hat. 61 62
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
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verlierer stehen. Diesem pessimistisch anmutenden eschatologischen Ausblick wird in V.35c.d eine positive Aussage entgegengestellt. Im Rahmen eines Kurzexkurses ist das auffällige Syntagma G=PGMGP GXOQW MCK VQW GWXC IIGNKQWin V.35c zu beleuchten, das mit dem SyntagmaOGMCK VQWLGXOQWLNQIQWLin V.38a in einer offensichtlichen Korrespondenz steht.64 Eine gewisse Widerständigkeit der Präpositionalphrase G=PGMGP GXOQW MCK VQW GWXC IIGNKQW gegenüber der mikrokontextuellen Umgebung, in die sie platziert ist, ist offensichtlich, insofern sie mit ihrem „überschießenden“ Charakter die chiastische Struktur des V.35 (UY\GKP – CXRQNNWGKP – CXRQNNWGKP–UY\YGKP) stört. Die angesprochene „Störung“ der chiastischen Struktur dürfte – im Sinne eines stilistischen Signals – in der Absicht erfolgt sein, das Augenmerk des Rezipienten auf diesen Zuwachs zu lenken.65 Das „Sonderleben“ der Teilverse V.35c.d ist bereits angesprochen worden, da in der Logienfolge 8,35–8,38 einzig hier auf eine positive Entsprechung hinsichtlich des Anspruchs des V.34 rekurriert wird, während in der kontextuellen Umgebung die Aussagen ihren Ausgangspunkt von einer implizierten negativen „Antwort“ auf die in V.34 formulierten Nachfolgebedingungen nehmen und die negativen eschatologischen Konsequenzen eines solchen Verhaltens bedenken. Mit der positiven Entsprechung hinsichtlich des Anspruchs Jesu in V.34 ist ein ebenso positiver eschatologischer Ausgang verbunden, der mit der Zusage UYUGK CWXVJP in V.35d kommuniziert wird: Eschatologisches Heil (vgl. 8,35d; 10,29) wird allen zugesagt, die um Jesu und seines Evangeliums willen die in V.34 geforderte Nachfolge antreten, die Bereitschaft an den Tag legen, auf die Sicherung eigener Vitalinteressen zu verzichten, und sogar dem Tod als letzte mögliche Konsequenz der Nachfolge Jesu nicht aus dem Wege zu gehen versuchen. Wenn nun in Mk 8,35 und 8,38 von Jesus (G=PGMGP GXOQWOG) und dem Evangelium bzw. den Worten Jesu (VQW GWXC IIGNKQWVQWL GXOQWL NQIQWL) die Rede ist, dann hat das dazwischen stehende țĮȚ explikative Kraft mit der Aussageabsicht, dass „Jesus und seine Verkündigung … als untrennbare, aufeinander bezogene Größen zu denken“ sind. 66 DieVgl. z.B. C. BREYTENBACH, Nachfolge, 227. Wenn Mk 8,35c (G=PGMGPGXOQW MCK VQW GWXC IIGNKQW) in direkter Parallele zu 8,38a (OGMCK VQWLGXOQWLNQIQWL) zu lesen ist, dann ist gewährleistet, dass die Verkündigung Jesu vom Evangelisten als NQIQL bezeichnet werden kann (vgl. auch Mk 2,2; 4,13–20.33). Besonders fällt 13,31 ins Auge, wo von QKB FG NQIQKOQW die Rede ist, womit auf die gesamte Verkündigung Jesu abgehoben ist. Vgl. nur J. GNILKA, EKK-Mk II, 206; J. SCHMID, RNT-Mk, 248; E. SCHWEIZER, NTD-Mk, 154. Von hier aus ist auf eine weitere Stelle im mikrokontextuellen Umfeld zu verweisen: In Mk 8,32 ist davon die Rede, dass Jesus den NQIQL in RCTTJUKC verkündet, womit die Leidensankündigung in 8,31 gemeint ist. Da ein intendierter Unterschied zwischen Singular und Plural (NQIQL/NQIQK) nicht erkennbar ist, ist es wahrscheinlich, dass das Leiden des Menschensohnes ein integraler Bestandteil der Evangeliumsverkündigung ist. Diese Beobachtung ist angesichts des göttlichen Imperativs der Wolkenstimme der Verklärungsperikope (9,7) geltend zu machen, bei dem eine passionstheologische Spezifizierung m.E. nicht von der Hand zu weisen ist. 65 Dahingehend deutet auch M. REICHARDT, Endgericht?, 47. Ein ähnliches Vorgehen ist in Mk 8,38 zu beobachten, wo der im Teilvers 38d angeschlossene Temporalsatz Q=VCP GNSJ^ GXPVJ^ FQZJ^ VQW RCVTQLCWXVQW OGVC VYPCXIIGNYPVYPCBIKYP ähnlich überschießend ist und – in seiner betonten Endstellung – die dem Mk-Evangelisten (m.E. im Hinblick auf Mk 9,2–8) wichtige „Aktionseinheit“ von Vater und Sohn nachdrücklich unterstreicht. 66 Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 277 Anm. 56. 64
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
ses Vorgehen, das die Bezogenheit beider Größen (Jesus/Evangelium) bei gleichzeitiger Differenzierung gewährleistet, öffnet die Aussage für die Zeit der nachösterlichen Evangeliumsverkündigung, in der Jesus aufgrund seiner Abwesenheit nicht mehr Subjekt der Verkündigung sein kann. 67 Obgleich sich die Präpositionalphrase G=PGMGP GXOQW MCK VQW GWXC IIGNKQWin 8,35c zunächst auf die Nachfolge Jesu innerhalb der erzählten Zeit bezieht, ist die Öffnung auf die nachösterliche Zeit hin offensichtlich, was durch Mk 13,10 und 14,9 deutlich gemacht wird. In beiden Fällen liegt eine passivische Aussage vor (13,10: MCK GKXL RCPVCVC GSPJRTYVQPFGK MJTWESJPCKVQ GWXC IIGNKQP; 14,9:Q=RQWGXCPMJTWESJ^ VQ GWXCIIGNKQP GKXL Q=NQP VQP MQUOQP), in der das verkündigende Subjekt ungenannt bleibt.68 Während also in der Zeit der Gegenwart Jesu die Verkündigung an das Subjekt „Jesus“ gebunden bleibt, kommt es in der Zeit seiner Abwesenheit zu einer Verlagerung auf andere verkündigende Subjekte, sodass „die Referenz des Begriffs GWXC IIGNKQP … schlagartig auf die Verkündigung des Evangeliums nach Ostern ausgedehnt wird“. 69 Da nun keine semantische Verschiebung des Lexems GWXC IIGNKQP zu verzeichnen ist (z.B. Evangelium Jesu/Evangelium der Gemeinde), ist die Verkündigung des Evangeliums als die Klammer anzusprechen, die die Zeit Jesu mit der Zeit seiner Abwesenheit verbindet.70 Die nachösterliche Evangeliumsverkündigung legt ihren Schwerpunkt auf die Schilderung des bereits von Jesus selbst verkündeten Evangeliums, womit das Phänomen der nachösterlichen Narrativierung des Evangeliums angesprochen ist. Jesus wird auf diese Weise in der Zeit nach Ostern und Auferstehung „zum Objekt der Evangeliumsverkündigung, ohne jedoch aufzuhören, Urheber und Subjekt des Evangeliums zu sein“. 71 Diese Differenzierung wird durch 8,35c und 8,38a eingespielt, sodass sowohl 35c als auch 38a auf zwei Ebenen zu hören sind: Gemeint ist zunächst die von Jesus selbst vollzogene Verkündigung des Evangeliums, zu der jeder Rezipient eine befürwortende oder aber abschlagende Haltung einnehmen kann. Im Prozess der Relektüre des Evangeliums in nachösterlicher Zeit kommt sodann das Evangelium als eine von Jesus initiierte und mit ihm auf das Engste zusammenhängende, gleichwohl aber zu trennende Größe in Blick, die per Annahme bzw. Ablehnung über eschatologisches Heil oder Unheil entscheidet.
Die in den VV.36f. platzierten mit VK ICT eingeleiteten rhetorischen Fragen dienen zur Begründung der „paradoxen“ Aussage des V.35, wonach der Versuch, das irdische Leben zu retten, Verlust, und der Verlust des ir-
67 Dahingehend argumentiert auch M. REICHARDT, Endgericht?, 113: „Der Sinn der Formulierung [scil. in V.35c und 38a] liegt in der Herstellung eines Bezugs zwischen der Gegenwart der markinischen Gemeinde und der Vergangenheit Jesu.“ 68 Vgl. z.B. D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 220: „So ist die Gegenwart [scil. der Adressaten] die Zeit der Verkündigung des Evangeliums …“. 69 Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 286. 70 Den von D.S. DU T OIT in seiner Studie „Der abwesende Herr. Strategien im Markusevangelium zur Bewältigung der Abwesenheit des Auferstandenen“ (WMANT 111) gemachten Beobachtungen ist vollauf zuzustimmen. Vgl. z.B. a.a.O., 277–283. Dabei ist mit du Toit im Anschluss an C. BREYTENBACH [Nachfolge, 263f.] und L. SCHENKE [Markusevangelium (1988), 154f.] zu betonen, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen dem von Jesus vorösterlich verkündeten und dem nachösterlich zu verkündigenden Evangelium in der markinischen Konzeption nicht aufzuweisen ist. 71 Überzeugend bei D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 281.
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
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dischen Lebens dessen Gewinn in eschatologischer Hinsicht bewirkt.72 Beide rhetorischen Fragen sind derart angeordnet, dass die zweite Frage (V.37) die erste (V.36) mittels eines allgemein-menschlichen Sprichwortes begründet.73 Sie werden dadurch miteinander verbunden, dass ein unbestimmter CPSTYRQL das logische Subjekt bildet, an dem die Stimmigkeit der Aussage von V.35 „erwiesen“ wird. Beide Fragen stehen in einem engen thematischen Konnex mit den Aussagen des V.35, durch den sie einen auf die Nachfolgeforderung Jesu spezifizierten Sinn erhalten, sind jedoch auch ohne V.35 als allgemeine Weisheitssprüche sogleich verständlich.74 Im vorliegenden Kontext dienen beide dazu, zwei voneinander strikt zu differenzierende Wertmaßstäbe zu präsentieren: einen Lebensentwurf nach Maßgaben irdischen Gewinns im Kontrast zu einem Lebensentwurf nach Maßgaben der endzeitlichen Einschätzung seitens des Menschensohnes.75 Vers 36 ist so angeordnet, dass die Teilverse 36a.b (VK ICT YXHGNGK CPSTYRQP MGTFJUCK VQP MQUOQP Q=NQP) auf V.35a (Q?L ICT GXCP SGNJ^ VJP [WEJP CWXVQW UYUCK) Bezug nehmen (Lebensrettung/„Weltgewinn“), während V.36c (MCK \JOKYSJPCK VJP [WEJP CWXVQW) die negative Folge von V.35b ([WEJ-Verlust) interpretiert. Im Hintergrund steht das Gedankenmodell, dass der Lebensverlust in der Nachfolge Jesu eschatologisches Le72
Der Konnex von Mk 8,35–37 wird nicht zuletzt durch die Dominanz des Lexems [WEJ gewährleistet (35a; 35c; 36c; 37, vgl. auch das CWXVJP in 35b.d). 73 Dahingehend deutet auch R. B ULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 101f.: „Mk 8,37 … ist ein Sprichwort, das echt volkstümlich den Gedanken zum Ausdruck bringt, daß das Leben der Güter höchstes ist“. 74 Darauf hat bereits R. BULTMANN [Geschichte der synopt. Tradition, 101] hingewiesen: „Stände Mk 8,36 zufällig unter den Proverbien oder im Buch des Siraziden, so würde Niemand seinen Sinn mißverstehen.“ Wenn nun die rhetorischen Fragen in den VV.36f. direkt auf die Aussage des V.35 rekurrieren, dieser aber als konditionaler Relativsatz die Nachfolgeforderung des vorstehenden V.34 begründet (vgl. das ICT!), dann sollte Abstand davon genommen werden, die VV.36f. als Zeugnis markinischer Armutsparänese zu interpretieren und vor dem Hintergrund der Aussagen von Mk 10,23–25 zu deuten. So z.B. der Ansatz bei G. DAUTZENBERG, Sein Leben bewahren, 70. Dies ist kaum die eigentliche Aussageintention: Die Aussagen MGTFCKPGKP VQP MQUOQP (V.36b) und \JOKQWUSCKVJP[WEJP (V.36c) stehen in antithetischer Entsprechung und begründen die Aussage des V.35, wonach der Lebensverlust in der Nachfolge Jesu eschatologischen Lebensgewinn zeitigt. Im Blick ist demnach kontinuierlich die Nachfolgeparänese des V.34, die sukzessive begründet wird. Die Warnung vor dem Reichtum wäre jedoch ein neues, kontextuell nicht vorbereitetes Thema. Gut bei J. SCHRÖTER [Erinnerung an Jesu Worte, 388 Anm. 45] mit Verweis auf K.-G. REPLOH, Markus – Lehrer der Gemeinde, 135f. Vgl. dazu auch die scharfe Kritik C. BREYTENBACHs [Nachfolge, 222 Anm. 91] am Interpretationsansatz Dautzenbergs, wonach dessen Deutung „ein Schulbeispiel für die Vernachlässigung des mk. Kontextes zugunsten eines außer-mk. Kontextes ist“. 75 Die ab 8,35b veränderte Referenz des Lexems [WEJ (vgl. bereits die futurische Aussage CXRQNGUGKCWXVJP in 35b) sowie der eschatologische Ausblick (8,38) sprechen für eine Dominanz der eschatologischen Perspektive der rhetorischen Fragen in 8,36f.
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
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ben bewirkt, während die Absage an die Nachfolgeaufforderung Jesu mit Blick auf einen erhofften irdischen Gewinn in eschatologischer Hinsicht negative Konsequenzen haben wird. Vers 36 stellt also die Nutzlosigkeit eines Versuchs dar, das Leben durch die Sicherung der materiellen Existenz gewährleisten zu wollen76, da ein solcher Versuch den Lebensverlust in eschatologischer Hinsicht nach sich zieht. Wurde nun in V.36 die Nutzlosigkeit eines am irdischen Gewinn orientierten Lebensentwurfs aufgewiesen und die postulierte Nutzlosigkeit mittels eines drohenden Lebensverlustes in eschatologischer Hinsicht begründet, so dient die in V.37 angeschlossene zweite rhetorische Frage dazu, die Aussage mittels einer Lebensweisheit zu untermauern: Da das Leben das höchste aller Güter ist, gibt es kein anderes Gut, das der Mensch als CXPVCNNCIOCangesichts eines drohenden Lebensverlustes in die Waagschale werfen könnte.77 Diese allgemeingültige Aussage weist von daher eine massive Verschärfung auf, als die Referenz von [WEJ ab V.35b zugunsten eines eschatologischen Lebens gewandelt ist. In Anbetracht eines drohenden Verlustes der [WEJ ist jeder Versuch sinnlos, die irdische Existenz dadurch sichern zu wollen, dass der Ruf Jesu in die Nachfolge (V.34) ausgeschlagen wird. 2.3 Der eschatologische Ausblick Mk 8,38 8,38
a b c d
Q?LICTGXCPGXRCKUEWPSJ^OGMCKVQWLGXOQWLNQIQWL GXPVJ^IGPGC^VCWVJ^VJ^OQKECNKFKMCKCBOCTVYNY^ MCKQBWKBQLVQWCXPSTYRQWGXRCKUEWPSJUGVCKCWXVQP Q=VCPGNSJ^ GXPVJ^ FQZJ^ VQW RCVTQLCWXVQW OGVC VYPCXIIGNYP VYPCBIKYPx
Der Spitzensatz der Logienkomposition Mk 8,34ff. wird in V.38 vorgelegt, in dem die „christologische Pointe“ der mit V.34 beginnenden Logienreihe platziert wird.78 Die mit V.35 vergleichbare Konstruktion mittels eines konditionalen Relativsatzes (Q?L ICT GXCP …) in Verbindung mit der beDas Syntagma MGTFJUCKVQPMQUOQPQ=NQP (V.36b) wäre missverstanden, wollte man darin einen Ausdruck der Akkumulation irdischen Kapitals erkennen (vgl. dazu z.B. G. DAUTZENBERG, Sein Leben bewahren, 74); es liegt vielmehr eine hyperbolische Aussage zur rhetorischen Verstärkung der Zielaussage von V.36c (\JOKYSJPCKVJP[WEJPCWXVQW) vor, die ihrerseits mithilfe des allgemeinen Erfahrungssatzes des V.37 begründet wird: Angesichts eines eschatologischen Lebensverlustes ist selbst der Gewinn der „ganzen Welt“ wertlos. Mit C. BREYTENBACH, Nachfolge, 222; D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 50 Anm. 119; J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 388f. 77 Mk 8,37 lehnt sich an Ps 49,8 [mit F. B ÜCHSEL, Art. CXNNCUUY MVN. In: ThWNT I (1933), 252] an, steht in der Logienreihe Mk 8,34–38 nun in Diensten der Nachfolgeforderung Jesu. 78 Mit M. T HEOBALD, Herrenworte, 110. 76
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
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gründenden Partikel ICTindiziert die Funktion dieses Verses als abschließende Begründung der Nachfolgeaufforderung von 8,34. Syntaktisch ist auch dieser konditionale Relativsatz von Mk 8,34 abhängig, während die rhetorischen Fragen der Verse 36f. von V.35 abhängen. Die Nachfolgeforderung Jesu wird demnach um eine explizite eschatologische Begründung bereichert.79 Zwar waren eschatologische Implikationen durch den Gebrauch der Futura in V.35 und die wechselnde Referenz von [WEJ eingespielt worden, doch wird diese Thematik nun in zwei Schritten – Mk 8,38 und 9,1 – ausführlich abgehandelt. Ausgehend von dieser Relation mit der Nachfolgeforderung in V.34 hat die Entscheidung für oder gegen die Nachfolge Jesu Konsequenzen für die endzeitliche Beurteilung seitens des kommenden Menschensohnes80, sodass eine „soteriologische Relation“81 79 Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 51; J. SCHRÖTER , Erinnerung an Jesu Worte, 390. Dabei ist zu beachten, dass nach der allgemein-weisheitlich geprägten Argumentation in den VV.36f. in V.38 nun eine konsequent christologische Begründung der Nachfolgeforderung ergänzend platziert wird. Vgl. auch P. Müller [Zwischen dem Gekommenen und dem Kommenden, 142], der die Relation von 8,34–37 und 8,38 dahingehend deutet: „Der Sache nach sind die Nachfolgeaussagen von V.34 an hier zusammengefasst … Jesus ist der (kommende) Menschensohn. Das Verhältnis zu ihm gewinnt damit eine über das Hier und Jetzt weit hinausreichende Dimension“. 80 Ich spreche hier allgemein von der Beurteilung seitens des zur Parusie kommenden Menschensohnes als Zeuge, Ankläger oder Anwalt, da die (traditionelle) Einschätzung des Kommens des Menschensohnes in Mk 8,38 als eines „Kommens zum Gericht“ mit der Studie von M. REICHARDT [Endgericht durch den Menschensohn? Zur eschatologischen Funktion des Menschensohnes im Markusevangelium. SBB 62. Stuttgart 2009] fraglich geworden ist. In älteren Studien wurde dieser vermeintliche Forschungskonsens von W. KÜMMEL [Verhalten, 218: „‚Sich schämen‘ läßt überhaupt nicht an eine Gerichtsszene denken, sondern allgemein an ein ‚sich auf die Seite Jesu stellen‘ oder das Gegenteil davon bzw. an eine Anerkenntnis oder Zurückweisung dieser Haltung durch den Menschensohn vor Gott.“] und H.E. T ÖDT [Menschensohn, 42: „Von einer klaren Gerichtsszene kann in Mk 8,38 ebensowenig wie in 13,26f. die Rede sein.“] kritisch hinterfragt. In neueren Studien wird die „Gerichts-Deutung“ gleichwohl weiterhin vertreten, vgl. z.B. C. BREYTENBACH, Nachfolge, 227: „… wird er [scil. Jesus] als der zum Gericht kommende Menschensohn sich auch seiner schämen … [d]as Sich-Schämen des Menschensohnes kann in diesem Zusammenhang nur eine Metapher für Verurteilen sein“; D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 51f.: „… Kommen des Menschensohnes als endzeitlichen Richters …“; J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 390. Eine in Mk 8,38 gegenüber Q 12,8f. vorliegende Steigerung der Szene zur regelrechten Gerichtsszene erkennt J. GNILKA, EKK-Mk II, 26: „Im Gegensatz zu Lk 12,9 par hat die Gerichtsszene weit mehr Gewicht erhalten.“ Die Funktion des Menschensohnes als endzeitlicher Richter ist bereits durch die Tatsache erschwert, dass das in Mk 8,38a.c benutzte Verb GXRCKUEWPGUSCK nicht mit Sicherheit als forensische Vokabel zu werten ist. Anders der Duktus bei R. B ULTMANN [Art. CKXUEWPY MVN. In: ThWNT I (1933), 188–190], der von einer forensischen Konnotation der Lexeme CKXUEWPGUSCK und MCVCKUEWPGKP ausgeht. Vgl. dazu den Exkurs M. Reichardts [a.a.O., 103–108] „Forensische Bedeutung von GXRCKUEWPGUSCK (sich schämen) in Mk 8,38?“. Problematisch für die Annahme einer rich-
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
zwischen der Gemeinschaft in der Nachfolge Jesu und der eschatologischen Gemeinschaft mit ihm besteht.82 Die eschatologische Beurteilung des die Nachfolgeforderung Jesu beachtenden bzw. des diese ablehnenden Menschen darf nicht kurzerhand mit dem eschatologischen Gericht in eins gesetzt werden, genauso wie die Rede vom Verlieren (CXRQNNWGKP) bzw. Retten (UY^\GKP) in V.35 keine forensischen Vorstellungen transportieren muss.83 Angesprochen ist gleichwohl eine soteriologisch relevante Relation zwischen dem Anspruch Jesu an seine Hörer und deren Verhalten auf seine Aufforderung zur konsequenten Nachfolge. Vers 38 schließt die mit V.35 ansetzende argumentative Begründung der Nachfolgeforderung des V.34 ab und determiniert zugleich das Verständnis der voranstehenden Argumentationsglieder mit Blick auf die endzeitliche Wiederkunft des Menschensohnes.84 Es fällt auf, dass der „pessimistische“ Zug der Argumentation85, der ab 8,35 zu greifen ist86, auch in terlichen Funktion des Menschensohnes ist die Reziprozität der Aussage in Mk 8,38a und 38c. Da eine semantische Verschiebung von GXRCKUEWPGUSCK nicht wahrscheinlich ist, stellt sich die Frage nach der Logik eines „Sich-Schämens“ des Menschensohn-Richters. 81 Begriff von H.E. T ÖDT, Menschensohn, 62. 82 Vgl. auch M. T HEOBALD, Herrenworte, 110: „Somit spannt die Sequenz V.34–38 den Bogen von der hier und jetzt geforderten Nachfolge hin zu ihren eschatologischen Konsequenzen“. 83 Vgl. dazu M. REICHARDT, Endgericht?, 112 mit Anm. 424. 84 Dahingehend deutet auch J. SCHRÖTER , Erinnerung an Jesu Worte, 389: „Durch V.38 … werden die bisherigen Logien über die Nachfolge in den Horizont des (wieder)kommenden Menschensohnes gerückt“. Vgl. auch C. BREYTENBACH, Nachfolge, 229: „Jesu Nachfolgebedingungen werden ins eschatologische Licht gestellt.“ Zu beachten ist besonders das Futur GXRCKUEWPSJUGVCK in Mk 8,38c, das im Zusammenspiel mit der konditionalen Formulierung Q?L ICT GXC P in V.38a im Sinne eines Tun-Ergehen-Zusammenhangs ausgearbeitet wird. Vgl. zum Komplex der konditionalen Formulierungen und futurischen Heilsansagen die Belege bei K. BERGER, Formgeschichte, 169f. Ohne es explizit auszuführen, dürfte nach markinischem Verständnis das Kommen des Menschensohnes in 8,38 als Kommen zur Parusie zu verstehen sein. V.31, der in deutlicher mikrokontextueller Relation zu V.38 steht, spricht von der Auferstehung des Menschensohnes, die das futurische Verständnis des Kommens bei der Parusie in V.38 wahrscheinlich macht. Makrotextuell ergeben sich deutliche Berührungen mit Mk 13,24–27. Vgl. zu diesem Komplex P. MÜLLER, Zwischen dem Gekommenen und dem Kommenden, 141: „Die Auferstehung des Menschensohnes in 8,31 ermöglicht sein Kommen in Herrlichkeit“. Vgl. dazu auch M. REICHARDT, Endgericht?, 121. 85 Bekanntlich kennt Mk 8,38 – anders als Q 12,8f. – nur den negativen Aspekt der Aussage, wonach ein GXRCKUEWPGUSCK OG MCK VQWL GXOQWL NQIQWL (Mk 8,38a) ein „sich schämen“ des Menschensohnes (8,38c) nach sich ziehen wird. Mit einem Gros der Forschung ist die Abhängigkeit des MkEv von der Logienquelle abzulehnen, sodass eine literarische Abhängigkeit des Logions Mk 8,38 von Q 12,8f. entfällt. Aussagen zur Priorität von Q 12,8f. oder Mk 8,38 sind m.E. nicht möglich. Vgl. z.B. M. REICHARDT, Endgericht?, 334f. Die Gradlinigkeit, mit der die Abweichungen von Mk 8,38 gegenüber Q 12,8f. (Kürzung des Doppelspruchs in Q 12,8f. – Substituierung von CXTPGKUSCK durch
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
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8,38 vorliegt, sodass in V.38 eine abschließende Warnung ausgesprochen wird, die Nachfolgeaufforderung Jesu auszuschlagen.87 Der Ruf Jesu zum CXMQNQWSGKP hat eine eschatologische Dimension, sodass Nachfolge Jesu und endzeitliches Heil in Entsprechung zueinander stehen. Die in V.35 GXRCKUEWPGUSCK – Hinzunahme des temporalen Nebensatzes in Mk 8,38d) der markinischen Redaktion zugesprochen werden, ist wenig überzeugend. Überzeugend ist hingegen die Position von C. BREYTENBACH, Nachfolge, 237: „Die Abweichungen zwischen Mk 8,38 und Lk 12,9 par … sind eher als Resultat der mündlichen Überlieferung zu verstehen, als daß man sie für markinische redaktionelle Eingriffe halten könnte“. Von hier aus lehnt auch J. SCHRÖTER [Erinnerung an Jesu Worte, 391] die Überlegungen zur Priorität von Mk 8,38/Q 12,8f. aus prinzipiellen Erwägungen heraus ab und plädiert für die Gleichursprünglichkeit beider Fassungen. Hervorzuheben ist Schröters Beobachtung [vgl. a.a.O., 394], dass die semantischen Relationen in Mk 8,38 andere sind als in Q 12,8f.: „Der emotional eingefärbte Begriff GXRCKUEWPGUSCK ist hier … nicht Oppositum zu QBOQNQIGKP wie das CXTPGKUSCK in Q, sondern steht im Kontrast zu den in V. 34 formulierten Bedingungen der Jüngerschaft“. 86 Eine Ausnahme bilden hier – wie bereits angesprochen – die Teilverse 35c.d, die eine positive Verheißung bieten. 87 Das in Mk 8,38 vorliegende Logion findet sich neben den eindeutig vom MkEv abhängigen synoptischen Parallelen Mt 16,27 und Lk 9,26 bekanntlich auch in Lk 12,8f. par. Mt 10,32f. Neben der traditio triplex ist dieses Logion – gemäß der Zwei-QuellenTheorie – folglich auch in der Logienquelle, und zwar in der Mahnung zu furchtlosem Bekennen überliefert. Die angesprochene pessimistische Tendenz wird dadurch gefördert, dass Mk 8,38 nur die negative Seite im Verhalten des Menschensohnes (GXRCKUEWPGUSCK) fokussiert. Zur Rekonstruktion und Bedeutung des Logions Q 12,8f. vgl. die Ausführungen bei M. REICHARDT, Endgericht?, 67–86. Neben der Frage des Subjekts der ersten Vershälfte des Q-Logions (Lk 12,8: „Menschensohn; Mt 10,32f.: „Ich“) ist von besonderem Interesse die Frage, ob es sich bei den Begriffen QBOQNQIGKP und CXTPGKUSCK um rein forensische Begriffe handelt. Dagegen spricht sich G. B ORNKAMM [Wort, 32f.] aus. Für ein rein forensisches Verständnis plädiert z.B. Ph. VIELHAUER, Gottesreich, 70. Skeptisch gegenüber einer rein forensischen Bedeutung zeigt sich – nach Durchsicht des Gebrauchs der Lexeme im MtEv und LkEv – M. REICHARDT [Endgericht?, 78]: „Die Begriffe QBOQNQIGKP (bekennen) bzw. CXTPGKUSCK (verleugnen) und GORTQUSGP (vor) können forensische Sachverhalte bezeichnen. Doch ist ihre Verwendung bei weitem nicht auf diese beschränkt.“ Damit eröffnet sich zugleich die Frage nach der Funktion des Menschensohnes (Richter; Ankläger; Verteidiger; Zeuge) in Q 12,8f. Die Textindizien, die zugunsten der Rolle des Menschensohnes als Verteidiger, Ankläger und Zeuge und gegen seine Funktion als endzeitlicher Richter sprechen, überwiegen. Zunächst ist der Kontext von Q 12,8f. heranzuziehen. In Q 12,4f. erscheint Gott als derjenige, der Macht hat, den Menschen in die Gehenna zu stürzen (VQPFWPCOGPQPMCK [WEJPMCK UYOCCXRQNGUCKGXP VJ^ IGGPPJ^). Da Gott somit in Q 12,4f. richterliche Funktionen wahrnimmt, wäre es überraschend, wenn diese wenige Verse später in Q 12,8f. zugleich dem Menschensohn zugesprochen würden. Sodann erscheinen die Engel als Gerichtsform (GORTQUSGP VYP CXIIGNYP), vor dem der Menschensohn seine anklagende bzw. verteidigende Funktion wahrnimmt. In diese Richtung weist auch der Aspekt der Reziprozität von Bekennen und Verleugnen, der mit der richterlichen Funktion des Menschensohnes schwer vereinbar wäre. Vgl. dazu auch die die Funktion des Menschensohnes als Fürsprecher bzw. Ankläger favorisierenden Überlegungen bei M. REICHARDT, a.a.O., 81–86.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
wechselnde Referenz des Lexems [WEJ vom Aspekt der physischen Existenz hin zum eschatologisch relevanten Aspekt desselben Lebens wird in V.38 mittels der Parusie begründet: Die Ankunft des in der FQZC des Vaters88 mit seinen Engeln kommenden Menschensohnes (8,38d) ist als der zwischen einem UY^\GKP bzw. CXRQNNWGKP der [WEJ entscheidende Zeitpunkt anzusprechen. Maßstab der Einstellung des Menschensohnes ist das Verhalten zu Jesus und zu seinen Worten (38a) im Angesicht der IGPGC OQKECNKL MCK CBOCTVYNQL (38b).89 Somit wird in V.38 ein Tun-ErgehenZusammenhang angesprochen90, der als solcher angesichts eines mit GXRCKUEWPGUSCKsamt angeschlossenem Akkusativ beschriebenen Verhaltens expliziert wird91: Eine dissoziierende Scham gegenüber Jesus und seinen 88 Die Vorstellung vom „Vater des Menschensohnes“ ist im MkEv singulär. Vgl. dazu J. GNILKA, Gottesgedanken, 146 Anm. 8. 89 Das Syntagma GXPVJ^ IGPGC^VCWVJ^ VJ^ OQKECNKFKMCK CBOCTVYNY^ gibt das „Kollektiv“ an, vor dessen Forum sich das GXRCKUEWPGUSCK vollzieht. Damit wird auf prophetische Tradition rekurriert, mit der die Abwendung Israels von JHWH inkriminiert wird. Vgl. z.B. Jer 3,8f.; 9,1; Hos 2,4; 4,12 u.a. Vgl. dazu F. HAUCK, Art. OQKEGWY MVN. In: ThWNT IV (1942), 737–743. Die empfundene Schwere des Vergehens des Ehebruchs in den Wertvorstellungen und in der Rechtstradition des AT sowie des Alten Orients insgesamt macht die Häufigkeit der Betonung des Verbotes des Ehebruchs wie auch die Verwendung der Ehebruch-Metapher im NT verständlich. Vgl. dazu E. P LÜMACHER, Art. OQKEGWYMVN. In: EWNT II (21992), Sp. 1073–1079. Zur markinischen Rede von „diesem Geschlecht“ vgl. noch 8,12; 9,19 und 13,30. Die Entsprechung von 8,38 im Zusammenspiel mit 9,1 und 13,30 macht deutlich, dass der Mk-Evangelist die Zeitgenossen Jesu als „die letzte Generation vor dem Eschaton“ begreift (mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 54 Anm. 140), dieses Gedankenmodell jedoch mit der aus der prophetischen Konzeption stammenden Idee der JB IGPGC JB OQKECNKL MCK CBOCTVYNQL verbindet mit dem Effekt einer implizierten ablehnenden Haltung der IGPGC gegenüber der Botschaft Jesu. Eine solche Implikation wird ebenso durch die 17 Mal in der synoptischen Tradition (im MkEv in 8,12; 13,30; vgl. auch 9,19: IGPGC CRKUVQL) gebrauchte Bezeichnung IGPGC CW=VJ eingespielt, die nach F. Büchsel [Art. IGPGC MVN. In: ThWNT I (1933), 660–663] neben einer zeitlichen Aussage stets auch eine „verurteilende Nebenbedeutung“ hat. 90 Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 51. 91 Das in Mk 8,38 dominierende Lexem ist das zweimal medial gebrauchte Verb GXRCKUEWPGUSCK. E. HAENCHEN [Komposition, 94] schlägt als Übersetzung überzeugend vor: „sich schämen“ im Sinne von „etwas für minderwertig und verächtlich halten und darum nichts mehr damit zu tun haben wollen“. Dieses Verb findet in 8,38 Verwendung, einen Tun-Ergehen-Zusammenhang zwischen einem Verhalten gegenüber Jesu Anspruch und Jesu eschatologischem Verhalten zu konstruieren. Es ist Abstand davon zunehmen, das in Mk 8,38 vorliegende Logion vor dem Hintergrund des oft als ursprünglich angesehenen Doppellogions Lk 12,8f./Mt 10,32f. zu interpretieren und die Exegese des MkTextes dadurch bestimmen zu lassen. So merkt z.B. D. LÜHRMANN [HNT-Mk, 153] an: „Bei Mk hingegen steht das Verbum GXRCKUEWPQOCK, das demgegenüber [scil. CXRCTPGKUSCK Q 12,8f.] schwächer ist.“ Vielmehr ist das Recht des Mk-Textes geltend zu machen, als eigenständiger Text gelesen zu werden und das Logion Mk 8,38 aus dem narrativen und argumentativen Kontext, in den es platziert ist, zu interpretieren. Vgl. dazu die Überlegungen bei D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 52f. Angesichts der markinischen Bezeu-
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Worten führt zu einer entsprechenden endzeitlichen Scham des Menschensohnes. In der in V.34 beginnenden Logienkomposition setzen die VV.35–37 einerseits und V.38 andererseits zwei voneinander zu differenzierende Schwerpunkte in der Begründung der Nachfolgeaufforderung: Ging es in den VV.35–37 um die Warnung, den Aufruf zur Nachfolge Jesu mit Blick auf den Erhalt des irdischen Lebens auszuschlagen, so wird in V.38a die Warnung ausgesprochen, sich Jesu und seiner Worte zu schämen.92 Beide Verhaltensmuster sind voneinander abzuheben, treffen sich jedoch in der Tatsache der Ablehnung der Nachfolge Jesu. Dass beide Verhaltensweisen (V.35–37: irdischer Lebenserhalt; V.38: Scham gegenüber den Worten Jesu) als negative Reaktion auf den Anspruch des V.34 konzipiert sind, ist den sehr ähnlichen WendungenG=PGMGPGXOQW MCK VQW GWXCIIGNKQW(V.35d) und OG MCK VQWL GXOQWL NQIQWL (V.38a) zu entnehmen, die die VV.35–37 und 38 miteinander verklammern. Der eschatologische Ausblick der Teilverse 38c.d stellt den entscheidenden Kontext der Verklärungsperikope dar. Beide Texte können von ihrem Aussagegehalt als Hoffnungstexte angesprochen werden, die einen Ausblick auf die künftige Vollendung der DCUKNGKC freigeben.93 Besonders eng ist der Konnex der Verse 8,38d und
gung von GXRCKUEWPGUSCK in 8,38 ist die Beobachtung geltend zu machen, dass das in der Q-Parallele benutzte Verb CXRCTPGKUSCK in Mk 8,34 in Verbindung mit dem Reflexivpronomen GBC WVQP als erstes, positiv konnotiertes Element der Nachfolgeforderung Jesu benutzt wird. Das Verb CXRCTPGKUSCK kommt somit auf der „Haben-Seite“ zum Stehen. Die semantischen Oppositionen in Q 12,8f. bestehen dagegen in der Gegenüberstellung von QBOQNQIGKP und CXRCTPGKUSCK, sodass letzteres Verb pejorativ gebraucht ist. Vgl. dazu J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 394. Dagegen drückt „der emotional eingefärbte Begriff GXRCKUEWPGUSCK“ (so J. SCHRÖTER, a.a.O., 394) die Folge einer negativen Einstellung zur Nachfolgeforderung Jesu aus. Der Tun-Ergehen-Zusammenhang in Mk 8,34ff. wird dahingehend ausgearbeitet, dass eine implizite Warnung ausgesprochen wird, die Nachfolge mit Blick auf die Vitalinteressen der eigenen Existenz auszuschlagen. In der Parallele der Logienquelle Q 12,8f. wird der in Mk 8,38 vorliegende Tun-ErgehenZusammenhang dagegen sowohl in positiver (Verheißung) als auch in negativer Hinsicht (Warnung) ausgearbeitet, wobei es dort zu einer Gegenüberstellung eines mit QBOQNQIGKP ausgedrückten positiven und eines mit CXRCTPGKUSCK ausgedrückten negativen Verhaltens kommt. Eine Verheißung fehlt in Mk 8,38, das positive Gegengewicht zur „bedrückenden“ theologischen Aussage von 8,38 stellt jedoch das sogleich redaktionell angeschlossene Naherwartungslogion in 9,1 dar. 92 Zur warnenden Dimension der Aussage in Mk 8,38 vgl. auch die Ausführungen bei C. BREYTENBACH, Nachfolge, 228. 93 Trotz der negativen Formulierung der Aussage in Mk 8,38 funktioniert dieser Vers als abschließendes Glied einer paränetischen Logienreihe, die als solche die Aufforderung Jesu zur Nachfolge näher begründet. Dieses letzte Glied ist als Warnung anzusprechen, die als solche eine zwar unausgesprochene, wenngleich leicht zu „rekonstruierende“, positive Aussagedimension enthält: Derjenige, der die Nachfolge Jesu unter Abse-
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
9,7, die beide die Aussage einerseits in Richtung einer Aktionseinheit von Gott und Sohn ausdehnen, andererseits aber die klare Differenzierung von Vater und Sohn betonen. So erfolgt in Mk 8,38 das Kommen des Menschensohnes nicht in eigener FQZC, „sondern in der Herrlichkeit Gottes, seines Vaters“.94 In Mk 9,2–8 erfolgt die Transfiguration Jesu nicht aus eigener Autorität, sondern ist der mit dem Passivum divinum OGVGOQTHYSJ explizierten Initiative Gottes geschuldet. Nach 8,38 ist der Menschensohn nicht nur der Leidende und Auferstehende (vgl. 8,31)95, sondern zugleich derjenige, der Gott zum Vater hat (VQW RCVTQLCWXVQW), womit gleichzeitig die Weichen für die Rezeption der Gottes-Sohn-Prädikation auf dem Höhepunkt der Transfigurationsnarratio gestellt werden.96 Die Präsenz Gottes im Menschensohn in der eschatologischen Zukunft (8,38) wird in der göttlich initiierten Transfiguration Jesu im Vorgriff narrativ ausgemalt.97 Der kommende Menschensohn ist der vom RCVJT mit FQZC Bekleidete und zugleich der von diesem mit der Vollmacht Ausgestattete. Dem Kommen
hung seiner Vitalinteressen (vgl. 8,34) auf sich nimmt, fällt nicht unter das in Mk 8,38 ausgesprochene Verdikt des Menschensohnes. 94 Nachdrücklich von M. REICHARDT [Endgericht?, 124] betont. 95 Vgl. dazu J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 396. 96 Damit trägt die Textfolge Mk 8,27–9,13 Züge eines Kompendiums markinischer Christologie, bei dem die drei zentralen christologischen Hoheitstitel – ETKUVQL (8,29); WKBQL VYP CXPSTYRQW (8,31.38; 9,9.12); WKBQL SGQW (9,7) – nacheinander entfaltet werden und die in der „Schlüsselszene“ der markinischen Passionserzählung (vgl. Mk 14,61f.) aus dem Munde Jesu selbst bestätigt werden. Vgl. dazu D. LÜHRMANN, Markus 14,55– 64, 460f. Die markinische Christologie ist nicht durch Isolierung der einzelnen christologischen Hoheitstitel zu erheben, sondern in deren Zusammenspiel (vgl. U. KMIECIK, Menschensohn, 13), wobei in den angesprochenen Textpassagen (Mk 8,27–9,13 und 14,61f.) auf die polare Zuordnung des Menschensohn-Titels zu den – trotz unterschiedlicher semantischer Färbung – verwandten Titeln „Christus“ und „Sohn Gottes“ (vgl. M. THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 45) zu verweisen ist. Ausgehend von der textarchitektonischen Zuordnung dieser „drei führenden Christus-Prädikationen“ kann „auf ein vom Evangelisten intendiertes Relationsgefüge“ der christologischen Prädikationen geschlossen werden. Vgl. dazu M. T HEOBALD, a.a.O., 38f. Gleichwohl ist eine gewisse Rangordnung der Titel nicht zu verkennen, bei der der Christus-Prädikation Jesu eine – verglichen mit den anderen titularen Bezeichnungen Jesu – untergeordnete Rolle zukommt. Vgl. z.B. J. ERNST, Petrusbekenntnis, 61. Ferner G. DAUTZENBERG, „Sohn Gottes“, 101. Besonderer Nachdruck liegt auf der Gottes-Sohn-Prädikation Jesu, wie aus der Abfolge „der kompositionell miteinander verbundenen ‚Gipfel‘“ (1,11; 9,7; 15,39) entnommen werden kann (vgl. M. T HEOBALD, a.a.O., 39f. Anm. 9), auf denen dieser Hoheitstitel erklingt. Ähnlich auch R. Feldmeier, Gekreuzigter im „Gnadenstuhl“, 217. 97 Mit G. GUTTENBERGER [Gottesvorstellung, 91], die zugleich überzeugend betont, dass „Mk 9,2–7 … nicht als Erfüllung der Ansage von Mk 8,38 verstanden werden“ darf. Vgl. a.a.O., Anm. 228. Die Verklärung stellt vielmehr eine vorübergehende Einsicht in die Jesus seit seiner Geistbegabung anlässlich der Taufe zukommenden Würde dar, die erst in eschatologischer Zukunft eine kontinuierliche und offensichtliche sein wird.
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
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des Menschensohnes in der FQZC des Vaters entspricht98 die der Autorität Gottes geschuldete und durch ein Passivum divinum kommunizierte Metamorphose Jesu in 9,2c. Diese Metamorphose im Zusammenklang mit der Erscheinung der himmlischen Besucher und der göttlichen Prädikation hat eine immens legitimierende Funktion. Der Funktion des Menschensohnes als des von Gott beauftragten Richters entspricht der göttliche Gehorsamsbefehl gegenüber den Worten Jesu in 9,7, wonach sich der Gehorsam gegenüber Gott genauso mittels des Gehorsams gegenüber dem Gottessohn vollzieht, wie zum Zeitpunkt der Parusie des Menschensohnes die eschatologische Beurteilung des Verhaltens der Hörer in Übereinstimmung mit Gott geschieht. 2.4 Das Naherwartungslogion Mk 9,1 9,1
a b c d e
-CKGNGIGPCWXVQKL 8$OJPNGIYWBOKP Q=VKGKXUKPVKPGLYFGVYPGBUVJMQVYP QK=VKPGLQWXOJIGWUYPVCKSCPCVQW G=YLC PKFYUKPVJPDCUKNGKCPVQWSGQWGXNJNWSWKCP GXPFWPCOGKx
Eine klassische Frage der Exegese der markinischen Verklärungsperikope stellt die Diskussion des Sachverhaltes dar, in welchem Konnex das wahrscheinlich durch die markinische Redaktion vorgeschaltete Naherwartungslogion99 zur Texteinheit Mk 9,2–8 steht. Eine gewisse Selbstständig98 Somit kommt es in Mk 8,38 zur Übertragung eines göttlichen Prädikates auf den Menschensohn. In der LXX dient FQZC als das klassische Übersetzungslexem des hebräischen G$E. . Vgl. dazu H. HEGERMANN, Art. FQZC. In: EWNT I (21992), Sp. 834; G. K ITTEL, Art. FQMGY MVN. In: ThWNT II (1935), 245f. Die Anknüpfung der FQZCVorstellung in Mk 8,38 an den Sprachgebrauch der LXX gilt in der Mk-Exegese weitestgehend als Konsens. Vgl. für viele z.B. M. REICHARDT, Endgericht?, 123. 'QZCfindet so sowohl alttestamentlich (Ps 23,7–10 LXX; 56,6 LXX; 62,3 LXX; 96,6 LXX; 103,31 LXX; 107,6 LXX; 112,4 LXX; 137,5 LXX; Jes 24,14; 40,5; Ez 2,1; 3,12; 8,4), frühjüdisch (PsSal 5,19; TestLev 3,4; grHen 14,20) als auch frühchristlich (Lk 2,9; Apg 7,2.55; 12,23; 22,11; Röm 1,23; 6,4) Verwendung zur Beschreibung der Macht und Erhabenheit Gottes in Anlehnung an den atl. G$E. -Begriff. Vgl. dazu J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 397. Ferner D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 52 Anm. 127. Zum theologischen Gebrauch des Lexems G$E. im AT vgl. die Ausführungen C. W ESTERMANNs, Art. GEN. In: THAT I (1971), 802–812. 99 Die Formel MCK GNGIGPCWXVQKL lässt auf markinische Redaktionstätigkeit schließen. Vgl. für viele H. GIESEN, Mk 9,1, 147; L. OBERLINNER, Terminworte, 63. Weitere markinische Eigentümlichkeiten lassen sich in 9,1 nicht feststellen. Das dominierende Syntagma KFYUKP VJP DCUKNGKCP kann angesichts von Joh 3,3 keinesfalls als markinisches Spezifikum angesehen werden. Vgl. dazu M. THEOBALD [Herrenworte, 61–97], der jedoch einen überlieferungsgeschichtlichen Zusammenhang mit Mk 9,1 in Abrede stellt
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
keit dieses Logions kann prinzipiell nicht geleugnet werden, da es durch eine doppelte Einleitungsformel (MCK GNGIGP CWXVQKLCXOJP NGIY WBOKP) markant vom Kontext abgesetzt ist.100 Während angesichts von Mk 8,38 damit zu rechnen ist, dass dieser Vers bereits vormarkinisch den Abschluss der Logienkomposition darstellte, kann das Gleiche für Mk 9,1 kaum behauptet werden. Eine Hinzufügung sowohl von 8,38 als auch von 9,1 seitens des Redaktors muss als unwahrscheinlich gelten, da in diesem Falle zwei redaktionell angeschlossene Logien vorlägen, von denen nur das letztere durch eine Einleitungsformel eingeführt worden wäre.101 Auf der Ebene des Endtextes steht 9,1 in enger Relation zum vorhergehenden Vers (8,38), der durch einen weiteren, nun positiv formulierten eschatologischen Ausblick ergänzt wird. Zugleich verleiht die EinleitungsformelCXOJPNGIY WBOKP (9,1b) der mit 8,34 ansetzenden Logienfolge einen eminent lehrhaften Charakter.102 Trotz der mit 9,1 zu setzenden, durch die doppelte Einleiund von einer redaktionellen Eintragung des Motivs des Sehens seitens des JohEvangelisten ausgeht. Theobald erkennt in der Substitution von „eingehen“ durch „sehen“ eine redaktionelle Bearbeitung eines auch in Joh 3,3 ursprünglich vorliegenden „Einlassspruches“. Vgl. a.a.O., 65 mit Anm. 18. Für Mk 9,1 ist davon auszugehen, dass hier eine traditionelle Formulierung verarbeitet worden ist. Auch die These der markinischen Hinzufügung von GXPFWPCOGK in 9,1e kann nicht zur exegetischen Evidenz erhoben werden. So aber E. KLOSTERMANN, HNT-Mk, 85; M. ÖHLER, Verklärung, 198, jedoch einschränkend: Mk 9,1 sei „… vielleicht mit Ausnahme von GXPFWPCOGK“ vormarkinisch. Ebenso überzeugt die beliebte These nicht, wonach YFG auf markinische Redaktionstätigkeit zurückgehe, mit der Mk 9,1 und 9,5 verbunden werden. So z.B. B.D. CHILTON, Transfiguration, 118.120.123. So auch D. WENHAM/A.D.A. MOSES, „There are some standing here“, 149. Die Aufgabe des YFG in Mk 9,1 ist es, im Verbund mit GBUVJMQVGL auf die aus QENQL und OCSJVCK bestehende Zuhörerschaft Jesu zurückzuverweisen, in 9,5 entspricht es der Situation, aus der Petrus heraus seinen Vorschlag macht. Die Auslegungsgeschichte des Logions Mk 9,1 ist im Zusammenhang der Exegese der markinischen Verklärungsperikope nicht zu studieren. Vgl. dazu die Studie von M. Künzi, Das Naherwartungslogion Markus 9,1 parr. Geschichte seiner Auslegung. BGBE 21. Tübingen 1977. Ferner K. BROWER, Mark 9:1, 17–41. 100 Mit C. BREYTENBACH, Nachfolge, 230. Die Frage der Herkunft und Traditionsgeschichte des Logions Mk 9,1 ist m.E. unentscheidbar und sollte offen gelassen werden. So auch U. LUZ, EKK-Mt II, 488. Eine markinische Bildung ist wenig wahrscheinlich, zumal das Syntagma KFYUKP VJP DCUKNGKC P nicht typisch für das MkEv ist. Vorsicht ist dagegen dem Argument entgegenzubringen, dass die semitische Färbung der Wendung QWX OJ IGWUYPVCKSCPCVQW eine vormarkinische Herkunft erzwinge, da nicht davon auszugehen ist, dass Griechisch die Muttersprache des Mk-Evangelisten war. Mit C. BREYTENBACH, a.a.O., 234. Zur Diskussion der traditions- und redaktionsgeschichtlichen Frage einer Ableitung von Mk 9,1 von 13,30 oder umgekehrt vgl. die Ausführungen bei M. REICHARDT, Endgericht?, 131–137. 101 Mit C. BREYTENBACH, Nachfolge, 234; M. HORSTMANN, Studien, 34. 102 Vgl. dazu P. MÜLLER, Zwischen dem Gekommenen und dem Kommenden, 141f. Der Eindruck einer „lehrhaften Erhabenheit“ wird zudem durch die etwas umständliche Wendung GKXUKPVKPGLYFGVYPGBUVJMQVYP gefördert, zumal der benutzte Genitivus parti-
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tungsformel bedingten „kleinen“ Zäsur ist gewährleistet, dass das Logion an das aus QENQL und OCSJVCK gebildete Auditorium gerichtet wird, das sich in der Wendung YFGVYPGBUVJMQVYPwiederfindet. Letzteres Syntagma wird im Zusammenspiel mit den VKPGL dahingehend ausgestaltet, dass die angeschlossene Verheißung an einen nicht näher definierten Kreis gerichtet wird. An einer Identifikation dieser VKPGL, geschweige denn an einer Gleichsetzung mit den in 9,2a genannten Jüngern zeigt sich der MkEvangelist grundsätzlich nicht interessiert.103 Die vorliegenden Interpretationsansätze lassen sich grob in drei Deutungskategorien aufteilen: Dem ersten Interpretationsansatz zufolge stellt 9,1 den Abschluss der Komposition von Nachfolgelogien dar, die mit 8,34 beginnt.104 Dieser Abschluss erfolgt in der Art, dass 9,1 den zweiten Flügel des einen, aus den Versen 8,38 und 9,1 bestehenden eschatologischen Ausblicks darstellt. Ausleger, die einen solchen Ansatz favorisieren, betonen zugleich die Zäsur, die nach Mk 9,1 zu setzen ist. Die Phrase MCK GNGIGP CWXVQKL (Mk 9,1a)105 stelle demnach nicht den Übergang zur Verherrlichungsperikope dar, die als solche durch den in 9,2 beschriebenen Personen- und Szenenwechsel eröffnet werde106, sondern diene dazu, das Naherwartungslogion von der Logienkomposition 8,34ff. abzuheben und die Gewichtigkeit des Logions herauszustreichen. Der Nachdruck, mit dem 9,1 platziert werde (doppelte Einleitungsformel!), habe eine paränetische Intention107 und diene dazu, die Nachfolge Jesu mit Verweis „auf die zeitliche Nähe des Kommens des Gottesreiches“ zu unterstreichen.108 Diesem tivus im Koine-Griechisch bereits stark zurückgedrängt ist und weitgehend durch umschreibende Wendungen mit GXM; CXRQ; GXP wiedergegeben wird. Vgl. dazu B LASSDEBRUNNER-REHKOPF, Grammatik § 164,1. Zu den mit der CXOJP-Formel ausgedrückten Implikationen der „Vollmacht des Sprechenden“ und der „Zuverlässigkeit seiner Aussage“ vgl. die Ausführungen und Literaturverweise bei M. REICHARDT, Endgericht?, 137 mit Anm. 563. Damit korrespondiert die Tatsache, dass im Relativsatz (QK=VKPGL …) in 9,1d die doppelte Verneinung QWX OJ gebraucht wird, die nach HOFFMANN/S IEBENTHAL [Grammatik, § 247a] „die stärkste Verneinung einer Aussage über Zukünftiges“ bietet und somit die Zuverlässigkeit der Prophezeiung autoritativ unterstreicht. 103 Vgl. dazu auch die Ausführungen bei M. KÜNZI, Naherwartungslogion, 198. 104 Vgl. für viele D. DORMEYER, Kompositionsmetapher, 454. 105 Zugunsten einer sachlich-thematischen Anbindung von Mk 9,1 an den vorhergehenden Themenkomplex spricht die Tatsache, dass im MkEv die redaktionelle Verknüpfungsformel MCK GNGIGPCWXVQKL für gewöhnlich die Aussage mit dem Vorangehenden verknüpft. Vgl. z.B. Mk 2,27; 4,2.11.21.24; 6,10; 7,9; 8,21. 106 Vgl. für viele J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 399. 107 Die paränetische Dimension von Mk 9,1 betont L. OBERLINNER [Terminworte, 64] nachdrücklich im Anschluss an V. HASLER, Amen. Redaktionsgeschichtliche Untersuchung zur Einführungsformel der Herrenworte „Wahrlich ich sage euch“, Zürich u.a. 1969, 49. 108 So z.B. D.S. DU TOIT [Abwesender Herr, 44 mit Anm. 94] mit Verweis auf C. BREYTENBACH, Nachfolge, 230f. Ferner E. BEST, Transfiguration, 224; G. D AUTZEN-
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Interpretationsansatz kommt zugute, dass das Kommen der DCUKNGKC wie auch das Kommen des Menschensohnes zur Parusie eindeutig als futurische Größen verstanden werden.109 Ein weiterer Interpretationsansatz spricht dem Naherwartungslogion eine unmittelbare Funktion für die Verklärungsperikope zu. Bisweilen weist diese Deutung eine apologetische Note auf, indem eine Erklärung dafür angeboten wird, wie dieses Logion Jesu Aufnahme in das ca. 40 Jahre später entstandene MkEv gefunden hat, ohne als offensichtlicher Irrtum Jesu gelten zu müssen.110 Durch die redaktionelle Tätigkeit des Mk-Evangelisten sind diesem Ansatz zufolge die im Naherwartungslogion erwähnten VKPGLYFGVYPGBUVJMQVYP(9,1c) mit den in 9,2a namentlich genannten Jüngern in einen Zusammenhang gebracht worden, womit zugleich die theologische Anstößigkeit von Mk 9,1 „gemildert“ worden sei. Dieser Ansatz ist in der neueren Literatur am weitesten von E. Nardoni111, sodann BERG, Zeit des Evangeliums, 84; G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 73 Anm. 114; J. P. HEIL, Transfiguration, 152; P. KRISTEN, Familie, Kreuz und Leben, 170f.194f.; J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 398f.; D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 310. Dafür spricht, dass die Mk 9,1 eröffnende Phrase MCK GNGIGP CWXVQKL an das in Mk 8,34 eingeführte, aus QENQL und OCSJVCK zusammengesetzte Auditorium denken lässt. Folglich sind die GBUVJMQVGL (9,1c) mit der aus QENQL und OCSJVCK bestehenden Menge zu identifizieren. Hinzu kommt, dass Jesus ab 8,34 durchgängig als der Redende präsentiert wird. Die Situation ändert sich erst mit 9,2. Die Verklärungsperikope ist in weiten Teilen ein Geschehen an Jesus und bietet keine verbale Äußerung Jesu. Für Mk 9,1 als Abschluss der Logienfolge 8,34ff. plädieren ferner H. G IESEN, Mk 9,1, 146; E. HAENCHEN, Komposition, 96: „ein deutlicher Nachtrag zum vorigen Gedankengang“; DERS., Weg Jesu, 300; P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 96 Anm. 216; L. OBERLINNER, Terminworte, 63; N. PERRIN, Composition, 67. 109 Eine präsentische Deutung des Perfekts GXNJNWSWKCP wird von einem Gros der aktuellen Mk-Exegese abgelehnt. Vgl. zur Auseinandersetzung mit präsentischeschatologischen Ansätzen (Dodd; Giesen; Hauser) die Überlegungen bei M. REICHARDT, Endgericht?, 142–144. 110 Vgl. z.B. J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 267: „Man muß ja eine Erklärung finden, die der Tatsache gerecht wird, daß dieser Vers vierzig Jahre nach Jesu Tod von Markus in sein Evangelium aufgenommen wurde.“ Vgl. dagegen die Warnung vor einer Entschärfung des Naherwartungslogions Mk 9,1 durch eine Exegese im Zusammenhang der Verklärungsperikope bei U. Kmiecik, Menschensohn, 107 Anm. 133. Vgl. ferner C. BREYTENBACH, Nachfolge, 230 Anm. 124: „Man darf dieses Wort nicht unter Berufung auf die Verklärungserzählung abschwächen“. 111 Der großangelegte Versuch E. NARDONIs [A Redactional Interpretation of Mark 9,1. In: CBQ 43 (1981), 365–381], die markinische Verklärungsperikope als Erfüllungsdatum der Zusicherung aus Mk 9,1 zu interpretieren, überzeugt nicht: 9,1 steht nicht isoliert vor der Verherrlichungsperikope, sondern zusammen mit 8,38. Beide Verse schließen im Verbund die mit 8,34 beginnende Komposition von Nachfolgelogien ab und nehmen eine zusammengehörige theologische Wirklichkeit in Blick. Da die eschatologisch-beurteilende Tätigkeit des Menschensohnes keine Entsprechung in Mk 9,2–8 hat, ist es nicht angebracht, eine Entsprechung für 9,1 zu postulieren. Die Behauptung N AR-
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
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auch von M. Öhler in zwei Veröffentlichungen vorangetrieben worden.112 DONIs (vgl. a.a.O., 371), QENQL in 8,34 stehe für die markinische Gemeinde, überzeugt nicht. – Weder das YFG (9,1.5) noch das KFYUKP bzw. C? GK FQP (9,1.9) sind dazu geeignet, einen thematischen Konnex oder eine Inclusio zu indizieren. Beim Syntagma C? GK FQP handelt es sich um eine anaphorische Wendung, die auf die Verherrlichung Jesu als einer abgeschlossenen Größe zurückblickt. – In 9,2 findet ein markanter Wechsel der Szenerie, der Textgattung (Erzähltext) und der handelnden Personen statt, der auf eine vom Erzähler selbst intendierte Zäsur schließen lässt. – Die Zusicherung Jesu spricht von einem Sehen (KFYUKP) der DCUKNGKC seitens einiger der Dabeistehenden (VKPGL YFG VYP GBUVJMQVYP), woraus im Umkehrschluss der Tod anderer postuliert wird, was erzähllogisch nicht mit einer Einlösung der Zusage Jesu durch Mk 9,2–8 in Verbindung gebracht werden kann. So ist es nicht sinnvoll, in „the relative time-indication … ‚six days later‘“ einen Beweis einer literarischen und thematischen Verbindung zu sehen. So aber E. NARDONI, a.a.O., 375. 112 Vgl. M. ÖHLER, Verklärung, 197f.; Ders., Elia im NT, 118f. Als Gewährsleute für seine Position führt M. Öhler M. HORSTMANN [Studien, 96–98]; M. M ACH [Christus Mutans 194]; E. NARDONI [Redactional Interpretation, 375]; D. WENHAM/A.D.A. MOSES [„There are some standing here“, 148f.] an. Hinzuzufügen wären z.B. J. G NILKA, EKKMk II, 27: „Markus hat seinerseits die termingebundene, einige Zeitgenossen noch zu ihren Lebzeiten zum Reich Gottes zulassende Naherwartung nicht geteilt und dies durch seine Kompositionsarbeit angedeutet. Wenn er die Verklärung Jesu, die drei auserwählte Jünger zu Zeugen hat, folgen läßt, sieht er die Zusage des Amen-Wortes an diesen Drei erfüllt.“ Ferner A. DEL AGUA, Narrative of the Transfiguration, 343; K. BERGER, AmenWorte, 64–67; B.D. CHILTON, Transfiguration, 123: „Markan GXNJNWSWKC P demonstrates that Mark wished to suggest that the saying is confirmed by the Transfiguration“; R.H. GUNDRY, Mark, 457; J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 267f.; DERS., Hoffnung und Treue, 87f.; F.J. SCHIERSE, Historische Kritik, passim.; K. SCHOLTISSEK, Sohn Gottes für das Reich, 71; Th. SÖDING, Glaube, 172; B. W HITERINGTON, Transfigured Uderstanding, 89. Es fällt jedoch auf, dass die Position bei ÖHLER in seiner Studie „Elia im Neuen Testament“ letztlich unbegründet bleibt. Es stellt sich die Frage, inwiefern „durchaus davon ausgegangen werden“ kann, „daß die Ankündigung Jesu mit dem folgenden Geschehen auf dem Berg ursprünglich zusammenhing“. Die Begründung dieser Position bleibt genauso ein Desiderat wie die darauf aufbauende Meinung: „Zwar ist 9,1 im mk. Kontext mit MCK GNGIGPCWXVQKL an das vorhergehende Stück angeschlossen, der Rest hat aber engere Verbindung zu der Verklärung.“ Zur Kritik seiner Argumentation in „Verklärung, 197f.“ siehe oben. Ein Blick in die Argumentation der weiteren Autoren: Die Argumentation bei Horstmann ist unklar. Die Autorin gesteht ein, dass das Verb KXFGKP in Mk 9,1 und 9,9 denkbar ungeeignet ist, einen Konnex von Mk 9,1 und 9,2–8 zu postulieren. Trotzdem baut sie darauf weiter, indem sie ohne weitere Begründung das „Naherwartungslogion“ aus Mk 9,1 nicht mehr auf das „Erleben der bald hereinbrechenden Gottesherrschaft“, sondern auf die in Mk 9,2–8 vorliegende „Epiphanie“ bezieht und darin einen bewussten Akt der „Entschärfung“ seitens des Evangelisten erkennt. Vgl. a.a.O., 97. Diese Position wird nicht weiter begründet. Durch diesen Kunstgriff ist es ihr aber möglich, Mk 9,1 im Anschluss an SCHIERSE [Historische Kritik, 533] als „eine Art Überschrift zur Verklärungsperikope“ zu lesen, woraus für Horstmann zugleich folgt, dass die Temporalphrase MCK OGVC JBOGTCL G=Z nicht – was m.E. ungleich wahrscheinlicher ist – einen markanten Szenenwechsel, sondern eine „chronologische Verknüpfung“ anzeigt. Die Berufung auf M. Mach durch M. Öhler ist unzulässig, da der Verfasser den Konnex
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Danach werde in 9,1 ein Versprechen gegeben, das in Mk 9,2–8 sogleich eingelöst werde. Öhler gesteht ein, dass in Mk 9,1 ein „Übergangsvers“ vorliegt, der mittels der Phrase MCK GNGIGP CWXVQKL durch die markinische Redaktion integriert worden ist. Ebenso erkennt er die große theologische Nähe zu 8,38, wo von der Parusie die Rede ist. Gleichwohl betont er den engen Konnex von Mk 9,1 und 9,2–8, den er durch das Theologoumenon DCUKNGKCgegeben sieht. Obgleich vonDCUKNGKCin der Verherrlichungsperikope nicht die Rede ist113, wird diese Thematik von Öhler in Mk 9,2–8 eingetragen, was ihn zugleich dazu befähigt, dieVKPGLYFGVYPGBUVJMQVYP mit den in 9,2a genannten „Verklärungszeugen“ zu identifizieren.114 Öhler muss also zwei Hilfshypothesen zur Hand nehmen, um seinen Ansatz zu rechtfertigen. Er muss die DCUKNGKC-Thematik in 9,2–8 eintragen und die unbestimmten Personen von 9,1c mit den drei in 9,2a namentlich genannten Jüngern identifizieren. Neben dieser notwendigen Bemühung zweier Hilfshypothesen wird bei einem solchen Interpretationsvorschlag nicht deutlich, warum der Erzähler den Vorschlag des Petrus zur Errichtung von UMJPCK einer Kritik unterzieht, da im Falle des „Gekommen-Seins“ der DCUKNGKC der petrinische Vorschlag durchaus seine Berechtigung hätte.115 Sodann gelingt es bei diesem Erklärungsansatz nicht, glaubwürdig zu erklären, warum zur Zeit der eintretenden Transfiguration Jesu einige der die Rede Jesu Hörenden bereits verstorben sein werden: Wenn das Kommen des Reiches Gottes mit der Transfiguration in der von Öhler und Nardoni von Mk 8,34–9,1 und 9,2–8 bewusst offenlässt: „Dies ist der Kontext der transfiguratio. Sie mag auf den letzten Satz der Nachfolgeworte [scil. Mk 9,1] antworten oder nicht; die Antwort auf diese Frage mag dahingestellt bleiben.“ 113 Dies sieht auch J.M NÜTZEL, Verklärungserzählung, 268. 114 Ein anderer gängiger Versuch, das Desiderat der DCUKNGKC VQWSGQW in Mk 9,2–8 zu erklären, besteht in der Eintragung der Auferstehungsthematik. So z.B. R. PESCH, HThKMk II, 82. Dieser Deutung liegt die Grundannahme zugrunde, dass die Verklärungsperikope eine proleptische Schau der Auferstehungswirklichkeit Jesu ist. Entscheidend ist also Mk 9,9. Die Ankunft der „Gottesherrschaft in Macht“ und die „Totenauferstehung, die mit der Wiederkunft des Menschensohnes“ beginnt, werden so als theologische Einheit gelesen. Vgl. R. PESCH, a.a.O. Dagegen ist jedoch die kritische Frage zu stellen, ob im MkEv das Konzept der Auferstehung der Toten im Zusammenhang der Parusie bekannt ist. Ein solcher Gedanke lässt sich im MkEv genauso wenig belegen wie der sachliche Konnex der Errichtung des Reiches Gottes mit der Totenerweckung. Die Skepsis gegen diese Art der Lektüre von Mk 9,1ff. wächst zudem mit der Einsicht, dass die proleptische Schau der Auferstehungsherrlichkeit Jesu selbst eine Hilfshypothese zur Deutung der markinischen Verklärungsperikope ist. Zum Verständnis des Textes wäre so die Hinzunahme von zwei Hilfshypothesen notwendig: Zum einen müsste seitens der Leser der Konnex von Herrschaft Gottes und Totenauferstehung erkannt werden. Zum anderen müsste die Verklärung als proleptische Schau der Auferstehung Jesu deklariert werden. Zur Kritik an diesem Ansatz vgl. auch J. DECHOW, Gottessohn, 56f. 115 Vgl. auch die sehr scharf vorgetragene Kritik bei L. SCHENKE [Markusevangelium (2005), 214] an einer solchen Lektüre von Mk 9,1 und 9,2–8: „Unsinn“.
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
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vorgestellten Weise als Einheit vorgestellt und das Sehen dieser „Ankunft des Reiches Gottes“ einigen wenigen zugesagt wird, dann bedeutet dies im Umkehrschluss, dass zu diesem Zeitpunkt andere ihr Leben für Jesus und das Evangelium verloren haben werden. Dagegen liest sich die Versfolge 8,38/9,1 widerspruchsfrei, wenn das Kommen des Menschensohnes eng mit dem Anbruch des Gottesreiches zusammengedacht oder sogar als theologische Einheit begriffen wird.116 Diese Einheit ist jedoch eine futurische Größe, die keinesfalls in Mk 9,2–8 ihre Erfüllung findet. Der dritte Ansatz erkennt in Mk 9,1 ein eigenständiges Logion, das in keinem thematischen Zusammenhang zu den vorangehenden und nachfolgenden Passagen steht, sondern ein durch die markinische Redaktion platziertes, wenngleich unverbundenes Einzellogion darstellt. Diese Position wird m.E. sogleich durch die Tatsache unmöglich gemacht, dass sich markante Verbindungen zur Textfolge 8,34–38 aufweisen lassen, sodass zumindest eine sehr starke markinische Redaktionstätigkeit angenommen werden müsste. C. Breytenbach formuliert dazu treffend: „Wendungen wie VKPGL YFG VYP GBUVJMQVYP sind wegen ihrer deiktischen Funktion völlig kontextabhängig. Es ist äußerst schwer vorstellbar, welche Funktion diese Wendung in der mündlichen Weitergabe des Einzel-Logions Mk 9,1b haben könnte.“117 Als weiterer Hinweis auf eine beabsichtigte mikrokontextuelle Verklammerung von Mk 9,1 mit 8,34–38 kann der Gebrauch von GTEGUSCKin 8,38d (GNSJ^) und 9,1e (GXNJNWSWKCP) dienen. Das Kommen des Menschensohnes zur Parusie GXPVJ^FQZJ^VQWRCVTQLCWXVQW(8,38d) und das Kommen derDCUKNGKCGXPFWPCOGK(9,1e) nehmen eng zusammengehörige theologische Wirklichkeiten in den Blick.118 Von den genannten Interpretationsansätzen überzeugt m.E. mit Abstand am meisten der erste, demzufolge Mk 9,1 Abschluss der Komposition von Nachfolgelogien Jesu ist. Dass 9,1 gleichwohl eine Funktion zur narrativen Vorbereitung der Verherrlichungsperikope erfüllt, muss dabei nicht in Abrede gestellt werden. Mk 9,1 erfüllt m.E. zwei Aufgaben: Dieser Vers dient einerseits als positives Korrektiv für die in 8,38 vorliegende theologische „Härte“, wonach sich der zur Parusie kommende Menschensohn in der eschatologischen Situationsbeurteilung seiner „Verleugner“ schämen wird.119 Somit hat dieser Vers die Funktion einer Zusicherung, strahlt zurück auf die „bedrückende“ Thematik der Logienreihe 8,34–38 und hüllt
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Überzeugend bei N.R. PETERSEN, Zeitebenen, 111. Vgl. C. BREYTENBACH, Nachfolge, 236. 118 Mit M. REICHARDT, Endgericht?, 136f.147. 119 Vgl. z.B. U. KMIECIK, Menschensohn, 108: positive „Heilszusage“ als Gegengewicht zur Endgerichtsaussage in 8,38. 117
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
diese in ein freundlicheres Licht.120 Die der Nachfolgethematik gewidmete und mit 8,34 ansetzende Logienreihe, die argumentativ weitgehend von einer implizierten Absage an den in 8,34 formulierten Anspruch Jesu ausgeht, endet so mit einem hoffungsvoll-verheißenden Schlussakkord.121Andererseits unterstreicht dieser Vers abschließend die Dringlichkeit der Nachfolgeaufforderung Jesu mit Blick auf die zeitliche Nähe des zur Parusie kommenden Menschensohnes. Diese wird in großer theologischer Nähe zum Kommen der DCUKNGKCverstanden. Insofern hat die redaktionelle Anfügung des Naherwartungslogions eine paränetische Abzweckung. Damit stimmt überein, dass mit dem Naherwartungslogion nicht nur die besonders hervorgehobenenGBUVJMQVGLangesprochen werden, sondern das ganze „Auditorium“: Die Zusage des „Sehens des Kommens derDCUKNGKC“ an die VKPGLYFGVYPGBUVJMQVYPerfolgt im Angesicht aller!122 Die Tatsache, dass die Formel MCK GNGIGP CWXVQKL einen markanten Abstand zu 8,38 signalisiert, lässt sich mit der Beobachtung plausibel erklären, dass diese Formel bereits in 2,27; 4,11.21.24; 6,4.10; 7,9; 8,21 dazu Verwendung findet, aus der Tradition entnommene Logien theologisch hochgewichtend einzuführen. Eine solche Hervorhebung ist auch in 9,1 gegeben, was gleichzeitig bedeutet, dass die beiden futurisch gehaltenen Aussagen vom Kommen des Menschensohnes (8,38) und vom Kommen der Basileia (9,1) nicht zusammengehört haben123, dass sie aber vom Mk-Evangelisten in enger Nähe zueinander platziert wurden, da sie eine verwandte theologische Wirklichkeit in Blick nehmen.124 Das Plädoyer für einen Anschluss von 9,1 an die Logienreihe 8,34–38 darf nicht den Blick darauf verstellen, dass die redaktionelle Positionierung des Naherwartungslogions zwischen Nachfolge- und Verherrlichungsperikope theologische Gründe hat. Obgleich die Verklärung Jesu nicht als Prolepse der Auferstehungs- oder Parusieherrlichkeit Jesu dient, sondern die Jesus seit seiner Geistbegabung im Zusammenhang der Taufe 120
Dahingehend deutet auch C. BREYTENBACH, Nachfolge, 231: „Als Makroproposition von K.34–38 und 9,1 kann gelten: ‚Die Nachfolge Jesu Christi im Licht des sicher kommenden Gottesreiches.‘“ 121 Ähnlich auch M. REICHARDT, Endgericht?, 147: „Heils- bzw. Hoffnungsaspekt“. 122 Ähnlich auch J. SCHRÖTER , Erinnerung an Jesu Worte, 399. 123 Vgl. zur Selbstständigkeit der in Mk 8,38 und 9,1 vorliegenden Überlieferungen die Ausführungen bei M. REICHARDT, Endgericht?, 145. Vgl. dort in Anm. 616 den Verweis auf Ph. Vielhauer, Gottesreich, 53f.: „Die Worte vom Menschensohn und die von der Gottesherrschaft gehören offenbar zwei verschiedenen Überlieferungssträngen der Herrenworte an.“ 124 Die theologische Eigenständigkeit von Mk 9,1 ist damit nicht tangiert. So findet sich das ab 8,35 dominierende begründende ICT hier nicht mehr. Dagegen wird durch die redaktionelle Einleitungsformel MCK GNGIGP CWXVQKL sowie das betont vorangestellte CXOJP NGIY WBOKP ein besonderer Nachdruck auf die „Gewißheit des angekündigten Sachverhalts“ gelegt. Mit U. KMIECIK, Menschensohn, 108.
2. Die Logienfolge Mk 8,34–9,1 als Kontext der Verklärungsperikope
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zukommendeFQZCoffenbart, funktioniert die Transfiguration Jesu gleichwohl als narrativer Ausblick auf die Herrlichkeit, die Jesus in der erzählten Zeit im Modus weitestgehender Verborgenheit eigen ist, in eschatologischer Zukunft jedoch in aller Offensichtlichkeit zuteil werden wird. Die Verborgenheit derFQZCJesu in der erzählten Zeit, die in 9,2–8 in charakteristischer Weise punktuell durchbrochen wird, korrespondiert mit den Aussagen von der Verborgenheit der DCUKNGKC, die sachlogisch dem Sämanngleichnis (4,3–8) zugrunde liegt. Die in Mk 9,2–8 offenbar werdendeFQZC ist dieFQZCdes in eschatologischer Zukunft kommenden Menschensohnes (8,38), dessen Kommen als theologische Einheit mit dem Anbruch der DCUKNGKCkonzipiert ist.
3. Analyse und Interpretation der Verklärungsperikope 3.1 Einleitende Vorbemerkungen zur Einzelversanalyse Die im Folgenden zu leistende Interpretation der Verklärungsperikope geht vom vorliegenden Text als einem autonomen Sprachgebilde aus. Diese hermeneutische Voraussetzung richtet sich nicht gegen eine diachrone Fragestellung, setzt jedoch den Primat der Synchronie vor der Diachronie voraus und verwehrt sich dagegen, die Diachronie zum Ausgangspunkt der Auslegung zu machen.125 Die „Überstrapazierung“ diachroner Fragestellungen in der Markusforschung der 60er-, 70er- und frühen 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts126 ist in der gegenwärtigen Forschungslandschaft einer Vorsicht gegenüber dieser Zugangsweise gewichen. Gerade die zum Ende der 1970er-Jahre in kurzer Folge erschienenen Kommentare von R. Pesch, J. Gnilka und W. Schmithals haben aufgrund der Unterschiedlichkeit der Zugangsweisen und Forschungsergebnisse an der Leistungsfähigkeit dieser Methode Zweifel aufkommen lassen und die Frage nahegelegt, inwiefern sich die Markusforschung in der „Sackgasse“ befindet (U. Luz).127 Die 125 Grundsätzliche Skepsis ist allen Ansätzen entgegenzubringen, die als Ausgangspunkt einer Auslegung von Mk 9,2–8 nicht den vorliegenden Text, sondern eine redaktionskritisch rekonstruierte „Grundfassung“ bzw. „Vorlage“ der Perikope verwenden oder die Interpretation durch eine im Vorfeld eruierte „Textgattung“ einseitig bestimmen lassen. Überzeugend bei D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 341 Anm. 53. 126 A. W EIHS [Deutung des Todes, 200] spricht in diesem Zusammenhang von einer „regelrechten Fixierung auf die Diachronie“. 127 Vgl. dazu U. LUZ, Markusforschung, passim.; A. W EIHS, Deutung des Todes, 200f. M. HENGEL [Probleme, 233] erkennt im MkEv eine „coincidentia oppositorum“, insofern diese Schrift wie kein anderes Zeugnis des NT „spannende, dramatische Erzählung“, „schriftstellerische[s] Geschick“, „respektable Traditions- und Geschichtstreue“ in
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
grundsätzliche Frage nach der Leistungsfähigkeit redaktionskritischer Zugangsweisen führt in der gegenwärtigen Forschungsphase zur Einschätzung, dass eine beträchtliche Überschätzung der Reichweite der redaktionskritischen Methode vorlag, ohne freilich ihre partielle Berechtigung und forschungsgeschichtliche Relevanz infrage zu stellen, sodass bisweilen die Tendenz zu verspüren ist, auf diachrone Fragestellung nahezu vollständig zu verzichten. Hier kann der im Jahre 2005 erschienene Markuskommentar von L. Schenke als Beispiel herangezogen werden, in dem redaktionskritische Erwägungen kaum eine Rolle spielen.128 Die grundsätzliche Schwierigkeit, auf diachronem Wege einen traditionellen Text von einer markinischen Bearbeitung abzuheben, kann gut an der Verklärungsperikope demonstriert werden. So hat der Versuch, eine „vormarkinische Verklärungserzählung“ herauszuschälen und diese in Abgrenzung zur markinischen Redaktion zu profilieren, eine Fülle von unterschiedlichen, sich zum Teil deutlich widersprechenden Modellen hervorgebracht.129 Die Disparatheit der unterschiedlichen Rekonstruktionsvorschläge hat die Skepsis gegenüber der Möglichkeit einer wortgenauen Rekonstruktion des dem Evangelisten vorliegenden Überlieferungsgutes eher wachsen lassen. Dagegen kann m.E. nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden, dass die vorliegende Verklärungsperikope einen kohärenten Erzählzu-
„äußerlich schlichter Gestalt und barbarischem Stil“ verbindet. Aus diesem Befund leitet Hengel sodann die extremen Schwierigkeiten einer Trennung von „Redaktion“ und „Tradition“, abgesehen von „Rahmungen und stereotypen Einleitungen“, ab. 128 L. SCHENKE [Markusevangelium (2005), 7] kommuniziert diese methodische Vorentscheidung gleichsam rezeptionsleitend im Vorwort: „Er [scil. der vorliegende Kommentar] lässt die form- und traditionsgeschichtliche Fragestellung fast vollständig hinter sich (ohne ihre Möglichkeit und sogar Nützlichkeit leugnen zu wollen) und versteht das Markusevangelium als literarisches Werk, durch das der Autor als ein anderer die Leser zu Teilnehmern an der Welt und am Lebensweg des Gottessohnes Jesus machen will.“ Innerhalb der neueren Veröffentlichungen zur markinischen Verklärungsperikope findet sich bei M. ÖHLER [Elia im Neuen Testament. Untersuchungen zur Bedeutung des alttestamentlichen Propheten im frühen Christentum. BZNW 88. Berlin u.a. 1997, 118–135] ein weitgehend an der traditionellen redaktionsgeschichtlichen Forschung orientierter Zugang zu Mk 9,2–8, während die Arbeiten von J.P. H EIL [The Transfiguration of Jesus: Narrative Meaning and Function of Mark 9:2–8, Matt 17:1–8 and Luke 9:28–36. AnBib 144. Rom 2000] und S. PELLEGRINI [Elija – Wegbereiter des Gottessohnes. Eine textsemiotische Untersuchung im Markusevangelium. HBS 26. Freiburg u.a. 2000] in ihrer Betonung des „narrative criticism“/„reader response“ bzw. der „Textsemiotik“ die Wende der Mk-Exegese hin zu narratologischen und leseorientierten Exegesemethoden anzeigen. Vgl. dazu auch D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 339f. Anm. 45. 129 Vgl. z.B. die divergierenden Lösungsvorschläge bei F. HAHN [Christologische Hoheitstitel, 334–340] und J.M. N ÜTZEL [Verklärungserzählung, passim.]. Ferner die kritische Bestandsaufnahme bei D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 307–309.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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sammenhang auf einem zudem beachtlich hohen narrativen Niveau bietet.130 Die folgende Analyse des Verklärungstextes geht von der Arbeitshypothese aus, dass ein – wahrscheinlich in mündlicher Form tradierter – „Kernbestand“ der Verklärungserzählung vorlag, der als solcher bereits lebens- und tradierfähig war und vom markinischen Verfasser sowohl sprachlich als auch thematisch vollkommen in den Makrotext integriert worden ist.131 Diese Studie teilt den in der Mk-Exegese weitgehend vorliegenden Konsens, dass Markus in die Verklärungserzählung zwar redaktionell eingegriffen hat, diese Erzählung aber nicht selbst geschaffen hat. Im Prozess der Integration des Verklärungsstoffes hat der Verfasser m.E. die Analogie mit der Taufperikope durch seine redaktionelle Tätigkeit herausgestrichen. Gleichwohl ist Vorsicht angeraten, den „erwiesenen“ redaktionellen Passagen gegenüber den traditionellen höhere Aussagekraft im Hinblick auf die theologische Intention des Erzählers zuzusprechen. Dieser hat den Text als ganzen zu verantworten, sowohl die wahrscheinlich traditionellen wie auch redaktionellen Passagen. Die vorgeschlagene leitende Zugangsweise einer synchron orientierten Lektüre von Mk 9,2–8 darf sich selbstredend nicht über sprachliche und logische Härten und Spannungen hinwegsetzen: In begründeten Fällen ist die redaktionskritische Rückfrage zu stellen. Der Zugang zum Text auf synchroner Ebene im Sinne einer Leitperspektive der vorliegenden Arbeit wird davon nicht erschüttert. Eine vollkommene Absage an diachrone Fragestellungen, wie sie in der neueren Mk-Exegese bisweilen begegnet, ist in dieser Studie nicht anvisiert, im Vordergrund des exegetischen Interesses steht gleichwohl das theologische und narrative Gestaltungspotential des Evangelisten, seine Fähigkeit, diese narratio sui generis zu biographisie130
Dies wurde bereits von M. D IBELIUS [Formgeschichte, 275f.] in aller Deutlichkeit festgehalten. 131 Im Folgenden wird die Ausgangshypothese zugrunde gelegt, dass hinter Mk 9,2–8 eine in mündlicher Form tradierte Überlieferung vorliegt, die vom Mk-Evangelisten rezipiert und biographisiert worden ist. Dabei ist die Unterscheidung zwischen Tradition und Überlieferung fundamental. Während Tradition im Allgemeinen Motive, geprägte Züge und Themen meint, die in einen vorliegenden Text Eingang gefunden haben (Motivarsenal) und diesen so mit anderen Texten vergleichbar machen, verstehe ich unter Überlieferung eine in sich stehende, ursprünglich selbstständige, hinter dem vorliegenden Text stehende mündliche Einheit, die als solche bereits lebens- und tradierfähig war und nun in verschriftlichter Form vorliegt. Vgl. zu dieser Definition z.B. M. T HEOBALD, „Spruchgut“ im JohEv, 358. Zielsetzung der Überlieferungskritik ist es demnach, Kriterien zur Verfügung zu stellen, die eine Rekonstruktion dieser hinter dem heute vorliegenden Text stehenden mündlichen Einheiten ermöglicht, während die Traditionskritik Kriterien zur Verfügung stellt, die es ermöglichen, in vorgegebenen Texten Motive und geprägte Züge zu eruieren. Vgl. dazu die methodologischen Überlegungen bei M. THEOBALD, Herrenworte, 19f.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
ren und mit anderen für seinen theologischen Entwurf charakteristischen theologischen Leitgedanken zu verbinden („Jüngerunverständnis“, „Leidensnotwendigkeit“/„Elija“, „Gottesherrschaft“, „Nachfolge“, „Hoffnungstheologie“ etc.). Die Biographisierung dieser christologischen Überlieferung ist ein weiteres Indiz der hohen integrativen und narrativen Kompetenz unseres Verfassers. Bei der Interpretation des Textes ist zu beachten, dass das Markusevangelium kein auf eine systematisch-theologische Darstellung angelegtes sprachliches Gebilde, sondern ein narrativ-theologischer Text ist, der in bewusster Motivvermischung christologische Aussagen treffen will, die jedoch nur vor dem „Gesamt“ des im Text Erzählten verständlich sind. Eine „isolierende“ Lektüre von Mk 9,2–8 wird dem Text per se nicht gerecht. Der Text ist auf eine kontextuelle Lektüre hin angelegt und ohne den Kontext praktisch nicht zu interpretieren. Die Ausführungen zur passionstheologischen Rahmung, zum Konnex mit den eschatologisch geprägten Logien Mk 8,38/9,1 und das besonders in Kapitel 4 zu thematisierende auffallende markinische Interesse an der Gestalt des Elija geben Einblick in die makro- und mikrokontextuelle Situierung des Verklärungstextes. Die christologische Leistung der Verklärungserzählung liegt dabei insbesondere in der Tatsache, Christologie im Modus der Erzählung zu sein, die als solche Antwort gibt auf die Frage „nach der Identität der Person Jesu angesichts des Kreuzes“.132 P. Müller hat in seinem Buch „Wer ist dieser?“133 auf die Wichtigkeit der Fragen nach der Identität des Jesus von Nazaret im MkEv hingewiesen.134 Als rezeptionsleitend kann nach Müller die Frage der Jünger in Mk 4,41 angesprochen werden.135 Im Folgenden soll nun auch die Verklärungsperikope als narrativer Enthüllungsort angesichts dieser christologischen Grundfrage des Markusevangeliums gelesen werden. Dabei ist es m.E. legitim, in Anlehnung an die Frage Jesu aus Mk 8,27 der folgenden Verklärungsgeschichte eine weitere Frage zugrunde zu legen, die mit VKPC
132 So die Angabe des markinischen „Leitthemas“ bei K. B ACKHAUS, „Lösepreis für viele“, 91. Backhaus präzisiert dabei die bei F. FENDLER [Studien, 53–56] vorgelegte Themaangabe „Identität der Person Jesu“ im Hinblick auf die im MkEv zentrale Leidensthematik (kursiv im Original, A.W.). Vgl. auch M. B IRD, Crucifixion, 30. 133 Untertitel: Jesus im Markusevangelium. Markus als Erzähler, Verkündiger und Lehrer. Neukirchen-Vluyn, 1995. 134 Vgl. nur darin Punkt 1: „Voraussetzungen“, 9–20. 135 Dieses lektüreleitende Rezeptionssignal kann dabei im Modus der Erzählung verschiedenen Figuren in den Mund gelegt werden: Jünger: VKL CTC QWVQL GXUVKP (4,41); Volksmenge: VK GXUVKP VQWVQ (1,27); Jesus selbst: VKPC OG NGIQWUKP QKB CPSTYRQK GK PCK (8,27); Hoherpriester: 5WGK QB&TKUVQLQBWKBQLVQWGWXNQIJVQW(14,61) u.a.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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OG NGIGK QB SGQL GK PCK paraphrasiert werden könnte136, zumal die Erzähldynamik der Transfigurationsnarratio deutlich auf die entscheidende christologische disclosure in Mk 9,7 hinausläuft, mit der durch die Autoriät Gottes selbst der zentrale theologische Kommentar zu dem Geschehen auf dem Verklärungsberg kommuniziert wird. So ist die Verklärungserzählung als ganze eingespannt zwischen den theo-logischen Pfeilern der von Gott ausgehenden Metamorphose in 9,2 (Passivum divinum) und dem göttlichen Imperativ in 9,7 als dem Kulminationspunkt der Erzählung.137 Wer dieser Jesus ist, findet im markinischen Mittelteil, in dem die Wundererzählungen Jesu zugunsten stärker lehrhafter Teile auffallend zurücktreten, deutlichen Ausdruck, hier insbesondere in der lehrhaft-christologischen Erzählung von der Verklärung, im sich anschließenden Wunderheilungsbericht 9,14– 29 sowie in den – den markinischen Mittelteil gliedernden – Hinweisen auf die Notwendigkeit von Leiden, Sterben und Auferstehen (Mk 8,31; 9,9f.12.31; 10,32–34.38.45). 3.2 Die Zeitmarke MCKOGVCJBOGTCLG=Z(Mk 9,2a) Die narratologische Leistung des ersten Verses der Verklärungsperikope Mk 9,2 ist eine zweifache: die Einstimmung auf das Epiphaniegeschehen138 im Sinne einer szenischen Vorbereitung und die Transfiguratio an sich, die hier nur erwähnt, in den folgenden Versen jedoch narrativ entfaltet wird. Daher kann vom überwiegenden Textbestand in Mk 9,2 her von einer Propädeutik der Verklärung gesprochen werden.139 Dem Leser wer136
Der Gedanke ist angelehnt an die Ausführungen bei F.R. MCCURLEY, „And after six Days“, 78. 137 Vgl. für viele D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 344. 138 Ähnlich auch R. PESCH, HThK-Mk II, 71. Die präzise Zeitangabe, das Aussonderungs- und Bergaufstiegsmotiv, die explizite Benennung von drei Verklärungs„Beobachtern“ sind in Gänze deutliche epiphaniale Hinweise, die als solche die Rezeption des im Folgenden narrativ entfalteten Geschehens steuern. Anders U.B. MÜLLER [„Sohn Gottes“, 20], der exklusiv im Syntagma OGVC JBOGTCL G=Zeinen epiphanialen Hinweis mit Blick auf Ex 24,16f. erkennt. 139 Die Sonderstellung des V.2 innerhalb der Transfigurationserzählung zeigt sich in grammatischer Hinsicht bereits daran, dass allein dieser Vers von einer Aktivität Jesu spricht, während die übrigen Verse von einem Geschehen an Jesus erzählen. So auch J. GNILKA, EKK-Mk II, 33. Je nachdem, ob das Syntagma OGVGOQTHYSJ GORTQUSGPCWXVYP medial-reflexiv oder – wie in dieser Studie bevorzugt wird – als Passivum divinum gedeutet wird, setzt der Übergang zu dem aus der Sicht Jesu passiven Geschehen mit V.3 oder V.2c an. Die Initiative ergreift Jesus erst wieder mit dem Schweigegebot in V.9, was sachlogisch mit dem entsprechenden Bergabstiegsmotiv und der Subsumierung der drei in V.9a genannten Jünger im Genitivus absolutus MCVCDCKPQPVYPCWXVYP (V.9) korrespondiert. Dazu passt, dass die Erzählperspektive in V.2 die Jesu – demnach die im MkEv vorherrschende – ist, während der überwiegende Teil der Transfigurationserzählung aus der Perspektive der Jünger dargestellt wird. Der Übergang zwischen beiden Perspektiven
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
den zentrale, für das Verständnis der folgenden Szene entscheidende Informationen vermittelt. Motivgeschichtlich erfolgen durch die Sechszahl der Tage und das Bergaufstiegsmotiv deutliche Verweise auf die Exodustradition (Ex 24/34), vor deren Hintergrund die nun folgende christologische Legitimationserzählung zu rezipieren ist. Der recht unbestimmte Anschluss an die in 8,34–9,1 vorgelegte Logiensequenz indiziert, dass der Verfasser durch die auffallend präzise und durch den Kontext nicht weiter vorbereitete Zeitmarke in 9,2a140 andere als primär chronologische Interessen verfolgt.141 Die theologisch hochstehende Sechszahl dient der Erzeugung einer bestimmten Lektüre- und Rezeptionsstimmung, mit der die im Folgenden präsentierte Epiphanieerzählung wahrgenommen werden soll. Diese erzeugte „Stimmung“ lässt den biblisch orientierten Rezipienten an die besonders in Ex 24/34 berichteten Ereignisse der Vita Moses denken.142 Auffallend in grammatischer Hinsicht ist der Gebrauch des Praesens historicum in Mk 9,2a.b, das erst mit dem eigentlichen Verwandlungsmotiv in 9,2c zugunsten des ab da vorherrschenden Aorists (9,2c; 9,3a; 9,4a; 9,5a; 9,6b; 9,7a.b; 9,8a) aufgegeben wird. Inhalt der oben angesprochenen Propädeutik ist zunächst das einzige Konkretum der markinischen Transfigurationserzählung143, eine für markinische Verhältnisse ungewöhnlich genaue Zeitangabe, durch die ein deutlicher literarischer Neueinsatz markiert wird, mit dessen Hilfe die sich anschließende Erzählung vom Naherwartungslogion abgehoben wird.144 Die findet in der präpositionalen Wendung GORTQUSGP CWXVYP (9,2c) statt, nach hinten hin wird die Perspektive Jesu durch dessen an die Adresse der Jünger ergehenden Befehl (FKGUVGKNCVQ, V.9) wiederaufgenommen. Vgl. dazu A. STANDHARTINGER, Jesus, Elija und Mose, 75–77. Ähnlich bereits H.-P. MÜLLER, Verklärung Jesu, 59. 140 Vgl. dazu G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 244. 141 Andererseits ist Abstand davon zu nehmen, der Zeitmarke MCK OGVC JBOGTCLG=Zjeglichen Zeitwert abzusprechen. So die Auslegungstendenz bei S. PELLEGRINI, Elija, 306.308. Wie die Einleitungsformel MCK GNGIGP CWXVQKL in Mk 9,1 die Wichtigkeit des Logions unterstreicht, dient die temporale Adverbialphrase MCK OGVC JBOGTCL G=Z mittels der in ihr vorliegenden Anspielung auf Ex 24,16 dazu, die christologische Bedeutung der mit ihr eingeleiteten Legitimationserzählung hervorzustreichen. In diesem Sinne ist der Zeitwert als solcher ernst zu nehmen. Zur Bedeutung der 6-Zahl vgl. die folgende Auslegung. 142 Vgl. für viele D. LEE, Transfiguration, 69. 143 Mit D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 304. 144 Vgl. nur D. LEE, Transfiguration, 13. Dass eine Zeitangabe wie OGVC JBOGTCLG=Z die darauf folgende Perikope in eine zeitliche Relation zur vorhergehenden Sinneinheit bringt, darf als selbstevident gelten. In diesem Sinne kann der Position J.P. HEILs [Transfiguration, 151] mit Verweis auf M.A. T OLBERT [Sowing the Gospel: Mark’s World in Literary-historical Perspective. Minneapolis 1989, 205] zugestimmt werden, wonach diese Zeitmarke sowohl eine Verbindung als auch eine Trennung gewährleiste. Primär dürfte jedoch der Aspekt der Abgrenzung beider Perikopen sein, was ebenso daraus hervor-
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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Stelle Mk 9,2a ist eine Nahtstelle par excellence. Als einziges Konkretum der gesamten Verklärungserzählung steht die Angabe von Natur aus „unter dem Verdacht redaktioneller Bildung“.145 Sie hat im Makrotext nur noch in der Wendung OGVC FWQJBOGTCLin Mk 14,1 ein „Gegenstück“.146 Einigkeit dürfte darüber zu erzielen sein, dass die in der vorliegenden Endfassung des Textes zu findende auffällige Zeitangabe OGVC JBOGTCL G=Z auf den seit dem Messiasbekenntnis des Petrus erfolgten Zeitraum zu beziehen ist147, mit dem die Transfiguration in einen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem zuvor Gesagten gebracht wird.148 Diese Beobachtung geht, dass Jesus in Mk 9,2 zum ersten Mal seit 8,27 namentlich genannt wird. Vgl. für viele z.B. H. BALTENSWEILER, Verklärung Jesu, 30. Sodann ist zu beachten, dass die besagte Zeitmarke mit einer Ortsveränderung – MCK CXPCHGTGK CWXVQWL GKXL QTQL WB[JNQP – einhergeht und damit die Intention offenbart, die Szenen Mk 9,1 und 9,2ff. zeitlich und lokal voneinander abzuheben. 145 Vgl. D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 304f. 146 Mit A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 82. Vgl. auch A. V. HARNACK, Verklärungsgeschichte Jesu, 107. 147 Vgl. S.C. B ARTON, Transfiguration, 236; J. ERNST, RNT-Mk, 256; E. HAENCHEN, Weg Jesu, 308. Ähnlich auch F. HAHN, Christologische Hoheitstitel, 335: Die „Zeitangabe“ stehe in einer „unverkennbare[n] Relation zum Petrusbekenntnis“. Die lukanische Parallelversion des Transfigurations-„berichts“ bezieht durch die ansetzende Wendung OGVCVQWL NQIQWLVQWVQWL die Zeitmarke explizit auf die seit der Nachfolgerede (Lk 9,23– 27) verstrichene Zeit. Für die markinische Variante dürfte der Zeitraum ab Mk 8,27 im Blick sein, der als solcher keine weitere zeitliche Zäsur kennt. In 8,34a liegt eine Einleitung eines Szenenwechsels „innerhalb einer episodischen Einheit“ vor. Treffend bei D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 342 Anm. 57. Vgl. auch D.R. DUMM [Transfiguration, 159], der jedoch merkwürdigerweise das Achttage-Schema für Lk und Mt (!) postuliert. Ein Bezug der Zeitmarke auf Teilverse des Abschnittes Mk 8,27–9,1, wie er in der Exegese der Verklärungsperikope oftmals vorgeschlagen worden ist (vgl. die Zusammenstellung der Forschungspositionen bei J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 237 Anm. 4), wirkt gekünstelt und lässt sich aus den Textindizien kaum erheben: Mk 8,27–9,1 ist eine narrative Sequenz, zu der die Verklärungserzählung durch die Zeitmarke OGVC JBOGTCL G=Z in Beziehung gesetzt wird. 148 Vgl. für viele J. GNILKA, EKK-Mk II, 33; D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 304. Die Differenz zur lukanischen Fassung der Verklärungsperikope (OGVC VQWL NQIQWL VQWVQWL YBUGK JBOGTCK QXMVY) ist nicht eindeutig zu erklären. Grundsätzlich skeptisch gegenüber einer Erklärungsmöglichkeit ist z.B. M. WOLTER, HNT-Lk, 351. Zwar könnten die veränderte Jüngerreihenfolge sowie die differierende Zeitangabe ggf. für eine Lukas vorliegende, abweichende oder ergänzende Quelle zum Verklärungsgeschehen sprechen (eine abweichende Tradition postuliert mit Nachdruck M. MACH, Christus Mutans, 184), doch kann dies m.E. kaum zur Evidenz erhoben werden. Die abweichende Zeitangabe kann am plausibelsten durch das Bestreben des Lukas erklärt werden, dem Geschehen durch die Wahl des Oktavtages (vgl. Joh 20,26) weiteres christologisches Gewicht zuzusprechen. Diese Erklärung bleibt freilich spekulativ, sie erhielte jedoch weitere Plausibilität, ließe sich wahrscheinlich machen, dass Lukas die markinische Anspielung auf Ex 24,16 und das damit verbundene christologische Potential nicht mehr verstanden hätte. Skeptisch gegenüber einer weiteren im LkEv verarbeiteten Quelle, die die Abweichung
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
begünstigt die – im Weiteren zu prüfende – Einschätzung dieser Zeitangabe als redaktionelle Bildung des Evangelisten.149 Ebenso hat sich in der neueren Exegese die Ablehnung eines typologischen Hinweises auf das Passionsschema durchgesetzt. Zwar lassen sich Belege beibringen, das Syntagma OGVC JBOGTCLG=Zmit dem Aussagewert „am siebten Tag“ zu fassen.150 Einen impliziten passionstypologischen Hinweis mittels einer einfachen Zeitangabe ohne weitergehende rezeptionsleitende Hinweise hätte kein Leser verstehen können.151 An beiden Konsenspunkten ist trotz der ohne Zweifel einzuräumenden „Zweideutigkeit“152 der Zeitangabe festzuhalten.
hinsichtlich der Zeitmarke erklären könnte, erweist sich auch A. VÖGTLE [Unnötige Glaubensbarrieren, 80f.] unter Berufung auf J. F ITZMYER, Gospel According to Luke, 792; F. NEIRYNCK, Minor Agreements, 253–266; H. SCHÜRMANN, HThK-Lk I, 563; A.A. TRITES, Transfiguration of Jesus, 74–81. 149 So weite Teile der älteren wie neueren Markusforschung. Vgl. z.B. R. BULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 363; J. SCHREIBER, Christologie, 161f.; D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 304f. 150 So z.B. K.P. FISCHER, Rätsel, 12; J. SCHREIBER, Christologie, 161f.; DERS., Theologie des Vertrauens, 119f.: „Die Verklärung geschieht wie die Kreuzigung ‚nach sechs Tagen‘ (9,2), also am siebten Tag.“; H. WEINACHT, Menschwerdung, 53f. Vgl. die Diskussion bei J. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 224–231 und 236–241. Zur Ablehnung dieses Ansatzes siehe ferner P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 97 Anm. 219. Die von F.R. MCCURLEY [„And after six Days“, z.B. 68.73.81] zur Stützung einer Abhängigkeit von Ex 24,25–18 mit Nachdruck vertretene Position, dass die Wendung „nach sechs Tagen“ als „a Semitic literary device“ zu begreifen sei, in der Bedeutung „am siebten Tag“, ist sicher möglich. Im AT findet die Formel OGVC JBOGTCL G=Z im vorbereitenden Sinn Verwendung und verweist somit auf ein Ereignis, das erst am siebten Tag eintritt: Ex 13,6; 24,16; Dtn 16,8; Jos 6,4f.14f.; Ez 46,1. Dagegen ist aber einzuwenden, dass die Zeitangabe OGVC VTGKL JBOGTCL in Mk 8,31 tatsächlich „am dritten Tag“ heißt und gegen McCurley traditionelle Belege beizubringen sind, bei denen mit der Zeitangabe „nach sechs Tagen“ tatsächlich der „sechste Tag“ gemeint ist. Gegen McCurley spricht recht deutlich ebenso, dass die angesprochenen Tage in keiner Weise als eine Vorbereitungszeit erkennbar werden, sodass in Mk 9,2 tatsächlich die Bedeutung „am sechsten Tag“ vorzuziehen ist. So bereits J. HÖLLER, Verklärung Jesu, 15. Vgl. z.B. D. DORMEYER, Passion, 66 Anm. 33; F. FENDLER, Studien, 101; Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 206. 151 Mit P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 97 Anm. 219. Ferner J. GNILKA, EKK-Mk II, 31 Anm. 6; R. PESCH, HThK-Mk II, 72. Die Argumentation J.M. N ÜTZELS [Verklärungserzählung, 239f.], wonach das MkEv durch das redaktionelle OGVC JBOGTCLG=Z einen Hinweis auf das „Sieben-Tage-Schema“ der Jerusalemer Passion bieten wollte, ist nicht überzeugend. Es fällt auf, dass es dem Verf. nur mittels eines synoptischen Vergleichs mit der matthäischen und lukanischen Version gelingt, Plausibilität auf diese These zu lenken, nicht jedoch durch eine textinterne Interpretation des markinischen Makrotextes. 152 Mit E.L. SCHNELLBÄCHER, -$,/(6$, 252.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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Mit D. Dormeyer ist darauf zu verweisen, dass die Zeitangabe OGVC JBOGTCL G=Z „als Einleitung eines Traditionsstückes … unverständlich“153 ist. Ist oben die These einer im Wesentlichen redaktionellen Bildung der Verklärungserzählung in Abrede gestellt worden, so ist nun zu klären, ob die Zeitangabe Bestandteil der Markus vorliegenden Überlieferung war oder sich der kompositorischen Arbeit des zweiten Evangelisten verdankt. Die einflussreichste Erklärung dieser Zeitangabe in der Markus vorliegenden Tradition ist mit dem Namen R. Bultmann und seiner Einschätzung der Verklärungsperikope als eines deplatzierten Osterberichts verbunden.154 Der Vorteil dieser Position Bultmanns im Hinblick auf die Zeitmarke in Mk 9,2 liegt darin, mit dem Datum der Auferstehung oder Kreuzigung das Desiderat eines Terminus a quo für die Zeitangabe in 9,2 beseitigt zu haben. Andernfalls müsste mit der Annahme gerechnet werden, dass eine Einzelperikope mit einer vergleichsweise genauen Zeitangabe ohne einen zeitlichen Bezugspunkt überliefert wurde. Diese Grundannahme R. Bultmanns aufgreifend hat W. Schmithals das OGVC JBOGTCL G=Z als ursprüngliche Fortsetzung von 16,8b darzustellen versucht.155 Schmithals differenziert dazu zwischen dem Markusevangelium an sich und der ihm zugrunde liegenden „Vorlage“ und formuliert die These: „In der Vorlage des Markus stand aber Mk 9,2–8 im Anschluß an die Geschichte von der Auffindung des leeren Grabes.“156 Er begründet diesen massiven Eingriff des Markus in die ihm vorliegende Tradi153
D. DORMEYER, Passion, 66 Anm. 33. Bereits A. SCHWEITZER [Von Reimarus zu Wrede, 437] konstatierte: „Der Termin, von welchem ab die sechs Tage zu rechnen sind (Mk 9,2), ist nicht mehr sicher auszumachen.“ 154 Die entsprechende These wird von R. BULTMANN [Geschichte der synopt. Tradition, 278f.] jedoch mit einem Fragezeichen versehen. Bultmann formuliert: „Ob man dafür [scil. zur Erhärtung der These der Verklärungsperikope als einer ursprünglichen Auferstehungsgeschichte] auch die eigentümliche Datierung OGVC G?Z JBOGTCL … V. 2 … in Anspruch nehmen darf, ist unsicher …; war hier ursprünglich von der Kreuzigung … oder Auferstehung … ab gerechnet?“. 155 Vgl. W. SCHMITHALS, Markusschluß, 386f. Schmithals geht mit dieser These über Wellhausen und Bultmann hinaus und präsentiert damit zugleich einen Vorschlag zur Erklärung des als „hart“ empfundenen Abschlusses des MkEv. Das RCTCNCODCPGK der Verklärungsnarratio in V.2a sei – ebenso wie die Eintragung des Jakobus und Johannes – markinische Redaktion, die das österliche YHSJ der Vorlage verdrängt habe (vgl. a.a.O., 385.388.409). Andererseits verweise das GXHQDQWPVQ ICT (16,b) gleichsam als Scharnier auf die Erscheinung vor Petrus, die heute in Mk 9,2–8 vorliege. Die „sechs Tage“ markieren als solche die zeitliche Differenz zwischen dem Erschrecken der Frauen und der Erscheinung vor Petrus. Als solche ist „die Frist von sechs Tagen für den Erzähler bedeutungsvoll“. Vgl. a.a.O., 386. Eine überzeugende Begründung dieser sehr weitreichenden Position bleibt jedoch aus. Stattdessen wendet sich der Verf. einer weiteren Unsicherheit dieser These zu, indem er formuliert: „Warum der Zeitraum [scil. zwischen Auferstehung und Erscheinung, A.W.] gerade sechs Tage betrug und warum er als solcher bedeutungsvoll war, läßt sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen.“ Zur Aufrechterhaltung seiner These muss Schmithals eine derartige Fülle von redaktionellen Eingriffen in die „Vorlage“ des Markus postulieren (vgl. dazu a.a.O., 384–393), dass seine Position bis auf wenige Ausnahmen keine zustimmende Rezeption erfahren hat. 156 Vgl. W. SCHMITHALS, Markusschluß, 385. Der Verfasser verbindet mit dieser Einschätzung die traditionelle Herkunft der Formel OGVC JBOGTCL G=Z in Mk 9,2 (vgl. a.a.O.,
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
tion mit „dem Komplex des sogenannten Messiasgeheimnisses“ 157 und der damit zusammenhängenden Redaktionsarbeit des Evangelisten. Dabei sei einerseits die Messianität Jesu bis „zu dem Verhör vor dem Synedrium öffentlich verborgen geblieben“, andererseits sei Jesu Messianität den Zwölf „unter dem Siegel der Verschwiegenheit“ kundgetan worden. Dazu trete aber die Christologie seiner Quelle in Spannung, die die vorösterliche Messianität Jesu „weder öffentlich noch insgeheim“ expliziere. Diese Spannung bewog den Redaktor zu jenem literarischen Eingriff, der die Verklärungsperikope an die heutige Stelle rückte, um die markinische „Theorie von den vorösterlichen geheimen und schließlich (14,62) öffentlichen Epiphanien“ zu retten. Die ursprüngliche Erscheinungsgeschichte Jesu vor Petrus liege daher in 9,2–8 vor und diene dort „zur himmlischen Bestätigung des Messiasbekenntnisses des Petrus“. Seine Argumentation wirkt streckenweise willkürlich, verkennt, dass wesentliche Elemente österlicher Erscheinungsberichte in 9,2–8 gerade fehlen und umgekehrt Elija und Mose darin singulär wären, und arbeitet mit einer Reihe aufeinander aufbauender Hilfshypothesen. Zudem gelingt es Schmithals nicht zu erklären, warum in der vorliegenden Endfassung des Textes die Spannung einer Zeitangabe ohne einen mit ihr korrespondierenden Terminus a quo nicht durch den Redaktor geglättet wurde. Die Rekonstruktion der ursprünglichen Vorlage mutet bisweilen beliebig an.158
Sind also die traditionellen Herleitungen der ansetzenden Zeitangabe mit vielen Schwierigkeiten verbunden, so sollte die Lösung in narrativ-theologischer Hinsicht gesucht werden. Ich halte es im hohen Grade für wahrscheinlich, dass die Zeitangabe OGVC JBOGTCLG=Zals typologischer Hinweis fungiert und ein deutliches Rezeptionssignal setzt, die im Folgenden berichtete Perikope als eine christologische Legitimationserzählung zu lesen, die als solche Anleihen an die entsprechende Sinaierzählung von Ex 24 macht.159 Mit der Platzierung dieser auffallenden temporalen Bestimmung 387) mit Verweis auf K.L. SCHMIDT [Rahmen, 222] und J. W ELLHAUSEN [Evangelium Marci] 69. Dazu kommt Schmithals die Beobachtung entgegen, dass sich eine vergleichbar präzise Zeitmarke nur noch in der Passionsgeschichte wiederfindet (vgl. 14,1: OGVC FWQJBOGTCL), woraus er auf die Beheimatung der Transfigurationserzählung im Raum der Passions- und Ostergeschichten schließt. 157 Vgl. dazu und zum Folgenden W. SCHMITHALS, Markusschluß, 409–411. 158 Vgl. dazu W. SCHMITHALS, Markusschluß, 408f. Zu nennen sind insbesondere die eigenmächtige Substituierung von YHSJ durch RCTCNCODCPGK (vgl. Mk 9,2), die nicht weiter begründete Reduktion der Verklärungs-„Zeugen“ auf Petrus (dazu Schmithals wörtlich: „Wir können den Nachweis dessen hier nicht bringen, brauchen es aber auch nicht, weil die ‚Verklärungsgeschichte‘ in ihrem Fortgang selbst zu erkennen gibt, daß sie ursprünglich nur von der Begegnung mit Simon Petrus handelte“; vgl. a.a.O., 388), die Identifikation des Verklärungsberges mit dem in Mt 28,16 genannten Berg, die ersatzlose Streichung des Walkermotivs (vgl. 9,3) u.a. Es stellen sich massive Fragen an diesen Ansatz. Zur Kritik der Erklärung des MA 3 (gemeinsame Bezeugung des Terminus RTQUYRQP bei den Seitenreferenten diff. Mk 9,2c.3) durch Schmithals vgl. die scharfe Zurückweisung bei Chr. NIEMAND, Minor Agreements, 27f. Zur Kritik am Ansatz Schmithals’ allgemein vgl. auch die Ausführungen bei A. LINDEMANN, Osterbotschaft, 312f. 159 Ein Bezug von Mk 9,2a zur Sinaitradition ist schon in der älteren Forschung zur Verklärungsperikope vermutet worden, wobei an keiner Stelle der Vermutung traditions-
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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wird der schriftkundige Rezipient gleichsam gedrängt, die nun folgende Perikope vor dem Hintergrund seiner Mose-Sinai-Kenntnisse zu lesen/ hören. Dabei spielt es m.E. keine Rolle, ob in den angesprochenen sechs Tagen eine wie auch immer geartete Zeit der Vorbereitung zu erkennen ist oder nicht, der typologische Hinweis allein ist hinreichend. Diese „intertextuelle Interferenz“160 wird durch die weiteren aufgenommenen Elemente („Bergmotiv“; „Jüngerauswahl“; „Wolke“; „Wolkenstimme“) stark gefördert und lädt dazu ein, die im Folgenden gebotene Legitimationserzählung vor dem Hintergrund des traditionellen Wissens um die Theophanie von Ex 24,9–18 zu lesen. Eine redaktionell-rezeptionsleitende Funktion dieser Zeitmarke lässt sich zudem durch folgende Überlegungen wahrscheinlich machen: F. Fendler hat in seiner Dissertation „Studien zum Markusevangelium“ die Zeitangaben im MkEv einer gründlichen Untersuchung unterzogen und dabei vier grundsätzlich voneinander zu unterscheidende Zeitangabekategorien herausgearbeitet, „die sich im Rahmen der Perikopenüberlieferung finden“.161 Er unterscheidet: 1. Bezugslose Zeitangaben: Sie sind verständlich ohne Rückbezug oder Vorverweis, also kontextunabhängig, vgl. GXP VQKL UCDDCUKP in 1,21 und 2,23 undIGPQOGPQWUCDDCVQWin 6,2. 2. Zeitangaben unbestimmter Relation: Sie stehen in einem nicht weiter determinierten Bezug zum Kontext und drücken eine weitestgehend „vage Beziehung zur vorhergehenden Erzählung“ aus.162 Vgl. neben den markinischen Präferenzwörtern GWXSWL (41 Belege) und RCNKP, aus denen eine konkrete temporale Relation per se nicht zu entnehmen ist, Wendungen wie FK8 JBOGTYP in 2,1; GXP GXMGKPCKL VCKL JBOGTCKL in 1,9; 8,1; JFJ Y=TCL RQNNJLIGPQOGPJLin 6,35 und OGVCOKMTQPin 14,70. 3. Zeitangaben konkreter Relation durch Stellung im Kontext: Sie erlangen durch eine Platzierung im Kontext, also durch eine „Abfolge zeitlicher Determinanden“, eine „relative Konkretion“. Vgl. nur die häufige Wendung QX[KCL FG IGPQOGPJL in 1,32; 4,35; 6,47; 14,17; 15,42; das Adverb RTYKin 1,35; 11,20; 15,1; 16,2; die Stundenzählung am Kreuzigungstag etc. geschichtlich wirklich nachgegangen worden ist. Vgl. z.B. W. GRUNDMANN, ThHK-Mk, 180: „Zeit der Vorbereitung auf eine göttliche Offenbarung“; J. H ÖLLER, Verklärung Jesu, 13f.; E. LOHMEYER, Evangelium des Markus, 173f.; H.-P. MÜLLER, Verklärung Jesu, 58: „Die sechs Tage gehören zu den traditionellen Motiven der Theophanie“. Unentschlossen E. SCHWEIZER, NTD-Mk, 98. In neuerer Zeit plädieren dafür W. ECKEY, Markusevangelium, 235f.; M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 186; J. GNILKA, EKK-Mk II, 32; M.D. H OOKER, „What Doest“, 60; L. SCHENKE , Markusevangelium (2005), 214. 160 Mit S. P ELLEGRINI, Elija, 307. 161 Mit F. FENDLER, Studien, 89. 162 Mit F. FENDLER, Studien, 90.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
4. Zeitangaben konkreter Relation durch explizite Aufnahme des Kontexts: Diese Zeitangabe kann „durch die Stellung der Angabe innerhalb“ ihres „Umfeldes“ konkretisiert werden. Fendler spricht hier von einer „automatischen“ Konkretion. Denkbar sei zudem eine Konkretion dadurch, dass „die chronologische Bestimmung expressis verbis den Kontext in sich aufnimmt“. Vgl. z.B. die Wendungen VJ^ RTYVJ^ JBOGTC^ VYP CX\WOYP in 14,12; FKCIGPQOGPQWVQW UCDDCVQWin 16,1; VJ^ OKC^ VYPUCDDCVYPin 16,2, bei denen vorhergehende Zeitangaben aufgenommen werden.163 Die in Mk 9,2 vorgelegte Zeitangabe OGVC JBOGTCL G=Z subsumiert F. Fendler unter die Kategorie 3 einer „Zeitangabe konkreter Relation durch Stellung im Kontext“.164 Damit ist eine Kategorie markinischer Zeitangaben qualifiziert, die „ohne einen Kontext völlig unbestimmt blieben“, die aber durch eine redaktionelle Einbettung in einen Kontext „ihre relative Konkretion“ erhalten.165 Ohne es für Mk 9,2 explizit auszuführen, rechnet der Verfasser bei einem Großteil der unter diese Kategorie fallenden Zeitangaben mit der redaktionellen Tätigkeit des Markus mit der Intention, „die Erzählung zeitlich eng mit dem Kontext zu verflechten“.166 Die Ausführungen F. Fendlers sind überzeugend. Im Zusammenklang mit den anderen im Folgenden beizubringenden Argumenten wird auch in dieser Studie die ZeitangabeOGVC JBOGTCLG=Zals eine redaktionelle verstanden167, die sich einer zweifachen Zielsetzung verdankt: Neben einer kontextbezogenen Interpretation („Verklärung sechs Tage nach dem Petrusbekenntnis“)168 ist mit einem typologischen und zugleich eminent rezeptionsleitenden Hinweis auf die Exodustradition zu rechnen169, durch den der Redaktor dem Hörer/Leser einen hermeneutischen Schlüssel zur Rezeption der im Nachfolgenden erzählten Transfiguration in die Hand legt. So bietet das Syntagma „nach sechs Tagen“ im semitischen Raum weit über den chronologischen Gehalt einen unmissverständlichen Hinweis auf die Wichtigkeit des auf diese Weise eingeleiteten 163
Vgl. F. FENDLER, Studien, 91. Vgl. F. FENDLER, Studien, 91. 165 Vgl. F. FENDLER, Studien, 91. 166 Vgl. F. FENDLER, Studien, 94. 167 Vgl. auch J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, z.B. 90.161; J. SCHREIBER, Christologie, 162. 168 Vgl. M. HORSTMANN, Studien, 100. Wichtig für die kontextbezogene Interpretation ist das markinische Präferenzwort QBFQL in Mk 8,27, das auch für die Verklärungsperikope konstitutiv ist: Die Verklärung ist ein Ereignis auf dem Weg hin zum Leiden in Jerusalem und diesem um sechs Tagesetappen näher als das eigentliche Petrusbekenntnis. 169 Die Zeitmarke OGVC JBOGTCL G=Z fungiert auch als ein „redaktionelles Produkt“ als „Verweispfeil“ zur Rezeption von Mk 9,2–8 vor dem Hintergrund von Ex 24. J.M. NÜTZEL [Verklärungserzählung, 90] reserviert eine solche Funktion exklusiv für die Herleitung dieser Zeitformel aus der Tradition. 164
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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Geschehens.170 Diese Tatsache verbindet sich in Mk 9,2–8 nun mit weiteren Anleihen an die Mose-Sinai-Motivik, sodass eine Deutung der Verklärungsperikope von daher nach wie vor die besten Erklärungsansätze liefert: Mk 9,2–8 ist eine christologisch transformierte Sinaierzählung, die einem judenchristlich-hellenistischen Milieu mit der Zielsetzung entstammt, die unvergleichlich höhere theologische Dignität Jesu im Vergleich zu Mose zu legitimieren. Die überbietende Tendenz kommt dabei in Mk 9,7 zu einem Höhepunkt.171 Ist eine christologisch-epiphaniale Überarbeitung des Sinaistoffes vorausgesetzt, so ist auch die als solche unbestreitbare „Sperrigkeit“ der Transfigurationsgeschichte gegenüber der Exodustradition, wie sie in der Forschung regelmäßig gegen einen Sinaibezug geltend gemacht wird, in ihrer Bedeutung zu relativieren. Im Hinblick auf die Zeitmarke in Mk 9,2 wird für gewöhnlich eingewandt, dass Mose erst am siebten Tag die Offenbarung empfängt, nachdem er sich sechs Tage lang auf dem Berg aufgehalten hatte.172 Ein solcher Einwand postuliert jedoch eine exakte 170
Die Position von F.R. MCCURLEY [„And after six Days“, 81], wonach „the temporal phrase“ OGVC JBOGTCL G=Z indiziere, dass die mit Mk 8,27 ansetzende christologische Diskussion einer „climax“ zugeführt werde, ist überzeugend. Weniger überzeugend ist die mit seiner Interpretation verbundene Deutung dieser Formel mit dem Aussagewert „on the seventh day“. 171 Die Lektüre der Verklärungsperikope vor dem Hintergrund der atl. Sinaitradition wird zudem durch folgende Überlegung begünstigt: Die Himmelsstimme des Verklärungsgeschehens steht in enger Korrespondenz zum markinischen Prolog. Sie markiert dabei diejenige Stelle der Erzählung, an der die drei ausgewählten Jünger mit dem Leser hinsichtlich der christologischen Erkenntnis gleichziehen. Bereits das eröffnende „Jesaia“-Zitat in Mk 1,2f. bietet einen deutlichen Anklang an Ex 23,20 und damit an denjenigen Abschnitt der Exodustradition, der unmittelbar der Theophanie auf dem Berg Sinai vorgelagert ist: In der vor der erzählten Zeit ergehenden Ansprache Gottes (Mk 1,2f.) an seinen Sohn teilt dieser ihm im Wesentlichen das mit, „was er während des Exodus zu Mose gesagt hat“. Gut bei Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 107. Damit führt der Erzähler die Mosetradition als ein mögliches Rezeptionsschema der im Anschluss an Mk 1,1–3 erzählten Jesus-Geschichte ein. Diese dort grundgelegte Plausibilität wird nun in Mk 9,2–8 abgerufen, wie zudem die reiche Sinaimotivik dieser Perikope verdeutlicht. Die Deutung wird dadurch gefördert, dass die direkte Rede Gottes im MkEv auf Mk 1,2f.11 und 9,7 beschränkt bleibt. 172 F.R. MCCURLEY [„And after six Days“, passim.] hat zwar herausgearbeitet, dass „and after six days“ als Äquivalent von „and on the seventh day“ gelten kann (vgl. a.a.O., z.B. 81; vgl. ferner M.E. THRALL, Elijah and Moses, 311), es wird aber in Mk 9,2 nicht deutlich, dass diese Zeitmarke eine „Vorbereitungszeit“ intendiert. Mit D. Zeller, Bedeutung und Hintergrund, 305 Anm. 5. Zudem spricht das OGVC VTGKLJBOGTCL (8,31) deutlich gegen die von McCurley vorgeschlagene Gleichsetzung. Diese Wendung ist gleichbedeutend mit „am dritten Tag“ (VJ^ VTKVJ^ JBOGTC^, vgl. Mt 16,21; 17,23; 20,19; Lk 9,22; 18,33; 24,7; 24,46; Apg 10,40; 1 Kor 15,4). Die Erkenntnis, dass der Zeitraum nicht als eine Vorbereitungszeit sichtbar wird, ist auch gegen die These B.W. B ACONs [After six Days, passim.] geltend zu machen, dass diese Zeitangabe die urchristliche Praxis einer sechs-
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Motivübertragung und stellt die Möglichkeit einer „kreativen“ Motivrezeption in Abrede. Der Vergleich mit der Verarbeitung der Tradition aus Jes 5,1–7 in Mk 12,1–9 offenbart z.B. eine solche auswählend-verarbeitende Rezeption des Weinbergliedes. Hier ist es gerade die Kombination von Tradition, Innovation und Verfremdung, die die christologische Brisanz der Erzählung unterstreicht. In diesem Sinne ist auch für Mk 9,2 ein „kreativer“ Umgang mit der Exodustradition (Anspielung bei gleichzeitiger Verfremdung) nicht auszuschließen. Die bewusste Platzierung zentraler, für die Erzählung in Ex 24/34 charakteristischer Termini – zu nennen sind allem voranQTQL;PGHGNJ;JBOGTCK G=Z; die explizite Erwähnung des Mose in Mk 9,4f., die Anspielung auf Dtn 18,15 sowie die in Mk 9,2–8 zwar nicht explizit benannte, der Erzählung jedoch zugrunde liegende FQZC-Vorstellung – ist ein derart starkes Indiz, das m.E. eine Lektüre der Verklärungsperikope vor dem Hintergrund aus Ex 24/34 gleichsam „erzwingt“. Die Zeitangabe „nach sechs Tagen“ bietet ein recht deutliches Rezeptionssignal, das als solches dazu auffordert, die im Modus der Erzählung vorgetragene Transfiguration Jesu vor dem Hintergrund der Kenntnis der Theophanie in Ex 24/34 zu lesen/hören.173 Die bekannten Abweichungen gegenüber der entsprechenden Exoduserzählung (z.B. Elija; Zelterrichtung) widersprechen einer solchen Lektüre nicht, sondern unterstreichen das christologische Gewicht dieser narratio. Die Rezeption der Exodustradition erfolgt bei Mk wie auch bei den Seitenreferenten „nicht sklavisch, sondern in schöpferischer Kraft“.174 Somit entsteht eine Erzählung sui generis, die sich in weiten Teilen zwar der Vorlage aus Ex 24/34 bedient, die aber dennoch durch Hinzunahme eigenständiger Elemente ein eigenständiges christologisches Bild entwirft. Ohne absolute Sicherheit gewinnen zu können, sprechen die vorgebrachten Argumente eher dafür, die Zeitangabe „nach sechs Tagen“ der markinischen Redaktion zuzuschreiben175, durch die der Redaktor – ein tägigen Vorbereitung auf die Taufe und „other services preceding Epiphany“ (vgl. a.a.O., 78) reflektiere. 173 Ähnlich auch S. PELLEGRINI, Elija, 308. 174 Gut bei F. BOVON, EKK-Lk I, 495. 175 Gegen J. GNILKA [EKK-Mk II, 31] mit schwacher Begründung: „Die sechs Tage sind so singulär, daß sie der Tradition zugehören müssen“. Ferner W. K RAUS, Dtn 18,15– 18, 161f. Die von K.W. LARSEN [Christological Reading, 43] gegebene Erklärung („The chronological marker must be traditional since Mark is not in the habit of editing other episodes to include chronological markers“) ist unzureichend, da sie die Qualität der Zeitangabe als eines epiphanialen Hinweises völlig außer Acht lässt. Der Versuch J.E. FOSSUMs [Ascenio, 79–82], die Zeitmarke Mk 9,2 als vormarkinisches Traditionsgut zu erweisen, leidet an seiner Behauptung, dass er die sechs Tage als time „of preparation“ (so z.B. syrBar 9,2–10,1; 12,5–13; 21,2f; 4 Esr 5,13–31; 6,31–36) deutet, was Mk 9,2 schwerlich zu entnehmen ist. Diese erste Hypothese verbindet sich bei ihm mit einer
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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beliebtes literary device scheme aufgreifend – die Verklärung Jesu in eine zeitliche und sachliche Relation zum Petrusbekenntnis und den darauf folgenden Sinneinheiten brachte.176 Eine Zuschreibung dieser Zeitangabe an die Markus vorliegende Tradition müsste auf die Frage eine Antwort anbieten, wie eine Perikope mit einer konkreten Zeitangabe überliefert werden konnte, für die ein Terminus a quo nicht zu ermitteln ist, zumal kaum damit zu rechnen ist, dass die in Mk 8,27–9,10 vorgelegten Stoffe in einem einheitlichen Zusammenhang überliefert worden waren. Die Deutung der ZeitangabeOGVC JBOGTCLG=Zals redaktionelles Produkt des Redaktors macht durchaus Sinn, während diese Zeitbestimmung „als Einleitung eines Traditionsstückes … unverständlich“ bliebe.177 3.3 Das Jüngerauswahlmotiv (Mk 9,2a) Auf die theologischen Berührungen von Tauf- und Verklärungsperikope ist bereits hingewiesen worden.178 Nach der Prädikation Jesu alsWKBQLSGQW in Mk 1,11 kommt die in V.7 kulminierende Transfigurationserzählung auf die Gottessohnschaft Jesu zu sprechen, wobei es nun intradiegetisch Zeugen dieser christologischen Prädikation Jesu gibt.179 Diese Zeugen werden in V.2a eingeführt. Die Verklärungserzählung partizipiert an der Hochgewichtung der Jüngerthematik im Makrotext.180 Auf die Wahrscheinlichkeit, dass die Einführung der drei Verklärungs-„Zeugen“ erst vor dem Hintergrund eines extratextuellen Wissens der Hörer-/Leserschaft über den Märtyrertod des Petrus, Jakobus und Johannes plausibel wird, ist im Zusammenhang der Überlegungen zu dem der Verklärungserzählung innewohnenden Hoffnungspotential hingewiesen worden.181 Die Einführung der Verklärungs-„Beobachter“ ist als weiteres Element einer Propädeutik des Verklärungsgeschehens anzusprechen. Die in 1,16–20 erzählte Berufung der ersten Jünger, die in 3,13–19 aufgegriffen wird, trägt in sich bereits das
zweiten, ebenso unhaltbaren Aussage, dass die Verklärungsperikope vor dem Hintergrund himmlischer Ascensiones zu lesen sei. 176 Mit D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 304f. 177 Mit D. DORMEYER, Passion, 66 Anm. 33. 178 Vgl. dazu die Unterpunkte 2.3.1 und 2.3.2 in Kapitel 1 dieser Studie. 179 Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 204. 180 J. ROLOFF [Markusevangelium, 84] macht überzeugend darauf aufmerksam, dass die Jüngerthematik neben der Passion das „am deutlichsten hervortretende Erzählgefälle“ bildet. Der vom Evangelisten so geschaffene durchlaufende Geschehenszusammenhang ende erst im letzten Satz des Evangeliums, „der von Flucht und Furcht der Anhänger Jesu spricht (16,8)“. Vgl. dazu auch E.W. STEGEMANN, Rolle von Petrus, Jakobus und Johannes, 366f. 181 Vgl. dazu Unterpunkt 1.4 in Kapitel 1 dieser Studie.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Moment der Aussonderung, das in Mk 9,2 nochmals verstärkt wird.182 Durch die explizite Benennung der drei ausgewählten Begleiter wird die Erwartung herausragender Vorgänge geweckt.183 Der Ausdruck RCTCNCODCPGK bringt einen dynamisch-autoritativen Zug in die Verklärungsgeschichte hinein. Der Aufstieg Jesu auf den Berg in der Gesellschaft der drei designierten Verklärungs-„Beobachter“ zieht eine Trennlinie und grenzt diese Jünger vom QENQL und von den übrigen OCSJVCK ab.184 Von 182 Vgl. H.-J. KLAUCK [Erzählerische Rolle, 8], der die mit der Berufung der Jünger zusammenhängende Aussonderung in Mk 5,37–43; 9,2–8 und 9,9–13 „in Richtung auf Esoterik und Separation“ (kursiv von A.W.) ausgearbeitet sieht. Wertvoll ist Klaucks Erkenntnis, dass der überwiegende Zweck der Absonderung die Belehrung der Jünger ist. Diese Jüngerexhorte erhält in dem der Belehrung seitens Jesus gewidmeten markinischen Mittelteil eine radikale Verdichtung. Zu diesen jüngerbelehrenden Teilen sind nach Klauck im Einzelnen zu zählen: das „Verhör“ der Jünger in Mk 8,27–29; die „Auskunft über das Kommen des Elija“ in 9,12f.; „die Wichtigkeit des Gebets beim Exorzismus (9,29)“; „das Paradigma über wahre Größe (9,35–27)“, dem sich eine ausgearbeitete Jüngerbelehrung anschließt (9,39–50), und die Abhandlung hinsichtlich des Problems der Ehescheidung (10,11f.). Klauck zählt zudem die in 10,13–16; 23–32 und 35–45 verarbeiteten Stoffe hinzu. Über Klauck hinaus möchte ich auch den in Mk 9,2–8 integrierten Überlieferungsstoff hinzuzählen, insofern dieser gerade in seiner Betonung der Separation mit esoterischem Charakter eine Christologie in narrativer Form bietet, die als solche funktional unter die Kategorie „Jüngerbelehrung“ zu subsumieren ist. Daran ändert auch die von C. BREYTENBACH [Nachfolge, 246.251] vorgeschlagene Gattungseinordnung „unverstandene Epiphanie“ nichts. 183 Ähnlich auch S.C. B ARTON, Transfiguration, 236. G. LÜDERITZ [Rhetorik, 186f.] hat auf die hohe symbolische Bedeutung der Dreizahl im MkEv verwiesen und von einer „Tendenz zu Triaden“ gesprochen: Im Einzelnen nennt er u.a. die Entfaltung der drei wesentlichen christologischen Hoheitstitel ETKUVQL;WKBQL VQW CXPSTYRQW;WKBQL SGQW in Mk 8,27–9,13 und 14,61f.; das „dreimalige Aufgreifen von DNGRGVGCXITWRPGKVG – ITJIQTGKVG QW P – ITJIQTGKVG“ (13,33–37); das dreimalige Gebet Jesu in Gethsemane und das dreimalige Einschlafen der drei Jünger (14,35–41); die dreimalige Verleugnung durch Petrus (14,66–72); das dreimalige Befragen der Menge durch Pilatus (15,9–14); die dreimalige Verspottung Jesu (14,65; 15,18–20; 15,29–32), wobei die letzte Verspottungsszene wiederum dreifach gegliedert ist: QKB RCTCRQTGWQOGPQK– QKB CXTEKGTGKLOGVC VYPITCOOCVGY P – QKB UWPGUVCWTYOGPQK. Zur Häufung von Triaden im markinischen Passionsbericht vgl. neuerdings auch F. H ERRMANN, Strategien der Todesdarstellung, 336f. 184 Da die Versfolge Mk 8,27–9,1 trotz des in 8,34 vorliegenden Szenenwechsels eine zusammenhängende Sinneinheit bietet, sind die Jünger ab 8,27 durchgängig anwesend zu denken. Dieses Auditorium Jesu wird in 8,34 um den QENQL ergänzt, sodass den Jüngern zusammen mit der Volksmenge die bis 9,1 reichende Nachfolgerede Jesu gilt. Die Trennlinie zwischen dem so entstandenen Auditorium und den exklusiven Verklärungs„Zeugen“ wird daher zwischen den Versen 9,1e und 9,2a gezogen mit der Konsequenz, dass die Verklärungsperikope Züge einer esoterisch anmutenden Jüngerbelehrung annimmt. Den in Mk 9,2a namentlich genannten Jüngern wird seitens der höchsten theologischen Autorität die Gottessohnschaft Jesu geoffenbart. Anders als bei der Taufperikope (vgl. dort das Jesus betreffende und somit „ausgrenzende“ GK FGP, Mk 1,10) werden die Jünger in Mk 9,2–8 nicht von der Wahrnehmung ausgeschlossen, im Gegenteil: Die
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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dieser Trennlinie gilt aber, dass sie „extradiegetisch-heterodiegetisch in Richtung des Rezipienten durchbrochen“ ist.185 Der Rezipient betritt im Gegensatz zu den designierten Verklärungs-„Zeugen“ mit dem im markinischen Prolog (Mk 1,1–15) geschärften Wissen den Berg der Verklärung Jesu und hat darin einen erheblichen Wissensvorsprung gegenüber den Jüngern. Dieser Wissensvorsprung befähigt ihn, das Verhalten der Jünger sowohl bei der Verklärung als auch beim Bergabstieg kritisch zu beurteilen. Gleichwohl erleben der Rezipient wie auch die Jünger die Verklärungsszene in einer Art Solidargemeinschaft, indem sie gleichermaßen Adressaten eines christologischen Lehr-„spektakels“ werden.186 Diese „Solidarisierung“ von Jünger und Rezipient wird durch den aller Wahrscheinlichkeit nach redaktionellen V.6 unterbrochen, in dem der Verfasser die Reaktion der Jünger für Hörer/Leser im Modus verhaltener Kritik kommentiert. Vor Schwierigkeiten sieht sich der Ausleger angesichts der Frage einer traditionellen bzw. redaktionellen Herkunft des Jüngerauswahlmotivs gestellt. Folgende divergierende Überlegungen lassen sich geltend machen: Bei der Jüngerauswahl handelt es sich um ein Motiv, das ebenso in 5,37.40 und 14,33 begegnet.187 Daher steht es sogleich im Verdacht, eine markihier vorliegende Epiphaniegeschichte wird aus ihrer Perspektive erzählt und durch den an Dtn 18,15 LXX anspielenden Imperativ werden diese ausdrücklich angesprochen. Die Behauptung J. GNILKAs [EKK-Mk II, 40 Anm. 6], dass das in Mk 9,9 kommunizierte Schweigegebot nicht gegenüber den Mitjüngern gilt, entbehrt der Textbasis. Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 42 Anm. 85. 185 Gut bei Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 222. 186 Der Begriff Spektakel/Schauspiel ist an dieser Stelle selbstredend nicht despektierlich gemeint, sondern zollt der Erkenntnis Respekt, dass die Verklärungs- und Sterbeszene Jesu partielle Berührungspunkte aufweisen. Beide Perikopen tragen Züge einer Epiphanieerzählung. Das WortSGYTKC fällt explizit bei Lukas. In Lk 23,48 heißt es: MCK RCPVGLQKB UWORCTCIGPQOGPQKQENQKGXRK VJPSGYTKCPVCWVJPSGYTJUCPVGLVC IGPQOGPC VWRVQPVGL VC UVJSJ WBRGUVTGHQP. Vgl. dazu grundlegend P.-G. KLUMBIES, Sterben Jesu, passim. Doch auch die markinische Sterbeszene wird durch zahlreiche Verben des semantischen Feldes „sehen“ integriert (15,32: K=PC KFYOGP MCK RKUVGWUYOGP; 15,35: ,FG 8+NKC P HYPGK; 15,36: $HGVG KFYOGP GKX GTEGVCK 8+NKCL; 15,39: 8,FYP FG QB MGPVWTKY P; 15,40: +UCPFG MCK IWPCKMGLCXRQ OCMTQSGPSGYTQWUCK). In Mk 9,2–8 dominieren ebenso die visionellen Züge. Vgl. nur das YHSJ CWXVQKL in 9,4; die Schlussnotiz QWXMGVK QWXFGPC GK FQP in 8a sowie die anaphorische Wendung C? GK FQP in 9,9. Auch die Metamorphose GORTQUSGP CWXVYP, der Walker-Vergleich sowie die Überschattung durch die Wolke (GXRKUMKC\QWUC) rekurrieren auf optische Reize. Verklärungsperikope und Sterbeszene bilden eine christologische disclosure, „narrative Offenlegung von Christologie“. Vgl. insbesondere für die lukanische Sterbeszene die Überlegungen bei K. B ACKHAUS, Passion Christi, 8f. 187 Wirklich verglichen werden kann mit Mk 9,2 lediglich 14,33, da sich in 5,34.37 zwar das Jüngerauswahlmotiv, nicht jedoch in gleicher Weise das Einsamkeitsmotiv wiederfindet. Verbindendes Kennzeichen von 5,37.40; 9,2 und 14,33 ist aber die Tatsache,
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
nisch-redaktionelle Prägung zu sein. Diese Einschätzung wird zudem durch die Beobachtung gefördert, dass die Auswahl der Jünger durch die ein wenig nachklappende adverbiale Bestimmung MCV8KXFKCPOQPQWL188ergänzt wird, die als solche markinische Handschrift trägt und zudem als in Korrespondenz stehend mit der ebenfalls als markinisch-redaktionell geltenden WendungOQPQPOGS8GBCWVYPin Mk 9,8 zum Abschluss der Verklärungserzählung gelten kann. Dem steht nun die Einsicht entgegen, dass die Auswahl von Epiphaniezeugen ein typologischer Zug vergleichbarer Texte ist, der zudem als gleichsam konstitutiv für den als „Prätext“ eingeschätzten Exodustext (vgl. Ex 24,1.9) zu erachten ist. Das Vorhandensein von Zeugen ist m.E. unverzichtbar für die innere Stimmigkeit von Mk 9,2–8 im Sinne einer christologischen Legitimationserzählung. Eine vermittelnde Deutung, die in dieser Auslegung favorisiert werden soll, besteht darin, die Jüngerauswahl der Tradition, ihre namentliche Benennung sowie die nachdrückliche und als solche überschießende Betonung der Exklusivität ihrer Auswahl durch die adverbiale Wendung MCV8 KXFKCP OQPQWL der markinischen Redaktion zuzusprechen.189 Über Wahrscheinlichkeitserwägungen wird hierbei aber nicht hinauszukommen sein. Je nach der Deutung des Verbs OGVGOQTHYSJ in Mk 9,2c als Passivum divinum bzw. als eines von einem medialen Verb abgeleiteten passivischen Aorists in medialer Sinnrichtung („er verwandelte sich“) drückt das im Praesens historicum vorliegende Verb RCTCNCODCPGK (diff. Lk 9,28: RCTCNCDYP) die letzte190 bzw. die vorletzte Aktivität aus, die Jesus dann erst wieder in Mk 9,9 (FKGUVGKNCVQ CWXVQKL K=PC …) einnehmen wird. Das dass die drei Jünger als „the elite subgroup of three within the special group of the Twelve“ eingeführt werden. Gut bei J.P. HEIL, Transfiguration, 153. Wie im MkEv üblich, steht in 9,2 der Name des Petrus, wenn dieser in einer Reihe mit anderen Jüngern erscheint, in betonter Frontstellung (vgl. 1,16f.; 3,16–19; 5,37; 13,3; 14,33). Eine charakteristische Abweichung von dieser Regel bietet bekanntlich 16,7: CXNNC WBRCIGVG GKRCVG VQKLOCSJVCKLCWXVQWMCKVY^2GVTY^. 188 Vgl. E. BEST, Transfiguration, 209. Wie in Mk 4,34; 6,31f.; 7,33; 9,28 und 13,3 indiziert die WendungMCV8KXFKCP eine „Trennung von der Öffentlichkeit“ (mit D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 156), wird aber durch das betonte OQP QWL nochmals verstärkt, sodass sich der Eindruck eines esoterischen Charakters im Zusammenhang eines Mysterienempfangs nahelegt. Vgl. z.B. F. HAHN, Christologische Hoheitstitel, 335. Wie an den anderen beiden Stellen, an denen eine identische Jüngerauswahl berichtet wird, dient der besagte esoterisch anmutende Charakter der Szene letztlich der christologischen Herausstellung Jesu. Die Trennung der drei Offenbarungsempfänger wird narrativ erst wieder in Mk 9,14 aufgehoben. Die Beliebtheit dieser Angabe im MkEv macht den Gedanken einer redaktionellen Einfügung verantwortbar. Mit M. H ORSTMANN, Studien, 84f.; P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 99; J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 164; W. SCHMITHALS, Evangelium nach Markus, 401. 189 Überzeugend bei H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 164. 190 So z.B. Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 207.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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mit RCTCNCODCPGK eingeleitete Motiv der Absonderung Jesu und der drei Jünger, die im MkEv den „Kern des Kerns“, den „innerste[n] Kreis der Jüngerschaft und der Zwölf“ bilden191, beherrscht sowohl die eigentliche Transfigurationsnarratio in Mk 9,2–8 als auch die daran angeschlossenen Szenen der „Schweigeverpflichtung“ (Mk 9,9f.) und des „Gesprächs beim Bergabstieg“ (Mk 9,11–13). Zeitangabe, Jüngerauswahl und Aufstiegsmotiv sind drei grundsätzlich voneinander zu differenzierende Elemente einer Propädeutik der sich anschließenden epiphanialen Erscheinung Jesu und sind in ihrer Summe dazu geeignet, „eine Atmosphäre des Geheimnisvollen entstehen“ zu lassen192 und auf die herausragende Wichtigkeit des im Folgenden geschilderten Ereignisses hinzuweisen.193 Zudem kann die in Mk 9,2 gegenüber 9,1 implizierte „Entfernung des Publikums“ als ein „topischer Zug“ zur Vorbereitung eines epiphanialen Geschehens gedeutet werden.194 Die betonte Nennung des Namens Jesu in Mk 9,2, die erste seit 8,27, leitet eine Abfolge von insgesamt vier Namensnennungen Jesu in Mk 9,2– 8 ein, wobei zu beachten ist, dass der Name Jesu nur hier im Nominativ erscheint, während die anderen Erwähnungen im Dativ (Mk 9,4f.) bzw. Akkusativ (9,8) erfolgen und damit Ausdruck einer veränderten Perspektive der Darstellung des Geschehens sind: Das Geschehen auf dem Verklärungsberg ist in weiten Teilen ein Geschehen an Jesus. Die Erzählperspektive ist die der Jünger, zu deren Gunsten die Transfiguratio geschieht und aus deren Blickwinkel sie geschildert wird.195 Damit ist die Auswahl und Mitnahme der Jünger die narrative Voraussetzung der besonderen Erzählperspektive der narratio.196 Der zu Beginn der Verklärungsperikope ge191
Mit E.W. STEGEMANN, Rolle von Petrus, Jakobus und Johannes, 371. Ferner W.R. STEGNER, Use of Scripture, 112f. 192 Mit P. DSCHULNIGG, ThK-Mk, 244. Ähnlich J. Ernst, RNT-Mk, 257. 193 Vgl. für viele A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 81. 194 Mit R. PESCH, HThK-Mk I, 307.309. 195 Vgl. für viele z.B. A. FUCHS, Verklärungserzählung, 32. Vgl. auch D. LEE, Transfiguration, 14. Einen aus meiner Sicht nicht textgemäßen Schwerpunkt setzt H. B ALTENSWEILER [Verklärung Jesu, 62], wenn er die Funktion der Jünger auf die einfacher „Zuschauer der Ereignisse“ beschränkt. Weder wird er damit der Tatsache gerecht, dass Petrus – wenn auch in einer aus markinischer Sicht tadelnswerten Form – in V.5 durch seinen der Situation nicht adäquaten Vorschlag in das Geschehen direkt eingreift, noch beachtet er genügend, dass der Text weitere deutliche Signale aussendet, die die Jünger in das Handlungsgeschehen einbinden: YHSJ CWXVQKL (V.4) – CXMQWGVG CWXVQW (V.7) – RGTKDNG[COGPQKQWXMGVKQWXFGPCGK FQPCXNNC VQP8,JUQWPOQPQPOGS8GBC WVYP (V.8). In ihrer Summe weisen die Textindizien deutlich in eine andere als die von Baltensweiler gewiesene Richtung. 196 R. B ULTMANN [Geschichte der synopt. Tradition, 370] hat die Position vertreten, dass in der ursprünglichen Fassung der Verklärungsperikope nur von Petrus die Rede war und die beiden anderen Begleiter unter dem Einfluss der Berufungsperikope (Mk 1,16–
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
brauchte Terminus technicusRCTCNCODCPGKP197 steht hier mit einer gemeinschaftsbildenden Abzweckung, trägt jedoch eine deutliche autoritative Implikation hinsichtlich der Jesus-Jünger-Relation.198 Die Initiative geht von Jesus aus.1992CTCNCODCPGKPfindet sich zunächst innerhalb des markinischen Mittelteils im Zusammenhang der dritten Leidensankündigung, die wie die Verklärungsszene als Etappe GXPVJ^ QBFY^ nach Jerusalem konzipiert ist. In verdichteter Form finden sich Anklänge an Mk 9,2 in 14,33, wo die Momente des RCTCNCODCPGKP, der identischen Jüngerauswahl und der Absonderung an einen besonderen Ort begegnen. Die Ausführungen zur mikrokontextuellen Situierung der Verklärungserzählung und die noch vorzulegende Interpretation des göttlichen Imperativs CXMQWGVG CWXVQW in V.7d verweisen auf das passionstheologische Gefälle, in das Mk 9,2–8 als Ganzes eingebettet ist. Diese Einbettung lässt sich als Leseanweisung verstehen, mit der eine einseitig FQZCchristologische Rezeption des Textes ausgeschlossen wird, die als solche im Sinne einer kalten Christologie in die Gefahr geriete, Leiden und Tod als unwesentlich für das christliche Kerygma zu erachten.200 Diese Erkenntnis kann durch die Beobachtung weiter abgesichert werden, dass es zwischen der Verklärungs- und Gethsemaneszene beachtliche, bisweilen kontrastive Entsprechungen gibt.201 Lebt die Verklärungsperikope narrativ von
20) hinzugezogen worden sind. Diese Position erscheint mir nicht plausibel. Mit J.M. NÜTZEL [Verklärungserzählung, 91] ist die grundsätzliche Frage zu stellen, warum Andreas fehlt. Es fällt zudem auf, dass Bultmann an anderer Stelle weit vorsichtiger formuliert. Vgl. a.a.O., 279: „Nicht unmöglich ist auch, daß die Geschichte ursprünglich von Petrus allein erzählt wurde“. Ebenso wenig ist die Position U. BECKERs [Elia, Mose und Jesus, 10] durch den Text gestützt, dass „nicht die Drei herausgehoben, sondern Jakobus und Johannes … Petrus hinzugesellt“ werden. Die Belehrung von „QENQL und OCSJVCK in Mk 8,34–38 und die Prophezeiung an die VKPGL YFG VYP GBUVJMQVYP in 9,1 machen es unwahrscheinlich, dass bei der Verklärungsszene an einen (korrigierenden) „Kommentar zum unmittelbar vorausgehenden Petrusbekenntnis“ zu denken ist. So aber U. B ECKER, a.a.O., 10 (kursiv im Original, A.W.). 197 Das Verb RCTCNCODCPGKP findet sich im MkEv viermal mit Jesus als Subjekt. Objekte des „Mit-sich- Nehmens“ sind: Mk 5,40 (Petrus, Jakobus und Johannes samt Eltern des verstorbenen Mädchens); 9,2 (Petrus, Jakobus und Johannes); 10,32 (die Zwölf); 14,33 (Petrus, Jakobus und Johannes).2CTCNCODCPGKP findet sich ferner in 4,36 und 7,4. 198 Vgl. A. KRETZER, Art. RCTCNCODCPY. In: EWNT III (21992), Sp. 70. Auf einen religiös-vertieften, esoterischen Sinn des Verbs RCTCNCODCPGKP in den Mysterienkulten und in der Gnosis weist H. CONZELMANN [KEK-1 Kor, zu 11,23; 15,1–3] hin. 199 Vgl. für viele A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 81. 200 In diese Richtung argumentiert auch G. SELLIN [Symbolische und esoterische Züge, 88] ausgehend vom Schweigegebot in Mk 9,9: Dieser Vers habe „lediglich die Funktion, die bei der Verklärung sichtbar gewordene Doxa nicht unter Absehung von Passion und Kreuz absolut zu setzen“. Dieser Position schließt sich auch R. SCHWINDT [Erschütterung statt Freude, 78 Anm. 85] an. 201 Auf eine Motivübereinstimmung hat u.a. B.D. CHILTON [Transfiguration, 116] hingewiesen: „A privacy motif of Markan pedigree is evident here … and there is in the evangelist’s mind a connection between the events in Gethsemane (14,33) and the present scene“. J. FREY hat in seinem Aufsatz „Leidenskampf und Himmelsreise“ (S.82–84)
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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einem hohen Grad der Übereinstimmung zwischen Sohn und Vater, sodass in der Epiphanie des Sohnes das Wirken Gottes in dieser Welt spürbar wird, so setzt die Gethsemaneszene einen markanten Kontrapunkt: Der Wille des Sohnes und der des Vaters treten auseinander. Besonders hervorzuheben sind die Motive der Jüngerauswahl sowie der Lokalisierung des Geschehens. Die hervorgehobene Nennung der drei Jünger Petrus, Jakobus und Johannes, deren narrativer Effekt zugleich eine noch stärkere Fokussierung Jesu ist, verbindet unseren Text sowohl mit 5,37 als auch mit 14,33, wobei 9,2 und 14,33 insofern eine stärkere Motivkombination aufweisen, als an beiden Stellen sowohl das Motiv des Rückzugs als auch das der identischen Jüngerauswahl miteinander kombiniert werden.202 Beide Motive dienen dazu, die zu erzählende Begebenheit aus dem Fluss der bisherigen Erzählung herauszuheben und dem Geschehen eine „esoterische“ Note zu verleihen. Beide Erzählungen setzen in ihrer Verschiedenheit unterschiedliche
darauf aufmerksam gemacht, dass im Papyrus Berolinensis 22220 (vgl. die wissenschaftliche Ausgabe von Ch.W. HEDRICK; P.A. MIRECKI, Gospel of the Savior. A New Ancient Gospel. Santa Rosa 1999) die beiden Szenen Verklärung und Gethsemane als Inhalte zweier benachbarter Visionen erscheinen (100,33–51/113,2–115,32). Vgl. dazu die Übersetzung von H.M. SCHENKE, Das sogenannte „Unbekannte Berliner Evangelium“. In: ZAC 2 (1998), 199–213. Die in diesem Evangelienfragment anzutreffende „‚Verwilderung‘ der Tradition“ (mit J. FREY, a.a.O., 79) kann somit als Fortschreibung desjenigen Ansatzes gelten, der im MkEv durch die im Folgenden zu benennenden kontrastiven Affinitäten zwischen der Verklärungsperikope und der Gethsemaneszene grundgelegt worden ist. Die angesprochene Verwilderung der Tradition besteht im Papyrus Berolinensis 22220 darin, dass die synoptische Verklärungstradition mit einem visionären Aufstieg in einer Himmelsreise in Verbindung gebracht wird und die „Verklärung“ partiell auch den beobachtenden Jüngern zuteil wird. In 100,33ff. heißt es: „… auf dem Berge. Auch wir wurden wie geistige Körper. Unsere Augen wurden nach allen Seiten hin geöffnet. Der ganze Ort wurde vor uns enthüllt. Wir erreichten die Himmel, während sie sich gegenseitig öffneten. Die, die die Tore bewachen, gerieten ins Wanken. Die Engel gerieten in Furcht und flohen, weil […] sie dachten, daß sie alle zugrunde gehen würden. Wir sahen, wie unser Heiland alle Himmel durchquerte“ (100,33–51, Übersetzung von H.-M. SCHENKE). In einer großen kontextuellen Nähe zu dieser Himmelsreise steht der zweite Visionsbericht (113,1ff.), in den ein an die synoptische Gethsemanetradition erinnerndes Gebet Jesu platziert wird, in dem Jesus dreimal den Vater darum bittet, dass der Kelch nach Möglichkeit von ihm genommen werde. Eine literarische Verarbeitung der Gethsemanetradition ist offensichtlich (mit J. FREY, a.a.O., 83f.), wobei jedoch der Ort des Gebets nicht Gethsemane, sondern nun der Himmel ist. Die Positionierung des an die Gethsemanetradition erinnernden Gebets Jesu in Verknüpfung mit dem Motiv einer Himmelsreise fügt sich ein in die bereits in Mt 26,36–46; Lk 22,39–46; Joh 12,27f.; Hebr 5,7f. bezeugte Tendenz, die theologische Schärfe der markinischen Gethsemaneszene zu mildern. 202 Eine stärkere Motivübereinstimmung ergibt sich zudem aus der Beobachtung, dass in 5,37–43 die Eltern anwesend sind (vgl. 5,40), was den in 9,2–13 und 14,32–42 vorliegenden „esoterischen“ Duktus der Erzählung empfindlich stört. Die in der Verklärungsund Gethsemaneszene vorliegende Motivkombination wird in der lukanischen Parallelbezeugung nochmals dadurch verstärkt, dass als Intention des Bergaufstiegs Jesu dessen Gebetswunsch genannt wird (vgl. Lk 9,28: CXPGDJ GKXL VQ QTQL RTQUGWZCUSCK), womit zugleich korrespondiert, dass die eigentliche Transfiguratio GXP VY^ RTQUGWEGUSCK (V.29) erfolgt.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Akzente, die jedoch gerade in ihrer Komplementarität erhellend für die markinische Christologie sind: Macht die Farbe des Gewandes Jesu seine Zugehörigkeit zur himmlischen Welt optisch deutlich und wird diese optische Wahrnehmung durch die himmlische Audition bestätigt, sodass sich die Szene einer Aktionseinheit von Gott-Vater und Sohn annähert, so weist sein Gebet in Gethsemane vor seinem Leiden kontrastiv zur Verklärungsszene auf „seine Bedrohung durch den Bereich des Todes und der Gottesferne“ hin203, womit das Schweigen Gottes auf das Gebet Jesu hin korrespondiert. Wird Jesus in Mk 9,7 durch die Himmelsstimme als QB WKBQL OQW QB CXICRJVQL prädiziert, so entspricht dieser Prädikation Jesu die Gebetsanrede Gottes als CXDDC (14,36). Nur an dieser Stelle des MkEv wendet sich Jesus in einem Gebet an seinen „Vater“204 und bestätigt so die hierzu komplementäre Prädikation Jesu als „Sohn“. Greift Gott mittels der seiner Autorität geschuldeten Metamorphose Jesu (9,2c) und der Prädikation aus der Wolke in das erzählte Geschehen ein, so wird in Mk 14,32–42 kontrastiv hierzu sein Schweigen festgehalten: „Gott ist der Herr der Geschichte, indem er auf ein Eingreifen verzichtet; er ist Retter, indem er sich in der Situation der Not zurückhält; er schafft Heil, indem er das Unheil zulässt.“205 Lenken die weiße Farbe des Gewandes Jesu, der Dialog mit den himmlischen Gestalten sowie die Stimme GXMVJLPGHGNJLdie Aufmerksamkeit des Lesers auf den himmlischen Bereich, so indiziert die Bemerkung GRKRVGPGXRK VJLIJLin 14,34 eine gegenläufige Bewegung. 206 Die Negativbeschreibung der Jünger, die in der Verklä-
203 Mit G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 191. Für diese weitreichende Deutung spricht die bewusste Verbauswahl. Markus kombiniert zur Darstellung der emotionalen Verfassung Jesu die Verben GXMSCODGKUSCK und CXFOQPGKP. Kann das erste Verb einen positiven Inhalt aufweisen (z.B. „erstaunt sein“), so determiniert die Kombination mit CXFOQPGKP einen pejorativen Aussagewert. Letzteres ist mit „Angst haben“ (Platon, Theait 175d: DNGRYP OGVGYTQLCPYSGP WBRQ CXJSGKCLCXFJOQPYPVG MCK CXRQTYP); „schwer beunruhigt sein“ (Plutarch, VitAnton 51) bzw. „in blankes Entsetzen geraten“ (Xenophon, HistGraec D IV 3: CXFJOQPJUCK VCL [WECL KXFQPVCL VJP CXUGDGKCP) wiederzugeben. Vgl. LIDDELL/SCOTT, Lexicon, 21. In Mk 9,15 findet GXMSCODGKUSCK, das neutestamentlich exklusiv im MkEv bezeugt ist, Verwendung zum Ausdruck der Reaktion auf das Kommen Jesu, wobei die Kombination mit der Erzählnotiz RTQUVTGEQPVGLJXURC\QPVQCWXVQP einen postiven Aussagewert erzwingt. Die Kombination der Verben GXMSCODGKUSCK und CXFOQPGKP malt hingegen „den äußersten Grad eines grenzenlosen Entsetzens und Leidens“ aus (mit E. LOHMEYER, KEK-Mk, 314), sodass diese Verben die kommende Passion in der Gemütsbewegung Jesu terminologisch vorwegnehmen. 204 Vom Beten Jesu ist zudem in Mk 1,35 und 6,46 die Rede, ohne dass Informationen über die Art oder den Inhalt des Gebets Jesu mitgeteilt werden. In engster Korrespondenz mit Mk 14,36 steht –ausgehend von der direkten Gebetsanrede Jesu in aramäischer Sprache sowie der Wiedergabe des konkreten Gebetsinhaltes – der Kreuzesruf Jesu in 15,34, der jedoch in Verwendung des Incipits des Ps 21 LXX nicht von CDDC RCVJT, sondern von GNYK spricht. Vgl. dazu R.E. BROWN, Death II, 1046. 205 Mit G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 194. 206 Dieser Gedanke wird durch die Lokalisierung des Gartens in Gethsemane favorisiert. Spielt die Verklärung auf einem Berg, also einem Ort, der nach gemeinbiblischer Einschätzung dem göttlichen Bereich näher ist, so verweist die Lokalisierung des Ortes des Gebetsringens Jesu – Tallage am Westfuß des Ölberges – auf die emotionale Verfassung Jesu. Vgl. zur Lokalisierung von Gethsemane z.B. K. B IEBERSTEIN; H. B LOEDHORN, Jerusalem I, 128.156; Jerusalem III, 243–248; W. BÖSEN, Letzter Tag, 130–140; E. OTTO, Jerusalem – die Geschichte der Heiligen Stadt, 151. Von besonderem Interesse ist
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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rungsszene in Mk 9,5f. vergleichsweise zurückhaltend kommuniziert wird, wird in der Gethsemaneszene mittels der Jüngerschelte geradezu zu einem Gliederungsmerkmal des Textes (vgl. 14,37f.; 14,40f.) ausgebaut. Die markinische Präferenzvokabel GXMSCODGKUSCK207 dient im direkten kontextuellen Umfeld der Verklärungserzählung (9,15) dazu, die Erregung des Volkes zum Ausdruck zu bringen, in der Gethsemaneszene jedoch Jesu emotionelle Erschütterung zu kommunizieren. Stellen der göttliche Imperativ, auf Jesus zu hören (9,7), sowie das Gespräch beim Abstieg vom Berg der Verklärung (9,9– 13) Jesus als solchen dar, der im Einklang mit dem Willen des Vaters der Passion entgegengeht, so wird in der Gethsemaneszene Jesu Ringen mit dem Passionsgeschick dargestellt, sodass der Wille Jesu und der Wille Gottes als auseinandertretend dargestellt werden.208 Bis hin zur Gethsemaneerzählung wird Gott als „Quelle von Jesu Macht und Würde“ dargestellt209, wobei als Höhepunkt einer solchen Darstellung die auf göttliche Initiative zurückgehende Metamorphose Jesu angesprochen werden kann. Die durch die Sequenz des göttlichen Imperativs und der passionstheologisch geprägten Ausführungen Jesu während des Bergabstiegsgesprächs (9,9–13) implizierte Übereinstimmung Jesu mit dem Willen des Vaters, die prägend für den Verlauf des Evangeliums ist, ist ab der Gethsemaneszene in Mk 14,32–42 nicht mehr erkennbar. Verklärung und der Auftakt der Passion werden so in eine komplementäre Ergänzung zueinandergebracht.
Der Aufstieg auf den Berg, den klassischen Ort des Offenbarungsempfangs, verweist zusammen mit der Zeitangabe und der Jüngerauswahl auf dabei das historische Detail, dass in unmittelbarer Nähe von Gethsemane an den Osthängen des Kidrontales in neutestamentlicher Zeit bedeutende Nekropolen platziert waren, die noch zur Zeit Jesu als Begräbnisstätten genutzt wurden. Die damit kommunizierte Nähe Jesu zum Totenreich tritt somit in kontrastive Entsprechung zum Verklärungsgeschehen im Sinne einer Begegnung mit der göttlich-himmlischen Sphäre. Der Gestus des Niederfallens Jesu (Mk 14,35a) lenkt zudem weitere Plausibilität auf diese Vermutung, zumal das markinische GRKRVGPGXRK VJL IJL nicht hinreichend als Gebetsgestus (vgl. z.B. ApkMos 27; TestHiob 3,4: MCK GXIY CXMQWUCL MCVGRGUC GXRK VJP MNKPJP OQW RTQUMWPYP MCK NGIYP …) oder Demutsgeste erklärbar ist, sondern als Ausdruck der emotionalen Verfassung Jesu dient. Gegen J. GNILKA, EKK-Mk II, 260: „unterwürfige Gebetsgebärde“; E. LOHMEYER, Markus, 315: „demütige Gebärde des Gebetes“. Mit R. FELDMEIER, Krisis des Gottessohnes, 163f.: „Ausdruck des panischen Schreckens“ mit Verweis auf O. KEEL, Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen. Zürich/Neukirchen 31980, 289. Ferner R.E. BROWN, Death I, 165. 207 Das Verb GXMSCODGKUSCK bezeichnet in Mk 9,15 die Reaktion der Volksmenge auf den vom Verklärungsberg herabsteigenden Jesus, worin eine freie christologische Verarbeitung der entsprechenden Mosetradition von Ex 34,29–34 liegen dürfte mit dem Unterschied, dass das Volk Jesus nicht fürchtet, sondern – im Gegenteil – zu seiner Begrüßung herbeieilt. Diese Deutung ist angesichts der Dominanz der Sinaimotivik in 9,2–8 höchst erwägenswert und wird durch die markinischen Präferenzausdrücke GWXSWL und RCL QB QENQL in 15a unterstützt, die auf eine redaktionelle Bearbeitung dieses Verses schließen lassen, mit der der Redaktor die in 9,2–8 und 9,14–29 verarbeiteten Traditionen aufeinander abstimmen wollte. Vgl. die Überlegungen bei J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 160–162. Ferner R. FELDMEIER, Krisis des Gottessohnes, 148 mit Anm. 32. In Mk 16,5f. dient GXMSCODGKUSCK zur Wiedergabe der Reaktion der Frauen am leeren Grab. 208 Vgl. G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 195. 209 Mit R. FELDMEIER, Krisis des Gottessohnes, 118.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
die entsprechenden Teile der Exodustradition. Wie Mose steigt Jesus auf den Heiligen Berg (Ex 19,3; 24,9f.; 24,13). Aaron, Nadab und Abihu gleich werden mit Petrus, Jakobus und Johannes drei Begleiter explizit genannt (Ex 24,1). Wie in Ex 24,16 werden die sechs Tage dezidiert mit dem Offenbarungsempfang korreliert. Damit ist die narrative Vorbereitung auf die im Folgenden geschilderte Epiphanie weit vorangeschritten. Vor der Interpretation der eigentlichen Verklärung Jesu ist das Bergaufstiegsmotiv näher zu bedenken. 3.4 Berg- und Bergaufstiegsmotiv (Mk 9,2b) Das letzte Element der Propädeutik des Verklärungsgeschehens liegt im Motiv des Hinaufführens auf einen hohen Berg. Während im MkEv an 11 Stellen (3,13; 5,5.11; 6,46; 9,2.9; 11,1.23; 13,3.14; 14,26) das LexemQTQL begegnet, ist exklusiv in Mk 9,2 von einemQTQLWB[JNQP die Rede, was in Korrespondenz zur Wichtigkeit stehen dürfte, die Mk selbst dem folgenden Epiphaniegeschehen zuspricht.210 Wenn der Berg „im Markusevangelium der Ort für ein ‚erhabenes‘ Geschehen“ ist211, dann ist dieses durch das Adjektiv WB[JNQPnochmals gesteigert und betont. Wie das ebenso im Praesens historicum platzierte RCTCNCODCPGK in Mk 9,2a enthält auch das – im MkEv nur an dieser Stelle belegte – CXPCHGTGK in Mk 9,2b eine deutliche autoritative Implikation. Der damit herausgestellten Initiative Jesu entspricht die „gehorsame Passivität der Jünger“.212 Die dem Verb CXPCHGTY innewohnende kultische Implikation ist von der Auslegung dieser Stelle jedoch fernzuhalten.213 Das Wort ist in seiner Grundbedeutung gebraucht 210 Ein QTQLWB[JNQP findet sich in der LXX in Dtn 12,2; Jes 14,13; 57,7; Jer 3,6; Ez 17,22; 40,2. Vgl. auch TestLev 2,5. 211 Mit G. LÜDERITZ, Rhetorik, 191. 212 Gut bei S. P ELLEGRINI, Elija, 308 Anm. 88. 213 Vgl. J. KREMER, Art. CXPCHGTY. In: EWNT I (21992), Sp. 226–227; K. WEIß , Art. HGTY MVN. In: ThWNT IX (1973), 62f.68–70. Anders der phantasiereiche Ansatz bei K. F ISCHER [Rätsel, 14 mit Anm. 9], der aus der Zwischenstellung der Notiz GKXL QTQL WB[JNQP zwischen dem Verb CXPCHGTGK und dem mit OGVGOQTHYSJGORTQUSGPCWXVYP ausgedrückten Verwandlungsmotiv unmittelbar auf die kurz zuvor ausgesprochene erste Leidensankündigung schließt und dazu auf die opfertheologische Dimension des Verbs CXPCHGTGKP, insbesondere auf dessen Verwendung in Gen 22,1–9 LXX verweist. Die ausgewählten Jünger werden so „selbst zu Kreuztragen und Nachfolge aufgerufen“. Die Schau des verklärten Jesus heile die Jünger von Blindheit („Mk 8, 22ff; 10,46ffPar“) und lasse diese über den Einwurf des Petrus MCNQPGXUVKPJBOCLYFGGK PCK (Mk 9,5) in Freude über die „Vollendung der Schöpfung“ geraten, insofern das MCNQP „auf den Schöpfungshymnus Gen 1“ verweise. Gegen diese weit über den vorliegenden Wortlaut hinausgehenden Ausführungen Fischers ist jedoch einzuwenden, dass die in Mk 9,7 ggf. enthaltene Allusion an Gen 22,2 LXX nicht stark genug gemacht werden kann, um von dort aus eine opfertheologische Dimension des Verbs CXPCHGTGKP in Mk 9,2 wahrscheinlich zu machen. Eine „opfertheologische“ Dimension des CXPCHGTGK in 9,2 wäre erst noch zu be-
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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und bezeichnet den autoritativen Akt des Hinaufführens hin zum Ort der besonderen Offenbarung. Wie im AT ist der Berg auch hier die besondere Stätte der göttlichen Offenbarung und der Gottesbegegnung, da ein solcher Ort im atl.-jüd. Denken als derjenige Platz begriffen wird, der der göttlichen Sphäre am nächsten kommt.214 Zusammen mit dem übrigen verarbeiteten Motivinventar verweist die Erzählung auf den narrativen Zusammenhang von Ex 19–34, wobei sich in Ex 24 die Bezüge gleichsam verdichten. Durch diese m.E. unverkennbaren intertextuellen Bezüge wird ein Vergleich Jesu mit Mose initialisiert215, der sodann mittels der Unterredung der drei Himmlischen in V.4 und durch die Einspielung der prominenten Mosetradition von Dtn 18,15–18 LXX in V.7 „höchstrichterlich“ entschieden wird: Die theologische Dignität Jesu ist unvergleichbar. Die zentralen motivlichen Elemente der Sinaiszene und der Verklärungsperikope – Berg und Wolke – sind beide dazu geeignet, narrativ die Distanz zwischen Himmel und Erde zu überbrücken, und zwar durch den Berg von unten her und durch die Wolke von oben her.216 Erzähllogisch wird durch diese angedeutete „Verschmelzung“ der irdischen und himmlischen Sphäre das Erscheinen der beiden Himmelsbewohner vorbereitet. Die Versuche, das im MkEv beliebte MCV8 KXFKCP OQPQWL (zu MCV8 KXFKCP vgl. noch 4,34; 6,31f.; 7,33; 9,28; 13,3) als redaktionelle Einfügung wahrscheinlich zu machen, sind überzeugend, wobei zugleich zu bedenken ist, dass das Rückzugs- und Einsamkeitsmotiv ein topischer Zug von geheimen weisen. Zudem ist auf die weite Sperrung zu verweisen, die wenig Plausibilität auf diesen Vorschlag lenkt. Der Terminus CXPCHGTGKP erklärt sich m.E. hinreichend im einfachen Sinn einer „Heraufführung“ der drei Jünger hin zum Ort des Epiphaniegeschehens. Von einer Heilung der Blindheit der Jünger im Hinblick auf die Person Jesu kann ebenso wenig die Rede sein. Die Verklärung bleibt eine unverstandene Epiphanie! Auch der Versuch W. GRUNDMANNs [ThHK-Mk, 181], auf die opferkultische Dimension vom CXPCHGTGKP mittels des Verweises auf Jesu „messianisches Priestertum“ zu schließen, lässt sich nicht genügend plausibel machen. 214 Vgl. die entsprechenden Belege im Exkurs „Jüdische Elemente der Verklärungserzählung“ in Kapitel 3 (3.2) dieser Studie. 215 So auch D.S. DU T OIT [Abwesender Herr, 347 Anm. 90], der jedoch in seiner Exegese der markinischen Verklärungsperikope jegliche Sinai-/Mosetypologie konsequent ablehnt. Dass jedoch die Bezüge von 9,2–8 zu Ex 24/34 „nur retrospektivisch als solche“ erkennbar seien, leuchtet mir nicht ein. Mk 9,2–8 lässt sich m.E. besser interpretieren, wenn in den entsprechenden Passagen des Buches Exodus das Gestaltungsprinzip der vorliegenden christologischen Legitimationserzählung erkannt wird mit der Zielsetzung, die theologische Überlegenheit Jesu zu erweisen. 216 Vgl. dazu auch Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 212. Für die motivgeschichtlich verwandte „Himmelsspaltung“ in Mk 1,10 führt E.S. MALBON [Narrative Space, 82] aus: the „gulf between two realms has now been bridged; the heavenly and the earthly are as close as parent and child“.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Offenbarungsszenen ist. Da aber im Aufstiegsmotiv und in der expliziten Erwähnung der Höhe des Berges (WB[JNQP!) das die Epiphanie vorbereitende Motiv der Abgeschiedenheit vom Weltgebaren zur Genüge ausgedrückt ist, dürfte das verstärkendeMCV8KXFKCPin Verbindung mit dem betont steigernden OQPQWLtatsächlich der redaktionellen Arbeit des Evangelisten zuzuschreiben sein. Die Zusammenfügung des MCV8 KXFKCP mit dem „überschießenden“OQPQWL lässt auf das Bestreben des Redaktors schließen, die Atmosphäre größtmöglicher Abgeschiedenheit und Exklusivität des Geschehens entstehen zu lassen. Damit verbindet sich ein zusätzlicher Gedanke: Auf die markinische Tendenz, aus dem Kreis der Zwölf eine Untergruppe von drei Jüngern – Petrus und die Zebedaiden Jakobus und Johannes – nochmals abzuheben, ist bereits hingewiesen worden. Zusammen mit Petrus, der kontinuierlich namentliche Erwähnung findet und bisweilen die Initiative ergreift, werden die Zebedaiden „der Teilnahme an besonderen Ereignissen und der Einweihung in besondere Geheimnisse gewürdigt“ (vgl. 5,37; 9,2; 14,33).217 Die auffallende Wendung MCV8 KXFKCP OQPQWL trägt nun dieser Tendenz Rechnung und betont durch die Exklusivität ihrer Zeugenschaft ihre herausgehobene Position im Zwölferkreis. Das MkEv zeigt kein Interesse an einer Lokalisierung des Verklärungsberges, der hier – anders als in 2 Petr 1,18 – auch nicht alsC=IKQPQTQLerscheint. Eine eindeutige motivgeschichtliche Zuweisung des Berges der Verklärung zum Sinaiberg ist nicht möglich. Der Verweis ist eher spielerisch zu verstehen, ist aber als solcher gleichwohl ernst zu nehmen: Die Erwähnung des QTQL WB[JNQP in Mk 9,2 ruft im Zusammenklang mit den anderen an Ex 24/34 erinnernden Motiven die emotionale Assoziation an den Berg Sinai hervor.218 Entscheidend ist der kumulative Effekt der diversen „Sinai-Assoziationen“. Nicht eine topographische Identifizierung ist der Skopus der Erwähnung dieses Berges, sondern eine theologische Assoziierung. Der Berg gilt im biblischen Denken als der bevorzugte Ort göttlicher Offenbarung, insofern er der göttlichen Sphäre näher ist.219 P.-G. Klumbies hat überzeugend darauf 217
Mit E.W. STEGEMANN, Rolle von Petrus, Jakobus und Johannes, 371. In biblischer Tradition sind der Sinai und der Zion die mit der besonderen Präsenz Gottes verbundenen Berge. Vgl. dazu W. FOERSTER, Art. QTQL. In: ThWNT V (1954), 480; H. KLEINE, Art.QTQL. In: EWNT II (21992), Sp. 1304–1307. 219 Vgl. Bar 13,1: Baruch hört das Wort vom kommenden Gericht auf dem Zion; Apk Abr 9: Gott zeigt Abrahm die Äonen von einem hohen Berg aus; TestNaph 5,1: Naphtali erlebt auf dem Ölberg eine Vision: GXPICTGVGKVGUUCTCMQUVY^ \YJL OQWGK FQPGXPQTGUKP GXNCKQW MCVC CXPCVQNCL 8,GTQWUCNJO Q=VK QB J=NKQL MCK JB UGNJPJ G=UVJMCP. ApkEl 2: Elija wird für eine Offenbarung auf das Gebirge Seir geführt. Insofern der Berg in altorientalischer und biblischer Tradition Ort von Visionen und Ausgangspunkt von Himmelsreisen ist – vgl. nur TestLev 2,5: VQVGGXRGRGUGPGXR8GXOG W=RPQLMCK GXSGCUCOJPQTQLWB[JNQP; ferner äthHen 18,6–16; LibAnt 48,1; ApkAbr 12,7 –, ist der Berg zugleich als Schnitt218
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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hingewiesen, dass im mythischen Denken „der Ort einer Begebenheit“ stets „etwas über den Charakter eines Geschehens“ aussagt und somit integraler Bestandteil der erzählten Sache ist.220 Ich werte die Erwähnung des hohen Berges als einen epiphanialen Hinweis mittels der Anspielung auf die Sinaitradition. Innerhalb der biblischen Berge ragen im alttestamentlichen Bereich der Sinai (vgl. nur Ex 19,11; 24,16) und der Zion (vgl. nur Jes 2,3; Jer 6,1–4) heraus, wobei in theologischer Hinsicht der Verklärungsberg deutlich mit dem ersten zu identifizieren ist.221 Es stellt zudem punkt zwischen göttlicher und menschlicher Sphäre anzusprechen. Vgl. z.B. T.L. D ONALDSON, Jesus on the Mountain, 141f.; G. G UTTENBERGER, Gottesvorstellung, 85f.; E.S. MALBON, Narrative Space, 84. Zum Berg als Wohnsitz Gottes, aber auch zum Ort „gesteigerten Lebensgefühls“ vgl. O. KEEL, Welt der altorientalischen Bildsymbolik, 100–105. So ist der Berg als der typische Ort göttlicher Offenbarungen im biblischen Bereich anzusprechen. Vgl. nur W. ECKEY, Markusevangelium, 235. Ähnlich auch J. GNILKA, EKK-Mk II, 33; A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 82. Vgl. auch Belege bei W. FOERSTER, Art. QTQL. In: ThWNT V (1954), 480f. 220 Vgl. P.-G. KLUMBIES, Konzept des ‚mythischen Raumes‘, 105. 221 Der Verfasser des MkEv hat kein Interesse an der topographischen Lokalisierung des Berges der Verklärung. Mit H. CONZELMANN, Mitte der Zeit, 50; A. FUCHS, Verklärungserzählung, 33; D. LEE, Transfiguration, 15; J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 93. So ist Abstand zu nehmen von jedem Versuch, den Berg der Verklärung zu lokalisieren. Vgl. grundlegend U. V. W ILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Verklärung Christi, 284 mit Anm. 1. Die traditionelle Deutung auf den Berg Tabor (vgl. Cyrill Cat.Myst XII 16) scheidet aufgrund der glaubwürdigen Notiz in Jos Bell IV 1 aus. Vgl. dazu R. R IESNER, Art. Tabor, 1517–1520. Das QTQL der Verklärung ist eine theologische, keine topographische Größe. Gut bei F.R. MCCURLEY, „And after six Days“, 79: „The horos hypselon of Mark 9:2, therefore, is Sinai – not in terms of geography, but in terms of theological tradition.“ Die historisierenden Versuche einer topographischen Lokalisierung – vgl. dazu die Literaturverweise bei J.M. NÜTZEL, a.a.O., 93 Anm. 34 – sind ebenso zum Scheitern verurteilt wie an der narrativen Intention des Textes vorbeigehend. In narrativtheologischer Hinsicht ist der Berg der neue Sinai der mit Jesu Auftreten angebrochenen messianischen Ära. Vgl. auch die Einschätzung bei P.-G. KLUMBIES, Konzept des ‚mythischen Raumes‘, 110 Anm. 42. Dort Verweis auf K. HÜBNER [Wahrheit, 165], wonach „numinose Orte … überhaupt nicht in den profanen Raum eingebettet werden“ können. Sie seien „von Menschen nur unter besonderem numinosen Beistand zu betreten“. Dennoch ist bei der Interpretation der Verklärungserzählung der Versuch des Verfassers ernst zu nehmen, die Jesusgeschichte topographisch einzubinden, da für das MkEv die Erkenntnis H. CANCIKs [Gattung Evangelium, 93] herauszuheben ist: „Die Geschichte spielt nicht in Utopia, sondern – mögen die geographischen und chronologischen Angaben noch so spärlich und ungenau sein – in der römischen Provinz Syrien zur Zeit des Kaisers Tiberius.“ Da es Indizien gibt, dass das MkEv, wenn auch keine exakten, so doch hinreichend große topographische Kenntnisse Palästinas besitzt – vgl. dazu G. T HEISSEN, Lokalkolorit, 246–270; Th. SCHMELLER, Jesus im Umland, 49: „im großen Ganzen gut informiert“; kritischer L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 8f.: „Phantasielandschaft“ –, ist die Notiz von 8,27 ernst zu nehmen. Wir wären so auf einen Berg im Norden Israels im Hermonmassiv verwiesen. So auch – wenngleich mit historisierender Tendenz – S.L. J OHNSON, Transfiguration of Christ, 135; A.A. T RITES, Transfiguratio of Je-
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
einen lohnenden Versuch dar, die Auswahl des Offenbarungsortes in Mk 9,2 vor dem Hintergrund der sonstigen tempelkritischen Passagen im MkEv zu beleuchten. Eine solche tempelkritische Linie wird besonders im Zusammenhang der Passionsgeschichte (vgl. nur 13,2; 14,58; 15,29; 15,38) greifbar und wird hier m.E. präludiert. Obwohl der Tempel dem zeitlichen Aufriss des MkEv zufolge noch steht, findet die Offenbarung des Gottessohnes am Jordan (1,9–11) bzw. auf dem Berg (9,2–8) statt. Auch ertönt die göttliche Stimme nicht in Jerusalem, dem religiösen Zentrum Palästinas, sondern fernab davon.222 3.5 Das Verwandlungsmotiv (Mk 9,2c) Durch ein parataktisches MCK angeschlossen wird im Teilvers 9,2c die Metamorphose Jesu erzählt, mit der sich der entscheidende Wandel im Verlauf der Verklärungsnarratio vollzieht. Die Deutung des OGVGOQTHYSJ als Passivum divinum vorausgesetzt, sind die ab 9,2c erzählten Elemente der Handlung ein Geschehen an Jesus. Die Metamorphose Jesu ist – wie es der narrative Duktus nahelegt – zeitlich sogleich im Anschluss an den Bergaufstieg zu verorten. Von einer über die Jüngerauswahl und den Bergaufstieg hinausgehenden weiteren Vorbereitung auf das Verklärungsgeschehen wird nicht berichtet.223 Dem Teilvers Mk 9,2c ist allein von daher sus, 72. Ferner R. RIESNER, Versuchung und Verklärung, 203. Das Hermonmassiv markiert in der biblischen Topographie als südlichsten Teil des Antilibanon die Nordgrenze Israels und stellt somit im topographischen Aufriss des MkEv denjenigen Ort dar, der dem Leidensort „Jerusalem“ am weitesten entfernt ist. Laut Jos Ant II 138; Bell II 247 gehörte das Hermonmassiv zur Zeit der Entstehung des MkEv zum Herrschaftsgebiet von König Agrippa II. Es lassen sich durch außerbiblische Quellen Tendenzen zur Deifizierung des Hermon nachweisen, womit übereinstimmt, dass im unmittelbaren Umfeld des Hermon Reste von 23 Tempeln gefunden wurden. Vgl. dazu die Belege bei G. GUTTENBERGER , Gottesvorstellung, 86f. Spekulativ und unbegründet bleibt die – ebenso auf das Hermonmassiv weisende – Vermutung M. M ACHs [Christus Mutans, 195 mit Verweis auf G.W.E. NICKELSBURG, Enoch, Levi and Peter, 575–600], dass hinter der Gestalt des Mose, die in der Transfigurationserzählung begegnet, ursprünglich Henoch zu vermuten sei, da der Verklärungsort unweit der Stelle zu lokalisieren sei, die vom Wächterbuch für die Himmelsreise des Henoch angegeben werde. Dass Jesus in Mk 9,2–8 parr. in die Rolle des Henoch „schlüpft“, um so den traditionellen Henoch zu überbieten, wäre erst noch zu beweisen. Das Motiv der theologischen Überbietung des Mose durch Jesus, auf die die konsequente Verarbeitung von Elementen aus Ex 24/34 hinweist, legt es keinesfalls nahe, „hinter Mose einen ursprünglichen Henoch zu vermuten“. 222 Vgl. dazu die Gedanken bei G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 87. 223 Lukas erweitert in 9,28 die markinische Vorlage um den für ihn zentralen Topos des Gebets (CXPGDJGKXLVQ QTQLRTQUGWZCUSCK, vgl. ferner Lk 3,21; 5,16; 6,12; 9,18; 9,28; 11,1; 22,41; 23,46), mit dem er Jesus an den entscheidenden Stellen mit Gott-Vater in Kommunikation bringt. Vgl. F. BOVON, EKK-Lk I, 494. Ferner H. B ALZ, Art. RTQUGWEQOCK. In: EWNT III (21992), Sp. 407. Vgl. auch J. E APEN, Transfiguration, 198f.; M. T HEOBALD, Tod Jesu, 26 mit Anm. 110. Durch die ersatzlose Streichung des Walker-
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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besondere Aufmerksamkeit zu widmen, da er die eigentliche Verklärung thematisiert, die in 9,3 mittels des Walker-Vergleichs volkstümlichbildhaft illustriert wird. Die Teilverse 9,2a.b wurden in der oben vorgelegten Auslegung als Propädeutik desjenigen Geschehens definiert, das nun mit 9,2c–3 narrativ entfaltet wird. Obgleich das Verwandlungsmotiv in Mk 9,2c und die Deutung dieses Motivs in 9,3 eine einzige Sinneinheit bilden224, sollen dennoch die Teilverse 9,2c und 9,3a.b um einer größeren Übersichtlichkeit willen getrennt ausgelegt werden. Gattungskritisch wurde im ersten Kapitel der Vorschlag gemacht, die Verklärungserzählung als ganze unter die Kategorie „Epiphanieerzählung“ zu subsumieren. Die zu Beginn dieser Epiphanieszene geschilderte Metamorphose Jesu muss daher als Fundament der Epiphanie beschrieben werden, da das Verwandlungsmotiv an sich, das Erscheinen der himmlischen Besucher, der Vorschlag des Petrus und die Himmelsstimme als integrale Bestandteile der einen Epiphanieerzählung anzusprechen sind. Die Verwandlung Jesu liegt also der Epiphanieerzählung zugrunde, was zugleich bedeutet, dass der epiphaniale Gehalt der Verklärungserzählung nicht exklusiv auf das Metamorphosemotiv beschränkt werden kann. Unabhängig von der Frage, ob das Verb OGVGOQTHYSJ – wie in dieser Studie favorisiert – die Verklärung im Sinne eines Passivum divinum als Tat Gottes interpretiert oder aber ob die Initiative Jesu, die in Mk 9,2a.b Vergleichs erreicht er eine stärkere Konzentration auf die für ihn wichtige Gebetsthematik. Mit J. SCHREIBER, Sonne im MkEv, 361 Anm. 26. Die Tatsache, dass in V.29 das Gebet eine nochmalige Erwähnung findet, indiziert, dass auf diesem Topos eine Emphase der lukanischen Verklärungserzählung liegt. Berg- und Gebetsmotiv verstärken in ihrem Zusammenspiel den Eindruck der göttlichen Sphäre, in der sich die Verwandlung Jesu vollzieht, die als solche dem profanen Zugriff entzogen ist. Lukas reduziert beim zweiten „Berggebet Jesu“ (mit H. C ONZELMANN, Mitte der Zeit, 51) durch die Streichung der markinischen Formel MCV8 KXFKC P OQPQWL und die Hinzunahme des Gebetsmotivs das exklusiv-esoterische Moment im markinischen Bericht zugunsten eines spirituellen Momentes. Im lukanischen Parallelbericht fungiert das Motiv des Betens als weitere – über den Mk-Text hinausgehende – propädeutische Handlung, es kann sogar angesichts der auffälligen Betonung im Folgevers (MCK GXIGPGVQGXPVY^ RTQUGWEGUSCKCWXVQP … ) als die entscheidende Handlung zur Vorbereitung der Metamorphose begriffen werden. Die Transfiguration erfolgt während des Gebets Jesu, bei dem es sich nicht um ein Bittgebet handelt. Das benutzte Verb RTQUGWEGUSCK (nicht CKXVGKP) ist nicht Ausdruck einer Bittstellung, sondern der innigen Verbindung Jesu zu seinem Vater, „der radikale[n] Bereitschaft für Gott, der Hörwilligkeit für sein Wort und Offenheit für seinen Auftrag“. Mit L. FELDKÄMPER, Betender Jesus, 50. Zum Konnex der Transfiguration und des Gebets in der lukanischen Parallelversion vgl. insbesondere die Ausführungen bei D. LEE, Transfiguration, 69f. 224 Mit Chr. NIEMAND [Studien, 81] ist treffend von zwei Gliedern zu sprechen, aus denen die Erzählung der eigentlichen Verklärung im MkEv besteht (Mk 9,2c–3b), wobei das zweite Glied (9,3a) durch den angeschlossenen Walker-Vergleich (9,3b) narrativ ausgemalt ist.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
dominierend ist, bis in den Teilvers c hinein zu verlängern ist, sodass dieses passivische Verb eine mediale Bedeutung aufweist, wie D. Zeller wiederholt postuliert hat225, ist zu notieren, dass sich mit dem Teilvers 9,2c die Perspektive der Erzählung („point of view“) ändert226: Die Notiz von der Verwandlung Jesu wird dezidiert durch die Zusatzinformation GORTQUSGP CWXVYPpräzisiert227, womit eine Erzählperspektive eingenommen wird, die bis zum Schluss der Erzählung leitend ist: Die Erzählperspektive ist die der Jünger, aus deren Blickwinkel das Geschehen dargestellt wird und zu deren Gunsten die Verwandlung geschieht.228 Auf dem GORTQUSGP CWXVYP
225
Vgl. z.B. D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 112. Vgl. die grundlegenden Ausführungen bei W.S. VORSTER, Markus, 31–35. Die Verklärungsperikope erweist sich als ein Paradetext für die bei Vorster gemachten Beobachtungen zum „Erzähler“ des MkEv: Demnach ist Mk als auktorialer Erzähler an der Seite der Erzählfiguren, wohin diese sich auch begeben. Er wird damit Zeuge auch verborgen-esoterischer Begebenheiten (vgl. 9,2: … MCV8KXFKC POQPQWL), ist über die Emotionen seiner Erzählfiguren informiert und nimmt sich die Freiheit, diese zu beurteilen (9,5f.). Der Erzähler vermag seine Geschichte aus verschiedenen Erzählperspektiven zu erzählen, der Perspektive Jesu (9,a.b) oder derjenigen der Jünger (9,2c–8). Er bietet seinem Leser Elemente der „erzählten Welt“ (9,2–5.7) und Elemente der „besprochenen Welt“ (9,6) an. Er kann in der Erzählweise variieren, indem er Erzählpassagen durch direkte Rede anreichert (9,5) oder verschiedene Tempora (9,2a.b.5: Praesens historicum; 9,2c–4a.7: Aorist; 9,4b: Coniugatio periphrastica) zur Anwendung bringt. Er bestimmt, „wieviel oder wie wenig eine Figur zu sagen hat“ (a.a.O.,33) und teilt seinen Erzählfiguren „bedeutsame Namen“ zu (9,5b:TBCDDK; 9,7: QBWKBQL). 227 Die insbesondere vom MtEv präferierte (achtzehnmalige Verwendung bei einem Gesamtbefund von 49 Bezeugungen im NT) Lokalpräposition GORTQUSGP kommt im MkEv außer an der genannten Stelle nur noch in 2,12 vor. Nach B LASS-DEBRUNNERREHKOPF [Grammatik § 214] handelt es sich dabei um die klassische Präposition zum Ausdruck eines „vor“ im streng räumlichen Sinne. Vgl. auch J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 97 mit Anm. 57. Ein Schwerpunkt der ntl. Bezeugungen bezieht sich auf Personen, sodass sich eine Übersetzung mit „vor den Augen von …“ bzw. „in der Gegenwart von …“ nahelegt. Vgl. dazu R. SOLLAMO [Semitic Interference, 193], der zugleich eine Übersicht über die Verwendung im NT bietet. 228 Gegen H. B ALTENSWEILER, Verklärung Jesu, 62. Neben dem angesprochenen GORTQUSGPCWXVYP in Mk 9,2c ist zur Stützung dieser Position hinzuweisen auf das CWXVQKL in V.4; das Eingreifen des Petrus in V.5; den Imperativ CXMQWGVGCWXVQW in V.7 und das OGS8 GBC WVYP in V.8. Die Fokussierung der Transfigurationserzählung auf die Jünger ist insbesondere für 9,7 auch angesichts der Tatsache festzuhalten, dass das dortige CWXVQKL ebenso die Himmelsbewohner umfasst, was m.E. tatsächlich der Fall ist. Anders dürfte die Reichweite beim pluralischen Imperativ CXMQWGVGCWXVQW zu bemessen sein: Da die vertraute Unterredung zwischen Jesus, Elija und Mose die Assoziation hoher Übereinstimmung impliziert, muss es als unwahrscheinlich gelten, dass der Imperativ CXMQWGVG CWXVQW auch an die Adresse der Himmelsbewohner gerichtet ist. Dieser Imperativ richtet sich intradiegetisch an die Verklärungs-„Zeugen“ Petrus, Jakobus und Johannes, extradiegetisch an den Rezipienten. Die Transfigurationsnarratio partizipiert somit in verdichteter Weise an dem Sachverhalt, dass im Großabschnitt Mk 8,27–10,45 eine sorgfältig ausgearbeitete 226
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
141
scheint in erzähltechnischer Hinsicht ein Achtergewicht zu liegen, da diese Information angesichtsMCV8KXFKCPOQPQWLverzichtbar wäre und somit narrativ überschießend ist. Zugleich werden durch das GORTQUSGP CWXVYP die Jünger zu einer distinkten Gruppe zusammengeschlossen, die narrativ sowohl von Jesus als auch von den erscheinenden himmlischen Prominenten zu unterscheiden ist.229 Während die Teilverse Mk 9,2a.b hinsichtlich der Erzählperspektive den im MkEv gewohnten Bahnen folgen und den Blick auf die Initiative Jesu richten, kommt es mit dem Teilvers 9,2c zu eben dieser Veränderung der Erzählperspektive. Dieser Wechsel erfolgt in Mk 9,2c noch recht verhalten, bricht dann aber mit der Notiz, dass das Erscheinen der beiden himmlischen Prominenten explizit den Jüngern gilt (MCK YHSJCWXVQKL), voll durch230 und wird nach einem „Exkurs“ bezüglich des unverständigen Vorschlags des Petrus in den VV.5f. mit der Erscheinung der Wolke und der zugunsten der Jünger ergehenden Audition in den VV.7f. wiederaufgenommen. Der Imperativ CXMQWGVG CWXVQW in V.7 richtet sich damit an genau diejenige Gruppe, der schon die gesamte zuvor geschilderte Szene galt, zumal es als äußerst unwahrscheinlich zu erachten ist, dass es die Intention des Erzählers war, auch die himmlischen Besucher unter den Imperativ des V.7 zu subsumieren. Damit stimmt überein, dass der Schwerpunkt der ähnlich formulierten Taufstimme in Mk 1,11 christologischer Natur ist, während die Formulierung der Wolkenstimme der Verklärungserzählung neben ihrer christologischen Aussage eine beachtliche ekklesiologische Dimension aufweist: Die drei Jünger werden als Repräsentanten der GXMMNJUKC zunächst über die wahre Identität Jesu belehrt, um dann mit einem konkreten Handlungsauftrag versehen zu werden: CXMQWGVGCWXVQW. Vor dem Hintergrund dieser ekklesiologisch-paränetischen Dimension der Himmelsstimme werden die angesprochenen Jünger diaphan im Hinblick auf die Leser des Textes, denen die Botschaft unverkürzt ebenso gilt. Durch das betonte GORTQUSGP CWXVYP in Mk 9,2c werden also die Weichen für die Rezeption der Verklärungserzählung gestellt: Die Verklärung ist in dem Maße, wie sie ein Geschehen an Jesus ist, für die Gruppe der namentlich genannten Jünger bestimmt, vor deren Angesicht sie sich erKomposition vorliegt, bei der ein besonderes Augenmerk auf der Rolle der Jünger liegt. Vgl. dazu die überzeugenden Ausführungen bei R.C. T ANNEHILL, Jünger im MkEv, 59f. 229 Gegen Chr. ROSE [Theologie als Erzählung, 210] darf angemerkt werden, dass die Integration der drei Jünger zu einer Gruppe nicht erst durch das YHSJ CWXVQKL des V.4 gewährleistet wird, sondern dort in Aufnahme von 9,2c nur konsequent fortgeführt wird. 230 Vgl. dazu A. STANDHARTINGER, Jesus, Elija und Mose, 75f. Obgleich die Unterredung Jesu mit Mose und Elija selbstredend voraussetzt, dass die Erscheinung der Himmelsbewohner allen vier auf den Berg aufgestiegenen Personen gilt, sind durch das GORTQUSGPCWXVYP in Mk 9,2 die Weichen dafür gestellt, dass beim YHSJCWXVQKL des V.4 die Jünger fokussiert sind, aus deren Perspektive die Begebenheit berichtet wird.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
eignet und zu deren Gunsten sie geschieht.231 Die drei genannten Jünger sind intradiegetisch die Adressaten der Epiphanie Jesu als des himmlischen Sohnes Gottes, denen somit eine Visio beatifica auf dem Verklärungsberg zuteil wird, von der zu reden das Ostergeschehen den Terminus post quem darstellt. Die Fokussierung auf die Jünger wird zudem daran erkennbar, dass an der einzigen Erzählstelle, an der die Verklärung nicht die Jüngerperspektive einnimmt, ersatzweise die Jünger – mittels ihres Sprechers Petrus – selbst Subjekt der Handlung (9,5f.) werden.232 Ist über die soeben vorgestellten Sachverhalte Einigkeit zu erzielen, so stellt die Frage, wessen Autorität der Verklärung Jesu zugrunde liegt, den Ausleger vor Probleme: Handelt es sich um eine zugunsten der anwesenden Jünger ergehende Offenbarung des wahren Wesens Jesu seitens Gottes oder ist von einer Selbstoffenbarung Jesu auszugehen?233 Im bisherigen Verlauf der Studie ist – im Anschluss an ein Gros der Forschung zu Mk 9,2–8 parr. – durchgängig von einem Passivum divinum gesprochen worden234, das in Mk 9,2c vorliegt. Dieser etwas ungeschützte Sprachgebrauch 231
Mit R. PESCH, HThK-Mk II, 72. Ähnlich bereits H.-P. M ÜLLER, Verklärung Jesu, 59: „Man hat den Eindruck, daß das Ganze nur um dieses Beobachters willen geschieht.“ 232 Zu beachten ist, dass der Petrusvorschlag zur Errichtung von UMJPCK in V.5b.c im Plural (MCNQPGXUVKPJBOCLYFGGK PCK – MCKRQKJUYOGPVTGKL UMJPCL MVN.) formuliert ist! 233 Stellvertretend für viele seien folgende Positionen genannt: Chr. ROSE [Theologie als Erzählung, 207] identifiziert – ohne jedoch einen entsprechenden Beweisgang vorzulegen – das Verb OGVGOQTHYSJ als Passivum divinum und deutet somit „die Verwandlung Jesu als Tat Gottes“. Die Begründung dieser Position bleibt jedoch hier ebenso ein Desiderat wie in der von ihm in Anm. 425 angegebenen Sekundärliteratur. D. ZELLER [vgl. Bedeutung und Hintergrund, 304; DERS., Verwandlung Jesu, 112] als Vertreter der Gegenposition belässt es bei der Beobachtung, dass „in der Koine … öfter von medialen Verben ein passivischer Aorist mit medialer Bedeutung gebildet“ werde, und dem Verweis darauf, dass die Teilverse 9,2a.b von einer „zielgerichteten Initiative Jesu“ zu berichten wissen. Beide Hinweise dürften nicht ausreichen, seine Position hinreichend wahrscheinlich zu machen. Auffällig ist, dass Zellers dritter, an M. REISER [vgl. Gerichtspredigt Jesu, 255–261] orientierter Hinweis, wonach „der Kontext … einen Hinweis auf einen göttlichen Agenten enthalten“ müsse, eher für die von Chr. Rose u.a. vertretene Position spricht, da die Erzähldynamik der gesamten Verklärungsperikope auf die göttliche Himmelsstimme in Mk 9,7 hin konstruiert ist. Vgl. dazu die überzeugenden Ausführungen bei D.S. du Toit, Abwesender Herr, 344–347. Sprachlich sehr anschaulich auch E. LOHMEYER, Verklärung Jesu, 199: „Die Erzählung drängt zu der Theophanie in Wort und Bild als zu ihrem Höhepunkt hinauf“. Vgl. auch J. M ARCUS, Way of the Lord, 81. Damit wäre aber ein deutlicher Hinweis auf den geforderten – fünf Verse später deutlich genannten – „göttlichen Agenten“ gegeben, die beiden Erwähnungen der Aktivität Gottes in Mk 9,2c und 9,7 könnten sogar als Inclusio gelten, die die Verklärungserzählung umgreift. Diese Frage bleibt jedoch eine Crux der Interpretation der markinischen Verklärungserzählung. 234 Dieser Begriff ist nach M. REISER [Gerichtspredigt Jesu, 256] durch J. JEREMIAS [Neutestamentliche Theologie, 20] erstmalig in den exegetischen Sprachgebrauch eingeführt worden.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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ist im Folgenden näher zu begründen. Mit Recht hat M. Reiser in seiner Studie „Die Gerichtspredigt Jesu“ in einem Exkurs „Das sog. ‚Passivum divinum‘ oder ‚Passivum theologicum‘ und die eschatologischen Passiva“235 vor einer „Überstrapazierung“ dieser Kategorie gewarnt.236 M. Reiser legt zunächst eine kurze Forschungsgeschichte zum Theologoumenon „Passivum divinum“ vor (G. Dalman; P. Billerbeck; J. Boehmer; J. Jeremias; E. Pax). Als häufig genannte theologische Intention dieses Passivs arbeitet Reiser im Anschluss an J. Jeremias das Bestreben heraus, das Handeln Gottes „verhüllend“ auszudrücken.237 Diese der jüdisch-apokalyptischen Literatur entlehnte Redeweise ist nach Jeremias „eines der deutlichsten Kennzeichen seiner [scil. Jesu] Diktion“.238 Diese Intention wird von Reiser jedoch im Anschluss an E. Pax problematisiert, der bereits 10 Jahre vor der Einführung des Terminus „Passivum divinum“ durch J. Jeremias eine verhüllende Intention dieses Sprachgebrauchs kategorisch in Abrede gestellt hatte. Nicht „Verhüllung“ sei die Zielsetzung dieser neutestamentlichen Redeweise, sondern die Kommunikation eines Geschehens „ohne Berücksichtigung des Agens“. 239 Soll also tatsächlich von einem Passivum divinum die Rede sein, so müsse im kontextuellen Umfeld ein deutlicher Hinweis auf den göttlichen Agens vorhanden sein, da andernfalls von einer nichtagensbezogenen Handlung auszugehen ist. Eine ehrfürchtige Scheu vor der Nennung Gottes als Subjekt einer Handlung sei nach Reiser im NT jedenfalls nicht zu greifen.240 Von daher legt Reiser eine beträchtliche Skepsis hinsichtlich der Möglichkeit der Rede von einem Passivum divinum an den Tag: „Die Betrachtung des Passivs … zeigt, daß man die Rede von dem Passivum divinum, als handle es sich um eine vom übrigen Passivgebrauch unterschiedene Gebrauchsweise des Passivs, besser vermeiden sollte“.241 Die Möglichkeit eines Passivum divinum ist nach Reiser nur dann gegeben, wenn bei einer Aktiv-Transformation Gott mit Sicherheit als Subjekt angegeben werden könnte. Ist hierbei keine Sicherheit zu gewinnen, werde auch die Rede von einem Passivum divinum obsolet, wobei erschwerend hinzukomme, dass eine „Aktiv-Transformation … der Aussageintention des Sprechers oder Autors gerade zuwiderlaufen“ kann. 242 Entscheidend ist nach Reiser der Kontext, in den die passivische Redeweise eingebettet ist, der als solcher einen deutlichen Hinweis auf Gott als verborgenes Subjekt einer Handlung angeben müsse. Die Untersuchung des Kontextes hat sich nach Reiser mit der Frage nach den Gründen für die Wahl der mit der Passivform vorliegenden agensunabhängigen Redeweise zu verbinden.
Bei der Frage nach einem „göttlichen Agens“ im Umfeld des passivischen OGVGOQTHYSJ in Mk 9,2c setzt der im Folgenden vorzulegende Interpretationsvorschlag an. Seit dem viel beachteten Aufsatz von Ph. Vielhauer „Erwägungen zur Christologie des Markusevangeliums“ aus dem Jahre 1964 235
Der Exkurs M. Reisers findet sich auf den SS. 255–261. Vor der besagten „Überstrapazierung“ der Kategorie „Passivum divinum“ warnt im Anschluss an M. Reiser auch D. ZELLER [Verwandlung Jesu, 112] und plädiert für die Übersetzung: „und er verwandelte sich vor ihnen“. 237 Vgl. M. REISER, Gerichtspredigt Jesu, 256. 238 J. JEREMIAS, Neutestamentliche Theologie, 24. 239 E. P AX, Beobachtungen zum biblischen Sprachtabu, 111f. 240 Vgl. M. REISER, Gerichtspredigt Jesu, 259. 241 Vgl. M. REISER, a.a.O., 258. 242 Vgl. M. REISER, a.a.O. 236
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
ist trotz der im Einleitungsteil dieser Studie bereits kritisierten problematischen Grundthese die Aufmerksamkeit der Markusexegese mit Recht auf die Tauf- (1,9–11), Verklärungs- (9,2–8) und Sterbeperikope (15,33–39) gelenkt worden, die im architektonischen Aufbau des Makrotextes drei kompositionell miteinander verbundene Gipfel bilden.243 Nun stellt es eine Auffälligkeit dar, dass in Mk 1,10 und 15,38 zwei passivische Formen des Lexems UEK\GKP platziert werden, die von der Mk-Forschung gewöhnlich als Passiva interpretiert werden, hinter denen Gott als Agens zu vermuten ist: Wie durch das Zerreißen desMCVCRGVCUOC(15,38) in der Bewegungsrichtung des nach der Taufe herabsteigenden RPGWOC (CXR8 CPYSGP G=YL MCVY) der Tempel „eine essentielle Umwertung durch seine Öffnung“244 mittels eines von der Autorität Gottes initiierten UJOGKQPerhalten hat245, so dient in der Taufszene das Spalten der Himmel einem vergleichbaren Zweck, insofern die UEK\QOGPQKQWXTCPQK der Kommunikation von Gott und Mensch dienen.246 Können also das passivische UEK\GKPvonQWXTCPQK und MCVCRGVCUOC als – eine christologische Prädikation vorbereitende – göttlicheUJOGKCgelesen werden, so stellt es einen lohnenden Versuch dar, sowohl die Metamorphose Jesu als auch das Erscheinen der göttlichen Besucher strukturell als solche göttlich-initiierten UJOGKC zur Vorbereitung der Spitzenaussage in 9,7 zu lesen. Dann aber wäre der Deutung des OGVGOQTHYSJ als Passivum divinum der Vorzug zu geben.247 Auch ist zu fragen, ob der „eschatologische Ausblick“ in Mk 8,38, der vom Kommen des Sohnes GXPVJ^ FQZJ^ VQW RCVTQLCWXVQW zu berichten weiß, die Richtung der Interpretation des OGVGOQTHYSJ in 9,2c dahingehend präfiguriert, dass in diesem Vers Jesus als passives Subjekt einer vom göttlichen RCVJTinitiierten völligen Veränderung erscheint. Ich plädiere daher dafür, im Syntagma MCK OGVGOQTHYSJ GORTQUSGP CWXVYP in Mk 9,2c ein verborgenes Handeln Gottes zu erkennen, dieses jedoch vor dem Hintergrund der in 9,7d kommunizierten Aktionseinheit von Gott-Vater und Sohn zu deuten. Von einer markinischen Intention zur Verhüllung einer Aktion Gottes kann m.E. kaum die Rede sein, insofern die Verklärungsperikope auf die gött243
Treffend bei M. THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 39f. Anm. 9. Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 238. 245 Vgl. z.B. R. KAMPLING, Henker – Zeuge – Bekenner, 180: gottgewirkte Zeichen. 246 Vgl. H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 91. 247 So ein Gros der Ausleger. Vgl. C. BREYTENBACH, Nachfolge, 240; P. DSCHULNIGG, ThK-Mk, 245; D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 348: „Akt Gottes“; R.H. GUNDRY, Mark, 458; U. KMIECIK, Menschensohn, 134; D. LEE, Transfiguration, 33 Anm. 19; P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 100; J.M. NÜTZEL, Art. OGVCOQTHQY. In: EWNT II (21992), Sp. 1021f.; M. ÖHLER, Verklärung, 204; O.I. OKO, „Who then is this?“, 232; S. PELLEGRINI, Elija, 308 mit Anm. 90; R. P ESCH, HThK-Mk II, 72; Chr. ROSE , Theologie als Erzählung, 207: „Verwandlung Jesu als Tat Gottes“; M. ZERWICK, Graecitas Biblica, 78 § 236. Wohl auch J. GNILKA, EKK-Mk II, 33. 244
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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liche Stimme zusteuert, die in Mk 9,7 den Höhepunkt der christologischen Lehrerzählung darstellt. Wie im Makrotext des MkEv insgesamt hat „Gott als Hermeneut“ des Geschehens auch in Mk 9,2–8 „die Erzählfäden in der Hand“.248 Seine aus dem „Off“ zu vernehmende Stimme249 wird in Mk 1,10 und 9,2 durch kosmische bzw. „mystische“ Zeichen eingeleitet, hinter denen ebenso die göttliche Autorität zu vermuten ist. Die „Zielgerichtetheit“ der Transfigurationsperikope hinsichtlich der entscheidenden christologischen disclosure in Mk 9,7 lässt Gott als Agens der Verwandlung Jesu in Mk 9,2c plausibel erscheinen. Die ab Mk 9,2c vorliegende passive Darstellung Jesu stimmt zudem mit dem auch in Mk 1,9–11 vorliegenden Sachverhalt überein, dass Jesus immer dann als passiv dargestellt wird, wenn es im kontextuellen Umfeld zu einer verbalen Äußerung Gottes kommt. Das Geschehen an Jesus (Mk 9,2c–7) bereitet die Bühne für die in Mk 9,7 kommunizierte verbale Äußerung Gottes. Ebenso dient das GXDCRVKUSJdurch Johannes als Vorbereitung der christologischen Prädizierung seitens der göttlichenHYPJin 1,11. Trotz der Einwände D. Zellers gegen die Übersetzung vonOGVGOQTHYSJ im Sinne eines Passivum divinum soll in dieser Studie der vorgeschlagenen Lesart der Vorzug gegeben werden. Das Argument, dass Jesus in Mk 9,2a.b als die initiativ werdende Person dargestellt wird, reicht m.E. nicht aus, um seine Initiative auch für Mk 9,2c zu erweisen. In Mk 9,2c wird ein völlig neues und bis dato narrativ in keiner Weise vorbereitetes Geschehen initiiert, das sich zugunsten der Jünger ereignet, sodass der zwischen 9,2a.b und 9,2c liegende „Bruch“ entsprechend hoch zu gewichten ist. Dieser „Bruch“ verweist auf die Abfolge einer „Aktion Jesu“ samt einer angeschlossenen „Reaktion des Himmels“, die bereits an der ebenso christologisch hoch aufgeladenen Taufperikope studiert werden kann. Die das öffentliche Wirken Jesu eröffnende sogenannte Taufperikope, die wie die Transfigurationserzählung als ein christologisches „Offenbarungsgeschehen“ zu bezeichnen ist, verweist als erster infrage kommender Text auf eine Interferenz einer Aktion Jesu mit einer angeschlossenen „Reaktion des Himmels“, indem dem CXPCDCKPGKP Jesus aus dem Wasser dasMCVCDCKPGKPdes göttlichenRPGWOCentspricht.250 Beide Texte können in heilsökonomischer Hinsicht als „unter dem Vorzeichen der nahen, im Anbruch befindlichen Gottesherrschaft“ (vgl. 1,15; 9,1) interpretiert werden.251 Wie dort die Aktion Jesu in dem GTEGUSCK CXRQ 0C\CTGV VJL *CNKNCKCL(1,9) und demCXPCDCKPYP GXM VQW W=FCVQLbesteht, so ist auch die himmlische Reaktion in der Herabkunft des Geistes und dem Erschallen
Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 261. Mit Chr. ROSE, a.a.O. 250 Vgl. z.B. P.-G. KLUMBIES, Mythos bei Markus, 273. Klumbies verweist auf die paulinische Gedankenanalogie in 1 Thess 4,13–18 („Schilderung der Vorgänge bei der Parusie“). 251 Vgl. für Mk 1,9–11 M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 58. 248 249
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
der Himmelsstimme zweigeteilt.252 Zwei Bewegungsrichtungen korrespondieren dabei miteinander: Nach vorne hin entspricht dem Getauft-Werden Jesu „in den Jordan hinein“ sein „Heraussteigen aus dem Wasser“, nach hinten hin entspricht die letztere Aktion dem „Herabsteigen des göttlichen RPGWOC´253 Hier – in der Verklärungserzählung – wird ebenso von einer zweiteiligen „Aktion Jesu“ (RCTCNCODCPGK – CXPCHGTGK) berichtet, der sich eine differenzierte himmlische Reaktion anschließt, die aus der Metamorphose Jesu (9,2c), dem Erscheinen der himmlischen Bewohner 254 (9,4) und der Wolke/Himmelsstimme (9,7) besteht. Das Handeln an Jesus wird hier wie dort im Passiv dargestellt: Während die Taufe in einem Passivum ausgedrückt wird (GXDCRVKUSJ), als dessen logisches Subjekt Johannes explizit genannt wird, liegt in 9,2c die Autorität Gottes hinter der ebenso im Passiv kommunizierten Verwandlung Jesu.255
Die Bewegung von einer Aktivität hin zur Passivität Jesu ist demnach – der Taufperikope vergleichbar – ein Strukturmerkmal der Verklärungserzählung. Jesus wird zunächst als die das Verklärungsgeschehen initiierende Person dargestellt, indem er autoritativ Jünger auswählt und sie auf einen Berg führt. Auf diesem Berg erscheint er als passives Objekt einer Initiative Gottes, die zur Verwandlung führt, aus der seine Zugehörigkeit zur göttlichen Welt erschlossen werden kann. Der göttlichen Autorität geschuldet ist auch das Erscheinen der beiden himmlischen Prominenten (V.4), die Jesus als Gesprächspartner entgegentreten (8+NKCLUWP/YW"UGK … J UCP UWNNCNQWPVGL VY^ 8,JUQW). Dies gilt umso mehr, als es als wahrscheinlich zu erachten ist, dass durch UWNNCNGKP – es handelt sich um ein Dabei ist es beachtenswert, dass in Mk 1,9 von einem Getauft-Werden nicht GXPVY^ 8,QTFCPJ^ RQVCOY^(vgl. 1,5), sondern vom Getauft-Werden GKXLVQP8,QTFCPJP die Rede ist. Die Veränderung gegenüber 1,5 entspricht dem dynamischen Zug, mit dem die Taufe Jesu insgesamt geschildert wird. Vgl. dazu nur Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 140. 253 Grundsätzlich dazu vgl. R. PESCH, HThK-Mk I, 90. 254 Obgleich das YHSJ (4a) anders als das OGVGOQTHYSJ (9,2c) aufgrund des angeschlossenen CWXVQKL nicht als klassisches Passivum divinum gewertet werden kann, spricht nichts dagegen, auch in diesem Passivum sachlogisch die Autorität Gottes zu erkennen, die hinter der Erscheinung der Himmlischen steht. 255 M. T HEOBALD [Gottessohn und Menschensohn, 59] interpretiert die Relation der Audition in 1,11 und der Vision in 1,10 dahingehend, „daß es das vorangehende Geschehen der Herabkunft des Geistes ‚in ihn‘ ist, das in der nachfolgenden Himmelsstimme als Vorgang der Erwählung gedeutet wird“. Theobald verweist dazu auf K. Berger, Formgeschichte, 282: „In der Regel erklärt und deutet die Audition die Vision“. Ähnlich lässt sich für die Verklärungsperikope geltend machen, dass die visuellen Teile der Erzählung (Verwandlung; Walker-Vergleich; Erscheinung der Himmlischen) durch die Sinnspitze der Erzählung in V.7 gedeutet werden. Da der „Vorgang der Erwählung“ mit 1,11 zur Genüge zur Sprache kommt und aufgrund seiner „juridische[n] Dimension“ nicht wiederholt zu werden braucht (vgl. M. T HEOBALD, a.a.O., 59f.), erhält die Wolkenstimme in 9,7 eine konsequent ekklesiologisch-paränetische Färbung, wie sie sich in der dritten Person der Prädikation Jesu (9,7c) und dem angeschlossenen Imperativ (9,7d) manifestiert. Mk 9,7 ist folglich eine „Deklaration oder Präsentation vor ausgewählten Zeugen“, während Mk 1,11 als „Installation“ an Jesus allein gerichtet ist. Vgl. M. T HEOBALD, a.a.O., 59. 252
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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im MkEv nur hier belegtes Lexem256 – Ex 34,35 eingespielt wird.257 Dort heißt es: MCK GK FQP QKB WKBQK ,UTCJN VQ RTQUYRQP /YWUJ Q=VK FGFQZCUVCK MCK RGTKGSJMGP /YWUJL MCNWOOC GXRK VQ RTQUYRQP GBCWVQW G=YL C P GKXUGNSJ^ UWNNCNGKP CWXVY^. Sollte dieser traditionsgeschichtliche Hintergrund vorliegen, wofür vieles spricht, so hieße das, dass Jesus innerhalb der Unterredung mit Elija und Mose diejenige Position innehätte, „die Gott im Gespräch mit Mose hatte“.258 Damit wäre erzähllogisch die „Rüge“ vorbereitet, die Petrus als den Sprecher der kleinen Jüngergesellschaft auf dem Berg in V.6 trifft: Der Bau von drei irdischen Behausungen hätte eine nivellierende Begleitfunktion. Er stünde der unvergleichbar hohen theologischen Stellung Jesu ebenso entgegen, wie es für Himmelsbewohner unangemessen wäre, in UMJPCK zu wohnen. Himmelsbewohner bedürfen keiner irdischen Beherbergungsstätten. Das eigentliche Verwandlungsgeschehen wird in größtmöglicher erzählerischer Knappheit mit dem Verb OGVGOQTHYSJ ausgedrückt259, einem im griechischen Sprachgebrauch geprägten Terminus für die Verwandlung 256
Der Vergleich mit anderen ntl. Belegstellen (vgl. Mt 17,3; Lk 4,36; 9,30; ) zeigt, dass UWNNCNGKP bei bedeutenden Unterredungen gebraucht wird und somit im KoineGriechisch andere Assoziationen weckt als im klassischen Griechisch, bei dem Komposita von NCNGKP für eher belangloses „schwatzen“ oder „plaudern“ Verwendung finden können. Vgl. dazu A. DEBRUNNER u.a., Art. NGIY MVN. In: ThWNT IV (1942), 69–139, 76. Ferner H. HÜBNER, Art. NCNGY. In: EWNT II (21992), Sp. 828. 257 Dafür plädiert z.B. Chr. ROSE [Theologie als Erzählung, 212f.] im Anschluss an P.G. DAVIS, Mark’s Christological Paradox, 13. Ferner U. BECKER, Elia, Mose und Jesus, 9 mit Anm. 18; O. HOFIUS, Allmacht des Sohnes Gottes, 119 mit Anm. 11. 258 So Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 213. 259 Die besagte Knappheit in der Beschreibung der Metamorphose Jesu sollte weniger mit einer grundsätzlichen Zurückhaltung des MkEv in der narrativen Ausgestaltung des Sachverhaltes erklärt werden als vielmehr mit der allgemeinen sprachlichen Knappheit von Epiphanie- und Theophanieschilderungen. Vgl. dazu z.B. A. SCRIBA, Theophanie, 11. Die Tatsache, dass die Großevangelisten entgegen der Markusvorlage dezidiert von einer Veränderung des RTQUYRQP sprechen, lässt sich hinreichend damit erklären, dass beide einer in der Antike gängigen epiphanialen Topik folgen. Vgl. dazu D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 313 mit Verweis auf J.E. FOSSUM , Ascensio, 84f. Die Stimmigkeit der gängigen Deutung der lukanischen Veränderung, wonach Lukas den Terminus OGVCOQTHQWUSCK aus der markinischen Vorlage abgeändert habe, um Assoziationen hinsichtlich des pagan-hellenistischen Gebrauchs dieses Verbs innerhalb von Mysterienkulten auszuschließen (vgl. die Belege bei J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 96 Anm. 48; für die neuere Exegese vgl. S.H. RINGE, Luke 9:28–36, 85), sei an dieser Stelle dahingestellt. Massiv dagegen z.B. F. B OVON, EKK-Lk I, 495 Anm. 38. An eine Distanzierung von „pagane[n] Göttergeschichten“ denkt H. K LEIN, KEK-Lk, 346. Wichtiger ist zu betonen, dass die lukanische Veränderung nicht auf einen Wechsel des Wesens Jesu abhebt, sondern auf eine Veränderung im Verhältnis Jesu zu den Verklärungs-„Beobachtern“. Das veränderte Aussehen Jesu, das die bisherige Jesus-Jünger-Beziehung in charakteristischer Weise unterbricht, dient hier als Ausweis seiner göttlichen Herkunft, seiner eigentlichen Identität. Vgl. dazu F. BOVON, a.a.O.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
von Göttern in Menschengestalt, wie auch umgekehrt. Der Erzähler verzichtet dabei darauf, das körperliche Aussehen des verwandelten Jesus zu beschreiben und lenkt die Aufmerksamkeit auf das spezifische Weiß seiner Kleider. Traditionsgeschichtlich ist der markinische Verklärungs-/Verwandlungsbegriff nicht dem Vorstellungsbereich der Metamorphose des pagan-hellenistischen Bereichs entlehnt, sondern ist primär vor dem Hintergrund des jüdischen, insbesondere des jüdisch-hellenistischen Denkens zu erklären.260 Da der Terminus OQTHJ bis auf wenige Ausnahmen nicht in einer bloß äußeren Erscheinung aufgeht, sondern sich semantisch „auf die Außenseite, das sichtbar in Erscheinung Tretende am Menschen“261 bezieht, und zwar als „Zeichen, sichtbarer Ausdruck und Ausfluß des Wesens“ die ganze Person in ihrer „individuelle[n] Erscheinungsform“262 betrifft263, ist die Wendung MCK OGVGOQTHYSJ GORTQUSGP CWXVYP entsprechend mit „und er wurde vor ihnen ein anderer“ wiederzugeben. Entscheidend ist aber der Kontext, in den der gebrauchte TerminusOGVCOQTHQWUSCK im MkEv eingebettet ist. Da sich die markinische Erzählung an einer Spekulation im Hinblick auf die spätere christologische Zweinaturenlehre völlig uninteressiert zeigt, ist nicht die Verwandlung des Wesens Jesu im Blick, vielmehr wird – ausgehend von der durch das Passivum divinum ausgedrückten Initiative Gottes – das wahre Wesen Jesu den ausgewählten Jüngern für einen Augenblick deutlich.264 Von hier aus kann eine Deutung der Metamorphose Jesu im Sinne einer proleptischen Schau einer noch ausstehenden christologischen Wirklichkeit nicht überzeugen und auch durch den mikrokontextuellen Anschluss der in Mk 9,9f. angeschlagenen Thematik nicht glaubwürdig postuliert werden.265 Gegen eine solche Deutung spricht, dass sie auf eine Konterkarierung der FKFCEJ Jesu in Mk 8,31 hinausliefe, wonach das FGK des Leidens und Sterbens conditio sine qua non der österlichen Wirklichkeit ist, die folglich kaum in Mk 9,2–8 prolepVgl. J. BEHM [Art. OQTHJ. In: ThWNT IV (1942), 765]: „Das Wunder des Wandels von irdischer zu überweltlicher Gestalt, die das lichte Weiß des Gewandes kennzeichnet …, hat mit Metamorphose im hellenistischen Sinne … nichts zu schaffen“. Behms exklusive Zuweisung der Transfigurationserzählung in den „Zusammenhang apokalyptischer Vorstellungen“ kann jedoch ebenso wenig überzeugen. 261 Vgl. J. BEHM, Art. OQTHJ.MVN In: ThWNT IV (1942), 754. Ähnlich auch W. P ÖHL2 MANN, Art. OQTHJ. In: EWNT II ( 1992), Sp. 1091. 262 Vgl. J. BEHM, Art. OQTHJMVN. In: ThWNT IV (1942), 751. 263 So J.M. NÜTZEL [Verklärungserzählung, 96] mit Verweis auf E. D ABROWSKI, La Transfiguration, 73. 264 Mit J.M. NÜTZEL, Art. OGVCOQTHQY. In: EWNT II (21992), Sp. 1021. Vgl. auch D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 348. Massiv dagegen J.P. HEIL, Transfiguration, 78. 265 So der Ansatz bei R. PESCH [HThK-Mk II, 70]: „Wie in VV 9f klar ausgesagt ist, geht es um eine Schau … der Auferstehungsgestalt des Menschensohnes, zu der er durch sein Leiden gelangt“. 260
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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tisch vorgezogen werden kann.266 Eine solche Prolepse wäre narratologisch kontraproduktiv. Vielmehr lässt sich die Verklärungserzählung stimmig als epiphaniale Offenbarung des wahren Wesens Jesu, seiner eigentlichen, wenngleich weitgehend verborgenen personalen Beschaffenheit begreifen, die ihm spätestens seit der Geistbegabung bei der Taufe zu eigen ist.267 Der Gebrauch des Verbs OGVCOQTHQWUSCKmarkiert daher im markinischen Verständnis ein objektives Geschehen, das sich nicht mit den Kategorien einer visionären Schau wiedergeben lässt.268 Das Verklärungsgeschehen bezeichnet dabei zwar im narrativen Entwurf des MkEv diejenige Stelle, an der Leser und Jünger hinsichtlich der christologischen Erkenntnis gleichziehen, dennoch ist diese über die Erzählung vermittelte Schau Jesu auch dem Leser neu und ist zudem – von den kurzen „propädeutischen“ Bemerkungen in Mk 9,2a.b abgesehen – narrativ weitestgehend unvorbereitet.269 Epiphanialer Topik gemäß fällt die Beschreibung der Metamorphose Jesu zurückhaltend aus. Eine genaue Beschreibung der veränderten Gestalt Jesu, an der der Rezipient per se gesteigertes Interesse haben dürfte, findet dezidiert nicht statt. Dagegen lenkt der Verfasser das Augenmerk des Hörers/Lesers in V.3 auf das Leuchten der Kleider, die aber im strengen Sinne keine Informationen über das veränderte Aussehen Jesu vermitteln.270
266
Mit L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 216. Der hohe Stellenwert der Geistbegabung in der Taufperikope für die Christologie des MkEv findet nicht zuletzt darin seinen Ausdruck, dass der Heilige Geist nach markinischem Verständnis ein Privileg Jesu ist. Die Gottessohnschaft Jesu wird im MkEv pneumatologisch definiert. Diese Beobachtung gewinnt dadurch weiter an Gewicht, dass weder in Bezug auf andere Personen von einer Geistbegabung die Rede ist, noch das MkEv – anders als das lukanische Doppelwerk – eine geistliche Dimension der Zeit zwischen Ostern und Parusie kennt. Die Zwischenzeit scheint nach markinischem Verständnis „‚Geist-frei‘“ zu sein. Vgl. dazu die überzeugenden Ausführungen bei D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 335 bzw. 430. 268 So auch W. W IEFEL, ThHK-Mt, 309. 269 Nach markinischem Verständnis erfolgt die Verwandlung unmittelbar nach Ankunft auf dem Gipfel des gewählten Berges. Von einer Vorbereitungszeit, etwa mittels des Gebets, ist bei Markus nicht die Rede. Ebenso kann aus dem Text kaum erschlossen werden, dass sich die Epiphanie zur Nachtzeit ereignete. In diese Richtung ist ggf. die lukanische Redaktion zu deuten, die davon spricht, dass der Bergabstieg VJ^ GBZJL JBOGTC^ geschieht, was die Assoziation nahelegt, als warteten Jesus und die Jünger den Sonnenaufgang zum Bergabstieg ab. So z.B. M. W OLTER, HNT-Lk, 351. Vgl. auch H. KLEIN, KEK-Lk, 346. Weit vorsichtiger H. SCHÜRMANN, HThK-Lk, 556: „Vielleicht stellt sich Lk die Verklärung … als Nachtszene vor“. Dagegen spricht die Beobachtung, dass nach Lk 9,34 die Wolke die auf dem Berg befindlichen Personen überschattet, was das Vorhandensein von Licht voraussetzen könnte. Insgesamt sollten die Argumente für die eine oder andere Position nicht überstrapaziert werden. 270 Vgl. z.B. J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 98; L. Schenke, Markusevangelium (2005), 215. Es gilt die Beobachtung J.A. ZIESLERs [Transfiguration, 266]: „Jesus is 267
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Gleichwohl gilt, dass keinesfalls an die Kleider als exklusives Verwandlungsobjekt zu denken ist: Die ganze Person Jesu ist passives Objekt der angesprochenen Metamorphose.271 Das Verb OGVCOQTHQWUSCK, das in Kapitel 3 im Zuge der Untersuchung des Verklärungsmotivs analysiert werden wird, ist im NT viermal belegt: neben der entsprechenden Stelle der matthäischen Parallelversion (Mt 17,2)272 ist auf Röm 12,2 und 2 Kor 3,18 zu verweisen. Alle vier Stellen treffen sich im strikt passivischen Gebrauch dieses Verbs. Während die ersten beiden Stellen durch die Verwendung von OGVCOQTHQWUSCKauf eine Verwandlung im Sinne einer wahrscheinlich von Gott gewirkten Offenbarung273 des wahren Wesens des irdischen Jesus abzielen, nehmen Röm 12,2 („Verwandlung durch eine Erneuerung des Sinnes“) und 2 Kor 3,18 („Spiegelung der Herrlichkeit des Herrn“) eine geistige Realität in Blick. Die passivisch-imperativische Wendung OGVCOQTHQWUSG VJ^ CXPCMCKPYUGK VQW PQQL in Röm 12,2 deutet an, dass nach paulinischem Verständnis die geforderte „Existenzmetamorphose“274 nicht Eigenleistung des Menschen ist, sondern sich der gnädigen Erstinitiative Gottes verdankt, bei der es freilich ebenso auf die Bereitschaft und Mitwirkung des Menschen ankommt.275 Gleichwohl wird Gott als Initiator des geforderten OGVCOQTHQWUSCK wie der damit verbundenen CXPCMCKPYUKL begriffen. In 2 Kor 3,18 spricht Paulus hingegen die verwandelnde Kraft des MWTKQL bzw. desRPGWOCan. Diese christologische Aussage hat eine deutlich paränetische Abzweckung, insofern das „unverhüllte Schauen“ der Herrlichkeit des MWTKQL letztlich zu einer Angleichung an das Geschaute führt. Somit liegt der christologischen Aussage das paränetische Prinzip der Imitatio Christi zugrunde.
transformed, not merely His clothes“. Vgl. auch D. LEE, Transfiguration, 16; W. M ICHAELIS, Art. NGWMQLMVN. In: ThWNT IV (1942), 254. 271 Mit S. P ELLEGRINI, Elija, 308. 272 In dem Maße, wie das MtEv an einer konsequenten Fortentwicklung der MoseJesus-Parallelität innerhalb der Verklärungsgeschichte interessiert ist, wird das im MkEv auf die Kleider Jesu beschränkte Strahlen auf das RTQUYRQP Jesu verlegt. Das leuchtende Gesicht Jesu genießt in Mt 17,2 eine Frontstellung gegenüber dem Motiv der leuchtenden Kleider. Vgl. dazu z.B. D.R. DUMM, Transfiguration, 160. 273 Vgl. für viele J.M. NÜTZEL, Art. OGVCOQTHQY . In: EWNT II ( 21992), Sp. 1021. 274 Ausdruck übernommen von H. SCHLIER, HThK-Röm, 360. 275 Die paulinische Aussage in Röm 12,2 dürfte sachlogisch in der Nähe der in 2 Kor 5,17 gebrauchten Metapher liegen: GK VKLGXP&TKUVY^MCKPJ MVKUKL. Vgl. K. HAACKER, ThHK-Röm, 254. Dazu passt, dass die in 2 Kor 5,17 vorgelegte soteriologische Aussage in 5,18 – strukturell mit dem das göttliche Wirken implizierenden passivischen Imperativ OGVCOQTHQWUSG in Röm 12,2 identisch – sogleich theo-logisch rückgebunden wird: VC FG RCPVCGXMVQWSGQW
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
151
3.6 Narrative Illustrierung der Metamorphose und Walker-Vergleich (Mk 9,3) Wie bei nur wenig anderen Sätzen des MkEv findet sich in der Sekundärliteratur eine auffällige Diskrepanz in der Einschätzung der stilistischen Qualität von Mk 9,3. Die Diskrepanz betrifft zunächst die rhetorische Qualität der sprachlich überfrachteten Formel KBOCVKC … UVKNDQPVC NGWMC NKCP276 Sie betrifft sodann die Qualität des gewählten Walker-Vergleichs277 im Teilvers 3b.278 Da die Frage der traditionellen bzw. redaktionellen Herkunft dieses Vergleichs ein nicht gelöstes Problem darstellt und m.E. auch nicht weiterführend ist, soll sie hier zugunsten einer Prüfung der narrativen Funktion dieses Verses beiseitegelassen werden. Ich lege den folgenden Überlegungen gleichwohl die Arbeitshypothese zugrunde, dass wir in der narrativen Illustrierung der Verwandlung Jesu in 9,3 weitestgehend traditionelles Material vor uns haben. Die mit dem Passivum divinumOGVGOQTHYSJkommunizierte Verwandlung Jesu wird in dem mit V.2c eine thematische Einheit bildenden V.3 weitergeführt. Dem Verfasser gelingt es durch die gewählte Formulierung, die Verwandlung Jesu einerseits zurückhaltend, andererseits realistisch darzustellen.279 Beide, die (nicht weiter ausgeführte) Verwandlung Jesu an sich und die „Effekte“ der Verwandlung, zu denen neben dem Weiß der Kleidung auch das Erscheinen der atl. Würdenträger sowie das Erschallen der Himmelsstimme zu rechnen sind, dienen dazu, den ausgewählten Verklärungs-„Beobachtern“ eine Seite Jesu zu offenbaren, die bis zu die-
276 Vgl. z.B. S. P ELLEGRINI [Elija, 308] zur Formel UVKNDQPVCNGWMC NKC P: „Kumulierung der Spezifikationen“. 277 Die Seitenreferenten bemühen sich ebenfalls, das abstrakte Faktum der Metamorphose Jesu zu visualisieren (Mt 17,2: VC FG KBOCVKCCWXVQW GXIGPGVQNGWMC YBLVQ HYL ; Lk 9,29: MCK QB KBOCVKUOQL CWXVQW NGWMQL GXZCUVTCRVYP), verzichten aber unabhängig voneinander auf den Walker-Vergleich. 278 Während im Jahre 1900 J. WELLHAUSEN [Evangelium Marci, 69] den WalkerVergleich als die „Perle des Marcus“ bezeichnen konnte, konstatiert ca. 70 Jahre später J.M. NÜTZEL [Verklärungserzählung, 99], dass dieser Vergleich „in den doch bisher recht feierlichen Stil der Erzählung nicht recht passen“ will. M. REISER [Verklärung Jesu, 29] bezeichnet – bei aller Hochschätzung des markinischen Textes – den Walker-Vergleich als rührend-unbeholfen. Ein durchgängiges Desiderat ist jedoch die Begründung der negativen Einschätzung des Vergleichs. Dagegen ist die Frage einzuwenden, inwiefern ein Vergleich unbeholfen sein kann, dessen Zielsetzung es ist, durch den Rekurs auf ein den Rezipienten geläufiges Handwerk via negationis die Unmöglichkeit einer adäquaten Wiedergabe des Weiß des verklärten Jesus begreifbar zu machen. Dagegen hat H. BALTENSWEILER [Verklärung Jesu, 67] durchaus etwas Richtiges erfasst, wenn er die anschauliche Präzision des Walker-Vergleichs „gegenüber dem allgemeineren und darum unverbindlicheren UVKNDQPVC“ betont. 279 Mit J. ERNST, RNT-Mk, 257.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
sem Zeitpunkt der Erzählung beiden Parteien – Jüngern wie Lesern/Hörern – unzugänglich war.280 Die lichte Erscheinung Jesu im himmlisch-weißen Glanz verleitet dazu, die in V.3 narrativ ausgemalte Gestalt des verwandelten Jesus als Prolepse seiner Auferstehungswirklichkeit aufzufassen. Dagegen sind jedoch Zweifel anzumelden: Zwar bedingt die Platzierung der Verklärungsperikope in der Mitte des MkEv die Möglichkeit, auf eine Schilderung der Auferstehungsherrlichkeit zu verzichten, daraus sollte jedoch nicht umgekehrt abgeleitet werden, dass die Beschreibung der himmlischen Lichtgestalt proleptisch im Hinblick auf die FQZC des Auferstandenen konzipiert ist. Von dieser ist in Mk 9,2–8 nicht die Rede. Eine solche kann m.E. auch nicht durch den Konnex mit dem Naherwartungslogion in 9,1 hergestellt werden, sondern „muß selbst erst … von den Lesenden in die Geschichte hineininterpretiert werden“.281 Die oben angesprochene Zurückhaltung in der Beschreibung der Verwandlung Jesu wird in Mk 9,3 nun mittels einer sehr präzisen Beschrei-
280
Vgl. dazu z.B. J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 97. Leser/Hörer genießen gegenüber den ausgewählten Jüngern zwar einen Wissensvorsprung, über den sie spätestens seit Mk 1,11 verfügen, dennoch trifft sie die Verwandlungsgeschichte narrativ ähnlich unvorbereitet wie diese. Gegen den Interpretationsansatz von J.P. HEIL [vgl. z.B. Transfiguration, 93.: „The temporary transfiguration of Jesus into a heavenly figure enables the heavenly figures of Moses and Elijah to appear and speak with him“] ist einzuwenden, dass in der markinischen Erzählung nirgendwo eine vorbereitende Funktion der eigentlichen Verklärung im Hinblick auf das Erscheinen der himmlischen Prominenten zu verzeichnen ist. Dagegen scheint es dem Text mehr zu entsprechen, im „Weiß“ des V.3 und im Erscheinen der biblischen Prominenten (V.4) zwei voneinander unabhängige „Effekte“ der Verklärung zu erkennen. Das gemeinsame Auftreten des „Elija mit Mose“ ist religionsgeschichtlich herausragend, dennoch ist durch nichts angedeutet, dass auf V.4 der narrative Schwerpunkt der Transfigurationserzählung liegt. Wie das strahlende Weiß gehört auch das Zwiegespräch in V.4 zu den unmittelbaren Folgen des in V.2c skizzierten Geschehens. 281 Richtig bei J. DECHOW, Gottessohn, 57. Der Problematik dieses insbesondere von R. PESCH [HThK-Mk II] vertretenen Ansatzes entspricht es, dass er an keiner Stelle einen plausiblen Hinweis, geschweige denn eine Begründung seiner These vorlegt. Stattdessen kommt es im Zusammenhang der Einzelversanalyse von Mk 9,3 auf engem Raum zu einer fünfmaligen Wiederholung seines Postulates („Jesu Metamorphose ist eine Prolepse seiner Auferstehung“, S.72; – „Die Beschreibung der Kleider Jesu … deutet sicher auf Jesu Auferweckung“, S.73; – „Die Beschreibung der himmlischen Lichtgestalt Jesu ist Beschreibung seiner Auferstehungsherrlichkeit“, S.73; – „Daß die Auferstehungsherrlichkeit durch Bekleidung mit himmlischen Gewändern vorgestellt wird …, entspricht apk Tradition“ – „VV 2c.3 schildern also eine proleptische Offenbarung Jesu als des Auferstandenen vor den Jüngern“, S.73), ohne dass in den dazwischen liegenden Zeilen ein Erweis der Richtigkeit seiner Position, geschweige denn ein Erkenntnisfortschritt zu verzeichnen wäre.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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bung seines Aussehens „korrigiert“.282 Diese „Korrektur“ erfolgt durch ein sprachlich dicht formuliertes Satzgefüge, das in seinem ersten Teil (Mk 9,3a) das herausragend-unvergleichliche „Weiß“ der Gewandung Jesu beschreibt283, das seinerseits im zweiten Teil (Mk 9,3b) durch den Vergleich mit dem Beruf des Walkers verdeutlicht wird, wobei beide Teile durch die Termini NGWMC und NGWMCPCK semantisch miteinander verbunden werden. Der Terminus NGWMC wird so durch den angeschlossenen Relativsatz284, der den Walker-Vergleich enthält, via negativa aufgenommen und präzisiert. Ist über den Aufbau des V.3 Klarheit gewonnen, so ist nach der narrativ-rhetorischen Funktion dieses Verses zu fragen: Eingeleitet durch ein epexegetisches MCK wird in V.3 ein besonderer Zug der Verwandlung Jesu gleichsam emphatisch herausgehoben. Während sich der Erzähler in der Beschreibung der eigentlichen Verklärung bedeckt hält, wählt er gewichtend die Kleidung Jesu aus, um an dieser einen ersten Effekt der Verklärung zu visualisieren.285 Dieses durch die Erzählforschung als auswählende Emphase bezeichnete Vorgehen versteht sich als integraler Bestandteil der Rhetorik des Erzählens und lässt als solche auf die Position des Autors bzw. – um präziser zu formulieren – auf die des „impliziten Autors“, d.h. „des Autors, insofern er als werkimmanent anzutreffen ist“, schließen.286 Die auswählende Emphase zeitigt zugleich eine narrative Hypotaxe, indem sie eo ipso einzelne narrative Elemente fokussiert, andere jedoch minimiert oder gar ausblendet. Während die markinische Verklärungsgeschichte durch strenge sprachliche Knappheit gekennzeichnet ist, gibt es zwei Stellen, an denen Ansätze einer auswählenden Emphase zu verzeichnen sind: 282 Mt und Lk reduzieren diese Zurückhaltung bekanntlich, indem sie über die Kleidung Jesu (Mt; Mk: KBOCVKC; Lk: KBOCVKUOQL ) hinaus dessen verwandeltes RTQUYRQP ansprechen (Mt 17,2: MCK GNCO[GP VQ RTQUYRQP CWXVQW; Lk 9,29: MCK GXIGPGVQ … VQ GK FQL VQW RTQUYRQW CWXVQW G=VGTQP). Die Zurückhaltung wird aber auch hier nicht aufgegeben, da in den Paralleltexten auf eine exakte Beschreibung der Veränderung Jesu verzichtet wird. Vgl. dazu z.B. G. GUTTENBERGER, Visueller Gehalt I, 169. 283 Das entsprechende religionsgeschichtliche Material wird in Unterpunkt 3.2 in Kapitel 3 dieser Studie gesammelt. 284 Nach B LASS-DEBRUNNER-REHKOPF [Grammatik § 297,1] ist die Konstruktion QKC … QW=VYL(aY … UYD@) ein ausgesprochener Semitismus. 285 Als „Folgeerscheinung“ der Verwandlung Jesu in Mk 9,2c deutet auch D.S. DU TOIT [Abwesender Herr, 349 Anm. 100] das Aufleuchten der Kleider in V.3. Angesichts seines konsequenten Ausschlusses einer zugrunde liegenden Sinai-/Mosetypologie für die Interpretation der Zeitmarke MCK OGVC JBOGTCLG=Z [vgl. a.a.O., 347f. Anm. 90 ] überrascht jedoch sein Rekurs auf Ex 34,29–35 zur Deutung der Verwandlung Jesu: „Die Verwandlung Jesu und seiner Kleidung … stellt eine eindeutige intertextuelle Bezugnahme zu Ex 34,29–35 her und markiert Ex 34 als primären Intertext der Erzählung“. Vgl. dazu a.a.O., 350 mit Anm. 102. 286 Mit R.C. T ANNEHILL, Jünger im MkEv, 45. Zu dieser Differenzierung vgl. auch die Ausführungen bei N.R. P ETERSEN, „Perspektive“, 85f.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
in der Beschreibung des himmlischen Weiß in Mk 9,3 und dem Erzählerkommentar in 9,6. Beide Verse stechen bereits syntaktisch dadurch hervor, dass sie den sonst üblichen konsequent parataktischen Aufbau der Transfigurationserzählung in charakteristischer Weise unterbrechen. Der parataktisch mit MCK angeschlossene Teilvers 9,3a wird in 9,3b mit dem einzigen Relativsatz der Erzählung verknüpft. Für Mk 9,6 ist auf die doppelte kausale Verknüpfung mittels der Partikel ICT zu verweisen. Offenkundig ist die auswählende Emphase in V.6, in dem der Verfasser die Reaktion des Petrus zunächst kritisch kommentiert (V.6a), dann mittels des Epiphaniedarstellungen typischen HQDQL-Motivs erklärt. Der Vers wäre im Erzählablauf der VV.5–8 ohne Sinnverlust verzichtbar. Dieser „Überschuss“ zeigt gerade die angesprochene auswählende Emphase an. Der zweite Fall der narrativen Emphase findet sich nun an der hier zu behandelnden Stelle. Sie drückt sich in der gesteigerten Formel KBOCVKC… UVKNDQPVC NGWMC NKCP in Verbindung mit dem plakativen Walker-Vergleich aus. Während die Erwähnung des „Weiß“ des Gewandes Jesu topisch ist, sind die besagte gesteigerte Formel sowie der angeschlossene Vergleich, der als solcher weit mehr ist als bloße Diskription des Geschehens, eine Deutung seitens des Autors, die der narrativen Emphase des Verfassers zuzuschreiben ist. Hier ist mit einem geringfügigen redaktionellen Eingriff des Mk-Evangelisten zu rechnen. Die narrative Hypotaxe findet in der Erzähleinheit Mk 9,2c–3 nun dahingehend statt, dass auf eine präzise Beschreibung des transfigurierten Jesus verzichtet und alle Aufmerksamkeit auf das Weiß seiner Kleider gelegt wird. In der Beibehaltung des m.E. traditionellen Walker-Vergleichs zur Deutung und Illustration der Verwandlung Jesu spiegelt sich indirekt eine Kommunikation zwischen Autor und Leser wieder. Der Verfasser offenbart durch die Tradierung dieses Vergleichs eine konkrete Vorstellung vom Leser/Hörer, insofern er davon überzeugt ist, gerade durch den gewählten Vergleich mit der Tätigkeit eines Walkers den Rezipienten seines Werkes via negationis eine Vorstellung des anders nicht zu beschreibenden Weiß vermitteln zu können. Ob es sich hierbei tatsächlich um eine „Sprache des Dorfes“ handelt, sei dahingestellt.287 Der Verzicht auf die Beschreibung des verwandelten Jesus darf nicht zu dem Missverständnis führen, als sei die Verwandlung Jesu auf die außerordentliche Weißfärbung seines Gewandes beschränkt, es ist aber gleichwohl zu beachten, dass die körperliche Veränderung Jesu weder in den VV.9,2c–3 noch an anderer Stelle innerhalb der Erzählung ausgeführt wird.288 Somit bringt die Beschreibung der veränderten KBOCVKCden narrativen Hauptgesichtspunkt der Transfiguration zum Ausdruck, aus dem der 287 288
So aber J. GNILKA, HThK-Mt II, 92. Vgl. dazu E. HAENCHEN, Weg Jesu, 308.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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Rezipient die Verwandlung Jesu zu erschließen hat. Die Funktion der Emphase des außerordentlichen Weiß der Bekleidung liegt demnach darin, den Gehalt des OGVGOQTHYSJ zu visualisieren289, ist aber gerade dadurch, dass die Beschreibung des verwandelten Jesus an sich ein Desiderat bleibt, durch höchste Zurückhaltung geprägt. Das strahlende Weiß der Gewandung Jesu ist Indikator einer narrativ verborgenen, im Passivum divinum OGVGOQTHYSJdezent angedeuteten physischen Transformation. Die narrative Ausmalung der strahlenden Gewandung des verwandelten Jesus spielt auf eine paganantike Plausibilität an, nach der göttliche Wesen auf Erden erscheinen, deren Anblick für Sterbliche bedrohlich, zumindest aber schwer zu ertragen ist. Besonders zum Abschluss einer geheimen Offenbarung von Gottheiten sind im paganen Bereich Belege zu greifen, in denen sich die Götter in ihrer Göttlichkeit offenbaren.290 Es ist anzuneh289
Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 208. Die Metamorphosen von Gottheiten sind im pagan-hellenistischen Bereich gleichsam eine Selbstverständlichkeit, zumeist handelt es sich jedoch um Verwandlungen von Gottheiten in eine menschliche Gestalt, um unerkannt unter den Menschen zu wandeln. Die dabei unvermeidbare Anthropomorphie hat eine verbergende Funktion und dient der Ermöglichung einer Kommunikation von Gottheiten und Sterblichen. Homer formuliert dazu eine „Erfahrungssentenz“ angesichts der Erscheinung von Göttern, die in topologischer Hinsicht in der Reaktion des Petrus in Mk 9,5f. anklingt: ECNGRQK FG SGQK HCKPGUSCK GXPCTIGKL – „denn schwer zu ertragen sind Götter, wenn sie erscheinen“ (vgl. Ilias XX 131). In Ovid Met I 213 sagt Zeus von sich selbst: „Et deus humana lustro sub imagine terras“. Apollon und Poseidon treten für ein Jahr unerkannt in den Dienst des Trojanerkönigs Laomedon zur Prüfung seiner Hybris. Vgl. Apollodor II 5,9 bzw. Ovid Met XI 202f. Vgl. dazu D. ZELLER, Menschwerdung, 72. Im pagan-hellenistischen Bereich steht zum Abschluss einer bis dato verborgenen Epiphanie des Öfteren eine Szene, in der die über die Erde wandelnden Götter sich ihrer Umwelt in ihrer Göttlichkeit zu erkennen geben. Vgl. nur Ovid Met I 220: Signa dedi venisse Deum, vulgusque precari coeperat. Vgl. dazu D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 118. Vgl. ferner die Rückverwandlung der Demeter in Homer Hymen II 275–280. Die narrative Emphase in der Beschreibung des unvergleichlichen Weiß des Gewandes Jesu rekurriert auf diese gemeinantike Plausibilität göttlicher Epiphanien. Von einem Wandel des Dionysos in menschlicher Gestalt spricht Euripides in den Bakchen. Dionysos erscheint in Gestalt seines eigenen lydischen Propheten. Während dem Theaterpublikum seine Identität von Anbeginn an bekannt ist, erkennen die Akteure des Dramas seine wahre Identität nicht. Vgl. dazu die Eingangsdisclosure in Eur. Bacch. 4: OQTHJP F8 CXOGK[CL GXM SGQW DTQVJUKC P RCTGKOK – „Ich tauschte meine Gestalt aus der eines Gottes in eine menschliche.“ In Euripides Bacch. 53f. führt Dionysos aus: YP QW=PGM8 GK FQL SPJVQP CXNNCZCL GEY OQTHJP V8 GXOJP OGVGDCNQP GKXL CXPFTQL HWUKP – „Ich tauschte mir sterbliches Aussehen ein und wandelte meine Gestalt in die Art eines Menschen.“ Der „standardisierte euripideische Chorauszug“ lautet konsequent: RQNNCK OQTHCK VYP FCKOQPKYP – „vielfältig sind die Gestalten der Göttlichen“ (vgl. Euripides Bacch. 1388f.). Vgl. zu diesem Text S. VOLLENWEIDER, Metamorphose des Gottessohns, 111. Ein Standardtopos der verborgenen Epiphanien von Göttern ist ihre Bewirtung auf Erden. Der göttliche Besuch dient in vielen Fällen der Prüfung der Gastfreundschaft der Menschen. Vgl. dazu bes. M. LANDAU, Erdenwanderun290
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
men, dass diese antike Plausibilität einer göttlichen Metamorphose in christologisch modifizierter Form in die mit epiphanialer Topik arbeitenden Erzählung in Mk 9,2–8 eingespielt wird. Dies im paganen Bereich beheimatete Denken, wonach Götter bisweilen in menschlicher Gestalt erscheinen, verbindet sich in Mk 9,2–8 nun in charakteristischer Weise mit jüdischem Denken der Exodus-/Sinaitradition. In V.3 bedient die Betonung des Weiß – als Pendant zum Gold in der pagan-hellenistischen Tradition – eine jüdische Plausibilität. Da diese Farbe im jüdisch-christlichen Rezeptionsraum die schlechthinnige göttlich-himmlische Farbe ist, indiziert dieses Weiß der KBOCVKC Jesu dessen „Verwurzeltsein in der himmlischen Welt“291, worauf ebenso die sich anschließende Unterredung mit Elija und gen, 3–16. Dieser Topos liegt im Bereich des AT in Gen 18 vor. Vgl. dazu auch Philo Abr 108–118. In der in Apg 14,8–16 vorgenommenen Identifikation des Barnabas und Paulus als Zeus und Hermes werden Lokaltraditionen eingespielt (Ovid Met VIII 614– 629). Vgl. zum Lokalkolorit dieser Notiz die Ausführungen bei C. B REYTENBACH, Zeus und der lebendige Gott, 399–404.409. Als klassische Belegstelle aus dem paganen Bereich ist die phrygische Geschichte von Philemon und Baucis zu nennen, vgl. Ovid Met VIII 626–724: Jupiter und Merkur besuchen in der Gestalt von Sterblichen die Menschenwelt. Vgl. zu diesem Text M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 10– 14; M. LANDAU, a.a.O., 12f. Als locus classicus für göttliche „Heimsuchungen“ von Menschen gilt Homer Odyssee XVII 485–487: Odysseus, der mit Lumpen eines Bettlers bekleidet ist, wird von Antinoos misshandelt. Letzterer wird von einem jungen Mann mit den Worten gewarnt: MCK VGSGQK ZGKPQKUKPGXQKMQVGLCXNNQFCRQKUKPRCPVQKQKVGNGSQPVGL GXRKUVTYHYUK RQNJCL CXPSTYRYP W=D TKP VG MCK GWXPQOKPJP GXHQTYPVGL – „durchwandern die Götter doch, die von weither sind – Fremden vergleichbar –, in mancherlei Gestalt die Städte und blicken auf Frevel der Menschen und ihr Wohlverhalten“. Vgl. dazu S. VOLLENWEIDER, a.a.O., 112; C.R. M OSS, Exercise in Markan Accommodation, 77; D. ZELLER, Menschwerdung, 71. In der Rezeptionsgeschichte dieses Textes ragt die Polemik Platons gegen die Wandelbarkeit von Göttern in Rep. II 380d–382b hervor. Vgl. dazu auch J. B EHM, Art. OQTHJMVN. In: ThWNT IV (1942), 755f. 291 Mit H. B ALTENSWEILER, Verklärung Jesu, 69. Ein Flashback zu Mk 9,3 dürfte in der Erscheinung des Engels im leeren Grab in 16,5 vorliegen, wo die zweite Bezeugung eines weißen Gewandes im MkEv begegnet und die jüdisch-christliche Plausibilität, wonach Himmelswesen mit weißen Gewändern bekleidet sind, nochmals abgerufen wird. Die „himmlische Welt“, in die Jesus in der Transfigurationserzählung eingetaucht erscheint, „leuchtet jetzt [scil. in Mk 16,5] in Gestalt des weiß gekleideten Jünglings den Frauen entgegen“. Mit H. MERKLEIN, Mk 16,1–8, 216. Ferner D. LÜHRMANN, Markusevangelium als Erzählung, 219. Die Lokalisierung des jungen Mannes im Grab GXP VQKL FGZKQKL bestätigt zugleich, dass von ihm eine gute Botschaft zu erwarten ist. Vgl. zur Wertschätzung der Richtung „rechts“ im atl.-jüdischen Schrifttum bes. W. GRUNDMANN, Art. FGZKQL. In: ThWNT II (1935), 37–39; P.-G. KLUMBIES, Mythos bei Markus, 287. Damit ist keinesfalls der einzige Bezugspunkt beider Perikopen benannt: Die Perikope Mk 16,1–8 hat zudem mit 9,2–8 das dominierende Furchtmotiv gemeinsam, das „zur Topik von Epiphanie- und Angelophanieerzählungen“ gehört. Mit K. B ACKHAUS, „Dort werdet ihr ihn sehen“, 280. Vgl. Mk 9,6: GMHQDQKICTGXIGPQPVQ; 16,5: MCKGXZGSCODJSJUCP. Das Angstmotiv dominiert somit ab Mk 16,5. Mit D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 269. Besonders ist auf den auffälligen Schluss des MkEv mit dem Syntagma GXHQDQWPVQICT zu ver-
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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Mose spricht, die als Vertreter der Himmelswelt sowohl Zeugen als auch narrative Elemente der Verwandlung Jesu sind. Ohne den Sachverhalt eindeutig entscheiden zu können, ist m.E. die Emphase der Unmöglichkeit, ein solches Weiß auf Erden herzustellen, ein starkes Indiz zugunsten der vorgeschlagenen Deutung des OGVGOQTHYSJals Passivum divinum.292 Dass das Weiß im jüdisch-christlichen Bereich die weisen, der die Rezeption von Mk 16,1–8 insgesamt steuert. Die textkritische Frage nach dem Schlussvers des MkEv kann heute als zugunsten von Mk 16,8 entschieden gelten. Vgl. dazu z.B. M. B ÖHM, Wo Markus aufhörte, 87–89; D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 246f. mit Anm. 52; G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 243. Dass ein Textstück mit ICT enden kann, ist – trotz der Ungewöhnlichkeit eines solchen Abschlusses – in der antiken Literatur nicht singulär, wie P.W. VAN DER HORST [Can a Book End With *$4?, passim.] wahrscheinlich gemacht hat. Vgl. a.a.O., 102: „The only thing I wish to argue in this article is that the argument that a book cannot end with ICT is absolutely invalid.“ Vgl. auch die Belege bei R. SCHWINDT, Erschütterung statt Freude, 59–61. Dieser Textschluss bietet in seiner Auffälligkeit eine narrative Emphase besonderer Art. M. Matjaž [Furcht, 296] betont den provokativen Charakter dieses Textabschlusses, der „eine weiterreichende Interpretation des Geschehens“ herausfordere. Feststehen dürfte dabei, dass die exponierte Endstellung der Partikel ICT am Ende des Makrotextes ein helles Schlaglicht auf das Furchtmotiv insgesamt wirft. D.S. DU T OIT [a.a.O., 249f.] hat überzeugend auf die Parallelstruktur im Aufbau von Mk 16,5 (MCK GKXUGNSQWUCK GKXL VQ OPJOGKQP und 8 (MCK GXZGNSQWUCKGHWIQPCXRQ VQW OPJOGKQW) hingewiesen und daraus für Mk 16,8d (MCK QWXFGPK QWXFGPGK RCP) die These abgeleitet, dass diese Wendung als „narrative Explikation“ der in 8c beschriebenen angstvollen Reaktion der Frauen (GK EGP ICT CWXVCL VTQOQL MCK GMUVCUKL) konzipiert ist. Somit stelle das Angstmotiv „einen thematischen Rahmen um die Worte des himmlischen Boten (VV. 6c–7)“ dar. Vgl. a.a.O., 251. Die von R. P ESCH [HThK-Mk II 522.536] vorgeschlagene Deutung des Angstmotivs vor dem Hintergrund der Gattung von Epiphanien bzw. Angelophanien, die ich trotz des Einwandes von DU TOIT [vgl. z.B. a.a.O., 260] nach wie vor für am wahrscheinlichsten halte (vgl. dazu auch P. DSCHULNIGG, Sprache-Redaktion-Intention, 581f.), drängt zum Vergleich mit Mk 9,2– 8. Insofern das MkEv bekanntlich auf Relecture angelegt ist [vgl. nur G. SELLIN, Symbolische und esoterische Züge, 90; ferner P.-G. K LUMBIES, Mythos bei Markus, 295–299], darf gefragt werden, inwieweit der Auftrag des PGCPKUMQL (16,7: CXNNC WBRCIGVG GKRCVG VQKL OCSJVCKL CWXVQW MCK VY^ 2GVTY^ Q=VK RTQCIGK WBOCL GKXL VJP *CNKNCKCP> GXMGK CWXVQP Q[GUSG) und der Befehl der Himmelsstimme der Verklärungsszene (9,7: CXMQWGVG CWXVQW) thematisch zusammenhängen: Ist mit dem Imperativ der Himmelsstimme auf die gesamte autoritative Lehre Jesu abgehoben [mit D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 110], so „empfiehlt Gott das Evangelium Jesu immer wieder zur Lektüre“. Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 227. Der Hinweis des PGCPKUMQL auf Galiläa verweist auf den Ort, an dem sich diese Lehre im Prozess des Hörens/Lesens des Evangeliums immer wieder neu ereignet, wobei Galiläa nicht topologisch zu qualifizieren ist, sondern im MkEv durchweg „theologische Dignität“ genießt. Galiläa ist „Heimat der Frohbotschaft schlechthin“. Mit K. B ACKHAUS, a.a.O., 285. Ferner G. SELLIN, a.a.O., 90. 292 Für den folgenden Gedankengang ist es belanglos, ob das Syntagma GXRK VJL IJL auf IPCHGWL oder auf den Prozess des NGWMCPCK zu beziehen ist. Da als das Tertium comparationis die vollkommene Andersartigkeit des Weiß der Gewandung Jesu anzusprechen ist und der Walker-Vergleich das Syntagma UVKNDQPVC NGWMC NKC P aufnimmt, dessen
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
klassische himmlische Farbe ist293, mit der Jesus mit göttlichen Attributen versehen294 und durch die seine Zugehörigkeit zur himmlischen Sphäre angezeigt wird295, steht nicht zur Diskussion. Die Opposition, die durch die Argumentationsführung in Mk 9,3 jedoch eröffnet wird, zielt nicht auf das Weiß an sich, sondern auf den Prozess des NGWMCPCK,und unterscheidet den explizit benannten Vorgang desNGWMCPCKGXRK VJLIJLvon einem unausgesprochen davon abgehobenen NGWMCPCK GXP QWXTCPY^. Diese Strategie wird durch die StichwortanknüpfungNGWMC D undNGWMCPCK(9,3b) deutlich. Die narrative Emphase des Vergleichs ruht – in negativer Abgrenzung zum irdischen Bereich – auf dem himmlischen Bereich, in dem die „Herstellung“ eines solchen Weiß gerade möglich ist. Die explizite Benennung der IJ bietet via negationis narrativ einen Flashback zur Erwähnung des Himmels im Zusammenhang der Taufe Jesu (1,11), in der ein erstes Mal der Himmel bei einem GXRK VJL IJL stattfindenden Vorgang „intervenierte“, und bereitet die erneute Öffnung des Himmels in Mk 9,7 vor, aus dem heraus die Transfiguratio Jesu göttlich legitimiert und gedeutet wird. Die in der Taufperikope verifizierte Entsprechung einer „Aktion Jesu“ und einer damit korrespondierenden „Reaktion des Himmels“ lässt sich auch in der Gedankenfolge der VV.2f. aufzeigen: Der in Jüngerauswahl und Aufstiegsmotiv bestehenden Initiative Jesu entspricht die „Gegeninitiative“ des Himmels, die in der Metamorphose Jesu, seiner Gewandfärbung in himmlisches Weiß, der Entsendung zweier ihrer Bewohner und der in V.7 erklingenden Wolkenstimme besteht. Lediglich erinnert sei an das Vorhaben, die Erzählung von der Verklärung Jesu vor dem Hintergrund des markinischen Versuchs zu lesen, beim Hörer/Leser Hoffnung zu begründen. Die jüdische Apokalyptik wie auch das NT kennen das Bild vom Anziehen weißer Kleider als Bild für den eschatologischen Auferstehungsleib (vgl. nur äthHen 62,15f.; slavHen 22,8; Offb 3,4; 7,9; 1 Kor 15,43.49.51–53). Ohne an dieser Stelle die Verklärung mit Teilen der angelsächsischen Markusforschung monokausal zur Prolepse der Parusie zu „degradieren“, darf ein solcher Rezeptionshintergrund aufseiten der Hörer/Leser nicht ausgeschlossen werden: „Was also für den Jüngsten Tag erhofft wird, vollzieht sich hier schon an Jesus.“296 Hauptinformation im NGWMC liegt, ist es wahrscheinlicher, das GXRK VJL IJL nicht auf den Berufsstand des IPCHGWL , sondern auf den Herstellungsprozess, konkret das NGWMCPCK zu beziehen: Das strahlende Weiß ist himmlischer Intervention zu verdanken. 293 Vgl. z.B. J.P. HEIL, Transfiguration, 156; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 156; W. M ICHAELIS, Art. NGWMQLMVN. In: ThWNT IV (1942), 252. 294 Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 208. 295 So P. DSCHULNIGG, ThK-Mk, 245. 296 Mit E. Schweizer, NTD-Mk, 98. Vgl. auch P. Dschulnigg, ThK-Mk, 244. S. P ELLEGRINI [Elija, 309] lässt die „eschatologische Konnotation“ neben der Epi- bzw. Theophanie gelten: „Die Epiphanie soll also etwas über die Offenbarung der Endzeit sagen.“
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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Der Blick auf die FQZC Jesu, die im Modus des irdischen Auftretens Jesu eine weitestgehend verborgene ist, weitet den Horizont der Rezipienten mit Blick auf denGXPPGHGNCKLOGVC FWPCOGYLRQNNJL MCK FQZJLkommenden WKBQLVQWCXPSTYRQW(vgl. Mk 13,26). 3.7 Das Erscheinen der Himmelsbewohner Elija und Mose (Mk 9,4) 3.7.1 Einführung in die Problematik von Mk 9,4 Die in V.2c geschilderte Metamorphose bedeutet eine Epiphanie Jesu als des Sohnes Gottes, wie V.7 als der Höhepunkt der narratio, auf den hin diese konstruiert ist, deutlich indiziert. Sie kann als Grundlage zweier „Effekte“ begriffen werden. In Mk 9,3 wird ein erster Effekt narrativ entfaltet: das unvergleichliche Weiß der Gewandung Jesu. Diese himmlischweiße Farbe fungiert im jüdisch-christlichen Rezeptionsbereich als Signum der Zugehörigkeit zur himmlischen Welt.297 Der „Einbruch der jenseitigen Welt“298 ist auch Thema des nun folgenden V.4, der seinerseits das wohl größte Rätsel der Transfigurationserzählung enthält299: das Erscheinen der beiden Prominenten aus der Heilsgeschichte Israels, Elija und Mose.300 Ihr 297
Vgl. Kapitel 3 (3.2) „Jüdische Elemente der Verklärungserzählung“. Mit J. ERNST, RNT-Mk, 258. Ähnlich auch A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 85. 299 Vgl. für viele A. S TANDHARTINGER, Jesus, Elija und Mose, 66. Dem änigmatischen Charakter von V.4 entspricht es, dass ihm in der Regel ein Sonderstatus bei der Interpretation der Verklärungsperikope eingeräumt wird. A. Standhartinger widmet einen eigenen Aufsatz schwerpunktmäßig dem Auftreten des Elija und Mose in V.4. Vgl. a.a.O., passim. D. ZELLER [Bedeutung und Hintergrund, 318–320] schließt seine exegetischen Überlegungen zur „Bedeutung“ und zum „religionsgeschichtliche[n] Hintergrund der Verwandlung Jesu“ mit einer Behandlung des Sinnes von V.4 insbesondere ab. U. BECKER [Elia, Mose und Jesus, 8] erkennt gar in der Deutung der beiden den Schlüssel zum Verständnis der Verklärungsperikope insgesamt. 300 Dass Markus im Erscheinen des „Elija mit Mose“ eine „Anspielung auf die ‚heiligen Engel‘, die nach Mk 8,38 den Menschensohn begleiten“, erkennt (so H. MERKLEIN, Jesusgeschichte, 147), erscheint mir trotz der aufgewiesenen engen intratextuellen Beziehung von 8,38 und 9,2–8 vom Text her nicht gedeckt. In diese Richtung deutet neuerdings auch S.S. LEE, Jesus’ Transfiguration, 18f. Vgl. dazu meine Kritik in Kapitel 4 (2.1) dieser Studie. Unter den zahlreichen Männern und Frauen, die in der Geschichte des Judentums eine wichtige Rolle gespielt haben, dürfte Mose mit Abstand die bedeutendste innehaben. Seine Ausnahmestellung beruht darauf, ein von Gott eingesetzter Offenbarungsmittler und Toraverkündiger zu sein, vgl. nur Ex 19f.; 21,1; 24,1f.12; Dtn 5,1–5; Mal 3,23; Jub 1,5; 1,26f.; 2,1; 23,32; Philo VitMos II 12–65.188; Jos Ant I 95.240; III 180.286; IV 193; syrBar 59,3f.; 4 Esr 14,4–6. Vgl. z.B. J. JEREMIAS, Art. /YWUJL . In: ThWNT IV (1942), 854: „Moses [ist] für das Spätjudt die wichtigste Gestalt der ganzen bisherigen Heilsgeschichte“. Konsequent kann ihn der herausragende Vertreter des hellenistischen Judentums – Philo von Alexandrien – in VitMos 1,1 als „in jeder Beziehung größten und vollkommensten Menschen“ (CXPFTQL VC RCPVC OGIKUVQW MCK VGNGKQVCVQW) 298
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
gemeinsames Auftreten ist einzigartig301, denn sie gehören weder zu den Zeitgenossen Jesu und der Jünger, noch findet sich in der neutestamentlichen Tradition ein weiterer Beleg ihres gemeinsamen Auftretens.302 Sie werden mittels der Formel YHSJCWXVQKLnarrativ hervorhebend eingeführt. Durch das Lexem YHSJwird erzählerisch deutlich gemacht, dass ihr Auftreten als Epiphanie himmlischer Gestalten zu verstehen ist.303 Ihre Aufgabe ist es, die christologische Würde des verwandelten Jesus durch ihre Präsenz zu bestätigen304 und das Transfigurationsgeschehen flankierend zu erläutern. Ihr Auftreten wird mit großer Selbstverständlichkeit erzählt, was aber die Assoziation einer vorhergehenden „Verabredung“ nicht erzwingt.305 Jesus wird in einem ersten Schritt (V.4) in ihren Kreis aufgenommen – wobei er auch hier kaum auf einer Stufe mit ihnen steht –, um dann in V.7 mittels der Wolkenstimme weit über sie hinausgehoben zu
bezeichnen. Vgl. zu diesem Komplex B. B OTTE, Das Leben des Moses bei Philo, 173– 181. Nach Flavius Josephus kommen ihm bereits von Geburt an außerordentliche körperliche Erscheinung, Schönheit und Wissen zu (vgl. Ant II 9,5f.). In AssMos (vgl. nur 1,14; 11,5–8.9–19; 12,6) nimmt Mose messianische Züge an. Mit P. VOLZ, Eschatologie der jüdischen Gemeinde, 178. Seiner herausragenden Stellung trägt das NT insofern Rechnung, als Mose so häufige Erwähnung findet wie keine zweite atl. Gestalt: 80-mal (ohne die literarisch sekundäre Stelle Joh 8,5). Er gilt als Gesetzgeber, der den Willen Gottes zur Sprache bringt (vgl. nur Mk 1,44 par. Mt 8,4/Lk 5,14; Lk 2,22; Mk 10,3f. par. Mt 19,7; Mk 7,10; Mk 12,19 par. Mt 22,24/Lk 20,28; Mt 23,2f.; Joh 1,17; Joh 7,19.22; Röm 10,5f.; Hebr 9,19), als Zeuge/Typos des Glaubens (Joh 5,45; Hebr 11,23f.; 12,21), als der Prophet (Apg 3,22; 7,37 in Aufnahme von Dtn 18,15 LXX!). Sein Name kann metonymisch „die Tora des Mose“ meinen (vgl. Apg 6,11; 13,38; 15,21; 21,21; Röm 10,5; 2 Kor 3,15). Zur Rezeption der Mosegestalt im NT vgl. z.B. G. FITZER, Art. /YW"UJL. In: EWNT II ( 21992), Sp. 1109–1114. Vgl. ferner D. SÄNGER, „Von mir hat er geschrieben“, 112f. Zur Bedeutung des Mose im Frühjudentum vgl. insbesondere G. VERMÈS, Die Gestalt des Moses, 61–93. Zur Bedeutung Moses im rabbinischen Schrifttum vgl. R. B LOCH, Die Gestalt des Moses in der rabbinischen Tradition, 95–171. 301 Auch der vielfach angeführte Text Mal 3,22–24 kann m.E. kaum als Beleg für ein gemeinsames Auftreten Moses und Elijas betrachtet werden, da hier zwar von den heilsgeschichtlichen Funktionen der beiden, nicht jedoch von einem gemeinsamen Auftreten die Rede ist. 302 Das Syntagma 8+NKCLUWP/YW"UGK ist Hapaxlegomenon in der LXX und im NT. 303 Mit D.S. DU T OIT [Abwesender Herr, 354], der das mit dem Lexem YHSJ eingeführte Auftreten des Elija und Mose vor dem Hintergrund von Angelophanien der Septuaginta (Ex 3,2; Ri 6,12; 13,3.21; Tob 12,22) deutet. 304 Zur Grundvoraussetzung der im Folgenden vorgelegten Exegese gehört es, dass die beiden atl. Würdenträger Jesus keine göttliche Botschaft verbal vermitteln, sondern eine solche selber sind: Jesus ist wie diese ein Himmelsbewohner Gottes, als Gottes Sohn jedoch mit unvergleichlich höherer theologischer Dignität ausgestattet. Gegen B. WHITERINGTON, Transfigured Uderstanding [sic!], 88. Mit D. S ÄNGER , „Von mir hat er geschrieben“, 122f. 305 In diese Richtung deutet aber M. REISER, Verklärung Jesu, 30.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
161
werden.306 Der Text schweigt über die Kennzeichen, an denen Elija und Mose als solche erkannt werden, genauso wie er grundsätzlich keine Angaben über ihr Aussehen macht, was angesichts der relativ breit geschilderten strahlenden Gewandung Jesu sogleich ins Auge fällt. Dieses silentium des Textes hat die christologische Zielsetzung, die theologische Äquivalenz der drei Himmlischen sogleich in Abrede zu stellen.307 Die hier vorliegende Taktik zum Erweis der Überlegenheit Jesu über die himmlischen Besucher kann mit M. Frenschkowski als „nichttitulares Ausdruckmittel der Christologie“ interpretiert werden, das in etwa bereits in der Q-Überlieferung (vgl. Mt 12,41f.; Lk 11,31f.) verifiziert werden kann.308 Ein ähnliches Vorgehen findet sich bereits in Mk 1,9–11 im Hinblick auf die Relation Jesus/Johannes.309 Die mit V.2c begonnene Ausrichtung auf die Jünger wird in V.4 durch das CWXVQKL konsequent fortgesetzt, sodass sowohl die Erscheinung an sich als auch der „Akt des Redens mit Jesus“310 zugunsten der Verklärungs-„Beobachter“ geschieht. Über diese hermeneutischen Grundvoraussetzungen dürfte exegetisch Einigkeit zu erzielen sein. Damit eröffnet sich zugleich der Blick auf die vielen weiteren immensen Probleme, die V.4 dem Ausleger aufgibt. Denn bereits im Hinblick auf die grundlegende Frage, was ihr gemeinsames Auftreten genau aussagen will, gehen die Meinungen der Ausleger weit auseinander. Klar dürfte sein, dass die Metamorphose Jesu, die nun vorgelegte Erscheinung des Elija mit Mose und die in 9,7 ertönende Gottesstimme aus der Wolke in ihrer Summe eine Antwort auf die christologische Basisfrage geben, wie sie in etwa in 4,41 formuliert ist.311 Daraus ergibt sich für die 306 Dies wird von S.S. LEE [Jesus’ Transfiguration, 11] nicht erfasst, da er die überbietende Funktion des V.7, auf den hin die Transfigurationsnarratio konstruiert ist, nicht bedenkt: Eine exklusive Kontrastierung Jesu („heavenly“) gegenüber den Verklärungs„Zeugen“ („earthly“) ist nicht anvisiert: Die Legitimation Jesu verläuft auch – und sogar in besonderer Weise – über die überbietende Abgrenzung gegenüber den himmlischen Besuchern. 307 „[A] suggestion of equality“ – so M. THRALL, Elijah and Moses, 308 – ist m.E. im Text nicht zu erkennen. In diese Richtung versucht neuerdings auch F. C RÜSEMANN [Elija und das Neue Testament, 33f.] zu deuten. 308 Mit M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 186. 309 Vgl. für viele U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 17: „Die Epiphanieerzählung von der Taufe will die gegenüber Johannes dem Täufer höhere, ja ganz neue heilsgeschichtliche Würde Jesu verkünden.“ 310 Vgl. S. PELLEGRINI, Elija, 318. 311 Gut bei U. KMIECIK, Menschensohn, 148. Vgl. auch W. KRAUS, Dtn 18,15–18, 161. Dem widerspricht nicht, dass die Jünger auch weiterhin nicht verstehen werden, wer Jesus ist, da sie den VC VYP CXPSTYRYP (vgl. 8,33) verpflichtet bleiben. Ein christologischer Erkenntnisfortschritt der Jünger lässt sich im MkEv nicht aufweisen, wovon insbesondere das kontextuelle Umfeld der Verklärungserzählung Zeuge ist, insofern hier die an die Adresse der Jünger gerichtete Erwartung des Lesers hinsichtlich eines angemesse-
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
herausgehobenen Persönlichkeiten des Alten Bundes die Tatsache, dass sie eine christologische Wegweiserfunktion ausüben. Damit ist jedoch noch nichts zu der Problematik gesagt, wie es zu der religionsgeschichtlich gesehen auffallenden Kombination dieser beiden atl. Gottesmänner – zudem in der divergierenden Reihenfolge der VV.4f. – kommt. Dieser Frage ist das Kapitel 4 gewidmet. Im Zusammenhang der Exegese von Mk 9,4 stellen sich folgende Fragen: Welche christologische Funktion üben sie in der Verklärungserzählung genau aus und wie lässt sich die Auswahl gerade dieser beiden biblischen Prominenten erklären? In welchem Konnex stehen sie zueinander und zu Jesus? Bezeichnet die Formel 8+NKCLUWP/YW"UGK aus V.4, die einen Vers später auffallend umgedreht wird, eine theologische Äquivalenz des Elija und Mose oder impliziert sie eine Präferenz einer der beiden im Hinblick auf ihre theologische Dignität? Wie kommt es, dass uns in Mk 9,4 die einzige Stelle in der gesamten biblischen Literatur vorliegt, an der Elija vor Mose genannt wird? Wenn die Grundthese richtig ist, dass die Verklärungserzählung eine christologische Legitimationsnarratio ist, die sich als solche eine Mose-Sinai-Typologie zunutze macht, dann ist die Vermutung begründet, dass die Hinzunahme des Elija dem besonderen theologischen Interesse des Mk-Evangelisten geschuldet ist. Diese Arbeitshypothese muss sich in der Analyse des Textes bewähren. 3.7.2 Analyse von Mk 9,4 Die Verklärungserzählung ist in weiten Teilen aus der Perspektive der Jünger verfasst. Diese Tendenz hat sich bereits im SyntagmaOGVGOQTHYSJ GORTQUSGP CWXVYP in 9,2c abgezeichnet und schlägt nun in 9,4 voll durch: YHSJCWXVQKL312 DasCWXVYP(V.2c) bedingt dasCWXVQKL(V.4a). Das Erscheinen des „Elija mit Mose“ geschieht zwar im Hinblick auf ein Zwiegespräch mit dem verklärten Jesus313 und hat die Aufgabe, seine Zugehörig-
nen Verständnisses des Auftretens Jesu enttäuscht wird. Gut bei Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 223. Die Verklärungsperikope ist vom Grundduktus ihrer Erzählung dazu geeignet, die „Opposition zwischen Menschengedanken und Gottesgedanken“ nochmals zu verstärken (gut bei N.R. PETERSEN, Zeitebenen, 115), was sich nicht zuletzt am missglückten Vorschlag des Petrus verifizieren lässt, der erzähltechnisch Ausgangspunkt der in der Wolkenstimme ergehenden Korrektur seines Anliegens ist. Überzeugend ist daher die Definition C. BREYTENBACHs [Nachfolge, 246.251] von Mk 9,2–8 als „unverstandene Epiphanie“. Ähnlich auch H.-J. RIEDL [Seewandel Jesu, 16] im Hinblick auf Mk 6,45–52. 312 Gut erkannt von W. M ICHAELIS, Art. QBTCY MVN. In: ThWNT V (1954), 354: Das YHSJ CWXVQKL unterstreicht die Jüngerperspektive, aus der die Verklärungsgeschichte erzählt wird. 313 Die Erscheinung der zwei Himmelsbewohner im Teilvers 4a ist die Voraussetzung für die im Teilvers 4b erzählte „himmlische Unterredung“, auf der ausgehend von der
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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keit zur himmlischen Welt zu erweisen, es geschieht jedoch zugunsten der drei Verklärungs-„Beobachter“, vor deren Angesicht sich das „Schauspiel“ vollzieht.314 Über die Tatsache, dass sich das CWXVQKL in V.4 auf die drei Verklärungs-„Zeugen“ beschränkt, wird angesichts der Erkenntnis, dass mit dem Teilvers 9,2c ein Wechsel der Erzählperspektive zugunsten der Jünger vorliegt, Einigkeit zu erzielen sein.315 Jesus ist ab diesem Vers narrativ von den Jüngern getrennt. Das Erscheinen des 8+NKCL UWP /YW"UGK wird narratologisch hochstehend durch ein rezeptionsleitendes MCK YHSJ CWXVQKL eingeleitet, wobei der Erzähler ihre Identität postuliert, nicht jedoch erklärt.316 Anders als in der lukanischen Parallele spricht der markinische Erzähler nicht von CPFTGLFWQund identifiziert diese in einem zweiten Schritt im Sinne eines angelus interpres als Mose und Elija (QK=VKPGL J UCP /YW"UJL MCK
auffälligen Coniugatio periphrastica (J UCP UWNNCNQWPVGL) eine gewisse Emphase zu liegen scheint. 314 Mit A. FUCHS, Verklärungserzählung, 33. J.M. NÜTZELs [Verklärungserzählung, 103, vgl. auch A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 86] Deutung, wonach die „Erscheinung [scil. Elijas und Moses] zumindest a u c h den Jüngern gilt“, dürfte als solche nicht zwingend sein. Das CWXVQKL bezieht sich deutlich auf die Verklärungs-„Beobachter“, es steht in einer direkten Korrespondenz mit dem CWXVYP in Mk 9,2c. Auf der Erscheinung zugunsten der Jünger liegt die narrative Emphase der Erzählung. Einen doppelt falschen Akzent setzt H. B ALTENSWEILER [Verklärung Jesu, 76.79], indem er zunächst das Erscheinen der Himmlischen zugunsten der Jünger vollkommen in Abrede stellt und dann die Intention ihres Erscheinens in einer – vom Text an keiner Stelle – angedeuteten „Belehrung“ Jesu erkennt. Postulierter – wenngleich kaum überzeugender – Inhalt dieser himmlischen Belehrung sei die Absage an ein zelotisches Messiasideal, das für Jesus eine Gefahr dargestellt habe. Die massive Kritik bei S. P ELLEGRINI [Elija, 316] ist berechtigt und überzeugend: Der Gedanke der Belehrung Jesu ist weder mit dem GXZQWUKC -Konzept des MkEv vereinbar noch mit dem Erzählduktus der Perikope in Einklang zu bringen, der auf die Herausstellung der unvergleichlichen Würde Jesu abzielt. Über die von Pellegrini genannten Argumente ist gegen Baltensweiler anzuführen, dass die in V.7 sich manifestierende „Aktionseinheit“, auf die der Erzählduktus dieser Geschichte hinausläuft, durch einen solchen Gesprächsinhalt konterkariert würde. 315 Gut bei Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 210. 316 Mit R. P ESCH, HThK-Mk II, 74 mit Anm. 11. Mit YHSJ ist kein Hinweis auf das Ostergeschehen gegeben, da es sich um das Erscheinen des Elija und Mose handelt, die in der ntl. Ostertradition keinen Platz haben. Mit R.H. STEIN, Transfiguration, 80f. Ferner E. BEST, Transfiguration, 208. Mit QXHSJPCK ist allgemein die Erscheinung von himmlischen Personen bezeichnet. Vgl. nur Mk 13,26.29; 14,62; 16,7; Lk 1,11; 3,6; 17,22; 21,27; 22,43; Mt 5,8; 17,3; 26,64; 27,24; 28,7. Vgl. dazu C. B REYTENBACH, Nachfolge, 241 Anm. 206; U. KMIECIK, Menschensohn, 136 mit Anm. 19. Der vorliegende Singular entspricht nach B LASS-DEBRUNNER-REHKOPF [Grammatik § 135,1] klassisch griechischer Diktion, wenn im Falle einer Voranstellung des Prädikates als Subjekt kein eigentlicher Plural, sondern Singular und Singular folgen.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
8+NKCL)317, in der markinischen Erzählung werden vielmehr beide Himmelsbewohner von vornherein direkt mit ihren Namen bezeichnet, wobei aber die Angabe des Kennzeichens, an dem Elija und Mose als solche identifizierbar sind, ein Desiderat bleibt. Die historisierende Frage nach den Erkennungszeichen der beiden Himmelsbewohner ist angesichts der vorliegenden Textgattung im Ansatz nicht textgemäß.318 War in 9,2c die Metamorphose Jesu die Voraussetzung der in der Transfigurationserzählung vorliegenden Epiphanie des Gottessohnes, so ist das Erscheinen der himmlischen Prominenten sowohl „Effekt“ der Metamorphose als auch deren Deutung: Die Verwandlung (9,2c) ist ein Akt christologischer Legitimation, insofern sie Erweis der Zugehörigkeit Jesu zur himmlischen Welt ist, die sich gerade im UWNNCNGKP der drei Himmelsbewohner in V.4 ausdrückt.319
317 Vgl. F. B OVON, EKK-Lk I, 496. Verfehlt scheint es mir hingegen, aus der lk Parallelfassung die Position abzuleiten, dass in der synoptischen Vorlage lediglich von Engelswesen die Rede gewesen ist, die erst sekundär als Elija und Mose gedeutet wurden. In diese Richtung argumentieren ausgehend von der Identifikation der Verklärungsgeschichte als einer deplatzierten Ostergeschichte R. BULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 279; H.-P. MÜLLER, Verklärung Jesu, 61; J. MURPHY-O’CONNOR, What Really Happened, 19. Der angehängte Relativsatz QK=VKPGL J UCP /YW"UJL MCK 8+NKCL kann die Beweislast nicht tragen. Eine solche identifizierende nachfolgende Präzisierung ist typisch lukanisch. Vgl. nur 1,27; 8,41; 19,2; 23,50. Dass es sich bei den zuletzt genannten Stellen um eine Konstruktion mit QPQOC handelt, widerspricht dem nicht, da eine Formulierung wie CPFTGLFWQVQKLQPQOC/YW"UJLMCK 8+NKCL angesichts ihrer herausragenden heilsgeschichtlichen Stellung kaum anders als despektierlich zu bezeichnen wäre. Eine „Unnatürlichkeit“ in dieser lukanischen Formulierung, die J. M URPHY-O’CONNOR [a.a.O., 15] feststellen zu müssen meint, kann ich nicht erkennen. Diese Beobachtung zugunsten einer traditionsgeschichtlichen Priorität der ersten Hälfte der Transfigurationsnarratio geltend zu machen, ist exegetisch nicht verantwortbar. Ebenso postuliert ist die Position, dass die dem MkEv vorliegende vorsynoptische Fassung lediglich von der Erscheinung des Elija wusste und die Hinzufügung des Mose einer intendierten Mosetypologie geschuldet sei. So z.B. S. HALL, Synoptic Transfigurations, 43. Der Sachverhalt liegt m.E. genau umgekehrt. 318 Ähnlich auch A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 85f. Vgl. auch D. LEE, Transfiguration, 3; E. LOHMEYER, Verklärung Jesu, 187. 319 In dieser Hinsicht setzt J.M. NÜTZEL m.E. einen problematischen Akzent, wenn er die Gemeinschaft Jesu mit Elija und Mose tendenziell in die Zukunft verlagert, indem er ausführt: „Ihr vertrautes Sprechen mit Jesus nimmt die Gemeinschaft vorweg, in die dieser nach seiner Auferstehung aufgenommen werden soll.“ Skopus von Mk 9,4 ist die Gemeinschaft Jesu mit den Himmlischen hier und jetzt. Inkonsequent erscheint dann der Anschluss A. VÖGTLEs [Unnötige Glaubensbarrieren, 87] an diese Position seines Schülers mit der in eine andere Richtung weisenden Zusatzbemerkung: „Das Gespräch … mit dem verklärten Jesus … soll den Jüngern gewiß zu verstehen geben, daß dieser wirklich der himmlischen Welt zugehört“.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
165
Die Unterredung der drei herausragenden heilsgeschichtlichen Persönlichkeiten auf dem Verklärungsberg offenbart zwar in einem ersten Schritt, „daß Jesus zu den himmlischer Herrlichkeit gewürdigten Großen der Heilsgeschichte gehört“320, sie bleibt jedoch dabei nicht stehen. Die Überlegungen zur Gliederung der Verklärungsgeschichte haben ergeben, dass V.4 – bei aller Wichtigkeit der theologischen Präzisierung mittels des „misslungenen“ petrinischen Vorschlags in den VV.5f. – erzähltechnisch ohne Sinnverlust direkt an V.7 angeschlossen werden könnte, dessen Intention es aber ist, die mögliche These einer theologischen Äquivalenz sogleich in Abrede zu stellen.321 Genau genommen haben auch die VV.5f. diese Stoßrichtung: Der Vorschlag des Petrus wird nicht zuletzt deshalb kritisiert, weil er auf eine theologische Gleichsetzung der drei Großen hinausläuft. So offenbart der vom Erzähler subtil kritisierte Petrusvorschlag seinerseits, dass V.4 im Zusammenhang mit V.7 zu rezipieren ist, dessen Intention die Herausstellung der unvergleichlich höheren theologischen Dignität Jesu gegenüber den anderen Himmelsbewohnern ist. Die Erwähnung des Mose muss im Zusammenhang mit dem Anklang an Dtn 18,15 (RTQHJVJPGXMVYPCXFGNHYPUQWYBLGXOG CXPCUVJUGKUQKMWTKQLQB SGQLUQW CWXVQW CXMQWUGUSG) gelesen werden. Jesus ist der schlechthinnige Prophet, der neue Mose, jedoch in „gewaltiger Überbietung“.322 Die lukanische Redaktion verstärkt diesen Gedanken mithilfe der FQZC-Vorstellung, indem sie in einem ersten Schritt zunächst den himmlischen Besuchern FQZC zuspricht (Lk 9,31: QK? QXHSGPVGL GXP FQZJ^), in einem zweiten auch Jesus (Lk 9,32: GK FQP VJP FQZCP CWXVQW), um in einem dritten Schritt trotz der allen drei Erzählfiguren gemeinsam zukommenden FQZCdie theologische Überlegenheit Jesu mittels der Wolkenstimme zu proklamieren. Durch die periphrastische Ausdrucksweise JUCP UWNNCNQWPVGL VY^ 8,JUQW wird die Alternative zwischen einer rein kollegialen Unterhaltung dreier gleichgestellter Persönlichkeiten einerseits und einer „überheblich“ anmutenden etwaigen Formulierung8,JUQWLJ PUWNNCNYPCWXVQKLandererseits vermieden, indem sowohl die unvergleichliche Autorität Jesu gesichert als auch die „Intimität“ der Unterredung, in der Jesus unbestreitbar den „Mittelpunkt der kleinen Gesellschaft“ darstellt, gewährleistet wird.323 Mit R. PESCH, HThK-Mk II, 74. Vgl. dazu und zum Folgenden auch A. FELDTKELLER, Identitätssuche, 176. 322 Mit H. SCHÜRMANN, HThK-Lk I, 554. 323 Mit M. REISER, Verklärung Jesu, 31. Ferner B.D. CHILTON, Transfiguration, 118: „Mark uses VY^ 8,JUQW to keep the readers’s attention on his principal.“ Die Versuche, Jesus, Elija und Mose als gleichwertige Gesprächspartner zu verstehen – vgl. z.B. J.E. FOSSUM, Ascensio, 86: „Elijah and Moses, who certainly belong to the heavenly world and appear as equal conversation partners of Jesus“; F. HAHN, Christologische Hoheitstitel, 336: Die Unterredung sei „Zeichen der Gemeinschaft und Gleichstellung“ –, sind nicht überzeugend. Die sprachliche Parallelität von Ex 34,35 LXX (UWNNCNGKPCWXVY^) und Mk 320 321
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Dabei ist zu beachten, dass der Erzähler mittels einer Constructio periphrastica von einem UWNNCNGKPder drei Himmelsbewohner spricht und damit das Gespräch in seinem Verlauf fokussiert. In narrativer Hinsicht besteht daher vom Ansatz her kein Interesse am Inhalt des Gesprächs. Für den Erzähler ist die Tatsache des Gesprächs zwischen dem Gottessohn Jesus, Mose, dem Lehrer Israels, und dem eschatologischen Propheten Elija an sich entscheidend.324 Das Fehlen des Objektes des Gesprächs der drei Himmlischen hat dabei einen dreifachen narrativen Effekt: 1. Das Desiderat eines Objektes des Gesprächsinhaltes führt als Erstes unmittelbar zu einer Höhergewichtung der bloßen Tatsache des Gesprächs: Dass es stattgefunden hat, allein ist wichtig! 2. Das Fehlen des Gesprächsobjektes fördert als Zweites den als esoterisch zu bezeichnenden Charakter der „himmlischen Unterredung“ und begünstigt damit die Assoziation, dass die Jünger aufgrund ihrer irdischen Beheimatung nicht in der Lage sind, dem Gespräch zu folgen325, während umgekehrt durch das vertrauliche Sprechen Jesu himmlische Beheimatung untermauert wird.326 9,4 (MCK J UCPUWNNCNQWPVGLVY^ 8,JUQW) kann nicht geleugnet werden. Dann aber reden in Mk 9,4 Elija und Mose mit Jesus, wie in Ex 34,35 Mose mit Gott redet. Gut bei O. HOFIUS, Allmacht des Sohnes Gottes, 119 mit Anm. 11. Siehe ferner W.R. STEGNER, Use of Scripture, 115. Die Parallelität zwischen Jesus und Mose ist daher an der entscheidenden Stelle bewusst durchbrochen. Die textliche Interferenz (Ex 34,35/Mk 9,4) ist hier nicht repetitiv, sondern innovativ. Die Verklärungsperikope ist ein christologischer Epiphanietext, in dem Jesus selbstredend nicht als Offenbarungsempfänger erscheint, sondern Subjekt einer Offenbarung ist, unabhängig davon, welche Präferenz bei der Übersetzung von OGVGOQTHYSJ in 9,2 (Passivum divinum/reflexiv) gemacht wird. 324 Treffend bei H. CONZELMANN [Mitte der Zeit, 51] im Hinblick auf die Unterschiede der markinischen und lukanischen Version: „Nicht der Inhalt, sondern die Tatsache des Gesprächs als solche ist die Hauptsache.“ So auch M. Ö HLER, Verklärung, 207; DERS., Elia im NT, 128; Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 212. Vgl. auch A. SUHL, Funktion, 106f. Von hier aus bin ich skeptisch gegenüber dem Versuch bei J.C. P OIRIER [Transfiguration, 526], auch in der Markusversion die Leidensthematik im Gespräch Jesu mit Elija und Mose ausfindig machen zu wollen. Die passionskerygmatische Rahmung der Transfigurationsperikope ist zwar unbestreitbar (9,9–13), doch ist die Unbestimmtheit des Gesprächsobjektes in 9,4 das Signum des Gesprächs. Mk 9,9 ist nicht der Schlüssel zu 9,4. Wenn Poirier [a.a.O.] formuliert „because the conversation at the Transfiguration was also a Passion prediction“, so hat diese Position keinerlei Anhalt im Text. Unbestreitbar ist gleichwohl, dass die Leidensthematik durch die Integration des Elija, der im MkEv durchgängig mit dem Topos „Leiden“ konnotiert ist, in die Markus vorliegende Tradition eingespielt wird. 325 Vgl. auch A. STANDHARTINGER, Jesus, Elija und Mose, 76. 326 Motivlich verwandt ist hier ApkZeph 8,2–4: Der Prophet lobt sich in seiner Verzückung, die Sprache der ihn begleitenden himmlischen Engel zu verstehen. Das Auftreten von Himmelswesen hat entferntere Parallelen in der frühjüdischen Gattung der Him-
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
167
3. Der dritte durch das Fehlen der Angabe des Gesprächsinhaltes erzielte narrative Effekt ist die Tatsache, dass das Augenmerk des Hörers/Lesers nicht auf das Gespräch an sich, sondern auf die Rollenverteilung innerhalb des Gesprächs gelegt wird: Jesus ist der Mittelpunkt der kleinen himmlischen Gesellschaft.327 Die besagte zentrierte Stellung Jesu wird zudem durch eine Beobachtung zementiert, die zugleich einen Lösungsvorschlag für die in der Exegese häufig angemahnte redaktionelle Inkonsequenz in den VV.4f.328 im Hinblick auf die Positionierung des Elija und Mose anbietet. Die positionelle Abfolge der himmlischen Personen in den VV.4f. ergibt einen kunstvollen Chiasmus mit einer christologisch hochstehenden Aussage. Im Schaubild verdeutlicht: V.4:8+NK 8+NKCL–/YW" UJL–8,JUQW 8,JUQWLV.5:8,JUQW 8,JUQWL– 8+NKCL L /YW"UJL–8+NK L Diese chiastische Konstruktion beinhaltet somit sowohl eine zentrierte Stellung Jesu als auch eine ebenso betonte Außenstellung des Elija. In Verbindung mit der in dieser Studie vorausgesetzten sprachlichen Parallelität von Mk 9,4 (MCK J UCP UWNNCNQWPVGL VY^ 8,JUQW) mit Ex 34,35 LXX (UWNNCNGKPCWXVY^), wonach Elija und Mose mit Jesus sprechen, wie Mose mit Gott sprach, sowie mit der Tatsache, dass nur Jesu Gewänder glänzen, ist eine endgültige Absage an alle Positionen zu erteilen, die von einer
melsreisen. Vgl. nur grBar 11–17; VitAd 25–29; ApkZeph 9,3f.; grApkEsr 5,21f.: MCK CXRJICIQPOGQKB CIIGNQKMCVC CXPCVQNCLMCK KFQPVQ HWVQPVJL\YJLMCKKFQPGXMGK VQP 8(PYE …; TestIsaak 6,1. Die von M. ÖHLER [Verklärung, 206f.] angegebenen Referenztexte haben jedoch nur einen entfernteren Erkenntniswert für die Verklärungsperikope, da es sich dort um Himmelsreisen bzw. Entrückungserzählungen handelt, die gattungsgeschichtlich nichts mit Mk 9,2–8 zu tun haben. Für unseren Text gilt dasselbe, was F. B ACK [Verwandlung durch Offenbarung, 12] für das OGVCOQTHQWUSCK in 2 Kor 3,18 ausgeführt hat: „Der Ort der Verwandlung der Christen ist die Erde.“ 327 Überzeugend bei Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 213. Spekulationen im Hinblick auf den Inhalt des Gesprächs, wie sie z.B. J.B. FULIGA [Temptation, 333] anstellt („it was an encouragement to Jesus to continue his trip to Jerusalem“), sind überflüssig und gehen an der Intention des MkEv vorbei. Die Tatsache, dass von einem „Hören“ des Gesprächsinhaltes seitens der Jünger nichts verlautet, könnte zudem eine die Pointe der Verklärungserzählung in V.7 vorbereitende Funktion haben: Indem die Jünger nicht Ohrenzeugen des Gesprächsinhaltes der drei Himmlischen in V.4 sind, werden sie hinsichtlich der entscheidenden disclosure der Erzählung disponiert, die in der Gottes-SohnPrädikation in V.7 und der mit dieser integral verbundenen Gehorsamsforderung liegt. Nicht das Hören des Gesprächs ist die theologische Intention des Erzählers, sondern die gesamte autoritative Lehre Jesu, auf die V.7d verweist. 328 So z.B. J. GNILKA, EKK-Mk II, 32. Nach Gnilka habe der Redaktor die historisch richtige Reihenfolge in V.4 „umgestellt, um das Interesse an Elija anzuzeigen“. Aus V.5 schließt Gnilka sodann, „daß er nicht immer konsequent redigiert hat“.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
„Gleichstellung“ der drei Großen auf dem Verklärungsberg sprechen.329 Diese chiastische Stellung bereitet narrativ die himmlische Prädikation Jesu in V.7 vor, die die Vorrangstellung Jesu gegenüber Elija und Mose zementiert. Bekanntlich füllt Lukas das Desiderat des Gesprächsinhaltes dahingehend, dass er die kontextuelle passionstheologische Einbettung der Verklärungsperikope im MkEv konsequent weiterführt, indem er denGZQFQLJesu in Jerusalem zum Gesprächsgegenstand der Himmelsbewohner erklärt (Lk 9,31).330 Im Gegenzug verzichtet er darauf, das an die Verklärung angeschlossene Gespräch beim Bergabstieg (vgl. Mk 9,9–13) wiederzugeben, und schließt direkt mit der Heilung des epileptischen Jungen an, womit er eine stärkere Kontrastierung der auf dem Verklärungsberg sich eröffnenden himmlischen Welt und der „irdischen“ Welt, „in der Dämonen die Menschen quälen“, erreicht.331 In Mk 9,2c haben die exegetischen Überlegungen in ihrer Summe für das Vorliegen eines Passivum divinum gesprochen, sodass die Autorität Gottes hinter der Metamorphose Jesu impliziert ist. Ein klassisches Passivum divinum ist aufgrund des Dativus commodi CWXVQKL und der Nominativform 8+NKCL bei dem ebenso passivischen YHSJ332 zwar nicht möglich, 329
Gut bei D.S. DU TOIT, „Gesalbter Gottessohn“, 42. Vgl. auch DERS., Prolepsis als Prophetie, 182 Anm. 73. 330 H.C. KEE [Transfiguration, 148] spricht von einer instinktiv richtigen Identifizierung des Gesprächsobjektes durch Lukas. Ohne dass der lukanische Terminus GZQFQL exklusiv auf den Kreuzestod Jesu in Jerusalem zu beziehen ist [so R. PEPPERMÜLLER, Art. GZQFQL. In: EWNT II ( 21992), Sp. 20 mit Verweis auf Weish 3,2; 7,6; Jos Ant IV 189; Philo Virt 77; TestNaph 1,1; Just Dial 105,5 u.a.], dürfte hier doch der Schwerpunkt liegen. Der „Ausgang“ Jesu in Jerusalem ist somit in weiten Teilen eine euphemistisch anmutende Umschreibung des Kreuzestodes, impliziert jedoch die Glaubensgewissheit, dass der Tod Jesu „nicht das letzte Wort Gottes ist“. Mit F. BOVON, EKK-Lk I, 497. Ähnlich auch S. HALL, Synoptic Transfigurations, 42; S. PEDERSEN, Proklamation Jesu, 255. Weniger überzeugend ist die Deutung des Terminus GZQFQL vor dem Hintergrund der Isaak-Typologie bei H. RIESENFELD, Jésu Transfiguré, 261.267. 331 Mit H. SCHÜRMANN, HThK-Lk I, 567. Die „Leerstelle“, die durch die ersatzlose Streichung des Gesprächs in Mk 9,9–13 entsteht, wird zum Teil dadurch kompensiert, dass die zweite Leidensankündigung (Mk 9,31f.) bei Lukas wesentlich näher an die Verklärungserzählung heranrückt (vgl. Lk 9,44f.). Dazu dient ebenso die konsequente Kürzung der markinischen Wundererzählung. 332 Das Lexem YHSJ ist ein markinisches Hapaxlegomenon. Es ist aufgrund des in Mk 9,4 vorliegenden neutralen Gebrauchs nicht geeignet, das Geschehen als ekstatisches Erlebnis Jesu oder als subjektive Vision der Jünger zu definieren. Der vorliegende neutrale Gebrauch legt die Annahme des Vorhandenseins und der Gegenwart der himmlischen Besucher nahe, klammert jedoch die Frage aus, an welche Form des Sehens konkret gedacht ist. Mit W. MICHAELIS, Art. QBTCY MVN. In: ThWNT V (1954), 354. Gleichwohl ist ein sichtbares Geschehen im Blick. Vgl. G. GUTTENBERGER, Visueller Gehalt I, 52 mit Anm. 35. In der LXX ist YHSJ „terminus technicus für die Offenbarungsgegenwart als
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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doch sollte die Autorität Gottes hinter dem Erscheinen der Himmelsbewohner ausgehend von der „theozentrischen“ Rahmung der Erzählung in V.2c und V.7 nicht ausgeschlossen werden.333 Zu denken ist wie in 1 Kor 15,5 an eine Wiedergabe im Sinne einer deponentialen bzw. medialen Form („sie erschienen“/„ließen sich sehen“).334 Wenn zudem die Vermutung zutreffen sollte, dass durch das UWNNCNGKP auf Ex 34,35 angespielt wäre, wobei Jesus nun die Rolle innehätte, die Gott im Gespräch mit Mose hatte, so hätten wir in Mk 9,4 eine durch die Initiative Gottes ausgelöste Begegnung der Himmlischen mit dem verklärten Jesus vor uns, der den himmlischen Besuchern nun als göttliche Autorität entgegentritt.335 Mk 9,4 wäre in diesem Fall sachlogisch die Antizipation des göttlichen Imperativs solche … bzw. für die Gegenwart des sich in seinem Wort offenbarenden Gottes“ (vgl. W. MICHAELIS, a.a.O., 359). Problematisch ist bei Michaelis die Abwertung des Sehaktes in der Formulierung: YHSJ sei „nicht als Sichtbarmachung, sondern als Offenbarwerden“ zu deuten. In der LXX dient die Konstruktion YHSJ + Dativ zur bevorzugten Wiedergabe von KDU niph., das in der hebräischen Bibel für Gotteserscheinungen speziell an dadurch geheiligten Orten dient (vgl. nur Gen 12,7; 18,1; 22,14; Ex 3,2.16). Mit H. FUHS, Art. KDU. In: ThWAT V (1993), 258. Vgl. ferner G. GUTTENBERGER, a.a.O., 49; J. KREMER, Art. QBTCY MVN. In: EWNT II (21992), Sp. 1291. Darüber hinaus istYHSJ Terminus technicus für das Erscheinen sonstiger himmlischer Mächte. Vgl. nur Gen 12,7; 17,1; Ex 6,3; Lev 9,23 (FQZC MWTKQW); Ri 6,12 (CIIGNQL MWTKQW, vgl. auch Ex 3,2); grBar 3,6; TestIss 2,1; Lk 1,11; 24,34; Apg 13,31; 26,16; 1 Kor 15,5–8; 1 Tim 3,16. Die genannten Stellen verbieten es, das Lexem Y HSJ exklusiv Theophanien oder aber allen „erscheinenden“ Subjekten einen göttlichen Status zuzusprechen. 333 Durch nichts begründet ist die von W. SCHMITHALS [vgl. ÖTBK-Mk II, 401; DERS., Markusschluß, 388] vorgetragene Position, wonach das „österliche“ YHSJ bereits in Mk 9,2 anstelle des RCTCNCODCPGKQB 8,JUQWL … gestanden habe. Der Verweis auf Mk 16,7 überzeugt nicht, trägt im Gegenteil Züge einer Petitio principii: Die Definition der Verklärungserzählung als deplatzierte Ostergeschichte wird mittels der üblichen Terminologie der Ostergeschichten begründet, die aber in Mk 9,2–8 gerade fehlt und seitens des Verfassers eingetragen wird („in 2 stand … ursprünglich wahrscheinlich das österliche ‚Jesus erschien‘“). 334 Vgl. für 1 Kor 15,5 W. SCHRAGE, EKK-1 Kor VI, 47. 335 Zu beachten ist auch, dass die Unterhaltung Jesu mit Elija und Mose in V.4 mittels einer Coniugatio periphrastica im Imperfekt (J UCPUWNNCNQWPVGL) eingespielt wird, während in der Textumgebung der Aorist vorherrscht. Von der Intention des Imperfekts im Koine-Griechisch wie auch im klassischen Griechisch wird somit die lineare Aktionsart im Gegensatz zum abgeschlossen-punktuellen Charakter des Aorists betont. Vgl. B LASSDEBRUNNER-REHKOPF, Grammatik § 325. Die Coniugatio periphrastica betont das Gespräch in seinem Verlauf. Kritisch anzufragen ist die Behauptung bei B LASSDEBRUNNER-REHKOPF [Grammatik § 353 mit Anm. 8], dass sich in Mk 9,4 keine Spur einer Emphase des Ausdrucks vorfindet. Auffällig bleibt, dass die in dieser Studie als „Effekte“ der Transfiguration bezeichneten drei Erscheinungen syntaktisch vergleichbar präsentiert werden: V.3: VC KBOCVKC CWXVQW GXIGPGVQ UVKNDQPVC – V.4: J UCP UWNNCNQWPVGL VY^ 8,JUQW – V.7: GXIGPGVQPGHGNJGXRKUMKC\QWUCCWXVQKL. Unverkennbar ist die Emphase in der sprachlich überladenen Wendung in V.3 und sollte m.E. auch für die VV.4 und 7 nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
aus V.7: Jesus ist der Sohn Gottes, auf den die himmlischen Besucher in ihrem Zwiegespräch zu hören haben.336 3.7.3 Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope Mit weiten Teilen der neueren Markusforschung ist davon auszugehen, dass die Verklärungsgeschichte nicht zu den Überlieferungskomplexen gehört, die uns in Mk 8,27–9,1 und 9,9–13 vorliegen, sondern dass sie eigener Herkunft ist.337 Das Naherwartungslogion in Mk 9,1 schließt die Ausführungen Jesu in der Logiongruppe 8,34–38 mit einer versöhnlichen Note ab. Das Schweigegebot beim Bergabstieg (9,9) korrespondiert mit dem ersten Schweigegebot des markinischen Mittelteils in Mk 8,30 und der ersten Leidens- und Auferstehungsansage in Mk 8,31. In den Zwischenraum wurde durch die markinische Redaktion die Verklärungsperikope, die eigener Herkunft ist, eingefügt. Der Erzähler erreicht so, dass auf einem vergleichsweise engen Raum die drei für das MkEv zentralen christologischen Würdetitel ETKUVQL (8,29) – WKBQL SGQW (9,7) – WKBQL VQW CXPSTYRQW(8,31.38; 9,9.12) sukzessive entfaltet werden. Die redaktionelle Komposition der Texteinheit 8,27–9,13 zeigt sich ebenso am Elijabild, wie es uns in Mk 9,4 und 9,11–13 begegnet. Während die Erwähnungen des Thesbiters in Mk 6,15; 8,28 und 9,11 vor dem Hintergrund der eschatologischen Erwartung eines Elias redivivus zu lesen sind, finden sich innerhalb der Verklärungsperikope keine Indizien, die zu einer solchen eschatologisch geprägten Betrachtung der Elijagestalt einladen.338 Ebenso ist m.E. nicht zu erkennen, dass auch die Erwähnung des Mose im Zusammenhang von Spekulationen der Auslegungsgeschichte zu lesen wäre, die von einer endzeitlichen Wiederkehr des Mose zu berichten wissen.339 336 Dass ein dem Topos „Erscheinung von Himmelsbewohnern“ entsprechendes Erschrecken Jesu narrativ verfehlt wäre, versteht sich von selbst. Mit M. WOLTER, HNTLk, 352. Dieser Sachverhalt sollte jedoch nicht – wie bei Wolter – damit erklärt werden, „dass Jesus mit den Bewohnern des Himmels von gleich zu gleich verkehrt“. Jesus ist vielmehr der theologische Mittelpunkt der Gesellschaft, deren Begegnung göttlichem Willen entspricht. 337 Vgl. für viele G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1082; E. HAENCHEN, Weg Jesu, 313. Zur Unterschiedlichkeit der in Mk 9,2–8 und 9,11–13 verarbeiteten Traditionen vgl. insbesondere G. DAUTZENBERG, a.a.O., 1084 Anm. 37; J. ERNST, RNT-Mk, 254. 261. Von einer „Widerständigkeit von Mk 9,2–10 gegenüber der literarischen Umgebung“ spricht insbesondere mit Blick auf die Gestalt des Elija in Mk 9,4 und 9,11f. U. B ECKER, Elia, Mose und Jesus, 7. 338 So D. GEORGI [Gegner des Paulus, 216] für Elija und Mose. 339 Für Mose vgl. R. P ESCH, HThK-Mk II, 75. Für Elija besonders G. D AUTZENBERG, Elija im MkEv, 1083. Zur eschatologischen Deutung des Auftretens des Elija mit Mose vgl. z.B. W. Schmithals, Markusschluß, 390. Eine Deutung des Mose im Sinne einer
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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Dagegen sollte der Versuch unternommen werden, über den markinischen Präferenztopos „Leiden“ den Konnex der Textstellen 6,15; 8,28; 9,4; 9,11– 13 und 15,34–37 zu gewährleisten. Elija ist im MkEv mit der Leidensthematik konnotiert: So dient in 6,14–16 die abgelehnte Johannes- bzw. ElijaIdentifikation Jesu dazu, die Erzählung von der Enthauptung des Johannes zu platzieren, die eine großräumige Inclusio zum Syntagma OGVC FG VQ RCTCFQSJPCK VQP 8,YCPPJP in 1,14 bietet und auf die Ausführungen in 9,11–13 „hinarbeitet“. Eine weitere Nennung des Elija wird im „Vorfeld“ des Petrusbekenntnisses und damit vor der ersten Leidens- und Auferstehungsansage platziert. Der Konnex Elija/Leiden ist hier ebenso offensichtlich wie an den im weiteren Verlauf dieser Analyse näher zu betrachtenden Textstellen 9,11– 13 und 15,34–37. Dann wird aber zu prüfen sein, ob die ggf. aus der Hand des Markus vollzogene Integration des Elija in die Verklärungsgeschichte strukturell bereits das impliziert, was die lukanische Parallelfassung durch die Einfügung des Objektes der Unterredung (VJP GZQFQP CWXVQW J?P JOGNNGP RNJTQWP GXP 8,GTQWUCNJO) konsequent fortgesetzt hat: Elija wäre dann ein Rezeptionssignal, die Transfiguratio Jesu nicht exklusiv herrlichkeitschristologisch zu deuten, sondern den Konnex von FQZC und Leiden (8,31; 9,30–32; 10,32–34) zu beachten. Die passionstheologische Deutung des Elija der Verklärungserzählung wird daher gegenüber einer eschatologischen vorzuziehen sein. Für die Gestalt des Mose gilt, dass sie ausgehend von der zugrunde liegenden Mose-Jesus-Typologie als Fundament der Verklärungsgeschichte gleichsam indispensabel war340 und zum unverzichtbaren Kern des theoloeschatologischen Moses-redivivus-Tradition hat J. J EREMIAS [vgl. Art. B+N(G)KCL. In: ThWNT II (1935), 941] vorgelegt: „Elias und Mose erscheinen also auf dem Verklärungsberge als die beiden Vorläufer Jesu. Ihr Erscheinen hat, ebenso wie Apk 11, 3ff, endgeschichtliche Bedeutung: es kündet den Anbruch der Endzeit an.“ Jeremias macht hierbei auf die vorneutestamentliche apokalyptische Tradition der zwei Vorläufer des Messias aufmerksam und beruft sich dabei primär auf äthHen 90,31, sodann auf 4 Esr 6,26. Dazu muss er aber den Umweg über die Hilfsthese nehmen, dass Henoch aufgrund von Entrückungsphantasien des rabbinischen Judentums durch Mose substituiert worden sei. Die in Mk 9,2–8 durchgängig vorliegende Mosetypologie und die Anspielung auf Dtn 18,15 LXX in Mk 9,7 wird damit schwerlich erklärt. Die Verklärungsnarratio bezieht ihre christologische Legitimationskraft über die ihr zugrunde liegende Mosetypologie. Gegen den eschatologischen Gehalt der Gestalt des Elija in Mk 9,4 argumentiert auch M. ÖHLER [Verklärung, 207] und macht folgende Einwände geltend: 1. Elija tritt mit Mose gemeinsam auf – 2. Die Aufgabe des Elija nach Mal 3 findet keinerlei Erwähnung und 3. Elija soll nach Mal auf Erden wirken, nicht lediglich „erscheinen“. Diese Einwände sind überzeugend. 340 Die Position von Chr. MASSON [La transfiguration de Jésu, 4], wonach Mose lediglich ein markinischer Nachtrag sei, überzeugt nicht und wurde – soweit ich sehe – auch nicht weiter rezipiert.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
gischen Wurzelgrundes der Verklärungsperikope gehört hat. Eine Hinzufügung des Mose im Hinblick auf eine intendierte „Enteschatologisierung“ dieser Szene erscheint mir nicht plausibel.341 Die Unverzichtbarkeit des Auftretens des Mose liegt darin begründet, dass über die explizite Nennung des Mose in den VV.4f. hinaus viele Züge der Erzählung bekanntlich an das Sinaigeschehen erinnern, wobei aber die biblischen Reminiszenzen nicht Selbstzweck sind, sondern zielgerichtet im Hinblick auf die in V.7 gemachte Aussage platziert werden, deren Gipfelpunkt nicht zufällig dezidiert auf eine prominente Mosetradition rekurriert: die Verheißung des endzeitlichen Mose-Propheten aus Dtn 18,15, die in der Sinnspitze der Transfigurationserzählung konsequent christologisch gedeutet wird: „M.a.W.: Mose erscheint, um die Messianität Jesu zu bezeugen.“342 Schwierigkeiten macht dagegen das unerwartete Erscheinen des Elija, der in der zugrunde liegenden Sinaitradition bekanntlich keinen Platz hat, was zugleich die Vermutung nahelegt, dass die Hinzufügung des Elija redaktionellen Charakters ist. Dann aber stellt sich die Frage, welches Interesse der Evangelist hatte, auch Elija im Verklärungsgeschehen auftreten zu lassen. Wenn die oben geäußerte Vermutung zutreffend ist, dass die Verklärungsperikope traditionsgeschichtlich anderer Herkunft ist als die im Mikrokontext platzierten Perikopen, dann bietet sich als Möglichkeit an, dass Elija nicht zum ursprünglichen Bestand der Verklärungsgeschichte gehört hat, sondern aufgrund des besonderen Interesses des MkEv an der Gestalt des Elija an diese Stelle der Verklärungsperikope platziert worden ist, womit auch die ungewöhnliche Voranstellung des Elija in V.4 zusammenhängen könnte.343 3.7.4 Das Interesse des MkEv an Elija Ph. Vielhauer war es, der im Jahre 1964 in einem bis heute viel zitierten und diskutierten Aufsatz mit dem Titel „Erwägungen zur Christologie des Markusevangeliums“ auf die kompositorische Wichtigkeit der Textstellen Mk 1,11; 9,7 und 15,39 hingewiesen hat. Wenngleich seine Grundthese, 341
So die Vermutung bei J.M. NÜTZEL [Verklärungserzählung, 242] angesichts der Frage nach dem Fehlen des Henoch, des „klassischen“ Entrückten des AT. 342 Treffend bei D. SÄNGER, „Von mir hat er geschrieben“, 123. 343 Mit G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1082; J. GNILKA, EKK-Mk II, 32; M. HORSTMANN, Studien, 86f.; J. LAMBRECHT, Art. 8+NKCL. In: EWNT II (21992), Sp. 288; U.B. MÜLLER, Christologische Absicht, 176; G. WOHLENBERG, Evangelium des Markus, 243. Ferner E. B EST, Transfiguration, 217. Anders als bei M. HORSTMANN [a.a.O.] vertreten ist kaum davon auszugehen, dass die ganze Verklärungsperikope nur „ad vocem Elia“ eingefügt wurde. Die Dominanz der Mosetypologie in der gesamten Verklärungserzählung dürfte deutlich dagegen sprechen.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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wonach es sich hierbei um die „Adoption, Proklamation und Akklamation“ Jesu als des „Endzeitkönigs“ handele, sich nicht durchsetzen konnte und heute weitestgehend abgelehnt wird344, so herrscht doch Einigkeit darüber, dass diese Textstellen gegenüber anderen, in denen explizit oder wenigstens sachlich auf den Titel WKBQL SGQW rekurriert wird, abzuheben sind. Ihr Sonderstatus findet narrativ durch die Tatsache besondere Hervorhebung, dass diese Szenen die einzigen sind, in denen sich die Himmelswelt in kosmischen Zeichen manifestiert.345 Ph. Vielhauer führt dazu aus: „Zeitgenössischen Lesern des Mk dürften diese kosmischen Mirakel besonders eindrücklich gewesen, die entsprechenden Szenen somit als ‚dramaturgische‘ Höhepunkte der Komposition erschienen sein.“346 Damit verbindet sich nun die sehr auffallende, weitergehende Erkenntnis, dass im kontextuellen Umfeld dieser Stellen entweder Johannes der Täufer oder der Prophet Elija dem Gottessohn zugeordnet werden. Der Spur der auffälligen Zuordnung des Elija/Johannes zum Gottessohn im direkten mikrokontextuellen Umfeld der christologischen Gipfelpunkte des MkEv (1,11; 9,7; 15,39) ist nun im Hinblick auf die Exegese von Mk 9,4f. weiter nachzugehen, da sich in dieser kompositorischen Taktik das immense Interesse des Mk-Evangelisten an der Erzählfigur Johannes/Elija widerspiegelt. 3.7.4.1 Elijanische Implikationen in der Textfolge Mk 1,1–11 Als ersten infrage kommenden Text sind wir auf die Textfolge Mk 1,1–11 verwiesen, in der Elija nicht expressis verbis genannt, gleichwohl für den schriftkundigen Leser durchgängig präsent ist. Der Prädikation Jesu als WKBQLSGQW (Mk 1,11), die im Zusammenhang der Präsentation Jesu als des entscheidenden eschatologischen Freudenboten geschieht347, geht die Taufe durch Johannes voraus (1,9), der seinerseits in den VV.4–8 deutlich in 344
Vgl. zum Ansatz Ph. VIELHAUERs Unterpunkt 1.5 in Kapitel 1 dieser Studie. Ph. VIELHAUER hat diese Erkenntnis als zusätzliche Fußnote 46a in seinen im Jahre 1965 erschienenen Sammelband „Aufsätze zum Neuen Testament“ auf S. 213 aufgenommen. Diese Fußnote ergänzt den Wortlaut seines gleichnamigen Aufsatzes in der Bultmann-Festschrift („Zeit und Geschichte“, hrsg. von E. DINKLER) aus dem Jahre 1964 und verdankt sich der Anregung seines damaligen Assistenten H. Stegemann. Vgl. dazu H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 103. 346 Vgl. Ph. VIELHAUER, Aufsätze zum Neuen Testament, 213 Anm. 46a. 347 Der Rekurs auf die Tradition des deuterojesajanischen Freudenboten in Mk 1,9–15 ist deutlich. Mit J. GNILKA [EKK-Mk I, 66]: „Jesus steht so als der deuterojesajanische Freudenbote vor uns“. Das Motiv des Zusammenlebens mit den wilden Tieren und der Dienst der Engel (1,12f.) lassen sich als Prolepse des eschatologischen Schöpfungsfriedens begreifen. Die Geistbegabung Jesu im Zusammenhang der Taufe provoziert so „endzeitliche Ereignisse bzw. hat diese zur Folge“. Überzeugend bei D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 58. 345
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
den Farben eines atl. Propheten, näherhin in den Farben des Elija gezeichnet wird.348 Trotz des Desiderates einer ausdrücklichen Nennung des Elija konnte einem schriftorientierten Leser349, an den sich Mk 1,2f. mittels des Kombinationszitates aus Ex, Mal und Jes und der Beschreibung seiner Gewandung350 wendet, nicht verborgen bleiben, dass elijanische Implikationen eingespielt werden.351 Der Rekurs auf Mal 3,23f. in Mk 9,11f. und die Deutung dieser Erwartung auf den Täufer Johannes lässt auch angesichts des Zitates von Mal 3,1 in Mk 1,2 und in der anschließenden narrativen Ausmalung des äußeren Erscheinungsbildes des Täufers konkret an 348 Mit H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 54f. Ferner M. GOULDER, Elijah with Moses, 194; R. SCHNACKENBURG, Erwartung des „Propheten“, 625. 349 Vorsichtiger im Hinblick auf die Hörer/Leser des MkEv Chr. B URCHARD, Markus 15,34, 1 Anm. 2: „Christen, die … vom Alten Testament mindestens eine (christlichselektive) Ahnung haben“. 350 Das MkEv zeigt sich interessiert an der äußeren Erscheinung des Täufers, was sich bereits an der auffälligen Unverbundenheit der Bekleidungs- und Askesenotiz in V.6 mit dem Rest der Perikope zeigt. So bereits H. WINDISCH, Tracht und Speise, 66f. Johannes war GXPFGFWOGPQL VTKECL MCOJNQW (V.6a), demnach wohl mit einem Kamelhaarmantel bekleidet. So auch M. ÖHLER, Elia im NT, 35; Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 127; W. SCHMITHALS, ÖTBK-Mk I, 77. Diese Notiz ist wahrscheinlich traditioneller Herkunft, da gegen eine markinische Bildung sowohl die Undeutlichkeit der Anspielung als auch das nicht zu Elija-Typologie passende Askesemotiv spricht. Obgleich der Mantel Elijas nicht derart spezifiziert ist, spielt er eine wichtige Rolle in der Elijatradition (vgl. 1 Kön 19,13.19; 2 Kön 2,8.13f.). Ferner Jos Ant VIII,353f.; IX,22. Zur Bedeutung des Mantels vgl. besonders M. T ILLY, Johannes, 169–175. Sodann ist die \YPJ FGTOCVKPJ Kennzeichen des Täufers Johannes, womit auf 2 Kön 1,8 (MCK \YPJPFGTOCVKPJPRGTKG\YUOGPQL VJPQXUHWPCWXVQW) angespielt sein dürfte. Mit Chr. ROSE, a.a.O.; M. T ILLY, Johannes, 37f. Skeptisch dagegen J. ERNST, Johannes, 8: Der Hinweis auf Elija sei „vage“. Der Versuch E.M. BECKERs [„Kamelhaare…“, 22], die Elijatopik ausschließlich bei der Gürtelnotiz gelten zu lassen, überzeugt angesichts der Anspielung auf Mal 3,1 in Mk 1,2 kaum. Die Notiz in Mk 1,2 in Verbindung mit der Erwähnung von Mantel und Gürtel macht es in ihrer Summe wahrscheinlich, dass Mk über die Standestracht der Propheten auf ElijaMetaphorik rekurriert. So z.B. auch M. HENGEL, Charisma und Nachfolge, 39f. Anm. 71. Vgl. auch H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 83: „‚elijanische‘ Implikationen“. Ist die Affinität der Kleidung des Täufers zur Kleidung des Elija überzeugend, so darf auch Elija/Elischa-Typologie angesichts der Tauftätigkeit des Johannes nicht von der Hand gewiesen werden. Vgl. den Untertauchungsbefehl an Naaman durch den Prophetenschüler Elischa in 2 Kön 5,8–14. 351 Vgl. H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 54f. Ferner H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 106 mit Anm. 13. Ferner K. BROWER, Elijah, 87: Mark „clearly intends the reader to recognize in the Baptist the figure of Elijah“; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 35; T.L. W ILKINSON, Role of Elijah, 2. Der Rezipient wird bereits durch das Mischzitat in Mk 1,2f. deutlich auf Elija verwiesen, da mit dem Kommen des CIIGNQL (Mal 3,1) die Erwartung des eschatologisch wiederkommenden Elija (Mal 3,23f.) verbunden war (vgl. dazu D. ZELLER, Elija und Elischa, 154f.), sodass sich eine großräumige Inclusio von Mk 1,2 und 9,11–13 ergibt, die gleichsam die Identifikation des Elija mit dem Boten „erzwingt“. Vgl. dazu z.B. H.-J. KLAUCK, a.a.O., 82f.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
175
Elija und nicht unspezifiziert an einen „Wüstenbewohner“ denken. Zudem gilt es zu beachten, dass die hyperbolische Aussage von Mk 1,5 (RCUC JB8,QWFCKCEYTCMCKQKB `,GTQUQNWOKVCKRCPVGL… ) gut mit dem Syntagma CXRQMCSKUVCPGK RCPVC in 9,12 (vgl. Mal 3,23f.) harmoniert und somit auf die eschatologische Aufgabe des wiederkommenden Elija verweist, die im Wirken des Johannes zur Geltung kommt. Damit wäre eine Rezeption des Johannes im Horizont der allgemeinen Elija-Erwartung des Frühjudentums empfohlen.352 Der Text enthält freilich einen Deutungsrest im Sinne einer vom Rezipienten eingeforderten Leistung: Der Elija-Bezug muss erschlossen werden, genauso wie die Identifikation des Täufers mit der im Kombinationszitat erwähnten HYPJ.353 Der Fokus liegt im Prolog ganz auf der Funktion des Johannes als Vorläufer Jesu, was durch die Zusammenfassung seiner Botschaft in Mk 1,7f. auch bestätigt wird. Der markinische Prolog leistet zunächst nur etwas, das man als eine „Annäherung des Täufers an die Gestalt Elijas“ bezeichnen könnte.354 Seine Beziehung zu Elija bleibt in der Schwebe und erzeugt im Rezipienten das Interesse an in dieser Hinsicht weitergehenden Informationen. Der erzeugten Spannung wird nun in der Verklärungsperikope und deren kontextuellem Umfeld entsprochen.355 Im Zwischenraum zwischen Prolog und Verklärung wird das Thema Elija lediglich durch die vom Erzähler abgelehnte Identifizierung Jesu mit Elija wachgehalten.356 352
Anders dagegen Ph. VIELHAUER, Tracht und Speise, passim. Der Bezug von Mk 1,2f. auf Johannes ist nicht offensichtlich, sondern ist vom Rezipienten selbst zu leisten: Der Täufer erscheint in Mk 1,2 in der Zitatenkombination von Ex 23,30 und Mal 3,1 als CIIGNQLOQW. Die angesprochene Wegbereitung des Boten wird durch seine Funktion als HYPJ DQYPVQLGXPVJ^ GXTJOY^ spezifiziert. Die Identifikation des Boten/der Stimme mit dem Täufer Johannes muss der Rezipient mit der Lektüre von Mk 1,4 leisten, wobei das Syntagma GXPVJ^ GXTJOY^ (Mk 1,3.4) zu dieser Identifikation gleichsam drängt. Vgl. dazu z.B. G. HÄFNER, Verheißener Vorläufer, 15. 354 Mit H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 55. Vgl. auch M. THEOBALD, RNTJoh, 156. 355 Spekulativ muss der Versuch bleiben, in der Perikope Mk 6,17–29 Elija-Typologie zu erkennen. Ob die Personen Herodes, Herodias und Johannes in Entsprechung zu Ahab, Isebel und Elija zu lesen sind, konnte m.E. bisher nicht überzeugend wahrscheinlich gemacht werden. In diese Richtung weist R. P ESCH, HThK-Mk I, 334: „die Elija-Motive in 6,17–29!“ Skeptisch demgegenüber z.B. J. GNILKA, EKK-Mk I, 249; J.M. NÜTZEL, Elija, 165. Intratextueller Bezugspunkt von Mk 6,21–29 sind Jesu Ausführungen in 9,11–13. Skopus der Aussage hier ist die Parallelität des Leidens und Sterbens des Täufers und Jesu, wobei aber die Behauptung der Leidens- und Todesnotwendigkeit auch des wiederkehrenden Elija eine dezidierte Interpretatio christiana ist. 356 In Mk 8,28 bringen nicht weiter qualifizierte Personen (CNNQK) Jesus in Verbindung mit Elija. So bereits auch in 6,15. Zum traditionsgeschichtlichen Verhältnis beider Stellen vgl. z.B. G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1078–1082. Diese Identifikation bereitet in negativer Abgrenzung narrativ das anschließende ETKUVQL-Bekenntnis des Petrus vor (8,29) mit dem Effekt, dass die Verbindung von Elija mit Jesus von vornherein „als un353
176
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
3.7.4.2 Elija in der Verklärungsperikope (Mk 9,4f.) Während das Erscheinen des Mose auf dem Verklärungsberg ausgehend von der reichen Sinaitypologie, durch die die Verklärungsnarratio geprägt ist, im Rahmen des zu Erwartenden verbleibt, muss die Erwähnung des Elija als kontextuell überraschend und in seiner Verbindung mit Mose als motivgeschichtlich einmalig angesprochen werden. Die beiden himmlischen Gäste werden zusammen mit den ausgewählten Verklärungs„Beobachtern“ Zeugen einer göttlichen Prädikation Jesu als des Sohnes Gottes, die in leicht veränderter Weise bereits im Anschluss an die Taufe aus dem Himmel erklang, bei der jedoch nur Jesus und der Leser Zeugen des Geschehens waren. Auffällig für die Elija-Erwähnung in Mk 9,4 ist nun die Tatsache, dass auf eine bewusste Johannes-Identifikation des erscheinenden Elija verzichtet wird. Charakteristisch ist die „Offenheit“ des Elija in der Verklärungserzählung. Liest man jedoch die Erscheinung des Elija in V.4 im Zusammenhang der „schriftgelehrten“ Diskussion der VV.11–13 des gleichen Kapitels, so kann der Eindruck nicht von der Hand gewiesen werden, dass die Größen „Elija“ und „Johannes“ auch in 9,4 in Korrelation zueinandergebracht werden. Dann aber ist die Frage legitim, ob die breite narrative Skizzierung seines gewaltsamen Todes in 6,14–29 nicht zuletzt zu dem Zweck geleistet wird, um denselben Johannes aus seiner „himmlischen ‚Elija-Position‘“357 auf dem Verklärungsberg mit Mose und im Gespräch mit Jesus erscheinen zu lassen. Diese im 4. Kapitel näher zu begründende Deutung bestätigt das bereits angesprochene massive Interesse des zweiten Evangelisten an der Erzählfigur „Elija“, genauso wie sie eine überlieferungsgeschichtlich eigenständige Herkunft der Verklärungsgeschichte in Mk 9,2–8 gegenüber der Textumgebung nahelegt. Neben der Eintragung der Leidensthematik mittels der Platzierung des Elija in Mk 9,4 vermag es diese Notiz zudem narrativ, eine etwaige Jesus-Elija-Identifikation endgültig in Abrede zu stellen, indem durch sein Erscheinen dieser „als eine streng von Jesus zu unterscheidende Person gekennzeichnet“ wird.358
genügend zurückgewiesen“ wird. Mit H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 83. Nicht übersehen werden darf, dass die abgelehnte Elija-Identifikation zusammen mit den anderen „Fehl-Identifikationen“ Ausgangspunkt der ersten Leidens- und Auferstehungsansage ist. Wie demnach die Verklärung partielle Bestätigung des Messiasbekenntnisses ist, sollte das Erscheinen des Elija auf dem Verklärungsberg vor dem Hintergrund der Leidensnotwendigkeit gesehen werden. Die „Korrektur“ einer einseitig herrlichkeitschristologischen Rezeption der Verklärungsperikope erfolgt über die Gestalt des Elija. 357 Vgl. dazu den Gedanken bei H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 104. 358 Mit J. DECHOW, Gottessohn, 256.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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3.7.4.3 Elija im Bergabstiegsgespräch (Mk 9,11–13) Die im Prolog begonnene Parallelisierung von Johannes dem Täufer (in seiner Elija-Funktion) und Jesus wird im Bergabstiegsgespräch im Anschluss an die Verklärung konsequent weitergeführt und mit der eschatologischen Elija-Thematik verbunden. Jesus selbst ist es, der nun Stellung zum Täufer bezieht. Das Bergabstiegsgespräch in 9,11–13 muss in Entsprechung zu 1,4–8 gelesen werden. Dort ist es der Täufer, der „über seinen Nachfolger“ spricht, in 9,11–13 ist es nun „der Nachfolger“, der „über seinen Vorläufer“ Auskunft erteilt, „den er selbst in Mk 1,2f. von Gott als solchen angekündigt bekommen hat“.359 Das Gespräch Jesu mit den Jüngern offenbart die wahre Identität des Täufers und rückt diesen wie keine zweite Stelle theologisch in die Nähe des Elija.360 Das Bergabstiegsgespräch hat bei aller Komplexität des theologischen Inhalts einen recht klaren Aufbau: Der Genitivus absolutus MCK MCVCDCKPQPVYP CWXVYP in V.9a schließt syntaktisch und logisch („Schweigegebot als faktische Bestätigung des Geschauten“361) an die Verklärungsgeschichte an. In V.9 verbietet Jesus den Verklärungs-„Zeugen“, das auf dem Berg Gesehene (C? GK FQP) weiterzuerzählen (9a.b). Es handelt sich in makrotextueller Hinsicht um die letzte Anwendung des zum theologischen Motiv des Messiasgeheimnisses gehörenden Schweigegebots, das – als zusätzliche Besonderheit – hier zeitlich bis zur Auferstehung (9c:GKXOJQ=VCPQBWKBQLVQWCXPSTYRQWGXM PGMTYPCXPCUVJ^) befristet wird. In V.10 lassen sich verschiedene Aussagerichtungen festmachen: Zunächst halten die Jünger das Wort fest – MCK VQPNQIQPGXMTCVJUCP–, nehmen es gleichsam in „sorgsame Verwahrung“.362 Der Erzähler platziert eine weitere Stelle, die dem Topos des Jüngerunverständnisses gewidmet ist.
359
Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 137. In formkritischer Hinsicht ist angesichts von Mk 9,9–13 auf unterschiedliche Gesichtspunkte zu verweisen: Der Abschnitt lässt sich als ganzer dem Topos der „geheimen Jüngerbelehrung“ zuweisen, womit übereinstimmt, dass der verwendete christologische Hoheitstitel WKBQLVQW CXPSTYRQW (Mk 9,9.12) lautet, dem im MkEv ein gleichsam „esoterischer“ Charakter anhaftet. Vgl. dazu M. THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 43. Der Abschnitt enthält ferner Elemente, die den Streit- oder Schulgesprächen zuzuweisen sind. So z.B. D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 157. Sodann enthält er, insofern er in den VV.11–13 von einer theologischen Meinung der Schriftgelehrten ausgeht, apophthegmatische Züge, und insofern über Mal 3,23 verhandelt wird, Momente eines Midrasch. Vgl. dazu M. ÖHLER, Elia im NT, 39; R. Pesch, HThK-Mk II, 70. 361 So auch U. LUZ, Geheimnismotiv, 23: „Verschwiegen werden soll, was wahr, nicht, was noch nicht vollgültig ist.“ 362 Bildhaft und präzise zugleich bei W. M ICHAELIS, Art. MTCVQLMVN. In: ThWNT III (1938), 911. 360
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Insofern korrespondiert V.10b mit den VV.5f. der Verklärungserzählung363 und macht so deutlich, dass die Jünger weiterhin unverständig sind. Ein christologischer Erkenntnisfortschritt aufseiten der Jünger ist dem MkEv fremd. Zugleich hebt in V.10 das Schweigegebot Jesu, das sich zeitlich und logisch auf die CXPCUVCUKL des Menschensohnes bezieht, die Auferstehungsthematik auf eine allgemeine Ebene empor, da die FrageVK GXUVKP VQ GXM PGMTYP CXPCUVJPCK über den konkreten Fall der Auferstehung des Menschensohnes deutlich hinausgeht: Die Rede ist nun von der allgemeinen Auferstehung der Toten.364 Das im ersten Kapitel dieser Studie betonte Hoffnungspotential der Verklärungsperikope wird hier im Hinblick auf die Todesproblematik und Auferstehungshoffnung aktiviert: Die Auferstehung des Menschensohnes ist das eschatologische Grenzdatum und zugleich die conditio sina qua non des in der deliberativen Frage des V.10b angedeuteten Hoffnungsobjektes. Die in der Auferstehung des WKBQL VYP CXPSTYRYP begründete „Äonenwende“ dient zugleich als narrativer Ausgangs- und Anknüpfungspunkt365 für die im Folgenden diskutierte Elija-Problematik: Die die Jünger beschäftigende Problematik des CXPKUVCPCK GXM PGMTYP führt in V.11 zu einem weiteren Problem, das in der gleichsam dogmatischen Vorstellung der jüdischen Eschatologie vom Kommen des Elija begründet ist. Die Jünger verweisen dazu in V.11b.c auf eine Lehre, die als Lehre der ITCOOCVGKL präsentiert wird, nach der Elija vor der Auferstehung des Menschensohnes im Besonderen und vor der allgemeinen Auferstehung wiederkommen muss. In den VV.12f. antwortet Jesus nun auf diesen Einwand der Jünger, wobei seine Antwort impliziert, dass er die Position der ITCOOCVGKL kennt und akzeptiert. Die Antwort Jesu spitzt den Einwand der Jünger dahingehend zu, dass das Kommen des Elija (OGP, 12b) zur eschatologischen CXRQMCVCUVCUKL mit dem Leiden und Verachtetwerden des Menschensohnes korreliert (MCKRYL, 12c) wird. Die Erwartung der ITCOOCVGKL wird somit um ein unerwartetes Glied erweitert366, was zugleich die eschatologische Erwartung der Jünger radikal verändert. Das AT berichtet in der Erzählfolge 1 Kön 19 bis 2 Kön 2 vom Leben und Wirken des Elija. Von entscheidender Bedeutung für die ElijaRezeption des Frühjudentums, die im Hintergrund unserer Stelle steht, war die Prophezeiung in Mal 3,22 LXX: MCK KXFQW GXIY CXRQUVGNNYWBOKP+NKCP VQP3GUDKVJPRTKPGXNSGKPJBOGTCPMWTKQWVJPOGICNJPMCK GXRKHCPJ . Eli363
Das Unverständnis der Jünger fungiert im MkEv wiederholt als Ausgangspunkt einer Belehrung durch Jesus, vgl. nur 4,10–34; 8,14–21; 10,32. 364 Mit G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1085f. Wohl auch D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 307. Vgl. zum Fragenkomplex der Auferstehungsvorstellungen im Judentum G. STEMBERGER, Art. Auferstehung I/2. Judentum. TRE IV, 443–450. 365 Ähnlich auch Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 218. 366 J. GNILKA [EKK-Mk II, 41] spricht gar von einer „Gegenthese“ Jesu. So auch Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 220.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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jas Sendung erfolgt somit rechtzeitig vor dem Endgericht. Als dessen eschatologische Aufgabe nennt Mal 3,23 LXX: CXRQMCVCUVJUGK MCTFKCP RCVTQL RTQL WKBQP MCK MCTFKCP CXPSTYRQW RTQL VQP RNJUKQP CWXVQW. Der Kern der eschatologischen Aufgabe des Elija besteht nun in dem CXRQMCVCUVJUGK, womit die LXX das hebräische E\YLKH übersetzt. Das CXRQMCVCUVJUGK der LXX wird in Mk 9,12 mitCXRQMCSKUVCPGKwiedergegeben.367 Der durch diese Elija-Erwartung genährte Einwand der Jünger und die Kontrastierung der Elija-Erwartung und des Leidens des Menschensohnes wird im MkEv von Jesus bekanntlich dahingehend aufgelöst, dass Elija in der Gestalt des Täufers gekommen ist.368 Die Position Jesu wird durch das autoritative CXNNC NGIY WBOKP (V.13a) eingeleitet, das nur an dieser Stelle im MkEv zu finden ist. Die Tendenz des Prologs, wonach der Täufer als Vorläufer Jesu zu sehen ist, wird hier bestätigt und auf die Leidens- und Sterbensthematik hin angewandt. Es handelt sich jedoch um eine implizite Identifikation369, die makrotextuell auf Mk 1,14370 und 6,17–29 verweist und vom Rezipienten selbst zu leisten ist. Diese implizite Identifikation 367 Der Verfasser des Buches Jesus Sirach fügt in 48,10 der aus Mal 3,23 übernommenen Elija-Erwartung (CXRQMCVCUVJUGK MCTFKC P RCVTQL MVN.) die Restitution des Volkes Israel als des ehemaligen Zwölf-Stämme-Volkes hinzu, womit Jes 49,6a (ETR>@\ \MHEYLWD a\TLK O) aufgenommen sein dürfte. Ein direkter Einfluss von Sir 48,10 auf Mk 9,12 ist nicht nachweisbar, wenngleich der Grundgedanke der Restitution in Mk 9,12 in massiver Erweiterung vorliegt, da ausdrücklich von CXRQMCSKUVCPGKRCPVCdie Rede ist. Gemeint ist wohl „die endzeitliche Wiederherstellung der gesamten Schöpfung“. Mit H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 108f. Damit ist die Funktion des – die eschatologische Funktion des Elija wahrnehmenden – Täufers Johannes weit ausgefächert und beschränkt sich keinesfalls darauf, allein Wegbereiter Jesu zu sein. Eine Beschneidung dieser weitreichenden Elija-Funktion des Täufers findet sich bereits beim Seitenreferenten Lukas, der die Passage Mk 9,9–13 – wahrscheinlich wegen empfundener „dogmatischer“ Anstößigkeit – ersatzlos übergeht und die eschatologische Aufgabe der CXRQMCVCUVCUKL RCPVYP Jesus selbst, und zwar im Zusammenhang seiner Parusie, zuspricht (vgl. Apg 3,21: Q?P [scil. &TKUVQP 8,JUQWP, vgl. 3,20] FGK QWXTCPQP OGP FGZCUSCK CETK ETQPYP CXRQMCVCUVCUGYL RCPVYP YP GXNCNJUGP QB SGQL FKC UVQOCVQL VYP CBIKYP CXR8 CKXYPQL CWXVQWRTQHJVYP). 368 Eine Identifizierung im klassischen Sinne findet jedoch nicht statt, es verbleibt weiterhin ein „Deutungsrest“. Vgl. auch M. T HEOBALD, RNT-Joh, 156: Eine Identifizierung wird nahegelegt, nicht vollzogen. Eine solche findet erst eindeutig im MtEv (17,13) statt: VQVG UWPJMCPQKB OCSJVCK Q=VK RGTK 8,YCPPQW VQW DCRVKUVQW GK RGP CWXVQKL . Vgl. für viele K. BROWER, Elijah, 87. G. HÄFNER [Verheißener Vorläufer, 321] hat herausgearbeitet, „daß die ausdrückliche Identifizierung des Johannes mit dem wiederkehrenden Elija ein wesentliches Anliegen der mt Darstellung des Täufers ist“. 369 Mit M. ÖHLER, Elia im NT, 45. Ferner H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 108. 370 Vgl. hierzu W. POPKES, Christus Traditus, 144: Das markinische MCK GXRQKJUCP CWXVY^ Q=UCJSGNQP in Mk 9,13 lese sich „wie eine direkte Fortsetzung des ‚dahingegeben‘“ in 1,14.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
macht die weitere Erwartung eines vor dem Tag des Herrn kommenden Elija obsolet: Elija wird nicht mehr erscheinen, er ist bereits erschienen (V.13b: GXNJNWSGP). Ein direkter Bezug dieser Aussage auf die Erscheinung des Elija auf dem Verklärungsberg ist m.E. aus zwei Gründen nicht intendiert: a) Durch die Spannung, dass die in 11b.c vorgelegte Frage (Q=VK NGIQWUKP QKB ITCOOCVGKL Q=VK 8+NKCPFGK GXNSGKP RTYVQP{) aus dem Munde der Verklärungs-„Zeugen“ möglich ist und b) durch die vonseiten Jesu vorgenommene Präzisierung, wonach Elija zwar gekommen ist, „sie“ aber GXRQKJUCP CWXVY^ Q=UC JSGNQP (13c). Makrotextuell wird damit auf das Schicksal des Johannes-Elija in Mk 6,17–29 rekurriert, wobei aber gerade diese Schilderung seines gewaltsamen Todes in ihrer ganzen narrativen Breite dazu dient, als Sach- und Ermöglichungsgrund seiner Erscheinung in 9,4 zu fungieren. Somit läge ein indirekter Bezugspunkt vor, was in Kapitel 4 näher zu prüfen sein wird. Schon immer ist aufgefallen, dass die ITCOOCVGKLzwar als theologische Autorität herangezogen werden, selbst aber gar nicht auftreten. Die Schriftgelehrten sind in der Bergabstiegsszene Mk 9,9–13 von Jesus und seinen drei Begleitern narrativ getrennt, da sie am Fuße des Berges als in einer Auseinandersetzung mit den zurückgebliebenen Jüngern sich befindend gezeichnet werden. Diese Beobachtung legt die Vermutung nahe, dass in der Jüngerfrage des V.11 ein theologisches Problem der markinischen Gemeinde artikuliert wird, das literarisch den Schriftgelehrten zugeordnet wird.371 Es handelt sich um den aus der klassischen jüdischen Eschatologie formulierten Einwand gegen die Christologie: Vor der Auferstehung der Toten und dem Anbruch des Reiches Gottes müsse noch Elija kommen. Zum theologischen Interesse des Verfassers gehört es nun, dass durch die Positionierung des Elija in Mk 9,4 und 9,11–13 in völlig unterschiedlichen Zusammenhängen eine Identifikation Jesu mit Elija oder die Elija-Rolle Jesu in Abrede gestellt werden kann: Während Jesus typologisch in der Position des Mose im Modus gewaltiger Überbietung gezeichnet wird, kommt die Rolle Elijas dem Täufer Johannes zu. Möglich, wenn auch im strengen Sinne nicht beweisbar, ist die weitergehende Deutung, dass die betonte Voranstellung Elijas in V.4 sogar im Zusammenhang des markinisch-redaktionellen Bestrebens zu sehen ist, eine Identifikation Jesu mit Elija von vornherein zu unterbinden. Deutlich ist jedenfalls die implizite Warnung, unter dem Druck einer dominanten Elias-redivivusErwartung eine Identifikation Jesu mit dem Thesbiter zu vollziehen, sodass als Skopus der Elija-Thematisierung in Mk 9,2–13 die Absage an die 371
So z.B. G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1085; D. DORMEYER, Passion, 202f.; M. ÖHLER, Elia im NT, 42; R. PESCH, HThK-Mk II, 78. Vermittelnd dazu P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 109: „Diskussion der frühen christlichen Gemeinden mit jüdischen Gegnern“, die „aber auch in den Gemeinden selbst geführt wurde“.
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quasi-dogmatische Elias-redivivus-Erwartung des Frühchristentums im Hinblick auf die Person Jesu angesprochen werden kann. Die Klärung dieser Frage war für die theologiegeschichtliche Entwicklung des Frühchristentums von entscheidender Bedeutung: Wenn es nach dem MkEv als theologisch illegitim zu erachten ist, Jesus mit dem erwarteten Eliasredivivus zu identifizieren, stellt sich massiv die Frage, „in welcher Weise denn nun der quasi-dogmatischen Elija-Erwartung Genüge getan werden könne“.372 Daher ist von vornherein zu erwarten, dass an einer Stelle des Textes auf die latent vorhandene und in Mk 9,11 nun explizit formulierte Erwartung des wiederkommenden Elija eingegangen wird, zumal eine Negierung der in V.11 gestellten Frage an keiner Stelle angedeutet wird. Die Lösung des Problems in der markinischen Redaktion liegt – wie bereits ausgeführt – in der impliziten Identifikation des Elias-redivivus mit der Person des Täufers Johannes.373 Wie nun in der Verklärungsperikope Jesus als die heilsentscheidende Figur dargestellt wird, auf die verbindlich zu hören ist, so geht es auch in der in den VV.11–13 vorgelegten Diskussion darum, zu zeigen, dass „das eschatologische Drama … mit dem Wirken des Täufers und dessen Elija-Dimension schon begonnen“ hat, dass aber „die entscheidende Gestalt … der Menschensohn und dessen Leidensgeschick“ ist.374 Somit erhält der Täufer an dieser Stelle eine markante Neu372
Mit G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1086. Dabei gilt es zu beachten, dass die in Mk 9,13 postulierte „Schriftgemäßheit“ des Leidens des Elias-redivivus eine genuine Interpretatio christiana ist, die sich auf keinerlei jüdische Traditionsvorgaben stützen kann. R. B AUCKHAM [Martyrdom, 457f.] hat überzeugend nachgewiesen, dass die Erwartung der Wiederkehr des Elija und des Henoch auf jüdische Tradition zurückgreifen kann, während von ihrem Martyrium nur in christlicher, unter Einfluss von Offb 11,3–13 stehender Überlieferung die Rede ist. 374 Mit G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1087. In der neueren Forschung ist – soweit ich sehe – die „traditionelle“ Position der redaktionskritischen Mk-Exegese weitestgehend aufgegeben worden, dass sich das RTYVQP (V.11) direkt auf das Naherwartungslogion (9,1) bezieht, sodass die durch die mk Redaktion eingefügte Verklärungsperikope den ursprünglichen Zusammenhang auseinanderreiße. So z.B. W. B OUSSET, Kyrios Christos, 61 mit Anm. 2; R. B ULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 279; E. KLOSTERMANN, Markusevangelium, 87. Aber auch J. ERNST, RNT-Mk, 254; M. HORSTMANN, Studien, 72; J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 257f.; H.E. T ÖDT, Menschensohn, 182. Sehr dagegen mit nahezu polemischer Wortwahl L. SCHENKE [Markusevangelium (2005), 219], wonach solche Überlegungen den Autor des MkEv zu einem „Deppen“ machen. Es stellt sich tatsächlich die Frage, wie eine durch die mk Redaktion zerstörte Einheit aus 9,1.11–13 wahrscheinlich gemacht werden kann. Die Skepsis wird m.E. deutlich durch die Beobachtung gefördert, dass sich das RTYVQP, das sich motivgeschichtlich dem RTKP aus Mal 3,22f. LXX verdankt, ohne jegliche Spannung auf die Aussage hinsichtlich des CXPKUVCPCK GXM PGMTYP (9,9f.) beziehen kann. Dies dürfte auch dem Verständnis des Evangelisten selbst entsprechen, wonach die im Anschluss an Jesu kryptische Sonderbelehrung der Jünger (mit R. P ESCH, HThK-Mk II, 78) erfolgten Erwägungen über den „eschatologischen Fahrplan“ auf dem als lang gedachten Abstiegsweg (vgl. 373
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akzentuierung. Während Johannes im Prolog in seiner Elija-Rolle als Vorläufer Jesu erscheint, setzt Mk 9,11–13 neu an und bringt den Täufer in seiner Elija-Rolle mit der „eschatologischen Funktion der Wiederherstellung Israels vor dem Ende“375 in Verbindung. Der theologische Wurzelboden der Transfigurationserzählung einerseits und die Erwartung des Elias-redivivus andererseits waren im hellenistischen Judenchristentum der markinischen Tradition zwei voneinander unabhängige Überlieferungskomplexe, die durch die markinische Redaktion in 9,2–13 miteinander in Korrelation gebracht worden sind. 3.7.4.4 Elija in der Sterbeszene Jesu (Mk 15,33–39) Ein weiterer Beleg für das Interesse des Evangelisten an der Gestalt des Elija376 findet sich im Zusammenhang der markinischen Passionserzählung, genauer in Mk 15,33–39.377 Im Makrotext des Evangeliums gibt es Mk 9,2: QTQL WB[JNQP! – ähnlich auch Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 219: „Das Partizip UW\JVQWPVGL deutet eine längere Dauer der Diskussion an“) zu der in Mk 9,11 gestellten Frage führten. Dass nun auch die Aussage in Mk 9,1 (Kommen des Reiches Gottes) eine „Station“ des besagten „eschatologischen Fahrplans“ anzeigt, steht außer Frage. 375 Mit G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1087. 376 So auch J. GNILKA, EKK-Mk II, 312; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 263: Der erzählerische „Bogen“ werde über Mk 9,2–13; 6,14–29 bis 1,14 „zurückgespannt“. 377 Die finale Phase der markinischen Passionserzählung wird mit Pilatus’ Befehl, Jesus zu geißeln und zu kreuzigen (vgl. 15,15: HTCIGNNYUCL K=PC UVCWTYSJ^), eingeleitet. Diese finale Phase besteht aus der Verspottungsszene der Soldaten (15,16–20a), der Schilderung der Kreuzigung (20b–24), diverser sonstiger Verspottungen (25–32) und der Sterbeszene (33–39). Der eigentliche Kreuzigungsbericht liegt in 20b–39 vor, wobei mit der Zeitangabe in V.33 (MCK IGPQOGPJLY=TCLG=MVJL) der Übergang zur eigentlichen Sterbeszene gewährleistet ist, die m.E. bis V.39 reicht. Dem entspricht, dass in V.34 Jesus zum ersten Mal seit 15,5 wieder grammatikalisches Subjekt ist. Eine kleine Zäsur nach Mk 15,39 ist aus folgenden Gründen vertretbar: Das Bekenntnis des MGPVWTKY P in 15,39 stellt den revelatorischen Höhepunkt der Passionserzählung dar. Daher ist zu erwarten, dass im Anschluss an diesen Vers – dem narrativen Übergang von Mk 9,7f. zu 9,9f. vergleichbar – zunächst einzuhalten ist. Dieser Erwartung entspricht es, dass V.40 vom vorhergehenden Vers durch die PräpositionalwendungCXRQOCMTQSGP, mit der wahrscheinlich Ps 37,12 LXX (QKB HKNQKOQWMCK QKB RNJUKQPOQWGXZGXPCPVKCLOQWJIIKUCPMCK GUVJUCP MCK QKB GIIKUVC OQWCXRQ OCMTQSGPGUVJUCP, vgl. dazu M. Theobald, Tod Jesu, 21 Anm. 82) eingespielt wird, lokal abgetrennt ist. Diese Wendung steht in sachlicher Opposition zur Position des Centurio, der das Sterben Jesu GXZ GXPCPVKC L CWXVQW verfolgt. Zugleich greift V.40 durch die Erwähnung der /CTKC JB /CIFCNJPJ MCK /CTKC JB 8,CMYDQW, die ausdrücklich nicht zu den RCTCRQTGWQOGPQK (V. 29) oder den RCTGUVJMQVGL (VV.35.39) gehören, auf die Osterereignisse voraus (vgl. 16,1). Semantisch unterschieden wird zugleich die Art der Wahrnehmung: Während den Kreuzigungsbeobachtern in den VV.33– 39 ein QBTCP (VV.32.35f.39) zugesprochen wird, das stets mit einer verbalen Äußerung verbunden wird, bleibt das SGYTGKP der Frauen ohne jegliche Äußerung. Es begegnet erneut in der „Osterperikope“ in 16,4 und strahlt so auf 15,40 zurück, was zugleich durch
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Verzahnungen mit der Texteinheit 9,2–13, in der sowohl die Leidensthematik als auch die Erzählfigur des Elija begegnet, die im MkEv fest mit dem Topos „Leiden“ assoziiert zu sein scheint. Es handelt sich in 15,33–39 um einen Text, dessen epiphanialer Gehalt insbesondere von M. Frenschkowski deutlich herausgearbeitet worden ist.378 Das Bekenntnis des römischen Centurio in 15,39, das nicht mehr hinter einem Schweigegebot verborgen wird, da im „Gegenüber zum Kreuz … erstmals ohne jede Einschränkung … Jesu Identität als Gottessohn proklamiert werden“ kann379, bildet den revelatorischen Höhepunkt der gesamten Passionserzählung und beinhaltet die dritte Prädikation Jesu als WKBQLSGQW, in deren mikrokontextuellem Umfeld sowohl ein besonderes kosmisches Ereignis als auch eine Anspielung auf bzw. Erwähnung des Elija vorliegt. Dem Centuriobekenntnis geht im Kompositionsgefüge von 15,33–39 eine im MkEv singuläre Formulierung voraus: Während Gott-Vater seinen Sohn bei zwei Ereignissen, die epiphanialen Charakter aufweisen, bei Taufe (1,11) und Verklärung (9,7), als QB WKBQLOQW anspricht, antwortet Jesus mittels eines Psalmzitates, mit dem er Gott direkt adressiert:QB SGQLOQW(V.34).380 Die letzte artikulierte Äußerung Jesu zitiert aus der Schrift und spannt durch diese Zitation einen großen Bogen zum Eingangsbereich des Evangeliums, in dem Gott mittels eines Kombinationszitates seinen Sohn außerhalb der erzählten Zeit anspricht (1,2f.). Der Nachruf des Centurio steht in Korrespondenz zur griechischen Übersetzung des Psalmenwortes und fokussiert den wiederholt platzierten Ruf Jesu QB SGQL OQW, sodass sich folgende Besonderheit ergibt: Während der sterbende Jesus in V. 34d seinen Vater – makrotextuell einmalig – als QB SGQL OQW adressiert, spricht der Centurio den bereits verstorbenen Jesus als WKBQLSGQW an, sodass als Leseeffekt die Besonderheit zu verzeichnen ist, dass im Sterbemoment Jesu eine Art Dialog zwischen Sohn und Vater entsteht, der in charakteristischer Weise über den „Umweg“ des Centurio führt.381 Damit wird eine – nach markinischem Verständnis – adäquate Reaktion auf den Kreuzestod Jesu vorgelegt, die die Anführung des im MkEv ein Theologoumenon bildenden Syntagmas GXPVJ^ *CNKNCKC^ (15,41) bzw. GKXLVJP*CNKNCKCP (16,7) bestätigt wird. Diese Erwägungen bestätigen, dass im Zusammenhang der Frage nach der Bedeutung des Elija eine Konzentration auf die Schilderung des eigentlichen Sterbens Jesu in Mk 15,33–39 vertretbar ist. 378 Vgl. M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 199–205. Vgl. auch K. B ACKHAUS, „Lösepreis für viele“, 97. 379 Mit K. B ACKHAUS, „Lösepreis für viele“, 113f. 380 Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 234.245. 381 Die Rekapitulation der Himmelsstimme der Taufe (1,11) und der Wolkenstimme der Verklärungsperikope (9,7) ist offensichtlich. Vgl. nur P.-G. Klumbies, Sterben Jesu, 193: „Der Zuspruch der Gottessohnschaft, der bei der Taufe in 1,11 und der Verklärung in 9,7 von Gott selbst über Jesus ausgesagt wurde, erklingt nun von vis-à-vis aus Menschenmund.“
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ihren Ausgangspunkt von der griechischen Übersetzung des Incipits des Ps 22 nimmt. Das aramäisch-hebräische Original dieses Rufes bietet dem MkEvangelisten die Gelegenheit, eine negative Reaktion einzuführen, in deren Zusammenhang der Name Elija fällt. Dieser Sachverhalt ist im Folgenden kurz zu beleuchten: Der für die Frage nach der Bedeutung des Elija relevante Text 15,33–39 lässt sich wie folgt gliedern: V.33 berichtet von einer von der sechsten bis zur neunten Stunde währenden Dunkelheit.382 V.34 setzt an deren Ende an383 und platziert einen Gebetsausruf Jesu, bei dem in einer aramäischhebräischen Mischform384 das Incipit des Leidenspsalms 21 LXX zitiert wird, der zugleich das einzige artikulierte Wort Jesu am Kreuz ist. Die VV.35f. schließen sich an den Wortlaut des Psalmzitates und seiner Übersetzung an und formulieren das Missverständnis einiger nicht weiter qualifizierter RCTGUVJMQVGL, bei dem der Name Elija fällt. Während also der Nachruf des Centurio seinen Ausgangspunkt von der griechischen Übersetzung des Psalmtextes nimmt (QB SGQLOQWQB SGQLOQWĺ CXNJSYLQWVQLQB CPSTYRQL WKBQL SGQW J P), knüpft die „unverständige“ Reaktion der „Hinrichtungstouristen“385 an den hebräischen Wortlaut an, wobei unter Verkennung der Gebetsqualität des Rufes lediglich die Invocatio GNYKherausgeriffen wird. Vers 37 berichtet vom Aushauchen Jesu (GXZGRPGWUGP)386, dem 382 Die naturwissenschaftlich geprägte Frage nach der Ursache dieser Finsternis geht m.E. am Erzählinteresse des MkEv vorbei. So in etwa die Tendenz bei R. P ESCH, HThKMk II, 493f. Treffend formuliert P.-G. KLUMBIES, Mythos bei Markus, 267f.: „Angesichts der Bedeutung der Tages- und Nachtzeiten sowie der Lichtverhältnisse für das mythische Denken erübrigt es sich, nach historischen Hintergründen dieser Angabe, etwa einer Sonnenfinsternis, zu suchen.“ 383 Interessant, wenngleich im strengen Sinne unentscheidbar (ein aus G=YL mit anschließendem Genitiv gebildetes Syntagma kann sowohl inkludierend als auch exkludierend gebraucht sein), ist die Frage, ob der Tod Jesu mit der Aufhellung der Szenerie koinzidiert, wie P.-G. KLUMBIES [Mythos bei Markus, 269 mit Verweis auf R. ZWICK, Montage, 439] neu in die exegetische Diskussion eingebracht hat: „In der neunten Stunde, in die das Ende der Dunkelheit fällt, stößt Jesus seine letzten Worte hervor (V. 34). Mit der doppelten Zeitangabe V.33 Ende und V.34 Anfang stellt der Erzähler die exakte Abstimmung der Geschehnisse sicher. Der Ruf Jesu von V.34 koinzidiert mit der Aufhellung der verdunkelten Szenerie.“ Vgl. auch DERS., Konzept des ‚mythischen Raumes‘, 114f. So auch W. FRITZEN, Rätselhaftes Kreuz, 53; S. Schreiber, Sonne im Markusevangelium, 363: „Im Aufgang der Sonne am Karfreitag erstrahlt die neue Schöpfung, der Karfreitag ist schon der Ostertag des Erlösers und der ihm wirklich Nachfolgenden.“; M. THEOBALD, Tod Jesu, 22 mit Anm. 90. 384 Zum Textbefund vgl. die Synopse und die Überlegungen bei Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 232. 385 Diesen bildhaft-präzisen Begriff verdanke ich P.-G. KLUMBIES, Sterben Jesu, 198. 386 Der markinischen Geistchristologie entspricht es, dass der Tod Jesu mit GXMRPGY wiedergegeben wird, womit wahrscheinlich auf Jesus als „Geistträger“ rekurriert ist. Vgl. M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 65; DERS., Tod Jesu, 23 Anm. 95. Ferner
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ein unartikulierter Schrei Jesu vorausgegangen ist. Die dornige Frage, ob es sich hier um zwei getrennte – was der primäre Leseeffekt ist – oder um einen einzigen Schrei handelt, sodass zwischen den VV. 34 und 37 eine „intern-repetitive Analepse“ vorläge, muss an dieser Stelle nicht diskutiert werden.387 Der Name Elija fällt dabei in V.35 im Zusammenhang einer Deutung des Schreis Jesu am Kreuz388, der vom Erzähler deutlich als MissD.S. DU T OIT, „Gesalbter Gottessohn“, 39f. Verstärkt wird dieses Motiv durch die Wendung CXHGKL HYPJP OGICNJP, das Jesus als „den von Gottes Geist erfaßten Menschen“ charakterisiert. Mit R. Pesch [HThK-Mk II, 497f.], der auf MekhEx 15,2 und äthHen 71,11 verweist. Dieser Aspekt wird durch die Seitenreferenten ausgebaut. In Mt 27,50 heißt es: CXHJMGPVQ RPGWOC. In Lk 23,46: 2CVGTGKXLEGKTCLUQWRCTCVKSGOCKVQ RPGWOC OQWx VQWVQ FG GKXRYP GXZGRPGWUGPx Doch sollte davon Abstand genommen werden, diesen Gedanken exegetisch zu überfrachten und in Richtung der „späteren gnostisierenden Relecture“ im Sinne einer „Rückgabe des göttlichen Pneuma (als der Taufe Jesu korrespondierendes Geschehen)“ zu deuten. Mit M. THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 65. Auf die „Anfälligkeit“ der Exegese zu übertreibend-phantasierenden Deutungen angesichts der Textfolge Mk 15,37–39 hat H.-J. K LAUCK [„Vorspiel im Himmel?“, 92] aufmerksam gemacht. Vgl. seine kritische Stellungnahme zu den Deutungen von S. MOTYER, The Rending of the Veil: A Markan Pentecost? In: NTS 33 (1987), 155–157; H.M. J ACKSON, The Death of Jesus in Mark and the Miracle from the Cross. In: NTS 33 (1987), 16–37 und D. ULANSEY, The Heavenly Veil Torn: Mark’s Cosmic Inclusio. In: JBL 110 (1991), 123–125. 387 Für einen einzigen Schrei plädiert mit Nachdruck z.B. Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 235. Vgl. auch Chr. B URCHARD, Markus 15,34, 8f. Dagegen z.B. M. THEOBALD, Tod Jesu, 19 Anm. 75. 388 Mk 15,34b ist innerhalb der markinischen Passionserzählung nicht exklusiv als Schrei der Gottverlassenheit konzipiert. So aber die gängige Deutung im Bereich der systematischen Theologie (z.B. J. Moltmann). Vgl. die Zusammenstellung entsprechender Positionen bei T. GUT, Schrei der Gottverlassenheit, 27–65. Ferner M. T HEOBALD, Tod Jesu, 21 Anm. 86. Folgende Argumente sind gegen eine exklusive Verlassenheitsdeutung geltend zu machen: Das Lexem DQCP drückt üblicherweise „den Notschrei der Bedrängten und Vergewaltigten zu Gott“ aus. Mit E. STAUFFER, Art.DQCYMVN. In: ThWNT I (1933), 624f. Es hat Gebetsqualität! Vgl. auch D. DORMEYER, Passion, 200. Die Finsternis GXH8 Q=NJP VJP IJP – sei sie nun als Finsternis über ganz Palästina oder gar über die ganze Welt verstanden – kann kaum die Abwendung Gottes angesichts des Schicksals seines Sohnes bedeuten. Zwar ist UMQVQL gemeinbiblisches Symbol des Unheils (vgl. nur Klgl 3,2), des Fluches und Gerichts (vgl. Jes 13,10; Am 5,18–20; 8,9), doch verbindet sich dies in Mk 15,33–39 mit einer durchgängigen Präsenz Gottes. Es handelt sich um ein erstes übernatürliches Eingreifen. Das zweite liegt in 15,38 vor. Beiden UJOGKC der Sterbeszene Jesu (Finsternis – Zerreißen des Tempelvorhangs) liegt die Autorität Gottes zugrunde. Das Lexem GXUEKUSJ (15,38) ist als Passivum divinum anzusprechen. Vgl. allgemein auch K. B ROWER, Elijah, 94: „the divine action“ is shown „in the whole scene“. So auch M. T HEOBALD, a.a.O., 21: „Dass Gott auf Golgatha nicht abwesend, sondern verborgen anwesend [kursiv von A.W.] ist, verdeutlicht die markinische Darstellung schon dadurch, dass sie die Sterbeszene von zwei himmlischen Zeichen eingerahmt sein lässt“. Ähnlich auch R. Feldmeier [Gekreuzigter im „Gnadenstuhl“, 227], der „das Zerspalten des Vorhanges als ein die Gottessohnprädikation bestätigendes Handeln Gottes“
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
verständnis einiger weiter nicht spezifizierter Kreuzigungsbeobachter deklariert wird. Bei diesen Kreuzigungszeugen wird erzähllogisch an Juden zu denken sein, zumal der Erzähler in Mk 15,29–37 Erzählmotive miteinander verbindet, die als der „jüdische Beitrag zur Exekution“389 verstanden werden sollen. Nicht von ungefähr nimmt die Beschreibung dieses „Beitrags“ ihren Ausgangspunkt von der Notiz des Kreuzestitulus QB DCUKNGWLVYP8,QWFCKYPin Mk 15,26. Stets ist es aufgefallen, dass die Assoziation (NYK/8+NKCL schwierig und auf palästinischem Boden recht unwahrscheinlich ist.390 Dieses Ungenügen hat Matthäus gespürt, bei dessen redaktioneller Tätigkeit391 es zu einer Transposition des Ausrufes (NYKGNYKNGOCUCDCESCPK(Mk 15,34) hin zu +NKJNKNGOCUCDCESCPK(Mt 27,46) kommt, bei der eine phonetische Verwechslung hin zum Namen „Elija“ beim Gottesnamen plausibler erscheint als in der markinischen Version.392 Eine philologisch-historische Rückfrage nach den Möglichkeiten und Grenzen einer solchen phonetischen Verwechslung scheint mir vom Gefälle der Erzählung her nicht sinnvoll. Zum einen ist zu beachten, dass die Problematik für die griechischsprachigen Leser des MkEv weit weniger drängend war393, zum anderen ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es sich um ein literarisch konstruversteht. So entsteht in Mk 15,33–39 eine spannungsvolle Szene. Die mit der Gethsemane-Perikope (14,32–42) eröffnete Ereignisfolge findet auch in 15,33–39 eine Fortsetzung etsi Deus non daretur. Vgl. G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 198. Das verbum ultimum Jesu (15,34) ist aber – trotz der Verlassenheitsklage – ein Gebet an das verborgen anwesende göttliche „Du“. Neben die Gottesferne tritt so die sich im Gebet ausdrückende Nähe Gottes. Gut bei P.-G. KLUMBIES, Mythos bei Markus, 271. Wichtig ist, dass Markus in 15,34 Ps 21,2 LXX K=PCVK in GKXLVK abwandelt, das – wie in Mk 14,4 auch – wohl „wozu“ bedeutet. Die Frage Jesu richtet sich nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft. „Jesus drängt Gott zum Handeln, indem er ihn rhetorisch anschreit, wozu oder warum er am Kreuz hängt. Er klagt den Zweck seines Todes ein.“ Mit Chr. B URCHARD, Markus 15,34, 8. Ähnlich auch M. T HEOBALD, a.a.O., 22; D. ZELLER, Handlungsstruktur, 219. Dann aber gilt: „Die lama-Frage verläßt nicht den Boden des Glaubens.“ So D. M ICHEL, „Warum“ und „Wozu“?, 22. Vgl. auch B. J ANOWSKI, „Verstehst du auch …“, 166. Ich erkenne ein Korrespondenzverhältnis zwischen Jesu Selbstanspruch, NWVTQP CXPVKRQNNYP(Mk 10,45) zu sein, und dem Kreuzesruf Jesu in 15,34. 389 Treffend bei Chr. B URCHARD, Markus 15,34, 5. 390 Mit G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1089; J. GNILKA, EKK-Mk II, 312; DERS., „Mein Gott …“, 296; E. LOHMEYER, KEK-Mk, 346; M. T HEOBALD, Tod Jesu, 19 Anm. 74. 391 Eine matthäische Sondertradition lässt sich nicht wahrscheinlich machen, es handelt sich vielmehr um eine nachträgliche Korrektur der Mk-Vorlage. So z.B. J. GNILKA, „Mein Gott …“, 296; J. LAMBRECHT, Art. 8+NKC L. In: EWNT II (21992), Sp. 287f.; R. P ESCH, HThK-Mk II, 495. 392 Vgl. z.B. U. LUZ, EKK-Mt IV, 332. Ferner J. GNILKA, „Mein Gott …“, 296. 393 Vgl. dazu M. THEOBALD [Tod Jesu, 19 Anm. 74] mit Verweis auf E. L INNEMANN, Studien zur Passionsgeschichte. FRLANT 102. Göttingen 1970, 150.
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iertes Missverständnis handelt.394 Eine solche Deutung überzeugt mehr als die von R. Pesch vorgeschlagene Lösung, wonach es sich hierbei um eine „mutwillige Verwechslung“ handelt, die als solche historisch ist.395 Sollte diese Präferenz zutreffen, dann ist auch die grundsätzliche Frage nach einer „schriftstellerischen Tendenz bei der Einfügung des Elija-Mißverständnisses“396 legitim. Der Gebetsschrei Jesu am Kreuz, der das Incipit des Leidenspsalmes 21 LXX zitiert, gehört wahrscheinlich zur vormarkinischen Tradition, wie dieser Psalm auch motivgeschichtlich bei der Entstehung der Passionsgeschichte Pate gestanden hat.397 Weniger eindeutig ist die traditionelle Herkunft der sogleich im Anschluss vorgelegten Übersetzung. Diese entspricht bekanntlich nicht der LXX398, sondern ist unbekannter Herkunft. Es ist damit zu rechnen, dass sie der Hand des Evangelisten entstammt.399 Die in Mk 15,35f. verarbeiteten Motive der Tränkung und des Spotts weisen nach Mk 15,23 bzw. 15,29–32 eine gewisse Redundanz auf.400 Das Tränken mit Essigwasser wird, da es ein Motiv aus Ps 68,22 LXX einspielt, der Tradition zuzurechnen sein. Unklar ist aber das erzähllogische Verhältnis 394 Vgl. M. ÖHLER, Elia im NT, 145. Anders der historisierende Ansatz bei M. REHM [Eli, passim.], der in der matthäischen Variante die Urform des von Jesus „wirklich gesprochenen Wortlaut[s]“ entdeckt und zugunsten eines tatsächlichen Missverständnisses argumentiert. Danach habe es im biblischen Judentum die Neigung gegeben, längere Namen wie eben „Elijjahu, Elijjah“ zu kürzen, woraus das matthäische JNK entstanden sei. Rehm kann aber keinen überzeugenden Beleg seiner Position vorlegen. Zudem kann die Kürzung von Elijjahu, Elijjah zu JNK gerade nicht mit der von ihm postulierten Tendenz erklärt werden, „die Profanierung der heiligen Namen zu vermeiden“ (vgl. 276). 395 Vgl. HThK-Mk II, 495f. Die bei R. PESCH begegnende Tendenz zu einer konsequent historisierenden Auslegung der markinischen Passionsüberlieferung ist somit auch beim Elija-Missverständnis zu greifen. 396 So G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1089. Eine markinisch-redaktionelle Zufügung des Elija-Missverständnisses vermuten z.B. K. BROWER, Elijah, 87.93; R. B ULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 295; D. D ORMEYER, Passion, 201; J. G NILKA, EKK-Mk II, 312; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 263; G. SELLIN, Symbolische und esoterische Züge, 84. In diese Richtung deutet auch M. T HEOBALD, Tod Jesu, 19. Vorausgesetzt ist dabei, dass es sich in den VV.34 und 37 um zwei getrennte Rufe handelt, wobei das in der vormarkinischen Passionsüberlieferung vorliegende verbum ultimum Jesu (Ps 21,2 LXX) durch die redaktionelle Tätigkeit des Markus „nach vorne gezogen“ sei. Diese „Vorziehung“ hat nach Theobald theologische Zielsetzung: „Es bot ihm samt seiner aramäischen Fassung die Gelegenheit, jenes ihm wichtige Elija-Motiv vor dem Tod Jesu im Text unterzubringen“. 397 Dass Ps 22,2 als verbum ultimum integral bereits zur vormarkinischen Passionserzählung gehörte, hat sehr überzeugend M. T HEOBALD [Tod Jesu, 15f.] wahrscheinlich gemacht. Durchschlagend ist das Argument, dass Ps 22 „der Kreuzigungsszene insgesamt den ‚Deutehorizont‘“ verleiht. 398 Ps 21,2 LXX: QBSGQLQBSGQLOQWRTQUEGLOQKK=PCVKGXIMCVGNKRGLOG. 399 So z.B. D. DORMEYER, Passion, 201. 400 Vgl. D. DORMEYER, Passion, 202f.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
zwischen Mk 15,35 und 36. Diente die Verabreichung von Essigwasser dazu, die vitalen Funktionen des Gekreuzigten kurzfristig zu beleben und damit den Tod hinauszuzögern und das Leiden zu vermehren – es ist demnach als ein Moment der Grausamkeit anzusprechen –, scheint Markus eher an Unverständigkeit gedacht, den hinausgezögerten Tod also mit dem Warten auf die Intervention Elijas begründet zu haben.401 Das Missverständnis und der durch dieses ausgelöste Versuch der Essigtränkung wären demnach als eine Äußerung des Unglaubens aufzufassen: Wer die Heilsnotwendigkeit des Kreuzestodes Jesu verleugnet und Jesu physische Rettung zur Bedingung seines Glaubens macht, „demonstriert seinen Unglauben und verfehlt die Wirklichkeit Jesu“.402 Dies korrespondiert mit der von K. Backhaus vorgelegten Empfehlung, als das eigentliche Thema des MkEv die „Identität der Person Jesu angesichts des Kreuzes“ anzusehen.403 Dieser Gedanke wird durch folgende Überlegung gestützt: Wenn die vorgelegte Übersetzung des GKXL VK richtig ist, wonach Jesus nicht rückwärtsgewandt nach dem „Warum“, sondern vorwärtsgewandt nach dem „Wozu/ Worauf-hin“ seines Leidens fragt, dann gliedert sich der Kreuzesruf sachlogisch in die Reihe der Leidensvoraussagen ein, die mit 8,31 (MCK JTZCVQ FKFCUMGKPCWXVQWLQ=VKFGK VQPWKBQPVQW CXPSTYRQWRQNNC RCSGKPMVN.) eröffnet wurde.404 Die Einforderung des Sinnes seines Todes fällt mit der Betonung des FGK (8,31) des Leidens und Sterbens Jesu zusammen. Von hier aus gibt es Berührungen des Protestes des Petrus gegen das Leiden (8,32) mit dem Verhalten der RCTGUVJMQVGL in 15,36f., insofern beide Parteien – Petrus wie RCTGUVJMQVGL – auf die Umgehung des Todes Jesu mit je verschiedener Intention drängen, wobei aber nach markinischem Verständnis der „Zweck“ des Kreuzesgeschehens „nur durch den Tod hindurch, nicht unter seiner mirakulösen Umgehung erreicht werden kann“.405 Im Falle des „Petrus-Protestes“ folgt eine scharfe Zurechtweisung des Petrus (8,33), im Falle der RCTGUVJMQVGL indiziert V.37 (QB FG 8,JUQWLCXHGKLHYPJPOGICNJP GXZGRPGWUGP), dass das Tränkungsvorhaben abgewiesen worden ist.406 401
So auch M. THEOBALD, Tod Jesu, 19: Markus schreibe dem Essigtrank eine „neue Motivation“ zu: „nämlich dem gespannten Warten der Umstehenden auf Elija Raum zu geben“. 402 Mit J.M. NÜTZEL, Elija und Elischa, 163. Vgl. auch G. Sellin, Symbolische und esoterische Züge, 85: „Ausdruck des mißverstehenden Unglaubens“. 403 Vgl. K. B ACKHAUS, „Lösepreis für viele“, 91. 404 Sehr überzeugend von Chr. B URCHARD [Markus 15,34, 9] aufgewiesen. 405 Mit M. T HEOBALD, Tod Jesu, 22f. 406 Der Versuch der „Hinrichtungstouristen“ wird abgewiesen. Das QB FG 8,JUQWL (V.37) weist einen Gegensatz zum Versuch der VKPGL auf, sodass das Lexem GXRQVK\GP (V.36) mit hoher Wahrscheinlichkeit als Imperfectum de conatu (vgl. B LASSDEBRUNNER-REHKOPF, Grammatik § 326,1) zu deuten ist. Der mit Blick auf die Realien reichsrömischer Kreuzigungspraxis vorgebrachte Einwand, dass es ein römischer Soldat
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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Ohne den Sachverhalt in die eine oder andere Richtung endgültig entscheiden zu können, spricht m.E. vieles dafür, dass das besondere Interesse des Evangelisten an Elija zur redaktionellen Einfügung des Elija-Missverständnisses geführt hat407, das an dieser Stelle auf dem Höhepunkt der Passionsgeschichte und im unmittelbaren kontextuellen Umfeld des christologisch herausragenden Centuriobekenntnisses platziert wird. Aufgrund der sogleich im Anschluss an den Gebetsausruf Jesu vorgelegten Übersetzung weiß auch der des Aramäischen nicht mächtige Leser, dass Elija nicht gemeint sein kann. Die Übersetzung hält mit Blick auf die Rezipienten des Textes „die Hürde der Sprachkenntnis möglichst niedrig“408, bestätigt jedoch in erster Linie das Wissen, das der Hörer/Leser nach der aufmerksamen Rezeption des bisher zur Kenntnis genommenen Evangeliums ohnehin hat: Elija braucht nicht zu kommen, da er im Wirken des Johannes sein Versöhnungswerk begonnen hat, dies aber wegen der Boshaftigkeit der Menschen nicht vollenden konnte.409 Durch dieses „Mehrwissen“, das nach Mk 1,1–3.4–8; 6,14–29 und 9,2–13 an dieser Stelle nochmals „eingeholt“410 wird, ist narrativ eine Trennlinie zwischen den Hörern/Lesern und den als unverständig geschilderten Kreuzigungszeugen markiert: Den Rezipienten des Evangeliums ist die Position des Elija klar, während die GZYStehenden als unverständig gezeichnet werden. Man kann noch einen Schritt weitergehen: Obwohl der Erzähler die Identität der RCTGUVJMQVGL offenhält, richtet sich die der Szene implizite Kritik an Juden, denen allein eine Kenntnis des Elija – sei es nun in seiner Funktion als Bote der Endzeit, sei es in seiner Rolle als „Nothelfer“ – zuzusprechen ist.411 Dann aber enthält die Szene eine bittere Ironie412, da die aus dem Judentum stammenden Spötter als solche skizziert werden, die die Sprache ihrer eigenen Gebetstradition nicht verstehen. Sie greifen aus Jesu Gebetsschrei lediglich die Invocatio (NYK heraus, deuten diese fehl und verkennen zudem die weitere Wortfolge des Rufes, die diesen eindeutig als ein an Gott gerichtetes Gebet deklariert. Zudem können sie – anders als der Rezipient des Werkes – nicht ahnen, dass Elija bei der Verklärung (9,4f.) und in der Gestalt des Täufers Johannes bereits da war (1,2f.; 6,17–29; gewesen sein müsse, der berechtigt war, Jesus einen Trank zu reichen, geht am Erzählinteresse des MkEv vorbei und bestätigt den vergleichsweise hohen Grad der Überarbeitung der vormarkinischen Passionsüberlieferung seitens des Erzählers. Vgl. dazu auch M. THEOBALD, Tod Jesu, 23 mit Anm. 92. 407 Überzeugend bei M. T HEOBALD, Tod Jesu, 19. 408 Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 233. 409 Vgl. H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 83. 410 Vgl. dazu Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 246. 411 Mit D. DORMEYER, Passion, 202. 412 So L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 345. Als Exempel of „Marcan irony“ wertet auch P.M.K. MORRIS [Elijah and Jesus, 124] die Szene.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
9,11–13), sodass er nicht noch einmal zu kommen braucht und sich zudem dem Willen Gottes nicht widersetzen kann (vgl. z.B. 8,31.33). Mit den soeben vorgelegten Gedanken ist die Intention zur Erwähnung des Elija auf dem Höhepunkt der Passionsgeschichte noch nicht hinreichend erfasst: Das Elija-Missverständnis beim Kreuzesruf Jesu wird für gewöhnlich mit der im rabbinischen Bereich belegten Vorstellung von Elija als Nothelfer erklärt.413 Tatsächlich wäre eine solche Vorstellung eine logische Erklärung für den Beleg Elijas im Zusammenhang der Passion Jesu. Danach würden die spöttischen Beobachter der Kreuzigung die volkstümliche Anschauung kennen, dass Elija auf die Erde kommt, um Gerechten beizustehen. Ihr Spott entspränge ihrer Überzeugung, dass Jesus keine himmlische Hilfe zu erwarten habe, sodass mit einer Rechtfertigung Jesu im Sinne eines „leidenden Gerechten“ durch das Kommen des Elija prinzipiell nicht zu rechnen sei.414 Diese verlockende These hat jedoch ihre Schwierigkeiten: Mk 15,35f. wäre die erste literarische Bezeugung dieser Erwartung, wozu als zweite Schwierigkeit hinzu kommt, dass die uns hierzu aus rabbinischer Zeit überlieferten Texte415 nicht von einer Anrufung des Elija sprechen, sondern dessen eigenständiges Kommen zur Unterstützung der Gerechten betonen. Diese Funktion des Elija wäre zudem – besonders angesichts der vergleichsweise häufigen Thematisierung des Elija bzw. der Elijaerwartung im MkEv – völlig neu und überraschend.416 Dagegen wäre es plausibler, auch hier in Elija den Vorboten der Äonenwende zu sehen und eine Wiederaufnahme der Thematik zu erkennen, die in Mk 9,11–13 diskutiert worden ist. Daran wird der Rezipient nach der Lektüre von 9,11–13 auf dem Höhepunkt der Passionsgeschichte zuerst denken.417 Er liest folglich das Elija-Missverständnis im Wissen darum, dass Elija bereits in der Gestalt des Täufers da war und Jesu Leidensschicksal vorausgebildet hat. Neben diesem Konnex der Elija-Erwartung mit der Leidensthematik ergibt sich als zweiter Berührungspunkt die Beobachtung, dass das Elija-Argument 413
Vgl. dazu D. DORMEYER, Passion, 202f.; J. GNILKA, EKK-Mk II, 322; R.H. GUNDRY, Mark, 967; J. JEREMIAS, Art. B+N(G)KCL. In: ThWNT II (1935), 932.937; J. LAMBRECHT, Art. 8+NKCL. In: EWNT II (21992), Sp. 286; J.M. NÜTZEL, Elija und Elischa, 162f.; R. P ESCH, HThK-Mk II, 496. Die Funktion des Elija als „Nothelfer seines Volkes“ ist aber im AT, in den atl. Apokryphen und Pseudepigraphen nicht belegt. Sie findet sich erst eindeutig in der rabbinischen Literatur, sodass Mk 15,35 – sollte auf diesen volkstümlichen Glauben tatsächlich rekurriert sein – ein erster literarischer Beleg hierzu wäre. Vgl. dazu auch M. ÖHLER, Elia im NT, 139–141. 414 So z.B. D. DORMEYER, Passion, 203. 415 Vgl. die Zusammenstellung der Belegstellen bei M. ÖHLER, Elia im NT, 139– 141.147. 416 Sehr dagegen daher auch G. SELLIN, Symbolische und esoterische Züge, 85f. 417 Treffend bei Chr. B URCHARD, Markus 15,34, 9.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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„Außenstehenden“ zugewiesen wird.418 Waren es dort die ITCOOCVGKL(Mk 9,11), so sind es hier nicht näher qualifizierte VKPGL VYP RCTGUVJMQVYP (15,35), die als Juden gedacht werden. Ähnlich wie dort Jesus durch die Erfüllung der Elija-Erwartung narrativ von Elija abgehoben worden ist, bietet auch diese Szene eine weitere Möglichkeit, Jesus von Elija zu differenzieren. Die Umstehenden missverstehen den Ausruf Jesu deshalb, weil sie „eine Stufe zu tief“ hören419: Jesus ruft seinen Vater an, nicht den Propheten Elija. Die Szene offenbart so die Verbindung Jesu mit seinem Vater und stellt gleichzeitig klar: Jesus ist nicht Elija. Diese Konstellation verweist auf das Erzählinteresse der Verklärungsperikope, in der sowohl die Verbindung des Sohnes mit dem Vater als auch die theologische Überlegenheit Jesu gegenüber Elija (und Mose) dargelegt wird. 3.7.4.5 Fazit der Beobachtungen zu Elija im MkEv Der Durchgang durch die Stellen, an denen Elija bzw. der Täufer Johannes begegnet, hat sowohl das besondere Interesse der markinischen Redaktion an der Gestalt des Elija gezeigt als auch das Bestreben, Elija von Jesus abzuheben.420 Das Interesse an diesem Propheten könnte – wie noch im vierten Kapitel dieser Studie im Detail zu zeigen ist – zur redaktionellen Einfügung in die Verklärungsperikope und zu seiner religionsgeschichtlich überraschenden Positionierung an erster Stelle geführt haben. Seine Platzierung in der Verklärungserzählung könnte so als „Rezeptionsanleitung“ fungieren, die eine einseitig doxachristologische Rezeption der Perikope in Abrede stellt. Mit dem Auftreten des Elija auf dem Verklärungsberg wird zudem die seit Mk 6,15 und 8,28 gleichsam „in der Luft liegende“ Identifizierung Jesu mit Elija endgültig zurückgewiesen und das Interesse des Erzählers an der Gestalt des Täufers Johannes nochmals untermauert. In der anschließenden Bergabstiegsszene wird dem Johannes/Elija eine neue, bis dahin nicht ausgesprochene Funktion zugeteilt: die des eschatologischen „Wiederherstellers“. Gute Gründe empfehlen dagegen, Mose zum integralen Bestand der theologischen Basiserzählung der Transfiguration zu zählen.
418
Mit G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1088. Mit Chr. BURCHARD, Markus 15,34, 9. 420 Ähnlich auch P.M.K. M ORRIS, Elijah and Jesus, 123. In der Abhebung Jesu gegenüber Elija erkennt auch D.S. DU T OIT [Abwesender Herr, 356f.] die Hauptstoßrichtung von Mk 9,4: „Die Erscheinung Elias klärt dies … schlagartig: Jesus ist auf keinen Fall der wiedergekommene Elia bzw. Elia ist nicht in der Gestalt Jesu wieder erschienen“. 419
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
3.8 Der Vorschlag des Petrus zur Errichtung vonUMJPCK 3.8.1 Allgemeine Beobachtungen Eine weitere Crux interpretum der Verklärungsperikope ist der in V.5 referierte Vorschlag des Petrus zur Errichtung dreier UMJPCK. Die Deutung dieses Beitrags des Petrus bereitet der Fachexegese seit jeher große Probleme, wie an der Spannbreite der in der Forschungsgeschichte vorgelegten Interpretationsvorschläge zu ersehen ist. J.M. Nützel spricht sogar von einer „weitgehenden Ratlosigkeit“ der Interpreten angesichts der VV.5f.421 Narrativ funktionieren die VV.5f. aufgrund der Wissensdifferenz zwischen Jüngern und Rezipienten: Obgleich im MkEv die Jünger den Rezipienten als maßgebliche Identifikationsfiguren angeboten werden422, betreten beide Parteien mit einem je unterschiedlichen Wissen ausgestattet den Berg der Epiphanie Jesu. Während die drei ausgewählten Jünger intradiegetisch von den am Fuße des Verklärungsberges zurückbleibenden Mitjüngern getrennt werden, verläuft eine weitere Trennlinie zwischen Verklärungs-„Zeugen“ und Rezipienten, die den Berg der Verklärung mit dem durch Mk 1,1 und 1,11 gewonnenen Wissen besteigen und in die Lage versetzt werden, das in V.5 skizzierte Verhalten der Jünger kritisch zu beurteilen.423 Narratives Kennzeichen dieser Trennlinie ist der an die Adresse der
421
Vgl. J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 122. Das Spektrum der Einschätzung von Mk 9,5 reicht von einer ausgeprägten Skepsis im Hinblick darauf, diesen Vorschlag des Petrus zu deuten, bis hin zu eindeutigen Festlegungen. So formuliert W. B OUSSET [Kyrios Christos, 61] das sowohl skeptische als auch apodiktische Urteil: „Dahin [scil.: zu den unverstandenen rudimentären Elementen der Vorlage] gehört weiter der gar nicht deutbare Ausruf des Petrus …“. Ähnlich skeptisch auch E. LOHMEYER, Markusevangelium, 176: „Was er sagt, ist kaum noch sicher zu erklären“. Vgl. auch H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 175. Für das LkEv auch M. WOLTER, HNT-Lk, 353: „Was dieser Vorschlag zum Ausdruck bringen soll, wird sich wohl nicht mehr rekonstruieren lassen“. Skeptisch auch D. LEE, Transfiguration, 21: „It is most likely that we are in no position to tell exactly what Peter does intend.“ Vgl. auch M. MACH, Christus Mutans, 178. Eindeutig unter die Kategorie „Reaktion auf Epiphanie“ subsumiert z.B. D. ZELLER [Bedeutung und Hintergrund, 316] das Verhalten des Petrus: „Manchmal suchen sie auch die Erscheinung mit sinnlosen Vorschlägen aufzuhalten wie Petrus in V. 5.“ D. Zeller verweist dabei auf Ri 13,15f.; TestAbr Rez. A 4. Beliebt ist zudem die Einordnung von 9,5 unter die Rubrik „Jüngerunverständnis“ (vgl. z.B. F. B OVON, EKK-Lk I, 499; M. HORSTMANN, Studien, 81; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 156; E. SCHWEIZER, NTD-Mk, 98). Andere sehen darin den Versuch, den Augenblick der Visio beatifica gleichsam zu „konservieren“. Vgl. dazu J. GNILKA, EKK-Mk II, 35: Der Wunsch, den Augenblick zu „konservieren“, widerspreche dem FGK des Leidens Jesu; W. GRUNDMANN, ThHK-Mk, 182. Für die lukanische Fassung vgl. auch H. K LEIN, KEK-Lk, 347. 422 Vgl. dazu z.B. G. SELLIN, Symbolische und esoterische Züge, 80. 423 Vgl. dazu die überzeugenden Ausführungen bei Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 222.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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Rezipienten gerichtete Erzählerkommentar in V.6, durch den er zur Distanznahme hinsichtlich des Petrusvorschlags aufgefordert wird. Durch ein parataktisches MCK wird in 9,5 eine Reaktion des Petrus angeschlossen, der hier – wie auch bereits in 8,29 – als Sprecher der Jünger erscheint.424 Mit 9,5 ist im Aufbau der Verklärungsnarratio eine Zäsur gegeben, für die der Subjekt-, Tempus- und Themenwechsel Indizien sind.425 In den VV.5f. liegt zudem ein Sachverhalt vor, den man als Übergang von einer rein „erzählenden“ Sprechhaltung zu einer „besprechenden“ samt direkter Rede und deren Kommentierung bezeichnen könnte.426 Diese Wechsel erzeugen im Rezipienten Aufmerksamkeit, die zugleich durch die Positionierung zweier Kommunikationsverben (CXRQMTKSGKL–NGIGK) erhöht wird, an die das einzige Kommunikat einer der Erzählfiguren in 9,2–8 vorgelegt wird. Zuvor war eine Kommunikation der Erzählfiguren zwar im autoritativen RCTCNCODCPGK durch Jesus (9,2a) und in der durch eine Coniugatio periphrastica besonders herausgestrichenen Unterredung der drei Himmlischen narrativ angedeutet, nicht aber ausgeführt worden. Der Vorschlag des Petrus steht daher unter dem Vorzeichen besonderer Wichtigkeit, womit übereinstimmt, dass dialogische Elemente in einer szenischen Darstellung in der Erzählforschung allgemein als Indiz von Emphase gelten.427 Die angesprochene Emphase wird zudem durch die Tatsache unterstrichen, dass diese „Intervention“ des Jüngersprechers semantisch und syntaktisch ähnlich eingeführt wird wie sein christologisches Bekenntnis (8,29:CXRQMTKSGKLQB 2GVTQLNGIGKCWXVY^ – 9,5:MCK CXRQMTKSGKLQB 2GVTQLNGIGKVY^8,JUQW). War dort – trotz des an sich zutreffenden christo424 Die Wiederaufnahme des Petrus als Sprecher der Jünger wird in Mk 9,5f. ebenso unter einem kritischen Vorzeichen vollzogen wie in der Textfolge 8,27–33, da der in Mk 9,2–8 gebotene christologische Erkenntnisfortschritt „auf Kosten des Petrus“ erzielt wird. Mit J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 271. Das MtEv korrigiert an dieser Stelle sowohl den Petrusvorschlag als auch den Erzählerkommentar: Während letzterer ersatzlos gestrichen wird, ist der Vorschlag des Petrus durch „ein frommes GKX SGNGKL“ entschärft. Mit U. LUZ, EKK-Mt II, 511 Anm. 42. Vgl. auch D. LEE, Transfiguration, 49. Die Prädikation Jesu als WKBQL SGQW (9,7) wird auf der Negativfolie der petrinischen Intervention gemalt. Die wiederholte Skizzierung einer Reaktion des Petrus als „unverständig“ auf einem vergleichsweise engen Raum (8,32f.; 9,5) legt auf das Verhalten des Petrus Nachdruck und bestätigt die Beobachtung, dass die „Aspekte der Erzählung, die durch Wiederholung betont sind, meistens ein Urteil über das Verhalten der Jünger ausdrücken“. Gut bei R.C. T ANNEHILL, Jünger im MkEv, 45. Der Versuch, über das Ortsadverb YFG Mk 9,5 mit dem „Naherwartungslogion“ 9,1 zu verknüpfen, wirkt künstlich und ist abzulehnen. So aber B.C. CHILTON, Transfiguration, 118.120. Zu Recht dagegen C. BREYTENBACH, Nachfolge, 236. 425 Vgl. C. BREYTENBACH, Nachfolge, 242. Ähnlich auch U.B. MÜLLER, Christologische Absicht, 178. 426 Vgl. zu dieser Differenzierung U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 20. 427 Mit R.C. T ANNEHILL, Jünger im MkEv, 46.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
logischen Hoheitstitels QB &TKUVQL – eine politisch-herrlichkeitschristologische Engführung des &TKUVQL-Titels Ursache des vom Erzähler inkriminierten Unverständnisses (vgl. 8,33), so liegt hier eine grundsätzliche Fehlinterpretation des in 9,2c–3 skizzierten Epiphaniegeschehens vor428, und war dort das Bekenntnis des Petrus Ausgangspunkt der in Mk 8,31–33 vorgelegten „Leidens-Didache“, so ist hier die Szene näherhin derart aufgebaut, dass in Mk 9,5 die erste Hälfte eines Dialogs vorgelegt wird, deren zweite die göttliche Stimme in 9,7 ist. Da von der Architektur der Szene her betrachtet eine Reaktion Jesu à la 8,30–33 per se nicht zu erwarten ist, verläuft der Dialog zwischen Petrus, dem Stellvertreter der Erzählfiguren, und der ihn korrigierenden Wolkenstimme, wobei der auktoriale Erzähler die Perspektive Gottes teilt.429 Weil es so auf einem vergleichsweise engen Raum (vgl. 8,32/9,5) zweimal zu einer unverständigen Reaktion des Petrus kommt und die Wiederholung in der Erzählforschung ebenso als Element der Emphase gilt430, scheint auf der Äußerung des Petrus und seiner subtilen Kritik seitens des impliziten Verfassers und der angeschlossenen „Korrektur“ mittels der Himmelsstimme großes Gewicht zu liegen, zumal in beiden Fällen eine christologische Botschaft vermittelt wird. Dazu passt die Auffälligkeit, dass innerhalb des auf äußerste Kürze bedachten Erzählstils der Verklärungserzählung der „Eingabe“ des Petrus erstaunlich viel Raum zugesprochen wird, während – aus der Perspektive 428
In dieser Studie wird die Reaktion des Petrus in V.5 unter das Motiv „Jüngerunverständnis“ subsumiert. Es handelt sich dabei um eine exegetische Konvention, der gefolgt wird. Dabei ist aber zu beachten, dass Petrus keine „unverständige“ Frage stellt, sondern einen zielgerichteten Vorschlag macht im Sinne einer konkreten Reaktion auf den Offenbarungsempfang. In Verbindung mit der Tatsache, dass die Intention des Petrus der theologischen Intention des Erzählers diametral entgegensteht, sollte beim Petrusvorschlag im strengen Sinne weniger von „Unverständnis“ als vielmehr von einer dezidierten Christologie via negationis gesprochen werden. Ähnlich bereits M. Dibelius, Formgeschichte, 276: „Das Wort des Petrus Mk 9,5 gibt Auskunft über das, was nicht gemeint ist.“ Für das MkEv führt die QBFQL des Menschensohnes zum Kreuz! Der Weg des Mose und Elija führt nach Vollendung ihrer christologischen Verweisfunktion innerhalb der Epiphanie zurück in die himmlische Herrlichkeit. Ähnlich auch der Ansatz bei A. VÖGTLE , Unnötige Glaubensbarrieren, 89f. 429 Die ab Mk 9,2c andauernde passive Skizzierung Jesu wird weitergeführt. Ein korrigierendes Eingreifen Jesu wäre nicht textkonform. Ähnlich auch L. S CHENKE, Markusevangelium (2005), 216f. Die „Korrektur“ erfolgt in zwei Etappen: zunächst durch den Erzählerkommentar in V.6 – die Qualifikation des Petrusvorschlags als unverständig motiviert die Einfügung der Himmelsstimme, mit R. P ESCH, HThK-Mk II, 76 –, dann durch die Sohnesprädikation und den göttlichen Imperativ aus der Wolke, die der „Aufklärung der Jünger“ dient (mit R. Pesch, a.a.O.) und die m.E. leidenskerygmatisch spezifiziert ist: Danach stehen sich der Vorschlag des Petrus und das FGK des Leidens Jesu konträr gegenüber. 430 Vgl. zur „Wiederholung“ als Element der narrativen Emphase die Ausführungen bei R.C. T ANNEHILL, Jünger im MkEv, 45.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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einer historisierenden Rückfrage betrachtet – wesentlich interessantere Fragen unerörtert bleiben.431 Dieser Sachverhalt ist m.E. nur dann wirklich einleuchtend, wenn der Petrusvorschlag samt der zugehörigen Korrektur „der weiteren Deutung der Metamorphose Jesu“432 dient und somit eine christologische Botschaft transportiert. Es ist daher danach zu fragen, was diese Beobachtung für die oft angenommene, im Hintergrund stehende Laubhüttentradition austrägt. Gibt es wirklich Textindizien, die es angeraten erscheinen lassen, den Petrusvorschlag mittels des jüdischen W$.6X zu interpretieren? Es ist aber auch Vorsicht angeraten, die Reaktion des Petrus vorschnell einseitig dem Jüngerunverständnismotiv zuzuordnen und/oder als typische Epiphaniereaktion zu interpretieren.433 Beides liegt vor, der Schwerpunkt der petrinischen Angabe und ihrer Korrektur durch den Erzähler ist theologischer Natur und dient der Abwehr einer falschen Christologie. Dazu eine weitere Beobachtung: Wiederholt ist auf die Jüngerperspektive hingewiesen worden, aus der die Verklärungsnarratio vorgetragen wird. Diese Jüngerperspektive wird nun bis zur Wiederaufnahme in V.7 unterbrochen, indem in charakteristischer Weise von einer Reaktion einer der Jünger selbst erzählt wird. Angesichts dieser Reaktion des Petrus ist nun die von R.C. Tannehill herausgearbeitete Erkenntnis geltend zu machen, wonach im MkEv Tendenzen zu greifen sind, die Erzählung dahingehend aufzubauen, dass dem Leser die Möglichkeit einer Identifikation mit den Jüngern eingeräumt wird.434 So setzt der Vorschlag des Petrus beim Rezipienten zunächst Sympathie frei, da er diesen in den Farben des „dienstbereiten“ Meisterschülers zeichnet, womit zugleich die Anrede Jesu mit „Rabbi“ korrespondiert. Da nun dieser Vorschlag zugleich aber eine massive theologische Härte impliziert (theologische Äquivalenz der drei Himmelspersonen), wird der in V.6 vorgelegte Erzählerkommentar unabdingbar. Ist dieser Gedanke richtig, so richtet sich der Vorwurf der Unkenntnis (QWX ICTJ^FGKVK CXRQMTKSJ^) nicht exklusiv an die Adresse des Petrus, son431
Darauf hat überzeugend A. FUCHS [Verklärungserzählung, 34] aufmerksam gemacht. 432 Mit R. PESCH, HThK-Mk II, 75. 433 Das Erschrecken angesichts von Wundern und Epiphanien stellt eine topische Reaktion innerhalb eines Offenbarungsempfangs dar (vgl. dazu z.B. M. HORSTMANN, Studien, 81–83; H.-J. KLAUCK, Erzählerische Rolle, 23), die Einzelversanalyse wird jedoch wahrscheinlich machen, dass diese Deutung der Komplexität von Mk 9,5f. nicht voll gerecht wird. 434 Mit R.C. T ANNEHILL [Jünger im MkEv, 49], wobei der Verfasser im weiteren Verlauf seiner Argumentation (vgl. 51f.) deutlich macht, dass „die Tendenz, sich mit ihnen [scil. den Jüngern] zu identifizieren, mit der Notwendigkeit“ zusammenpralle, „sie negativ einzuschätzen“, sodass es zu „einer Spannung zwischen diesen Positionen“ komme, in der der Leser die Mittelposition einnehme.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
dern inkludiert die sich mit ihm solidarisierenden Rezipienten: Christologische Belehrung ist die Intention der Szene, in der der Verfasser „indirekt durch die Jüngergeschichte zu ihm [scil. dem Leser]“ spricht.435 Die Korrektur sowohl des Petrus als auch der sich mit ihm solidarisierenden Hörer/ Leser stellt zugleich die Weichen für die in V.7 ertönende Wolkenstimme. Mit der christologischen Grundausrichtung des Textes dürfte ebenso die Tatsache zusammenhängen, dass in V.5 die Dreizahl eine derart nachhaltige Betonung findet. Vom Erzählgefälle betrachtet ist es eindeutig, dass der Verfasser das Interesse an den UMJPCK nur im Hinblick auf diese Dreizahl bekundet436, was m.E. als ein recht deutliches Indiz gegen eine im Hintergrund stehende Laubhüttentradition zu werten ist, die per se dem Objekt „Zelt“/„Hütte“ deutlich mehr Aufmerksamkeit schenken müsste.437 Der Schwerpunkt in Mk 9,5f. ist jedoch eindeutig ein anderer: Die „Dreiheit“ wird zunächst explizit ausgesprochen (VTGKLUMJPCL), um dann mittels der zwar äußerst exakten, sprachlich jedoch überladen wirkenden Wendung UQK OKCP MCK /YW"UGK OKCP MCK 8+NKC^ OKCP amplifiziert zu werden. Der sich anschließende V.6 ist Ausdruck eines Dissenses zwischen dem Sprecher der Jünger und dem auktorial auftretenden Erzähler. Der Vorschlag des Petrus wird „offiziell“ erklärt, subtil jedoch kritisiert, wobei die anschließende göttlicheHYPJ die Richtigkeit der Wahrnehmung der Sachlage seitens des Verfassers „bestätigt“: Nicht die Errichtung dreier gleichberechtigt nebeneinander stehender Zelte ist die adäquate Reaktion auf die auf dem Berg geschauten Phänomene (vgl. 9,9: C? GK FQP), sondern der Gehorsam gegenüber den Worten Jesu allein (vgl. 9,7d). Die vorgelegten Beobachtungen machen es wahrscheinlich, dass der Skopus des Petrusvorschlags und des Erzählerkommentars christologischer Natur ist und via negationis (Abwehr einer falschen Christologie) als integraler Baustein der in Mk 9,2–8 vorliegenden christologischen Legitimationserzählung fungiert. 3.8.2 Die Reaktion des Petrus (Mk 9,5a) Partizipial-parataktisch wird an die Unterredung der Himmelsbewohner in Mk 9,4 eine Reaktion des Petrus angeschlossen, der hier erneut als Jüngersprecher erscheint. Die vorliegende Konstruktion (CXRQMTKSGKL…NGIGK…) ist an der hebräischen Syntax orientiert, bei der nach einem finiten Verb wie „fragte“ oder „antwortete“ die Rede gewöhnlich mit dem stereotypen 435
Mit R.C. T ANNEHILL, Jünger im MkEv, 49. Überzeugend bei S. PELLEGRINI, Elija, 321. 437 In diese Richtung deutet auch S. PEDERSEN [Proklamation Jesu, 260], der zudem die Beobachtung geltend macht, dass bei einer zugrunde liegenden Laubhüttentradition die entsprechenden Laubhütten (auch) „der Jünger wegen errichtet werden sollen“, wovon der Text aber in charakteristischer Weise schweigt. 436
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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UPRDOH fortgeführt wird (LXX NGIYP).438 Aufgrund des formelhaften Gebrauchs ist der Grammatik nichts über die zeitliche Relation zu dem in Mk 9,4 geschilderten Geschehen zu entnehmen. Von der Erzähllogik her betrachtet dürfte an Gleichzeitigkeit zu denken sein: Die in 9,4 gebrauchte Coniugatio periphrastica lenkt das Augenmerk des Rezipienten auf das Gespräch in seinem Verlauf, das durch die „Intervention“ des Petrus unterbrochen – und da es nicht wiederaufgenommen wird –, sogar abgebrochen wird. Überraschend ist zunächst die Verwendung von CXRQMTKPGUSCK angesichts der Tatsache, dass Petrus im Vorfeld nicht angesprochen wurde. Da nach W. BauerCXRQMTKPGUSCKnicht nur mit „antworten“, sondern auch mit „reagieren“, „zu sprechen beginnen“ zu übersetzen ist, erübrigen sich alle Spekulationen, wonach die vormarkinische Tradition einen verloren gegangenen Satz enthalten haben könnte, den Petrus als „Anrede“ hätte auffassen können.439 Mit CXRQMTKSGKL wird also eine durch die Vorgänge auf dem Verklärungsberg initiierte „Epiphaniereaktion“ des Petrus eingeleitet. Petrus reagiert auf die visuellen Elemente des Vorgangs, was sowohl an der Korrespondenz zu dem ebenso betont vorangestellten YHSJ CWXVQKL (V.4a) als auch an der Tatsache abgelesen werden kann, dass das Fehlen eines Gesprächsobjektes (diff. Lk 9,31) die Assoziation freisetzt, als könnten die drei Jünger dem Gespräch der Himmlischen nicht folgen.440 3.8.3 Die Bezeichnung Jesu als Rabbi (Mk 9,5b) Neben die drei zentralen christologischen Hoheitstitel, die in der Textfolge Mk 8,27–9,13 sukzessive entfaltet werden, tritt die Bezeichnung Jesu als TBCDDK. Mit Ausnahme von Mt 23,7 und Joh 3,26 ist TBCDDK zusammen mit FKFCUMCNQL die klassische, ehrende Anrede Jesu in den Evangelien441, die als solche historisch sein dürfte.442 Wenn nun in Mt 23,8 die Termini TBCDDK und FKFCUMCNQLparallel verwendet werden, so ist das Hinweis darauf, dass hinter der Anrede Jesu als FKFCUMCNQLursprünglich ein aramäisches \EUzu vermuten ist.443 Die Anrede Jesu als TBCDDK fügt sich damit in seine gewohnte Bezeichnung als FKFCUMCNQL ein, die sich im MkEv sowohl im 438
Vgl. dazu B LASS-DEBRUNNER-REHKOPF, Grammatik § 420.1.2. Ferner A. KRETArt. CXRQMTKPQOCK. In: EWNT I (21992), Sp. 320. 439 Vgl. z.B. das Referat bei J. HÖLLER, Verklärung Jesu, 92. 440 Anders G.H. GUNDRY, Mark, 459: „But he [scil. Peter] is responding to what he and his fellow disciples have seen and heard“. 441 Vgl. E. LOHSE, Art. TBCDDK MVN. In: ThWNT VI (1959), 965. Vgl. auch M. KARRER, Lehrender Jesus, 5–8. 442 Vgl. F. HAHN, Christologische Hoheitstitel, 74f.; M. HENGEL, Nachfolge, 46f.; R. R IESNER, Jesus als Lehrer, 247. 443 Vgl. R. RIESNER, Jesus als Lehrer, 246. ZER,
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Mund der Jünger als auch der Außenstehenden bzw. Gegner Jesu findet (vgl. 4,38; 5,35; 9,17.38; 10,17.20.35; 12,14.19.32; 13,1; 14,14).444 Die Bezeichnung Jesu alsTBCDDK bleibt aber im MkEv den Jüngern vorbehalten (9,5; 11,21; 14,45). Der Vergleich zwischen dem MkEv und den anderen Synoptikern offenbart ein gewisses Interesse des Markus an Worten des Stammes FKFCUM- sowie „eine Vorliebe für Ausdrücke mit pädagogischer Färbung“.445 Nach der Analyse von R.T. France enthalten ca. 40 Prozent der markinischen Verse Logien Jesu mit lehrhaftem Charakter.446 Damit entspricht die Anrede Jesu mit TBCDDK der Ausrichtung des markinischen Mittelteils, in dem die Wundertätigkeit Jesu zugunsten stärker der Jüngerbelehrung gewidmeten Perikopen zurücktritt. So ist auch die Verklärungsperikope in eine Textfolge mit eminent lehrhaftem Charakter eingebettet (8,31–9,1; 9,9–13). Das SubstantivTBCDDKwird in Mk 9,5b in Entsprechung zur Feierlichkeit der Szene wahrscheinlich in Treue zur zugrunde liegenden Tradition unübersetzt stehen geblieben447 und so als ehrende Anrede Jesu gesichert sein, doch erscheint der Titel TBCDDK angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Epiphanieerzählung handelt, als eine defizitäre Betitelung Jesu448, 444 Vgl. L. SCHENKE, Jesus als Weisheitslehrer, 128. Ferner K.H. RENGSTORF, Art. FKFCUMYMVN. In: ThWNT II (1935), 156–158; H.-F. WEIß , Art. FKFCUMYMVN. In: EWNT I (21992), Sp. 765. In den synoptischen Evangelien wird Jesus von Außenstehenden bevorzugt dann als FKFCUMCNQL angesprochen, wenn eine Lehrentscheidung ansteht. Vgl. nur Mk 10,17.20; 12,14 parr. (ferner 12,32). Vgl. dazu z.B. D. SÄNGER, Tora für die Völker, 121 mit Anm. 67. Zur Lehrautorität Jesu im MkEv – insbesondere in ethischen Fragen – vgl. die Ausführungen und Belege bei D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 323 mit Anm. 245. 445 Vgl. R. R IESNER [Jesus als Lehrer, 251] in Aufnahme der These J. GNILKAS [vgl. Verstockung Israels, 30f.], wonach für Markus „Jesus der Lehrer“ war, „der eine Schule bildet und dieser Schule ‚das Geheimnis des Gottesreiches‘ anvertraut“. Pädagogische Fachterminologie und das Motiv des Jüngerunverständnisses erscheinen im Vergleich zu den Seitenreferenten ausgeprägt. Vgl. z.B. T.L. DONALDSON, Jesus on the Mountain, 153. Zur „pädagogischen“ Terminologie des MkEv vgl. die Tabelle zum synoptischen Vergleich bei B.T. VIVIANO, Study as Worship, 161. 446 Vgl. R.T. FRANCE, Mark and the Teaching of Jesus, passim. 447 Ich halte diese Bezeichnung mit G. SCHNEIDER [Art. TBC DDKTBC DDQWPK. In: EWNT III (21992), Sp. 494] für traditionell. Die Zuweisung der Titel TBCDDK und FKFCUMCNQL zur markinischen Redaktion wäre mit großen Problemen verbunden angesichts der Tatsache, dass die Traditio duplex, das matthäische und lukanische Sondergut diese Titel ebenfalls bezeugen. Vgl. die Zusammenstellung der Belege bei R. R IESNER, Jesus als Lehrer, 252. Die Verklärungsperikope ist aber Zeugnis der Zurückdrängung desTBCDDK-Titels für Jesus (Mt 17,4: MWTKG; Lk 9,33: GXRKUVCVC). 448 Defizitär ist die Bezeichnung Jesu als TBCDDK auch in Mk 14,45. Die Anrede Jesu durch Judas steht dort in deutlicher Opposition zum christologischen „Selbstbekenntnis“ Jesu vor dem Hohen Rat (14,61f.), das bekanntlich „als Zusammenfassung der Christologie des ganzen Evangeliums“ zu gelten hat. Mit D. LÜHRMANN, Christologie, 463; M.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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die konsequent zusammen mit dem vom Erzähler als „missglückt“ empfundenen Vorschlag des Petrus in V.7 einer „himmlischen“ Korrektur unterzogen wird.449 Ist die oben im Zusammenhang der Einzelversanalyse von V.4 vorgelegte Deutung richtig, dass Jesus bereits in diesem Vers den himmlischen Besuchern hinsichtlich seiner theologischen Würde als Sohn Gottes überlegen dargestellt wird, stellt Jesu Anrede alsTBCDDK einen „Fehlgriff“ seitens des Petrus dar, insofern sie die epiphaniale Dimension des Geschehens nicht beachtet und Jesu überlegene Zugehörigkeit als Sohn Gottes zur himmlischen Welt unterbelichtet oder gar ausblendet. Damit ist nicht der These das Wort geredet, dass die hohe Christologie des MkEv, die bereits in der Versfolge Mk 1,1–11 deutlich zutage tritt, in Opposition zur Anrede Jesu mitTBCDDK/FKFCUMCNQLzu bringen ist, doch wird dieser Titel der vorliegenden Szene keinesfalls gerecht. Gleichwohl verweist diese Benennung Jesu narrativ auf den Kulminationspunkt der Verklärungsperikope, den ich in der göttlichen Stimme und des durch diese transportierten Imperativs erkenne (vgl. 9,7): Der auffallende makrotextuelle Konnex mit der Taufperikope macht es wahrscheinlich, dass Jesus auch in Mk 9,2–8 als der RPGWOC-erfüllte Sohn-Gottes präsentiert wird, dessen Lehrautorität die endgültige „Deutungskompetenz hinsichtlich des Willen [sic!] Gottes“ hat und darin selbst Mose übertrifft.450 3.8.4 Das „Zeltbauprojekt“ (Mk 9,5c) Die formelhaft gebrauchte Wendung MCNQP GXUVKP findet sich neben 9,5 auch in 9,43.45.47451, doch unterscheidet sie sich hier dadurch, dass die Aussage auf keine Komparation mittels der Partikel J hinausläuft. Eine THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 39f. Anm. 9. Eine den Wundertäter Jesu ironisierende und damit Mk 15,29–31 vorwegnehmende Dimension dieser Anrede erkenne ich nicht. So als Frage von Chr. B URCHARD [Markus 15,34, 8 Anm. 32] erwogen. 449 Die Einschätzung der Betitelung Jesu mit TBC DDK als Rückfall hinter den Erkenntnisstand von Mk 8,29 (vgl. für viele z.B. Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 213) hat freilich zu beachten, dass die VV.5f. erzähltechnisch die „Bühne“ für die zentrale christologische disclosure in 9,7 zu „bereiten“ haben. Da es nun unverkennbare Anzeichen im MkEv dafür gibt, die christologischen Hoheitstitel ETKUVQL und WKBQL SGQW „trotz unterschiedlicher Färbung“ einander angleichen zu wollen (mit M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 45. Ferner A. B EDENBENDER, „Messiasgeheimnis“ im MkEv, 23; C. BREYTENBACH, Grundzüge, 174; J. DECHOW, Gottessohn, 258; D.S. DU TOIT, „Gesalbter Gottessohn, 49), wäre die Bezeichnung Jesu mit dem in 8,29 etablierten ETKUVQL-Titel in narrativer Hinsicht kontraproduktiv, da die Wolkenstimme dann zwischen zutreffenden und defizitären Inhalten des Vorschlags des Petrus zu differenzieren hätte. Durch die Bezeichnung Jesu als TBCDDK ist es nun möglich, Anrede (V.5b: TBC DDK) und Vorschlag (V.5c: „Zeltbau“) gleichermaßen richtigzustellen. 450 Überzeugend bei D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 323. 451 Vgl. J. W ANKE, Art. MCNQL. In: EWNT II (21992), Sp. 604. Vgl. zu Mk 9,42–47 bes. G.F. SNYDER, The Tobspruch in the NT, passim.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
redaktionelle Handschrift dürfte in dem V.5 kommentierenden V.6 zu suchen sein, doch sollte ebenso bedacht werden, dass das Furchtmotiv dem klassischen Topos einer Epiphaniereaktion entspricht.452 Es wird entgegen einem Gros der (älteren) Forschungsgeschichte also nicht angehen, den V.6 als ganzen der markinischen Redaktion zuzuschreiben.453 Dem Korrespondenzverhältnis des Syntagmas MCNQP GXUVKP JBOCL YFG GK PCK (V.5b) mit dem Prädikat RQKJUYOGP (V.5c) ist zu entnehmen, dass unter das PersonalpronomenJBOCLexklusiv die in V.2a namentlich benannten und zu Verklärungs„Zeugen“ erkorenen Jünger zu subsumieren sind, da eine divergierende „Reichweite“ dieses Plurals (scil. die Subsumierung des Mose und Elija unter das JBOCL in V.5b) mehr als unwahrscheinlich wäre. Dies wird im Erzählerkommentar in V.6b vollauf bestätigt, bei dem der PluralGMHQDQK ICTGXIGPQPVQmit demJBOCL/RQKJUYOGPin V.5 korrespondiert. Damit liegt eine zahlenmäßige Kongruenz der Verklärungs„Zeugen“ mit den zu errichtenden UMJPCKvor. Unklar ist die textadäquate Übersetzung von MCNQP, womit letztlich auch die Frage nach der Intention der Aussage des Petrus zusammenhängt. Folgende wesentliche Differenzierungen können gemacht werden, wobei Vgl. z.B. S.S. LEE, Jesus’ Transfiguration, 14. Die selbstverständliche – oft am doppelten ICT in V.6 orientierte – Zuweisung des gesamten V.6 zur markinischen Redaktion kann daher nicht mit der Sicherheit erfolgen, die bisher oft an den Tag gelegt wurde. Vgl. z.B. E. BEST, Transfiguration, 215f.; M. HORSTMANN, Studien, 81–83; K. K ERTELGE, NEB-Mk, 89; U. LUZ, Geheimnismotiv, 26; E. SCHWEIZER, NTD-Mk, 97f. J. GNILKA [EKK-Mk II, 32] vermutet die redaktionelle Herkunft des gesamten V.6: „Ohne 6a aber hängt 6b in der Luft, so daß auch die Furcht der Jünger ihren Unverstand beleuchten soll und sich als markinisch erweist.“ Dagegen hat A. VÖGTLE [Unnötige Glaubensbarrieren, 89] eingewandt, dass der Übergang zur Himmelsstimme in narrativer Hinsicht ohne den Themenkomplex Mk 9,5f. sehr „hart“ wäre. Der Petrusvorschlag diene narrativ zur Vorbereitung der Wolkenstimme. Zum anderen sei nach Vögtle die Reaktion des Petrus nur unzureichend mit dem Stichwort „Jüngerunverständnis“ bezeichnet, zumal Petrus keine Frage stellt, sondern einen Vorschlag angesichts eines Offenbarungserlebnisses unterbreitet. Aus beiden Beobachtungen schließt er auf die Ursprünglichkeit von 9,5f. In die von Vögtle favorisierte Richtung weist auch das Adjektiv GMHQDQL, das sich nur in Mk 9,6 und Hebr 12,21 findet und so auf Tradition hinweisen könnte. Nun ist das doppelte ICT doch als eine solche Auffälligkeit zu werten, die es vertretbar erscheinen lässt, „für markinische Redaktionsarbeit an diesem Vers“ zu plädieren (mit J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 138), sodass zu erwägen ist, ob V.6a dem Erzähler zugesprochen werden kann, während 6b ein traditionelles Motiv enthält. Damit stimmt überein, dass in V.6a Züge einer kommentierenden Haltung zu erkennen sind, während 6b lückenlos in die narrative Linie ab 9,2a eingeordnet werden kann (MCK-ICT-Relation zwischen den VV.5c und 6b) und in Korrespondenz zum Erscheinen der Wolke in 9,7a steht. Dass der Topos „Furcht“ mit V.6 „zu früh“ kommt (so z.B. J.M. NÜTZEL, a.a.O., 137), ist ein kaum zu haltendes Postulat. Zum Furchtmotiv bei der narrativen Charakterisierung der Jünger im MkEv vgl. bes. die Ausführungen bei H.J. KLAUCK, Erzählerische Rolle, 12f. 452 453
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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sich in der Sekundärliteratur Überschneidungen und Kompromisse der im Folgenden zu skizzierenden Lösungsansätze finden: Ausgehend vom narrativen Gefälle des Textes, wonach weite Teile der Verklärungsperikope aus der Perspektive der Jünger erzählt werden, zu deren Gunsten die Metamorphose Jesu und das Erscheinen der Himmlischen geschehen, könnte bei der Äußerung des Petrus zunächst an einen Ausdruck des Wohlbefindens gedacht sein. Petrus würde in diesem Fall in seiner Funktion als Sprecher der Jünger das Moment des Fascinosum der Epiphanie herausstellen. Der Zeltbau hätte dann einen den als beglückend empfundenen Augenblick „konservierenden“ Charakter.454 Das MCNQPwäre mit „schön“ wiederzugeben. Die Intention des Petrus wäre es folglich, durch den vorgeschlagenen Zeltbau den Ort der Epiphanie – bildlich gesprochen – in einen „Kultort“ zu verwandeln455 und die himmlische Herrlichkeit auf Erden gleichsam „festhalten“ zu wollen. Häufig wird dieser Interpretationsvorschlag mit der Laubhüttentradition in Verbindung gebracht oder konsequent eschatologisch gedeutet.456 Gegen diese Deutung sollte m.E. nicht eingewandt werden, dass dann ein Dativus commodi in 454 So z.B. P. Müller, [„Wer ist dieser?“, 105 Anm. 247] in Gegenthese zu W. M ICHAELIS [Art. UMJPJ. In: ThWNT VII (1964), 380], jedoch ohne nähere Begründung; W. ECKEY, Markusevangelium, 237f.; J. ERNST [RNT-Mk, 258] mit Betonung der Laubhüttentradition: Petrus wolle „ein ewiges und endgültiges Laubhüttenfest feiern“; D ERS., Petrusbekenntnis, 59; J.B. FULIGA, Temptation, 334; Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 213; L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 216; H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 165. Für die ältere Forschung vgl. die Belege bei J. HÖLLER, Verklärung Jesu, 93f.; J. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 124 Anm. 199. Recht deutlich ist dieses Verständnis bei der lukanischen Bearbeitung der Verklärungsperikope gegeben, die das Unwissenheitsmotiv beibehält (OJ GKXFYL Q?NGIGK), das Furchtmotiv jedoch streicht. Diese Streichung strahlt in Verbindung mit dem betonten FQZC-Motiv in V.32 auf das MCNQP zurück und fokussiert dort das „beglückende“ Moment der Epiphanie. Mit H. SCHÜRMANN, HThK-Lk I, 560. Vgl. auch M. W OLTER , HNT-Lk, 353. Dagegen stellt die Deutung des MCNQP vor dem Hintergrund des volkstümlich-ausgelassenen Laubhüttenfestes mit seiner eschatologisch-enthusiastischen Grundstimmung (vgl. Neh 8,17: GXIGPGVQ GWXHTQUWPJOGICNJ; Lev 23,40: GWXHTCPSJPCKGPCPVKMWTKQWVQW SGQW WBOYPGBRVC JBOGTCL) eine m.E. durch den Text selbst wenig begründete Lesart dar. So z.B. von J.P. HEIL [Transfiguration, 120f.] erwogen. 455 Gut bei W. ECKEY, Markusevangelium, 238. Ähnlich auch J.-A. B ÜHNER, Art. UMJPJ. In: EWNT III (21992), Sp. 600; E. LOHMEYER, Verklärung Jesu, 196. Eine indirekte Polemik gegen eine lokalisierende Verehrung von Epiphaniestätten vermutet G. THEIßEN [Urchristliche Wundergeschichten, 104f.] angesichts des vom Erzähler kritisierten Petrusvorschlags. Theißen fragt ausgehend von Mk 9,5f., ob die „Merkwürdigkeit“ des Urchristentums zum Verzicht auf kultische Heiligung „der Stätten der Ostererscheinungen“ sich an dieser Stelle der Verklärungserzählung niedergeschlagen habe. Leider verbindet Theißen diese wertvolle Beobachtung mit den gängigen Thesen zur Begründung der Verklärungsgeschichte im Sinne einer deplatzierten Auferstehungserscheinung. 456 So z.B. M. MACH, Christus Mutans, 196: „Das Unverständnis des Petrus liegt dann darin, daß er mit der Verwandlung Jesu die Endzeit für angebrochen hält“.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
V.5b zu erwarten wäre (MCNQPJBOKP MVN.).457 Die gewählte AcI-Konstruktion erlaubt kein klares Urteil in dieser Hinsicht. Die entscheidende Schwachstelle dieser Deutung ist aber die Tatsache, dass das Unverständnis in der Reaktion des Petrus gerade in der – einer Epiphanieszene typischen – Furcht gesehen wird. Es bedeutet in erzähllogischer Hinsicht dann doch eine arge Zumutung, annehmen zu wollen, dass Petrus eine als erschreckend empfundene Situation verlängern wollte. Die Gegenthese betont angesichts der soeben benannten Problematik das Tremendum der Epiphanie und argumentiert damit vom Erzählerkommentar in V.6b her: GMHQDQK ICT GXIGPQPVQ.458 Diese Deutung macht geltend, dass in der markinischen Version der Verklärungsszene die Elemente des Tremendum gegenüber der matthäischen und lukanischen Parallelbezeugung gesteigert sind.459 Bei dieser Deutung empfiehlt es sich, das MCNQP stärker in Relation zum Vorschlag zu bringen, den Petrus in V.5c macht. Der in der direkten Rede des Petrus gebrauchte Plural JBOCL nehme daher die Mitjünger als „Baugesellen“ in Blick. Petrus wolle zum Ausdruck bringen, dass die Anwesenheit der Jünger gut für die drei himmlischen 457
So z.B. S. PELLEGRINI, Elija, 320. Die weitestgehende, wenngleich nicht vollauf überzeugende Ausarbeitung dieses Ansatzes hat R.E. OTTO [Fear Motivation, passim.] vorgelegt. Er liest Mk 9,5f. konsequent vor dem Hintergrund von Ex 24/34 („Sinaitic Background to the Transfiguration“), deutet den Vorschlag des Petrus als Ausdruck unmittelbarer Todesfurcht à la Ex 33,20 und liest nicht nur V.5b als Frage, sondern ebenso den Vorschlag zum Zeltbau (V.5c). Er führt damit den bereits im Jahre 1911 von W. WENDLING [Äußerung des Petrus, passim.] in die exegetische Diskussion eingebrachten Vorschlag konsequent weiter. Der Beweggrund beider Fragen sei „to protect himself, physically and psychologically“. Vgl. a.a.O., 107. Überzeugend ist seine Absage, den Vorschlag des Petrus „as a longing to prolong the experience through the building of booth“ zu deuten. Vgl. a.a.O., 104. Dagegen sind Zweifel zu erheben, ob eine exklusive Lektüre der markinischen Version der Transfiguratio vor dem Hintergrund der Sinaitradition überzeugend ist. Ebenso zweifelhaft ist es, den Ausdruck des Petrus als Frage zu werten: der Erzählerkommentar in V.6 mit seinem tadelnden Unterton weist in eine andere Richtung. Nicht klar wird bei Otto zudem, weshalb der Versuch des Petrus, sich selbst und seine Begleiter zu schützen, einer Kritik unterzogen wird. Sein Verhalten entspringt tatsächlich der Furcht, es wird gleichwohl zwischen Todes- und Epiphaniefurcht zu unterscheiden sein. Vgl. dazu W. ECKEY, Markusevangelium, 238. Die Tatsache, dass Mk 9,5 das Augenmerk auf die Dreizahl legt, findet bei Otto ebenso wenig eine hinreichende Erklärung wie die Erwähnung des Elija, die bei einer ausschließlichen Interpretation vor dem Hintergrund der besagten Sinaitradition überraschen muss. 459 Von einer wie auch immer gearteten „Reaktion“ Jesu angesichts der vom HQDQL bedrängten Jünger verlautet im MkEv nichts. Nur bei Lukas findet sich die explizite, zweimalige Erwähnung der FQZC des Geschehens. Das Furchtmotiv wird konsequent gestrichen, dafür jedoch die „Überwältigung“ durch den Schlaf herausgestrichen (vgl. Lk 9,32: J UCP DGDCTJOGPQK W=RPY^). Das MtEv behält das Furchtmotiv bei, lässt Jesus aber zum Abschluss der Szene hin als „Tröster“ auftreten (17,7). 458
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
203
Personen, weniger jedoch für die Jünger selbst sei, die die in Aussicht gestellten Arbeiten zu leisten haben. Die Äußerung des Petrus sei als „eine Aussage zur objektiven Situation“ zu begreifen.460 Hierbei wäre – so das Standardargument der Befürworter – dem Desiderat eines zu erwartenden Dativus commodi in V.5 stärker entsprochen. Das MCNQP wäre in diesem Fall mit „gut“, „vorteilhaft“ bzw. „situationsangemessen“ zu übersetzen und die mit dem vorliegenden AcI-Satz benannte Anwesenheit der drei Jünger als nützlich im Hinblick auf das von Petrus in Aussicht gestellte Bauprojekt verstanden.461 Weniger klar gelingt bei dieser Deutung die Erklärung der Intention eines solchen Bauprojektes. Die soeben skizzierten Lösungsvorschläge leiden mitunter an ihren Anleihen an eine historisierende Lektüre der Transfigurationsnarratio, die sie auf historisch nachvollziehbare oder psychologisch erklärbare Reaktionen der Beteiligten befragen und dabei die Zielsetzung des Textes ausblenden, eine christologische Lehrerzählung zu sein.462 Der Petrusvorschlag ist m.E. auf seinen narrativ-christologischen Gehalt hin zu befragen. Seine Reaktion darf nicht Ausgangspunkt für historische oder psychologische Erwägungen sein, sondern fungiert als eine Verstehenshilfe hinsichtlich der Christologie der Verklärungsszene, zu deren Deutung sie beiträgt. Damit rückt der Rezipient des Textes ins Blickfeld exegetischen Interesses, dem mittels der dargestellten Reaktion des Petrus eine christologische Botschaft vermittelt wird. Historisierende bzw. psychologisierende Überlegungen über die Angemessenheit des Vorschlags, eine etwaige Aufdringlichkeit des Petrus463 oder hinsichtlich der Trivialität eines situationswidrigen Bauprojektes464 sind daher zugunsten der Frage beiseitezustellen, welche gegebenenfalls subtilen oder versteckten christologischen Hinweise in den VV.5f. gemacht werden.
Vgl. für viele S. PELLEGRINI, Elija, 320. So z.B. C. BREYTENBACH, Nachfolge, 243; R. P ESCH, HThK-Mk II, 75. So wohl auch W. MICHAELIS, Art. UMJPJ. In: ThWNT VII (1964), 380. Einen etwas anderen Weg geht S. PELLEGRINI [Elija, 320], die im Vorschlag des Petrus eine Dankesreaktion erkennt, Zeuge der Epiphanie geworden zu sein. 462 Ein historisierender Ansatz müsste ferner danach fragen, warum nicht zumindest eine vierte Hütte für die Jünger gebaut wird. Sodann wäre die Frage nach Baumaterial und Werkzeug interessant. Diese und vergleichbare Fragen sind völlig außerhalb des Interessenhorizonts des Erzählers und erübrigen sich bei einer Deutung von Mk 9,2–8 im Sinne einer christologischen Lehrerzählung. Mit A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 90. Vgl. auch J.D.M. D ERRETT, Peter and the Tabernacles, 39. 463 So z.B. E. WENDLING, Äußerung des Petrus, 113. 464 Das gilt auch für G. WOHLENBERGs [Evangelium des Markus, 243] phantasiereiche Vermutung, dass die Intention des Petrus einen Gesprächsfetzen der in Mk 9,4 erzählten Unterhaltung der himmlischen Besucher mit dem verklärten Jesus aufgreife, der das dort vernommene Lexem UMJPJ assoziativ mit der Laubhüttentradition verbinde. 460 461
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
In der Einzelversanalyse von Mk 9,4 wurde zu begründen versucht, dass Jesus bereits dort kaum den beiden himmlischen Gestalten einfach zugeordnet, sondern in seiner Stellung als Sohn Gottes als theologisch überlegen dargestellt wird. Vom Wortlaut des V.5 her betrachtet fällt auf, dass die „Dreiheit“ der Zelte eine sprachlich umständliche, darin aber äußerst pointierte Betonung findet. Der Erzähler ist an den UMJPCK unter dem Aspekt dieser „Dreiheit“ interessiert465, jedoch im Modus der Kritik. So wird der Gedanke einer „Dreiheit“ der Zelte in V.6 als unverständig disqualifiziert und in V.7 theo-logisch korrigiert.466 Die Idee zur Errichtung dreier gleichberechtigt nebeneinander stehender Zelte hat – trotz der betonten Frontstellung Jesu (TBCDDK …UQK OKCPMVN.) – eine nivellierende Funktion, weil sie einer theologischen Äquivalenz der drei Würdenträger der Verklärungsszene das Wort redet.467 Eine solche Äquivalenz wird bereits in Mk 9,4 in Abrede gestellt, um dann in 9,7 durch dieHYPJ Gottes selbst theo-logisch bestätigt zu werden.468 Skopus der VV.5f. ist daher – mittels einer Absage an eine etwaige „Demokratisierung“ der Szene – eine Christologie via negationis, da der Bau dreier gleichberechtigt nebenein465
Mit S. PELLEGRINI, Elija, 321. Dies ist bereits von H. B ALTENSWEILER [Verklärung Jesu, 43f.] deutlich gesehen worden. Baltensweiler zieht jedoch aus dieser Beobachtung eine mir nicht nachvollziehbare Konsequenz, wenn er postuliert, dass das Bauen einer Hütte für Petrus keine zur Disposition stehende Frage war, sondern gleichsam eine Selbstverständlichkeit darstellte. Diese Selbstverständlichkeit erzwinge die Annahme, dass sich die Verklärung während des Laubhüttenfestes ereignet haben müsse, bei dem Reisende zumindest die Nacht in Hütten verbringen mussten. Die Dreizahl erkläre sich aus dem Wunsch des Petrus, zusammen mit Jesus und den Verklärungs-„Zeugen“ in einer gemeinsamen Hütte zu wohnen, während die himmlischen Besucher jeweils getrennt in einer eigenen Hütte wohnen. Hier dürfte doch die vor der Auslegung definierte Voraussetzung Baltensweilers, wonach die UMJPCK in Mk 9,5 vor dem Hintergrund des W$.6X zu lesen sind, die Linien der Auslegung bestimmen. Gegen eine solche Intention spricht eindeutig die benutzte Wortwahl: UQK OKC PMCK /YW"UGK OKC PMCK 8+NKC^ OKC P. Von einem Platz der Jünger in einer der drei zu errichtenden UMJPCK kann also in narrativer Hinsicht nicht die Rede sein. Gut erkannt von W. MICHAELIS, Art. UMJPJ MVN. In ThWNT VII (1964), 380f. 466 Dass die Rede des Petrus durch V.7 gleichsam gewaltsam unterbrochen werde – so aber J.D.M. DERRETT, Peter and the Tabernacles, 45 –, erkenne ich in der Wortwahl nicht. 467 Gut bei S. P ELLEGRINI, Elija, 328: Der Vorschlag des Petrus sehe „alle drei Persönlichkeiten als von gleicher Rangklasse“ an und werde folglich durch die „Stimme … vom Himmel … destabilisiert“. 468 Eine Polemik gegen eine christologisch-nivellierende Aussagedimension des Petrusvorschlags wird – mit je verschiedenen Akzentsetzungen – in etwa vertreten von S. PELLEGRINI, Elija, 320: „Die Jünger erkennen die Zuschauer-Funktion von Elija und Mose innerhalb der Epiphanie … nicht …, sie sehen in Jesus und den zwei anderen Gestalten eine Dreiheit“. Ferner J.P. HEIL, Transfiguration, 165; S. P EDERSEN, Proklamation Jesu, 260; Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 213f.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
205
ander stehender Zelte für den Erzähler eine theologische Unmöglichkeit darstellt.469 Eine solche, die unvergleichlich hohe theologische Stellung Jesu unterstreichende Funktion hat der Schlusssatz der Epiphanieerzählung in Mk 9,8b:CXNNCVQP8,JUQWPOQPQPOGS8GBCWVYP. 3.8.5 Der Vorschlag des Petrus und dasFGKdes Leidens Jesu In einer Polemik gegen eine mögliche theologische Gleichberechtigung der auf dem Verklärungsberg befindlichen himmlischen Personen erkenne ich die primäre Stoßrichtung des Doppelverses 5f., wie er von der Tradition des Überlieferungsstückes vorgegeben sein dürfte.470 Im Zusammenhang der Biographisierung dieser Überlieferung und ihrer Integration in den markinischen Makrotext gewinnt der Vorschlag des Petrus jedoch noch eine weitere Bedeutung, der für die theologische Intention des Erzählers von herausragender Bedeutung gewesen sein dürfte: Nach W. Michaelis bedeutet das Lexem UMJPJ ein „Zelt“ oder eine „Hütte“ als „Bezeichnung eines gedeckten, eher kleinen, aber für seine Zwecke vollständigen u [sic!] in Ordnung befindlichen Aufenthaltsraumes“.471 Der Vorschlag zum Bau von UMJPCK steht daher in einem diametralen Gegensatz zur theologischen Intention des Erzählers und ist von daher Anlass seiner impliziten Kritik: Da Zelte/Hütten per se einen längeren Aufenthalt implizieren472, vermittelt der kritisierte Petrusvorschlag zugleich eine kreuzestheologische Botschaft: Ein Verweilen auf dem Berg der Epiphanie stellt eine theologische Unmöglichkeit dar, da erst angesichts des Kreuzes, 469
Gegen J. GNILKA [EKK-Mk II, 35], der eine markinische Polemik gegen eine theologische Äquivalenz der drei Himmelsgestalten m.E. in Abrede stellt. Merkwürdigerweise verbindet Gnilka diese Absage mit einer passionskerygmatisch wertvollen Aussage, wenn er anschließt: „Mit dem Festhaltenwollen der himmlischen Seligkeit wehrt der Jünger erneut der Notwendigkeit des Leidens.“ Ich erkenne hier – anders als Gnilka – keine primär die „Jüngerexistenz“ betreffende Frage, sondern eine zutiefst christologische. Eine „Äquivalenzpolemik“ nimmt auch M.E. T HRALL [Elijah and Moses, passim.] an, doch verbindet sie diese Erkenntnis mit einer – durch den Text kaum abgesicherten – Polemik gegen eine mögliche „Entrückung“ Jesu, die als theologische Fehlmeinung in der markinischen Gemeinde kursiert habe. Eine solche Entrückungsvorstellung habe die theologische Stellung Jesu im Vergleich mit den Entrückten der biblischen Geschichte nivelliert. Das Erscheinen des Elija und Mose in Mk 9,4 habe die Aufgabe zu zeigen: „Jesus is raised from the dead, rather than translated to heaven, and consequently he is God’s Messiah.“ Vgl. a.a.O., 315f. 470 Da ich die Eintragung des Elija in den VV.4f. auf das theologische Interesse des Erzählers zurückführe, richtet sich die Polemik der Markus vorliegenden Tradition auf eine theologische Äquivalenz Jesu mit Mose. 471 Vgl. W. MICHAELIS, Art. UMJPJMVN. In: ThWNT VII (1964), 369. 472 Vgl. W. MICHAELIS, Art. UMJPJ MVN. In: ThWNT VII (1964), 380: „Mit dem Vorschlag oder Angebot des Petrus, drei UMJPCK zu errichten, ist auf jeden Fall an einen nicht nur provisorischen, sondern vielmehr möglichst lange dauernden Aufenthalt gedacht.“
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
dem „Ort der vollen Epiphanie des Gottessohnes“473, die christologische Kernfrage nach der Identität des Jesus von Nazaret einer Antwort zugeführt wird.474 Nicht das zeitlich befristete Erscheinen der FQZC des Menschensohnes auf seinem Weg nach Jerusalem ist für das MkEv das heilsgeschichtlich entscheidende Ereignis, sondern das Kreuz, das als „Wendepunkt der Heilsgeschichte“ anzusprechen ist, „in deren Mitte … fortan der erhöhte Herr“ steht.475 Die Dynamik der „geheimen Epiphanien“ Jesu (M. Dibelius)476 im MkEv, unter die auch Mk 9,2–8 zu summieren ist, weist 473
Mit Th. SÖDING, Glaube, 265. Mit K. B ACKHAUS, „Lösepreis für viele“, 91. Auf eine entferntere theologische Berührung von Mk 9,5f. mit der Szenenfolge Mk 15,29–39 kann mittels eines Gedankens verwiesen werden, den Chr. Burchard vorgelegt hat. Vgl. zum Folgenden DERS., Markus 15,34, 5f.: In Mk 15,29–39 wird im Anschluss an die Kreuzigung durch das römische Exekutionskommando „der jüdische Beitrag zur Exekution“ erzählt. Die „ketzerische“ Aufforderung der „Vorbeikommenden“ UYUQPUGCWVQPMCVCDCLCXRQVQW UVCWTQW (V.30) steht ebenso wie das MCVCDCVY PWP CXRQ VQW UVCWTQW (V.32) der Hohenpriester samt Schriftgelehrten unter dem Vorzeichen der Parole „herunter vom Kreuz“. Die Szene in Mk 15,29–32 trägt so Züge einer Versuchungsgeschichte Jesu zum Abfall von seinem Auftrag, NWVTQPCXPVK RQNNYP zu sein (vgl. 10,45). Gemeint ist nach Chr. Burchard eine Versuchung „nicht zu Egoismus, sondern zu einer falschen Form von Messianität“. Der Vorschlag zum Bau der UMJPCK, in Mk 9,5 steht durch seine Färbung, die er durch die Kritik mittels des Erzählerkommentars in V.6 erhält, ebenso wie die Texteinheit 8,32f. in Diensten einer solchen Abwehr einer falschen Messianität. Wie nun nach der Deutung von Chr. Burchard der Skopus der Szene 15,29–32 nicht die Herausstellung des Leidens Jesu, sondern die Abwehr falscher messianischer Erwartungen ist, so wäre ein Eintritt Jesu in eine auf „Tabor“ errichtete UMJPJ eine solche Entsprechung zu falsch verstandenen messianischen Erwartungen. 475 Mit K. B ACKHAUS, „Lösepreis für viele“, 113. Der kreuzestheologischen Dynamik des MkEv, nach der die Erkenntnis Jesu nicht unter Absehung von Golgatha erfolgen kann, entspricht es, dass in der „Osterszene“ der Auferstandene in 16,6 in der Ermunterung seitens des Engels – OJ GXMSCODGKUSG> 8,JUQWP \JVGKVG VQP 0C\CTJPQP VQP GXUVCWTYOGPQP>JXIGTSJQWXMGUVKPYFG – als QB GXUVCWTYOGPQLbezeichnet wird, als der er in Galiläa erscheinen wird. Hierbei liegt eine auffällige Überschneidung mit dem gängigen paulinischen Sprachgebrauch vor. Vgl. dazu M. T HEOBALD [Tod Jesu, 19 Anm. 76] mit einem Plädoyer für Dtn 21,23 (Q=VK MGMCVJTCOGPQL WBRQ SGQW RCL MTGOCOGPQL GXRK ZWNQW) als Hintergrund der markinischen Aussage. Das verwendete Partizip Perfekt indiziert dabei, dass der Auferstandene weiterhin der GXUVCWTYOGPQL bleibt. Vgl. dazu insbesondere G. B ARTH, Tod Jesu Christi, 131. Auffällig bleibt die singuläre Verwendung des Verbs UVCWTQWP an dieser Stelle, insofern dieses Verb im MkEv sonst exklusiv an den eigentlichen Kreuzigungsbericht gebunden bleibt. Vgl. dazu auch E. LINDEMANN, Osterbotschaft, 304 mit Anm. 33. 476 Diese Einschätzung ist bei Dibelius möglich ausgehend von seiner Tendenz, den Begriff „Epiphanie“ so weit „als irgendmöglich“ zu fassen und darunter neben den eigentlichen Offenbarungen Jesu auch seine Wunder und Gleichnisse zu subsumieren. Die Topoi „Geheime Epiphanien“ und „Messiasgeheimnis“ weisen dabei im Ansatz Dibelius’ massive Berührungen auf. Vgl. dazu die Beobachtungen bei M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 148f. 474
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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somit auf die entscheidende Epiphanie der Sterbeszene Jesu hin (15,33– 39), sodass sich Konturen einer genuin markinischen Kreuzestheologie abzeichnen. Ein Reflex auf den theologischen Konnex der in der Transfigurationserzählung sich offenbarenden Hoheit Jesu mit seiner in das Leiden verweisenden Niedrigkeit ist über das Unverständnismotiv gegeben, das die Verklärungs- mit der Gethsemaneszene verbindet477: Diese Szene ist mit G. Guttenberger als ein „Knotenpunkt“ in der Gesamtnarratio des MkEv konzipiert: In ihr werden die thematischen Schwerpunkte des MkEv „Eschatologie/Reich Gottes und Passion“ benannt, das Verhältnis Jesu zu seinem Vater beleuchtet und das Motiv des Jüngerunverständnisses bzw. des Jüngerversagens deutlich vorangetrieben.478 Wenn es in Mk 9,6a von Petrus heißtQWX ICTJ^FGKVK CXRQMTKSJ^, so wird das Unverständnis der drei – sowohl zu Verklärungs- als auch Gethsemane-Zeugen berufenen – Jünger gegenüber dem ins Leiden Jesu führenden Willen Gottes dort semantisch auffallend ähnlich ins Wort gebracht wie in 477
Der theologische Zusammenhang von Mk 9,2–8 mit der Gethsemaneszene (14,32– 42) liegt auf der Hand. Darauf verweist bereits das Motivinventar: Vgl. das identische Jüngerauswahlmotiv, das wie in Mk 9,2-8 auf die „Wichtigkeit des Geschehnisses im Offenbarungsprozeß“ hinweisen will (mit J. GNILKA, EKK-Mk II, 264; H.-Chr. KAMMLER , Verständnis der Passion, 473: Signal an die Leser, dass das im Folgenden erzählte Geschehen „Offenbarungscharakter“ habe); das esoterische Moment der Szene (die Jünger werden in 14,32–42 zu exklusiven „Zeugen der Todesnot Jesu“ erkoren, vgl. W. MOHN, Gethsemane, 204f.); das Unverständnismotiv in der Äußerung des Petrus (vgl. S.S. LEE, Jesus’ Transfiguration, 16) sowie das Gebet Jesu, das durch die Anrede mit CDDC QB RCVJT in theo-logischer Korrespondenz zur christologischen Prädikation in Mk 9,7 steht. Vgl. z.B. D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 244: Mk 14,36 als „die christologische Spitze der Szene“. Während die Transfiguratio durch die doppelte Bezeugung von QTQL (9,2.9) vom Bergmotiv gerahmt ist und so den Blick nach „oben“ richtet (vgl. auch PGHGNJ in V.7), ist in 14,35 dezidiert von einem RKRVGKPJesu GXRK VJLIJL die Rede. Beide Szenen stehen in einer kontrastiven Entsprechung. War es der Skopus der Verklärungsperikope, die „Aktionseinheit“ zwischen Gott und Sohn zu demonstrieren, so ist in Gethsemane von dieser nichts mehr zu spüren. Das Fernbleiben Gottes wirkt angesichts des als betend dargestellten Jesus umso schmerzhafter. Der Wille des hier schweigenden Gottes tritt dem Willen Jesu entgegen. Der Kontrast findet in der Gegenüberstellung von GXIY und UW deutlichen Ausdruck. Vgl. 14,36: CXNN8QWX VK GXIY SGNYCXNNC VK UW R. FELD MEIER [Krisis des Gottessohnes, 118] hat in seiner Studie zu Mk 14,32–42 folgerichtig von einer Verwandlung Gottes „vom Donator zum Opponenten“ gesprochen. Beide Szenen lagen m.E. dem Evangelisten als Traditionsgut vor und wurden redaktionell bearbeitet. Für Mk 14,32–42 vgl. R. FELDMEIER, a.a.O., 111f. In beiden ist ein sowohl christologischer als auch paränetischer Aspekt zu verzeichnen. Mit G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 187. Wird in der Transfigurationsnarratio Jesu Zugehörigkeit zur himmlischen Welt ins Wort gebracht, so wird in 14,32–42 „seine Bedrohung durch den Bereich des Todes und der Gottesferne“ kommuniziert. Mit G. GUTTENBERGER, a.a.O., 191 mit Verweis auf B.D. CHILTON, Transfiguration, 116. 478 Vgl. dazu G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 188.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
der Gethsemaneszene: MCK QWXMJ^FGKUCPVK CXRQMTKSYUKPCWXVY^ (14,40c).479 Die Jünger stehen so „mit völligem Unverständnis sowohl vor dem Mysterium seiner göttlichen Hoheit wie auch vor dem Mysterium seiner mit dem Leidensweg bejahten Niedrigkeit“.480 Und wie sich die Verklärung zwischen den theo-logischen Polen einer gottgewirkten Metamorphose (9,2c: OGVGOQTHYSJ, Passivum divinum) und der göttlichen Prädikation als WKBQL SGQW (9,7) vollzieht, so wird auch das Gebetsringen Jesu mit dem Willen des Vaters in Gethsemane als ein „Geschehen zwischen dem Vater und dem Sohn“ skizziert481, wobei dieses Gebet Jesu im Modus der Gottesferne erfolgt. Von hier aus verweisen deutliche passionskerygmatische Linien zur letzten Epiphanieszene in 15,33–39, wo die spannungsreiche Situation eines „gottverlassenen“, gleichwohl an den SGQL OQW adressierten Gebets des sterbenden Jesus von den göttlichenUJOGKCder Finsternis (V.33) und des zerreißenden Tempelvorhangs (V.38:GXUEKUSJ, Passivum divinum) umfangen ist. Gott steht als heimlicher Hauptakteur des geschilderten Geschehens im Hintergrund aller drei benannten Szenen.482 Die epiphaniale Linie der markinischen narratio ist so auf die endgültige Epiphanie am Kreuz ausgerichtet, angesichts dessen (GXZGXPCPVKCLCWXVQW, vgl. Mk 15,39) mittels des Wortes des römischen Hauptmannes die zentrale christologische disclosure des Makrotextes platziert werden kann. Der Vorschlag des Petrus, auf dem Berg der Verklärung UMJPCK zu errichten, tritt nach den oben vorgelegten Überlegungen in eine Spannung zum FGK des Leidens, von dem in Mk 8,31 erstmalig die Rede ist. Sein „Bauprojekt“ weist intentionale Berührungspunkte mit seinem Protest gegen den Leidensweg Jesu in 8,32 auf. Wurde dort das Ansinnen des Petrus als „menschlicher“ Dünkel qualifiziert, der als solcher dem Willen Gottes (vgl. 8,33: VC VQW SGQW) entgegensteht, so findet in Mk 9,7 die eigentliche theo-logische Korrektur des Petrusvorschlags statt, sodass als primäres Objekt der im Imperativ CXMQWGVG CWXVQW angedeuteten Lehre Jesu tatsächlich die Notwendigkeit seines Leidens anzusprechen ist. Ist diese Lektüre des Textes richtig, dann fungieren in der uns heute vorliegenden Textfassung Petrusvorschlag, Erzählerkommentar und Himmelsstimme als sachlicher Verweis auf die dem Makrotext zugrunde lie479
Der Umstand, dass allein der nachösterliche Leser durch das literarische Schlafmotiv der Jünger „zum einzigen ‚wachen‘ Zeugen dieses – im Gehorsam siegreichen – Gebetskampfes wird“, ist nach BACKHAUS [„Lösepreis für viele“, 94 Anm. 9] Signum der narrativen Kompetenz des Markus, die es vermag, vom Initium an, den Leser gleichsam mit Jesus zu vereinigen. Dieses Motiv ist zugleich Ausweis der Unfähigkeit der Jünger, vorösterlich den Sinn des Leidens Jesu erkennen zu können, wofür in narrativer Hinsicht auch der Vorschlag des Petrus zum Bau von UMJPCK ein Beispiel ist. 480 Mit H.-Chr. KAMMLER, Verständnis der Passion, 474. 481 Mit H.-Chr. KAMMLER, Verständnis der Passion, 474. 482 Vgl. für die Gethsemaneszene z.B. G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 188.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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gende Leitfrage nach der Identität der Person Jesu angesichts des Kreuzes. Der Vorschlag des Petrus muss bereits von daher theologisch disqualifiziert werden, da er seiner Intention nach der passionskerygmatischen Aufschließung der Jesus-Anamnese diametral entgegensteht. Aber auch die umgekehrte Blickrichtung ist zu beachten: Erst eine Perikope wie Mk 9,2– 8 macht es möglich, eine theologische Aussage darüber zu treffen, was auf Golgatha geschieht, dass durch den Tod des WKBQL SGQW, des Trägers des göttlichen RPGWOC (vgl. 1,10f.), der seinem Wesen nach der himmlischen Welt angehört (9,4.7), dieser zum NWVTQPCXPVK RQNNYP(10,45) geworden ist. K. Backhaus hat darauf hingewiesen, dass zur passionskerygmatischen Erzählkonzeption des MkEv eine Aufteilung der erzählten Welt „in zwei perspektivische Ebenen“ gehört.483 Er unterscheidet dabei die Ebene des brutum factum von der Ebene des göttlichen Heilsplans. Auf der ersten Ebene, auf der die Passion widersinnig erscheine, argumentieren die Gegner Jesu, aber auch seine Jünger, insofern sie als unverständig dargestellt werden (4,13.40; 6,52; 7,18; 8,17f.21; 9,32). Dabei seien es die Jünger, besonders aber Petrus, an denen eine Verkennung des göttlichen Heilsplans im Passionsgeschick Jesu demonstriert werde (8,31–33; 9,30–37; 10,32–40; 14,4–11.26–31.32–40.50.51f.66–72). Davon sei eine zweite Erzählebene zu unterscheiden, die „durch die himmlische Perspektive“ bestimmt werde. Diese zweite perspektivische Ebene manifestiere sich in den HYPCK der Tauf- und Verklärungsperikope, aber auch in den UJOGKC angesichts der Sterbeszene Jesu (vgl. Mk 15,33: göttlich verursachtes UMQVQL; 15,38: GXUEKUSJ, Passivum divinum), die im Centuriobekenntnis anerkennend kommentiert werden. Vor allem sei es aber Jesus selbst, „der sein Passionsgeschick kennt, vorhersagt und aktiv veranlaßt“. Im unmittelbaren kontextuellen Umfeld der Transfigurationsnarratio ist besonders auf 8,31.34–38 und 9,9–13 zu verweisen. Es stellt einen lohnenden Versuch dar, den Vorschlag des Petrus zur Errichtung dreier UMJPCK auf der ersten, irdischen Ebene zu verorten, denn sein intendiertes Bauprojekt konterkariert intentional den unter dem göttlichen FGKstehenden Weg zum Kreuz. Der Bau vonUMJPCKweist so Berührungspunkte mit dem Protest des Petrus gegen das Leidenmüssen (vgl. 8,32) sowie mit dem ebenso unverständigen Versuch einiger RCTGUVJMQVGL in 15,35 auf, durch die Tränkung mit Essigwein das Sterben Jesu hinauszuzögern, um so dem intendierten Rettungswerk des Elija im Sinne eines
483
Vgl. zum Folgenden K. B ACKHAUS [„Lösepreis für viele“, 93–96] mit Verweis auf N.R. PETERSEN, „Literarkritik“, the new Literary Criticism and the Gospel according to Mark. In: Segbroeck, F. van u.a. (Hrsg.): The four gospels 1992. FS F. Neirynck II (BethL 100), Löwen 1992, 935–948, bs. 938–943.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Schauwunders (vgl. auch 15,32) Zeit einzuräumen.484 An der anderen, gleichsam göttlichen Perspektive partizipiert der auktoriale Erzähler, wenn er in Mk 9,6 das Ansinnen des Petrus mit einem kritischen Erzählerkommentar versieht und damit das Ertönen der Wolkenstimme in Mk 9,7 vorbereitet, dessen Imperativ primär auf die erste Leidensansage in Mk 8,31 verweist. Die Reihe der „geheimen Epiphanien“ Jesu (M. Dibelius) mündet in die entscheidende Epiphanie des Gottessohnes am Kreuz.485 3.8.6 Epiphaniefurcht in Mk 4,35–41 und 9,5 – ein Vergleich Bekanntlich werden im MkEv alle überirdischen Erscheinungen seitens der Jünger konsequent mit Furcht quittiert.486 Ausgehend von dieser Beobachtung ergibt sich auf makrotextueller Ebene eine interessante Berührung mit einer weiteren christologischen Spitzenstelle: Mk 4,41. Berührungen ergeben sich mit Blick auf das Furchtmotiv und die sprachliche Eingabe der Jünger bzw. des Jüngersprechers. Zu nennen sind ferner Spuren einer hier wie dort zu greifenden Prophetenchristologie: Während die Perikope 4,35– 41 mittels bewusster Anspielungen auf die Jona-Erzählung konstruiert ist487 und so mit einer Prophetentypologie arbeitet, ist eine christologische Prophetentypologie auch in der literarischen Verarbeitung von Dtn 18,15 LXX in Mk 9,7 zu greifen, die jedoch sogleich mittels der Sohn-GottesPrädikation des gleichen Verses „korrigiert“ und überboten wird. Eine christologische Überbietung des Jona ist narratives Ziel von 4,35–41.488 Die Teilhabe Jesu an einer Prärogative Gottes (Macht über Naturelemente) verweist inhaltlich auf die auch in 9,2–8 zugrunde liegende Mosetypologie, insofern Mose die einzige alttestamentliche Erzählgestalt ist, von der Das durch die verspottenden RCTGUVJMQVGL intendierte MCSGNGKP [scil. vom Kreuz, vgl. 15,36] stellt für Markus eine theologische Unmöglichkeit dar. Erst vom bereits verstorbenen Jesus kann berichtet werden, dass er von Josef von Arimathäa vom Kreuz abgenommen (MCSGNYP CWXVQP) wird (vgl. 15,46). Vgl. dazu M. T HEOBALD, Tod Jesu, 23 mit Anm. 93. 485 Vgl. z.B. K. STOCK, Bekenntnis des Centurio, 295. 486 Mit D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 251. Zu verweisen ist auf Mk 4,41: MCK GXHQDJSJUCP HQDQP OGICP; 6,49: QKB FG KXFQPVGL CWXVQP GXRK VJL SCNCUUJL RGTKRCVQWPVC GFQZCPQ=VKHCPVCUOC GXUVKPMCK CXPGMTCZCP; 9,6: QWX ICTJ^FGKVK CXRQMTKSJ^GMHQDQKICT GXIGPQPVQ; 16,5: MCK GKXUGNSQWUCK GKXL VQ OPJOGKQP GK FQP PGCPKUMQP MCSJOGPQP GXP VQKL FGZKQKLRGTKDGDNJOGPQPUVQNJPNGWMJPMCK GXZGSCODJSJUCP; 16,8: MCK GXZGNSQWUCKGHWIQP CXRQ VQW OPJOGKQW GK EGP ICT CWXVCL VTQOQL MCK GMUVCUKL> MCK QWXFGPK QWXFGP GK RCP GXHQDQWPVQICT. Die Furcht führt somit entweder zu einer sprachlichen Reaktion der Jünger, die aus einer Frage (4,41), einem Aufschreien (6,49) oder einem situationswidrigen Sprechen (9,5) bestehen kann, oder hat das Schweigen als Epiphaniereaktion zur Folge (vgl. 16,8). 487 Vgl. dazu besonders R. PESCH [HThK-Mk I, 270–77], dem sich D.S. DU T OIT [Abwesender Herr, 95] anschließt. 488 So auch R. P ESCH, HThK-Mk I, 273f. 484
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
211
Vergleichbares berichtet wird.489 Der Mose überbietende Charakter ist auch in dieser Hinsicht zu beachten. Die rezeptionsleitende christologische Leitfrage in 4,41 (VKLCTCQWVQL GXUVKP)490 bildet den Abschluss eines Rettungswunders (4,35–41), das ähnlich wie die Verklärungserzählung als Epiphanieszene anzusprechen ist.491 Das mit der Stillung des Seesturms vorliegende Rettungswunder wird mit deutlichen Anleihen an die „Berichte exorzistischer Praxis“ erzählt492, insbesondere ist hier auf den „exorzistischen“ Verstummungsbefehl Jesu an den tobenden See (MCK GK RGP VJ^ SCNCUUJ^ 5KYRC RGHKOYUQ) zu verweisen.493 Ebenso unverkennbar ist der mit der Verklärungsperikope vergleichbare christologisch-legitimatorische Impetus der Geschichte.494 Durch das „offene“ Ende der Perikope 4,35–41 wird der Rezipient dazu gedrängt, den weiteren Verlauf des Textes in Kenntnis dieser christologischen Basisfrage zu lesen/hören. Von hier aus bietet sich der Vergleich mit Mk 9,2–8 besonders an, insofern die göttliche Prädikation Jesu als WKBQL OQW in Korrespondenz zu dieser Frage steht. In 4,41 ist das mittels einer semitisierenden Figura etymologica (MCK GXHQDJSJUCPHQDQPOGICP) betont herausgestellte Motiv der „Epiphaniefurcht“495 Auslöser einer christolo489
Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 95. Vgl. auch DERS., Prolepsis als Prophetie,
184f. 490 Die Schlüsselstellung der Chorschlussfrage in Mk 4,41 im Hinblick auf den Makrotext findet in der neueren Literatur nachhaltige Betonung, vgl. z.B. D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 88. 491 Diese Gattungsbestimmung greift einen Vorschlag M. DIBELIUS’ [Formgeschichte, 91f.] auf. Auf dieser Linie grundsätzlich auch G. THEIßEN [Urchristliche Wundergeschichten, 107–111] ohne ausdrücklichen Bezug auf Dibelius. Bei Theißen findet die Nähe von Rettungswundern und Epiphaniengeschichten explizite Betonung („rettende Epiphanie“) mit Verweis auf Aelios Aristeides, Sarapishymnus, 33. Auf dieser Linie auch R. PESCH, HThK-Mk I, 269: „Überbietungserzählung mit epiphanialem Einschlag“ (Jonageschichte). Vgl. dazu auch D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 95. Ferner L. SCHENKE , Markusevangelium (2005), 138. Die Epiphanie erfolgt in Mk 4,35–41 dadurch, dass Jesus durch die „Stillung des Sturmes“ an einer Prärogative Gottes partizipiert. Vgl. dazu J. GNILKA, EKK-Mk I, 196. Das Rettungswunder steht gattungskritisch den Exorzismen nahe (vgl. Mk 1,25). Vgl. dazu K. K ERTELGE, Wunder Jesu, 92. Ferner J. GNILKA, a.a.O., 194. 492 Mit J. DECHOW, Gottessohn, 87. Der Befehl Jesu GXRGVKOJUGPVY^ CXPGOY^ MCK GK RGP VJ^ SCNCUUJ^ 5KYRC RGHKOYUQ (Mk 4,39) weist durch die Verwendung der Verben GXRKVKOCY und HKOQY auffallende Berührungen mit Mk 1,25 und 9,25 auf, wo eine exorzistische Praxis Jesu berichtet wird. Zudem berührt sich die christologische Grundfrage 4,41 mit dem Chorschluss des ersten Exorzismus in 1,27. 493 Mit G. T HEIßEN, Urchristliche Wundergeschichten, 107. 494 In eine vergleichbare Richtung weist auch die Einschätzung von R. P ESCH, HThKMk I, 273: „missionarisch-werbende Tendenz der Erzählung“. 495 Vgl. dazu H. B ALZ, Art. HQDGQOCK. In: EWNT III (21992), Sp. 1028–1030. Ferner DERS.; G. W ANKE Art.HQDGYMVN. In: ThWNT IX (1973), 205. Von einer „numinose[n]
212
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
gischen Chorschlussfrage. Wie der Petrusvorschlag zum Zeltbau ist die kollektive Jüngerfrage unter den Topos des Jüngerunverständnisses zu subsumieren. Zu der dort mit einer Frage „offen“ endenden Epiphanieszene tritt die Verklärungserzählung in Korrespondenz, die auf ihrer Spitze die himmlische Stimme präsentiert, die intradiegetisch vor dem Auditorium der drei ausgewählten Jünger, extradiegetisch vor dem Leser/Hörer eine entsprechende Antwort präsentiert. In 9,6 wird die Epiphaniefurcht als Ursache des unzureichenden Petrusvorschlags wie auch der ebenso unzureichend-situationswidrigen Anrede Jesu als Rabbi genannt, die beide durch die Wolkenstimme korrigiert werden. Die in 9,2–8 zutage tretende christologische Wirklichkeit wird jedoch in 9,9 sogleich hinter einer Schweigeverpflichtung verborgen. Makrotextuell ist die Erzähldynamik beider Perikopen auf das Wort des Centurio ausgerichtet, dessen im Imperfekt formulierte Gottes-Sohn-Prädikation keiner Verbergung hinter einer Schweigeverpflichtung bedarf, da die Frage nach der Identität Jesu angesichts des Kreuzes mittels der Sterbeszene einer Antwort zugeführt worden ist.496 Dementsprechend kann in der markinischen Osterperikope der Auferstandene weiterhin als QB GXUVCWTYOGPQL (16,6) bezeichnet werden. Wird also in 4,40f. aufgrund einer Epiphaniefurcht-Reaktion eine christologische Leitfrage gestellt, so ist in 9,5f. eine weitere EpiphaniefurchtReaktion Ausgangspunkt ihrer Beantwortung. In beiden Fällen handelt es sich um eine „unverstandene Epiphanie“497, sodass die Beantwortung der christologischen Grundfrage mit der Kreuzigungsperikope, der eigent-
Furcht“ angesichts eines als „mysterium tremendum“ empfundenen Wirkens Gottes spricht D.S. DU TOIT [Abwesender Herr, 94 mit Anm. 127] mit Verweis auf H. B ALZ, Art. HQDQL. In: EWNT III (21992), Sp. 1035. Zur christologischen Funktion des Furchtmotivs im MkEv vgl. die Ausführungen bei K. KERTELGE, Wunder Jesu, 100. Die Deutung von M. MATJAŽ [Furcht, 75f.], wonach es sich bei der Furcht der Jünger letztlich um den Ausdruck eines „hohe[n] Maß[es] an Glauben“ handelt, scheitert m.E. an der deutlichen Aussage in Mk 4,40 (MCK GK RGPCWXVQKL 6K FGKNQK GXUVG{QWRYGEGVGRKUVKP{). Matjaž gibt dabei selbst die Unhaltbarkeit seiner Auslegung zu erkennen, wenn er einleitend auf die angebliche „inhaltliche Spannung zwischen V 40 und 41“ verweist. Diese „Spannung“ entsteht durch seine Deutung. 496 Die mit Mk 4,41 aufgeworfene Frage nach der Identität Jesu richtet sich nicht auf die Identität Jesu an sich, sondern vielmehr auf seine „funktionale Identität“ (mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 88 Anm. 97; DERS., Prolepsis als Prophetie, 185). Von daher ist die Spitzenstellung von 15,39 zu betonen, da hier die Identität Jesu angesichts des Kreuzes in Verbindung mit der im MkEv als christologische Leitprädikation fungierenden Prädikation WKBQLSGQW zusammengebracht werden. 497 So hinsichtlich von Mk 9,2–8 C. BREYTENBACH, Nachfolge, 246.251. Die Frage, warum die Jünger nach der erzählten Sturmstillung eine Frage wie 4,41 überhaupt noch stellen konnten (so in etwa E. LOHMEYER, KEK-Mk, 91f.; G. SCHILLE, Seesturmerzählung, 31f.), geht an der narrativen Konzeption des MkEv vorbei.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
213
lichen „Offenbarungsszene mit epiphanialem Beiwerk“, möglich ist.498 Ähnlich wie die Transfiguratio arbeitet die Sturmstillungsperikope hinsichtlich ihres Bemühens, ein Rettungswunder mit epiphanialem Charakter zu präsentieren, mit einer pagan-hellenistischen Plausibilität („Eingreifen der Götter in höchster Seenot“), bleibt aber in typologischer Hinsicht an atl. Vorgaben gebunden (Jon 1,3–16; Ps 107,23–31). 3.8.7 Abschließende Überlegungen zur Exegese von Mk 9,5f. Die vorgelegte Deutung bemüht folglich nicht die Laubhüttentradition, vor deren Hintergrund die VV.9,5f. wiederholt ausgelegt worden sind. Ich stimme der Einschätzung von Chr. Rose ausdrücklich zu: „Weil sich keine klare Linie zum MkEv ziehen läßt, bleibt ein Bezug zum Laubhüttenfest – W$.6X – spekulativ.“499 Bei den Interpretationen, die die Laubhüttentradition zur Deutung von Mk 9,5f. bemühen, fällt übereinstimmend auf, dass die Dreizahl der Zelte ausgeblendet wird. Dagegen ist die Beobachtung geltend zu machen, dass der Text völlig vom Motiv der „Dreiheit“ beherrscht ist, während das Lexem UMJPJ einmal fällt, ohne dass diesem Motiv irgendeine Emphase zugesprochen werden könnte. Auch die Lektüre des Angebotes des Petrus vor dem Hintergrund der Stiftshüttentradition kann nicht vollauf überzeugen.500 Die Mosetypologie in Mk 9,2–8 steht m.E. außer Frage, doch finden sich in den typologisch zugrunde liegenden Textpassagen Ex 24/34 keine Hinweise auf eine Mosetradition in Verbindung mit der UMJPJ-Thematik.501 Der Text lenkt zudem durch seine nachhaltige Betonung der Dreiheit der Hütten das Augenmerk der Leser gerade weg von der Stiftshütte, die durch ihre Singularität geprägt ist. Daran ändert m.E. auch die Tatsache nichts, dass der Vorschlag des Petrus in V.6 einer Kritik unterzogen wird. Von daher halte ich auch die beliebte Deutung für schwierig, dass es markinischer Intention entspreche, über das Lexem UMJPJJesus als das Zelt Gottes unter den Menschen zu erweisen.502
498
Ausdruck übernommen von M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II,
202. 499
Vgl. Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 213. Gut erkannt auch von H.-J. S TEILeidender Sohn Gottes, 183. Ferner R.E. O TTO, Fear Motivation, 107f. Bereits J.M. NÜTZEL [Verklärungserzählung, 131] hat davor gewarnt, gleichsam „mit Gewalt“ einen tieferen theologischen Sinn entdecken zu wollen und die Möglichkeit eines stärker „alltägliche[n] Verständnis[ses]“ systematisch auszuklammern. 500 So neuerdings von J.P. HEIL [Transfiguration, 161] wieder in die Diskussion eingebracht. Vgl. aber auch S. PEDERSEN, Proklamation Jesu, 256f. 501 Mit W. MICHAELIS, Art. UMJPJMVN. In: ThWNT VII (1964), 381. 502 So neuerdings wieder von S. P ELLEGRINI [Elija, 323] ins Gespräch gebracht. CHELE ,
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
3.9 Mk 9,7f.: Wolkenüberschattung, Wolkenstimme und Aphanismos 3.9.1 Allgemeine Beobachtungen und Vorverständigungen Durch einen sprachlichen Neuansatz – den parataktischen Anschluss mit MCK GXIGPGVQ in Verbindung mit einem Partizip Präsens503 – wird das vorletzte Erzählelement der Verklärungsperikope eingeführt: die Überschattung mit der Wolke – einem traditionell-biblischen Symbol der Gegenwart Gottes –, die christologische Prädikation Jesu als WKBQLSGQW mittels der aus der Wolke ertönenden Stimme sowie der mit dieser integral verbundene göttliche ImperativCXMQWGVGCWXVQW. Das Erscheinen der himmlischen Wolke zusammen mit der göttlichenHYPJ stellt unzweifelhaft den Höhepunkt der Transfigurationsnarratio dar504, zumal hier mittels einer an die Taufstimme erinnernden göttlichen Intervention sowohl die Position Gottes als auch der point of view des auktorialen Erzählers kommuniziert wird.505 Die Wolkenszene bündelt das durch die Metamorphose und den Kontakt mit den biblischen Großen, deren Mittelpunkt Jesus darstellt, narrativ Ausgemalte und setzt somit kurz vor dem in V.8 geschilderten Aphanismos das entscheidende Rezeptionssignal der Gesamtnarratio. Mit J.M. Nützel kann davon gesprochen werden, dass „die Stimme … das Erschaubare der Szene in eine akustische Wahrnehmung“ übersetzt.506 Es empfiehlt sich in erzähllogischer Hinsicht, die Subverse 7a/7b sowie 7c/7d zusammenzufassen: Ist in der ersten Erzähleinheit (7a.b) „die Präsenz Gottes und seine Stimme“ Aussageintention des Textes, wie sich nicht zuletzt aus der durch das auffallend gedoppelte MCK GXIGPGVQ (7b) veranschaulichten konjunktiven Konnexion der beiden Subverse ergibt507, so liegt die Aussageabsicht der zweiten Sinneinheit (7c.d) in der Präsentation Jesu als WKBQL SGQW in Verbindung mit den entsprechenden ekklesiologisch-paränetischen Konsequenzen dieses christologischen Anspruchs, die mittels des Imperativs CXMQWGVG CWXVQW asyndetisch angeschlossen werden. Der Imperativ in 7d wird so durch die Gottes-Sohn-Prädikation sachlogisch vorbereitet, genauso wie das Erklingen der göttlichen Stimme insgesamt durch die Subverse 7a.b narrativ vorbereitet wird.508 Da in Mk 9,2c der Deutung des 503 Nach B LASS-DEBRUNNER-REHKOPF [Grammatik § 354 mit Anm. 1] betont eine solche Konstruktion „den Anfang des Seins“. 504 Vgl. dazu z.B. D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 344; H. K EE, Transfiguration, 139; W. KRAUS, Dtn 18,15–18, 160f.; E. LOHMEYER, Verklärung Jesu, 186f.; W.R. STEGNER, Use of Scripture, 111. Für die matthäische Parallelfassung vgl. auch S. P EDERSEN, Proklamation Jesu, 242. 505 Vgl. dazu die Überlegungen bei S. P ELLEGRINI, Elija, 324f. 506 Vgl. J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 248. 507 Mit C. BREYTENBACH, Nachfolge, 245. 508 Richtig bei C. BREYTENBACH, Nachfolge, 245: „7c [ist] nur verständlich nach der Information in 7a&7b“.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
215
OGVGOQTHYSJ als Passivum divinum der Vorzug gegeben worden ist, liegt demnach in V.7 die zweite göttliche Intervention innerhalb der Transfigurationsnarratio vor: Die durch die Autorität Gottes initiierte Verwandlung Jesu wird in V.7 entsprechend göttlich interpretiert.509 Die Frage nach der funktionalen Identität Jesu (vgl. z.B. 1,27; 4,41) wird in Mk 9,7 höchstautoritativ und endgültig geklärt.510 Vers 7 ist als Zielpunkt der theologischen Aussage511 der Verklärungserzählung zugleich erzähllogische Vorbereitung zu dem in V.8 dargestellten, epiphanialer Topik entsprechenden Aphanismos-Motiv, mit dem einerseits das Verschwinden der himmlischen Gäste von der „Epiphaniebühne“ erzählt, zugleich aber der Fokus durch die emphatische Wendung VQP 8,JUQWP OQPQP nochmals dezidiert auf Jesus gelegt wird.512 So steht auch V.8 voll in Diensten markinischer Christologie und sollte daher exegetisch nicht unterbewertet werden.513 Da das theologische Motiv der überschattenden PGHGNJ, die im biblischen Bereich gehäuft als Signum der Präsenz Gottes erscheint514, makrotextuell nicht noch einmal bezeugt ist515 und der Verfasser zudem kein Interesse an ihrer Phänomenologie an den Tag legt, empfiehlt es sich, auch dieses Erzählelement als Rezeptionssignal zu lesen, die Transfigurationsnarratio vor dem Hintergrund des aus Ex 24/34 gewonnenen Schriftwissens zu rezipieren. Die Mosetypologie wird in den Teilversen 7a.b fortgeführt (vgl. Ex 24,15–18), um in V.7c durch die Prädikation Jesu als Sohn Gottes sowie durch die Tatsache, dass – anders als in Ex 24 – die göttliche Stimme nicht Jesus/Mose, sondern Dritte adres509
Vgl. für viele z.B. S.S. LEE, Jesus’ Transfiguration, 14. Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 346. 511 Mit D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 156. 512 Ähnlich auch S.C. BARTON, Transfiguration, 239: „At the end, the dramatic spotlight is left on Jesus, the Beloved Son, alone (9,8).“ Von den diversen Funktionen von V.7 ausgehend ist der im Gefolge von H. B ALTENSWEILER [Verklärung Jesu, 35] wiederholt vorgetragenen These zu widersprechen, wonach „die Wolkenstimme kein neues Element“ bringe, sondern nur eine die vorhergehenden Erzählelemente bestätigende Funktion habe. Völlig unverständlich bleibt seine weitergehende Konklusion, dass es die Aufgabe der Wolkenstimme sei, „die Stellung der Jünger innerhalb der Verklärungsgeschichte zu verstärken und sie in den Vordergrund zu schieben“. 513 Wie in etwa bei K. KERTELGE [NEB-Mk, 89], wenn er zu Mk 9,8 formuliert: „Am Schluß steht die ‚Ernüchterung‘“. 514 Vgl. bes. Ex 24,16: GXM OGUQW VJL PGHGNJL. Vgl. aber auch Hiob 38,1. Ferner TestHiob 42,3: FKC VJLPGHGNJL. Vgl. z.B. P. V. IMSCHOOT, Art. Theophanie, 1739: „Die Wolke ist somit das Symbol Jahwes, insofern er sein Volk leitet, zu ihm spricht, es beschützt“. Die Wolke in Mk 9,7 ist als „unzweideutiges Symbol der Anwesenheit, Epiphanie und Intervention Gottes“ anzusprechen. Gut bei S. PELLEGRINI, Elija, 325. Ist diese Erkenntnis richtig, so liegt hier das Hauptargument gegen die von J.P. Heil u.a. postulierte Funktion der Wolke als „Vehikel“ zur Himmelfahrt von Elija und Mose vor. 515 In Mk 13,26 und 14,62 ist von PGHGNCK die Rede. 510
216
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
siert, in charakteristischer Weise durchbrochen zu werden. Die damit vorliegende textuelle Interferenz ist – nach einem treffenden Wort S. Pellegrinis – erneut nicht repetitiv, sondern innovativ.516 Vers 7 schließt hinsichtlich der Ereignisfolge streng genommen direkt an das Erscheinen des „Elija mit Mose“ an517, da die Ereigniskette ab V.2c durch den deplatzierten Einwurf des Petrus samt Erzählerkommentar (V.5f.) unterbrochen wird. Vers 5 kann als eine narrative Reaktion auf die VV.2c–4 begriffen werden, wobei V.6 eine weitere Unterreaktion mittels eines Erzählerkommentars darstellt. Gleichwohl sind die VV.5f. erzähllogisch voll motiviert, zumal sie mittels des Unverständnismotivs eine „negative Christologie“ vorlegen, die als solche die Bühne für die theo-logische Klarstellung des V.7 bereiten. Daher fungiert die Himmelsstimme als eine theo-logische Korrektur des petrinischen Vorschlags zur Errichtung dreier Zelte mitsamt der darin enthaltenen christologisch-nivellierenden Aussagedimension.518 Von dieser Beobachtung ausgehend ist äußerste Vorsicht angeraten, im Erschallen der Wolkenstimme und in dem mit ihr kommunizierten imperativischen Inhalt eine redaktionelle Hinzufügung zu erkennen, ggf. mit der Intention, Taufund Verklärungsperikope stärker aufeinander abzustimmen.519 Es ist m.E. 516 Vgl. S. PELLEGRINI, Elija, 325. Richtig formuliert E.S. MALBON [Narrative Space, 84] im Zuge der Favorisierung einer zugrunde liegenden Mosetypologie: „Jesus plays not so much the role of Moses as the role of God“. 517 In diese Richtung deutet wohl auch D. ZELLER [Bedeutung und Hintergrund, 309], wenn er formuliert: „Die Gottesstimme führt über das Vv. 2c–4 Erzählte hinaus“. 518 In diese Richtung deutet auch R.H. G UNDRY, Mark, 460. Vgl. auch M. HORSTMANN, Studien, 80; D. LEE, Transfiguration, 22. So auch S. PELLEGRINI, Elija, 328: Destabilisierung der „glättende[n] Interpretation des Petrus“ mittels der göttlichen Stimme, „der [scil. Petrus] alle drei Persönlichkeiten als von gleicher Rangklasse ansieht“. 519 Stellvertretend für viele sei auf den Ansatz von J. ZMIJEWSKI [Sohn-GottesPrädikation, 28–31] verwiesen. In diese Richtung argumentieren auch J. ERNST, RNTMk, 259; F. LENTZEN-DEIS, Taufe Jesu, 275f. Nach Zmijewski sei die Hinzufügung der Wolkenstimme ein Produkt des Redaktors der Textendfassung. Zmijewski verweist zunächst auf die doppelte Konstruktion mit MCK GXIGPGVQ in 7a.b. Sodann erkennt er in der Wolkenstimme ein „überflüssig[es], wenn nicht sogar störend[es]“ Erzählelement, das „vom Duktus der Erzählung her“ völlig unmotiviert sei, da durch Elija, der im Gegensatz zu Mose in der traditionellen Fassung der Verklärungsperikope als alleiniger himmlischer Repräsentant auftrat (Zmijewski verweist hierzu auf Ch. MASSON, La transfiguration de Jésus, 4f.), die Funktion Jesu als „Bringer der Endzeit“ hinreichend ausgewiesen sei. Leider bleibt die Begründung dieser Position ein Desiderat. Überraschend ist das dritte Argument, dass die Wolkenstimme „keinen von den Schriften des Alten Bundes her zu gewinnenden Inhalt in die Erzählung“ einbringt (Zitat von J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 146). Dies überrascht, zumal der Verfasser die Abhängigkeit von Mk 9,7d von Dtn 18,15 LXX deutlich sieht und anerkennt. Das Postulat einer redaktionellen Konstruktion der Teilverse 7a.b.c mit der Intention, im Teilvers 7d einen Anklang an Dtn 18,15 LXX platzieren zu können, überzeugt nicht. Zmijewski blendet damit vollkommen aus,
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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ein wenig wahrscheinliches Szenario, dass die petrinische Intervention der VV.5f. ohne Deutung oder theologische Klarstellung überliefert worden ist, sodass es die eigentliche Intention des Wolkenmotivs gewesen sei, die auf dem Berg befindlichen himmlischen Gestalten zu verhüllen und als Gefährt ihrer Himmelfahrt zu dienen. Dagegen funktioniert der gesamte V.7 sowohl als Korrektur des Petrusvorschlags als auch als Deutung der ganzen vorhergegangenen Szene, sodass er als integraler Bestandteil der Markus vorliegenden Verklärungsüberlieferung erachtet werden muss.520 Zugunsten eines thematischen Anschlusses von V.7 an V.4 spricht auch die Beobachtung, dass hinsichtlich des Motivinventars die Exodus-SinaiMotivik, die im ersten Teil der Verklärungsgeschichte leitend ist, an dieser Stelle wiederaufgenommen und mit einer weiteren prominenten MoseTradition (vgl. Dtn 18,15–18 LXX) verbunden wird. Die dichte Aufeinanderfolge der Erscheinung des Elija mit Mose und dem Ertönen der himmlischen Stimme zusammen mit dem in deren Mitte platzierten Vorschlag des Petrus samt Erzählerkommentar erhöht trotz des Fehlens der markinischen Präferenzvokabel GWXSWL den Eindruck einer hohen narrativen Geschwindigkeit, die als solche „ein wichtiger Zug von Epiphaniezusammenhängen“ ist.521 Neben der theologisch-motivlichen Bedeutung hat die Wolke in narrativer Hinsicht auch eine distanz-überbrückende Funktion: Sie schließt zunächst durch das betonte CWXVQKL alle sechs auf dem Berg befindlichen Handlungsträger erzählerisch zusammen.522 Sodann überbrückt sie dass 1.) die Verwandlung Jesu zusammen mit dem Petrusvorschlag nach einer „Deutung bzw. Klarstellung“ verlangt – überzeugend bei D. Zeller, Verwandlung Jesu, 110 – und 2.) dass Mk 9,2–8 eine Erzähleinheit von hoher Geschlossenheit ist, die vom Erzählduktus auf den in V.7 vorliegenden Höhepunkt konstruiert ist, mit dem das zuvor Rätselhafte durch einen göttlichen Offenbarungsvorgang „geklärt“ wird. Die Audition (V.7) „erklärt und deutet“ die Vision (9,2–4) und dürfte traditionell vorgegeben sein. Vgl. dazu K. B ERGER , Formgeschichte, 282 bzw. 284f. Überzeugend auch W.R. S TEGNER , Narrative Theology, 95. Skeptisch gegenüber der redaktionskritischen Abtrennung der Himmelsstimme ist auch M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 185: Das Postulat einer markinisch-redaktionellen Bildung der Himmelsstimme könne „nicht zur Evidenz erhoben werden“. 520 In diese Richtung argumentiert bereits E. LOHMEYER [Verklärung Jesu, 186.196], wenn er in Annahme, dass die VV.4.5.7.8 einen „fortlaufenden Bericht“ darstellen, ausführt, dass „die Aufforderung des Petrus … nach einer Responsion“ verlangt. V.7 erfüllt nach Lohmeyer die Funktion dieser Responsion auf den petrinischen Vorschlag zur Errichtung der UMJPCK (dass der Ausruf des Petrus in V.4 vorliege, dürfte hingegen ein Druckfehler sein). 521 Vgl. dazu die Ausführungen bei M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 166f. 522 Überzeugend bei Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 214 mit Verweis auf A. OEPKE, Art. PGHGNJMVN. In: ThWNT IV (1942), 911. Tatsächlich ist durch nichts narrativ angedeutet, dass die Wolke bestimmte Personengruppen einschließt und somit nicht den ganzen Berggipfel, sondern nur einzelne Bereiche bedeckt. Auch das GXM VJL PGHGNJL in
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
die Distanz zwischen Himmel und Erde und fungiert so als himmlisches Pendant zum Bergaufstiegsmotiv in V.2b, das ebenso der Annäherung von „Himmel und Erde“ dient. Bereits von hier aus ist der Deutung der Vorzug zu geben, dass nach markinischer Vorstellung die Wolke nicht allein einen „Schatten warf“, sondern sich als solche auf die Spitze des Berges herabsenkte und die Erzählfiguren umschloss. Das in V.8 erzählte GXZCRKPC geschehende „Umherblicken“ der Verklärungs-„Zeugen“ unterstützt die Vorstellung der herabkommenden und ebenso plötzlich verschwindenden Wolke.523 Die erzählerische Tendenz der Verklärungsperikope, die Geschichte weitgehend aus der Perspektive der Jünger darzustellen, findet von daher ihre Vollendung darin, dass sie in einen an die Adresse der Jünger er7b dürfte kaum ausreichen, um die Jünger außerhalb der Wolke zu positionieren. Ebenso wenig durchschlagend ist das redaktionskritische Argument bei M. ÖHLER [Verklärung, 211], wonach die postulierte redaktionelle Herkunft des gesamten V.6 einen Bezug des CWXVQKL exklusiv auf die drei Himmlischen erzwinge. Für eine narrative Integrationsfunktion sprach sich bereits E. LOHMEYER [KEK-Mk, 177] aus: „Sie [scil. die Wolke] vereint die bisher getrennten Gruppen und ist selbst das Zeichen der unmittelbaren Nähe Gottes“. So auch R.H. GUNDRY, Mark, 460f. Grammatisch ist die Streitfrage nach der Referenz von CWXVQKL in V.7a unlösbar, sodass der Ausleger auf Indizien des Kontextes angewiesen ist. Der Text sendet divergierende Signale aus. Wenn die auch in dieser Studie vertretene Auffassung, wonach in erzähllogischer Hinsicht V.7 direkt an V.4 anschließt, da Petrusvorschlag (V.5) und Erzählerkommentar (V.6) den Erzählfluss unterbrechen, exklusiv für die Deutung der Referenz des CWXVQKL geltend gemacht wird, wäre dabei ausschließlich an die in V.4 genannten „Himmlischen“ zu denken. So in etwa vertreten von H. B ALTENSWEILER [Verklärung Jesu, 84] mit Verweis auf H. R IESENFELD [Jésu Transfiguré, 249] und R. B ULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 280. Ferner J. GNILKA, EKK-Mk II, 35 Anm. mit 34; J.P. HEIL, Transfiguration, 131.148f.; D. LEE, Transfiguration, 22; G. LOHFINK, Himmelfahrt Jesu, 190; U. LUZ, EKK-Mt II, 510. Sollte die Wolke aber als Vehikel einer Himmelfahrt anvisiert sein (vgl. in etwa Apg 1,9; 1 Thess 4,17; Offb 10,1), so spräche diese Beobachtung für eine Beschränkung auf die himmlischen Besucher. Wenn jedoch der Zusammenhang mit dem „deplatzierten“ Petrusvorschlag betont wird, ggf. mit einer den Petrus korrigierenden Funktion, so könnte auf das PersonalpronomenJBOCL in V.5b und das Verb RQKJUYOGP in V.5c sowie den Erzählkommentar GMHQDQK ICT GXIGPQPVQ in V.6b verwiesen werden, zu dem das CWXVQKL in Entsprechung steht. Einen Bezug auf die Jünger allein vertreten z.B. M. D IBELIUS, Formgeschichte, 276 Anm. 3; J. ERNST, RNT-Mk, 258f.; R. P ESCH, HThK-Mk II, 76; L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 217. So auch A. V ÖGTLE [Unnötige Glaubensbarrieren, 92], der ebenso den Konnex der VV.5f. und 7 betont und zudem die „Orientierungslosigkeit“ der Jünger in V.8 dahingehend auswertet. Die divergierenden Indizien empfehlen m.E. einen Verzicht auf eine exklusive Zuordnung des CWXVQKL. So steht wahrscheinlich die narrative Integrationsfunktion der Wolke im Vordergrund. Überzeugend bei C. BREYTENBACH, Nachfolge, 245. Vgl. auch D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 308 Anm. 21: „Im jetzigen Zusammenhang schließt es [das CWXVQKL] die Jünger zumindest ein, die in Vv. 6b und 8 Subjekt sind und denen die Anrede in 7cd gilt.“ 523 Vgl. dazu auch die Überlegungen bei S. PELLEGRINI, Elija, 323f.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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gehenden Imperativ mündet. Diese sind intradiegetisch die Adressaten der Wolkenstimme, die anders als die Himmelsstimme der Taufe in die dritte Person transponiert und mit einer Verhaltensforderung versehen ist. Den zu Verklärungs-„Zeugen“ erwählten Jüngern wird in Mk 9,7 zunächst die Identität Jesu offenbart. Damit kommt es zu einem Ausgleich zwischen Jüngern und Rezipienten hinsichtlich des christologischen Wissens, über das die Rezipienten seit Mk 1,1 und die Dämonen kontinuierlich verfügen.524 Dieses christologische Wissen wird in 7d zunächst paränetisch ausgearbeitet, um in V.9 durch die bis Ostern geltende Schweigeverpflichtung sogleich narrativ „blockiert“ zu werden.525 Extradiegetisch wendet sich die Wolkenstimme der Verklärungsgeschichte – der Himmelsstimme der Taufperikope vergleichbar – ebenso an die Rezipienten des Gesamttextes und platziert die entscheidende Verstehenshilfe hinsichtlich der Gesamtnarratio. Stand V.4, der die Funktion des Nachweises der himmlischen Bürgerschaft Jesu hatte526, noch in der Gefahr, für die These einer theologischen Äquivalenz Jesu, Elijas und Moses offen zu sein, so wird in 9,7 durch die Gottes-Sohn-Prädikation Jesu eine solche Fehldeutung unmöglich gemacht, wobei die Prädikation zugleich Bedingung des angeschlossenen Imperativs ist: Nicht Mose oder der wiederkommende Elija, sondern Jesus allein ist die entscheidende eschatologische Heilsgestalt, auf die unbedingt zu hören ist.527 Die Mose überbietende Funktion Jesu wird durch die m.E. nicht zu leugnende Aufnahme der Mosetradition aus Dtn 18,15– 18 LXX eingespielt.528 Die Wolkenstimme erweist sich so also vom Erzählduktus der Geschichte voll motiviert, sodass sie m.E. kaum als redaktionelle Zutat „disqualifiziert“ werden kann. Mit dem Motiv der aus einer Wolke ertönenden Stimme zusammen mit der Prädikationsformel QWVQLGXUVKPQB WKBQLOQWQB CXICRJVQLwird zugleich auf den Anfangsteil des Evangeliums verwiesen und das dort ähnlich formulierte Rezeptionssignal am relativen Anfang des Weges Jesu nach Jerusalem an dieser Stelle rekapituliert und mit einer konkreten Handlungsanweisung verbunden –CXMQWGVGCWXVQW– , bei dem die Lehre Jesu in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Die Wolkenstimme der Transfigurationserzählung hat zwar in der Himmelsstimme der Taufperikope ihre Parallele, die jedoch gegenüber der 524 So Chr. ROSE [Theologie als Erzählung, 214] mit Verweis auf H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 104. 525 So für die Lk-Parallele M. W OLTER, HNT-Lk, 351. 526 Vgl. für viele P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 103. 527 Mit R. P ESCH, HThK Mk-II, 77. Vgl. auch P. M ÜLLER, „Wer ist dieser?“, 103f. 528 Dafür spricht nicht zuletzt die „Kommentierung“ dieser Stelle in der Parallelversion des LkEv, in der der Großevangelist das markinische CXMQWGVG CWXVQW stärker Dtn 18,15 LXX angleicht und in Apg 3,22 ein Zitat von Dtn 18,15 LXX mit Blick auf Jesus vorlegt. Vgl. M. W OLTER, HNT-Lk, 354.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Taufstimme (1,11) in die 3. Person Singular „transponierte“ Gottes-SohnPrädikation (QWVQLGXUVKPQBWKBQLOQWQBCXICRJVQL) sowie die Streichung des Gefallenmotivs (GXP UQK GWXFQMJUC) zugunsten des abschließenden Imperativs offenbaren, dass an dieser Stelle nicht eine Wesensaussage im Fokus des Interesses steht, sondern eine Funktionsaussage intendiert ist.529 Der Imperativ korrespondiert mit der narrativen Tendenz der Verklärungsperikope, die Perspektive der Jünger in der Darstellung einzunehmen, und weist so eine markante ekklesiologische Dimension auf. 3.9.2 Das Motiv der überschattenden Wolke (Mk 9,7a) Der Höhepunkt der Transfigurationsnarratio wird durch die Einführung der Wolke eingeleitet. Sie hat eine im Hinblick auf die sogleich folgende Gottes-Sohn-Prädikation propädeutische Funktion und ist als dynamische Manifestation der Präsenz Gottes konzipiert.530 Sie wird nicht als meteorologisches, sondern als weiteres epiphaniales Element eingeführt. Von der sonst üblichen Übersetzung von IKPGUSCK mit „werden“ oder „entstehen“ ist an dieser Stelle abzusehen, da ein Interesse an der Entstehung der Wolke aufseiten des Erzählers nicht vorliegt. Der innerhalb der Verklärungsperikope nach Mk 9,4b zweite Beleg einer periphrastischen Konjugation (GXIGPGVQ … GXRKUMKC\QWUC) legt das Augenmerk nicht auf die Entstehung, sondern auf den Effekt der Wolke, der in „Überschattung“ bzw. „Einhüllung“ liegt.531 Das Augenmerk der Auslegung hat daher auf dem Partizip GXRKUMKC\QWUC, nicht auf dem Verb GXIGPGVQzu liegen, das bei der Übersetzung folglich vollkommen entfallen kann. Bei der oben bereits aufgeworfenen Frage nach einer textadäquaten Übersetzung des sowohl im NT als auch in der LXX sehr seltenen Verbs GXRKUMKC\GKPist sowohl an „überschatten“/„seinen Schatten auf etwas werfen“ als auch an „einhüllen“ zu denken.532 Bei beiden Bedeutungsnuancen ist entweder eine hervorhebende oder „verdunkelnde“ bzw. „verbergende“ Aussageabsicht möglich. Die im profanen Griechisch überwiegende ver-
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Gleichwohl ist eine Alternative zwischen beiden Aussagedimensionen vom Text fernzuhalten, „da jede funktionale Aussage eine Wesensaussage impliziert“. Treffend bei F. HAHN, Art. WKBQL. In: EWNT III (21992), Sp. 916f. Vgl. auch P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 104. 530 Ähnlich auch C. BREYTENBACH, Nachfolge, 244. 531 Die Exegese von Mk 9,7a ist durch die semantische Ungenauigkeit des Verbs GXRKUMKC\GKP erschwert, wie D.S. DU T OIT [Abwesender Herr, 340 Anm. 47] treffend feststellt. 532 Als textfern darf – bei einer vorausgesetzten Übersetzung mit „überschatten“ – die Frage nach der korrespondierenden Komponente des Schattenmotivs gelten, da der Text kein Interesse an der Lichtquelle zeigt, die einer Schattenbildung sachlogisch zugrunde liegt. Ähnlich auch S. PELLEGRINI, Elija, 323.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
221
dunkelnd-pejorative Funktion von GXRKUMKC\GKP533 wäre angesichts der angeschlossenen christologischen Prädikation textlogisch sinnlos und kann bei den folgenden Überlegungen sogleich entfallen. So verbleibt eine hervorhebende Funktion mit einer überschattenden oder einhüllenden Aussagerichtung, die in beiden Fällen zugleich das emotionale Motiv einer göttlichen „Bergung“ transportieren kann. Die LXX übersetzt das hebräische Verb NVaus Ps 91,4 mitGXRKUMKC\GKP.534 Das Verb hat hier eine übertragene Bedeutung mit einer positiven Funktion und drückt die angesprochene bergende Fürsorge Gottes aus. Ausdruck der göttlichen FWPCOKL ist dieses Verb in Lk 1,35535, wobei auffällt, dass das Ziel der erklärenden Aussage Gabriels, bei der vom GXRKUMKC\GKPmittels göttlicherFWPCOKLdie Rede ist, gerade die Gottessohnschaft Jesu ist. Da nun FWPCOKL und RPGWOC ohne erkennbaren Unterschied in Lk 1,35b.c mithilfe eines synonymen Parallelismus membrorum miteinander korreliert werden, zeichnet sich auch bei Lk eine pneumachristologische Dimension der Aussage heraus. Die Einsetzung Jesu zum WKBQL SGQW ist aber verglichen mit Mk 1,10f. weiter zurückdatiert und wird mit der „Einwirkung des Geistes auf dessen [scil. Jesu] Mutter“ begründet.536 Der Konnex vonGXRKUMKC\GKPmit der Gottes-Sohn-Christologie in Verbindung mit der machtvollen Präsenz Gottes ist gleichwohl hier und da auffallend. Vom Schatten des Wundertäters Petrus, von dem Heilung erhofft wird, ist in Apg 5,15 die Rede.537 Pejorativ ist der Gebrauch des Verbs auch in Spr 18,11: W=RCTZKLRNQWUKQWCXPFTQLRQNKLQXEWTC JB FG FQZC 533 Vgl. dazu die Belege bei S. SCHULZ, Art. UMKC MVN. In: ThWNT VII (1964), 401. Eine Zwischenstellung nimmt hierbei Philo von Alexandrien wahr, bei dem das Verb GXRKUMKC\GKP auffällig oft Verwendung findet. Neben der gelegentlich anzutreffenden eigentlichen Bedeutung (vgl. z.B. Som I 102: VCL VG ICT CXRQ MTWOQW MCK SCNRQWL GKXY SWKCL VY^ UYOCVK MCVCUMJRVGKP DNCDCL GXUSJL CXRYSGKVCK MCK GXRKUMKC\GK VC VJL HWUGYLCXRQTTJVCMCK GUVKPCBTOQVVYPUYOCVKMQUOQLJB CXORGEQPJ) ist das Gros der Belege in übertragener Bedeutung gebraucht. Es wird im Zusammenhang philonischer Anthropologie verwendet. So „überschatten“ nach Jos 49 die GXRKSWOKC K die Sinne: FGKPCK ICT CKB GXRKSWOKC K MCK VCL CXMTKDGUVCVCL VYP CKXUSJUGYP GXRKUMKCUCK. Nach All II 58 überschatten die Begierden VQ NQIKMQP: EKVYPGL F8 GKXUK VC OGTJ VQW CXNQIQW C? VQ NQIKMQPGXRGUMKC \G. Umgekehrt überschattet der Geist nach All II 30 die Sinne: JBNKQWFJ VTQRQPQBPQWLGXITJIQTYLOGPGXRKUMKC\GKVCKLCKXUSJUGUK. 534 Ps 90,4 LXX: GXP VQKL OGVCHTGPQKL CWXVQW GXRKUMKCUGK UQK MCK WBRQ VCL RVGTWICL CWXVQW GXNRKGKLQ=RNY^ MWMNYUGKUGJB CXNJSGKCCWXVQW . Vgl. zur Wiedergabe von NV durch die LXX T. KRONHOLM, Art. NVIn: ThWNAT V (1986), 855. 535 Eine sachliche Verwandtschaft von Lk 1,35 mit Ex 40,34f. wird allgemein anerkannt. Vgl. nur J.B. B ATUT, Transfiguration, 60; H. Schürmann, HThK-Lk-I, 53; M. W OLTER, HNT-Lk, 93. 536 Vgl. M. WOLTER, HNT-Lk, 93. 537 Vgl. dazu G. SCHNEIDER, Art. GXRKUMKC\Y. In: EWNT II (21992), Sp. 86. Vgl. auch die hochinteressante Zusammenstellung des infrage kommenden religionsgeschichtlichen Materials bei P.W. VAN DER HORST, Peter’s Shadow, passim.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
CWXVJL OGIC GXRKUMKC\GK. Ist also von einem negativ-verdunkelnden Verständnis abzusehen, so bleibt die Frage einer Übersetzung von GXRKUMKC\GKP mit „überschatten“oder „einhüllen“ unbeantwortet. In der im Zusammenhang der Exegese von Mk 9,2–8 zentralen Referenzstelle Ex 40,35 (MCK QWXM JXFWPCUSJ /YWUJL GKXUGNSGKP GKXL VJP UMJPJP VQW OCTVWTKQW Q=VK GXRGUMKC\GPGXR8 CWXVJP JB PGHGNJ MCK FQZJL MWTKQWGXRNJUSJJB UMJPJ), die auch als Vorstellungshintergrund der angesprochenen Aussage in Lk 1,35 wahrscheinlich ist, ist die Wolke Symbol der Schechina Gottes. Sie überschattet die Stiftshütte nicht, sondern hüllt sie vollkommen ein. Dabei ergibt sich aber eine interessante Beobachtung, deren Bedeutung durch das Zitat dreier motivgeschichtlich verwandter Stellen des Buches Exodus visualisiert werden soll: Ex 24,16:
Ex 40,34: Ex 40, 35:
MCK MCVGDJ JB FQZC VQW SGQW GXRK VQ QTQL VQ 5KPC MCK GXMCNW[GPCWXVQJBPGHGNJG?ZJBOGTCLMCKGXMCNGUGPMWTKQLVQP /YWUJPVJ^JBOGTC^VJ^GBDFQOJ^GXMOGUQWVJLPGHGNJL MCK GXMCNW[GP JB PGHGNJ VJP UMJPJP VQW OCTVWTKQW MCK FQZJLMWTKQWGXRNJUSJJBUMJPJ MCK QWXM JXFWPCUSJ /YWUJL GKXUGNSGKP GKXL VJP UMJPJP VQW OCTVWTKQW Q=VK GXRGUMKC\GP GXR8 CWXVJP JB PGHGNJ MCK FQZJL MWTKQWGXRNJUSJJBUMJPJ538
Das Desiderat einer Bezeugung vonGXRKUMKC\GKPin Ex 24 ist oft aufgezeigt und als Argument gegen eine in Mk 9,2–8 vorliegende Mosetypologie ins Feld geführt worden. Dieses Verb findet sich aber in der Tradition des Bundeszeltes in Ex 40,35. Im vorhergehenden Vers wird der gleiche Vorgang mit der Wolke als Subjekt mit dem Prädikat GXMCNW[GP ausgedrückt, bei dem ein semantischer Unterschied zu dem im Folgevers gebrauchten GXRGUMKC\GPnicht erkennbar ist. Dieses Verb verbindet Ex 24,16 und 40,34. Der in Ex 40,34f. anscheinend vorliegende synonyme Gebrauch von GXRKUMKC\GKP und MCNWRVGKP könnte eine Erklärung für das Desiderat des VerbsGXRKUMKC\GKP in Ex 24,16 bieten.539 Leitend ist in Ex 40,34 der Gedanke einer massiven Präsenz der Wolke, die Mose das Hineingehen in das Bundeszelt unmöglich machte. Daher wäre eine Übersetzung mit „überschatten“ textlogisch inkonsequent, sodass der Übersetzung mit „einhüllen“ der Vorzug zu geben ist. Diese Bedeutung liegt m.E. auch beim Syn538 Vgl. aber auch Num 9,18 LXX: UMKC\GK JB PGHGNJ GXRK VJL UMJPJL ; Num 9,22: PGHGNJL UMKC\QWUJL GXR8 CWXVJL. In Num 10,36 sind die Israeliten selbst Objekte der „Überschattung“: MCKJBPGHGNJGXIGPGVQUMKC\QWUCGXR8CWXVQKL . 539 Vgl. dazu auch G. SELLIN [Leben des Gottessohnes, 245], der in PGHGNJ GXRKUMKC\QWUC einen „wörtliche[n] Anklang an Ex 40,35“ erkennt. Von hier aus darf darauf hingewiesen werden, dass in der LXX-Rezension des Aquila das Verb GXRKUMKC\GKP in Ex 24,16 begegnet.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
223
tagma PGHGNJGXRKUMKC\QWUCCWXVQKLin Mk 9,7a vor.540 Die Vorstellung einer „Einhüllung“ aller sechs auf dem Berg befindlichen Erzählfiguren korrespondiert hervorragend mit dem orientierungslos anmutenden RGTKDNGRGUSCK der Jünger sogleich im Anschluss an den Aphanismos (V.8). Für „einhüllen“ spricht zudem die Redaktionsarbeit des Großevangelisten Lukas, der die Erscheinung der Theophaniewolke mit dem Furchtmotiv im Sinne einer klassischen Theophaniereaktion in Verbindung bringt. Wenn es in Lk 9,34c heißt GXHQDJSJUCPFG GXPVY^ GKXUGNSGKPCWXVQWL GKXLVJPPGHGNJP, so ist die Aussage nur dann verständlich, wenn der Vergleichspunkt des Bildes eine vollkommene „Einhüllung“ durch die Wolke ist. Von einer Furcht der Jünger vor dem Eintreten in den Schatten der Wolke ist im Lukastext nicht die Rede. Der auctor ad Theophilum hat Markus anscheinend dahingehend verstanden, dass die Präsenz der Wolke auf dem Berg keinesfalls auf ihren Schatten reduziert werden kann. Mit der Einführung der Wolke rekurriert der Erzähler auf eine alttestamentlich-frühjüdische Plausibilität der Gegenwart Gottes, die es ermöglicht, höchste Präsenz Gottes einerseits mit der Wahrung seiner Verborgenheit und Transzendenz andererseits zusammenzudenken.541 Von daher
Überzeugend bei R.H. GUNDRY, Mark, 460: „… that GXRKUMKC\QWUC includes complete envelopment, not just shade overhead“. So auch J.E. FOSSUM, Ascensio, 91; E. HAENCHEN, Weg Jesu, 306; G. SCHNEIDER, Art. GXRKUMKC\Y. In: EWNT II (21992), Sp. 86; S. SCHULZ, Art. UMKC MVN. In: ThWNT VII (1964), 402. Ferner R. P ESCH, HThK-Mk II, 76: „bergend-verbergende[s] Sichniederlassen der Wolke“. 541 Wie die Wolken in einer für den antiken Menschen schier unerreichbaren Höhe platziert sind, so ist auch Gott unerreichbar, vgl. nur Hi 35,5; ferner Bar 3,29. Zugleich sind die Wolken der Ort, von dem in eschatologischer Heilszeit das Kommen der Gerechtigkeit erwartet wird. Vgl. Jes 45,8. Ein Nebenstrang bildet die Wolke als Element von Gewitterphänomenen, die als Waffen JHWHs dargestellt werden. Vgl. nur Ps 18,10f.; 77,18f.; Nah 1,3. Gewitterwolken sind dabei entweder als „Kriegswagen Jahwes“ vorgestellt oder haben die Funktion, seinen Glanz zu verhüllen. Vgl. zu diesem Komplex A. SCRIBA, Theophanie, 17f.21. J.E. FOSSUM [Ascensio, 91–94], der die Transfigurationsnarratio vor dem Hintergrund des Topos der Himmelsreisen interpretiert und zu diesem Zweck kurzerhand den Verklärungsberg zum „heavenly locale“ (vgl. a.a.O., 74.82) erklärt, führt zur Interpretation von Mk 9,7 eine Reihe jüngerer rabbinischer Texte an (vgl. a.a.O., 92f.). Die Wolke interpretiert er als „heavenly dwelling or garment given to Jesus having ascended to heaven. As a matter of fact, the brilliant garment and the cloud … are variants of the same theme“. Um Plausibilität auf diese vom markinischen Wortlaut nicht gedeckte Behauptung zu lenken, bemüht Fossum eine weitere Zusatzhypothese und entscheidet sich im Anschluss an J. WELLHAUSEN [Evangelium Marci, 71] für die lediglich vom Sinaisyrer und der Minuskel 473 bezeugte Lesart CWXVY^ anstelle von CWXVQKL. Die Interpretation der herangezogenen Texte wirkt konstruiert und die textkritische Vorentscheidung befriedigt nicht. Vgl. zur Kritik am Ansatz Fossums besonders G. GUTTENBERGER , Gottesvorstellung, 89 Anm. 222; D. ZELLER , Bedeutung und Hintergrund, 314f. Noch weniger kann der hypothetische Bezug dieser textkritisch schlecht bezeugten Lesart 540
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
ist die Wolke ein prominentes Theophanieelement in der biblischen Literatur.542 Begünstigt wird dieses metaphysische Verständnis der Wolke sowohl durch das Gefühl allgemeiner Abhängigkeit (Wasser- und Lebensspender) als auch umfassender Ausgeliefertheit (Hagel; Blitz; Flut) aufseiten des antiken Menschen.543 Da die Wolke nach Mk 9,7 weder makrotextuell eine Rolle spielt, noch der Erzähler an ihrer Phänomenologie irgendein Interesse zeigt, wird der Rezipient durch dieses Erzählmotiv auf sein traditionell-biblisches Wissen hin angesprochen, das er zum Verständnis der Szene einbringen muss, und auf diese Weise zu einer intertextuellen Kooperation gedrängt.544 Der kumulative Aspekt der im Verlauf dieser Interpretation aufgezeigten Bezüge zur Exodus-/Sinaitradition lässt auch beim Erzählmotiv der Wolke an die Exodustradition Israels denken.545 Die Manifestation Gottes im Bild der Wolke gehört zu den Charakteristika der Sinai- und Exodustradition Israels.546 In letzterer hat die Präsenz JHWHs in der Wolke eine sowohl leitende als auch verhüllende bzw. bergende Funktion.547 Von besonderer Bedeutung ist – wie bereits aufgezeigt worden ist – Ex 40,35, da hier das Wolkenmotiv mit dem durch das Verb GXRKUMKC\GKP kommunizierten Verhüllungsmotiv zusammengedacht wird. Nach Ex 40,35 konnten weder Mose noch die Priester wegen der massiven Präsenz der Wolke das Heiligtum betreten. Die Wolke fungiert dabei als Modus der Erscheinung Gottes, deren Massivität den Zugang zum Zelt unmöglich macht.548 Die epiphaniale Dimension des Wolkenmotivs wird in der lukanischen Parallelversion der Verklärungserzählung in Lk 9,34f. dahingehend herausgearbeitet, dass das auch bei Markus vorliegende Furchtmotiv nach hinten verschoben und dezidiert mit dem Erscheinen der auf Petrus überzeugen, wie H. B ALTENSWEILER [Verklärung Jesu, 83 Anm. 77] vorgeschlagen hat. 542 Vgl. nur Ex 19,16; Ri 5,4f.; Hi 38,1; Ps 18,12; Ez 1,4. Vgl. dazu besonders A. OEPKE, Art. PGHGNJ MVN. In: ThWNT IV (1942), 907; D.N. FREEDMAN/B.E. W ILLOUGHBY, Art. Q>. In: ThWAT IV (1989), 270–275; L. SABOURIN, Biblical Cloud, passim. 543 Vgl. die Belege bei A. OEPKE, Art. PGHGNJ MVN. In: ThWNT IV (1942), 906.908. Ferner E. LOHMEYER, Verklärung Jesu, 196f. 544 Überzeugend bei S. PELLEGRINI, Elija, 325. 545 Der kumulative Aspekt ist entscheidend und gegen die Argumentation bei M. ÖHLER [Verklärung, 209f.] in Anschlag zu bringen, der einen Bezug auf die Sinai-/ Exodustradition massiv infrage stellt. Umso mehr verwundert es, dass ÖHLER [a.a.O., 210] zur Deutung des Verbs GXRKUMKC\GKP ausführlich auf Ex 40,34f. zurückgreift. 546 Mit A. OEPKE, Art. PGHGNJMVN. In: ThWNT IV (1942), 908. 547 Vgl. Ex 13,21f. (Q> G:0>); 14,20–25; 16,10; 19,9; 20,21; 24,15.16.18; 34,5; 40,34– 38; Lev 16,2; Num 11,25; 14,14; 17,7; Dtn 1,33; 5,19; 31,15; Ps 77,18; 78,14; 99,7; 105,39; Sir 24,4; Jub 1,2; LibAnt 13,1; Jos Ant III 310: JB PGHGNJ … GXUJOCKPG VJP GXRKHCPGKCPVQW3GQW; im NT nur 1 Kor 10,1f. 548 Mit M. ÖHLER, Verklärung, 210; S. P ELLEGRINI, Elija, 323.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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Wolke verbunden wird. Während bei Mk der „unverständige“ und durch den Erzähler mit der „Furcht“ begründete Vorschlag des Petrus direkte Reaktion auf die Erscheinung der himmlischen Besucher ist, wird in Lk 9,34 erst die Wolke mit diesem Furchtmotiv verbunden.549 Breit belegt ist zudem die Vorstellung, dass die Wolke als Gefährt bei einer Auffahrt in den Himmel Verwendung findet.550 Dass im Zusammenhang der Verklärungserzählung eine solche Funktion der Wolke im Hinblick auf die beiden himmlischen Gestalten impliziert sei, wäre jedoch noch zu erweisen.551 Der Text sendet m.E. keine Signale in diese Richtung aus. In neuerer Zeit unternahm J.P. Heil den Versuch, der Wolke im MkEv die Funktion eines Vehikels zur Rückkehr des Mose und Elija in den Himmel zu erweisen („vehicular cloud“). Seine Deutung überzeugt nicht. So wirkt bereits die restriktive Eingrenzung des CWXVQKLin V.7a allein auf Mose und Elija nicht glaubwürdig.552 Dieses Postulat wird von 549
Das Wolkenmotiv der Exodus-/Sinaitradition hat im Schrifttum des hellenistischen Judentums eine reiche Wirkungsgeschichte entfaltet. Philo zeigt an der Wolke als meteorologisches Element genauso wenig Interesse wie an ihrer mythologischen Bedeutung. Sein Interesse liegt auf dem Wolkenmotiv der Wüsten- und Endzeit. Vgl. VitMos I 166.178; VitMos II 254; Decal 44: MCSQFY^ PGHGNJLJ? MKQPQLVTQRQPVJPOGPDCUKPGXRK IJLJXTJTGKUVQ; Her 203. 550 Vgl. nur äthHen 14,8: KXFQW PGHGNCK GXP VJ^ QBTCUGK GXMCNQWP MCK QBOKENCK OG GXHYPQWPMCK FKCFTQOCK VYPCXUVGTYPMCK FKCUVTCRCK OGMCVGURQWFC\QPMCK GXSQTWD C\QP OGMCK CPGOQKGXPVJ^ QBTCUGKOQWGXZGRGVCUCPOGMCK GXRJTCPOGCPYMCK GKXUJPGIMCPOG GKXLVQPQWXTCPQP; slHen 3,1; TestAbr Rez. B. 9,8; 10,1; 15,2; grBar 5,7; Jos Ant IV 326 (Mose). Vgl. dazu besonders James D. T ABOR, Returning to the Divinity, passim.; Apg 1,9; 1 Thess 4,17; Offb 11,12. Im paganen Bereich vgl. Liv. I 16f. (Romulus); Dio Cassius LVI 46,2 (Augustus); Philostrat Vita Ap.Ty. VIII 30. 551 Ohne entsprechende Textbasis argumentiert M. Ö HLER, Verklärung, 211: „Schließlich werden Elia und Mose mit der Wolke wieder zurück in den Himmel genommen“. Der markinische Text sendet kein Signal in diese Richtung, weder wird ihr Erscheinen in Mk 9,4 noch ihr Verschwinden im Zusammenhang der Erscheinung einer Wolke beschrieben. Eine solche Deutung vertritt auch G. LOHFINK [Himmelfahrt Jesu, 191] für die lukanische Parallelversion. Eine Sichtung der Literatur offenbart, dass die Entrückungsfunktion der Wolke häufig ohne eine Grundlage im Text postuliert wird. Vgl. für viele T. SAITO, Mosevorstellungen im NT, 39. Beliebt ist auch die ebenso wenig überzeugende, am Topos von Himmelfahrtgeschichten orientierte Deutung, wonach es die Intention des Erzählmotivs der Wolke war, Jesus in diese hineinzurufen. So z.B. F.R. MCCURLEY [„And after six Days“, 79] im Hinblick auf das Wolkenmotiv in der markinischvorredaktionellen Fassung. 552 Es fällt auf, dass seine auf S.131 geäußerte programmatische Eingangsbemerkung vor der Einzelversanalyse von Mk 9,7 („we propose that a close reading of the immediate context and a careful consideration for the dynamics of how the cloud functions within the epiphany lead the audience eventually to realize that the cloud has overshadowed only Moses and Elija“) im Verlauf der Auslegung nicht überzeugend eingelöst wird. Die vorgelegte paraphrasierende Kurzexegese von Ex 24 reicht m.E. nicht aus, die Jünger der synoptischen Verklärungserzählungen vom CWXVQKLauszuschließen. So aber HEIL, a.a.O., 135: „Similarly, the disciples are outside the overshadowing cloud when they hear the
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Heil an keiner Stelle wirklich begründet. Dass das Erscheinen der Wolke in nächster Nähe mit dem Aphanismos-Motiv in V.8 steht, dürfte als Begründung wohl nicht hinreichend sein. Der Text spricht einzig den Sachverhalt an, „dass mit dem Verschwinden der Wolke auch Elia und Mose nicht mehr sichtbar sind“.553 Es fällt auf, dass Heil seine Position für „each version of the transfiguration narrative“ ausgehend von der Auslegung G. Lohfinks der lukanischen Parallelstelle gewinnt. Ist aber die Auslegung Lohfinks bereits für den Lk-Text nicht zwingend 554, so kann ihre Übertragung auf den Mk-Text vollauf nicht überzeugen.
Nicht zuletzt ist auch darauf hinzuweisen, dass der an den drei christologischen Schlüsselstellen (1,9–11; 9,2–8; 15,34–39) zu beobachtende temvoice of God coming ‚from the cloud‘“. Oben ist festgestellt worden, dass die divergierenden Textsignale es nahelegen, dass alle sechs Erzählfiguren unter das CWXVQKL zu subsumieren sind. Auch die Behauptung Heils, dass die Prädikationsformel QWVQL GXUVKP QB WKBQL OQW QB CXICRJVQL die Annahme erzwinge, dass auch Jesus außerhalb der Wolke gedacht werden müsse, kann nicht überzeugen. Wenn die Wolke als weiteres epiphaniales Element der Transfigurationsnarratio in V.7 eingeführt wird – was von Heil durchaus gesehen wird, vgl. a.a.O., 142 –, dann ist es als überaus wahrscheinlich zu erachten, dass nach erfolgtem Aphanismos diese in V.8 als verschwunden zu denken ist, wohingegen Heil deren Präsenz bis in V.8 verlängern möchte, um den postulierten exklusiven Bezug des CWXVQKL auf Mose und Elija zu „retten“: „In addition … there is no explicit notice that the overshadowing cloud has as yet disappeared from the scene“. Das orientierungslos anmutende RGTKDNGRGUSCK der Jünger in V.8 erklärt sich m.E. besser durch das Verschwinden einer Wolke, die zuvor alle sechs Erzählfiguren gleichzeitig „einhüllte“. Die Vermutung legt sich also nahe, dass Heil die im Zitat der S.131 wiedergegebene Eingangsbehauptung benötigt, um auf dieser die ebenso wenig überzeugende Behauptung einer „vehicular function“ der Wolke aufzurichten. Dann aber stellt sich zugleich die Frage, wie die postulierte weitere Präsenz der Wolke in Mk 9,8 mit ihrer „vehicular function“ zusammengedacht werden könne. Die Ungewissheit dieser Deutung scheint auch Heil deutlich zu spüren, wenn er auf S.143f. vage formuliert: „Although it is not explicitly narrated that the overshadowing cloud has transported Moses and Elijah back to heaven, by the end of each transfiguration account it has certainly concealed them from the eyes of the disciples.“ Dass in biblischer und jüdisch-hellenistischer Literatur der Gedanke einer „vehicular cloud“ existierte, wie Heils Zusammenstellung einiger Belege offenbart (2 Kön 2,11; äthHen 39,3; TestAbr Rez. B 8,1–3; 10,1f.; 12,1.9; grEsr 5,7; Apg 1,9; 1 Thess 4,17; Offb 11,12, vgl. a.a.O., 144–148), steht außer Frage, doch gelingt es m.E. Heil nicht, Plausibilität auf einen solchen angeblich auch im MkEv vorliegenden Gedanken zu lenken. 553 Mit L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 217. 554 G. LOHFINK [Himmelfahrt Jesu, 191] gewinnt seine Auslegung daraus, dass im LkEv die Wolke erscheine, „als Moses und Elias im Begriff sind, wieder in den Himmel zurückzukehren (9,33f.)“. Steht diese Deutung bereits auf schwachen Beinen, so trägt die folgende eine noch weitere vom Text nicht gedeckte Interpretation an den Lk-Text heran: „Die beiden Propheten gehen in die Wolke hinein (9,34)“ (sic!). Weder spricht Lk 9,34 von einer bewussten Aktion der himmlischen Besucher noch lässt sich dem lukanischen Wortlaut zweifelsfrei entnehmen, ob nur die beiden Himmlischen oder ob nicht auch Jesus durch die Wolke eingehüllt wurde. Die Deutung „sie sind also in der Wolke entrückt worden“ stellt bereits für Lk keine zwingende Interpretation dar. Noch weniger ist dies für Mk 9,7 der Fall.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
227
pelkritische Unterton auch in 9,7 verifiziert werden kann, da nach priesterlicher Vorstellung die Präsenz der Wolke, die das Stiftszelt während der Wüstenwanderung bedeckte (vgl. Ex 40,34f.; Num 9,18.22; 17,7; Dtn 31,15), auf den Tempel übergegangen ist (vgl. 1 Kön 8,11: MCK QWXM JXFWPCPVQ QKB KBGTGKL UVJPCK NGKVQWTIGKP CXRQ RTQUYRQW VJL PGHGNJL Q=VK GRNJUGPFQZCMWTKQWVQPQK MQP; 2 Chr 5,14; Ez 10,4).555 Wenn nun fernab von Jerusalem – im Norden Israels – in einer Epiphanieszene eine an die Exodustradition erinnernde Wolke erscheint und aus dieser die göttliche Stimme erschallt, so darf in diesem Erzählzug das Maß an Distanz zum Jerusalemer Tempel keinesfalls verkannt werden. 3.9.3 Die Gottes-Sohn-Prädikation (Mk 9,7c) Bis zum Teilvers Mk 9,7c war die Transfigurationserzählung ein Visionsgeschehen zugunsten der Jünger. Dem widerspricht weder das Gespräch des verklärten Jesus mit Elija und Mose, bei dem das Gesprächsobjekt ein Desiderat bleibt, noch die verbale Intervention des Petrus, da diese im strengen Sinne kein eigentliches Epiphanieelement an sich, sondern eine Epiphaniereaktion darstellt. So liegt trotz der verbalen Implikationen der Fokus des Geschehens auf den visuellen Elementen der Handlung. Dieser visuell-wahrnehmbaren christologischen Botschaft wird nun eine göttliche, akustisch-kognitive flankierend zur Seite gestellt, die durch die Umhüllung mittels der die göttliche Präsenz anzeigenden Wolke vorbereitet wird, und deren Adressaten intradiegetisch erneut die Jünger556, extradiegetisch die Rezipienten des Textes sind.557 Das QWVQL GXUVKP, mit dem die Gottesrede ansetzt, hat deiktische Funktion und dient zur Prädikation Jesu als WKBQL 555
Vgl. dazu M. ÖHLER, Verklärung, 209 mit Anm. 35. Dass auch die biblischen Würdenträger als Adressaten des göttlichen Imperativs dargestellt werden sollen, ist dagegen mehr als unwahrscheinlich. Gleiches gilt für die christologische Prädikation in 7c. Gut bei J.M. Nützel, Verklärungserzählung, 144 Anm. 288. Zunächst setzt Mk 9,4 die Assoziation hoher Übereinstimmung zwischen den drei auf dem Berg befindlichen „Himmlischen“ frei, die durch einen Gehorsamsbefehl Gottes gleichsam konterkariert würde. Sodann steht die Qualifizierung Jesu als WKBQLCXICRJVQL – wie noch zu zeigen ist – eindeutig in einem passionstheologischen Kontext. Der göttliche Imperativ steht daher in einer mikrokontextuellen Entsprechung zum Protest des Petrus gegen das Leiden (8,32f.) sowie seinem damit zusammenhängenden Vorschlag zur Errichtung dreier UMJPCK. Beide petrinischen Aktionen werden durch die Autorität Gottes einer Korrektur unterzogen. Gegen einen Bezug auch auf Elija und Mose spricht ebenfalls die Jüngerperspektive, aus der die Verklärungsgeschichte erzählt wird: Wie die Metamorphose Jesu (9,2c) und das Erscheinen der himmlischen Besucher (9,4) strikt auf die Jünger zu beziehen sind, richtet sich die in V.7 kommunizierte göttliche Offenbarung intradiegetisch auf die drei „Adressaten der Offenbarung“. Mit W. MICHAELIS, Art. QBTCY MVN. In: ThWNT V (1954), 354. 557 Die von J.M. NÜTZEL [Verklärungserzählung, 147] konstruierte Alternative „Jünger“ oder „Leser“ überzeugt vom Ansatz nicht. 556
228
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
OQW, auf der deutlich der Fokus der Aussage liegt. Diese verbale, göttliche und das Transfigurationsgeschehen deutende Intervention558 besteht aus zwei komplementär aufeinander bezogenen Teilen: der Gottes-Sohn-Prädikation (7c.) sowie der an diese angeschlossenen Gehorsamsaufforderung (7d). Die auffällige Formulierung QB WKBQL OQW QB CXICRJVQL drängt zusammen mit der der himmlischenHYPJ dazu, diese Passage zunächst vor dem Hintergrund der in der Taufperikope erzählten Geistbegabung, sodann im Zusammenhang der Weinbergparabel zu bedenken. Der erste Referenzpunkt ist zunächst die Taufperikope, da unbestreitbar eine Variation der Taufstimme vorliegt, wobei jedoch große Vorsicht angeraten ist, darin einen Beweis für die Abhängigkeit der Wolkenstimme von der Taufstimme (oder umgekehrt) zu sehen.559 Anders sieht es beim Verbaladjektiv CXICRJVQLaus, das mit guten Gründen an allen drei Stellen (Mk 1,11; 9,7; 12,6) markinischer Redaktion zuzusprechen ist. In 1,11 und 9,7 stellt es eine an Gen 22,2.12.16 LXX orientierte markinische Qualifizierung des Sohnes dar, die als solche über die als Prätexte wahrscheinlichen Stellen Ps 2,7 und Jes 42,1 bzw. Dtn 18,15 hinausgeht, während in der Weinbergparabel (12,1–12) das Verbaladjektiv CXICRJVQL das einzige schmückende Adjektiv der Gesamtparabel ist560, das mit hoher Wahrscheinlichkeit markinisch-redaktionell eingefügt wurde, um die Parabel in einen Konnex mit den zentralen christologischen disclosure-Perikopen 1,9–11 und 9,2–8 zu bringen. Da nun dieses Adjektiv an allen drei Stellen eine emotionale Implikation hinsichtlich des markinischen Gottesbildes beinhaltet, ist eine intratextuelle In-Bezug-Setzung exegetisch unabdingbar. Die Platzierung dieser christologischen Prädikation Jesu auf dem Höhepunkt der Transfigurationsnarratio reiht sich ein in die in Diensten der narrativen Emphase stehende Taktik, bestimmte Elemente der Erzählung durch Wiederholung zu forcieren.561 Diese Beobachtung gilt für den im Eingangsvers des Makrotextes und an den drei christologischen Schlüsselstellen 1,9–11; 9,2–8 und 15,33–39 betont genannten christologischen Hoheitstitel WKBQL SGQW in besonderer Weise. Ihm kommt angesichts der Tat558
Mit L. SCHENKE, Markusevangelium (1988), 88. Richtig bei R. P ESCH, HThK-Mk II, 77: „Die Beziehungen zwischen Tauf- und Verklärungsgeschichte sind nicht im Sinne der Abhängigkeit der einen von der anderen … zu lösen“. Dies gilt in besonderer Weise für die göttliche Stimme. Keinesfalls kann der vorliegende Hoheitstitel Aufschluss über ein wie auch immer geartetes Abhängigkeitsverhältnis geben. So plädiert auch G. DAUTZENBERG [„Sohn Gottes“, 99] überzeugend für eine Übernahme des christologischen Hoheitstitels „Sohn Gottes“ aus den dem Mk-Evangelisten vorliegenden „Traditionen“. 560 So überzeugend U. MELL [Die „anderen“ Winzer, 38] mit Verweis auf H. FRANKEMÖLLE , Jesus, 197 Anm. 44. 561 Vgl. dazu die Ausführungen bei R.C. T ANNEHILL, Jünger im MkEv, 45. 559
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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sache, dass er zweimal aus dem Munde Gottes erklingt (1,11; 9,7) und in 15,39 im Anschluss an das Sterben Jesu nicht hinter einer Schweigeverpflichtung verborgen wird, damit also der zuerst und zuletzt genannte christologische Hoheitstitel ist, höchstes Gewicht zu.562 Gleichwohl finden sich in der Tauf- und Verklärungsperikope, die beide ältestes Traditionsgut verarbeiteten, noch Spuren eines frühchristlichen Vorbehalts gegen den Sohn-Gottes-Titel, auf den U.B Müller überzeugend hingewiesen hat563, insofern der Titel WKBQLSGQW nicht gebraucht wird, sondern vom Rezipienten über die Korrelation des Syntagmas WKBQL OQW mit der HYPJ GXM VYP QWXTCPYPbzw.GXMVJLPGHGNJLallererst erschlossen werden muss.564 Nach der vom Rezipienten zu leistenden Erschließung ist nicht in Abrede zu stellen, dass auf der Ebene des Gesamttextes die Theologoumena WKBQL CXICRJVQLundWKBQLSGQW einander angeglichen werden.565 Der Text enthält jedoch einen Deutungsrest, durch den sich Splitter jüdischer Zurückhaltung gegenüber diesem christologischen Hoheitstitel bewahrt haben. Gleichwohl ist die Rollenverteilung „Vater“ und „Sohn“ in Mk 9,7 offensichtlich. Die im Raum stehende Bezeichnung Gottes alsQB RCVJTaus dem Munde Jesu wird im MkEv in 13,32 und 14,36 narrativ eingeholt.566 Ist nun die Taufperikope als „das entscheidende hermeneutische Vorzeichen für die Darstellung des Wirkens Jesu im MkEv“567 konzipiert, dann rekurriert die Wolkenstimme der Transfigurationsperikope auf der Ebene des Endtextes auf diese Begabung mit dem göttlichen RPGWOC, die als solche den „Realgrund der Erwählung und Sendung Jesu“ benennt.568 Danach ist Jesus gerade in seiner Funktion als Geistträger Künder der eschatologisch entscheidenden Botschaft Gottes569, auf die zu hören ist. Von daher fungiert 7c als theologisch-sachliche Begründung des angeschlossenen Imperativs: Weil Jesus als Geistträger der Sohn Gottes ist und als WKBQL CXICRJVQL in einer einzigartigen Gottesbeziehung steht, ist seinen Worten unbedingt Folge zu leisten.
562
Überzeugend bei H.-Chr. KAMMLER, Verständnis der Passion, 466. Ferner M.D. HOOKER, Creative Conflict, 134. 563 Vgl. dazu seine Überlegungen in „Sohn Gottes“, 1–7. 564 Auf das „blasphemische“ Potential des Titels „Sohn Gottes“ in jüdischen Ohren weist Mk 14,61–64 deutlich hin. Mit U.B. M ÜLLER, „Sohn Gottes“, 15. 565 Vgl. H.-J. KLAUCK, Allegorie und Allegorese, 310. 566 Einzig in Mk 11,25 findet die Bezeichnung Gottes als QB RCVJT Verwendung im Hinblick auf das Verhältnis Gottes zur Gemeinde, wobei das Syntagma MCK Q=VCPUVJMGVG RTQUGWEQOGPQK (11,25a) deutlich auf einen liturgischen Vollzug verweist, der einen solchen Sprachgebrauch begünstigte. 567 Mit M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 61. 568 Mit M. T HEOBALD, a.a.O. 569 Überzeugend bei D.S. DU TOIT, „Gesalbter Gottessohn“, 41.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Da nun die intratextuelle Korrespondenz von Mk 1,11 und 9,7 unbestreitbar ist, liegt auf dem Imperativ in 9,7d von daher ein besonderer Nachdruck, als dieser an die Stelle der Wohlgefallensformel der Taufstimme (GXP UQK GWXFQMJUC) tritt und somit gegenüber der Himmelsstimme eine Innovation darstellt. Dabei ist eine wesentliche Verschiebung gegenüber der Taufperikope zu verzeichnen: Wird die Himmelsstimme in Mk 1,11 als ein Geschehen zwischen Vater und Sohn dargestellt, worauf der narrative Ausschluss anderer Beobachter des Geschehens mittels des Syntagmas GK FGP UEK\QOGPQWLVQWLQWXTCPQWL sowie die Verwendung der 2. Person Singular (UW GK QB WKBQLOQWQBCXICRJVQL) deutlich verweisen, sodass die Leser/Hörer des Evangeliums „die Öffentlichkeit“ darstellen, „der das Geheimnis Jesu ‚bestätigt‘“ wird570, so ist in Mk 9,7 Jesus das Objekt einer „Ansprache“ Gottes selbst, die zugunsten sowohl der Leser/Hörer als auch der Jünger geschieht:QWVQLGXUVKPQB WKBQLOQWQB CXICRJVQLCXMQWGVGCWXVQW. Jesus wird erst ab 9,9 erneut als die ins Geschehen eingreifende Person gekennzeichnet (FKGUVGKNCVQCWXVQKLK=PC…). Der wesenhaften Zugehörigkeit Jesu zu seinem Vater liegt – wie in der Taufperikope – die „biographische Familie“ als „Ideenspender“ zugrunde.571 Diese Vorstellung wird durch die Verbindung der Lehre Jesu mit der göttlichen Gehorsamsaufforderung in Richtung einer Aktionseinheit hin ausgearbeitet, wobei dieser Gedanke durch die mit dem Verbaladjektiv CXICRJVQL mitschwingende semantische Assoziation nicht eines Sohnes, sondern des einzigen Sohnes Gottes nochmals gefördert wird.572 Der Ge570
Mit M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 59. So überzeugend D. DORMEYER [Testament, 223] im Hinblick auf die Installationsformel in Mk 1,11. 572 Vgl. dazu Gen 22,2 LXX: MCK GK RGP NCDG VQP WKBQP UQW VQP CXICRJVQP [MT: AG!\[L\!WD AQ!%LWD] Q?PJXICRJUCLVQP,UCCM … Vgl. dazu ferner Gen 22,12.16; Jer 6,26; Am 8,10; Sach 12,10. So für Mk 1,11 auch R. KAMPLING, Israel, 57; C.R. KAZMIERSKI, Jesus, 54f.; H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 131; C.H. TURNER, 7,15, passim. Ferner E. HAENCHEN, Weg Jesu, 55: „Der einzige Sohn ist der geliebte Sohn.“ So auch M. HORSTMANN, Studien, 93f.; A. SUHL, Funktion, 104 Anm. 39; V. T AYLOR, Gospel according to St. Mark, 161. Für Mk 12,6 auch H.-J. KLAUCK, Mord im Weinberg, 124; U. Mell, Die „anderen“ Winzer, 37f.; D.S. DU T OIT, „Gesalbter Gottessohn“, 38. Für Lk 20,13 M. W OLTER, HNT-Lk, 647. Die vergleichsweise sparsame Verwendung des emotional „aufgeladenen“ Wortfeldes CXICR- (das Lexem CXICRCP findet sich in 10,21; 12,30f.33; CXICRJVQL in 1,11; 9,7 und 12,6; kein Beleg des Substantivs CXICRJ!) in Verbindung mit der Sohnesprädiktion drängt dazu, Tauf-, Verklärungsperikope und Winzergleichnis christologisch miteinander zu verbinden. Mit A. WEIHS, Deutung des Todes, 470 Anm. 41. Vgl. auch M. E BERSOHN, Nächstenliebegebot, 164 mit Anm. 98. An allen drei genannten Stellen wird mittels des Verbaladjektivs CXICRJVQL „das Verhältnis Gottes zu seinem Sohn“ bestimmt. Vgl. G. SCHNEIDER, Art. CXICRJMVN. In: EWNT I (21992), Sp. 28f. Es ist zudem Ausdruck der bevorzugenden Liebe Gottes, die als solche exklusiv Jesus zum Objekt hat. So G. QUELL; E. STAUFFER, Art. CXICRCY MVN. In: ThWNT I (1933), 48. 571
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
231
danke der Aktionseinheit – wie er auch in der syntaktisch nachgestellten, dadurch aber bewusst betonten Platzierung des Verbaladjektivs CXICRJVQL auch grammatisch unterstrichen ist – lässt eine enge thematische Verbindung zu dem in großer mikrokontextueller Nähe zur Verklärungsperikope platzierten Logion Mk 8,38 als wahrscheinlich erscheinen, wonach der Höhepunkt der Präsenz Gottes in Jesus Christus in eschatologischer Zukunft erreicht wird, wenn der Menschensohn GXPVJ^FQZJ^ VQWRCVTQLCWXVQW OGVCVYPCXIIGNYPVYPCBIKYPkommt.573 Was in eschatologischer Zukunft vollendet sichtbar sein wird, wird in Mk 9,2–8 mittels der Transfiguratio vorweggenommen und narrativ ausgemalt. Von hier aus ist es richtig zu sagen, dass die „Prädikation Jesu 9,7 … in zwei Zeitdimensionen eingespannt“ ist, „die des ‚Woher‘ (Geistbegabung seit seiner Taufe) und das ‚Wohin‘“574, jedoch nur dann, wenn die 573
Mit G. GUTTENBERGER [Gottesvorstellung, 90f.] mit Verweis auf TestHiob 33,3.9, wo der leidende Hiob auf seinen himmlischen Thron beim Vater verweist. Für den unschuldig leidenden Hiob bedeutet dieser Ausblick Hoffnung auf die Schau der Herrlichkeit und Teilhabe an der Herrschaft Gottes. Vgl. dazu A. Strotmann, „Mein Vater bist du“ (Sir 51,10), 187. Die VV.3 (GXOQW QB STQPQL GXP VY^ WBRGTMQUOKY^ GXUVKP MCK JB VQWVQW FQZC MCK JB GWXRTGRGKC GXM FGZKYP VQW RCVTQL GXUVKP) und 9 (GXOQK FG JB DCUKNGKC GKXL CKXYPCL CKXYPYP MCK JB FQZC MCK JB GWXRTGRGKC CWXVJL GXP VQKL C=TOCUKP VQW RCVTQL WBRCTEGK) bilden die erste und letzte Strophe eines antithetisch geprägten hymnischen Gedichtes des Hiob, mit dem dieser auf die Klage des Elihu und Eliphas (TestHiob 32) antwortet. Vgl. dazu B. SCHALLER, Das Testament des Hiobs. In: JSHRZ III 3, 353. Die VV.3.9 bilden zudem einen kunstvollen Parallelismus membrorum und umgrenzen das Gedicht im Sinne einer Inclusio. Vgl. dazu A. STROTMANN, a.a.O., 181. Ziel der Aussage ist die Teilhabe Hiobs an der Herrschaft Gottes, wie sie besonders in der STQPQLMetapher zum Ausdruck kommt. Der Gedanke der Teilhabe wird semantisch durch die Lokalisierung dieses Throns gefördert, der GXM FGZKYP VQW RCVTQL positioniert gedacht wird, da nach P. VON DER OSTEN-SACKEN [Art. FGZKQL. In: EWNT I (21992), Sp. 686] der Platz „zur Rechten“ der vornehmste Ehrenplatz ist, der als solcher „Anteil an dessen [scil. Gottes] Ehre und Macht“ einschließt [vgl. auch Ps 109,1 LXX (MCSQW GXM FGZKYP OQW), im NT z.B. Mk 12,36; 14,62parr.; Apg 2,34; Hebr 1,13)]. Eine thematische Berührung zwischen Mk 8,38 und TestHiob 33,9 ergibt sich insofern, als das Syntagma GXPVQKL C=TOCUKP auf „Streit- oder Kriegswagen“ (vgl. Gesenius, 457) rekurrieren könnte im Sinne einer himmlischen Schutz- oder Hilfsmacht. Mit Blick auf die Engelsmächte führt G. v. RAD [Art. CIIGNQL MVN. In: ThWNT I (1933), 77] aus, dass im AT eine „Eigentümlichkeit“ der „himmlischen Umgebung … das Kriegerische ist“ (Gen 32,1f.; Jos 5,13; Ri 5,20; 1 Kön 22,19; 2 Kön 6,17). Dass eine solche Vorstellung einer Jesus zur Verfügung stehenden himmlischen Schutzmacht der synoptischen Tradition nicht fremd ist, offenbart Mt 26,53 deutlich. 574 So M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 41 Anm. 14. Anders als Theobald erkenne ich in der Transfiguratio jedoch einen Hinweis auf die eschatologische Herrlichkeit Jesu (vgl. 8,38; 9,1), weniger einen Verweis auf die Auferstehungsherrlichkeit. Dagegen spricht m.E. nicht 9,9f., der nicht die Auferstehungsthematik in 9,2–8 nachträglich einfügt, sondern lediglich den Terminus post quem der Verkündigung des auf dem Berg Geschauten markiert.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Verklärung damit nicht in unsachgemäßer Weise zu einer Prolepse der Parusie degradiert wird, sondern als Verweis auf die weitestgehend verborgene, wahre Würde Jesu, die erst eschatologisch eine offensichtliche sein wird, verstanden wird. Die Korrespondenz des eschatologischen Ausblicks in Mk 8,38 mit der in 9,2–8 erzählten Verklärungsgeschichte gibt Informationen über das markinische Konzept der Präsenz Gottes in der irdischen Wirklichkeit, die bis zur Vollendung der Endereignisse an die Person Jesu gebunden wird. Ist die Transfiguratio als Präludium der Herrlichkeit Jesu bei seiner eschatologischen Wiederkehr als Menschensohn konzipiert, bei der die FQZC des Vaters bleibend im Sohn gegenwärtig sein wird, dann dient die Verklärungsgeschichte in ihrer vorwegnehmenden Funktion als Hinweis auf die Präsenz Gottes in dieser Welt in der Person Jesu: Wer Jesus „erkennt, gerät in die Nähe des epiphanen Gottes“. 575 Bedingung der in 8,38 angesprochenen eschatologischen Wiederkehr des Menschensohnes ist aber das Todes- und Auferstehungsschicksal des Menschensohnes (!), auf das Mk 9,9 vorausblickt. Der Fokus der Betrachtung ist aber nicht ein theo-logischer, sondern ein christologischer, insofern hier – wie in Mk 1,11 auch – nicht Jesus Gott seinen „Vater“, sondern umgekehrt Gott Jesus seinen „Sohn“ nennt. Die christologische Prädikation Jesu alsWKBQLgeht dabei dezidiert von Gott aus, sodass auch die Vater-Sohn-Relation von Gott her zu bestimmen ist.576 Angesichts der Tatsache, dass im Makrotext von den Emotionen Gottes nichts verlautet577, ist die Qualifizierung des Sohnes alsCXICRJVQLbesonders auffällig, kommuniziert dieses Verbaladjektiv nicht allein die exklusive Stellung Jesu als des einzigen Sohnes Gottes, sondern auch die unvergleichliche emotionale Nähe Gottes zu seinem Sohn.578 575
Mit G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 91. Von hier aus ist W. SCHRAGE [Theologie und Christologie, 142] beizupflichten, wonach die von Jesus „verkündigte und proleptisch realisierte Gottesherrschaft“ den diese Verkündigung hörenden Menschen allgemein „in die Nähe Gottes einbezieht“ und dadurch „zum Erfüllen des göttlichen Willens“ (vgl. Mk 9,7d) befähigt. 576 Mit G. GUTTENBERGER, a.a.O. 577 Lediglich das Erbarmen Gottes wird in Mk 5,19 (Q=UCQB MWTKQLUQKRGRQKJMGPMCK JXNGJUGP UG) kurz eingespielt, ansonsten schweigt das MkEv von den Gefühlen Gottes. Von hier aus ist die Behauptung E. SCHWEIZERs [vgl. Theologische Leistung, 355] kritisch zu befragen. Schweizer formuliert: „So ist Markus das Evangelium von der unerhörten, unbegreiflichen Kondeszendenz und Liebe Gottes, der in Jesus die Welt sucht. Diese aber ist so verblendet, daß sie ihn nicht erkennen kann, obwohl er alles tut, damit sie ihn finde. So muss das Wort Fleisch werden …“. Hier stellt sich die Frage, ob diese Einschätzung dem Textbefund des MkEv tatsächlich gerecht wird oder nicht doch ein gehöriges Maß johanneischer Theologie in das Urteil Schweizers einfließt. Die Liebe Gottes gilt im MkEv seinem Sohn, dessen Worten folglich unbedingter Gehorsam zu leisten ist. Skeptisch hinsichtlich der Position E. Schweizers zeigt sich auch G. GUTTENBERGER , Gottesvorstellung, 91 Anm. 232. 578 Umstritten ist die traditionsgeschichtliche Rückführung des Verbaladjektivs CXICRJVQL auf die Tradition der Bindung Isaaks in Gen 22. Bereits in Mk 1,11 ist die Hinzunahme von CXICRJVQL eine auffällige Erweiterung gegenüber den als Prätexten wahrscheinlichen Stellen Jes 42,1 und Ps 2,7. In Ps 2,7 fehlt eine Näherqualifizierung völlig, in Jes 42,1 ist sie durch GXMNGMVQL (vgl. auch JXICRJOGPQL in Jes 44,2) gegeben. Zur Kritik der Position, wonach CXICRJVQL das \U,\[L% aus Jes 42,1 MT übersetzt, vgl. H.-J. STEICHELE,
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
233
Die Anwesenheit von Verklärungs-„Zeugen“ liegt der grammatischen Transposition der mittels der 2. Pers. Singular formulierenden Himmelsstimme der Taufperikope (UW GK ) in die in der 3. Pers. Singular formulierenden Wolkenstimme sachlogisch zugrunde. Die Präsenz der Verklärungs-„Zeugen“ empfiehlt es, in der Wolkenstimme – anders als in der Himmelsstimme der Taufe – formgeschichtlich eine Deklaration zu erkennen579, mit der das durch die göttliche Autorität initiierte Metamorphosegeschehen Jesu nun theo-logisch interpretiert wird.580 Diese göttliche Deutung ist für das Verständnis der Erzählung als ganze entscheidend, was zugleich als durchschlagendes Argument gegen eine redaktionelle Hinzufügung der Wolkenstimme seitens des Erzählers zu erachten ist. Ohne Leidender Sohn Gottes, 128–131. Danach komme es in Mt 12,18 (KXFQW QB RCKL OQW Q?P JB^TGVKUC QB CXICRJVQL OQW GKXL Q?P GWXFQMJUGP JB [WEJ OQW) zu einer matthäischredaktionellen Anpassung von Jes 42,1 LXX an die Tauf- (Mt 3,17) und Verklärungsstimme (17,5). Eine Ableitung des Verbaladjektivs CXICRJVQL aus Ps 2,7 und Jes 42,1 LXX ist m.E. kaum möglich. Der Versuch von D. LÜHRMANN [HNT-Mk, 37f.], auch dieses Adjektiv aus Jes 42,1 herzuleiten, überzeugt nicht. So formuliert O. W ISCHMEYER [Art. Liebe IV. Neues Testament. In: TRE 21 (1991), 140] weit vorsichtiger: WKBQL CXICRJVQL „klingt an Jes 42,1ff LXX oder an Ps 2,7 an, kann aber auch ein ganz eigener, wenn auch alttestamentlich beeinflusster Titel sein; vgl. Mk 12,6 par.“. Tatsächlich ist weder in Ps 2,7 noch Jes 42,1 von WKBQL CXICRJVQL die Rede, umgekehrt findet sich ausschließlich in Gen 22 das Syntagma QB WKBQL UQWQB CXICRJVQL . Die nächstliegende Allusion bleibt daher Gen 22. Gut bei W. SCHMITHALS, ÖTBK-Mk I, 84f. Gott bezeichnet hier in einer Anrede an Abraham – VQPWKBQPUQWVQPCXICRJVQPQ?PJXICRJUCL – Isaak als „geliebten Sohn“. Die Tradition der „Bindung Isaaks“ fand in der jüdischen Tradition sowohl reiche Aufnahme als auch Modifizierung. Vgl. nur Jub 17f.; 4Q 225 Frag. 2a; 4Q 225 Frag. 2b; 4 Q226,7; Philo Abr 167–177; Fug 132–137; Imm 4; Jos Ant I 13; 4 Makk 13,12; LibAnt 18,5; 32,2–4. Der Bezug von CXICRJVQL aus Mk 9,7c auf Gen 22,2.12.16 bleibt wie alle traditionellen Bezüge der Verklärungsperikope spielerisch-vage, ist aber gleichwohl ernst zu nehmen. Die Lektüre von Mk 9,7 vor dem Hintergrund von Gen 22 ist für die Exegese der Verklärungsperikope auch von daher ein interessanter Lösungsvorschlag, als nach jüdischer Überlieferung eine Wolke auch über dem Berg Morija lag. Vgl. dazu TgJ I zu Gen 22,4; QohR 9,7 §1 (FREEDMAN-S IMON VIII 231). Nochmals verstärkt wird diese Vermutung durch die Beobachtungen, dass im Kontext von Gen 22 (VV.11f.) eine Himmelsstimme ertönt (Engel) und sogleich beim Bergabstiegsgespräch das Leidensmotiv eingespielt wird, sodass es eine thematische Berührung zwischen dem Opfer Isaaks und dem Kreuzestod Jesu gibt. Ähnlich auch D. FLUSSER, Jesus, 103f. Zudem wird Abraham in Gen 22,2 beauftragt, GKXLVJPIJPVJPWB[JNJPzu gehen (vgl. Mk 9,2b). Das Adjektiv CXICRJVQL in Abhängigkeit von Gen 22 deutet z.B. W.R. STEGNER, Narrative Theology, 13–31; DERS., Use of Scripture, 116. Ferner L. KUNDERT, Opferung, 50–52. Die Traditionsverarbeitung in Mk 9,7c erfolgt erneut nicht repetitiv, sondern innovativ (Gottesstimme/Engelsstimme; Adressat der Himmmelsstimme: Abraham/Sohn persönlich), was als Charaktermerkmal aller intertextuellen Bezüge der Verklärungsperikope wiederholt aufgewiesen worden ist. 579 Vgl. M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 59. 580 Ähnlich auch C. BREYTENBACH, Nachfolge, 245.
234
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Wolkenstimme ist die Transfigurationsgeschichte weder narrativ überzeugend, noch wäre sie in traditionsgeschichtlicher Hinsicht überlebensfähig gewesen.581 Anders dürfte der Sachverhalt beim Verbaladjektiv CXICRJVQL liegen, dessen Bezeugung auch in Mk 1,11 und 12,6 an eine redaktionelle Prägung denken lässt. Die in der Himmelsstimme der Taufperikope enthaltene WohlgefallensformelGXPUQKGWXFQMJUC, die in Aufnahme von Jes 42,1b (RTQUGFGZCVQ CWXVQP JB [WEJ OQW)582 Jesus als den in der Taufe mit göttlichem Geist Begabten qualifiziert, mit dem folglich die Verheißung von Jes 42,1c ihre Erfüllung findet, kann in der Verklärungsszene entfallen, da das in Mk 1,11 vorliegendeUWGK den Charakter einer Installation aufweist, deren Vollzug aufgrund der ihr innewohnenden juridischen Dimenion unwiederholbar ist.583 Gilt hierbei das Prinzip der Unwiederholbarkeit, so überrascht es nicht, dass das mit dieser verbundene Wohlgefallensmotiv in 9,7 fehlt.584 Dieses ist in 9,2–8 gleichwohl kontinuierlich präsent und spricht aus der göttlich veranlassten Metamorphose Jesu, den Begegnungen mit den Himmelsbewohnern wie auch dem göttlichen Imperativ der Wolkenstimme, aus der eine volle Übereinstimmung zwischen GottVater und Sohn spricht, die mittels dieses Imperativs unter dem Aspekt der praktischen Konsequenzen dieses christologischen Anspruchs ausgearbeitet wird. 3.9.4 Der Konnex von Mk 9,7c und 12,1–12 In den bisherigen Überlegungen ist der Konnex der Verklärungsstimme in Mk 9,7 mit der Taufstimme in 1,11 beleuchtet worden. Ein solcher ist ausgehend von der Tatsache, dass eine Information hinsichtlich der Emotionen Gottes im MkEv weitestgehend ein Desiderat bleibt, unbestreitbar, da 581
Vgl. auch U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 15: „Für Tauf- und Verklärungsgeschichte ist es – vom Erzählduktus der jeweiligen Geschichte betrachtet – entscheidend wichtig, daß die Himmelsstimme in Mk 1,11 und 9,7 Jesus als einzigen Gottessohn autorisiert.“ 582 Vgl. A. VÖGTLE, Exegetische Erwägungen, 660f. 583 Mit K. BERGER, Formgeschichte, 236. Anders als das MkEv und das LkEv wiederholt einzig Mt 17,5 den vollen Wortlaut der Taufstimme. Damit erreicht Matthäus eine noch stärkere Abhebung Jesu von Mose und Elija, sodass der Wohlgefallensformel im MtEv die gleiche Funktion zukommt wie in Mk 1,9–11 im Hinblick auf die Interaktion von Jesus und Johannes. Doch bereits in Mt 12,18 findet sich die Tendenz, den Text stark an die Tauf- und Verklärungsstimme anzugleichen. Während das KXFQW QB RCKL OQW dem MT von Jes 42,1a entspricht (\',E> KH), kommt es bei der Fortführung des Zitates zu einer massiven Abweichung von MT, LXX Targum und Theodotion. Vgl. dazu G. BARTH [Gesetzesverständnis, 118], demzufolge in Mt 12,18 eine bewusste Interpretation des Evangelisten vorliege. 584 Ähnlich auch S. P ELLEGRINI, Elija, 328: Das Wohlgefallen ist in Mk 1,11 „definitiv und vollständig ausgesprochen“, sodass sich der Aspekt der Erzählung in 9,7 auf die Verbundenheit zwischen Gott und Sohn verschiebt, die im Imperativ greifbar wird.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
235
sich exklusiv in der Qualifizierung des Sohnes alsCXICRJVQLAnsätze einer emotionalen Bestimmung Gottes finden lassen. Durch den in 9,7 vorliegenden Rekurs auf die Geistbegabung in der Taufe wird zugleich von Jesus der „höchstmögliche Grad an Gottesnähe“ ausgesagt 585, der mittels des Verbaladjektivs CXICRJVQLkommuniziert wird. Ist diese Beobachtung richtig, dann ist im Folgenden ergänzend zu den beiden großen Epiphanieszenen des MkEv innerhalb der Tauf- und Verklärungsszene, in denen die Präsenz Gottes in der Welt an die Epiphanie Jesu als Sohn Gottes gebunden wird, auch die Weinbergparabel (12,1–12) in Blick zu nehmen, die einen dritten Beleg dieser mit dem Verbaladjektiv CXICRJVQL kommunizierten Vater-Sohn-Beziehung bietet.586 Die in unserem Zusammenhang entscheidende Stelle der Weinbergparabel lautet: GVK G=PC GK EGP WKBQP CXICRJVQP> CXRGUVGKNGP CWXVQP GUECVQP RTQL CWXVQWL NGIYP Q=VK GXPVTCRJUQPVCKVQPWKBQPOQW(12,6). Bereits bei der Qualifizierung Jesu als WKBQLCXICRJVQLin der Installationsformel der Tauferzählung in Mk 1,11 ist über die Interferenz mit Gen 22 (T[ F\, WG\TH>@) das Leidensmotiv in einer dort noch sehr verdeckten Form eingespielt und die Rezeptionshaltung des Lesers/Hörers entsprechend ausgerichtet worden. Der Rezipient ist somit durch diese erste christologische disclosure auf den Konnex „Sohn Gottes“ – „Leiden“ entsprechend sensibilisiert worden.587 Dieser Erwartungshaltung entspricht das im weiteren Verlauf des Textes in großer mikrokontextueller Nähe zur Verklärungsperikope platzierte Petrusbekenntnis mitsamt der an dieses angeschlossenen Leidensparänese. Der geliebte Sohn der Verklärungserzählung ist derselbe, der von Petrus als QB ETKUVQL bekannt worden ist und der alsWKBQLVQWCXPSTYRQWunter demFGKdes Leidens steht (vgl. 8,31).588 Zugunsten der vorgeschlagenen Deutung, wonach bereits mit der Taufperikope das Leiden eingespielt wird, spricht auch die Beobachtung, dass es in Mk 10,38–40 innerhalb einer Jüngerbelehrung zu einem deutlichen makrotextuellen Bezug zur Taufperikope kommt. In Reaktion auf das Ansinnen der Zebedäussöhne, in Jesu FQZCzu dessen Rechten und Linken sitzen zu dürfen, reagiert Jesus im direkten Umfeld der dritten Leidensankündigung damit, dass er die Taufthematik rekapituliert und in cha585
Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 347. Der enge intratextuelle Konnex der Passagen Mk 1,9–15; 9,2–8 und 12,1–2 findet in der Markusexegese nachhaltige Betonung. Vgl. für viele z.B. D.S. DU TOIT, Prolepsis als Prophetie, 182f. 587 Vgl. z.B. H.-J. KLAUCK [„Vorspiel im Himmel?“, 54] in Auslegung zu Mk 1,11: „Was steht diesem Geliebten noch alles bevor? Es ist nicht so ganz einfach, von Gott geliebt zu sein.“ Ähnlich auch L. KUNDERT, Opferung, 56f.; W.R. STEGNER, Narrative Theology, 27. 588 Die markinische Tendenz zur Angleichung der christologischen Hoheitstitel QB ETKUVQL und QB WKBQLSGQW ist bekannt und muss an dieser Stelle nicht rekapituliert werden. Vgl. z.B. M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 45. 586
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
rakteristischer Weise um den Topos „Leiden“ erweitert.589 Jesus spricht mit Rekurs auf die Taufszene von seiner „Todestaufe“ und deutet diese zugleich metaphorisch im Hinblick auf das zukünftige Martyrium der Zebedaiden. Durch den nicht von der Hand zu weisenden Konnex von 1,9–11 und 10,38–40 sensibilisiert fällt auf, dass es auch zwischen der Taufperikope und der Sterbeszene Berührungen gibt.590 Der geliebte Sohn ist von Anfang an derjenige, der als der Geistbegabte den Weg zum Kreuz geht. Vollends offensichtlich wird die Verbindung des Verbaladjektivs CXICRJVQL mit der Leidensthematik in der Weinbergparabel, die weitestgehend „eine theologische Interpretation der Passion, des Prozesses und der Rehabilitation Jesu in der Auferweckung durch Gott“ ist591, in der dieses Eigenschaftswort in einen explizit ausgesprochenen Konnex mit der Tötung des Sohnes gebracht wird. Die in Mk 12,1–12 positionierte Weinbergparabel, deren situative Verankerung in einer Auseinandersetzung Jesu mit seinen Gegnern auf das Konto des markinischen Redaktors gehen dürfte, lässt sich – in der Abfolge des uns vorliegenden Textes – als zweite Antwort Jesu (nach 11,29–33) auf die in Mk 11,28 gestellte Vollmachtsfrage begreifen. 592 589 Das Ansinnen der Zebedäussöhne wird von Jesus mit einer doppelten Gegenfrage beantwortet: 1. FWPCUSG RKGKP VQ RQVJTKQP Q? GXIY RKPY – 2. J VQ DCRVKUOC Q? GXIY DCRVK\QOCK DCRVKUSJPCK. Der Bezug dieser Metapher auf den Tod Jesu gilt in der MkExegese mit Blick auf MartJes 5,13 und ApkAbr 14 (VQW SCPCVQW RQVJTKQP = Sterben) als Konsens. Vgl. weitere Belege zur Bechermetaphorik L. GOPPELT, Art. RKPYMVN. In: ThWNT VI (1959), 149–153. Ferner F. HERRMANN, Strategien der Todesdarstellung, 348; D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 238 Anm. 27. In diese doppelte Gegenfrage ist eine implizite Leidensankündigung Jesu integriert, womit übereinstimmt, dass sie in großer mikrokontextueller Nähe zur dritten Leidensansage platziert ist (10,32f.). Nach der „selbstbewussten“ Antwort der Zebedaiden (vgl. 10,39a: QKB FG GK RCP CWXVY FWPCOGSC) erfolgt in den VV.39b–40 eine – wie im Falle Jesu – ebenso chiffrierte (vgl. die in der 3. Pers. Sing. mit WKBQLVQW CXPSTYRQW als Subjekt formulierten Leidensansage), an die Adresse des Jakobus und Johannes ergehende, im Futur formulierte Leidens- und Sterbensankündigung (VQRQVJTKQP … RKGUSG/VQDCRVKUOC … DCRVKUSJUGUSG). Die hiermit erteilten Leidensankündigungen werden innerhalb der erzählten Zeit ausschließlich hinsichtlich des Todes Jesu narrativ eingelöst, doch ist ein extratextuales Wissen der Rezipienten bezüglich des Martyriums der Zebedaiden sehr wahrscheinlich. Vgl. zu diesem Komplex auch D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 239f. Auffällig ist in Mk 10,38f. die dichte Abfolge von Wörtern des Wortfeldes DCRVK-: DCRVKUOC – DCRVK\QOCK – DCRVKUSJPCK – DCRVKUOC – DCRVK\QOCK – DCRVKUSJUGUSG. 590 Beide Perikopen tragen Züge einer Epiphanie; das Verb UEK\GKP ist ausschließlich in Mk 1,10 und 15,38 belegt und die Wiedergabe des Sterbens Jesu mit GXZGRPGWUGP rekurriert wahrscheinlich auf Jesus als Geistträger. Vgl. zum Letzteren M. THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 65. Ferner P.-G. K LUMBIES, Mythos bei Markus, 272f. 591 Mit K. SCHOLTISSEK, Gott der Lebenden, 87. 592 Während in Mk 11,27 verstehensrelevante Informationen über den Handlungsort und die Akteure der Handlung mitgeteilt werden und der Vers eine recht deutliche redaktionelle Handschrift trägt (vgl. die markinischen Präferenzwörter RCNKPRGTKRCVGY sowie die Syntagmata GTEQOCKRTQL und QKB CXTEKGTGKLMCK QKB ITCOOCVGKLMCK QKB RTGUDWVGTQK),
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
237
Der Text ist genauer in die Mitte zwischen Tempelaktion Jesu (11,15–19) und die Abfolge der Jerusalemer Streitgespräche (Mk 12,13ff.) platziert, deren narrativer Bezugspunkt durchgängig die Frage nach derGXZQWUKC Jesu ist.593 Die Rezeption der folgenden Jerusalemer Streitgespräche wird so durch Mk 12,1–12 gesteuert. Der Text ist als zweiter Teil eines durch die Doppelfrage in 11,28 initiierten Apophthegma konzipiert. 594 Während der erste Abschnitt des Textes 11,29–33 gattungskritisch unter die Gattung der (missglückten) Streit- oder Schulgespräche subsumiert werden kann595, liegt in Mk 12,1–12 die Gattung einer allegorisierenden Parabel vor. Motivgeschichtlich wird das Weinberglied aus Jes 5,1–7596 verarbeitet597, mit dessen Hilfe das Auftreten, Wirken und die Passion Jesu theologisch dargelegt werden. In ihrer heutigen Form kann Mk 12,1–12 als eine allegorisierende Gerichtsparabel interpretiert werden598 mit der paränetischen Zielsetzung, die Folgen einer Ablehnung Jesu als des letzten gottgesandten Boten vor Augen zu führen. In Mk 12,1a findet sich die Redeeinleitung599, an die sich die grundlegenden Informationen
wird die Sinneinheit mit der Information von 12,12d beschlossen, wonach die Akteure die „Bühne“ verlassen. Für die redaktionelle Herkunft von 12,12d sprechen das markinische Präferenzwort CXHKOK in der Bedeutung „verlassen“ sowie der Vergleich mit Mk 4,36; 8,13 und 14,50. So U. MELL [Die „anderen“ Winzer, 29f.] mit Verweis auf J. GNILKA, EKK-Mk II, 30; R.H. GUNDRY, Mark, 656; Z. KATO, Völkermission, 120; H.-J. KLAUCK, Allegorie und Allegorese, 289. Vgl. zur redaktionellen Rahmung beider Sinneinheiten durch die Teilverse 11,27 und 12,12d die überzeugenden Erörterungen bei U. MELL, a.a.O., 29–31. 593 Die Doppelfrage GXP RQKC ^ GXZQWUKC ^ VCWVC RQKGKL{ J VKL UQK GFYMGP VJP GXZQWUKC P VCWVJPK=PCVCWVCRQKJ^L { in 11,28 rekurriert auf die Tempelaktion Jesu (11,15–19), während die redaktionelle Abschlussnotiz der Weinbergparabel 12,12 diesen Text mit 11,18 verbindet. 594 Vgl. D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 197. 595 Vgl. D. LÜHRMANN, a.a.O. 596 Im Hinblick auf die Rezipientenführung fällt auf, dass der Autor das Gespräch mit einem mit der LXX vertrauten Rezipienten sucht. Eine Allusion auf 2 Sam 10,4f. LXX liegt in Mk 12,4b vor, auf Gen 22,2.12.16 wird in Mk 12,6 angespielt und Mk 12,10f. zitiert Ps 117,22f. LXX. Bereits die Verse 12,1b–e enthalten eine vierfache Anspielung auf das Weinberglied des Propheten Jesaia (vgl. Jes 5,1b–7 LXX). Im Hintergrund der Weinbergparabel steht die „jesajanische Redefigur einer allegorischen Gerichtsüberführungsrede“ mit einer an die Adresse des Rezipienten ergehenden Aufforderung, zum dargestellten Geschehen Stellung zu nehmen. Vgl. U. MELL, Die „anderen“ Winzer, 131. Dabei ist es gerade die Verfremdung des Jesaja-Textes, das „Interesse weckende Gemisch aus Tradition und Innovation, aus Textanklang und Textevolution, aus Formenkontinuität und Formenentwicklung“ (mit U. M ELL, a.a.O., 132), das als Verschärfung der Anklage gegen die Führer zu deuten ist. Zur Rezeption und Verfremdung von Jes 5,1–7 in Mk 12,1–9 vgl. insbesondere A. M ILAVEC, Parable, 293–295. 597 Vgl. dazu U. MELL, Die „anderen“ Winzer, 82: „Die literarischen und strukturellen Bezüge zu Jes 5,1b–7 LXX sind ursprünglicher und beabsichtigter Bestandteil einer Erzählerstrategie, die es in der rezeptionskritischen Auslegung als Aktualisierungsprozess des jesajanischen Weinbergliedes zu beschreiben gilt.“ 598 Vgl. Th. SCHMELLER, Erbe des Weinbergs, 196. Ferner R. FELDMEIER, Heil im Unheil, 13. 599 Mk 12,1a ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf markinische Redaktion zurückzuführen: CTEQOCK ist ein markinisches Präferenzwort (vgl. P. DSCHULNIGG, Sprache-
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
über die Bestellung und Verpachtung eines Weinberges anschließen (12,1b–2). In 12,3–5 wird von den vergeblichen Versuchen einer Eintreibung der dem Weinbergbesitzer zustehenden Pacht berichtet sowie – in klimaktischer Form – vom Schicksal der dazu entsandten Knechte. Der Text ist hinsichtlich seiner Formalstruktur ansprechend konstruiert: Der dreimaligen Entsendung von Knechten folgt eine dreifache Reaktion der Winzer in sprachlich gesehen absteigender Linie. Die erste Sendung hat seitens der Winzer 1.NCDQPVGLCWXVQP, 2.GFGKTCPund 3.CXRGUVGKNCPMGPQPzur Folge (Mk 12,2f.). Die zweite Sendung zeitigt zwei Reaktionen: GXMGHCNKYUCP und JXVKOCUCPx Die dritte Sendung zieht eine nur mit einem Verb ausgedrückte Reaktion nach sich: CXRGMVGKPCP (Mk 12,5). Der absteigenden Linie der Reaktionsverben entspricht eine aufsteigende Linie hinsichtlich der Boshaftigkeit der Reaktionen der Winzer: Verprügelung – Misshandlung – Tötung. 600 Eine Peripetie innerhalb der Erzählung bietet sodann – nach der überschießend wirkenden Notiz in 12,5b.c – der oben bereits zitierte christologische Spitzensatz 12,6, bei dem die stilistische Sorgfalt in Korrespondenz zur herausragenden theologischen Bedeutung steht.601 Mk 12,6 fällt durch die betonte Zusatzinformation des Teilverses 6a, wonach es sich um den einzigen Sohn handelt, aus dem Rahmen der zuvor geschilderten Botenentsendungen, wobei dieser Sachverhalt durch das betont platzierte CXICRJVQP rekapituliert und emphatisch gewichtet wird.602 Die Entsendung des Sohnes wird durch den Weinbergbesitzer mit dem Respekt begründet, den Letzterer als Repräsentant des Herrn genießen sollte.603 Dabei wird die entscheidende Information, dass es sich um den einziggeliebten Sohn handelt, seiner Entsendung rezeptionsleitend vorangestellt, sodass sich 12,6 bereits syntaktisch vom mikrokontextuellen Umfeld deutlich abhebt, wofür zugleich der „feierliche“ Grundduktus der Sprache spricht.604 Ihre dramaturgische Spitze erreicht die Parabel nun – nachdem die „erhoffte Peripetie des Geschehens“ ausbleibt605 – mit der Tötungsnotiz des geliebten Sohnes in den VV.7f.606, womit zugleich die Bildhälfte abge-
Redaktion-Intention, 182; H. WEDER, Gleichnisse, 147 Anm. 1), die Wendung JTZCVQ (finite Form im Medium) in Verbindung mit einem Infinitiv ist eine präferierte markinische Verbindung, die in 4,1; 8,31 und 10,32 eine lehrhafte Passage Jesu einleitet. Ein GXP RCTCDQNCKL NCNGKP findet sich im ebenso redaktionellen Vers 3,23. Durch das Syntagma MCK JTZCVQ CWXVQKL … NCNGKP wird das Bestreben des Redaktors offenbar, die im Folgenden vorgelegte Parabel an die in 11,27 genannten Gegnergruppen der CXTEKGTGKL ITCOOCVGKL undRTGUDWVGTQK zu adressieren (diff. Lk 20,9: Jerusalemer NCQL ). Im ebenso redaktionellen V.12 kommt der Erzähler auf ihre Reaktion zu sprechen. Vgl. H. WEDER, a.a.O., 150. Zur redaktionellen Prägung von 12a vgl. J. GNILKA, EKK-Mk II, 142; M. HENGEL, Gleichnis von den Weingärtnern, 1; Z. KATO, Völkermission, 119; U. MELL, Die „anderen“ Winzer, 36; K. SCHOLTISSEK, Vollmacht Jesu, 198. 600 Überzeugend bei H. WEDER, Gleichnisse, 148. Ähnlich auch H.-J. KLAUCK, Allegorie und Allegorese, 294. 601 Vgl. die gehäufte Platzierung der Anlaute GGK und WK 602 Zur Interrelation von G=PC und CXICRJVQL vgl. H.-J. KLAUCK, Allegorie und Allegorese, 287: „Da CXICRJVQL V. 6 in Verbindung mit WKBQL nicht nur ‚geliebt‘, sondern mehr noch ‚einzig‘ heißt, ist es eine Wiederholung von G=PC.“ 603 Vgl. M. HENGEL, Gleichnis von den Weingärtnern, 38. 604 Ähnlich auch G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 97. 605 Mit W. HARNISCH, Bezwingender Vorsprung, 31. 606 Das zu Beginn des V.7 platzierte adversative FG offenbart, dass die Erwägung der bösen Weinbergpächter in negativer Entsprechung zu den Gedanken des Eigentümers konzipiert ist, wonach der Sohn als solcher geschont werden wird. Die an sich richtigen
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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schlossen wird, wie aus der mittels des Terminus CXORGNYP gewährleisteten Inclusio (VV.1.8) leicht ersichtlich ist. Die Tötung des Sohnes markiert einen irreversiblen Wendepunkt in der Geschichte des verpachteten Weinberges.607 Der V.9 richtet an die Rezipienten eine rhetorische, im kontextuell auffälligen Futur gehaltene Frage608 samt angeschlossener Beantwortung, an die eine theologische Deutung mittels Ps 117,22f. LXX angeschlossen wird, eine Stelle, die neutestamentlich konsequent christologisch Verwendung findet (Apg 4,11; 1 Petr 2,4). Der V.9 argumentiert durch die in ihm vollzogene Identifikation desMWTKQLmit dem CPSTYRQLaus V.1 theologisch, während das Psalmzitat in den VV.10f. das Geschehen christologisch aufschließt, indem die Sendung des WKBQL CXICRJVQL (V.6) heilsgeschichtlich eingeordnet wird. Während Mk 12,12d eindeutig markinisch-redaktionell ist und die Passage 11,27–12,12 beschließt, was als allgemeiner exegetischer Konsens zu erachten ist, kann mit guten Gründen auch eine redaktionelle Herkunft der Teilverse 12,12a–c angenommen werden, mit der die Weinbergparabel abgerundet wird.609
Obgleich die Trennung von Tradition und Redaktion in Mk 12,1–12 schwierig ist und daher nur mit äußerster Zurückhaltung vorgenommen werden sollte, besteht – zusätzlich zu dem oben zu 12,1a.12 Gesagten – die begründete Möglichkeit, das retrospektiveRCNKPin V.4a, da es ein markinisches Präferenzwort ist, der redaktionellen Tätigkeit des Evangelisten zuzuschreiben.610 Eine recht deutliche redaktionelle Handschrift trägt m.E. das VerbaladjektivCXICRJVQLin V.6c. So ist in der Mk-Exegese seit altersher die Spannung zwischen der angeführten direkten Rede des Weinbergeigentümers in V.6c aufgefallen, in der er die letzte zu entsendende Person alsWKBQLOQWbezeichnet, und der Verseinleitung in V.6a, in der die gleiche Person dezidiert alsWKBQLCXICRJVQLbezeichnet wird.611 Die im MkEv vorliegende Spannung wird entsprechend in der matthäischen Parallelstelle (Mt 21,37) durch die ersatzlose Streichung des Verbaladjektivs CXICRJVQL ausgeglichen.612 In Verbindung mit der Beobachtung, dass CXICRJVQL in Überlegungen des Weinbergbesitzers werden so durch die herausragende Bosheit der Pächter als falsch erwiesen. Vgl. G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 98 Anm. 265. 607 Vgl. K. SCHOLTISSEK, Gott der Lebenden, 91. 608 In der gestellten Frage in Verbindung mit der sogleich vorgelegten Antwort finden sich Züge einer Kommunikation zwischen Erzähler und Rezipientem, mit denen eine distanzierte Rezeption der Parabel ausgeschlossen wird. Vgl. dazu die Überlegungen bei H. W EDER, Gleichnisse, 155. 609 Vgl. die Argumente bei U. MELL, Die „anderen“ Winzer, 36. Ferner H.-J. KLAUCK, Allegorie und Allegorese, 289; K. SCHOLTISSEK, Vollmacht Jesu, 198f. 610 U. MELL [Die „anderen“ Winzer, 37] verweist hier zudem auf V.5, wo bei der Einleitung der zum dritten Mal stattfindenden Sendung eines Knechtes ein nochmaliges RCNKP gerade fehlt, sodass eine recht isolierte Stellung dieses Adverbs in V.4 zu konstatieren sei. 611 Vgl. dazu J. GNILKA, EKK-Mk II, 143; H.-J. KLAUCK, Mord im Weinberg, 124. 612 Die Streichung von CXICRJVQL im MtEv begünstigt zugleich die intendierte ekklesiologisch-paränetische Stoßrichtung der Parabel gegenüber der im MkEv eindeutig vorliegenden christologischen. Mit H.-J. KLAUCK, Allegorie und Allegorese, 291.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
12,6a wie auch in 1,11 und 9,7 in einer nachgestellten attributiven Stellung zu WKBQL positioniert wird, ist es wahrscheinlich, in der Hinzufügung von CXICRJVQLeinen redaktionellen Eingriff des Autors zu erkennen613, mit dem er intratextuell auf die beiden christologischen disclosure-Passagen Mk 1,9–11 und 9,2–8 rekurriert und durch den er zugleich einen wichtigen Teil seiner für ihn typischen Christologie einträgt.614 U. Mell bringt in seiner Untersuchung der markinischen Bearbeitung von Mk 12,1–12615 weiteren redaktionellen Eingriffen in den traditionellen – „ort- und zeitlos sowie ohne Sprecher- und Adressatenangabe überlieferte[n]“ – Parabeltext Skepsis entgegen, der somit in Mk 12,1b–11 – ohne RCNKP(V.4) undCXICRJVQL (V.6) – die Markus vorliegende Überlieferung erkennt.616 Gleichwohl bleibt zu erwägen, ob sich nicht auch die Anführung von Ps 117,22f. LXX auf das Konto der markinischen Redaktion setzen lässt. Die Zitation des Psalmtextes lässt sich m.E. hervorragend als passionstheologische Reflexion des vorgegebenen Überlieferungsgutes seitens des Mk-Redaktors verstehen. Dieser Ansatz bleibt nach wie vor interessant.617 Es fällt auf, dass das Argument, mit dem ein solcher Gedanke von U. Mell abgewiesen wird, vergleichsweise schwach und angreifbar ist. Mell macht lediglich darauf aufmerksam, dass „die verneinte rhetorische Frageeinleitung des Schriftzitates“ in sprachlicher Hinsicht kein Indiz für eine redaktionelle Tätigkeit liefert. Diesem sprachlichen Argument steht aber die Beobachtung gegenüber, dass die Psalmverse mit der Handlung der allegorisierenden Parabel nichts zu tun haben, sich jedoch überzeugend als sekundäre christologische Reflexion interpretieren lassen.618 Die Platzierung des Verbaladjektivs CXICRJVQL, das im Makrotext den Status eines christologischen Prädikats genießt und das mit H.-J. Klauck als makrosyntaktisches Signal zu lesen ist619, in die passionstheologisch hochaufgeladene Weinbergparabel offenbart einerseits das markinische Verständnis des Leidens und Sterbens Jesu, strahlt andererseits auf die weiteren Belegstellen dieses Eigenschaftswortes zurück und empfiehlt die
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Vgl. z.B. M. HENGEL, Gleichnis von den Weingärtnern, 30; H.-J. KLAUCK, Allegorie und Allegorese, 310; K. SCHOLTISSEK, Vollmacht Jesu, 199; H. WEDER, Gleichnisse, 149.160. Anders Th. SCHMELLER, Erbe des Weinbergs, 193. 614 Vgl. nur M. HENGEL, Gleichnis von den Weingärtnern, 30. 615 Vgl. U. MELL, Die „anderen“ Winzer, 35–41. 616 Vgl. U. MELL, a.a.O., 38f. 617 Vgl. auch die beeindruckende Menge an Befürwortern einer redaktionellen Hinzufügung von Ps 117,22f. LXX, die von U. MELL [a.a.O., 38] in Anm. 72 angeführt werden. 618 Nach wie vor überzeugend bei R. BULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 191. 619 Vgl. H.-J. KLAUCK, Allegorie und Allegorese, 287.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
241
passionstheologische Lektüre auch der genannten Stellen: Der geliebte Sohn ist der ab seiner Geistbegabung (1,10f.) ins Leiden Gehende. Zugleich fungiert die Verklärungsperikope mitsamt ihrer paränetischtröstlichen Funktion als Ausdruck markinischer Hoffnungstheologie. Die Weinbergparabel bringt nun das Schicksal Jesu zur Sprache, wobei sein Tod als „unvermeidliche Folge seines Auftrags“ interpretiert wird, „dem er sich verpflichtet weiß“620, der aber als Heilstod in die Matrix des göttlichen Willens eingezeichnet ist. Die christologische Verwendung von Ps 117,22 LXX in Mk 12,10f. untermauert den Zusammenhang von Verwerfung und Heilsbedeutung. Aufgelöst wird dieser passionstheologisch geprägte, mit der in der Taufperikope ausgesprochenen Bezeichnung Jesu als QB WKBQLOQW QB CXICRJVQL initiierte Spannungsbogen mit der Stellungnahme des römischen Hauptmannes im Anschluss an den Sterbemoment Jesu (Mk 15,39), die als solche nicht mehr hinter einer Schweigeverpflichtung verborgen wird. Wie in dieser Studie angesichts der Verklärungsnarratio von der legitimatorischen Zielsetzung der Perikope ausgegangen wird, ist eine solche Zielsetzung auch für die Weinbergparabel geltend zu machen, in der Jesus als der vom göttlichen RPGWOC begabte, theologisch legitimierte und eschatologisch entscheidende Bote Gottes (vgl. auch den Rekurs auf Dtn 18,15 LXX in Mk 9,7) begreiflich gemacht wird. Das in Mk 12,6 redaktionell eingefügte Verbaladjektiv CXICRJVQL hat im Verbund mit der Zusatzinformation G=PC GK EGP die Zielsetzung, die einzigartige theologische Stellung Jesu, des „mit dem Geist Gottes begabten, endzeitlichen Boten Gottes“621, zum Ausdruck zu bringen und zusammen mit den in diesem Verbaladjektiv mitschwingenden passionstheologischen Implikationen die theologische Lehrvollmacht Jesu zu untermauern. Jesus ist im MkEv der göttlich legitimierte (vgl. 1,11; 9,7) Verkünder des Evangeliums (1,14f.), sodass sich an der Einstellung der ihn Hörenden zu ihm und seinen Worten Heil bzw. Unheil (vgl. 8,34–9,1) entscheiden.622 In den bisher vorgetragenen Überlegungen ist die christologische Aussagedimension der Weinbergparabel beleuchtet worden, auf der deutlich der Schwerpunkt der Aussage liegt.623 Der Transfigurationsnarratio vergleichbar, in der Gott selbst als heimlicher Hauptakteur der Handlung erscheint, lassen sich Mk 12,1–12 – komplementär zur christologischen Aus-
620
Mit H.-J. KLAUCK, a.a.O., 309. Mit D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 387. 622 Vgl. die überzeugenden Ausführungen bei D.S. DU TOIT, a.a.O., 387. 623 Vgl. nur Th. SCHMELLER, Erbe des Weinbergs, 183: „Nirgends sonst begegnet die Person des Gleichniserzählers Jesus so deutlich im Gleichnis selbst.“ Vgl. auch a.a.O., 196f. 621
242
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
sage – wertvolle Informationen hinsichtlich des markinischen Gottesbildes entnehmen: Der Übergang von der Bild- zur Sachhälfte wird durch die Benennung des Weinbergbesitzers als QB MWTKQL initiiert (V.9), der auf denCPSTYRQLdes V.1 zurückweist.624 Die Korrespondenz dieser Termini lässt Gott zunächst, insofern er „kreativ“ tätig wird, als Schöpfergott hervortreten. Gott selbst ist der „anfänglich Handelnde und Erwählende“. 625 Sein Rückzug nach erfolgreicher Anlage einer Domäne liegt der Parabel sodann erzähllogisch zugrunde. Im weiteren Verlauf der Parabel greift Gott weitestgehend nicht direkt in das Geschehen ein, sondern agiert mittels Boten. Allein das in V.9 erzählte „Strafhandeln“ berichtet von einer Aktion Gottes, die jedoch als Ziel nicht die Selbstbewirtschaftung des Weinberges hat, sondern die Verpachtung an andere Pächter.626 Ähnlich wie in Mk 9,2–8 ist Gott in 12,1–12 in weiten Teilen nicht als Akteur unmittelbar vorhanden, greift jedoch indirekt in das Geschehen ein: in der Verklärungsperikope durch die Metamorphose Jesu (9,2c) sowie durch die Wolkenstimme (9,7), in 12,1–12 durch die wiederholte Entsendung von Boten zur Einbringung der Pacht sowie durch die Verpachtung an andere Winzer. Beide Perikopen leben so von der Spannung zwischen Präsenz und Verborgenheit Gottes. Sie zeichnen das Bild eines verborgen, gleichwohl souverän agierenden Gottes, der allen Widerständen zum Trotz sein Ziel erreichen wird.627 In beiden Perikopen werden christologische wie theo-logische Aussagen eng miteinander verknüpft. Beide Perikopen zeichnen das Wirken Jesu in eine theologisch-heilsgeschichtliche Matrix hinein: Wird das Auftreten Jesu in Mk 12,1–12 in der deuteronomistischen Tradition vom Wirken und tödlichen Geschick der Propheten gezeichnet628, so deutet die Perikope das Auftreten Jesu mittels einer Mosetypologie, die in charakteristischer Weise um die das Leiden symbolisierende Gestalt des Elija erweitert wird.
Mit dem passionstheologisch aufgeladenen Verbaladjektiv CXICRJVQL, das an allen drei Stellen (Mk 1,11; 9,7 und 12,6) eine redaktionelle Handschrift trägt, gelingt es dem markinischen Erzähler, diese christologischen Kernperikopen miteinander in Beziehung zu setzen.629 Die in Mk 12,6 unbestreitbar vorliegende passionskerygmatische Füllung dieses Eigenschaftswortes strahlt auf Mk 1,11 und 9,7 zurück. Die dezidierte Qualifizierung des Sohnes als CXICRJVQL in 9,7 stellt eine einseitig doxachristologische Rezeption der Verklärungsnarratio in Abrede und drängt zur Be624 Die ungewöhnliche Titulierung Gottes auf der Bildhälfte als CPSTYRQL wurde in der matthäischen Redaktion durch CPSTYRQLJ PQKXMQFGURQVJL (Mt 21,33) substituiert im Hinblick auf einen glatteren Übergang zur Sachhälfte mit der dort vorliegenden Bezeichnung Gottes als QBMWTKQL (vgl. Mt 21,40). 625 Vgl. K. SCHOLTISSEK, Gott der Lebenden, 90. 626 Mit G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 99. 627 Für die Verklärungsperikope steht dies ausgehend vom Konnex mit 8,38 und 9,9f. fest, während die theologische Deutung der Weinbergparabel mittels Ps 117,22f. LXX die Heilssouveränität Gottes unterstreicht. 628 Vgl. für viele R. FELDMEIER, Heil im Unheil, 15; K. SCHOLTISSEK, Gott der Lebenden, 89. 629 A. WEIHS [Deutung des Todes, 470 Anm. 41] spricht treffend von einem „redaktionelle[n] Brückenschlag, der die Winzer-Perikope mit der Taufe Jesu (Mk 1,11) und mit dessen Verklärung (Mk 9,7) verbindet“.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
243
rücksichtigung des Sachverhaltes, dass der verklärte Gottessohn zugleich der ins Leiden gehende Gottessohn ist. In dieser Hinsicht korrespondiert dieses redaktionell eingefügte Adjektiv mit dem Auftreten des Elija in 9,4, der – die weitestgehend vorliegende Mosetypologie von Mk 9,2–8 ergänzend – die Leidensthematik in die Verklärungsperikope einträgt. In beiden Perikopen (Mk 9,2–8 und 12,1–12) werden zugleich mittels der in ihnen ausgedrückten Spannung von Präsenz und Verborgenheit Gottes prägnante theo-logische Aussagen gemacht: Gott-Vater erscheint hier wie dort als der heimliche Hauptakteur des Geschehens, sodass das Leidensgeschick des „geliebten“ Sohnes in der Matrix des göttlichen Willens eingezeichnet bleibt. 3.9.5 Der göttliche Imperativ CXMQWGVGCWXVQW(Mk 9,7d) 3.9.5.1 Mk 9,7d als Zielpunkt der Verklärungsperikope Im Teilvers 7d wird im zweiten Teil der Wolkenstimme ein göttlicher Imperativ platziert, der als solcher durch die ebenso göttliche Präsentation Jesu als WKBQLCXICRJVQLerzähllogisch vorbereitet und höchstautoritativ begründet wird.630 Im göttlichen Imperativ, auf Jesus zu hören, wird der Zielpunkt der Gesamtnarratio erreicht.631 Zugleich wird mit V.7c.d die seit dem markinischen Prolog geltende Christologie bestätigt und zugleich „mit einer Zielangabe versehen“: CXMQWGVGCWXVQW.632 Dieser Imperativ wird asyndetisch angeschlossen. Eine konsekutive Dimension der Aussage („… hört daher auf ihn“) ist zu erwägen.633 Inhalt dieses Imperativs ist die göttliche Instruktion, Jesus zu hören, wobei selbstredend kein akustischer Vollzug, sondern eine Gehorsamsforderung im Fokus des Erzählinteresses steht.634 Mk 9,7d korrespondiert von daher mit der gemeinbiblischen Prävalenz des Hörens, das als solches auf das Tun des Gotteswortes ausgerichtet ist.635 Diese Ausrichtung auf den Glauben und das diesem entsprechende Tun ist 630 Ähnlich auch C. BREYTENBACH [Nachfolge, 245], wonach der Teilvers 7c „eine absolute Begründung für den Imperativ“ in 7d schafft. 631 Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 361. 632 Mit J. DECHOW, Gottessohn, 259. 633 So M. REISER, Syntax und Stil, 144f. Während beim kausalen Verhältnis in der Regel die Begründung dem vorgelegten Imperativ folgt, ist es Kennzeichen des konsekutiven Verhältnisses, das nach Reiser ein Spiegelbild des kausalen darstellt, dass der entsprechende Imperativ an einen vorgelegten Sachverhalt angeschlossen wird. Zu Mk 9,7 vergleichend heranzuziehen sind Mk 1,15 (JIIKMGPJB DCUKNGKC VQW SGQW>OGVCPQGKVGMCK RKUVGWGVG GXP VY^ GWXC IIGNKY^) und 6,35f. ((TJOQL GXUVKP QB VQRQL MCK JFJ Y=TC RQNNJ> CXRQNWUQPCWXVQWL ). 634 Mit G. SCHNEIDER, Art. CXMQWYMVN. In: EWNT I (21992), Sp. 126. Ferner C. BREYTENBACH, Nachfolge, 245 Anm. 238; R. D EICHGRÄBER, Gehorsam und Gehorchen, 120. 635 Vgl. dazu G. KITTEL, Art. CXMQWYMVN. In: ThWNT I (1933), 219.
244
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
es, die das angesprochene CXMQWGKP vom bloß physisch-akustischen Hören unterscheidet.636 Objekt des geforderten „Hörens“ ist die gesamte autoritativ vorgetragene Lehre Jesu637, die m.E. durch das mikrokontextuelle Umfeld der Transfigurationsperikope leidenskerygmatisch spezifiziert ist.638 Vgl. G. KITTEL, Art. CXMQWYMVN. In: ThWNT I (1933), 220f. Vgl. insbesondere die Dominanz der CXMQWGKP-Thematik im Gleichniskapitel 4. M.E. nicht erweisbar ist, ob im MkEv ein Konnex zwischen dem himmlischen Imperativ in 9,7 (mit seiner Anspielung auf Dtn 18,15 LXX) und der Rezitation des Schema Israel in 12,29 (vgl. Dtn 6,4) intendiert ist. Mk 12,28–34 wird unten im Zusammenhang des markinischen Gesetzesverständnisses kurz beleuchtet werden, das auch den sachlichen Hintergrund der Gehorsamsforderung in 9,7d bilden dürfte. 638 Exklusiv in Richtung der Leidensthematik Jesu deutet U.B. MÜLLER [Christologische Absicht, 180f.] den Imperativ. Vgl. auch T.L. DONALDSON, Jesus on the Mountain, 153. An die gesamte autoritativ vorgetragene Lehre Jesu denkt hingegen D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 308. Dabei gilt es freilich zu beachten, dass der Imperativ in 9,7d in den Themenkomplex des markinischen Mittelteils eingebettet ist, in dem zusammen mit der QBFQL-Thematik die „ekklesiologischen und soteriologischen Konsequenzen der Nachfolge“ Jesu thematisiert werden. Mit D. SÄNGER, Tora für die Völker, 133. Vgl. dazu die vergleichsweise dichte Abfolge des Verbs CXMQNQWSGKP : 8,34 (zweimal); 9,38; 10,21.28.32.52. Dieses Verb ist an den genannten Stellen nicht in unspezifischer Hinsicht im Sinne einer „Nachfolge in lokaler Hinsicht“ (so in 3,7; 5,24.37; 6,1; 11,9; 14,13. 51.54), sondern als Theologoumenon („Jüngerschaft“) gebraucht. So auch in 15,41. Von hier aus ist nochmals auf den sachlichen Konnex der Transfiguratio mit dem eschatologischen Ausblick in 8,38 zu verweisen, der die Intention hat, die geforderte Nachfolge (8,34b–35) eschatologisch zu motivieren, indem die endzeitlichen Konsequenzen der Leidensnachfolge Jesu via negativa vorgelegt werden. Dies wird auch von S.S. LEE [Jesus’ Transfiguration, 12] gesehen, wenngleich mit einer unmarkinischen Terminologie überfrachtet („issue of spiritual enlightenment“ der Rezipienten, kursiv im Original, A.W.). Der gegenseitige Bezug der Verse ergibt sich deutlich aus der Beobachtung, dass die Aussage G=PGMGP GXOQW MCK VQW GWXC IIGNKQW aus V.35 in V.38 durch die Wendung OG MCK VQWLGXOQWLNQIQWLwiederaufgenommen wird, woraus sich zugleich die enge Verbindung von Christologie und Nachfolgethematik in der markinischen Konzeption ergibt, was ohnehin als Charakteristikum des markinischen Mittelteils angesehen werden muss. Vgl. nur E. HAENCHEN, Komposition, 91; M. HORSTMANN, Studien, 28f. Inhalt dieser Nachfolge ist neben der Preisgabe des Lebens G=PGMGP GXOQW MCK VQW GWXC IIGNKQW (8,35) auch die Übernahme des je eigenen UVCWTQL (8,34b). 8,34b ist auch in Q zu finden, vgl. Lk 14,26f.; Mt 10,38 (vgl. ferner Joh 12,26; Hebr 13,13; EvThom 55,2); Mk 8,35 in Lk 17,33/Mt 10,39. Zu den Deutungsmöglichkeiten der Kreuzesmetapher vgl. J. SCHNEIDER, Art. UVCWTQLMVN. In: ThWNT VII (1964), 578f. Deutlich ist die intendierte Einbindung in eine „Schicksalsgemeinschaft“ der Nachfolger mit Jesus, in der das eigene Leiden/der eigene Tod als prinzipielle Möglichkeit – kaum aber als „Voraussetzung für den Empfang des Heils“ (gegen A. SATAKE, Leiden, 8) – vor Augen gestellt wird. Vgl. z.B. J. W ANKE, Kommentarworte, 225: „… Martyriumsbereitschaft als Grundbedingung des Jüngerseins“. Vgl. auch G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 182; G. THEIßEN, Evangelienschreibung, 412. Dabei wird in Mk 8,34 das QXRKUYOQWCXMQNQWSGKP (Protasis) durch die dreiteilige Apodosis CXRCTPJUCUSY GBCWVQP – CXTCVY VQP UVCWTQP CWXVQW – CXMQNQWSGKVY OQK leidensspezifisch appliziert. Der Konnex mit der Passionsthematik ist offensichtlich, zumal die Aufforderung CXMQNQWSGKVY OQK als klimaktische Spitze der beiden übrigen 636 637
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
245
Trotz der in traditionsgeschichtlicher Hinsicht divergierenden Herkunft der in Mk 8,27–9,13 verarbeiteten Stoffe ist die Intention zu ihrer Verzahnung unübersehbar639, sodass es im Kompositionsgefüge der Anfangspassage des markinischen Mittelteils (8,27–10,52) gerade der leidende Menschensohn (8,31f.) ist, der von Gott als WKBQL CXICRJVQL (9,7) deklariert wird.640 Mittels der Gehorsamsaufforderung Gottes gegenüber den Worten Jesu wird die Überschneidung des Genitivus subjectivus und objectivus aus Mk 1,1 rekapituliert, wonach sowohl die Person Jesu als auch ihre autoritative Lehre GWXCIIGNKQP sind.641 Die an dieser Stelle wiedereingespielte ÜberGlieder der Apodosis (CXRCTPJUCUSYGBCWVQP – CXTCVYVQPUVCWTQPCWXVQW) erscheint. Der Konnex wird zudem durch die Anbindung dieses Logions an die erste Leidensankündigung (8,31f.), durch die einzige Wiederaufnahme des Verbs CXRCTPGKUSCK (8,34) in 14,30 (Ankündigung der Verleugnung an Petrus) und das Syntagma CKTGKP VQP UVCWTQP in 15,21 unterstrichen. Überzeugend bei J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 382.384– 386. Zur Konzeption der soteriologischen Relation (Begriff von H.E. TÖDT, Menschensohn, 62) von gegenwärtiger und eschatologischer Gemeinschaft mit Jesus vgl. auch 2 Tim 2,11b–13; Offb 3,5; 2 Clem 3,1f. und IgnSm 10,2. Markinisch-intratextuell ergeben sich zudem deutliche sprachliche und theologische Berührungen mit der das markinische Gesetzesverständnis betreffenden und die Interrelation von Nachfolge Jesu und Basileia ansprechenden Perikope Mk 10,17–22 (vgl. auch 4,19f.) und von dort aus – da in 10,23– 27 (Problematik des Besitzes vor dem Hintergrund des Eingangs in die Basileia) und 10,28–31 (Lohn der Nachfolge Jesu) zwei thematische Anhänge zu 10,17–22 vorgelegt werden – auch mit dem Logion 10,29f., wonach die Aufgabe aller materiellen Sicherheiten sowie der Abbruch familiärer Bindungen G=PGMGPGXOQW MCK G=PGMGPVQW GWXC IIGNKQW mit der Zusage des ewigen Lebens verknüpft werden (GXP VY^ CKXYPK VY^ GXTEQOGPY^ \YJP CKXYPKQP). Vgl. dazu D. SÄNGER, a.a.O., 131–136. Trotz der sich in dieser Perikope ausdrückenden „fundamentale[n] Wertschätzung der Dekaloggebote“ (mit R. KAMPLING, Gesetz, 146) sind diese allein hinsichtlich der gelungenen Nachfolge Jesu (vgl. die Rahmung der Perikope durch das QBFQL-Motiv in den VV.17 und 32) ineffizient, sie werden daher insofern relativiert, als sie als eine notwendige Vorbedingung erscheinen, die sich mit der bedingungslosen Nachfolge Jesu „im Horizont der bereits angebrochenen Basileia“ (mit D. SÄNGER, a.a.O., 135) zu verbinden hat. Jesus erscheint so in der Rolle des autoritativen Interpreten des in den Dekaloggeboten niedergeschriebenen Willens Gottes. 639 Vgl. z.B. D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 110: bruchlose Integration der Verwandlung Jesu „in den näheren Kontext“. 640 In diese Richtung argumentiert auch J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 380. 641 Von daher weist der Imperativ Mk 9,7 Berührungen mit 1,15 auf, wo ein Imperativ ähnlich asyndetisch-konsekutivisch angeschlossen wird. Der Vers 1,15 strahlt durch die Wiederaufnahme des Theologoumenons GWXC IIGNKQP (hier liegt eine Inclusio vor, vgl. z.B. M.E. B ORING, Beginning of the Gospel, 66) auf diesen Eingangsvers zurück und ermöglicht zugleich eine Lektüre des SyntagmasGWXC IIGNKQP8,JUQW&TKUVQW (1,1) als Genitivus subjectivus und objectivus zugleich. Mk 1,15 stellt einerseits den Abschluss des Eingangsbereichs des Evangeliums dar, fungiert andererseits im Sinne eines programmatischen Wortes Jesu als „Tür zum Evangelium“. Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 154f. Dabei ist zu beachten, dass die Aussage von Mk 1,14f. als iteratives, keinesfalls als punktuelles Geschehen zu begreifen ist. Die von G. FRIEDRICH [Art. GWXC IIGNK\QOCKMVN. In: ThWNT II (1935), 715f.] im Hinblick auf Lk 8,1 gemachte Beobachtung entspricht
246
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
schneidung ist zugleich ein weiterer Erweis der Tatsache, dass es sich bei Mk 9,2–8 um eine christologische Legitimationserzählung handelt, wobei hervorzuheben ist, dass die angesprochene Legitimierung dezidiert theologisch vorgenommen wird: Derselbe Gott, der als der verborgene Hauptakteur zugleich der eigentliche Ermöglichungsgrund der Basileiaverkündigung Jesu ist und der „sich im Ostergeschehen als der eschatologisch Handelnde endgültig“ offenbaren wird642, initiiert autoritativ die Metamorphose Jesu (9,2c) und prädiziert diesen auf dem Höhepunkt der Transfigurationserzählung als seinen zu hörenden Sohn, der als solcher zugleich „der irdische Repräsentant des göttlichen Geschehens der Gottesherrschaft“ ist.643 durchaus auch markinischer Intention: Mit Mk 1,14f. „wird die ganze Wirksamkeit Jesu zusammenfassend geschildert. Sein ganzes Leben war Evangeliumsverkündigung …“. Diesen Hinweis verdanke ich D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 58 Anm. 155. Wenn W. SCHRAGE [Theologie und Christologie, 138] in der Analyse von Mk 1,15 auf die Verklammerung von Theologie und Christologie hinweist („Umzukehren gilt es zu Gott, nachzufolgen gilt es Jesus. Beides aber gehört unlöslich zusammen.“), so ist diese Verklammerung auch hinsichtlich des Imperativs in 9,7 geltend zu machen: Der Glaubensgehorsam gegenüber der Lehre Jesu ist für das MkEv zugleich der Gehorsam gegenüber Gott selbst. 642 Mit D. SÄNGER, Tora für die Völker, 125. Vgl. auch R. KAMPLING, Gesetz, 122. Mk 9,7 steht in Korrespondenz mit der jesuanischen Verkündigung der Einzigkeit Gottes, die die sachliche Grundlage der Botschaft Jesu ist. Gerade die Betonung der Einzigkeit Gottes, die sich in der eschatologischen Aufrichtung seiner Königsherrschaft äußert, deren Anbruch von Jesus verkündet wird, führt dazu, dass Jesus „zwangsläufig mit Gott zusammengedacht und in die Nähe Gottes gerückt“ wird. Vgl. die entsprechenden Ausführungen bei H. MERKLEIN , Einzigkeit Gottes, 169. Diese Konzeption wird durch die Entsprechung von Theo-logie und Christologie in Mk 9,7d implizit eingespielt. 643 Mit H. MERKLEIN, Jesu Botschaft, 152. Eine Reduktion Jesu auf einen Vorboten der Gottesherrschaft wird m.E. von Mk 9,7 deutlich in Abrede gestellt. Vgl. auch die Überlegungen bei D. SÄNGER, Recht und Gerechtigkeit, 192. Die Übernahme der Verklärungstradition durch das MkEv erfolgt vor dem Hintergrund der programmatischen Zusammenfassung der Verkündigung Jesu in Mk 1,15, wo das Perfekt JIIKMGP eine resultative Bedeutung aufweist (die Basileia ist da, insofern sie sich genaht hat). Anders als im apokalyptischen Denken, das auf der absoluten Diskontinuität des alten und des neuen Äons basiert, ist von der strikten zeitlichen Differenzierung von Gegenwart und Zukunft angesichts der Basileia-Konzeption des MkEv abzusehen. Der Unterschied von Gegenwart und Zukunft ist demnach vorhanden, ist aber – anders als in der Apokalyptik – nicht entscheidend, da die Gegenwart bereits von der Zukunft her erschlossen wird. Vgl. zu dieser Problematik die Ausführungen bei H. W EDER, Gegenwart und Gottesherrschaft, 41–64. Ferner D. SÄNGER, Tora für die Völker, 135. Charakteristikum unseres Textes ist es zudem, dass von keiner Reaktion der Betreffenden auf die an sie ergehende HYPJ die Rede ist, was Mk 9,7 deutlich von apokalyptischen Texten unterscheidet, bei denen eine solche Reaktion topisch ist. Darauf hat P. KUHN [Offenbarungsstimmen, 32] überzeugend aufmerksam gemacht. Das Ineinandergreifen von Gegenwart und Zukunft aktualisiert das Hoffnungspotential der markinischen Verklärungsperikope. Vor diesem Hintergrund hal-
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
247
Der göttliche Imperativ, auf Jesu Lehre zu hören, gewinnt dadurch weitere Bedeutung, dass es im MkEv bekanntlich keine „Berichte“ über Erscheinungen des auferstandenen Jesus gibt.644 Von besonderem Interesse ist hier die Beobachtung, dass in der gleichwohl vorhandenen markinischen Osterperikope der Jüngling den im Grabe Jesu weilenden Frauen die Zusage Q=VK 2TQCIGK WBOCL GKXL VJP *CNKNCKC P> GXMGK CWXVQP Q[GUSG MCSYL GK RGP WBOKP erteilt (vgl. Mk 16,7). Damit wird das Sehen des auferstandenen GXUVCWTYOGPQL angekündigt, nicht jedoch das Hören seiner Botschaft. Diese markinische Besonderheit wirft ein helles Licht auf die christologische Konzeption, wonach das auf relecture angelegte MkEv die heilsentscheidende Botschaft des irdischen Jesus in Gänze enthält, dessen Worte nicht vergehen werden (13,31) und der alles Entscheidende bereits geoffenbart hat.645 Vom auferstandenen Jesus ist daher markinischer Konzeption gemäß keine neue, darüber hinausgehende Botschaft zu erwarten, sodass alle Konzentration auf das Hören der Botschaft des irdischen Jesus gelegt werden kann, für die das Syntagma CXMQWGVGCWXVQWin Mk 9,7d ein Rezeptionssignal bietet.
Ein weiterer Fingerzeig in Richtung einer christologischen Legitimationserzählung ist auch die literarische Verarbeitung des Syntagmas CWXVQW CXMQWUGUSGaus Dtn 18,15 LXX. In Mk 9,7d liegt nun ein Imperativ Präsens vor, womit die kontinuierliche Relevanz der Worte Jesu nachhaltige Betonung findet. Dieser Imperativ entfaltet seine eigentliche Zielsetzung in extradiegetischer Hinsicht im Prozess der relecture, auf die das MkEv bekanntlich angelegt ist (vgl.16,7).646 Die dieser Studie zugrunde liegende These der göttlichen Initiierung des Metamorphosegeschehens legt die Deutung nahe, dass der Teilvers 7d zusammen mit 7c an 2c anschließt, insofern es an dieser Stelle zu einem (nachOGVGOQTHYSJ, Passivum divinum!) zweiten Eingreifen Gottes in den Geschehenszusammenhang der Transfiguratio kommt. Der durch die Autorität Gottes selbst verwandelte Jesus ist zugleich der von Gott alsWKBQLOQW QB CXICRJVQL prädizierte, dessen Worte folglich höchste Autorität aufwei-
te ich auch die von S.S. LEE [Jesus’ Transfiguration, 10f.] eingeführte Kategorie einer „two-level Christology … on the axis of time“ ausgehend von der ihr innewohnenden differenzierenden Tendenz für nicht hilfreich, obgleich der Verfasser den Konnex von Gegenwart und Zukunft in der markinischen Konzeption deutlich erkennt („Jesus in the present is the Son of Man who will come back as the eschatological judge in the future“). 644 Treffend formuliert A. LINDEMANN, Osterbotschaft, 314: „[I]n der Aussage 8,JUQWL JXIGTSJ … steckt für Markus offenbar alles, was im Kontext seiner Christologie über Ostern überhaupt gesagt werden konnte … Von daher leuchtet unmittelbar ein, daß Markus auf die Wiedergabe von Erscheinungserzählungen geradezu verzichten mußte“. 645 Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 393: „Um den Auferstandenen sehen zu können, haben die Jünger sich an seinen Worten (Mk 14,28) zu orientieren, müssen sie sich also auf Jesu Worte bzw. auf den Irdischen verlassen. Erst das Hören auf den Irdischen ermöglicht einen [sic!] Begegnung mit dem Auferstandenen.“ 646 Von hier aus urteilt Chr. ROSE [Theologie als Erzählung, 227] angemessen, wenn er formuliert: „MitCXMQWGVGCWXVQW empfiehlt Gott das Evangelium Jesu immer wieder zur Lektüre.“
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
sen.647 Klassisch griechischer Diktion gemäß steht die zu hörende Person im Genitiv.648 Subjekte des gefordertenCXMQWGKP, das auch an dieser Stelle als „die der biblischen Religion wesentliche Aneignungsform“ der göttlichen Offenbarung erscheint649, sind intradiegetisch die Verklärungs„Zeugen“, die mittels der Wolkenstimme von höchster Stelle eine Information erhalten, über die sie bisher nicht verfügten650, extradiegetisch die Textrezipienten651, die ihr in 1,11 gewonnenes christologisches Wissen an dieser Stelle der Erzählung abrufen können652 und denen zugleich die paränetische Dimension der Aussage gilt. Stand V.4 noch in einer gewissen Gefahr, für die Fehldeutung einer theologischen Äquivalenz Jesu mit Elija und Mose „anfällig“ zu sein, so wird der Sachverhalt in V.7d endgültig geklärt: Auf Jesus ist zu hören, da er allein der WKBQLCXICRJVQL– der einzig-geliebte Sohn – ist. Der Gehorsam gegenüber Gott vollzieht sich so über den Gehorsam gegenüber der Lehre Jesu.653 Durch den göttlichen Gehorsamsbefehl in Mk 9,7d wird die Verkündigung Jesu in letzter Konsequenz zur Lehre Gottes selbst erhoben, womit makrotextuell Mk 1,14f. angesprochen ist, wonach Jesus VQ GWXCIIGNKQPVQWSGQWverkündet. Diese Konzeption wird auf der Bildebene der Weinbergparabel (Mk 12,1–12) paränetisch wieder eingespielt, dort jedoch im negativen Modus der Verweigerung gegenüber den Worten des zur Pachteinholung entsandten einzig-geliebten Sohnes. Auf der Sachebene der an die Adresse der Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten (vgl. 11,27) gerichteten Para647
Mit C. BREYTENBACH, Nachfolge, 246. B LASS-DEBRUNNER-REHKOPF, Grammatik § 173,1. Vgl. ferner G. KITTEL, Art. CXMQWY MVN. In: ThWNT I (1933), 216f.; G. SCHNEIDER, Art. CXMQWY MVN. In: EWNT I (21992), Sp. 127. 649 Mit G. KITTEL, Art. CXMQWYMVN. In: ThWNT I (1933), 217. So auch G. SCHNEIDER, Art. CXMQWYMVN. In: EWNT I (21992), Sp. 127. 650 Ähnlich auch Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 214. Die Jünger werden nicht als Ohrenzeugen der Taufstimme dargestellt, sodass ihnen die in ihr kommunizierte christologische Information nicht zugänglich ist. Während nach Mk 1,9 Zeugen der eigentlichen Taufe Jesu wahrscheinlich sind, werden durch das GK FGP in 1,10 „die übrigen mitanwesenden Figuren von dieser Wahrnehmung ausgeschlossen“. Mit R. Zwick, Montage, 216. Wolkenspaltung, Geistherabkunft wie auch Himmelsstimme werden als Geschehen zwischen Sohn und Vater skizziert. Die Verlagerung der Erzählperspektive von der Außensicht hin zur Innensicht Jesu beginnt mit dem präsentischen Partizip CXPCDCKPYP, an das das Prädikat GK FGP gleichzeitig angeschlossen wird. Es erfolgt eine Solidarisierung des auktorialen Erzählers mit den Textrezipienten „zu ungunsten“ der Jünger. Vgl. dazu R. ZWICK, a.a.O., 215f.: „Assoziation mit der Perspektive Jesu“. Ferner H.-J. KLAUCK, Erzählerische Rolle, 19. 651 Vgl. Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 215. 652 Vgl. Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 223. 653 In diese Richtung deutet auch D. LEE, Transfiguration, 25: „To hear Jesus’ words is to hear the divine voice.“ 648
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
249
bel funktioniert die angedeutete Verschließung gegenüber der Botschaft des Sohnes als sachliche Grundlage der Passion, die somit als Folge des Wirkens Jesu „als Mittler des Gotteswillens“ interpretiert wird.654 Auf makrotextueller Ebene ergibt sich – ausgehend von der benannten Interrelation des Gehorsams gegenüber der Lehre Jesu und dem Willen Gottes – eine sachliche Berührung mit der Perikope von den wahren Verwandten Jesu (Mk 3,21–25). Dieser Perikope liegt narrativ der Kontrast zwischen denGZY(3,21f.) befindlichen, demnach den Willen Gottes nicht erfüllenden Personen (Familie Jesu/Schriftgelehrte) und den RGTK CWXVQP MWMNY^ MCSJOGPQK zugrunde655, die Szenerie nähert sich von daher einer esoterischen Jüngerbelehrung, die als solche in 9,2–8 gleichsam in Reinform – wenn auch weitestgehend im nonverbalen Modus – vorliegt. Die Perikope über die wahre Familie Jesu endet mit einer Verheißung, die auf den göttlichen Imperativ in 9,7d vorausblicken lässt, da die Zusage an die „um ihn herum“ Sitzenden, das SGNJOCVQW SGQW zu erfüllen, eine Konzeption offenbart, wonach der Wille Gottes durch die Lehre Jesu vermittelt und einzig durch die die Botschaft Jesu Hörenden erfüllt werden kann.656 Der Gehorsam gegenüber der autoritativ vorgetragenen Lehre Jesu begründet die wahre „familia dei“. Jesus wird so in den Farben des authentischen Interpreten des göttlichen Willens – in Abgrenzung von den Schriftgelehrten (vgl. 3,22–30) – gezeichnet. Der Gehorsam gegenüber den Worten Jesu entspricht demnach dem Gehorsam gegenüber Gott selbst.
Die in V.7d ausgedrückte göttliche Gehorsamsaufforderung gegenüber den Worten Jesu hat deutliche Berührungen mit dem nach markinischer Vorstellung ebenfalls im Willen Gottes gründenden GXZQWUKC-Konzept. Die Worte Jesu weisen höchste Autorität nicht von daher auf, dass sie etwa die Tora rezitieren, sondern von daher, dass die Person Jesu in einem unvergleichlich engen Gottesverhältnis steht, wobei diese Gott-Sohn-Relation sowohl das in GXZQWUKC erfolgende Auftreten als auch die autoritativbindende Gesetzesinterpretation Jesu ermöglicht.
654
Mit G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 118. Vgl. z.B. L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 118.122. 656 In der matthäischen Parallelfassung wird diese Konzeption konsequent fortgeführt. Das Syntagma VQ SGNJOCVQW RCVTQLOQWVQW GXPQWXTCPQKL (Mt 12,50) verweist durch die Einführung der Vatermetapher stärker als die markinische Variante auf die aus der PGHGNJ ergehende göttliche Prädikation Jesu als QB WKBQL OQW QB CXICRJVQL (17,5). In 7,21 bietet der Großevangelist zudem eine zu Mk 3,35 zwar parallele, davon wohl unabhängige Tradition, in der vom SGNJOCVQWRCVTQLOQWVQWGXPVQKLQWXTCPQKL die Rede ist. 655
250
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
3.9.5.2 Der himmlische Imperativ (9,7d) und das mk Gesetzesverständnis Damit ist die Frage des Gesetzesverständnisses657 des MkEv tangiert, das m.E. nicht losgelöst von christologischen Überlegungen zu behandeln ist. Ein sachlicher Konnex von Mk 9,7d mit der Gesetzesthematik ist bisweilen erwähnt, nicht jedoch weiter bedacht worden.658 Für diesen Konnex spricht auch die Beobachtung, dass Jesus in Mk 9,7d durch eine Anspielung auf Dtn 18,15 LXX in der Rolle des „Propheten wie Mose“ Tora erteilt659, wobei diese Tora-Erteilung in einer Mose überbietenden Form „höchstautoritativ“ durch die Tatsache begründet ist, dass Jesus als Sohn in einem unvergleichlich engen Verhältnis zu Gott steht. 657 Grundsätzlich gegen eine Lektüre der Verklärungstradition vor dem Hintergrund der Gesetzesfrage spricht sich – aus meiner Sicht wenig überzeugend – T.L. DONALDSON [Jesus on the Mountain, 143] aus. Das Gesetzesverständnis des MkEv war in der neueren Forschungsgeschichte zum MkEv Gegenstand diverser Studien. Zu verweisen ist hier insbesondere auf die im Jahre 1990 bei Heikki Räisänen entstandene Dissertation von Heikki SARIOLA: Markus und das Gesetz. Der Verfasser bietet auf S. 11–16 einen kurzen Forschungsüberblick zum Thema. Nach SARIOLA ist die Gesetzesthematik im MkEv als marginales theologisches Thema anzusprechen, da die Weise, mit der es angesprochen werde, auf die relative Unwichtigkeit dieser Thematik schließen lasse: „Der implizite Charakter des Materials zeigt klar, daß das Gesetz kein Zentrum der Theologie des Markus ist. Es scheint zuerst sogar, daß Markus kein eigenes Gesetzesverständnis hat.“ Eine „Lehre vom Gesetz“ liege nicht vor. Vgl. a.a.O., 248. Deutlich sei aber die Tendenz zur Bejahung ethischer Gebote und die Ablehnung ritueller, sodass bedingt von einer „Spaltung des Gesetzes“ gesprochen werden könne. Vgl. a.a.O., 261. Mit dieser Einschätzung verbindet sich die Identifizierung des Verfassers des MkEv als eines Heidenchristen. Vgl. a.a.O, 241. Ferner ist auf den Aufsatz von R. KAMPLING aus dem Jahre 1995 zu verweisen: Das Gesetz im Markusevangelium. Kamplings Aufsatz überzeugt von daher, dass er die Gesetzesthematik eng mit der markinischen Christologie verbindet, wobei es seine Absicht ist, die Wichtigkeit der Gesetzesthematik im MkEv gegenüber dem Duktus der Studie Sariolas hervorzuheben. Vgl. auch seine Kritik an Sariola auf S.123 Anm. 17. Vgl. zu dieser Gesetzesthematik im MkEv auch das Kapitel 3 bei G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 117–182: Gott als Gesetzgeber. Nach C. FOCANT [Rapport, passim.] werde die Gesetzesthematik im MkEv vor dem Hintergrund der Heidenmission behandelt mit der Folge, dass jene Passagen des Gesetzes durch die autoritative Auslegung Jesu kritisiert werden, die die Heidenmission erschweren. Vgl. a.a.O., 307. 658 Zu verweisen ist hier auf die Ausführungen bei A. FELDTKELLER, Identitätssuche, 176. Die jedoch von FELDTKELLER postulierte polemische Spitze des MkEv gegen das petrinische Christentum, für die als Beweis die Verklärungsperikope herangezogen wird, ist m.E. textfern. Vgl. zum Zusammenhang des Imperativs 9,7d mit der Gesetzesthematik und zur Kritik am Ansatz Feldtkellers auch R. KAMPLING, Gesetz, 140 mit Anm. 96 [es ist zu vermuten, dass es sich in Anm. 96 bei dem Satz „Den Zusammenhang zwischen 9,12 und der Gesetzesthematik …“ um einen Druckfehler handelt – gemeint dürfte Mk 9,7 sein]. 659 Vgl. dazu z.B. W. KRAUS, Dtn 18,15–18, 173: „Die Autorität … gewinnt Jesus aus seiner Einsicht in die Zeit und aus seiner unmittelbaren Kenntnis des Willens Gottes. Funktional agiert er dabei wie ein ‚Prophet wie Mose‘.“ (kursiv im Original)
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
251
Das markinische Gesetzesverständnis ist den Perikopen über die Streitgespräche hinsichtlich des „Sabbats“ (Mk 2,23–28; 3,1–6)660, der „Reinheit“ (7,1–23)661, der „Ehe und Ehescheidung“ (10,2–12)662 und dem Diskurs
660
Zur Interpretation von Mk 2,23–28 vgl. neben den Kommentaren z.B. G. GUTTENGottesvorstellung, 125–129; H. HÜBNER, Gesetz, 113–128; H.-W. KUHN, Ältere Sammlungen, 72–81; K. SCHOLTISSEK, Vollmacht Jesu, 173–183; W. T HISSEN, Erzählung, 70–74; W. WEISS, Lehre in Vollmacht, 41–56. Die Perikope ist als ein auf einem Bruch der Sabbathalacha seitens der Jünger basierendes Streitgespräch zwischen Jesus und den im MkEv nur in Streitgesprächen (2,15–3,6; 7,1–23; 8,11f.) und „Pseudoschulgesprächen“ (10,2–9; 12,13–17) begegnenden Pharisäern konzipiert (vgl. dazu D. LÜHRMANN, Pharisäer, 170), das deutlich auf das konsekutiv angeschlossene Apophthegma in 2,28 hin konstruiert ist: Y=UVGMWTKQLGXUVKPQB WKBQLVQW CXPSTYRQWMCK VQW UCDDCVQW. Die Wendung MCK VQW UCDDCVQW rekurriert auf Mk 2,10, wo die GXZQWUKC des Menschensohnes im Zusammenhang der Sündenvergebung verhandelt wird. Doch weist bereits das Syntagma MCK GNGIGPCWXVQKL in V.27 auf markinische Redaktionstätigkeit hin, durch die traditioneller Stoff angefügt wurde. Vers 28 steht in keinem eindeutigen logischen Verhältnis mit der gnomischen Sentenz in V.27 (vgl. K. SCHOLTISSEK, a.a.O., 174; W. W EISS, a.a.O., 46), dient jedoch als christologische Pointe (mit W. WEISS, a.a.O., 55) der Perikope zugleich als Scharniersatz zur Anbindung der sich anschließenden Perikope (3,1–6). Die logische Abfolge ist am ehesten mit D. LÜHRMANN [HNT-Mk, 62] mit einem vorliegenden Schluss a minore ad maius zu erklären. Vers 28 weist Jesus als die entscheidende Autorität in Fragen der Auslegung des Sabbatgebots aus. Mit G. GUTTENBERGER, a.a.O., 132. Die von Jesus vorgelegte anthropologisch akzentuierte Auslegung ist somit hinsichtlich der Sabbathalacha die entscheidende und zielt – ohne im Entferntesten eine Abrogation des jüdischen Sabbatgebots zu sein – im Gegenüber zur pharisäischen Sabbathalacha auf eine Neuausrichtung der Sabbatregel, ausgehend von der von Jesus „aufgedeckten“ schöpfungsmäßigen Intention der Sabbatruhe. Vgl. dazu W. Weiss, a.a.O., 45–48: Die absolute Geltung des Sabbatgebots wird im Sabbatlogion Mk 2,27 „an die Schöpfungsordnung“ gebunden „und damit relativiert“ (S. 47). Vgl. ferner K. SCHOLTISSEK, a.a.O., 176. Diese „Aufdeckung“ und die mit ihr verbundene autoritative Interpretation rückt den Menschensohn an die Seite Gottes, des eigentlichen Herrn über den Sabbat (Lev 23,3). Dies zu entfalten, ist Zielsetzung der angefügten Perikope 3,1–6, in der das wiedergegebene Streitgespräch zusammen mit dem erzählten Normenwunder eine weder literarkritisch noch formkritisch zu trennende Einheit darstellt. Vgl. zur Gattung der Normenwunder G. T HEIßEN, Urchristliche Wundergeschichten, 114–120. Skopus von Mk 3,1–6 ist erneut die Neuakzentuierung des Sabbats, wonach nicht kultische Pflichterfüllung seine eigentliche Intention ist (vgl. V.4), sondern humanes Verhalten gegenüber dem in Not geratenen Mitmenschen. Vgl. dazu z.B. H. SARIOLA, Gesetz, 106; G. GUTTENBERGER, a.a.O., 131. In Mk 3,6 wird erstmalig im MkEv der Tötungsbeschluss der Gegner notiert, sodass einerseits die autoritative Deutung des Sabbatgebots durch Jesus in einen direkten Zusammenhang mit seinem Leidensgeschick gebracht wird, andererseits die Gegner Jesu als solche enttarnt werden, die in ihrem verstockten Verhalten (vgl. V.5: RYTYUKL VJL MCTFKC L CWXVYP) des Tötungsverbots am Sabbat spotten und letzteren entweihen. Mit R. KAMPLING, Gesetz, 126. 661 Vgl. dazu G. GUTTENBERGER [Gottesvorstellung, 133–147] mit einem realienkundlichen Schwerpunkt auf den hinter Mk 7,3f. liegenden Reinheitsvorschriften. Ferner R. KAMPLING, Gesetz, 125–144; W. WEISS, Lehre in Vollmacht, 57–68. BERGER ,
252
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
über „Reichtum und Nachfolge“ (Mk 10,17–31) zu entnehmen. Von besonderem Interesse für die Interpretation von Mk 9,7 dürfte zudem die Perikope über das Schulgespräch663 über die GXPVQNJ RTYVJ RCPVYP (12,28– 662 Vgl. dazu z.B. H. FRANKEMÖLLE, Ehescheidung, 30–34; G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 147–149; R. KAMPLING, Gesetz, 144f. In 10,2–12 liegt eine weitestgehend der Tradition entnommene Praxisanweisung für die Gemeinde vor (vgl. D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 171; Th. SÖDING, Leben, 186f.), die auf einem Jesuslogion aufgebaut ist, das in die „esoterische“ Jüngerbelehrung „im Haus“ (VV.10–12) integriert ist (V.11). An dieses ist in V.12 eine sekundäre Ergänzung des Markus „im Hinblick auf die griechisch-römische Rechtsvorstellung seiner Adressaten“ angefügt. Mit H. F RANKEMÖLLE , a.a.O., 30f. Eine Parallele zu Mk 10,11 bietet Q (vgl. Mt 5,32; Lk 16,18). Vgl. dazu auch 1 Kor 7,10f. Eine Berührung der Gesetzesthematik liegt in der kritischen Wertung der Ausnahmebestimmung des Scheidebriefes nach Dtn 24,1 vor, die auf die Hartherzigkeit der Fragesteller (V.5: UMNJTQMCTFKC WBOYP) zurückgeführt wird, sowie im jesuanischen Plädoyer „für die Einzigartigkeit der ehelichen Bindung“. Mit R. KAMPLING, a.a.O., 144. Der autoritativen Deutung Jesu in V.5 zufolge (vgl. das hohe Maß der Distanzierung von der Position der Pharisäer durch die zweimalige Verwendung des Personalpronomens in der zweiten Person Plural!) entsprechen nicht alle Bestimmungen des niedergeschriebenen Gesetzes der eigentlichen schöpfungsmäßigen Intention Gottes (V.6, vgl. Gen 1,27 LXX und 2,24 LXX), sondern sind als „Zugeständnisse an die vorfindliche mangelnde sittliche Haltung der Adressaten“ anzusprechen. Mit R. K AMPLING, a.a.O., 145. Vgl. auch W. KRAUS, Dtn 18,15–18, 173. Die Position Jesu steht in Opposition zu der von Mose aufgrund der besagten Herzenshärte gegebenen Konzession. Jesus erscheint so als der authentische Interpret des Willens Gottes, der ausgehend von der ihm verliehenen GXZQWUKC zwischen Teilen des geschriebenen Gesetzes und dem eigentlichen Willen Gottes unterscheiden kann. Die vorliegende Opposition Jesus – Mose dürfte den aufmerksamen Rezipienten an den in Gegenwart des Mose auf dem Verklärungsberg platzierten göttlichen Imperativ in Mk 9,7 zurückdenken lassen. 663 Mit K. KERTELGE, Doppelgebot der Liebe, 41. So auch G. B ORNKAMM, Doppelgebot der Liebe, 43. Gegen G. STRECKER, Gottes- und Menschenliebe, 56f.: „Streitgespräch“. Nicht überzeugend wirkt m.E. die Argumentation bei M. E BERSOHN [Nächstenliebegebot, 170–173], der in Mk 12,28–34 ein auf einer Meinungsverschiedenheit zwischen Jesus und dem Schriftgelehrten basierendes Streitgespräch zu erkennen glaubt. Zwar ist es richtig, dass der Fragesteller in 12,28 zur Gruppe der Schriftgelehrten gehört, also zu derjenigen Gruppe der Gegner Jesu, die in 12,12 die Verhaftung Jesu im Schilde führt. Gleichwohl wird dieser Schriftgelehrte durch die Wendung GKLVYPITCOOCVGYP in 12,28 deutlich von seinen „Kollegen“ abgesetzt, sodass sich die Szene der Perikope 10,17–22 annähert, in der es vom reichen Mann heißt: QB FG 8,JUQWL GXODNG[CL CWXVY^ JXICRJUGP CWXVQP (10,21). Dazu passt, dass das im MkEv seltene Verb CXICRCP Verwendung auch in 12,28–34 findet. Ebersohn selbst hat überzeugend die Parallelität von 10,17–22 und 12,28–34 aufgewiesen, vgl. a.a.O., 163–165. Von einem Misstrauen (vgl. EBERSOHN, a.a.O., 170) des Rezipienten gegenüber dem Schriftgelehrten kann m.E in 12,28 nicht die Rede sein. Textfern ist der Verweis auf die angeblich „scheinheilig“ gestellte Frage in 12,14f. mit Blick auf die Reaktion des Schriftgelehrten in 12,32f.: Will Markus „Scheinheiligkeit“ ausdrücken, so hat er auch das entsprechende Vokabular hierzu, vgl. 12,15: QB FG GKXFYLCWXVYP VJP WBRQMTKUKP. Die Reaktion Jesu in 12,34 ist konsequent anerkennend. Von daher kann die Grundthese Ebersohns nicht überzeugen, dass die eigentliche Intention Jesu zunächst der Erweis der Äquivalenz aller Gebote ist. Nach
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
253
34) sein664, da durch die Zitation von Dtn 6,4f. sowohl das Motiv des Hörens und der Liebe als auch die Gesetzesthematik eingespielt werden, ohne dass erkenntlich wird, ob tatsächlich ein Flashback zu 9,7 anvisiert ist. Sind in Mk 10,17–31 die Gebote der zweiten Dekalogtafel besprochen worden, so ist in 12,28–34 das Erste Gebot das theologische Thema des Gesprächs (vgl. Dtn 6,4f.; Lev 19,18).665 Der Zusammenhang mit den vorhergegangenen Lehrszenen ist offensichtlich, markiert dieses Lehrgespräch „den Platz, wo die Pharisäer, Sadduzäer und Schriftgelehrten eigentlich stehen sollten, wenn sie sich wie im vorhergehenden Gesprächsstück auf Mose berufen (12,19): auf der Seite Jesu - ‚nicht weit von der Basileia Gottes‘.“666 Es handelt sich in Mk 12,28–34 nicht um ein Streitgespräch ausgehend von der Beobachtung, dass der Perikope die grundsätzliche Übereinstimmung Jesu mit dem als verständig skizzierten Schriftgelehrten hinsichtlich der religiösen Tradition Israels narrativ zugrunde liegt, „die im Bekenntnis zum einen Gott, der Liebe zu ihm und dem Nächsten zusammengefaßt wird“.667 Es fällt zudem auf, dass es sich bei der Perikope 12,28–34 um die letzte Einheit einer Perikopenreihe handelt, die der Gesetzesthematik gewidmet ist, sodass aufgrund des hohen Maßes an Übereinstimmung zwischen Jesus und dem Schriftgelehrten668 ein auffallend versöhnlicher Ausklang hinsichtlich der Gesetzesfrage markiert wird.669 Im letzten Gespräch Jesu mit einem Vertreter des offiziellen Judentums vor der Verhörszene der Passionsgeschichte wird eine „auffallenderweise posi-
Ebersohn werde die hervorgehobene Stellung der beiden Gebote in der Antwort Jesu nur suggeriert, um dem Schriftgelehrten eine Falle zu stellen, „in die er prompt hineintritt“. Vgl. a.a.O., 172. Während Jesus durch die Wendung RTYVJ – FGWVGTC noch eine Rangordnung der Gebote kommuniziere, proklamiere der Schriftgelehrte in der Falle, in der er sich befindet, die Überlegenheit des Doppelgebots gegenüber den anderen Geboten und verbinde es mit einer kultkritischen Spitze. Hierzu ist zu entgegnen: Die Darstellung eines hinsichtlich der Entfaltung theologischer Wahrheiten mit einer List arbeitenden Jesus wäre im MkEv völlig singulär und mikrokontextuell überraschend. Vgl. die Inkriminierung der WBRQMTKUKL in 12,15. Die kultkritische Implikation in der Antwort des Schriftgelehrten 12,33 rekurriert auf eine völlige Übereinstimmung mit Jesus im narrativen Umfeld der Tempelaktion (11,15–19). Die Deutung Ebersohns ist abzulehnen. 664 Zum mikrokontextuellen Umfeld von Mk 12,28–34 vgl. M. E BERSOHN, Nächstenliebegebot, 155–159. 665 Mit G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 152f. 666 Mit K. KERTELGE, Doppelgebot der Liebe, 47. 667 Mit R. KAMPLING, Gesetz, 148. 668 Dass die in Mk 12,28–34 vorfindliche Übereinstimmung über die grundsätzliche Möglichkeit der Frage nach dem höchsten Gebot ein historisch plausibles Szenario im jüdisch-frühchristlichen Diskurs in der Entstehungszeit des MkEv darstellte, wurde von Chr. B URCHARD [Doppeltes Liebesgebot, 52–57] und G. DAUTZENBERG [Gesetzeskritik, 117f.] aufgewiesen. 669 Mit G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 122.
254
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
tive Szene“670 vorgelegt, mit der einerseits die völlige Übereinstimmung Jesu mit den religiösen Traditionen Israels erwiesen wird, andererseits – im Vorgriff auf die Passionsgeschichte – die Haltlosigkeit der in Kürze gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe erhärtet wird.671 Von herausgehobener Wichtigkeit dürfte die Schlussnotiz in 12,34 sein, wonach der Schriftgelehrte QWX OCMTCP … CXRQ VJL DCUKNGKCL VQW SGQW ist. Die Perikope über die Metamorphose Jesu beinhaltet in 9,7d integral die göttliche Instruktion, die Lehre Jesu – des Repräsentanten der Basileia – zu beachten, sodass der Gehorsam gegenüber den Worten Jesu, den der fragende Schriftgelehrte in 12,28–34 exemplarisch leistet, diesen in die Nähe der Basileia positioniert. Jesus erscheint in 12,28–34 erneut als der authentische Interpret des in der Schrift niedergelegten Willens Gottes, näherhin als Repräsentant des Willens Gottes672, dessen autoritativ vorgelegter Interpretation zufolge der Mensch, in dem die Gottes- und die Nächstenliebe lebendig ist, zum Tun des eigentlichen Willens Gottes befähigt ist. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass es der alsWKBQLCXICRJVQLprädizierte Sohn Gottes ist, der dem Rezipienten mit dem Liebesgebot den entscheidenden hermeneutischen Schlüssel zum Verständnis der göttlichen Gebote in die Hand legt.673 Die AussageCXICRJUGKLVQPRNJUKQPUQWYBLUGCWVQPin Mk 12,31 dürfte den Hörer/Leser zugleich an das strukturell verwandte Gespräch in 10,17–31 zurückdenken lassen.674 Dort heißt es in der Reaktion auf die Frage des reichen Mannes: QB FG 8,JUQWL GXODNG[CL CWXVY^ JXICRJUGP CWXVQP. Dieser Satz ist von daher besonders auffällig, weil das mit Bildungen des Wortstammes CXICR- kommunizierte emotionale Verhältnis im MkEv allgemein der Beziehung des Vaters zu seinem Sohn vorbehalten bleibt (Mk 1,11; 9,7; 12,6) und sonst keine Verwendung zum Ausdruck der Beziehung der Menschen zu Gott, zu Jesus oder zueinander Verwendung findet.675 Der Gehorsam gegenüber den Worten des geliebten Sohnes liegt somit der liebenden Beziehung Jesu zu den Menschen wie auch der Menschen untereinander zugrunde. 670
Mit H.-W. KUHN, Neuere Wege, 65. An der grundsätzlichen Distanz Jesu gegenüber den religiösen Autoritäten Israels ändert dieser Konsens über die Gesetzesthematik nichts, da in den beiden eng zusammengehörigen Perikopen 12,37b–40 und 12,41–44 der lebenspraktische Vollzug, insbesondere der Schriftgelehrten, inkriminiert wird, sodass „dogmatische“ Übereinstimmung hinsichtlich der Tora und lebenspraktische Inkriminierung zum Abschluss der Jerusalemer (Streit-)Gespräche unverbunden nebeneinander stehen bleiben. 672 Vgl. K. KERTELGE, Doppelgebot der Liebe, 54. 673 Vgl. G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 163. 674 Zur strukturellen Ähnlichkeit der Perikopen Mk 10,17–22 und 12,28–34 vgl. die Ausführungen bei M. EBERSOHN, Nächstenliebegebot, 163–165. 675 Vgl. dazu G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 156 Anm. 206. Vgl. auch M. EBERSOHN, Nächstenliebegebot, 164 mit Anm. 98. 671
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
255
In allen die Gesetzesthematik berührenden Perikopen wird offensichtlich, dass der Wille Gottes sowohl den in der Erzählung vorkommenden Figuren als auch den Rezipienten des Textes durch die autoritative Auslegung Jesu kenntlich wird, sodass „[d]er Zugang zum Gotteswillen … nur durch die Vermittlung Jesu möglich“ wird.676 Als Sohn Gottes ist es Jesus, der Kenner, Mittler und Lehrer des authentischen Gotteswillens ist, sein Wort ist es, das entscheidet, „was als Gebot Gottes zu gelten hat“.677 Seine Deutung bestimmt, was richtig und zu tun geboten ist678, da exklusiv er intimer Kenner des eigentlichen göttlichen Schöpferwillens ist, nach dessen autoritativer Interpretation der eigentliche Gotteswille und einzelne Bestimmungen der Tora (vgl. Mk 10,2–11) auseinandertreten können.679 Im Falle eines Konfliktes hinsichtlich des mosaischen Gesetzes ist Jesus die maßgebliche Instanz, auf die unbedingt zu hören ist, da er die entscheidende Deutungskompetenz in Gesetzesfragen innehat.680 Was in den genannten Streit- bzw. Schulgesprächen diskursiv entfaltet wird, ist von Markus zum Abschluss der Transfigurationsperikope in Gegenwart des Mose narrativ entfaltet worden: „Gott gebietet Gehorsam, nicht dem Elia oder Mose ge676 Vgl. G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 162. Dahingehend argumentiert auch W. SCHRAGE, Theologie und Christologie, 137: „Gottesherrschaft wie Gottesverhältnis werden nicht mehr durch den PQOQL vermittelt, sondern durch Jesus, oder anders ausgedrückt: Der Stellvertreter Gottes in der Gegenwart ist nicht mehr das Gesetz, sondern Jesus.“ Das MkEv stellt Jesus einerseits als toraobservant dar (vgl. den Synagogenbesuch am Sabbat, 1,21; 3,1; den Auftrag an den geheilten Aussätzigen, 1,44; das Paschamahl, 14,12–16). Vgl. dazu auch die Hinweise auf die Tora in der Lehre Jesu (7,10; 10,6–8.19; 12,26; 12,29f.31). Daneben tritt eine autoritative Gesetzesauslegung Jesu, die gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten in Anschlag gebracht wird (2,23–28: Y=UVGMWTKQLGXUVKPQB WKBQLVQW CXPSTYRQWMCK VQW UCDDCVQW; 7,1–23). Diese sich in der autoritativen Gesetzesauslegung Jesu offenbarende GXZQWUKC ist es, die Jesus die Feindschaft der traditionellen Ausleger der Tora einbringt, die auf die Kreuzigung Jesu hinausläuft. Die auf die Verklärungsperikope folgenden, redaktionell eingefügten Inhalte des Jesus-Jünger-Gesprächs während des Bergabstiegs sind Ausweis des angesprochenen Konnexes der gesetzesinterpretatorischen Vollmacht Jesu, wie sie sich im göttlichen Imperativ in 9,7d offenbart, und der damit zusammenhängenden Leidensthematik, für die im MkEv Elija symbolhafte Verwendung findet. Die Vollmacht Jesu in der Deutung der Tora (vgl. nur 10,2–12) nimmt im MkEv bisweilen torakritische Färbung an, wird jedoch durch den Verweis auf die Schöpfungsordnung Gottes abgesichert (vgl. 10,6, dazu M.D. HOOKER, Creative Conflict, 121: „The Mosaic regulation in Deuteronomy 24, which allows for divorce, is interpreted as a concession, of lesser significance than the divine plan in Genesis.“), die Jesus ausgehend von seiner Relation zum Vater autoritativ darlegen kann. Jesu gesetzesinterpretatorische Autorität wird größer als die des Mose dargestellt, es handelt sich dabei – ausgehend von der überbietenden Tendenz – um einen Erzählzug, der für die Interpretation von Mk 9,2–8 interessant sein dürfte. 677 Vgl. R. KAMPLING, Gesetz, 149. 678 Ähnlich auch R. KAMPLING, Gesetz, 125. 679 Überzeugend bei G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 149. 680 Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 369.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
genüber, sondern Jesus allein“.681 Zugleich wird mit dem Imperativ in 9,7d von vornherein eine etwaige Differenz zwischen dem Willen Gottes und dem Willen Jesu in Abrede gestellt.682 Der Rezipient ist auf diese entscheidende Information durch den eschatologischen Ausblick in 8,38 hinreichend vorbereitet worden, in dem die Aktionseinheit683 von Gott-Vater und Sohn vonseiten der Christologie kommuniziert wird, womit übereinstimmt, dass 8,38 den Menschensohn-Titel aufweist, der der „Innenansicht“ Jesu vorbehalten ist, während der in 9,7 implizierte (nicht explizit gebrauchte) Gottes-Sohn-Titel die Außenansicht Gottes verbalisiert.684 Die Lehre Jesu gründet demnach in der Würde seiner Gottessohnschaft und befähigt ihn, den Gotteswillen autoritativ auszulegen. Der Wille Gottes ist konkret in der Verkündigung und Gesetzesauslegung Jesu erkennbar, sodass Jesus die traditionelle Rolle des Mose einnimmt und zugleich überbietet.685 Von daher ist der Gedanke nicht von vornherein abzuweisen, dass der hier vorliegende Imperativ vor dem Hintergrund alttestamentlicher Bundesvorstellungen zu deuten ist, was durch das Erscheinen des Mose, die unüberhörbaren Anklänge an Ex 24 und 34 sowie die Einspielung der Mosetradition aus Dtn 18,15 LXX begünstigt wird.686 681
Mit R. KAMPLING, Gesetz, 140. Eine Ausnahme bildet bekanntlich die Gethsemaneperikope, in der der Wille Gottes und der Wille Jesu auseinandertreten. 683 Nach F. MUßNER [Ursprünge und Entfaltung, 97] liegt die Erfahrung der „bis zur Deckungsgleichheit gehende[n] Aktionseinheit Jesu mit Jahwe“ der Entwicklung der neutestamentlichen Sohneschristologie zugrunde. Die in 8,38 vorliegende „Inanspruchnahme Gottes als seines Vaters durch Jesus“ wird daher in 9,7 theo-logisch legitimiert. Richtig bei L. Schenke, Markusevangelium (2005), 217. 684 Vgl. zu dieser Unterscheidung M. THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 40. 685 Mit G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 162. Ähnlich auch M.D. HOOKER [Creative Conflict, 122], die in Mk 9,2–8 sowohl das Zeugnis von „continuity between Moses and Jesus“ als auch das Zeugnis der „superiority“ Jesu erkennt. Vgl. auch D. LEE, Transfiguration, 25: „the disciples are not instructed to give heed to Moses but to Jesus“. 686 Die angesprochene Beobachtung hat umso größeres Gewicht, als das Gesetz im MkEv nicht primär von der Bundesvorstellung her gedeutet wird, sodass folglich eine Einschränkung auf das Bundesvolk unterbleibt, womit zugleich die Reichweite des ethischen Anspruchs des Gesetzes auf alle Menschen guten Willens ausgeweitet wird. Dies könnte ein Indiz für die Eigenständigkeit der in Mk 9,2–8 verarbeiteten Tradition sein, die durch die redaktionelle Tätigkeit des Evangelisten ebenso gekonnt in den narrativen Entwurf des Makrotextes integriert wie die in dieser Perikope zu greifende Schilderung überzeugend biographisiert worden ist. Durch die markinische Redaktionsarbeit ist die – die alttestamentliche Bundesvorstellungen berührende – Verklärungstradition mittels der oben aufgezeigten Verbindungen (Streitgespräche) in eine Korrelation zu der sonst nicht von der Bundesvorstellung her gedeuteten Gesetzesthematik gebracht worden. Das Gesetz erscheint im MkEv zunächst im Kontext des Verhältnisses Gottes zur Schöpfung, es tangiert somit die Interessen aller Menschen, sodass es von hier aus in den Kontext zwischenmenschlicher Verhältnisse hinausgreift. In dieser Doppelfunktion ist die Bedeutung 682
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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Gefördert wird eine solche Interpretation zudem durch die Beobachtung, dass in der sich an die Transfiguration und die Heilungsgeschichte des epileptischen Jungen (9,14–29) anschließenden Perikopenreihe bis 10,45 Perikopen mit stark jüngerunterweisendem Inhalt platziert werden, in denen Jesus in den Farben des eschatologisch entscheidenden Lehrers skizziert wird (9,31.38; 10,17.20.35.51). Der Gedanke einer Deutung Jesu vor dem Hintergrund der alttestamentlichen Bundesvorstellungen als des neuen, heilsentscheidenden Mose ist erwägenswert, wobei gleichzeitig einzugestehen ist, dass eine ausdrückliche Aktualisierung dieses sich hiermit anbietenden Interpretationspotentials im weiteren Verlauf des MkEv ein Desiderat ist687, was zugleich als Hinweis auf die traditionsgeschichtliche Eigenständigkeit von Mk 9,2–8 gelten kann. 3.9.6 Zur Frage der traditionellen Herkunft des Imperativs Mk 9,7d Oben ist ausgeführt worden, dass die Transfigurationsgeschichte ohne die Wolkenstimme weder narrativ überzeugend noch in traditionsgeschichtlicher Hinsicht überlebensfähig gewesen wäre688, sodass die traditionelle Herkunft derHYPJ GXMVJLPGHGNJLim hohen Grade als wahrscheinlich zu erachten ist. Man gewinnt den Eindruck, dass die Erzähldynamik auf die Wolkenstimme in V.7 hinausläuft, in dem die Geschichte ihren Höhepunkt findet und nach dem sie mittels des in V.8 platzierten Aphanismos-Motivs steil abfällt.689 Der verfehlte und in seiner Funktion christologischnivellierende Vorschlag des Petrus zur Errichtung dreier gleichberechtigt nebeneinander stehender UMJPCK bedarf einer Korrektur, die in V.7 durch Gott selbst geleistet wird. Die Gesamterzählung ist somit zwischen die theo-logischen Pole der göttlich initiierten Verwandlung Jesu (9,2c) und des Gesetzes universal. Von hier aus ergeben sich Berührungen mit dem Gesetzesverständnis im Frühjudentum (Arist; Sib; Weish; TestXII; Philo; Josephus; 4 Makk). Vgl. zur Diskussion die Ausführungen bei G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 165–180. Zur Diskussion der Rezeption, insbesondere des Dekalogs im frühen Judentum vgl. die Ausführungen bei D. SÄNGER, Tora für die Völker, passim. und U. K ELLERMANN, Dekalog, passim. Zum Verständnis des Gesetzesverständnisses des MkEv scheint besonders der Vergleich mit der im Aristeasbrief zu greifenden Gesetzesvorstellung (vgl. nur Arist 127; 169) hilfreich zu sein, wo – dem MkEv vergleichbar – die Tendenz zu einer „Ethisierung des Nomos“ ebenso zu beobachten ist wie die zu seiner Universalisierung. So R. Weber, Gesetz, 131f. Hierauf liegt im MkEv der Schwerpunkt, während die Bundesvorstellungen in Mk 9,7 m.E. angedeutet werden und einzig in Mk 14,24 explizit zur Sprache kommen. Ein weiterer Hinweis auf die Bundesvorstellung bleibt m.E. ein Desiderat. 687 Mit G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 163 Anm. 238. 688 Vgl. auch U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 15. 689 Vgl. für viele H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 167: „Als Pointe der alten Verklärungsgeschichte kann die Wolkenstimme (Mk 9,7c) gelten.“
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
seiner ebenso göttlichen Prädikation alsQB WKBQLOQWeingespannt. Dass auf makrotextueller Ebene eine Beziehung zur Taufvision in Mk 1,9–11 besteht690, ist als Argument gegen eine traditionelle Herkunft der Wolke, Wolkenstimme und Gottes-Sohn-Prädikation nicht hinreichend. Die bisher vorgelegten Untersuchungen zum traditionellen Charakter des V.7 bezogen sich konkret auf das Erscheinen der Wolke (7a.b) sowie auf die Gottes-Sohn-Prädikation in 7c, wobei die Textbeobachtungen die redaktionelle Herkunft allein des VerbaladjektivsCXICRJVQLwahrscheinlich gemacht haben. An dieser Stelle ist ergänzend die Frage zu erörtern, ob eine traditionelle Herkunft auch für den angeschlossenen Imperativ CXMQWGVGCWXVQW angenommen werden kann, zumal der Charakter der Transfigurationsperikope als einer christologischen Legitimationserzählung einen Abschluss mit der göttlichen Prädikation Jesu alsQB WKBQLOQWnicht unmöglich erscheinen lässt, da eine solche Qualifizierung die intendierte theologische Überlegenheit in hinreichender Weise kommuniziert hätte. Der angeschlossene Imperativ könnte, insofern er prinzipiell verzichtbar ist, ein markinischer Zusatz sein. Ich halte es dennoch für wahrscheinlich, dass auch der angesprochene Imperativ bereits der dem markinischen Redaktor vorliegenden Tradition angehörte.691 Die Tatsache, dass das SyntagmaCXMQWGVGCWXVQW auf der Ebene des uns heute vorliegenden Textes eine verknüpfende Funktion aufweist, insofern es mikrokontextuell sowohl auf die „Leidenslehre“ Jesu in Mk 8,31–33 rekurriert692 als auch auf das Schweigegebot in 9,9 vorausblickt, dessen unmittelbaren Anwendungsfall es darstellt, makrotextuell mit der gesamten autoritativen Lehre Jesu harmoniert693, ist kaum ausreichend, um dieses dem – unserem Redaktor vorliegenden – Traditionsgut abzusprechen:694 Es ist nachdrücklich davon abzuraten, die redaktionskri690
Vgl. D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 110. Überzeugend bei W. KRAUS, Dtn 18,15–18, 161. 692 So z.B. E. LOHMEYER, KEK-Mk, 177; U.B. MÜLLER, Christologische Absicht, 180f.; E. SCHWEIZER, NTD-Mk, 98. 693 Deutliche makrotextuelle Berührungspunkte gibt es bekanntlich mit dem Gleichniskapitel Mk 4 und der dort anzutreffenden Dominanz des Hörens, vgl. 4,3.9.12.15f. 18.20.23f.33 (41). Deutlich hervorgehoben bei J.P. HEIL, Transfiguration, 166. 694 So aber ein Gros der Forscher der redaktionskritisch geprägten Forschungsphase zum MkEv. Vgl. nur M. HORSTMANN, Studien, 88–90; J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 147.249; A. SUHL, Funktion, 108. Diese Lösung favorisiert – ohne eine eindeutige Festlegung – auch H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 180f. Seine Ausführungen befriedigen von daher nicht, da er die Korrespondenz mit anderen Passagen des MkEv, die die Notwendigkeit des rechten Hörens herausstreichen, als Argument für die Favorisierung eines markinisch-redaktionellen Eingriffs wertet. Es handelt sich von daher um ein vergleichsweise schwaches Argument, als es die entgegengesetzte Lösung systematisch ausklammert, wonach die Übernahme und Biographisierung der in Mk 9,2–8 vorliegenden Überlieferung u.a. deshalb erfolgt sein könnte, da diese aufgrund der in ihr ent691
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
259
tische Abtrennung des Teilverses 7d und seine Zuweisung zur markinischen Redaktion zu einer exegetischen Evidenz zu erheben.695 Der Imperativ im Teilvers 7d erweist sich nach einer überzeugenden Aussage U.B. Müllers als „dem Duktus der vorgegebenen Geschichte voll integriert“696: Wolkenstimme, christologische Prädikation sowie der angeschlossene, eine weitere Mosetradition verarbeitende Imperativ fügen sich derart bruchlos697 in die Verklärungsgeschichte ein, dass Vorsicht angeraten ist, ein
haltenen Gehorsamsforderung der theologischen Intention des Mk-Evangelisten entsprach. 695 Vgl. M. FRENSCHKOWSKI [Offenbarung und Epiphanie II, 185] hinsichtlich Mk 9,7 insgesamt. Für eine traditionelle Prägung des an Dtn 18,15 LXX orientierten Imperativs CXMQWGVG CWXVQW plädiert überzeugend auch W. KRAUS, Dtn 18,15–18, 161. Ebenso überzeugend ist seine Beobachtung, dass der Mk-Evangelist nicht an einer Hervorhebung der Tradition von Dtn 18,15–18 LXX sowie an einer weitergehenden christologischen Verwertung interessiert ist. Vgl. dazu den sich anschließenden 3.9.7. 696 Vgl. U.B. MÜLLER [„Sohn Gottes“, 21 Anm. 61], der damit seine früheren Ausführungen [DERS., Christologische Absicht, 179–181] korrigiert. Ähnlich auch M. ÖHLER [Verklärung, 213], der ebenso überzeugend die redaktionelle, an Mk 1,11 orientierte Einfügung der Wolkenstimme in Abrede stellt: „die Wolkenstimme“ habe „ihren Ort als Höhepunkt der Erscheinung innerhalb der Verklärungserzählung“. Gegen J.M. NÜTZEL [Verklärungserzählung, 146], der in der Wolkenstimme „keine rechte Funktion innerhalb der Verklärungserzählung“ erkennen kann. Problematisch ist der Versuch M. HORSTMANNs [Studien, 88–90], die „Aufforderung zum Hören“ in 7d als markinischredaktionell zu erweisen. Unglaubwürdig ist bereits die Eingangsbehauptung, wonach allein angesichts der Tatsache, dass „die Wolkenstimme in V.7 den Höhepunkt der Perikope bildet“, mit „Eingriffe[n]“ und „Umakzentuierungen“ des Evangelisten zu rechnen sei. Vgl. a.a.O., 88. Eine Begründung dieser weitreichenden, wenngleich kaum zur Evidenz zu erhebenden Behauptung bleibt ein Desiderat. Wenig überzeugend ist auch der angeschlossene „Beweisgang“: Die Frage, inwieweit die Verklärungstradition ohne die himmlische Gehorsamsforderung überhaupt überlebensfähig gewesen wäre, wird von ihr nicht gestellt. Die mit dem Auftreten des „Elija mit Mose“ (V.4) entstandene Spannung drängt aber darauf, aufgelöst zu werden, was m.E. gerade durch den Imperativ CXMQWGVG CWXVQW geschieht. Dagegen wird der offensichtliche Bezug auf die Mosetradition in Dtn 18,15 LXX, der als solcher angesichts der – der Erzählung zugrunde liegenden – Mosetypologie stärker zugunsten einer traditionellen Herkunft spricht, mit der Bemerkung abgewiesen, dass der Kontext nichts darüber aussage, „daß man hier die Erfüllung einer alttestamentlichen Weisung annehmen kann“. Dtn 18,15 LXX korrespondiert mit der – der Perikope Mk 9,2–8 strukturierenden – Mosetypologie und ist von daher traditioneller Bestandteil der Verklärungsnarratio. Ebenso fraglich bleibt beim Argumentationsgang Horstmanns, was das Fehlen des Motivs des Hörens in der Himmelsstimme der Taufe in Mk 1,11 als auch an der späten Stelle 2 Petr 1,17 (vgl. a.a.O., 88f.) für die Frage der traditionellen bzw. redaktionellen Herkunft der Gehorsamsforderung auszutragen habe. Dass das göttliche Gebot des Hörens die Anschlussfähigkeit zum Mikro- (8,31–33.38) und Makrotext (4,3.9.23; 7,14; 10,45) gewährleistet, sagt über die traditionelle bzw. redaktionelle Herkunft dieses Imperativs nichts aus. 697 So auch H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 166.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
einzelnes Erzählelement beliebig herauszubrechen.698 Die mit dem Auftreten des Mose und des – durch die markinische Redaktion integrierten – Elija aufgeworfene Frage hinsichtlich der Relation von Jesus und den himmlischen Besuchern bedarf narrativ der Klärung, die in V.7 vorgelegt wird. Diese „göttliche Klärung“ erfolgt in zwei eng zusammengehörigen Schritten: a) in der christologischen Prädikation und b) in der aus dieser folgenden lebenspraktischen Konsequenz. So wurde m.E. bereits auf der Ebene der Tradition, in der Elija noch fehlte, die theologische Relation Jesu mit Mose abschließend durch die christologische Anwendung der Mosetradition aus Dtn 18,15 LXX geklärt: Nicht auf Mose, sondern auf die eschatologisch verbindliche Lehre Jesu ist zu hören, da er als Sohn Gottes „die entscheidende Heilsgestalt“ ist.699 Die göttliche Prädikation Jesu in 7c und der Imperativ in 7d zementieren daher die in V.4 durch die grammatische Konstruktion und den Anklang an Ex 34,35 dezent angedeutete Vorordnung Jesu als heilsentscheidende Gestalt. 3.9.7 Zur Frage einer literarischen Verarbeitung von Dtn 18,15–18 LXX Die zentrale Innovation der Wolkenstimme der Verklärungsperikope gegenüber der Himmelsstimme der Taufperikope ist, da in letzterer das „Wohlgefallen des Vaters … definitiv und vollständig ausgesprochen“ ist und somit nicht wiederholt zu werden braucht700, die Gehorsamsforderung, die mit hoher Wahrscheinlichkeit traditioneller Herkunft ist. Damit kommt es gegenüber der Taufstimme zu einer Verlagerung vom rein christologischen Wohlgefallensmotiv im Zusammenhang der Geistverleihung anlässlich der Taufe (GXP UQK GWXFQMJUC) zu einem stärker ekklesiologischparänetisch ausgerichteten göttlichen Gehorsamsbefehl (CXMQWGVG CWXVQW): Der göttliche Imperativ fordert im Anschluss an die Gottes-SohnPrädikation in 9,7c zum Gehorsam gegenüber der autoritativ vorgetragenen Lehre Jesu auf. Er hat eine kontinuierliche Geltung, wie aus der Verwendung der präsentischen Zeitform zu erkennen ist, und entfaltet seine eigentliche narrative Intention in extradiegetischer Hinsicht im Hinblick auf den Glaubensvollzug der Textrezipienten. Die Referenz des impliziten Subjekts CXMQWGVG ist eindeutig in die vorgeschlagene Richtung zu weiten, nicht jedoch auf die drei Jünger oder gar die himmlischen Besucher zu be-
698 Die von J.M. NÜTZEL [Verklärungserzählung, 147f.] mit Nachdruck verfochtene These einer „merkwürdige[n] ‚Funktionslosigkeit‘“ der Wolkenstimme kann vom Ansatz her nicht überzeugen. 699 Mit R. PESCH, HThK-Mk II, 77. Es handelt sich bekanntlich um kein Zitat von Dtn 18,15 LXX, sondern um eine kreative Anwendung einer prominenten Mosetradition. 700 Vgl. S. PELLEGRINI, Elija, 328. Vgl. auch F. HAHN, Christologische Hoheitstitel, 310.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
261
schränken.701 Diese Aufforderung erfolgt mit hoher Wahrscheinlichkeit mittels eines Anklangs an Dtn 18,15 LXX, sodass als Sachverhalt zu konstatieren ist, dass in Anwesenheit des Mose eine prominente Mosetradition auf Jesus Anwendung findet.702 Es fällt aber auf, dass kein Bestreben des Erzählers festzustellen ist, diesen Bezug, der einer biblisch versierten Hörer- bzw. Leserschaft offensichtlich gewesen sein dürfte, weiter zu forcieren, sodass W. Kraus Recht zu geben ist, nach dessen Interpretation „Dtn 18,15ff. als Hintergrund der Verklärung nach Mk … von untergeordneter Bedeutung“ ist.703 Dieser Hintergrund ist gleichwohl vorhanden! Die vergleichsweise verdeckte Anspielung auf diese Mosetradition (Dtn 18,15 LXX: CWXVQW CXMQWUGUSG– Mk 9,7d: CXMQWGVGCWXVQW, d.h. Wechsel der Zeitstufe und invertierte Wortstellung) führt zu dem Sachverhalt, dass die Frage, ob eine literarische Verarbeitung von Dtn 18,15 LXX vorliegt, als eine weitere traditionelle Streitfrage der Exegese der Verklärungsperikope angesprochen werden muss.704 In Anbetracht der hohen Dichte der an die
701 Mit D.S. DU T OIT [Abwesender Herr, 365], der hierzu m.E. überzeugend die im Bezugstext Dtn 18,15–18 vorliegende „Öffnung hin zum ‚Volk‘“ geltend macht. 702 Mit C. BREYTENBACH, Grundzüge, 175. 703 Vgl. W. KRAUS, Dtn 18,15–18, 161 (kursiv im Original). 704 Einen solchen Bezug befürworten C.E. CARLSTON, Transfiguration, 239; D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 362–365.378; DERS., „Gesalbter Gottessohn“, 41; DERS., Prolepsis als Prophetie, 182f.; J. GNILKA, EKK-Mk II, 36: Anspielung auf Dtn 18,15 LXX mit stark überbietender Tendenz; J. GRANADOS, Embodied Light, 11; R.H. G UNDRY, Use, 36f.; G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 89f.; F. HAHN, Christologische Hoheitstitel, 310.337; J. JEREMIAS, Art. /YWUJL. In: ThWNT IV (1942), 873; E. LOHMEYER, KEKMk, 177; DERS., Verklärung Jesu, 198; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 155f.; J. MAJOROSDANOWSKI, Elija im MkEv, 208; J. MARCUS, Way of the Lord, 81; H.-P. MÜLLER, Verklärung Jesu, 60; J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 248; R. PESCH, HThK-Mk II, 77; D. SÄNGER, „Von mir hat er geschrieben“, 123; R. SCHNACKENBURG, Erwartung des „Propheten“, 637; E. SCHWEIZER, NTD-Mk, 98; G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 245; W.R. STEGNER, Narrative Theology, 91; DERS., Use of Scripture, 115; V. T AYLOR, Gospel according to St. Mark, 392; A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 92; S. W ILLIAMS, Transfiguration I, 22; G. W OHLENBERG, Evangelium des Markus, 244; M. W OLTER, HNT-Lk, 354. Vorsichtig J. ERNST, RNT-Mk, 259: „allenfalls andeutungsweise unter Bezugnahme auf Dtn 18,15“. Vgl. auch D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 311: Anklang an Dtn 18,15, jedoch nicht leicht herauszuhören. Skeptisch dagegen sind M. HORSTMANN, Studien, 88f. (ihr Hinweis auf das Fehlen des Syntagmas CXMQWGVGCWXVQW in Mk 1,11 und 2 Petr 1,17 als Argument gegen einen Bezug von Mk 9,7d auf Dtn 18,15 ist denkbar schwach); U.B. MÜLLER, Christologische Absicht, 181; M. ÖHLER, Verklärung, 214; DERS., Elia im NT, 133; Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 215 Anm. 480; H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 173.178; A. S UHL, Funktion, 108. In der Regel verbindet sich mit der Ablehnung einer literarischen Verarbeitung von Dtn 18,15 LXX in Mk 9,7d eine völlige Ablehnung einer Deutung der markinischen Verklärungsperikope vor dem Hintergrund von Ex 24/34.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Mosetradition erinnernden Erzählzüge705 halte ich es aufgrund des so vorliegenden kumulativen Effekts für unglaubwürdig, wenn in der Exegese in gewisser Regelmäßigkeit ein solcher Bezug kategorisch in Abrede gestellt wird.706 Zunächst ist der Text Dtn 18,15–18 als solcher näher zu bedenken: Der Textabschnitt Dtn 18,15–18 ist integraler Bestandteil des uns in 18,9–22 vorliegenden Prophetengesetzes.707 Im zweiten Teil des dtn Gesetzbuches (16,18–18,22)708 ist von verschiedenen Autoritäten des Volkes Israel die Rede (16,18–20: Richter; 17,14–20: König; 18,1–8: levitische Priester; 18,9–22: Prophet, Singular!).709 Die Bestimmungen über „den Propheten“, die die geschichtliche Situation der theologischen Orientierungslosigkeit „post mortem Mosis“ reflektieren710, werden zunächst durch eine markante Absetzung von der Praxis der Völker der Umwelt profiliert711, wonach es Israel nicht erlaubt ist, mantische Praktiken zu vollziehen, Totenbeschwörungen, Zauberei, Kinderopfer usw. zu praktizieren (vgl. Dtn 18,9–11), weil solche Praktiken Jahwe ein Greuel sind (vgl. Dtn 18,12). Diese Aufzählung der magischen und orakelhaften Praktiken der Völker (Dtn 18,10f.) bildet den Negativhintergrund für die Aussagen hinsichtlich des Prophetentums. 712 Dem berechtigten menschlichen Anliegen, mit der „Gottheit“ in Kontakt zu treten, wird im Falle Israels durch die Institution eines Propheten entsprochen713, mit dem Jahwe ein „alle Zeichendeutungsbedürfnisse überholendes Angebot in Kraft gesetzt“ hat.714 Diese Aussage wird in Dtn 18,14 vorbereitet, in dem ebenso die Wurzel „hören“ dominiert: während die Völker auf Wolkendeuter und Orakelkundige hören (>PY), wird Israel dazu aufgefordert, auf den „je und je von Gott zu erweckenden Propheten“ zu hören (>PY).715 Dies ist der für
705
Dieses Argument macht auch D.S. DU TOIT [Abwesender Herr, 362] hinsichtlich des Vorliegens einer intertextuellen Bezugnahme auf Dtn 18,15 geltend: „Wie wir gesehen haben, bilden Mosebezüge einen kontinuierlichen Faden, der die ganze Verwandlungserzählung durchzieht“. 706 Einen deutlichen Hinweis darauf, dass die ersten Rezipienten des MkEv eine Anspielung auf die Mosetradition in Dtn 18,15–18 LXX herausgehört haben sollten, bietet der erste uns in der lukanischen Parallelversion vorliegende Kommentar dieser Stelle. Das Bestreben des Großevangelisten, das markinische CXMQWGVG CWXVQW stärker an Dtn 18,15 LXX anzugleichen, ist offensichtlich: Dtn 18,15 LXX liest CWXVQW CXMQWUGUSG, während Lk 9,35 das Syntagma CWXVQW CXMQWGVG bietet. Diese Beobachtung wird durch die Tatsache zementiert, dass in Apg 3,22 ein Zitat von Dtn 18,15 LXX mit einem offenkundigen Bezug Jesus vorgelegt wird. Vgl. dazu M. W OLTER, HNT-Lk, 354. 707 Vgl. dazu U. RÜTERSWÖRDEN, Studien zu Dt 16,18–18,22, 76–88. 708 Der erste Teil liegt in Dtn 12,2–16,17 vor und „ist der Regelung kultischer Fragen gewidmet“. Vgl. dazu N. LOHFINK, Sicherung der Wirksamkeit, 306. 709 Vgl. zum Aufbau N. LOHFINK, Sicherung der Wirksamkeit, 306.309; E. N IELSEN, HAT-Dtn, 173–184. 710 Vgl. dazu L. PERLITT, Mose als Prophet, 9; W. KRAUS, Dtn 18,15–18, 155. 711 L. PERLITT, Mose als Prophet, 8f. 712 Vgl. dazu U. RÜTERSWÖRDEN, Studien zu Dt 16,18–18,22, 78.80. 713 Vgl. N. LOHFINK, Sicherung der Wirksamkeit, 309. 714 Ausdruck von L. P ERLITT, Mose als Prophet, 9. 715 Mit W. KRAUS, Dtn 18,15-18, 154. Der iterative Charakter dieser Anweisung ist deutlich von F. CRÜSEMANN [Tora, 281] im Anschluss an ein Gros der Forschung he-
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
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Israel angemessene Weg, den Willen Gottes zu erfahren. Nach der Analyse N. Lohfinks fungiert der Prophet „des deuteronomischen Gesetzes nicht nur als die israelitische Korrespondenz zu allen Arten der Mantik außerhalb Israels …, sondern speziell auch als“ der einzige, „der Änderungen und Erweiterungen der Tora selbst autorisieren kann“. 716 Seine Funktion kann nicht auf die eines Hermeneuten des Mose reduziert werden, vielmehr handelt es sich treffender um seinen Nachfolger717, der als solcher als intimer Kenner des göttlichen Willens befähigt ist, dem Volk Israel Tora zu erteilen. Einem derart autorisierten Propheten ist unbedingter Gehorsam entgegenzubringen, andernfalls wird Jahwe selbst die den Prophetenworten nicht Folgenden „zur Rechenschaft ziehen (18,19)“.718 Dtn 18,15 lautet in der Übersetzung der LXX: RTQHJVJP GXM VYP CXFGNHYP UQW YBL GXOG CXPCUVJUGKUQKMWTKQLQBSGQLUQWCWXVQW CXMQWUGUSG.719 Mit CWXVQW CXMQWUGUSGübersetzt die LXX das hebräische :>P Y7L Z\O DH. Der so verheißene Prophet nimmt Züge eines mit höchster Autorität ausgestatteten „Moses redivivus“ an, dessen Funktion folglich kaum auf die Exegese des Mose reduziert werden darf.720
Der Bezug von Mk 9,7d auf die „Prophet-wie-Mose-Tradition“ von Dtn 18,15–18 wurde durch die Veröffentlichung von W. Kraus nochmals bestätigt.721 Ein solcher Bezug auf den verheißenen und erwarteten Moses redivivus ist offensichtlich. Damit sind Spuren einer traditionellen Prophetenchristologie zu greifen, die aber durch die im MkEv ab 1,1 dominierende Gottes-Sohn-Christologie eingebunden und „korrigiert“ wird722, da der Rekurs auf Dtn 18,15 LXX in Mk 9,7d durch den Konnex mit der SohnGottes-Prädikation nach dem Schema der Überbietung konstruiert ist.723 rausgestellt worden. Vgl. ferner N. LOHFINK, Sicherung der Wirksamkeit, 309; L. PERLITT, Mose als Prophet, 9; M. T HEOBALD, RNT-Joh, 157. 716 Vgl. N. LOHFINK, Sicherung der Wirksamkeit, 321. 717 Mit L. PERLITT, Mose als Prophet, 10. 718 Vgl. N. LOHFINK, Sicherung der Wirksamkeit, 310. 719 In der Übersetzung der LXX ist eine kleinere Abweichung vom MT zu verzeichnen: Der sprachlich umständliche Ausdruck A\[DPH A%U!4LPL wird mittels der Wiedergabe durch GXMVYPCXFGNHYPUQWgeglättet. Die Glättung findet sich in ähnlicher Weise nochmals in V.18: aK\[HD@EU4PL – GXMVYPCXFGNHYPCWXVYP 720 Vgl. L. P ERLITT, Mose als Prophet, 10. Zur Rezeption von Dtn in Qumran (1QS 9,11; 4Q 175) vgl. J. ZIMMERMANN, Messianische Texte, 315.428–441. 721 W. KRAUS: Die Bedeutung von Dtn 18,15–18 für das Verständnis Jesu als Prophet. In: ZNW 90 (1999), 153–176. 722 Nicht überzeugend ist die einander ausschließende Gegenüberstellung einer Propheten- und Gottes-Sohn-Christologie angesichts von Mk 9,7, wonach eine literarische Verarbeitung von Dtn 18,15 LXX von daher nicht vorliegen könne, „weil Jesus nicht als Prophet, sondern als Sohn Gottes geschildert wird“. So Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 215 Anm. 480. Die Prophetenchristologie wird m.E. in Mk 9,7 durch den Jesus zugesprochenen Gottes-Sohn-Titel in die christologische Konzeption des Makrotextes eingebunden und damit in gewisser Weise korrigiert. Dominierend ist der durch die GottesSohn-Konzeption gewährleistete überbietende Charakter der Aussage. 723 Überzeugend bei W. KRAUS, Dtn 18,15–18, 163. Ausgehend von dem in Mk 9,7 vorliegenden Prinzip der Überbietung ist auf das Fazit der alttestamentlichen Untersuchung L. PERLITTs [Mose als Prophet, 19] zur Funktion des Mose als Prophet zu verweisen, das unter Verweis auf Mk 8,28 vorgelegt wird: „So hat das frühe und das späte
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Markus hat diese Prophetentradition übernommen und mit seinerGXZQWUKCChristologie verbunden: Die Worte Jesu genießen höchste Autorität dadurch, dass Jesus als Sohn Gottes in einem unvergleichlich engen Gottesverhältnis steht. Die mit der RPGWOC-Begabung der Taufe initiierte GottSohn-Relation liegt sowohl dem in GXZQWUKCerfolgenden Auftreten als auch der autoritativ-bindenden Gesetzesinterpretation Jesu zugrunde. Die von M. Öhler724 vorgetragenen Bedenken gegen eine in Mk 9,7d vorliegende Anspielung auf Dtn 18,15 LXX sind nicht überzeugend. Öhler macht zunächst die Beobachtung geltend, dass in der markinischen Verklärungsperikope die Bezüge auf Mose nicht eindeutig sind.725 Sodann passe der hinter Dtn 18,15–18 stehende Propheten-Titel nicht zur Sohn-GottesPrädikation (Mk 9,7c). Dabei wird die überbietende Intention der Aussage systematisch ausgeklammert. Zudem: Die Identifikation des Täufers Johannes mit Elija beim Abstiegsgespräch (Mk 9,11–13) bringt die grundsätzliche Möglichkeit der „Wiedererscheinung“ biblischer Autoritäten zur Sprache. Dabei ist es gerade das besondere Interesse des MkEv an Elija, das zur Eintragung des Elija in die Verklärungsperikope und seiner Identifikation mit Johannes geführt hat. Das damit kontextuell verankerte Prinzip der Wiedererscheinung lässt nicht nur die Frage nach der Wiedererscheinungsmöglichkeit des Mose als legitim erscheinen, sondern macht es auch wahrscheinlich, dass Markus – gemäß dem Duktus der von ihm übernommenen Überlieferung – Jesus durchaus in der Position des Moses redivivus gesehen hat726, jedoch in deutlicher Überbietung wie die – Jesus aufseiten Gottes platzierende – Anspielung auf Ex 34,35 LXX und die Gottes-SohnIsrael seine Größten in den Prophetenmantel gehüllt; aber er vermochte sie nie ganz zu bedecken.“ 724 Vgl. zum Folgenden M. ÖHLER, Verklärung, 214. 725 Eine erneute Auseinandersetzung mit diesem Standardtopos der Exegese der markinischen Verklärungsperikope ist nicht nötig. Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 1 (1.5) und Kapitel 3 (3.3.1) dieser Studie. 726 Überzeugend bei G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 90 Anm. 224: „Die Vorstellung einer Wiedererscheinung ist also im Kontext verankert. Da liegt es nahe anzunehmen, dass die Gestalt des Mose in Jesus neues Leben gewinnt.“ Das Prinzip der Wiedererscheinung möchte ich auch gegen den Vorschlag von S. PELLEGRINI [Elija, 326f.] geltend machen, die primäre „intertextuelle Interferenz“ nicht in Dtn 18,15, sondern in Ex 23,21 zu sehen. Dort heißt es vom göttlichen Boten: RTQUGEG UGCWVY^ MCK GKXUCMQWG CWXVQW MCK OJ CXRGKSGK CWXVY^ QWX ICT OJ WBRQUVGKNJVCK UG VQ ICT QPQOC OQW GXUVKP GXR8 CWXVY^. Kryptisch erscheint der Satz Pellegrinis: „Gerade die Beobachtung, daß der Bote in Ex 23,20 keine Verbindung zu Mose impliziert, läßt einen eher zu einer intertextuellen Bevorzugung des Ex 23,20 [sic!] gegenüber Dtn 18,15.18 neigen.“ Die Mose überbietende Funktion Jesu als eschatologisch verbindlicher Tora-Lehrer liegt m.E. auf der Hand. Dazu passt das Bergmotitv der Verklärungsszene. Dass aber der Begriff CIIGNQL im MkEv als „Bild für die Identität Jesu“ dienen könnte, ist m.E. ausgehend von Mk 1,2 unglaubwürdig.
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
265
Prädikation in V.7 offenbaren. Die Ausführungen in Punkt 3.9.5 dieses Kapitels haben es wahrscheinlich gemacht, dass im MkEv der Wille Gottes in der Verkündigung und Gesetzesauslegung Jesu deutlich wird: Jesus nimmt die traditionelle Rolle des Mose ein, was ausgehend von der in Dtn 18,15–18 LXX formulierten Prophetentradition eine allgemeine theologische Plausibilität darstellt, und überbietet diesen zugleich727, insofern allein er WKBQLSGQWist. 3.9.8 Das Aphanismos-Motiv (Mk 9,8) Nachdem die Verklärungserzählung mit dem aus Gottes Mund ergehenden christologisch-legitimierenden Offenbarungswort und dem an dieses angeschlossenen Dtn 18,15 LXX literarisch aufnehmenden Gehorsamsbefehl ihren Höhe- und Schlusspunkt erreicht hat, der als solcher keiner Fortsetzung bedarf728, wird in Mk 9,8 – eingeleitet durch das im Neuen Testament ein Hapaxlegomenon bildende Zeitadverb GXZCRKPC– das für Epiphanieerzählungen charakteristische Aphanismos-Motiv platziert729, das zugleich den narrativen Übergang zur konstruierten Gesprächsszene in Mk 9,9–13 gewährleistet. Das abrupte Ende des Geschehens entspricht Epiphanietopik.730 Das GXZCRKPC indiziert, dass eine ebenso plötzliche wie radikale Zustandsänderung eingetreten ist, womit zugleich deutlich wird, dass der Zustand von Mk 9,2a.b wiederhergestellt ist.731 Treffend formuliert D.S. du Toit hierzu: „Die Kürze des Satzes entspricht der Plötzlichkeit des Ereignisses“.732 Die ab Mk 9,2c zu beobachtende Tendenz der Perikope, das Geschehen aus der Perspektive der Jünger zu erzählen, wird bis V.8 fortgeführt. Auch das Ende der narratio wird aus der Jüngerperspektive erzählt733, was leicht aus der Betonung der visuellen Wahrnehmung der Jünger in V.8a (RGTKDNG[COGPQK – GK FQP) und dem Syntagma OGS8GBCWVYP zu erkennen ist. Erst in V.9 wird die im MkEv übliche Perspektive wieder eingenommen, in der Jesus der Träger der Handlung ist. Mit V.8 wird nach der in Kapitel 1 vorgelegten Gliederung der Perikope734 der zweite, mit dem Auftreten der himmlischen Besucher in V.4 eingeleitete Teil der Transfigurationsnarratio abgeschlossen (9,4–8), da 727
Mit G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 162. Mit A. VÖGTLE, Unnötige Glaubensbarrieren, 92. Ähnlich auch P. D SCHULNIGG, ThK-Mk, 247; D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, z.B. 343. 729 Vgl. M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 187. 730 Vgl. für viele J. ERNST, RNT-Mk, 259. 731 Vgl. C. BREYTENBACH, Nachfolge, 246. 732 Vgl. D.S. DU TOIT Abwesender Herr, 343 Anm. 60. 733 Mit L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 217. 734 Vgl. Unterpunkt 2.1 in Kapitel 1 dieser Studie. 728
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
durch das betonte OQPQP einerseits der „Besuch“ der Himmelsbewohner nun im Modus ihrer Abwesenheit rekapituliert, andererseits nochmals die unvergleichlich hohe theologische Dignität Jesu hervorgehoben wird.735 Die Tatsache, dass auf dem OQPQP die narrative Emphase der Aussage liegt, wird semantisch dadurch unterstrichen, dass dieses Adjektiv durch die in V.8a vorliegende, klassischem Sprachgebrauch entsprechende starke Verneinung mittels zweier Negationen736 – QWXMGVK QWXFGPC (vgl. auch 1,44; 15,5; 16,8) – sachlogisch vorbereitet wird. Die Betonung des 8,JUQWLOQPQL steht in Diensten der Christologie dieser Perikope und korrespondiert mit dem göttlichen Gehorsamsbefehl des vorstehenden Verses, dem zufolge allein auf die Lehre Jesu zu hören ist, dessen Autorität sich nicht seiner Gemeinschaft mit Elija und Mose verdankt, sondern in seiner Stellung als Sohn Gottes begründet ist.737 Das OQPQL dient so zugleich zur nachträglichen Erklärung der Kritik des Erzählers an dem seiner Intention nach nivellierenden Vorschlag des Petrus, drei nebeneinander stehende Zelte zu errichten. K. Kertelge setzt somit einen falschen Akzent, wenn er in der Kommentierung von Mk 9,8 ausführt: „am Schluß steht die ‚Ernüchterung‘“.738 Nicht Ernüchterung ist der Skopus der Aussage, sondern erneut die Legitimation Jesu als der eschatologisch entscheidenden Gestalt. Die damit implizierte nochmalige Abgrenzung Jesu gegenüber Elija und Mose wird zudem dadurch gefördert, dass in V.8a in dichter Abfolge zwei Verben des Sehens platziert werden – RGTKDNGRGKP;QBTCP–, womit auf das YHSJ in V.4 zurückverwiesen wird: Wie dort Elija und Mose zugunsten der Jünger (CWXVQKL) erscheinen, sehen diese nun allein Jesus als den einziggeliebten (CXICRJVQL) Sohn Gottes. Von daher sind alle Versuche in Zweifel zu ziehen, die das SyntagmaVQP8,JUQWPOQPQPOGS8GBCWVYPin seiner Bedeutung für die vorliegende Legitimationserzählung abwerten. Auch kann ich mich nicht der Position anschließen, dass die „Einschränkung ‚außer Jesus allein bei ihnen‘ (V. 8)“ angehängt wirkt739, sie ist vielmehr als notwendiges Erzählelement zu bewerten, um zu dem redaktionell angeschlossenen Bergabstiegsgespräch überzuleiten (9,9–13), bei dem – nach Mk Das OQPQP in V.8 dient zur Näherqualifizierung Jesu und indiziert seine theologische Überlegenheit, die Inhalt auch des göttlichen Offenbarungswortes in V.7c.d ist. Daher steht das Adjektiv in sachlicher Opposition zur Gemeinschaft der drei himmlischen Wesen Jesus, Elija und Mose, die in der Versfolge 4–7 kontinuierlich vorausgesetzt ist. Erst in nachgeordneter Hinsicht gibt es eine Berührung mit dem Syntagma MCV8 KXFKC P OQPQWL in V.2b, das dort den zu Verklärungs-„Zeugen“ bestellten Jüngern gilt. Gegen J.P. HEIL [Transfiguration, 169], der einseitig den Bezug OQPQWL (V.2a) – OQPQP (V.8) thematisiert. 736 Vgl. G. LÜDERITZ, Rhetorik, 181; J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 150. 737 Mit M. ÖHLER, Elia im NT, 133. 738 Vgl. K. KERTELGE, NEB-Mk, 89. 739 So der Einwand bei A. STANDHARTINGER, Jesus, Elija und Mose, 77. 735
3. Einzelversanalyse von Mk 9,2–8
267
9,2a.b – Jesus wieder Subjekt einer Handlung, näherhin einer Jüngerbelehrung (vgl. 9,7d) ist. Von daher ist die Annahme höchst erwägenswert, dass der Teilvers 9,8b auf markinische Redaktionsarbeit zurückgeht.740
4. Fazit: Traditionelle und redaktionelle Anteile in Mk 9,2–8 Zum Abschluss dieses der Einzelversanalyse von Mk 9,2–8 dienenden zweiten Kapitels empfiehlt es sich, die darin herausgearbeiteten Erkenntnisse im Hinblick auf die traditionellen und die redaktionellen Anteile der Verklärungsperikope innerhalb einer Zusammenschau zu präsentieren. Die vorliegende Studie geht von der Priorität der markinischen Fassung der Verklärungsperikope aus. Sie geht ferner davon aus, dass Markus eine ihm vorliegende Überlieferung behutsam überarbeitet und sachlich, sprachlich und textlogisch gekonnt in den narrativen Aufbau seines Evangeliums integriert und damit biographisiert hat. Die Verklärungsüberlieferung ist von Markus näherhin als eine mündlich tradierte, vorgegebene Einheit aufgegriffen und erstmals verschriftlicht worden. Diese erstmalige schriftliche Verbalisierung der Verklärungsüberlieferung ist als besondere Leistung des markinischen Redaktors zu würdigen. Das Eigenleben der rezipierten Überlieferung zeigt sich in ihrer formalen und inhaltlichen Geschlossenheit, die als solche zugleich als „conditio sine qua non ihrer Überlieferungsfähigkeit“ anzusprechen ist.741 Kennzeichen der Verklärungsüberlieferung ist – bei einer nahezu vollendet gelungenen Integration in den Mikrokontext – eine auffallende Kontextunabhängigkeit, insofern sie prinzipiell aus dem narrativen Gerüst des markinischen Makrotextes herausgelöst werden kann.742
740 Vgl. W. SCHMITHALS, Markusschluß, 393. So auch A. STANDHARTINGER, Jesus, Elija und Mose, 82. 741 Vgl. dazu die grundsätzlichen Überlegungen bei M. T HEOBALD, Herrenworte, 57f. 742 Die unzweifelhaft vorliegende Kontextunabhängigkeit der Verklärungsperikope wird von U. BECKER [Elia, Mose und Jesus, 7] in Richtung einer „Widerständigkeit von Mk 9,2–10 gegenüber der literarischen Umgebung“ ausgeweitet. Gegen die These einer „Widerständigkeit“ und zugunsten der vorgeschlagenen These einer „Kontextunabhängigkeit“ spricht m.E. die nahtlos gelungene Integration der Überlieferung in die Perikopenabfolge Mk 8,27 bis 9,29, in der die Verklärungsperikope gleichwohl einen Sonderstatus genießt. Auch die Erzählfigur „Elija“ in Mk 9,4f. und 9,11–13 ist nicht – wie von U. Becker postuliert – geeignet, die These einer Widerständigkeit zu begründen. Vgl. dazu die Analyse von 9,11–13 in Kapitel 4 (3.3) dieser Studie. Mit D. ZELLER [Verwandlung Jesu, 109f.] ist zu konstatieren, dass „[d]ie Geschichte von der Verwandlung Jesu … bei Mk … bruchlos in den näheren Kontext“ integriert ist.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Die Verklärungsperikope ist des Weiteren durch eine markante sprachliche Kürze und Prägnanz geprägt, deren Intention ein hohes Maß an Einprägsamkeit sein dürfte.743 Der narrative Duktus der Verklärungsperikope unterbindet jede Form einer Ausmalung der erzählten Begebenheit. Es liegt eine beachtliche Erzählökonomie vor, mit der eine hohe Christologie mittels eines durch höchste Einfachheit und Sachlichkeit geprägten Erzählstils kommuniziert wird. Die Kontextunabhängigkeit der Verklärungsperikope zeigt sich ebenso an der Tatsache, dass sie einer bestimmten Gattung zugeordnet werden kann, die sich markant vom Mikrokontext abhebt. Im ersten Kapitel wurde der Vorschlag gemacht, in Mk 9,2–8 eine nach den Traditionsvorgaben von Ex 24/34 komponierte christologische Legitimationsgeschichte mittels einer Epiphanienarratio zu erkennen. Über einen bestimmten „Sitz im Leben“ dieser Überlieferung sind exegetisch verantwortbare Aussagen überaus schwierig. Auf in dieser Hinsicht ungeschützte Aussagen soll daher verzichtet werden. Stand die letzte aus dem deutschen Sprachraum stammende Arbeit zur markinischen Verklärungsperikope ganz unter dem Vorzeichen des Forschungsinteresses der 1970er-Jahre und war vom Ansatz her darauf angelegt, Tradition und Redaktion mittels eines redaktionskritischen Analyseverfahrens möglichst exakt voneinander abzuheben, so teilt die vorliegende Studie die in der Zwischenzeit in der Exegese gewachsene Skepsis gegenüber einer „Überstrapazierung“ dieses exegetischen Arbeitsschrittes. Die Skepsis richtet sich insbesondere gegen die Annahme, mit der Differenzierung von Tradition und Redaktion die eigentliche theologische Intention des Verfassers entschlüsseln zu können und auf diese Weise ein überzeugendes Interpretationsinstrument des Textes in die Hand gelegt zu bekommen. Gegen die Tendenz der Verabsolutierung der redaktionskritischen Fragestellung ist die exegetisch-methodische Grundannahme zu setzen, „daß ein Evangelientext in sich suffizient ist, d. h. dem Rezipienten alles für das Verständnis seiner Intention Notwendige bereithält und deshalb prinzipiell keines Vergleichs mit anderen Texten bedarf“.744 Damit wird der vorliegende Text als die der Analyse vorgegebene Einheit aufgewertet. Zugleich wird darauf verzichtet, „die literarkritische Scheidung von Tradition und Redaktion zum Ausgangspunkt der Untersuchung zu machen“.745
743
Vgl. zum formal-stilistischen Kriterium der „Kürze und Prägnanz“ M. THEOBALD, Herrenworte, 57. 744 Vgl. M. T HEOBALD, Primat der Synchronie, 163. 745 Vgl. C. BREYTENBACH, Markusevangelium als traditionsgebundene Erzählung, 91.
4. Fazit: Traditionelle und redaktionelle Anteile in Mk 9,2–8
269
Ausgehend von dieser Erkenntnis bemühte sich die in diesem zweiten Kapitel vorgelegte Einzelversanalyse der Verklärungsperikope, sowohl „das Axiom vom Primat der Synchronie vor der Diachronie“746 zu beachten als auch das Bestreben an den Tag zu legen, weder die synchrone gegenüber der diachronen noch die diachrone gegenüber der synchronen Textanalyse auszuspielen. Andererseits darf sich diese Methode nicht als „a-chrone Textanalyse“747 missverstehen, indem sie offensichtliche Wachstumsspuren des Textes methodisch außer Acht lässt.748 Beides ist zu leisten: Die Verklärungsnarratio ist als eine in sich abgerundete Texteinheit zu lesen und zu interpretieren. Sodann sind die Spannungen und Unebenheiten als solche wahrzunehmen, um diese im Hinblick auf die Genese des Textes zu befragen, ohne sie jedoch zur Voraussetzung oder zum Ausgangspunkt der Textanalyse zu machen. Ausgangspunkt ist vielmehr der Text als autonomes Sprachgebilde.749 Damit verbindet sich die Anerkennung des Verfassers des MkEv als eines kreativen, theologisch-versierten, erzählenden Autors750, der die ihm vorliegenden Traditionen und Überlieferungen verarbeitet und in sein christologisch-narratologisches Konzept integriert hat. Stand in der durch die Redaktionskritik dominierten Forschungsphase der Verfasser als Redaktor im Mittelpunkt des exegetischen Interesses, dessen Leistung darin gesehen wurde, das ihm vorliegende Material – strukturell konservativ – zu einer zusammenhängenden Jesusgeschichte zu integrieren, dabei aber in erster Linie Treue gegenüber seinen Vorlagen walten zu lassen, so sehen die meisten neueren Ansätze im markinischen Erzähler einen „Theologen und Schriftsteller“751, der theologisch versiert und narrativ kompetent die Jesusgeschichte als Theologie zu erzählen versteht. Die Anerkennung dieser Kompetenz verbietet es, nur in den „erwiesenredaktionellen“ Passagen die theologische Intention des Redaktors Markus entdecken zu wollen. Auf unseren Text gewandt: Auch wenn – wie in dieser Studie durchgängig vorausgesetzt wird – der Stoff der Verklärung weitestgehend traditionell ist, so ist er gleichwohl ohne Abstriche auf die theologische Intention des „Theologen und Erzählers“ Markus hin zu befragen.
746 Vgl. M. T HEOBALD, Primat der Synchronie, 161f. Ferner F. HAHN, Überlegungen, 177 mit Anm. 18; P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 10–12. 747 Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 42. 748 Vgl. z.B. C. BREYTENBACH, Markusevangelium als traditionsgebundene Erzählung, 83–86.104. 749 Vgl. dazu auch P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 11. 750 Mit W.S. VORSTER, Markus, 36. Vgl. auch K. B ACKHAUS, „Lösepreis für viele“, 91: Markus als kühner Literat und schöpferischer Theologe. 751 Mit G. GUTTENBERGER, Gottesvorstellung, 34.
270
2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Mit guten Gründen ist davon auszugehen, dass die Transfigurationsnarratio eine Markus – wahrscheinlich in mündlicher Form – vorliegende Überlieferungseinheit war, in die er vergleichsweise behutsam redaktionell eingegriffen hat.752 In metaphorischer Sprache kann hier von redaktionellen Lichtern gesprochen werden, die Markus der mündlich tradierten Verklärungsüberlieferung im Zuge der schriftlichen Versprachlichung aufgesetzt hat. Eine solche Einschätzung ist m.E. glaubwürdiger als die im Laufe der Erforschung von Mk 9,2–8 vorgelegten Dekompositionsversuche: Sie wirken in ihrer konträren Fülle erschlagend und belasten in ihrer Vielzahl die Glaubwürdigkeit der Exegese.753 Der Durchgang durch die Forschungsgeschichte zur markinischen Verklärungsperikope, speziell im Hinblick auf die wichtigsten Teilungsvorschläge, offenbart, dass nahezu jeder Vers aus der Verklärungsperikope herausgelöst werden konnte.754 Skepsis ist auch den unternommenen Versuchen entgegenzubringen, das eigentliche Verklärungsmotiv in Mk 9,2c.3 als „hellenistisches Element“ zu eruieren und überlieferungskritisch zu separieren, wofür in der Exegese der Verklärungserzählung die Namen E. Lohmeyer und F. Hahn stehen.755 Ungleich wahrscheinlicher als das Postulat nachträglich zusammengewachsener, ursprünglich isoliert überlieferter Traditionspartikel ist es, in Mk 9,2–8 ein dem Evangelisten bereits vorliegendes, mündliches Überlieferungsstück zu sehen, in das er geringfügig redaktionell eingegriffen und in den Eingangsbereich des Mittelteils seines Evangeliums integriert hat. Da ich davon ausgehe, dass die erste Verschriftlichung der Verklärungsüberlieferung durch Markus selbst vollzogen worden ist, bezieht sich im Folgenden der Ausdruck „redaktionell“ – anders als beim sonst üblichen exegetischen Paradigma – nicht auf die Bearbeitung schriftlich fixierter Vorlagen, sondern auf die schriftstellerische Bearbeitung mündlich tradierten Materials, die über den bloßen Vorgang der eigentlichen Verschriftlichung hinausgeht. In der vorgelegten Einzelversanalyse wurden in diesem Sinne 752 Vgl. für viele z.B. D. LEE, Transfiguration, 6; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 154; U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 20. 753 Vgl. z.B. C. BREYTENBACH, Markusevangelium als traditionsgebundene Erzählung, 78: „… so waren es doch vor allem die divergierenden Ergebnisse der Redaktionskritik, die … zu einer Neuorientierung nötigten“. Vgl. ferner die Einschätzung von R. PESCH [Rezension von L. SCHENKE: Der gekreuzigte Christus. In: ThRv 72 (1976), 102]: „Eine Aufarbeitung der in der ntl Exegese insbesondere bei der Literarkritik gehandhabten Methode ist dringend überfällig, sollen nicht beliebig viele unterschiedliche Ergebnisse in Untersuchungen produziert werden, die in ihrer Variationsbreite und Widersprüchlichkeit den wissenschaftlichen Charakter der Disziplin … öffentlich in Frage stellen“. 754 So bereits J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 65. 755 Eine Auseinandersetzung mit den entsprechenden Ansätzen erfolgt im 2. Abschnitt des dritten Kapitels dieser Studie.
4. Fazit: Traditionelle und redaktionelle Anteile in Mk 9,2–8
271
folgende Vorschläge zur Differenzierung traditioneller und redaktioneller Passagen der Verklärungsperikope unterbreitet, wobei der hypothetische Charakter mancher der getroffenen Aussagen von vornherein einzuräumen ist.756 4.1 Die Zeitmarke MCKOGVCJBOGTCLG=Zin Mk 9,2a Der Beginn der Erzählung757 ist eindeutig mit dem besonderen, an Ex 24,16f. erinnernden Zeitsignal MCK OGVC JBOGTCL G=Z gegeben, der als deutlicher epiphanialer Hinweis zu werten ist.758 Hier liegt eine Nahtstelle par excellence vor. Diese auffallend präzise Zeitmarke, deren Anschluss an die in Mk 8,34–9,1 vorgelegte Logienkomposition gleichwohl unbestimmt bleibt, markiert einen literarischen Neueinsatz, mit dessen Hilfe die sich anschließende Erzählung vom Naherwartungslogion abgehoben wird. Diese Zeitmarke verfolgt andere als primär chronologische Interessen. Sie dient m.E. dazu, eine bestimmte Lektüre- und Rezeptionsstimmung zu erzeugen, die den biblisch versierten Adressaten auf den ersten Sinaiaufstieg des Mose (Ex 24) verweist. Sie fungiert als ein typologischer Hinweis, der 756
Der Text sendet hinsichtlich der Frage nach Tradition und Redaktion zudem divergierende Signale aus, die einer eindeutigen redaktionskritischen Beurteilung massive Widerstände entgegensetzen: So ist auf den parataktischen, durch MCK geprägten Erzählstil hinzuweisen, der durchweg vorliegt mit Ausnahme des gerade markinischer Redaktion „verdächtigen“ V.6. Damit verbinden sich weitere typisch markinische Eigentümlichkeiten: 1. Auswahl von Petrus, Jakobus und Johannes (5,37; 9,2a; 14,33); 2. Einleitung des Petrusvorschlags (9,5a, vgl. 8,29c); 3. umständlicher, durch zweimaliges ICT geprägter Erzählerkommentar (9,6). Daneben tritt aber die Beobachtung, dass der Text ebenso zahlreiche markinische, synoptische und ntl. Hapaxlegomena aufweist. Mit D. ZELLER [Bedeutung und Hintergrund, 308 Anm. 18; vgl. auch D ERS., Verwandlung Jesu, 110 Anm. 10] ist hinzuweisen auf: CXPCHGTGKP – WB[JNQL – OGVCOQTHQWUSCK – UVKNDGKP – IPCHGWL – NGWMCKPGKP – YXHSJPCK – UWNNCNGKP –UMJPJ – GMHQDQLIGPGUSCK – GXRKUMKC\GKP – GXZCRKPC. Eine Differenzierung von Tradition und Redaktion mittels der Vokabelstatistik und Stilkritik ist angesichts Mk 9,2–8 besonders schwierig. 757 Der immer wieder unternommene Versuch, das „Naherwartungslogion“ Mk 9,1 bereits der Verklärungsperikope zuzurechnen, ist unglaubwürdig. So aber K. B ERGER, Amen-Worte, 66; E. NARDONI, Redactional Interpretation of Mark 9,1, passim.; M. ÖHLER , Elia im NT, 118f.; DERS., Verklärung Jesu, 197f. Der mit 9,2 vorliegende Szenenwechsel zusammen mit dem neuen Personenbestand sprechen dagegen. Zwar rekrutiert sich der Personenbestand in 9,2 eindeutig aus Erzählfiguren, die ab 8,34 als durchgängig vorhanden zu denken sind, gleichwohl markiert ihre namentliche Nennung in 9,2a eine deutliche Zäsur. Dagegen macht Mk 9,1 guten Sinn als zweiter „Flügel“ des einen eschatologischen Ausblicks in 8,38/9,1, mit dem die Nachfolgeperikope 8,34–9,1 abgeschlossen wird. Das Syntagma MCK GNGIGP CWXVQKL dient zur besonderen Hervorhebung dieses Verses in der mit 8,34 beginnenden Logienfolge. Vgl. dazu z.B. C. BREYTENBACH, Nachfolge, 230f.; D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 44 mit Anm. 94; J. SCHRÖTER, Erinnerung an Jesu Worte, 398f. Vgl. dazu auch die Ausführungen in Kapitel 2 (2.4) dieser Studie. 758 Mit U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 20.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
den Rezipienten dazu drängt, die in Mk 9,2–8 vorliegende christologische Legitimationserzählung vor dem Hintergrund von Ex 24/34 zu rezipieren. Diese Zeitmarke ist wahrscheinlich redaktionell.759 Sie wäre „als Einleitung eines Traditionsstückes … unverständlich“.760 Es handelt sich gemäß der von F. Fendler herausgearbeiteten Kategorien von Zeitangabe im MkEv um eine „Zeitangabe konkreter Relation durch Stellung im Kontext“.761 Solche Zeitmarken (vgl. z.B. Wendung QX[KCL FG IGPQOGPJL in 1,32; 4,35; 6,47; 14,17; 15,42; das AdverbRTYKin 1,35; 11,20; 15,1; 16,2; die Stundenzählung am Kreuzigungstag) sind im MkEv in der Regel redaktionell. Das markante Eigenleben dieser auffälligen Zeitmarke hat semantische Signalwirkung und verweist auf redaktionelle Tätigkeit. Als Intention dieses redaktionellen Eingriffs ist die Forcierung der Rezeption der Verklärungsperikope vor dem Hintergrund von Ex 24 denkbar. 4.2 Das Jüngerauswahlmotiv in Mk 9,2a In der Jüngerauswahl in Mk 9,2a werden die intradiegetischen Zeugen der Verwandlung Jesu eingeführt. Als intradiegetische Zeugen sind sie m.E. unverzichtbar hinsichtlich der inneren Stimmigkeit der Verklärungsperikope im Sinne einer christologischen Legitimationserzählung. Ihre Einführung muss vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Hochgewichtung der Jüngerthematik im Makrotext gelesen werden. Hinsichtlich der traditionellen bzw. redaktionellen Anteile wurde eine vermittelnde Deutung vorgeschlagen: Zu einem handelt es sich bei der namentlichen Jüngerauswahl um ein Motiv, das ebenso in 5,37.40 und 14,33 begegnet, was dieses Motiv sogleich unter den „Verdacht“ stellt, eine markinisch-redaktionelle Prägung zu sein, was zudem durch das Syntagma MCV8 KXFKCP OQPQWL begünstigt wird, das ebenso eine deutliche markinische Handschrift trägt.762 Andererseits ist die Auswahl von Epiphaniezeugen ein typologischer Zug vergleichbarer Texte. Die Existenz von Zeugen ist notwendig für die erzähllogische Konsistenz der Transfigurationsnarratio. Sodann bietet Ex 24,1.9 mit der namentlichen Erwähnung von Aaron, Nadab und Abihu deutliche Vorgaben, die in eine traditionelle Richtung weisen. Die vermittelnde Deutung besteht darin, das unverzichtbare Epiphaniezeugenmotiv der Tradition, die namentliche Identifikation der drei Jünger jedoch der markinischen Redaktion zuzuschreiben. Letzteres gilt auch für die typisch markinische Zusatzbemerkung MCV8 KXFKCP OQPQWL. Es ist zudem der Vor759
Vgl. zur Begründung Unterpunkt 3.2 dieses Kapitels. D. DORMEYER, Passion, 66 Anm. 33. 761 Vgl. F. FENDLER, Studien, 91. 762 So auch E. B EST, Transfiguration, 209; W. SCHMITHALS , Markusschluß, 388. Vgl. zur näheren Begründung dieser Position die Ausführungen Unterpunkt 3.3 dieses Kapitels. 760
4. Fazit: Traditionelle und redaktionelle Anteile in Mk 9,2–8
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schlag gemacht worden, die redaktionelle namentliche Erwähnung der drei Verklärungs-„Zeugen“ vor dem Hintergrund eines extratextuellen Wissens der Hörer-/Leserschaft über den Märtyrertod des Petrus, Jakobus und Johannes zu deuten und diese Erkenntnis hinsichtlich des der Verklärungsperikope innewohnenden Hoffnungspotentials verständlich zu machen.763 4.3 Das Bergaufstiegsmotiv in Mk 9,2b In der Einzelversanalyse wurde das Bergaufstiegsmotiv als letztes Element einer Propädeutik der Verwandlung Jesu gedeutet. Da es sich um eine literarische Verarbeitung von Ex 24,2.9 handelt, ist von einem traditionellen Gehalt auszugehen. Das Bergmotiv ist mit hoher Wahrscheinlichkeit unverzichtbar hinsichtlich der Intention der Perikope, die theologische Dignität Jesu im Vergleich zu Mose als überlegen darzustellen, da durch das traditionelle Motiv des der Autorität Jesu geschuldeten Bergaufstiegs ein Vergleich Jesu mit Mose gefördert wird, der die gesamte Verklärungsperikope beherrscht und in der Einspielung einer weiteren Mosetradition in Mk 9,7d kulminiert (Dtn 18,15–18 LXX). Aussageintention ist die Unvergleichbarkeit der theologischen Autorität Jesu. Allein bei der „überschießenden“ WendungMCV8KXFKCPOQPQWL(zu MCV8KXFKCPvgl. noch 4,34; 6,31f.; 7,33; 9,28; 13,3) ist an eine redaktionelle Einfügung zu denken. Als ihre Zielsetzung ist an die Erzeugung einer Atmosphäre größtmöglicher Abgeschiedenheit und einer Exklusivität des Geschehens zu denken. Zugleich werden durch diese redaktionelle Einfügung die Exklusivität der ausgewählten Zeugen sowie ihre herausgehobene Position im Zwölferkreis betont. 4.4 Das Verwandlungsmotiv in Mk 9,2c samt narrativer Illustrierung (Mk 9,3) In der Einzelversanalyse wurde die Zäsur betont, die zwischen Mk 9,2b und c zu setzen ist, da Jesus ab 9,2c durchweg als passiv dargestellt wird. Ab 9,2c ist die erzählte Handlung ein Geschehen an Jesus, der erst in 9,9 wieder das Heft des Handelns in die Hand nimmt. Weder für die Verwandlung Jesu in 9,2c noch für deren volkstümlich-bildhafte Illustrierung in 9,3 konnte eine redaktionelle Tätigkeit nachgewiesen werden. Die Verwendung des auffälligen Lexems OGVCOQTHQWUSCK weist ebenso in eine traditionelle Richtung. Ich gehe folglich von einem weitgehend traditionellen Charakter der Texteinheit Mk 9,2c–3 aus. Auch reichen die Indizien angesichts der wichtigen ZusatzinformationGORTQUSGPCWXVYPnicht aus, dieses Syntagma der markinischen Redaktion zuzuweisen. Zwar wird hiermit der 763 Vgl. zur näheren Begründung den Unterpunkt 1.4 im ersten- und 3.3 in diesem Kapitel.
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
point of view verändert – die Erzählperspektive ist von nun an die der Jünger, aus deren Blickwinkel das Geschehen dargestellt wird und zu deren Gunsten die Verwandlung geschieht –, über einen redaktionellen Eingriff kann hierbei gleichwohl nicht entschieden werden. Einzig bei der sprachlich stark überfrachteten Formel KBOCVKC … UVKNDQPVC NGWMC NKCP in Mk 9,3a ist ein redaktioneller Eingriff mit der Intention einer narrativen Emphase zu erwägen. 4.5 Das Erscheinen der Himmelsbewohner Elija und Mose (Mk 9,4) Angesichts der gleichsam flächendeckenden Sättigung der markinischen Verklärungsperikope mit Erzählmotiven, die an Ex 24/34 erinnern, sowie angesichts der sprachlichen Parallelität von Mk 9,4 (MCK J UCP UWNNCNQWPVGLVY^ 8,JUQW) mit Ex 34,35 LXX (UWNNCNGKPCWXVY^) erstaunt der Besuch des Mose auf dem Berg der Verklärung nicht, während die Erwähnung des Elija motiv- und traditionsgeschichtlich auffallend ist. Zudem fällt die divergierende Stellung der beiden Himmelsbewohner in 9,4 und 9,5 auf. Sie bewirkt sowohl eine zentrierte Stellung Jesu als auch eine ebenso markante Flügelstellung des Elija.764 In Verbindung mit den Beobachtungen, dass der Thesbiter in Mk 9,11–13 eine explizite Thematisierung erfährt und im Makrotext des MkEv ein durchgängiges markinisches Interesse an Elija zu greifen ist (1,6; 9,4f.; 9,11–13; 15,34–39), das durchweg mit der Leidensthematik korreliert wird, wurde seine redaktionelle Einfügung in die Verklärungsperikope sowie seine Identifizierung mit dem Täufer Johannes vorgeschlagen. Die auffallende Kontextabhängigkeit der Erzählfigur des Elija spricht m.E. stark für eine markinischredaktionelle Prägung. Eine Identifizierung des Elija mit Johannes legt die „schriftgelehrte“ Diskussion der VV.11–13 des gleichen Kapitels nahe, in der die Größen „Elija“ und „Johannes“ einander stark angenähert werden. Durch die redaktionelle Integration des Elija wird die Leidensthematik in die Verklärungsperikope eingetragen. Elija fungiert als Rezeptionssignal, die Transfiguratio Jesu nicht exklusiv herrlichkeitschristologisch zu deuten, sondern den Konnex von FQZC und Leiden (8,31; 9,30–32; 10,32–34) zu beachten. Es ist Aufgabe des vierten Kapitels, diese Kernthese näher zu begründen. Weitere redaktionelle Eingriffe konnten in V.4 nicht nachgewiesen werden.
764 Vgl. zur näheren Begründung dieses Sachverhaltes Unterpunkt 3.7.2 in diesem Kapitel.
4. Fazit: Traditionelle und redaktionelle Anteile in Mk 9,2–8
275
4.6 Das Zeltbauprojekt des Petrus samt Kommentierung durch den Erzähler (Mk 9,5f.) Ausgehend von der redaktionellen Einfügung des Elija in V.4 ist auch die Erwähnung des Thesbiters in V.5 der markinischen Redaktion zuzuschreiben. Dies hat zufolge, dass das Zeltbauprojekt des Petrus wahrscheinlich ohne nummerische Konkretion überliefert wurde. Von daher ist in V.5 allein im Teilvers c mit massiven redaktionellen Eingriffen zu rechnen.765 Die Kommentierung des Sachverhaltes in V.6a indiziert zudem, dass dem Redaktor V.5 im Grundbestand bereits vorlag. Durch die nachhaltige Betonung der Dreizahl (VTGKLUMJPCLUQK OKCPMCK /YW"UGK OKCPMCK 8+NKC^ OKCP) lenkt der Redaktor zugleich das Interesse weg von den UMJPCK und hin zu der ihn besonders interessierenden christologischen Frage, insofern der „misslungene“ Petrusvorschlag in V.6 zunächst mittels des Furchtmotivs erklärt und die im Petrusvorschlag implizierte falsche christologische Lösung in V.7 „höchstrichterlich“ korrigiert wird: Da exklusiv Jesus der WKBQLSGQW ist, wäre ein auf gleicher Ebene befindliches Wohnen Jesu, Moses und Elijas eine theologische Unmöglichkeit. Nicht die Errichtung dreier gleichberechtigter Zelte ist die adäquate Reaktion auf die auf dem Berg geschauten Phänomene, sondern der Gehorsam gegenüber den Worten Jesu (vgl. 9,7d). Die Verse 5 und 7 stehen von daher in einer auffallenden Interdependenz. Umstritten ist der redaktionelle bzw. traditionelle Sachverhalt angesichts des V.6. Zumeist wird der ganze Vers der markinischen Redaktion zugesprochen, wobei das doppelte ICT(V.6a.b) als ein diesbezügliches Indiz gewertet wird.766 In dieser Studie wurde jedoch der vermittelnde Vorschlag unterbreitet, V.6a dem Redaktor, den Teilvers 6b aber der Tradition zuzuweisen. Auffallend sind in V.6a Züge einer kommentierenden Haltung, die als solche den Fluss der Erzählung unterbrechen, während 6b lückenlos in die narrative Linie ab 9,2a eingeordnet werden kann (MCK-ICTRelation zwischen den VV.5c und 6b) und in Korrespondenz zum Erscheinen der Wolke in 9,7a steht. Damit stimmt grundsätzlich überein, dass das 765 Als „Fingerzeig“ in Richtung einer überwiegend traditionellen Prägung von Mk 9,5 kann zudem die Tatsache angeführt werden, dass sowohl Wortwahl als auch Satzkonstruktion unmarkinisch sind. Zu nennen sind: Die Anrede Jesu mit TBC DDK; die mit MCNQPGXUVKP eingeleitete AcI-Konstruktion; der Terminus UMJPJ. 766 Wenig glaubwürdig ist die Argumentation von W. SCHMITHALS, Markusschluß, 392. Schmithals erkennt im Plural GMHQDQK ICT GXIGPQPVQ in V.6b einen ungeschickten Versuch, die in Mk 9,2a redaktionell eingeführten Mitjünger wieder zu „aktivieren“. Er übersieht, dass der Text in weiten Teilen aus der Perspektive der Jünger verfasst ist und die Jüngergruppe in der Verklärungsnarratio stets gegenwärtig ist: GORTQUSGP CWXVYP (V.9c) – YHSJ CWXVQKL (V.4a) – GMHQDQK ICT GXIGPQPVQ (V.6b) – GXRKUMKC\QWUC CWXVQKL/CXMQWGVGCWXVQW (V.7a.d).
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
Furchtmotiv aufseiten der Epiphaniezeugen topisch ist und sich m.E. der Tradition verdankt. 4.7 Wolkenüberschattung, Wolkenstimme und Aphanismos (Mk 9,7f.) Schwierig ist die Einschätzung des traditionellen bzw. redaktionellen Sachverhalts in Mk 9,7, wo unzweifelhaft der Höhepunkt der Verklärungsperikope vorliegt.767 Die Berührung insbesondere mit 1,11 könnte für eine redaktionelle Positionierung sprechen, ebenso wie die Beobachtung, dass mit 1,11; 9,7 und 15,39 „tragende Säulen“ der Textkomposition vorliegen.768 Für eine redaktionelle Hinzufügung der Wolkenstimme spricht zudem die grundsätzliche Prädominanz der Sohn-Gottes-Christologie im markinischen Makrotext. Die vorliegende Mehrfachbezeugung des SohnGottes-Titels lässt auf das besondere Interesse des Evangelisten an diesem christologischen Hoheitstitel schließen. Diese zunächst sehr plausible redaktionskritische Theorie kann jedoch „nicht zur Evidenz erhoben werden“769, wie die divergierenden Deutungen dieses Sachverhaltes in der Literatur zeigen.770 Gegen eine vorschnelle Zuweisung des gesamten V.7 zur markinischen Redaktion ist die grundsätzliche Frage nach der Überlieferungsfähigkeit des gesamten Stoffes ohne eine der göttlichen Autorität geschuldete christologische Prädikation: Ist es tatsächlich ein plausibles Szenario, dass das Markus vorliegende Überlieferungsgut, das durchgängig die theologische Überlegenheit Jesu betont, ohne eine „höchstrichterliche“ Entscheidung der christologischen Frage tradierfähig gewesen wäre? Hier sind massive Anfragen zu stellen, die m.E. die Waage in Richtung der Traditionalität der Wolkenerscheinung und Himmelsstimme sich neigen lassen. Gegen eine redaktionelle Einschätzung spricht m.E. massiv die Beobachtung, dass die Erscheinung des Elija und des Mose sowie die Fehlinterpretation des Sachverhaltes durch Petrus geradezu nach einer ab767
Die klassische redaktionsgeschichtlich orientierte Forschung spricht sich mehrheitlich für eine markinisch-redaktionelle Prägung der Himmelsstimme in Mk 9,7 aus. Vgl. nur J. ERNST, RNT-Mk, 259; F. LENTZEN-DEIS, Taufe Jesu, 275f.: Die Wolkenstimme der Verklärungsperikope sei eine durch die Hand des Redaktors der biographischen Situation Jesu angepasste Bearbeitung der Taufstimme; J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 164–166. 768 Vgl. für viele G. THEIßEN, Evangelienschreibung, 397f. mit Anm. 23. 769 Mit M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 185. 770 So plädiert z.B. D. ZELLER [Bedeutung und Hintergrund, 308] für die Ursprünglichkeit der Himmelsstimme in Mk 1,11 und begründet seine Position mit der an Ps 2,7 erinnernden „Anredeform“, die in 1,11 im Gegensatz zu 9,7 noch vorliege: „Wegen dieser beabsichtigten Beziehungen kann die Stimme aus der Wolke kaum vorredaktionell sein.“ Anders der Schwerpunkt bei D. LÜHRMANN [HNT-Mk, 155], der umgekehrt die Himmelsstimme in 1,11 als aus 9,7 „vorgezogen“ interpretiert, sodass sie „nun in 9,7 nicht auf Mk zurückzuführen“ ist.
4. Fazit: Traditionelle und redaktionelle Anteile in Mk 9,2–8
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schließenden autoritativen Deutung verlangen, ohne die sie faktisch unverständlich blieben.771 Es ist aus meiner Sicht vollkommen unwahrscheinlich, dass der Vorschlag des Petrus ohne jegliche Deutung oder Korrektur überliefert worden wäre. Die Funktion einer christologischen Klarstellung des Zeltbauprojektes sowie einer Interpretation der gesamten Szene übernehmen die Verse Mk 9,7f. mit ihrer Betonung der theologischen Exklusivität Jesu. Sie sind m.E. der Tradition zuzuschreiben. Durch die Korrelation von V.4 und V.7 wird das Programm der theologischen Überbietung der himmlischen Prominenten durch Jesus vollauf deutlich und geradezu „theo-logisch“ legitimiert.772 Eine sichere Zuweisung von V.7 zur markinischen Redaktion kann es nicht geben. In der Einzelversanalyse von Mk 9,7 wurde der traditionellen Herkunft dieses Verses der Vorzug gegeben. Für eine solche Einschätzung sprechen zudem die in Mk 9,2–8 durchgängig zu greifenden Bezüge zur Exodus-/Sinaitradition, die auch beim Erzählmotiv der Wolke und Wolkenstimme an die Exodustradition denken lassen. Eine Ausnahme macht hier das Verbaladjektiv CXICRJVQL. Dieses m.E. passionstheologisch geprägte Lexem ist an allen drei Stellen (Mk 1,11; 9,7; 12,6) mit hoher Wahrscheinlichkeit markinischer Redaktion zuzuschreiben. In 1,11 und 9,7 stellt es eine an Gen 22,2.12.16 LXX orientierte Qualifizierung des Sohnes dar, die die Prätextvorgaben von Ps 2,7 und Jes 42,1 bzw. Dtn 18,15 durchbricht, während es in der Weinbergparabel (Mk 12,1– 12) das einzige schmückende Adjektiv der Gesamtparabel ist. Es ist an allen drei Stellen der markinischen Redaktion zuzuschreiben und dient dazu, Jesus den „höchstmögliche[n] Grad an Gottesnähe“ zuzusprechen.773 Die Verklärungsperikope endet mit dem Aphanismosmotiv in Mk 9,8. Dieses ist topisch774 und der Tradition zuzuschreiben. Durch die emphatische Wendung VQP 8,JUQWP OQPQP wird das Augenmerk nochmals dezidiert auf Jesus gelenkt, sodass V.8 in seiner Betonung der unvergleichlichen theologischen Dignität Jesu voll in Diensten markinischer Christologie steht und keinesfalls exegetisch unterbewertet werden darf. Zu erwägen ist, ob der Teilvers 8b – CXNNC VQP 8,JUQWP OQPQP OGS8 GBCWVYP – auf das Konto markinischer Redaktion zu verbuchen ist. Obgleich von einem sprachlich ungeschickten Anhang dieser Zusatzinformation m.E. nicht die Rede sein kann775, erweist sie sich als geeignetes Erzählelement zur Über771
So z.B. auch J. GNILKA, EKK-Mk II, 31; D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 110. Zur Überbietung Elijas und Moses durch Jesus vgl. auch die Ausführungen bei C.H.T. FLETCHER-LOUIS, Revelation of the Sacral Son of Man, 253. 773 Vgl. für Mk 9,7 D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 347. 774 Vgl. M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 187. 775 In diese Richtung deutet den Sachverhalt A. STANDHARTINGER, Jesus, Elija und Mose, 77. 772
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2. Kapitel: Analyse und Interpretation der Perikope und ihres Kontextes
leitung zu dem ebenfalls redaktionell angeschlossenen Bergabstiegsgespräch (9,9–13). Hier ist Jesus zum ersten Mal nach 9,2a.b wieder Subjekt einer aus einer Jüngerbelehrung bestehenden Handlung. Die Annahme einer redaktionellen Herkunft des Teilverses 8b ist auch von daher erwägenswert, als das OQPQWL in V.2b ebenso der markinischen Redaktion zugesprochen worden ist, sodass dieses Adjektiv als eine Inclusio im Hinblick auf die in Mk 9,2–8 vorliegende christologische Lehrerzählung zu werten ist. Die redaktionelle Platzierung des Teilverses 8b ist sehr plausibel.776
776
Zur näheren Begründung vgl. auch Unterpunkt 3.9.8 dieses Kapitels. Vgl. z.B. W. SCHMITHALS, Markusschluß, 393. So auch A. STANDHARTINGER, Jesus, Elija und Mose, 82.
3. Kapitel
Verklärung – Metamorphose – Transfiguratio. Die Problematik des Verklärungsmotivs 1. Einleitende Vorbemerkungen In Kapitel 2 ist eine Detailanalyse der Verklärungsperikope und ihres kontextuellen Umfeldes vorgelegt worden. Dabei konnte aufgezeigt werden, dass unter den zahlreichen Problemen, die dieser Erzähltext dem Ausleger aufgibt, das Verklärungsmotiv an sich, das in Mk 9,2c explizit benannt und in 9,3 narrativ entfaltet wird, und das Erscheinen der himmlischen Besucher Elija und Mose in 9,4 im Hinblick auf die interpretatorische Relevanz besonders hervorstechen. Dagegen konnte nicht wahrscheinlich gemacht werden, dass eine detaillierte traditions- und religionsgeschichtliche Untersuchung des Begriffs UMJPJ exegetisch weiterführend ist, da der markinische Erzähler kein Interesse an diesem Begriff an den Tag legt, insofern er in Abwehr einer theologischen Äquivalenz der drei himmlischen Gestalten nicht das UMJPJ-Motiv an sich, sondern die Dreizahl der UMJPCK fokussiert. Ausgehend von dieser Beobachtung ist das Kapitel 3 dem Verklärungsmotiv gewidmet, während es in Kapitel 4 Stellung zu beziehen gilt zu der in Mk 9,4 vorliegenden, prima facie unmotivierten aus Elija und Mose bestehenden Figurenkonstellation. Das vorliegende Kapitel ist somit der Untersuchung der – im Deutschen in der Regel mit „Verklärung“ wiedergegebenen – Termini „Metamorphose“ bzw. „Transfiguration“ gewidmet, die der uns in Mk 9,2–8 vorliegenden Perikope ihren Namen gegeben haben. Zielsetzung ist es dabei insbesondere, der Ambiguität des Verwandlungsmotivs in einer größeren Differenzierung nachzugehen und zugleich nach dem Wurzelgrund zu fragen, auf dem eine Geschichte wie Mk 9,2–8 wachsen konnte. Da auf ein eingehendes Referat bereits vorliegender Forschungspositionen zur Verklärungsperikope im Allgemeinen und zum Verwandlungsmotiv im Besonderen innerhalb des Einleitungskapitels aus methodischen Gründen verzichtet worden ist, kann im vorliegenden dritten Kapitel verstärkt der kritische Dialog mit den wesentlichen Ansätzen zur Deutung des Verwandlungsmotivs gesucht werden.1 1 Selbstredend ist hier strikte Beschränkung notwendig. Angesichts der Materialfülle ist es – ohne das Volumen der Studie ausufern zu lassen – nicht mehr möglich, die zur
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
2. Versuche einer überlieferungskritischen Separierung des Verklärungsmotivs (E. Lohmeyer; F. Hahn) In dieser Studie wird der Versuch unternommen, die „traditionelle“ These einer traditionsgeschichtlichen Abhängigkeit der markinischen Verklärungsperikope von der Exodus-/Sinaitradition aus Ex 24/34 mittels einer Untersuchung der Rezeption dieser Tradition im Schrifttum des hellenistischen Judentums neu zu begründen. Insbesondere das uns vorliegende Werk des alexandrinischen Theosophen Philo wird danach zu befragen sein, wie im Bereich des hellenistischen Judentums die entsprechende Mose-Sinai-Tradition rezipiert worden ist. Bevor dies geleistet werden kann, soll dem Begriff OGVCOQTHQWUSCK und der durch diesen transportierten Verwandlungsvorstellung nachgegangen werden2, da es forschungsgeschichtlich gerade das eigentliche, mit dem Verb OGVCOQTHQWUSCK kommunizierte Verwandlungsmotiv war, das bisweilen als Argument gegen eine Lektüre der Verklärungserzählung vor dem Hintergrund der entsprechenden Abschnitte aus Ex 24/34 ins Feld geführt worden ist.3 Während die meisten Erzählzüge von Mk 9,2–8, die unten detailliert aufgewiesen werVerklärungsperikope vorliegenden Arbeiten in der Weise einer Diskussion zu unterziehen, wie es noch vor knapp 40 Jahren J.M. NÜTZEL [Verklärungserzählung, 10–86] möglich war. Für die bis 1973 geleistete Forschungsarbeit sei daher nachdrücklich auf seine Ausführungen dort verwiesen. Die Auseinandersetzung mit neueren Ansätzen findet in dieser Studie fortlaufend statt. 2 Das in der Septuaginta bekanntlich ein Desiderat bildende Lexem OGVCOQTHQWUSCK wird bei Philo an drei Stellen gebraucht. Vgl. SpecLeg IV 147: VQP CWXVQP OGP VTQRQP MC PVJ^ DCUKNKFKVYPCXTGVYPGWXUGDGKC^RTQUSJ^ VKLQBVKQWPOKMTQPJ OGICJ VQWXXPCPVKQP CXHGNJ^ MCS8 GBMCVGTQP GXRCNNCZGK MCK OGVCOQTHYUGK VQ GK FQL – LegGai 95: GK VC^ QBRQVG FQZGKGPCWXVY^^VC OGPCXRGVKSGVQ^GKXLFG 8$RQNNYPC OGVGOQTHQWVQMCK OGVGUMGWC\GVQ … – VitMos I 57: GXRGK MCK NGIYP C=OC GXPGSQWUKC OGVCOQTHQWOGPQL GKXL RTQHJVJP … Bei Philo kann das Verb OGVCOQTHQWUSCK demnach sowohl eine äußerlich wahrnehmbare Veränderung der Gestalt (wie in Mk 9,2) als auch eine innere geistige Veränderung (wie in Röm 12,2; 2 Kor 3,18) indizieren. Vgl. dazu z.B. J. BEHM, Art. OQTHJ MVN. In: ThWNT IV (1942), 764. 3 So stellte H. B ALTENSWEILER [Verklärung Jesu, 110] bereits im Jahre 1959 kategorisch fest: „Der Versuch, die Verklärungsgeschichte als eine Nachbildung von Ex 24 aufzufassen, muss als gescheitert angesehen werden.“ Auf den Seiten 108f. stellt Baltensweiler zuvor die üblichen Argumente gegen eine Mk 9,2–8 zugrunde liegende Mosetypologie zusammen und beklagt – wie viele nach ihm – das Desiderat einer exakten Motivübertragung, sodass der Innovationsfaktor der Transfigurationsperikope gegenüber der traditionellen Moseerzählung systematisch ausgeblendet wird. In neuerer Zeit wird jegliche Form der Beeinflussung von Mk 9,2–8 durch Ex 24/34 insbesondere von D. ZELLER [Bedeutung und Hintergrund, 312f.; Ders., Verwandlung Jesu, 112f.] massiv infrage gestellt. So auch R.H. GUNDRY, Mark, 475f.; M. ÖHLER, Elia im NT, 120f.; DERS., Verklärung, 202–204; A.D.A. MOSES, Matthew’s Transfiguration Story, 45–49: Der Bezug der Mk-Version zur Mosetypologie sei „debatable“.
2. Versuche einer überlieferungskritischen Separierung des Verklärungsmotivs
281
den, auf ein jüdisches Entstehungsmilieu verweisen und zugunsten einer traditionsgeschichtlichen Abhängigkeit von den entsprechenden Passagen der Mosegeschichte (Ex 24/34) sprechen, konnte das eigentliche Verwandlungsmotiv nicht ohne Weiteres innerhalb eines jüdischen Vorstellungsrahmens erklärt werden.4 Die entsprechenden Bedenken führten im Verbund mit einem gleichsam „methodischen“ Optimismus gegenüber der Möglichkeit einer exakten Trennung von Traditions- und Redaktionsanteilen neutestamentlicher Perikopen zur Eruierung zweier in Mk 9,2–8 zusammenlaufender Erzählstränge: einer jüdisch geprägten christologischen Apologie- bzw. Legitimationserzählung und einer dem Hellenismus entlehnten Verwandlungsgeschichte mit ebenso legitimatorischem Charakter. Nach Vorarbeiten von E. Lohmeyer ist dieser Ansatz von F. Hahn fortgesetzt worden. Beiden Ansätzen gemeinsam ist die Isolation des unter „Hellenismusverdacht“ stehenden und mit dem Verb OGVCOQTHQWUSCKausgedrückten Verwandlungsmotivs. Beide Positionen sind daher im Folgenden als Beispiele einer überlieferungskritischen Separierung des Verwandlungsmotivs kurz vorzustellen: Stellvertretend für Forscher, die die Herkunft des Verwandlungsmotivs aus jüdischem Denken grundsätzlich in Abrede stellten, kann der frühe E. Lohmeyer angeführt werden. Lohmeyer veröffentlichte im Jahre 1922 in der ZNW einen Aufsatz zur markinischen Verklärungsperikope5, mit dem er für Teile der nach ihm folgenden Forschung zur synoptischen Verklärungsperikope gleichsam die Interpretationsrichtung vorgab. Der Lohmeyer’sche Grundansatz besteht in der motivgeschichtlichen und überlieferungskritischen Trennung der in den jüdischen Bereich weisenden Erzählmotive der Verklärungs4
Einzig die LXX-Revision des Symmachos bietet einen Beleg des Lexems OGVCOQTHQWUSCK, vgl. Ps 33,1: OGVGOQTHYUGVQPVTQRQPVQPGBC WVQW. Bei einer Aussehensveränderung handelt es sich bei den atl.-jüdischen Schriften entweder um ein bewusstes „Sich-Verstellen“ oder um eine „Gemütsbewegung“. Vgl. z.B. Dan 3,19 LXX: VQVG 0CDQWEQFQPQUQT GXRNJUSJ SWOQW MCK JB OQTHJ VQW RTQUYRQW CWXVQW JXNNQKYSJ MCK …; 7,28: GXIY 'CPKJNUHQFTCGXMUVCUGKRGTKGKEQOJPMCK JB G=ZKLOQWFKJPGIMGPGXOQK …; Sir 13,25: MCTFKC CXPSTYRQWCXNNQKQK VQ RTQUYRQPCWXVQW GXC PVGGKXLCXICSC GXC PVGGKXLMCMC. Vgl. auch äthHen 71,11 (Verwandlung des Geistes im Sinne einer menschlichen Reaktion). Zudem ist auf die Veränderung der Gesichtsfarbe zu verweisen, vgl. nur Jes 29,22 LXX: VQ RTQUYRQP OGVCDCNGK ,UTCJN. Erst in der Konzeption des prophetischen GXPSQWUKCUOQL (vgl. z.B. VitMos I 57; II 69f.; 272.280; Virt 217) bei Philo ist es möglich davon zu sprechen, dass die innere „Verwandlung“ äußerlich sichtbare Folgen zeitigt. Vgl. zu diesem Themenkomplex bes. D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 111 Anm. 14–16. Die absolute Transzendenz JHWHs verbietet im atl.-jüdischen Denken die Vorstellung eines Gestaltwandels. Nach K. SEYBOLD [vgl. Art. 3K hapak. In: ThWAT II (1977), 454–459, bes. 459] kennt das AT keinen Gestaltwandel Gottes, wohl aber seinen Sinneswandel bzw. einen Wandel seines Verhaltens. Seybold macht hierbei auf Hos 11,8b (\P :[Q, :UPNQ, G[\ \%LOL \O> 3KQ) in positiver sowie auf Jes 63,10 und Hi 30,21 (JHWH wandelt sich in einen Feind) in negativer Hinsicht aufmerksam. 5 Vgl. zum Folgenden E. LOHMEYER: Die Verklärung Jesu nach dem MarkusEvangelium. In: ZNW 21 (1922), 185–215.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
perikope von dem s.E. nach nur auf hellenistischem Boden plausiblen Verwandlungsmotiv in Mk 9,2f. Von daher seien in 9,2–8 zwei voneinander grundsätzlich zu trennende Motivkreise verarbeitet: Eine erste, judenchristliche Erzählung qualifiziert Jesus in Kategorien jüdischer Prophetenerscheinungsberichte als Bringer der Endzeit. Mit diesem Grundmotiv verbinden sich nach Lohmeyer die weiteren bekannten jüdischen Erzählelemente (Mose und Elija6; Zeltbau7; Wolkenerscheinung und Wolkenstimme 8), sodass die VV.4–8 einen in sich geschlossenen, „abgerundet[en]“ Erzählzusammenhang ergeben9, der sich „stufenartig“ hin zum Höhepunkt der Erzählung in V.7 entwickelt. Das Petruswort in V.5 fungiere als Reaktion auf das Erscheinen des Elija mit Mose (V.4) und bedürfe einer „Responsion“, die als solche im „Höhepunkt“ der Verklärungsperikope in V.7 vorliege, sodass die Erscheinung der Wolke und die aus ihr erklingende Stimme nach Lohmeyer als ursprüngliche Bestandteile des ersten von Lohmeyer postulierten Stranges anzusprechen sind.10 Lohmeyer betont wiederholt, dass die in den VV.4–8 vorliegende Ereignisfolge „ganz aus jüdischen Gedanken herausgewachsen“ ist, spiegeln sich doch darin durchgängig „Bilder eschatologischer Sehnsucht“. 11 Grundsätzlich davon zu unterscheiden sei nun ein zweiter Motivkreis, der im eigentlichen Verwandlungsmotiv liege und in den Teilversen Mk 9,2c–3 zu greifen sei. Da „in der israelitisch-jüdischen Religion der Gedanke, Gott oder ein göttliches Wesen könne sich in einer himmlischen Leiblichkeit menschlichen Augen offenbaren“, völlig fehle12, kann Lohmeyer folgenden Kernsatz seiner Ausführungen formulieren: „Wir halten dann in dieser Schilderung von einer Verwandlung Jesu das Bruchstück eines auf Jesus übertragenen hellenistischen Mythus: Jesus ist ein vom Himmel herabgekommenes göttliches Wesen, das auf Erden menschliche Gestalt angenommen und einmal vor dem kleinen Kreise der vertrauten Jünger durch die Verwandlung in himmlische Lichtgestalt seine ursprüngliche Göttlichkeit offenbart hat.“13 Das Verwandlungsmotiv diene dazu, Jesus angesichts einer hellenistisch geprägten Christengemeinde als „Erlöser und Retter“ zu legitimieren.14 Der Kern der Transfigurationserzählung sei demnach im jüdischen Bereich entstanden, „in einem Kreise, dem die Gestalt Jesu Erfüller jüdischer Hoffnungen war“.15 Auf hellenistischem Bo-
6
Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O., 188–191. Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O., 191–196. 8 Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O., 196–199. 9 Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O., 201. Vers 6 enthalte nach Lohmeyer „offenbar eine Reflexion des Erzählers“. Vgl. a.a.O., 186. Diese Reflexion habe die Aufgabe, „die Zäsur, die zwischen Petruswort und Wolkenerscheinung liegt“, zu betonen und dadurch „das Wunder der Theophanie als Spitze der sich drängenden Ereignisse und Worte herauszuheben“. Vgl. a.a.O., 199. 10 Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O., 186. 11 Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O., 200. 12 Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O., 203. 13 Vgl. E. LOHMEYER, Verklärung Jesu, 205. Lohmeyer führt zur Stützung seiner Position die Beobachtung an, dass weder „auf den Zug der Verwandlung Jesu“ in 9,4–9 an irgendeiner Stelle eingegangen oder angespielt wird noch von der „Rückverwandlung Jesu“ die Rede ist. Auch das Petruswort setze die Verwandlung Jesu nicht voraus, sondern einzig das Erscheinen der biblischen Würdenträger. Vgl. a.a.O., 187. Vgl. auch die Würdigung der Position des frühen E. Lohmeyer bei W. GERBER, Metamorphose Jesu, 386f. 14 Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O., 209. 15 Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O., 212. 7
2. Versuche einer überlieferungskritischen Separierung des Verklärungsmotivs
283
den habe die Erzählung das besagte „Bruchstück eines hellenistischen Mythus“ an sich gezogen, sodass in der uns heute vorliegenden Perikope, die nach Lohmeyer in ihrem Kern eine Jesus-Apologie darstellt16, sich „extrem Jüdisches und extrem Heidnisches … zur größeren Ehre des MWTKQL 8,JUQWL &TKUVQL “ vereine.17 Damit ist der Lohmeyer’sche Grundansatz zur Interpretation von Mk 9,2–8 genügend dargestellt, der sich in der Folgezeit in verschiedener Abstufung und Gewichtung bei weiteren Forschern aufweisen lässt. In eigenständiger Form führte F. Hahn den Grundansatz E. Lohmeyers weiter: In seinem Werk „Christologische Hoheitstitel: Ihre Geschichte im frühen Christentum“18 wendet er sich innerhalb eines Exkurses im Anschluss an § 5 („Gottessohn“) ausführlich der Verklärungs- und Taufperikope zu. Hahn geht dabei von der Voraussetzung aus, dass die in der Verklärungsperikope vorliegende Vorstellung der Gottessohnschaft hellenistischer Provenienz ist19, sodass das in V.7 Jesus zugesprochene Würdeprädikat ursprünglich kaum „Sohn Gottes“ gelautet haben konnte, „denn auf das irdische Wirken Jesu angewandt, wäre dies in alter, aus palästinisch-jüdischer Denkweise herausgewachsener Tradition undenkbar“.20 Sein Lösungsvorschlag hinsichtlich des V.7 ist daher, dass anstelle des heutigen QB WKBQL OQW ein ursprüngliches \',E> gestanden habe21, sodass in V.7 eine Anspielung auf Jes 42,1 MT und Dtn 18,15, nicht aber eine literarische Verarbeitung von Ps 2,7 vorliege. Daraus ergebe sich, dass in V.7 keine göttliche Wesensaussage anvisiert sei, sondern ein Verständnis Jesu „in Analogie zu Elia und Mose als eschatologischer Prophet“.22 Der heute vorliegende „Gottessohnbegriff“ sei daher ein sekundärer Zusatz, der nur auf dem Boden der hellenistischen Gemeinde denkbar ist. Da nun die VV.2c und 7 auf das Engste miteinander zusammenhängen (Verklärungsmotiv – Gottes-Sohn-Prädikation), schlägt F. Hahn – anders als E. Lohmeyer – vor, im Anfangsbereich der Verklärungsperikope lediglich V.2c abzutrennen („sekundärer Zusatz“), da die VV.3 und 4 s.E. „sehr viel enger zusammen“-schließen23 und – im Gegensatz zum eigentlichen Verklärungsmotiv und der Gottes-Sohn-Prädikation – auf palästinischem Boden durchaus denkbar seien. Aufgabe des in V.7 vorliegenden christologischen Würdeprädikates sei es folglich gewesen, das sekundär angefügte Verwandlungsmotiv in V.2c „nachträglich“ zu interpretieren. Aufbauend auf dieser „Bestimmung älterer und jüngerer Elemente“ 24 der Verklärungsperikope sondert F. Hahn zudem das Unverständnismotiv in V.6 als markinische „Zutat“ aus sowie das „reichlich nachklappende MCV8KXFKCPOQPQWL“ in V.2.25 Der Unterschied zum Ansatz Lohmeyers besteht im Wesentlichen darin, den V.3, der die narrative Illustration der Verwandlung Jesu bietet, der ursprünglichen Geschichte zuzu-
16
Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O., 202: „ein Stück urchristlicher Apologie“. Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O., 213. 18 Die Erstauflage erfolgte im Jahre 1962. Für das Referat der Position F. HAHNs wird an dieser Stelle die 5., erweiterte Auflage aus dem Jahre 1995 (UTB.W 1873) verwendet. 19 Vgl. F. HAHN, a.a.O., 335. 20 Vgl. F. HAHN, a.a.O., 338. 21 Vgl. F. HAHN, a.a.O. Ähnlich auch J. JEREMIAS, Art. RCKL SGQW. In: ThWNT V (1954), 699. Massiv dagegen H.-J. S TEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 184f. 22 Vgl. F. HAHN, a.a.O., 338. 23 Vgl. F. HAHN, a.a.O., 336: „Jesus ist mit himmlischen Kleidern angetan und bei ihm sind Elia und Mose, deren leibliche Entrückung in den Himmel hier vorausgesetzt sein muß“. 24 Vgl. F. HAHN, a.a.O., 339. 25 Vgl. F. HAHN, a.a.O. 17
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
schreiben und im Gegenzug die Gottes-Sohn-Prädikation in V.7 der ältesten, auf palästinischem Boden entstandenen Fassung abzusprechen.
E. Lohmeyer und F. Hahn treffen sich demnach in ihrer grundsätzlichen Skepsis, das eigentliche Verwandlungsmotiv jüdischem Vorstellungsrahmen zuzusprechen, wobei Lohmeyers Skepsis den Teilversen Mk 9,2c–3 gilt, wohingegen sich Hahn mit der überlieferungskritischen Separierung von 9,2c begnügt und im Gegenzug den Gottessohntitel der ursprünglichen Geschichte abspricht. Gegen beide Forscher ist die Beobachtung geltend zu machen, dass die uns heute vorliegende Perikope 9,2–8 eine auffallend hohe textlogische Konsistenz und motivliche Stringenz aufweist.26 Die Verwandlung Jesu in eine Lichtgestalt, die Unterredung mit den biblischen Würdenträgern und die Prädikation Jesu als Sohn Gottes bilden eine in sich geschlossene, konsistente Erzählfolge27, die m.E. dem Versuch einer überlieferungskritischen Dekomposition massive Widerstände entgegenbringt. Zwar ist durchaus im Zuge der Biographisierung der in sich autarken Verklärungsüberlieferung mit Eingriffen des Markus in die ihm vorliegende Überlieferung zu rechnen, doch ist Vorsicht angeraten, ganze Erzählelemente redaktions- bzw. überlieferungskritisch auszusondern, wie es in den oben vorgestellten Ansätzen geschieht. In der Einzelversanalyse habe ich für eine mäßige Bearbeitung der Verklärungsüberlieferung seitens des Evangelisten plädiert, die in der Eintragung des Elija in den Erzählzusammenhang kulminiert, da dieser in der der Verklärungsnarratio zugrunde liegenden Sinaimotivik keinen genuinen Platz hat, an dem jedoch Markus ein herausragendes Interesse hat, wie dem mikrokontextuellen Umfeld der Verklärungsperikope, bei dem die redaktionelle Handschrift (vgl. bes. 9,11–13) des Mk-Evangelisten deutlich zu spüren ist, entnommen werden kann. Allen bisher vorgelegten Teilungsmodellen haftet ein nicht von der Hand zu weisendes spekulatives Moment an, wie nicht zuletzt die hohe Anzahl weiterer Dekompositionsvorschläge bestätigt. Gegen Hahn ist insbesondere die Frage zu stellen, ob das Erscheinen Jesu in weißen Kleidern, wie es in V.3 dargestellt wird, nicht nach einer zuvor erzählten Verwandlung verlangt, da seinem Vorschlag zufolge V.3 ohne ein erkennbares Verbindungsglied direkt an den autoritativen Akt des Hinaufführens auf den Berg angeschlossen wird. Eine Kritik an Lohmeyer erübrigt sich an dieser Stelle, da dieser selbst bekanntlich die Ablehnung der grundsätzlichen Möglichkeit einer Verwandlungsvorstellung im alttestamentlich-jüdischen Bereich in seiner KEK-Kommentierung des MkEv im Jahre 1937, also 15 Jahre nach seinem entsprechenden ZNW-Aufsatz, zurückgenommen hat, worauf im Einzelnen später in der Diskussion der von ihm genannten Stellen einzugehen sein wird. 26 27
Mit P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 98f. Überzeugend bei M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 185f.
2. Versuche einer überlieferungskritischen Separierung des Verklärungsmotivs
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Gegen beide vorgestellten Ansätze ist zudem einzuwenden, dass in ihnen Judentum und Hellenismus als zwei unterschiedliche Welten dargestellt werden und ihre Interdependenz systematisch ausgeklammert wird. Ein solcher Zugang dürfte nach dem epochemachenden Werk M. Hengels „Judentum und Hellenismus“ obsolet geworden sein. So soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, auf Dekompositionsversuche zu verzichten und das Verklärungsmotiv vor dem Hintergrund jüdisch-hellenistischer Verwandlungsvorstellungen zu interpretieren.
3. Begründung der Interpretation der Verklärungsperikope vor jüdischem Hintergrund 3.1 Zielsetzung der Überlegungen In den von E. Lohmeyer und F. Hahn vorgelegten Interpretationen der markinischen Verklärungsperikope ist der Versuch gemacht worden, jüdische und pagan-hellenistische Erzählmotive zu eruieren, um diese sodann motiv- und überlieferungskritisch voneinander zu trennen. Dagegen soll in dieser Studie der Versuch gemacht werden, auf die Annahme eines Konglomerates jüdischer und pagan-hellenistischer Erzählelemente in Mk 9,2– 8 zu verzichten, um die markinische Verklärungsperikope mittels der Rezeption von Ex 24/34 im hellenistischen Judentum, für die Philo von Alexandrien der prominenteste Zeuge ist, zu erklären. Die von D. Zeller und anderen28 beigebrachten Argumente gegen eine Deutung von Mk 9,2–8 28 Vgl. z.B. R. PESCH, HThK-Mk II, 71: Die Tatsache, dass „Mose neben Aaron, Nadab und Abihu noch 70 von den Ältesten Israels mit auf den Berg“ nimmt, störe die „angenommene typologische Beziehung empfindlich“. So auch J.C. POIRIER, Transfiguration, 518. M. ÖHLER [Verklärung, 203] führt die Differenz hinsichtlich des Syntagmas OGVC JBOGTCL G=Z ebenso ins Feld wie das Problem der Auswahl der Begleiter. Dagegen wird bei Öhler die Interdependenz von Naherwartungslogion (Mk 9,1) und Verklärungsperikope (9,2–8) m.E. überstrapaziert, wenn letztere kurzerhand linear gelesen als Erfüllung von Mk 9,1 deklariert wird. Zudem ist für Öhler der Verklärungsberg in keiner Weise mittels der Mosetypologie erklärbar, sei der Berg doch ein „typische[r] Topos von Entrückungsgeschichten“ (vgl. a.a.O., 203). Diese Ablehnung ist bei Öhler interessegeleitet und arbeitet der Grundthese seines Aufsatzes zu, wonach die Verklärung als Entrückungsgeschichte zu lesen sei, bei der jedoch „die Transponierung der Reise in den Himmel hin zu einem Kommen des Himmels auf die Erde die entscheidende Neuheit gegenüber allen ähnlichen Berichten“ darstelle. Vgl. a.a.O., 215. Treffend ist die Kritik an diesem Ansatz bei D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 315: kühnes „salto mortale“. Zur Bestreitung einer Sinaitypologie vgl. auch J.C. P OIRIER, a.a.O., 517–519. Die Bestreiter der Möglichkeit einer exegetischen Untersuchung von Mk 9,2–8 vor dem Hintergrund der durch Ex 24/34 gewiesenen Bahnen machen in unterschiedlicher Abstufung auf
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
mittels der von Ex 24/34 ausgehenden Traditionslinien, die in unterschiedlicher Form auf das Desiderat einer exakten Motivübertragung aufmerksam machen, sind m.E. nicht stark genug, um eine weitere Forschungsbemühung in dieser Richtung als nicht sinnvoll erscheinen zu lassen. In rezeptionsästhetischer Hinsicht ist die an das Sinaigeschehen anspielende Motiv- und Vokabulardichte derart hoch, dass es als überaus unwahrscheinlich erachtet werden muss, dass der markinische Erzähler im Hinblick auf seine biblisch-orientierte Leserschaft/Hörerschaft die Transfigurationsnarratio nicht in Anknüpfung und Abgrenzung zur Sinaitradition platzierte.29 Eine exakte Motivübertragung ist m.E. im Hinblick auf die Relation von Präund Folgetext weder zu erwarten noch für die These des Vorliegens einer Mosetypologie entscheidend, der kumulative Aspekt der verarbeiteten und bisweilen verfremdeten Motive zählt.30 Leitfrage dieses Kapitels ist es, in welcher Weise Ex 24/34 im hellenistischen Judentum/Judenchristentum gelesen worden ist. Dieser Rezeptionsraum ist als Entstehungsort der uns in Mk 9,2–8 vorliegenden christologischen Legitimationserzählung plausibel, die von Markus rezipiert und gemäß seiner christologischen Intention in den narrativen Aufbau seines Evangeliums integriert worden sein könnte. Es ist wahrscheinlich, dass die Verklärungsnarratio bereits vormarkinisch eine in sich stehende, überlebens- und tradierfähige Einzelüberlieferung darstellte. Ich halte von daher die Untersuchung der haggadischen Lesart von Ex 24/34, wie sie uns aus dem Bereich des alexandrinischen Diasporajudentums überliefert ist, für die Philo von Alexandrien Zeuge ist, in der eine Verwandlungsvorstellung des Mose dezidiert ausgesprochen wird, für exegetisch weiterführend. Die Berührungen zwischen den im Einzelnen genau zu analysierenden Passagen des Opus Philos, auf die bereits D. Georgi aufmerksam gemacht hat, und der markinischen Verklärungsperikope werden in dieser Studie näher zu untersuchen sein. das Desiderat einer exakten Motivübertragung aufmerksam. Es stellt sich jedoch die Frage, welches Maß an Motivübereinstimmung zwischen Prä- und Folgetext grundsätzlich erwartet werden kann. Kurz: Ist z.B. die Tatsache, dass der Bericht des Buches Exodus, demzufolge der Offenbarungsempfang des Mose auf dem Sinaiberg auf den siebten Tag zu datieren ist, während in Mk 9,2 das Syntagma OGVC JBOGTCL G=Z ausgehend von der Parallelität mit Mk 8,31 (MCK OGVC VTGKL JBOGTCLCXPCUVJPCK) im wörtlichen Sinne aufzufassen ist, als Argument gegen eine theologische Abhängigkeit von Mk 9,2–8 von Ex 24/34 LXX wirklich haltbar? Die gleiche Frage betrifft die Beobachtung, dass das Strahlen des Antlitzes des Mose Folge seiner Kommunikation mit Jahwe, nicht jedoch Propädeutik des Offenbarungsempfangs ist. Dagegen ist geltend zu machen, dass die Zielsetzung der Verklärungsperikope nicht die exakte Nacherzählung des Sinai-Mose-Materials mit Jesus in der Hauptrolle ist, sondern die innovative Verarbeitung traditionellen Materials im Zusammenhang einer christologischen Legitimationserzählung, bei der Motivübereinstimmungen wie Motivverfremdungen gleichermaßen zu erwarten sind. 29 Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 221f. 30 Vgl. z.B. T.L. DONALDSON, Jesus on the Mountain, 143.
3. Begründung der Interpretation der Perikope vor jüdischem Hintergrund
287
3.2 Jüdische Elemente der Verklärungserzählung Gegen die von Lohmeyer, Hahn und anderen vorgelegten Versuche, das Motiv der eigentlichen Metamorphose überlieferungskritisch zu separieren, ist der Versuch zu setzen, die eigentliche Verwandlungsvorstellung in Übereinstimmung mit der überwältigenden Anzahl der einen jüdischen Vorstellungshintergrund aufweisenden Motive zu bringen. Diese Motive sind zunächst in einem Exkurs zusammenzustellen. Bei der Sammlung der Motive fällt auf, dass eine hohe Dichte von Motiven vorliegt, die in die Sinai-/Exodustradition verweisen.31 Mk 9,3 berichtet im Zuge einer narrativen Visualisierung der Verwandlung Jesu davon, dass VC KBOCVKC CWXVQW UVKNDQPVC NGWMC NKCP wurden. Das OGVCOQTHQWUSCK erfasst demnach zusammen mit der verwandelten Person Jesu auch seine Bekleidung, wie das zu Beginn von Mk 9,3 platzierte MCK explikativum deutlich indiziert. Die weiße Farbe der Gewandung Jesu dient als Ausweis seines himmlischen Wesens32 und bereitet das Erscheinen der himmlischen Besucher in V.4 vor, in dem das Weiß zugleich als Mittel der Abgrenzung Jesu gegenüber Elija und Mose dient, da von diesen keine derartige Bekleidung notiert ist.33 Das Weiß der Kleider Jesu verweist auf ein jüdisches Entstehungsmi31 Eine repräsentative Sammlung des traditions- und motivgeschichtlich infrage kommenden Materials ist z.B. von M. ÖHLER [Verklärung, passim.] vorgelegt worden, dessen Gesamtinterpretation jedoch m.E. durch die unhaltbare Grundannahme disqualifiziert wird, dass die Verklärungserzählung vor dem Hintergrund des alttestamentlichen und jüdisch-hellenistischen Topos der „Entrückungsberichte“ und „Himmelsreisen“ zu deuten versucht wird: Weder ist in der Verklärung von einer Entrückung Jesu in den Himmel die Rede, noch kann umgekehrt die Verklärung als „Ankunft der Herrschaft Gottes auf der Erde“ – so der Titel des Aufsatzes Öhlers – überzeugend interpretiert werden. Auf eine Ungereimtheit dieses Ansatzes verweist M. ÖHLER [a.a.O., 213] selbst, wenn er einräumt, dass es Charakteristikum solcher Entrückungsberichte sei, dass der Entrückte am himmlischen Ort „selbst angesprochen wird“, während die Verklärung eindeutig zugunsten der Jünger geschieht (Mk 9,2: OGVGOQTHYSJGORTQUSGPCWXVYP/V.4: YHSJCWXVQKL … ), sodass die Himmelsstimme in 9,7 – anders als die Taufstimme in 1,11 – den Jüngern gilt. Als weitere Argumente gegen das Vorliegen des Topos „Entrückungs-“ bzw. „Himmelfahrtserzählung“ lassen sich anführen: 1. Eine Beschreibung des himmlischen Raumes, in den hinein die Entrückung geschieht, stellt für Mk 9,2–8 ein Desiderat dar – 2. Die Verwandlung wäre auf dem Höhepunkt der Himmelsreise, nicht am Beginn der Entrückungsszene zu erwarten. Vgl. zur Kritik an diesem Ansatz auch die Ausführungen bei A. STANDHARTINGER, Jesus, Elija und Mose, 71 Anm. 29. Textgemäßer als der Versuch, die Transfigurationserzählung in ein vordefiniertes Schema zu pressen, dürfte es sein, 9,2–8 als Erzählung sui generis zu erachten. Zur Sättigung von Mk 9,2–8 mit jüdischen Erzählmotiven vgl. auch die Ausführungen bei C.R. MOSS, Exercise in Markan Accommodation, 72–74. 32 Mit S.C. B ARTON, Transfiguration, 237; W. MICHAELIS, Art. NGWMQL MVN. In: ThWNT IV (1942), 255. 33 Die mittels der weißen Farbe der Gewandung Jesu narrativ visualisierte Verwandlung Jesu ist für das MkEv Ausdruck seiner „im Vergleich zu Moses und Elia einzigartige[n] Nähe zu Gott“. Mit D.S. DU TOIT, Prolepsis, 182f. Anm. 73. Das weiße Gewand ist somit zusammen mit dem Gespräch der drei Himmlischen, deren Mitte Jesus darstellt
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
lieu, da hier derart beschaffene Gewänder Ausdruck übernatürlicher FQZC göttlicher oder himmlischer Gestalten wie z.B. der Engel ist.34 Vgl. dazu z.B. 2 Makk 3,26; 11,8; Dan 7,9; TestLev 8,2; äthHen 14,20: MCK JB FQZCJB OGICNJGXMCSJVQGXR8CWXVY^ VQ RGTKDQNCKQP CWXVQW YBL GK FQL JBNKQW NCORTQVGTQP MCK NGWMQVGTQP RCUJL EKQPQL – „Und die große Herrlichkeit saß darauf, und ihr Gewand war strahlender als die Sonne und weißer als aller Schnee“35; äthHen 71,1; slHen 1,5 (Engel); slHen 22,8–10; VitProph 21,2 (NGWMQHCPGKL ); Mt 28,3; Mk 16,5; Apg 1,10; Herm vis IV 3,5; Herm sim VIII 2,3; Offb 4,4 (die 24 Ältesten im Himmel); AscJes 9,9. Das Weiß kann zudem eine messianische Konnotation annehmen. Laut TestLev 18,3f. leuchtet der endzeitliche Priestermessias wie die Sonne auf der Erde: MCK CXPCVGNGK CUVTQP CWXVQW GXP QWXTCPY^ YBL DCUKNGWL HYVK\YP HYLIPYUGYLYBLGXPJBNKY^ JBOGTCLMCK OGICNWPSJUGVCKGXPVJ^ QKXMQWOGPJ^ G=YLCXPCNJ[GYL CWXVQW QWVQL CXPCNCO[GK YBL QB J=NKQL GXP VJ^ IJ^ MCK GXZCTGK RCP UMQVQL GXM VJL WBR8 QWXTCPQPMCK GUVCKGKXTJPJGXPRCUJ^ VJ^ IJ^. Als Farbe himmlischer FQZCist das linnenweiße Gewand zunächst die adäquate Bekleidung des Hohenpriesters am großen Versöhnungstag (vgl. Lev 16,4; Yoma 3,6f.; Jos Bell V 236), doch ist die weiße Kleidung als Ausdruck auch der Reinheit nicht auf das Amt des Hohenpriesters beschränkt, da nach Jos Ant XX 216f. neben den Priestern auch levitische Psalmensänger weiße Leinengewänder trugen, genauso wie nach Jos Bell II 123 die Essener stets derart gekleidet waren.37 Einen genuinen Platz hat das Weiß in der jüdischen Eschatologie, in der die himmlisch-weißen Gewänder Kennzeichen der verstorbenen Gerechten (Dan 12,3; Weish 3,7; äthHen 50,1; 62,15f.; 104,2; syrBar 51,5.12; 4 Esr 7,97; AscJes 9,9) sind.38 Mit der Farbe Weiß ist der Terminus „Licht“ und mit diesem die FQZC eng konnotiert. Diese Motive werden im biblischen Bereich zunächst streng theo-logisch ausgesagt (Ex 16,10; 24,16; 1 Kön 8,11; Ps 36,10; Ps 104,1f.).39 In äthHen 38,4 ist sodann von der Widerspiegelung des göttlichen Lichtes auf dem Angesicht der Gerechten in der Endzeit die Rede. Das Weiß der Kleider Jesu im Zusammenhang des Transfigurationsgeschehens ist Ausdruck der Zugehörigkeit Jesu zur himmlischen Welt und verweist auf ein jüdisches bzw. judenchristliches Entstehungsmilieu der synoptischen Verklärungsüberlieferung. Ebenso in ein jüdisches Entstehungsmilieu verweist auch die markante Zeitmarke OGVC JBOGTCLG=Z in 9,2a. Von besonderem Interesse ist die sechs Tage dauernde Vorbereitungszeit des Mose auf den Offenbarungsempfang auf dem Berg Sinai, von der Ex 24,16 berichtet (vgl. auch Ex 13,6; Dtn 16,8; Ez 46,1).40 Die Sechszahl hat hohe symbolische
(V.4), und der Gottes-Sohn-Prädikation in V.7 Element des „Beweisganges“ zum Erweis der theologischen Überlegenheit Jesu. 34 Vgl. M. MACH, Jüdischer Engelglaube, 58f. Vgl. auch H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 175. 35 Übersetzung von S. UHLIG, Das äthiopische Henochbuch. JSHRZ V, 540. 36 Vgl. J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 100. 37 Vgl. auch W. MICHAELIS, Art. NGWMQL MVN. In: ThWNT IV (1942), 249: weiß als „kultisch-liturgische Grundfarbe“ im „israelitisch-jüdischen Kulturgebiet“. Vgl. auch J.A. B ÜHNER, Art.NGWMQL. In: EWNT II (21992), Sp. 865. 38 Vgl. z.B. W. MICHAELIS, Art. NGWMQL MVN. In: ThWNT IV (1942), 251. Ferner J. JERVELL, Imago Dei, 44–46. 39 Weitere Belege vgl. Chr. NIEMAND, Studien, 88–90. 40 Die Abhängigkeit von Mk 9,2 von Ex 24,15–18 ist von F.R. MCCURLEY [„And after six Days“, 73–76.79f.] deutlich herausgestellt worden, wobei der Verfasser – anders als in dieser Studie vertreten – die Zeitmarke OGVC JBOGTCLG=Z mit dem Aussagewert „am siebten Tag“ wiedergibt.
3. Begründung der Interpretation der Perikope vor jüdischem Hintergrund
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Bedeutung in der frühjüdischen Apokalyptik und gehört im AT zu den traditionellen Motiven von Theophanien.41 Im Jub 16,16 heißt es von den ausgesandten Engeln, dass sie nach sechs Monaten zurückkehrten und Sara schwanger fanden. Nach Jos 6,3 umkreist das Heer der Israeliten sechs Tage lang die Stadt Jericho (vgl. auch Jos 6,14). In ApkMos 43,3/VitAd 51,2 begrenzt der Erzengel Michael die für Eva festgesetzte Trauerzeit auf sechs Tage. Dieser Aussage geht in VitAd 43–50 in verdichteter Form eine „special seventh day eschatology“42 voraus: VitAd 43,1: „… noch sechs Tage, dann wird deine Seele aus dem Leib herausgehen“; VitAd 45,1: „… und wie der Erzengel Michael vorausgesagt hatte, trat nach sechs Tagen Adams Tod ein“; VitAd 49,1: „… sechs Tage nach Adams Tod erkannte Eva, daß sie sterben würde“. 43 Neben der Sechszahl bietet auch die in Mk 9,2–8 zweimal belegte Dreizahl (9,2a; 9,5c) einen Hinweis auf ein jüdisches Entstehungsmilieu. Wenn in Mk 9,2a davon die Rede ist, dass Jesus VQP 2GVTQP MCK VQP 8,CMYDQPMCK VQP8,YCPPJP auf einen hohen Berg führt, dann liegt – trotz des Fehlens der 70 Ältesten – ein unüberhörbarer Anklang an Ex 24,1 und 24,9 vor: CXPCDJSKRTQL MWTKQP UWMCK$CTYPMCK0CFCDMCK$DKQWFMCKGBD FQOJMQPVCVYPRTGUDWVGTYP,UTCJNMCK… (vgl. Ex 24,1).44 Auch die Erwähnung dreier Zelte ist Indiz für die Sättigung der Transfigurationsperikope mit jüdischen Erzählmotiven. Neben einem allgemein-unspezifischen Gebrauch von UMJPCK (Gen 13,5; 33,17; Num 24,5; Ri 6,5; 2 Kön 7,10 u.a.) findet das Zelt (Singular) Erwähnung im Zusammenhang des Bundeszeltes (Ex 33,7–11; Dtn 31,14f.; Num 9,15; Apg 7,44). In breiter Form ist von UMJPCK im Zusammenhang des Laubhüttenfestes (W$.6X) die Rede (vgl. nur Lev 23,34; Dtn 16,13.16; 31,10; 1 Kön 8,65; Neh 8,14–17; 2 Chr 7,8; 8,13; Esr 3,4; Sach 14,16; 1 Makk 10,21; 2 Makk 10,6). Eine entferntere Berührung findet sich zudem mit dem jüdischen Topos der „Himmelsreisen“. 45 In äthHen 39,4–8 spricht Henoch von der Vision der Wohnungen der Heiligen und der Ruheorte der Gerechten. Ebenso ist in TestAbr 20,14 (Rez. A) die Rede von Zelten der Gerechten und den Wohnungen der Heiligen Isaak und Jakob: CTCVGQW PVQPHKNQPOQWVQP$DTCCOGKXL VQP RCTCFGKUQP GP SC GKXUKP CKB UMJPCK VYP FKMCKYP OQW MCK OQPCK VYP CBIKYP OQW ,UCCMMCK,CMYDGXPVY^MQNRY^CWXVQW… Vgl. auch slHen 61,2f.; 5 Esr 2,11; Joh 14,2. Auf eine gemeinbiblische Plausibilität rekurriert auch das Motiv des hohen Berges sowie des Aufstiegs auf diesen. Nach biblischem Verständnis ist der Berg derjenige Ort, an dem der Mensch Gott in besonderer Weise nahe ist (vgl. nur Ex 17,9f.; Dtn 11,29; 27,12f.; Jos 8,33; 1 Kön 18,42; 1 Chr 16,39; Jos Ant VIII 344; syrBar 13,1f.; ApkAbr 9,8; Jub 4,26)46, sodass dieser in Mk 9,2 den geeigneten Platz für die durch die Autorität
41 Mit R. B ULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 278; H.-P. MÜLLER, Verklärung Jesu, 58. 42 So H.C.C. CAVALLIN, Life I, 73. 43 Zitiert nach O. MERK, Das Leben Adams und Evas. JSHRZ II.5. 44 Vgl. für viele G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 245 mit Anm. 44. 45 Die von M. ÖHLER [Verklärung, 208f.] vorgenommene Deutung der UMJPCK in Mk 9,5 vor dem Hintergrund von Himmelsreisen ist unglaubwürdig. Die Berührungen sind allenfalls entfernt-unspezifisch. 46 Vgl. z.B. M. ÖHLER, Verklärung, 204. Ferner W. FOERSTER, Art. QTQL. In: ThWNT V (1954), 480; H. KLEINE, Art. QTQL. In: EWNT II (21992), Sp. 1305; W. SCHMAUCH, Orte der Offenbarung, 48–80. Vgl. auch E.S. MALBON, Narrative Space, 84: „natural location for divine/human encounters“. Zum Motiv des Berges in Entrückungsgeschichten im pagan-hellenistischen Bereich vgl. die Stellenangaben bei G. LOHFINK, Himmelfahrt Jesu, 42 Anm. 74 und 75 (Herakles). Die Offenbarung der Stimme an Nebukadnezar in
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Gottes initiierte Metamorphose Jesu darstellt. Der nach oben weisende Charakter eines Berggipfels (vgl. äthHen 18,8) verbindet diesen emotional mit der himmlischen Welt des Lichtes.47 Diese Assoziationen werden durch das Adjektiv WB[JNQP (Mk 9,2b) sowie den in 9,3 platzierten – auf der Opposition IJQWXTCPQL (impliziert, jedoch unausgesprochen) basierenden – Walker-Vergleich eingespielt. Ausgehend von der auf den Bergen „greifbaren“ Nähe Gottes ist der Berg im biblischen Verständnis zugleich der Ort der göttlichen Offenbarung (vgl. äthHen 18,6–16; TestLev 2,5f.; ApkAbr 12,3; 1 Clem 53,2) oder die Wohnstatt Gottes auf Erden (vgl. äthHen 1,3f.; Jos Ant III 75; Jub 4,26; Joh 4,20f.; Hebr 8,5; 12,20–24).48 Das Motiv- und Vokabelinventar in Mk 9,2–8 verweisen deutlich auf das Sinaigeschehen in Ex 19–34, wobei Ex 24 und 34 besonders hervorstechen.49 Formulierungen wie CXPCDCKPGKP GKXL VQ QTQL (Mt 5,1) bzw. CXPCHGTGKP GKXL QTQL WB[JNQP (Mk 9,2) setzen bei einer biblisch sozialisierten Hörer-/Leserschaft sogleich Assoziationen an den Aufstieg des Mose auf den Berg Sinai frei (Ex 19,3.12; 24,15.18; 34,1f.4).50 Einen genuinen Platz hat das Bergmotiv auch in jüdisch-hellenistischen Entrückungsberichten. So heißt es z.B. in TestLev 2,5: VQVG GXRGRGUGP GXR X GXOG W=RPQL MCK GXSGCUCOJPQTQLWB[JNQP. An diesem Assoziationspool partizipiert das MkEv, in dem der Berg eine mannigfaltige Funktion hat: Er dient als Ort der Erwählung (3,13f.), des Gebets (6,46), des Rückzugs und des Offenbarungsempfangs (9,2) sowie als Ort der Unterweisung (13,3; 14,26).51 Die Erwähnung eines Berges im Zusammenhang der Verklärungstradition spricht diesem eine grundsätzliche Mittlerinstanz zwischen irdischer und himmlischer Wirklichkeit zu.52 Kurz benannt sei die Tatsache der Erwähnung der beiden Prominenten der atl. Heilsgeschichte Elija und Mose53, die als solche selbstredend in einen jüdischen Entstehungsbereich verweisen. Mit dem Auftreten des Mose in V.4 korrespondiert die Tatsache, dass das Mischzitat der Wolkenstimme eine deutliche Anspielung auf Dtn 18,15 LXX vorlegt und somit eine weitere Platzierung einer zentralen Mosetradition bietet. Auf eine solche zielt auch die Tatsache ab, dass in Mk 9,4 von einem UWNCNNGKP des Elija und Mose mit Jesus berichtet wird. Die sprachliche Parallelität von Mk 9,4 (J UCP UWNNCNQWPVGL VY^ 8,JUQW) mit Ex 34,35 LXX (UWNNCNGKPCWXVY^) kann m.E. nicht ernsthaft geleugnet werden, sodass in Mk 9,4 Elija und Mose mit Jesus reden, wie in Ex 34,35 Mose mit Gott gesprochen hat. Alttestamentlich-jüdisch ist auch das Erscheinen der Wolke in V.7, die ein traditionelles Element von Theophaniegeschichten ist.54 In der Einzelversanalyse des Teilverses 7a ist das traditionelle Material zum Erzählmotiv „Wolke“ zusammengestellt worden55 mit dem Ergebnis, dass das Motiv der PGHGNJ in Anbetracht der übrigen mosetypologischen
Dan 4,28f. findet auf dem Dach des Königspalastes statt, worin ein dem Berg vergleichbarer erhöhter Ort des Offenbarungsempfangs zu sehen ist. 47 Mit W. FOERSTER, Art. QTQL. In: ThWNT V (1954), 475. 48 Vgl. zu diesem Komplex bes. G. WESTPHAL, Jahwes Wohnstätten, 98–118. Ferner A. STROBEL, Berg der Offenbarung, 136 mit Anm. 12. 49 Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 207. 50 So J. JEREMIAS [Art. /YWUJL . In: ThWNT IV (1942), 875] für Mt 5,1. 51 Vgl. dazu R. P ESCH, Naherwartungen, 97. 52 Vgl. E.S. MALBON, Narrative Space, 84–89. 53 Vgl. zur Ausarbeitung der Frage nach dem gemeinsamen Auftreten des Elija und Mose Kapitel 4 dieser Studie. 54 Vgl. z.B. A. OEPKE, Art. PGHGNJMVN. In: ThWNT IV (1942), 907–909. 55 Vgl. dazu Unterpunkt 3.9.2 in Kapitel 2 dieser Studie.
3. Begründung der Interpretation der Perikope vor jüdischem Hintergrund
291
Elemente der Erzählung deutlich auf die Sinai-/Exodustradition verweist (Ex 24,15f.18; 34,5; 40,34–38), was durch die Verwendung des vergleichsweise seltenen Verbs GXRKUMKC\GKP gleichsam zementiert wird.56 Dieses Verb fehlt zwar in Ex 24,16 LXX (MCVGDJ JB FQZC VQW SGQW GXRK VQ QTQL VQ 5KPC MCK GXMCNW[GP CWXVQ JB PGHGNJ…), wird aber in Ex 40,34 verwendet (GXMCNW[GP JB PGHGNJ VJP UMJPJP VQW OCTVWTKQW…), wobei aus der Interrelation mit dem Folgevers (Q=VK GXRGUMKC \GP GXR8 CWXVJP JB PGHGNJ MCK FQZJL MWTKQW…) die semantische Äquivalenz zu erheben ist. Mit dem Erscheinen der Wolke ist in Mk 9,7 die göttliche Stimme verbunden, ein weiteres Indiz für die alttestamentlich-jüdische Sättigung der Transfigurationsperikope. Zu diesem religionsgeschichtlich interessanten Phänomen, insbesondere im pseudepigraphischen Schrifttum des spätantiken Judentums, liegt die Studie von Peter Kuhn vor57, die durch die vorgenommene systematische Beschränkung des Forschungsgegenstandes auf solche Stimmen, die „unerwartet ohne sichtbaren Sprecher“ ertönen „und in denen … dieser Sprecher auch nicht genannt wird, sondern oft in geheimnisvoller Unbestimmtheit bleibt“58, für die Exegese von Mk 9,7 von besonderem Interesse ist. Ähnlich wie hier der christologische Hoheitstitel „Sohn Gottes“ nicht explizit genannt wird, sondern über 15,39 erschlossen werden muss, bleibt die Zuschreibung der HYPJ zum göttlichen Bereich – bei aller Offensichtlichkeit der Aussage – doch in der Schwebe.59 Eine solche offenbarende HYPJ ist ein weitverbreitetes Phänomen in den uns vorliegenden alttestamentlichen und außerkanonischen Schriften. In dem von P. Kuhn untersuchten Schrifttum der pseudepigraphischen, insbesondere der pseudepigraphisch-apokalyptischen jüdischen Literatur, treten die Offenbarungsstimmen als „Äquivalent der Prophetenworte im früheren Israel“ auf. 60 Von einer HYPJ MWTKQW im Zusammenhang der UMJPJ VQW OCTVWTKQW ist in Num 7,89 LXX die Rede. Von einer Stimme Gottes im Zusammen56
Wenig überzeugend ist der Versuch M. Ö HLERs [Verklärung, 209f.], in Mk 9,7 einen Anklang an die Mose-/Sinaitradition in Abrede zu stellen. Seine Argumentation sei – stellvertretend für viele Interpreten, die einen solchen Bezug negieren – kurz vorgestellt: Öhler verweist zunächst angesichts der Aussage MCK GXIGPGVQ PGHGNJ GXRKUMKC\QWUC CWXVQKL in Mk 9,7a auf den „Sprachgebrauch der LXX“, insbesondere auf die Tradition der Wüstenwanderung (Ex 40,34f.; Num 9,18.22; 17,7; Dtn 31,15), sodann auf die Sinaitradition (Ex 24,16; 34,5; Jub 1,2f.). Um jedoch Plausibilität auf die von ihm favorisierte Lektüre von Mk 9,2–8 vor dem Hintergrund des Topos der Himmelsreisen zu lenken, wird eine Mosetypologie nach Anführung der benannten Stellen sogleich wieder ausgeschlossen, da „die Wolke generell als Erscheinungsweise Gottes“ diene. Vgl. a.a.O., 209. Um dies zu begründen, verweist er sodann auf Mk 1,10f., wo aber sehr wohl von einer HYPJ, nicht jedoch von einer PGHGNJ die Rede ist, sodass nicht erkennbar wird, welchen Wert dieser Verweis hinsichtlich der von Öhler favorisierten Aussage hat. Völlig überraschend ist nach dieser exegetischen Festlegung die Tatsache, dass zur Interpretation des in Mk 9,7 mit dem Wolkenmotiv verbundenen Partizips GXRKUMKC\QWUC erneut Mosetradition bemüht wird, die wenige Verse zuvor dezidiert abgelehnt worden ist, wobei die semantische Nähe der Lexeme MCNWRVGKP (Ex 24,16; 40,34) und GXRKUMKC\GKP (Ex 40,35; Mk 9,7) durchaus gesehen wird. Eine gewisse Willkür in der Argumentation ist m.E. nicht in Abrede zu stellen. 57 Vgl. Peter KUHN, Offenbarungsstimmen im Antiken Judentum. Untersuchungen zur Bat Qol und verwandten Phänomenen. TSAJ 20. Tübingen 1989. 58 Vgl. P. KUHN, a.a.O., 1 (kursiv von A.W.). 59 Ähnlich auch W. RADL, Art.HYPJ. In: EWNT III (21992), Sp. 1070. 60 Vgl. P. KUHN, a.a.O., 120.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
hang der Exodustradition sprechen Dtn 4,12.33; 5,23–26. Wichtig für die Exegese von Mk 9,7 ist angesichts der literarischen Verarbeitung von Dtn 18,15 LXX in Teilvers 7d zudem die Erwähnung der Stimme Gottes in Dtn 18,16. Vom Erklingen einer Stimme aus einem „transzendente[n] Bereich“61 ist in der Berufungsvision des Ezechiel (Ez 1,28) die Rede. Diese Stimme wird in Ez 2,3 nachträglich als Stimme Gottes identifiziert. Von einer Offenbarungsstimme an den auf dem Dach des königlichen Palastes sich aufhaltenden neubabylonischen König Nebukadnezar spricht Dan 4,28f.62 Vom Erklingen einer geheimnisvollen Stimme aus dem transzendenten Bereich über Gabriel ist innerhalb einer Vision Daniels in Dan 8,16 die Rede.63 In äthHen 13,8 erklingt im Zusammenhang einer Gerichtsankündigung im Schlaf eine Stimme, die mit Gesichten verbunden ist und Henoch den Auftrag erteilt, die gefallenen Engel zu überführen: MCK KFQP QBTCUGKL QXTIJL MCK J NSGP HYPJ NGIQWUC GK RQP VQKL WKBQKL VQW QWXTCPQW VQW GXNGIZCK CWXVQWL. Diese Stimme lässt sich über äthHen 15,1 als die Stimme Gottes identifizieren. In 4 Esr 4,13– 28 verkündet eine tosende Stimme Esra die von ihm erbetenen Ereignisse der Endzeit.64 Vgl. auch 9,15–17.36. Von einer Offenbarungsstimme aus dem Dornbusch an den in den Farben eines neuen Mose skizzierten Esra erzählt 4 Esr 12,2–6. In syrBar 8,1f. ertönt nach der Umzingelung der Stadt durch das feindliche Heer der Chaldäer und der Schleifung der Stadtmauer durch die (Straf-)Engel Gottes eine Offenbarungsstimme aus dem Inneren des Jerusalemer Tempels. Diese Stimme ist Auftakt zur Einnahme der Stadt durch die Feinde. In syrBar 8,1f. liegt eine literarische Verarbeitung der Tempelzerstörung des Jahres 70 n. Chr. vor, die literarisch auf die Zerstörung des ersten Tempels zurückprojiziert wird. Von einer „Stimme aus den Höhen“ an Baruch weiß syrBar 13,1 und 22,1 zu berichten. Beide Stellen stehen der markinischen Tauf- bzw. Verklärungsstimme besonders nahe.65 In beiden Fällen ist ein Berg (Zion) Ort des Vernehmens der Stimme, wie in Mk 1,11 (Taufempfang) und 9,7 (Jüngerauswahl; Bergaufstieg) geht dem eigentlichen Offenbarungsempfang eine „Propädeutik“ des Geschehens voraus (siebentägiges Fasten und Schweigen), wie in den entsprechenden synoptischen Texten hängt mit der Stimme die besondere Legitimation des Adressaten zusammen. 66 Anders als in Mk 1,11 und 9,7 mündet die Offenbarungsstimme in ein Gespräch des Baruch mit Gott, das sich „einem Streitgespräch nähert“.67 Nach ApkAbr 8,2 offenbart sich Gott in einer vom Himmel „fallenden“ Stimme (vgl. Dan 4,28) dem Abraham, deren „Begleitphänomen“ der Feuerstrom ist. Anders als in Mk 9,7 spricht diese Stimme Abraham direkt an. Mit Mk 9,7 verbindet diese Stimme der im Folgevers ApkAbr 8,3 ausgesprochene Imperativ. Von einer zweimal ertönenden Himmelsstimme an Abraham ist in ApkAbr 9,1–3 die Rede, die ebenso mit einem Auftrag an Abraham verbunden ist (Aufforderung zur Opferung, vgl. VV.5.8; Fastenbefehl, vgl. V.7). ApkSedr 2,1–4 spricht vom Erklingen einer Offenbarungsstimme an „Sedrach“, deren Träger geheimnisvoll ungenannt bleibt: MCK HYPJPCXQTCVYLGXFGZCVQGXPVCKLCXMQCKLCWXVQW … Dieser Eindruck wird durch die ungewöhnliche Wendung in ApkSedr 2,2 verstärkt: MCK GK RGP CWXVY^ JB HYPJ. Der Träger der Stimme kann aber über ApkSedr 2,4 als Engel identifiziert werden (MCK GXMVGKPCLVCKLRVGTWZKPCWXVQWQBCIIGNQL …), dessen Name jedoch nicht genannt wird. 61
Vgl. P. KUHN, a.a.O., 10. Vgl. P. KUHN, a.a.O., 27–39. 63 Vgl. P. KUHN, a.a.O., 39–45. 64 Vgl. dazu P. KUHN, a.a.O., 47–52. 65 Für die markinische Taufperikope vgl. F. LENTZEN-DEIS, Taufe Jesu, 109f. 66 Vgl. P. KUHN, a.a.O., 84. 67 Mit P. KUHN, a.a.O. 62
3. Begründung der Interpretation der Perikope vor jüdischem Hintergrund
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Von einer Himmelsstimme im Zusammenhang einer Entrückungsgeschichte berichten grBar 6,14 und 11,5. Dem über den Untergang Jerusalems trauernden Baruch wird auf diese Weise Trost zuteil. Im „3. Himmel“ wird Baruch Zeuge einer Vision der Sonne, deren „Aufgang und Niedergang“ als deren „Ausgang bzw. Eingang“ in den Himmel offenbart wird.68 In 6,14 heißt es daraufhin: MCK J NSGP HYPJ NGIQWUC> )YVQFQVC FQL VY^ MQUOY^VQHGIIQL. Obgleich es die Sonne ist, die durch die Stimme angesprochen wird, ist sachlogisch der „Seher“ Baruch als der eigentliche Adressat der Botschaft anzusprechen. Nach Erscheinen des Erzengels Michael, der hier die Funktion des Türhüters des Himmelreiches wahrnimmt, heißt es in grBar 11,5: MCK KXFQW J NSGP HYPJ> 8$PQKIJVYUCP CKB RWNCK, woraufhin die Tore geöffnet werden. Als Träger der Stimme ist entweder Michael oder – wahrscheinlicher – Gott selbst zu vermuten.
Die in diesem Exkurs zusammengestellten Belege aus den uns überlieferten atl.-biblischen Schriften und den Schriften des hellenistischen Judentums – die vorgenommene Motivsammlung könnte beliebig erweitert werden – offenbaren die gleichsam flächendeckende Sättigung der Transfigurationsperikope in Mk 9,2–8 mit jüdischen Erzählmotiven. Diese atl.jüdische Sättigung der Transfigurationsperikope findet in der m.E. recht deutlichen Anspielung auf Ps 2,7 LXX und Dtn 18,15 LXX in Mk 9,7 ihren Höhepunkt. Von daher stellt sich die Frage, ob auch das Verklärungsmotiv an sich vor diesem Hintergrund gedeutet werden kann oder – wie in den Ansätzen E. Lohmeyers und F. Hahns – als pagan-hellenistisches Motiv einer konsequent jüdischen Interpretation der Perikope erheblichen Widerstand entgegensetzt und so zu einer motivkritischen Separierung drängt. Es bleibt auffällig, dass es in der LXX keinen Beleg des in Mk 9,2–8 zentralen Verbs OGVCOQTHQWUSCK gibt. Diesem Verb ist daher im Folgenden nachzugehen. 3.3 Die Sinaitradition Ex 24/34 und die Rezeption im hellenistischen Judentum 3.3.1 Berührungen von Ex 24/34 mit Mk 9,2–8 In der Revision seiner These aus der ZNW 21 (1922), wonach das Verwandlungsmotiv in Mk 9,2c.3 ein hellenistisches und als solches überlieferungskritisch zu eliminierendes Erzählelement sei, führte E. Lohmeyer in der KEK-Auslegung des MkEv69 als Beispiele von „Verwandlungen“ im jüdischen Bereich neben syrBar 51,10 auch die „Verwandlung“ des Mose in Ex 34,29 an. Diese „kopernikanische Wende“ in seiner Exegese der Verklärungsperikope wird durch den Satz eingeleitet: „Der Gedanke dieser
68
Mit P. KUHN, a.a.O., 107. Die Erstauflage der von E. LOHMEYER verantworteten Kommentierung des MkEv in der Reihe KEK erfolgte im Jahre 1937. In dieser Studie wird nach der 17. Auflage aus dem Jahre 1967 zitiert. 69
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Wandlung ist im Judentum nicht völlig unerhört“.70 Mit der Heranziehung von Ex 34 zur Interpretation der markinischen Verklärungsperikope schließt Lohmeyer an einen Interpretationsansatz an, der sich seit den Beobachtungen von D.F. Strauß aus dem Jahre 1835 in der Exegese der synoptischen Verklärungsperikope einer gewissen Beliebtheit erfreut.71 Die Sättigung der Verklärungsperikope mit an die Sinaitradition erinnernden Erzählmotiven ist in der Zeit nach Strauß häufig gesehen und herausgestrichen worden. Am weitesten entwickelt wird der Ansatz der Lektüre der markinischen Verklärungsperikope vor dem Hintergrund der von Ex 24 und 34 ausgehenden Bahnen in der Monographie „The Way of the Lord“ von J. Marcus72, der Mk 9,2–8 weitestgehend als christologische relecture der entsprechenden Exoduspassagen liest, die in einer Anspielung auf eine weitere bekannte Mosetradition – Dtn 18,15 LXX – gipfele. Mk 9,7 ist nach Marcus „only the most visible manifestation of a complex tissue of allusions“.73 Die Bezüge seien in Ex 24,1f.9–18 („Moses’ ascent of the mountain with Aaron, Nadab, and Abihu“) und Ex 34,29–35 („the transfiguration of Moses face“) zu greifen. Im Folgenden werden seine Beobachtungen angeführt, die durch weitere – von ihm nicht genannte – noch zu ergänzen sind.74 – Die Wendung MCK OGVC JBOGTCLG=Z in Mk 9,2a, „die durch den markinischen Kontext nicht vorbereitet ist“75, lässt Ex 24,16 LXX anklingen – MCK GXMCNW[GP CWXVQ JB PGHGNJ G?Z JBOGTCL –, wo zugleich von einer PGHGNJ die Rede ist, die auch in Mk 9,7 begegnet. Die Wolke ist noch einmal in Ex 24,18 LXX bezeugt.
70
Vgl. E. LOHMEYER, KEK-Mk, 174. So z.B. B.D. CHILTON, Transfiguration, 122: „At the level of tradition and redaction, it is beyond reasonable doubt that the Transfiguration is fundamentally a visionary representation of the Sinai motif of Exod. 24.“ (kursiv im Original, A.W.); H.-P. MÜLLER, Verklärung Jesu, 58: „Dies ist nichts als die christologische Abwandlung eines uralten Stoffes.“ Vgl. auch A. DEL AGUA, Narrative of the Transfiguration, 347.352 mit Anm. 52: Die „Transfiguration“ des Mose (Ex 34) bilde „the narrative pattern“ (kursiv im Original, A.W.); H. GESE, Bedeutung Elias, 148; J. GNILKA, EKK-Mk II, 32; J. J EREMIAS, Art. /YWUJL . In: ThWNT IV (1942), 873; P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 101f.; D. SÄNGER, „Von mir hat er geschrieben“, 122f.; G. SELLIN , Leben des Gottessohnes, 244– 246; W.R. STEGNER, Narrative Theology, 87–103; DERS., Use of Scripture, 112f. 72 Vgl. J. MARCUS, The Way of the Lord. Christological Exegesis of the Old Testament in the Gospel of Mark. Louisville u.a. 1992, 80–93. Vgl. auch J. MAJOROSDANOWSKI, Elija im MkEv, 208f. 73 Vgl. J. MARCUS, a.a.O., 82. 74 Vgl. zum Folgenden neben J. MARCUS auch J. JEREMIAS , Art./YWUJL . In: ThWNT IV (1942), 873; U. LUZ, EKK-Mt II, 507. 75 Treffend bei G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 244. 71
3. Begründung der Interpretation der Perikope vor jüdischem Hintergrund
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– Mk 9,2a berichtet von der Auswahl dreier Jünger – RCTCNCODCPGK QB 8,JUQWL VQP 2GVTQP MCK VQP 8,CMYDQP MCK VQP 8,YCPPJP –, was an Aaron, Nadab und Abihu erinnert (vgl. Ex 24,1.9), die von Mose auf göttlichen Befehl hin zusammen mit den 70 Ältesten auf den Sinai hinaufgeführt werden. Das angesprochene esoterische Auswahl- (9,2a) und das Bergaufstiegsmotiv (9,2b) – MCK CXPCHGTGK CWXVQWL GKXL QTQL WB[JNQP MCV8 KXFKCPOQPQWL – finden in Ex 24,9.12f.15.18 LXX ein Gegenstück. Es fällt auf, dass die Mose-Jesus-Typologie bereits an dieser Stelle insofern zum erstenMal durchbrochen wird, als der Bergaufstieg der Autorität und Initiative Jesu geschuldet ist, während er in Ex 24,1 LXX auf göttlichen Befehl erfolgt. Jesus wird somit in Mk 9,2a.b erstmals in der Verklärungsperikope narrativ aufseiten Gottes platziert. – Vergleichend zur Metamorphose Jesu in Mk 9,2c.3 – MCK OGVGOQTHYSJ GORTQUSGP CWXVYP – ist auf das Erzählelement des leuchtenden Angesichts des Mose zu verweisen, von dem in Ex 34,29 die Rede ist: QWXM J^FGK Q=VK FGFQZCUVCK JB Q[KL VQW ETYOCVQL VQW RTQUYRQW CWXVQW GXP VY^ NCNGKP CWXVQPCWXVY^. – In Mk 9,4 ist die Rede von der Unterredung des transfigurierten Jesus mit den zwei Besuchern aus dem himmlischen Bereich: Elija und Mose. Von ihnen heißt es in 9,4b MCK J UCPUWNNCNQWPVGLVY^ 8,JUQW. Die Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen, dass durch das im MkEv nur an dieser Stelle belegte Lexem UWNNCNGKP Ex 34,35 LXX eingespielt wird: MCK GK FQPQKBWKBQK,UTCJNVQRTQUYRQP/YWUJQ=VKFGFQZCUVCKMCKRGTKGSJMGP /YWUJL MCNWOOC GXRK VQ RTQUYRQP GBCWVQW G=YL C P GKXUGNSJ^ UWNNCNGKP CWXVY^.76 Sollte ein solcher Hintergrund vorliegen, so hätte Jesus im Gespräch mit Elija und Mose die Position inne, „die Gott im Gespräch mit Mose hatte“.77 Die Mose-Jesus-Typologie wäre zum zweiten Mal zugunsten einer Platzierung Jesu auf der Seite Gottes durchbrochen. – In Mk 9,7a wird von der „Überschattung“ aller sich auf dem Verklärungsberg befindenden Personen mittels der Wolke berichtet: MCK GXIGPGVQ PGHGNJGXRKUMKC\QWUCCWXVQKL. Ein ähnliches Erzählmotiv findet sich in Ex 24,16 LXX: MCK MCVGDJ JB FQZC VQW SGQW GXRK VQ QTQL VQ 5KPC MCK GXMCNW[GPCWXVQ JB PGHGNJG?ZJBOGTCLMCK GXMCNGUGPMWTKQLVQP/YWUJPVJ^ JBOGTC^ VJ^ GBDFQOJ^ GXMOGUQWVJLPGHGNJL. Mk 9,7a und Ex 24,16 LXX verbindet somit das Motiv der überschattenden Wolke sowie der aus dieser 76 So z.B. Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 212f. Ferner U. BECKER, Elia, Mose und Jesus, 9 mit Anm. 18; P.G. DAVIS, Mark’s Christological Paradox, 13; O. HOFIUS, Allmacht des Sohnes Gottes, 119 mit Anm. 11. 77 So Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 213. Vgl. auch P.G. DAVIS, Mark’s Christological Paradox, 13: „Mark’s handling of the transfiguration as a whole raises Jesus above Elijah and Moses emphasizing that he alone is the Son of God, to whom human beings must listen“.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
ertönenden verbalen Äußerung Gottes (Stimme/Ruf). Beide Stellen unterscheidet die Tatsache, dass die Überschattung durch unterschiedliche Verben kommuniziert wird: GXRKUMKC\GKP (Mk 9,7a) und MCNWRVGKP (Ex 24,16 LXX). In der Tradition des Stiftzeltes in Ex 40 wird jedoch das Motiv der überschattenden Wolke wiederaufgenommen, wobei aus der Versfolge Ex 40,34f. auf einen synonymen Gebrauch beider Verben zu schließen ist, was als Erklärung des Desiderates von GXRKUMKC\GKP in Ex 24,16 LXX herangezogen werden kann:
Ex 40,34: MCK GXMCNW[GP JB PGHGNJ VJP UMJPJP VQW OCTVWTKQW MCK FQZJLMWTKQWGXRNJUSJJBUMJPJ Ex 40, 35:MCK QWXM JXFWPCUSJ /YWUJL GKXUGNSGKP GKXL VJP UMJPJP VQW OCTVWTKQW Q=VK GXRGUMKC\GP GXR8 CWXVJP JB PGHGNJ MCK FQZJLMWTKQWGXRNJUSJJBUMJPJ78
– Auf eine bekannte Mosetradition weist die imperativische Formulierung CXMQWGVGCWXVQW in Mk 9,7d hin, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Dtn 18,15 LXX (CWXVQWCXMQWUGUSG) literarisch verarbeitet.79 – Der in Mk 9,9 erzählte Bergabstieg Jesu und der „Zeugen“ seiner Metamorphose gewordenen Jünger (MCK MCVCDCKPQPVYPCWXVYPGXMVQW QTQWL) lässt die Formulierung von Ex 34,29 LXX anklingen: MCVGDCKPGP/YWUJL GXMVQWQTQWLMVN.80 – Mk 9,8 enthält das für Epiphaniegeschichten typische AphanismosMotiv: MCKGXZCRKPCRGTKDNG[COGPQKQWXMGVKQWXFGPCGK FQPCXNNCVQP8,JUQWP OQPQPOGS8GBCWVYP. Ein betontes OQPQL findet sich in Ex 24,2 LXX im göttlichen Aufstiegsbefehl an Mose, wo es heißt: MCK GXIIKGK /YWUJL OQPQL RTQL VQP SGQP. Zudem gibt es eine sprachliche Berührung mit Ex 24,10 LXX: MCKGK FQPVQPVQRQPQWGKBUVJMGKGXMGKQBSGQLVQW,UTCJN. – Eine entferntere Beziehung gibt es zudem zwischen einer Notiz im weiteren kontextuellen Umfeld der Verklärungsperikope und der Bergabstiegsszene im Buch Exodus. In Mk 9,15 heißt es MCK GWXSWL RCL QB QENQL KXFQPVGL CWXVQP GXZGSCODJSJUCP MCK RTQUVTGEQPVGL JXURC\QPVQ CWXVQP, während Ex 34,30 notiert: MCK GK FGP $CTYP MCK RCPVGL QKB RTGUDWVGTQK ,UTCJN VQP /YWUJP MCK J P FGFQZCUOGPJ JB Q[KL VQW ETYOCVQLVQW RTQUYRQWCWXVQW MCK GXHQDJSJUCPGXIIKUCKCWXVQW. Im MkEv fürchtet das Volk Jesus nicht, sondern eilt zur Begrüßung herbei. Das Furchtmotiv findet sich jedoch im Teilvers 9,6b, in dem mit einer pluralen Wendung (!) der misslungene Vorschlag des Petrus erklärt wird.
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Von hier aus darf darauf hingewiesen werden, dass in der LXX-Rezension des Aquila das VerbGXRKUMKC\GKP in Ex 24,16 begegnet. 79 Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 2 (3.9.7) dieser Studie. 80 Mit R. PESCH, HThK-Mk II, 77.
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Damit sind die zentralen Berührungen der markinischen Verklärungsperikope mit der Mose-/Sinaitradition benannt. Die Dichte der Anklänge ist beeindruckend, gleichwohl sind auch die markanten Unterschiede in Blick zu nehmen. – Ein erster wesentlicher Unterschied zwischen der markinischen Verklärungsperikope und der „Verwandlung“ des Mose in Ex 34,29 liegt in der Tatsache vor, dass der im Mk-Text dominierende Terminus OGVCOQTHQWUSCK in der Sinaitradition genauso wenig begegnet wie sonst an einer Stelle der LXX. 81 Von einer Verwandlung im strengen Sinne ist bei Mose in Ex 34 LXX nicht die Rede.82 – Nach Ex 24,16 LXX bedeckt die Wolke sechs Tage lang den Sinai (GXMCNW[GPCWXVQ JB PGHGNJ G?ZJBOGTCL), während Mose erst am siebten Tag (VJ^JBOGTC^VJ^GBDFQOJ^) von Gott in die Wolke hineingerufen wird. Im MkEv hingegen ist das Syntagma OGVC JBOGTCL G=Z mit hoher Wahrscheinlichkeit im eigentlichen Sinne wiederzugeben. Von einer sechstägigen Vorbereitungszeit auf einen am siebten Tag erfolgenden Offenbarungsempfang ist nicht die Rede.83 – Jesus nimmt nur drei Jünger mit auf den Verklärungsberg, während Mose neben Aaron, Nadab und Abihu noch 70 Älteste Israels (MCK GBDFQOJMQPVCVYPRTGUDWVGTYP,UTCJN) hinzunimmt, was R. Pesch zufolge „eine öfter angenommene typologische Beziehung empfindlich“ stört.84 Zudem habe im Buch Exodus – anders als in Mk 9,2–8 – exklusiv Mose eine Theophanie.85 – Sodann fällt auf, dass Mk 9,2c.3 eine hohe Sorgfalt in der Beschreibung der äußeren Erscheinung des transfigurierten Jesus an den Tag legt, dabei aber anders als Ex 34,29f. LXX im Falle des Mose das leuchtende Angesicht Jesu nicht erwähnt. Umgekehrt kennt die Mosegeschichte nicht das Motiv der leuchtenden Kleider.86 81
Vgl. D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 111; Ders., Bedeutung und Hintergrund, 311. Von Interesse ist angesichts des Desiderates des Lexems OGVCOQTHQWUSCK in der LXX der Versuch F. DELITZSCHs [Die vier Evangelien ins Hebräische übersetzt], den Mk-Text ins Hebräische zu übersetzen. Delitzsch schlägt zur Wiedergabe von OGVGOQTHYSJGORTQUSGPCWXVYP in Mk 9,2 vor:aK\Q(\>HOK17Y\,Z 83 Vgl. zu diesem Einwand z.B. M. ÖHLER, Verklärung, 203; DERS., Elia im NT, 120; D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 305 Anm. 5; 312. Gegen die Deutung der Wolke vor dem Hintergrund von Ex 24 wendet M. ÖHLER [a.a.O., 210] ein: „Es handelt sich vielmehr um einen Topos von Theophaniegeschichten, der hier verwendet wird“. Vgl. auch DERS., Elia im NT, 129. 84 Vgl. R. PESCH, HThK-Mk II, 71. 85 Vgl. M. ÖHLER, Verklärung, 203. Es fällt jedoch auf, dass bereits in Philos Auslegung von Ex 24 in Quaest in Ex II 27ff. alle Konzentration auf Mose sowie auf seinen drei Begleitern liegt, während die siebzig Ältesten keine Erwähnung finden! 86 Gegen das erstgenannte Argument ist aber sogleich zu konstatieren, dass die ältesten Kommentatoren des Mk-Textes – die Großevangelisten – ihre Vorlage dahingehend 82
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
– Ein weiteres, kontinuierlich gegen die Abhängigkeit des Mk-Textes von Ex 24/34 angeführtes Argument besteht darin, dass das Leuchten des Angesichts des Mose „die Spur einer schon erfolgten Gottesbegegnung“ ist, das zudem „beim Abstieg vom Berg erhalten“ bleibt.87 Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Skopus der Aussage von Ex 34,29 LXX der Wissensstand des Mose während des Abstiegs vom Sinai ist, sodass eine Aussage über den Zeitpunkt der „Verwandlung“ des Mose im strengen Sinne nicht vorliegt.88 – Die Stimme aus der Wolke, die an Ex 24,16 LXX denken lässt (MCK GXMCNGUGPMWTKQLVQP/YWUJP … GXMOGUQWVJLPGHGNJL), hat in Mk 9,7 eine völlig andere Funktion, insofern sie der Prädizierung Jesu als Sohn Gottes dient, während sie im Falle des Mose lediglich die Intention hat, diesen auf den Gipfel zu rufen. – Gegen einen Bezug des himmlischen Imperativs CXMQWGVGCWXVQW (V.7d) auf die „Prophet-wie-Mose-Tradition“ von Dtn 18,15.18 LXX werden für gewöhnlich die abweichende Zeitstufe wie auch Wortstellung ins Feld geführt und die Inkompatibilität des Propheten- und Sohn-Gottes-Titels behauptet.89 Damit sind die zentralen Einwände gegen die Lektüre von Mk 9,2–8 vor dem Hintergrund der Mose-/Sinaitradition genannt. Besonders schwer wiegt dabei die Beobachtung, dass in der LXX im Falle des Mose nur sehr bedingt von einer wirklichen Verwandlung gesprochen werden kann, die zudem nicht mit dem in Mk 9,2–8 zentralen Verb OGVCOQTHQWUSCK ausgedrückt wird. Bei der oben vorgelegten Zusammenstellung der Einwände fällt auf, dass von den Gegnern einer Deutung von Mk 9,2–8 mittels der Mose-/Sinaitradition eine exakte Motivübertragung zwischen Prä- und Folgetext eingefordert wird, die m.E. aber kaum zu erwarten ist. Der Text gibt in Mk 9,2a und 9,4 deutlich zu erkennen, dass die Mose-JesusTypologie bewusst durchbrochen wird, um die Göttlichkeit Jesu zu untermauern und so die Gottes-Sohn-Prädikation in 9,7 vorzubereiten. Sodann fällt auf, dass bei der Analyse der diversen Erzählmotive von den Gegnern einer Mose-/Sinaitypologie regelmäßig darauf hingewiesen wird, dass die
verstanden haben und die Mose-Jesus-Typologie durch die Hinzunahme des Motivs des leuchtenden Angesichts forciert haben (vgl. Mt 17,2; Lk 9,29). Der Einwand von D. ZELLER [Bedeutung und Hintergrund, 313], wonach Mt und Lk lediglich „einer Topik“ folgen, ist sehr allgemein. Es sollte nicht systematisch ausgeschlossen werden, dass die Sinaitradition die entsprechende Topik zur Verfügung stellte. 87 Vgl. für viele D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 112. DERS., Bedeutung und Hintergrund, 312. So auch U. LUZ, EKK-Mt II, 507. 88 Überzeugend bei A. STANDHARTINGER, Jesus, Elija und Mose, 78 mit Anm. 58. 89 Vgl. z.B. M. ÖHLER [Verklärung, 214] mit Verweis auf A. S UHL, Funktion, 108 u.a.
3. Begründung der Interpretation der Perikope vor jüdischem Hintergrund
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einzelnen Motive auch anders erklärbar sind.90 Was für isolierte Erzählmotive durchaus richtig ist, stimmt angesichts des vorliegenden kumulativen Effekts skeptisch. Es gibt m.E. keine andere Tradition, in der die in Mk 9,2–8 (9.15) literarisch verarbeiteten Motive in einer solchen Dichte vorkommen wie in der Mose-/Sinaitradition. Dabei sollte der Blick nicht allein auf den LXX-Text gerichtet werden, sondern ebenso der Rezeptionsbereich des hellenistischen Judentums hinreichend gewürdigt werden. 3.3.2 Die Diskussion um das Verb OGVCOQTHQWUSCK (Mk 9,2c; 2 Kor 3,18) Als besonders schwerwiegend im Hinblick auf einen überlieferungsgeschichtlichen Zusammenhang von Mk 9,2–8 mit Ex 24/34 LXX ist oben das Fehlen des Verbs OGVCOQTHQWUSCK in der LXX bezeichnet worden, sodass die exklusive Heranziehung von Ex 24,1–18 LXX und 34,29–35 LXX zur Deutung der markinischen Verklärungsperikope nicht hinreichend sein dürfte. Zu diesem philologischen Befund gesellt sich die Beobachtung, dass im strengen Sinne von einer „Verwandlung“ im AT tatsächlich selten die Rede ist. Von daher ist der Vorschlag zu machen, den Blick auf das hellenistische Judentum zu weiten. Insbesondere das Werk des Philo von Alexandrien ist danach zu befragen, wie die benannte Exodustradition im Traditionsraum des hellenistischen Judentums rezipiert und an welchen Stellen weitere Verwandlungsvorstellungen verarbeitet sind. Philo ist von daher von einem besonderen Interesse für die Fragestellung nach dem hinter Mk 9,2–8 stehenden theologischen Gedankengut, da in VitMos II 66– 76 sowie Quaest in Ex II 27–49 eine hellenistisch-jüdische Lesart der Sinai-Tradition begegnet, die Berührungen mit Mk 9,2–8 aufweist (bes. Quaest in Ex II 29). Zudem ist bei Philo das Verb OGVCOQTHQWUSCK bezeugt, wenngleich nicht im Zusammenhang seiner Exegese von Ex 24/34. Vor der anvisierten „Philo-Exegese“ ist dem zentralen Verb OGVCOQTHQWUSCK nachzugehen, mit dem in der markinischen Fassung die Metamorphose Jesu kommuniziert wird und das auch in der matthäischen (vgl. Mt 17,2), nicht jedoch in der lukanischen Parallelfassung (vgl. Lk 9,29) übernommen worden ist. Bei der Diskussion dieses Lexems kann auf die Ergebnisse der neueren, sich mit der in 2 Kor 3,18 vorliegenden Verwandlungsvorstellung beschäftigenden Paulusforschung zurückgegriffen werden 91, wobei es nicht mehr
90
So z.B. D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 312: „Doch können die Einzelzüge, auf denen der Indizienschluß [scil. hinsichtlich einer Mose-Typologie] aufbaut, für sich genommen meist auch anders erklärt werden.“ 91 Vgl. hier bes. F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung bei Paulus. Eine religionsgeschichtlich-exegetische Untersuchung zu 2 Kor 2,14–4,6. WUNT II 153. Tübingen 2002.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
wie in exegetischen Werken aus der Spätphase des 19. und der Anfangsphase des 20. Jahrhunderts darum gehen kann, die Abhängigkeit der synoptischen Verklärungsgeschichte von 2 Kor 3,7–4,692 oder umgekehrt93 zu erweisen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass beide Texte unabhängig voneinander eine haggadische Lesart der „Verwandlung“ des Mose in Ex 34, die im hellenistischen Judentum und hellenistischen Judenchristentum existiert hat, literarisch verarbeiten. Zunächst einige allgemeine Vorverständigungen im Hinblick auf das Verb OGVCOQTHQWUSCK. Es begegnet im NT viermal: Mt 17,2; Mk 9,2; Röm 12,2 und 2 Kor 3,18. Die Tatsache, dass es im NT in seiner Passivform gebraucht wird, korrespondiert mit dem überwiegenden passivischen oder medialen Gebrauch im paganen Bereich.94 An den synoptischen Belegstellen indiziert es ein von der Autorität Gottes initiiertes Verwandlungsgeschehen, das als solches innerhalb einer christologischen Lehrerzählung mittels einer sinnenfälligen, außen wahrnehmbaren Veränderung der Gestalt die Göttlichkeit Jesu offenbart, während an den Belegstellen des Corpus Paulinum (Röm 12,2: „Verwandlung durch eine Erneuerung des Sinnes“ und 2 Kor 3,18: „Spiegelung der Herrlichkeit des Herrn“) eine geistige Wirklichkeit im Blick ist, die nicht auf Einzelpersonen beschränkt ist, sondern sich auf das Kollektiv der angesprochenen christlichen Gemeinde oder aller Christen erstreckt.95 Diese Erstreckung der mittels des Verbs OGVCOQTHQWUSCK kommunizierten Verwandlungsvorstellung auf eine ganze Menschengruppe kann 92
So z.B. J. HOLTZMANN, Neutestamentliche Theologie I, 495; II 502. Ferner O. P FLEIDERER, Urchristentum I, 364f. 93 Vgl. dazu P. FEINE, Jesus Christus und Paulus, 144–149. In neuerer Zeit diskutiert auch E. LARSSON [Vorbild, 282–293] die Frage einer möglichen Abhängigkeit von 2 Kor 3,18 von Mk 9,2–8 parr. Eine Abhängigkeit beider Texte voneinander ist bereits im Jahre 1924 von H. W INDISCH [KEK-2 Kor, 130] mit folgendem Argument zurückgewiesen worden: „Die synopt. Erzählung ist wenig geeignet, die bleibende Herrlichkeit Jesu gegenüber der verbleichenden des Moses zu illustrieren; andrerseits fehlt bei P. jede Anspielung auf einen Vorgang während des irdischen Lebens Jesu …“. Hier scheint gleichwohl die Auffälligkeit der Tatsache, dass sowohl in Mk 9,2–8 als auch in 2 Kor von einer Verwandlungsvorstellung die Rede ist, in deren unmittelbarem Kontext sowohl die Erzählfigur des Mose als auch das in der LXX ein Desiderat bildende Verb OGVCOQTHQWUSCK begegnet, zu stark abgewertet zu sein. So sollte nicht nach einer wie auch immer gearteten literarischen Abhängigkeit, als vielmehr nach Traditionen gefragt werden, die theologiegeschichtlich sowohl hinter 2 Kor 3,18 als auch Mk 9,2–8 stehen. 94 Vgl. dazu LIDDELL-SCOTT, 1114. Ggf. ist in Röm 12,2 an ein Medium zu denken. 95 Dass die in 2 Kor 3,18 angesprochene Verwandlung nicht zu einem beeindruckenden Äußeren führt, macht Paulus dadurch deutlich, dass er im kontextuellen Umfeld des Verwandlungsmotivs in 2 Kor 4,7–18 einen Peristasenkatalog platziert, aus dem hervorgeht, dass die Verwandlung sich gerade in der Schwäche auswirkt und nicht mit einem machtvoll-glänzenden Erscheinungsbild einhergeht.
3. Begründung der Interpretation der Perikope vor jüdischem Hintergrund
301
zugleich als Spezifikum des paulinischen Verwandlungsbegriffs in 2 Kor 3,18 bezeichnet werden.96 In seiner Grundbedeutung meint das VerbOGVC OQTHQWUSCK eine Wandlung der OQTHJ, wobei im Bereich des NT nur an den synoptischen Belegstellen an eine sinnenfällige Verwandlung des äußeren Erscheinungsbildes zu denken ist. Das Verb OGVCOQTHQWUSCK fungiert im Sprachgebrauch der Koine als Synonym zu den Verben CXNNQKQY GBVGTQKQY und OGVCDCNNY.97 Im Gegensatz zu den Belegen der Paulusbriefe ist der synoptische Verwandlungsbegriff in den Rahmen gemeinantiken Verwandlungsdenkens zu positionieren: In dem Maße, wie bei einem Gros der zu greifenden antiken Belege OQTHJ primär „etwas Sinnenfälliges, sich der Wahrnehmung Darstellendes“98 anzeigt, wird mitOGVCOQTHQWUSCK ein Wandel der sinnenfälligen Erscheinungsform ausgedrückt. Das Verb OGVCOQTHQWUSCK indiziert dabei in jedem Fall eine spezifische individuelle Erscheinungsform, die als solche eine rein geistige oder aber – wie in Mt 17,2 und Mk 9,2 – eine außen-wahrnehmbare Dimension umfassen kann. Im Sprachgebrauch des LXX-Griechisch kommt es zu einer auffälligen Verengung des Gebrauchs des Lexems OQTHJ auf die sinnlich wahrnehmbare Erscheinungsform eines Menschen [Ri 8,18 (Aquila); Hi 4,16; Jes 44,13; Dan 3,19; Weish 18,1].99 Gleichwohl bleibt das Verb OGVCOQTHQWUSCK hier ein Desiderat. Forschungsgeschichtlich von hohem Interesse für die Exegese von 2 Kor 3,18 wie auch Mk 9,2–8 par. war die Zuweisung der Verwandlungsvorstellung in den Bereich der hellenistischen Mysterienreligionen, die der klassische Philologe Richard Reitzenstein Anfang des 20. Jh. vorgenommen hatte100, da in diesem Bereich das Verb OGVCOQTHQWUSCK einen Terminus technicus darstelle und zum Ausdruck einer „Verwandlung durch Schau“ diene. Dieser Erklärungsansatz ist – wie gleich zu zeigen ist – durch E. Lohmeyer auf die Exegese von Mk 9,2–8 ausgeweitet worden. In seinen „Hellenistischen Mysterienreligionen“ schreibt Reitzenstein: „Daß die Vorstellung einer Vergottung und Transfiguration des lebenden Menschen aus dem Mysterienglauben stammt, hoffe ich erwiesen zu haben; bewirkt wird sie durch die 101 IPYUKL oder SGC SGQW.“
96
Mit F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 148. Vgl. dazu die Belege bei J. BEHM, Art. OQTHJMVN. In: ThWNT IV (1942), 763. 98 Mit J. BEHM, a.a.O., 753 (im Original gesperrt). 99 Vgl. J. BEHM, a.a.O., 753f. 100 R. REITZENSTEIN, Die hellenistischen Mysterienreligionen nach ihren Grundgedanken und Wirkungen. Reprographischer Nachdruck der 3., erweiterten und umgearbeiteten Auflage (Leipzig 1927). Darmstadt 1973. 101 Vgl. R. REITZENSTEIN, Hellenistische Mysterienreligionen, 290. 97
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Auf dieser These aufbauend führt er etwas später aus: „Jene materielle Veränderung, die hier auf Erden schon mit dem Christen vorgegangen sein muß, damit er das UYOCQWXTCPKQP empfangen kann, beschreibt Paulus bekanntlich II. Kor 3,18 … Der in der Mysteriensprache übliche Ausdruck OGVCOQTHQWOGSC … befremdet hier ein wenig, da er zu FQZC(Verklärung) nicht völlig paßt; nicht in einer Änderung der Gestalt, sondern des Wesens, bzw. des Grades der Verklärung besteht die OGVCOQTHYUKL … Von der OQTHJ SGQW gehen mystische Einwirkungen aus … So muß die Seele selbst die OQTHJ SGQW annehmen, und Gott bewirkt dies, indem er in sie eintritt … Daß die Schau Gottes dasselbe bewirkt, sahen wir oben. Von hier ist sofort verständlich, daß eine beständige Schau Gottes in uns eine OGVCOQTHYUKL bewirkt, eine Wesensänderung in immer steigender Verklärung zu ein und dem selben Bilde …“. 102
Die Behauptung, dass die paulinische, mit dem Verb OGVCOQTHQWUSCK kommunizierte Verwandlungsvorstellung aus den hellenistischen Mysterienreligionen stamme, begründet Reitzenstein in erster Linie mit einem Verweis auf das 11. Buch der Metamorphosen des Apuleius.103 Apuleius Met. XI 23f. handelt von der Einweihung des Isis-Mysten. Diese erfolgt dadurch, dass der Myste im Zusammenhang einer Reise in die Unterwelt die Götter schaut und am Morgen darauf verwandelt ist, indem er das Gewand des Sonnengottes trägt.104 Dabei benutze Apuleius das Verb „reformari“, das in der Sakralsprache synonym zu „renasci“ stehe, als lateinisches Äquivalent des griechischen OGVCOQTHQWUSCK.105 Von Interesse für 102
Vgl. R. REITZENSTEIN, a.a.O., 357f. Vgl. R. REITZENSTEIN, a.a.O., 262–265. Ergänzend zu Apuleius verweist Reitzenstein auf den sechsten Brief Senecas an Lucilius, 1f.: „Intellego, Lucili, non emendari me tantum sed transfigurari: nec hoc promitto iam aut spero, nihil in me superesse, quod mutandum sit. Quidni multa habeam, quae debeant colligi, quae extenuari, quae adtolli? Et hoc ipsum argumentum est in melius translati animi, quod vitia sua, quae adhuc ignorabat, videt … cuperem itaque tecum communicare tam subitam mutationem mei …“ Seneca bringt seine Hoffnung auf moralische Besserung mit den lateinischen Begriffen „transfigurari“; „mutari“ und „mutatio“ zum Ausdruck. Vgl. dazu F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 4. Die begrenzte Reichweite dieses Verweises auf Seneca zur Erklärung des Sprachgebrauchs der Mysterien sieht Reitzenstein deutlich, wenn er sogleich nach der Zitation dieser Passage anmerkt: „Selbst wenn Seneca nicht im weiteren Verlauf die Lehren der Philosophie, die man weiter geben darf, deutlich denen der Mysterien entgegenstellte, die man geheim bei sich bewahren muß, könnten wir Worte und Vorstellungen der Mysterien gar nicht verkennen.“ Vgl. a.a.O., 263. Weiter verweist Reitzenstein auf die Verwandlungsvorstellung in Röm 12,2, wo das Verb OGVCOQTHQWUSCK begegnet: OJ UWUEJOCVK\GUSGVY^ CKXYPKVQWVY^CXNNC OGVCOQTHQWUSGVJ^ CXPCMCKPYUGKVQW PQQLGKXL VQFQMKOC\GKPWBOCL VKVQSGNJOCVQWSGQWVQCXICSQPMCKGWXC TGUVQPMCKVGNGKQP 104 Vgl. D. ZELLER, Art. Mysterien/Mysterienreligionen. In: TRE 23 (1994), 513f. Ferner F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 3f. 105 REITZENSTEIN [vgl. Hellenistische Mysterienreligionen, 262] führt zum Erweis der von ihm postulierten Äquivalenz von reformari/OGVCOQTHQWUSCK bei Apuleius an: Met. XI 16: hunc omnipotentis hodie deae numen augustum reformavit ad homines. felix hercules et ter beatus, qui vitae scilicet praecedentis innocentia fideque meruerit tam praeclarum 103
3. Begründung der Interpretation der Perikope vor jüdischem Hintergrund
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die markinische Verklärungsperikope ist die Tatsache, dass sich in der genannten Apuleius-Stelle die Metamorphose – wie in Mk 9,3 – gerade am Gewand expliziert, das das „äußere Sinnbild dieser transfiguratio“ darstellt.106 Als einen weiteren Beleg für die bei Paulus in 2 Kor 3,18 eingeflossene Mysterienvorstellungen nennt Reitzenstein im Exkurs „Zu Porphyrius und Paulus“ in seiner „Historia Monachorum und Historia Lausiaca“107 eine Stelle aus der Schrift „Ad Marcellam“ (c. 13) des neuplatonischen Philosophen Porphyrius (234–305/310 n. Chr.).108 „Dürfen wir wirklich die Schrift des Porphyrius als Quellschrift für jene bei Paulus auszusondernde Sprache und Vorstellungswelt behandeln? Ich greife zur Beantwortung eine Stelle heraus … (cap. 13): GXH8 Q=UQP VKL VQ UYOC RQSGK MCK VC VQW UYOCVQL UWOHWNC GXRK VQUQWVQPCXIPQGK VQPSGQPMCK VJLGXMGKPQWGXPQTCUGYLGBCWVQPCXRGUMQVKUGMC PRCTC RCUKVQKLCXPSTYRQKLYBLSGQLFQZC\JVCKxUQHQLFG CPSTYRQLQXNKIQKLIKPYUMQOGPQLGKX FG DQWNGK MCK WBRQ RCPVYP CXIPQQWOGPQL IKPYUMGVCK WBRQ SGQWx GBRGUSY VQKPWP QB OGP PQWL VY^ SGY^ GXPQRVTK\QOGPQL VJ^ QBOQKYUGKSGQW VY^ FG PY^ JB [WEJ. Die religiöse Vorstellung, die hier im Sinne der allgemeinen Moralphilosophie überarbeitet ist, daß der Mensch, wenn er sich zu Gott wendet und sich in ihm beschaut (bespiegelt), ihm ähnlich und hell wird, wenn er sich von ihm abwendet, aber verdunkelt wird, ist so eigenartig, daß das Bild eine Vorgeschichte haben muß. Das Zusammentreffen mit Paulus (II Kor. 3,18) … kann gar nicht zufällig sein“. 109
Die Thesen Reitzensteins entfalteten eine große Wirkung in der Paulusforschung des 20. Jahrhunderts110, doch neben der positiven Resonanz gab de caelo patrocinium, ut renatus quodammodo statim sacrorum servitio desponderetur; XI 27: Asinium Marcellum … reformationis meae non alienum nomen; XI 30: Osiris non (in) alienam quampiam personam reformatus. 106 R. REITZENSTEIN [Hellenistische Mysterienreligionen, 263] verweist hier auch auf Plutarch, De Isis et Osiris 77. Ferner Porphyrius, De abst IV, 16. 107 Vgl. dazu R. REITZENSTEIN, Historia Monachorum und Historia Lausiaca. Eine Studie zur Geschichte des Mönchtums und der frühchristlichen Begriffe Gnostiker und Pneumatiker. Göttingen 1916. Der besagte Exkurs findet sich auf S. 242–255. 108 Zu Porphyrius vgl. M. CHASE, Art. Porphyrios. In: Der Neue Pauly X (2001), Sp. 174–180; W. PÖTSCHER, Art. Porphyrios. In: Der Kleine Pauly IV (1972), Sp. 1064– 1069. 109 Vgl. R. REITZENSTEIN, Historia Monachorum, 243f. 110 Weitgehend auf den Spuren Reitzensteins bewegt sich W. B OUSSET, Kyrios Christos, 168 Anm. 3: „Dieser Vers [scil 2 Kor 3,18] ist durchtränkt mit mysteriöser Frömmigkeit. Ganz deutlich hören wir aus den geheimnisvollen Worten das große Thema herausklingen: Vergottung (VJP CWXVJP GKXMQPC OGVCOQTHQWOGSC CXRQ FQZJL GKXL FQZCP) durch Gottesschau (VJP FQZCP MWTKQW MCVQRVTK\QOGPQK).“ Ferner H. W INDISCH, KEK2 Kor, 129: „Dann ergibt sich die Anschauung, daß die Phil 3,21 erst von der Zukunft erwartete Verwandlung in einem stetigen Prozesse mysteriös schon in diesem Leben sich zu vollziehen beginnt und P. erscheint tief eingetaucht in die Erlebnissphäre der Mysterien, indem auch er eine Epoptie kennt, durch die der Eingeweihte in die Gestalt der göttlichen Person verwandelt wird, die er schauen darf.“ Kritisch hingegen J. B EHM [Art. OQTHJ MVN. In: ThWNT IV (1942), 765f.], wonach sich Paulus mit der hellenistischen Mystik berührt, in der Sache jedoch weit davon entfernt sei.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
es stets auch Kritik an seinem Ansatz der Herleitung des Verbs OGVCOQTHQWUSCK aus den hellenistischen Mysterienreligionen. Bereits kurz nach der Veröffentlichung seiner Thesen hinterfragte P. Corssen in einem Artikel in der ZNW 19 (1919/20)111 den besagten Exkurs Reitzensteins „Zu Porphyrius und Paulus“ und machte auf fundamentale Unterschiede aufmerksam. Danach lasse sich der Begriff OGVCOQTHQWUSCK bei Porphyrius sehr wohl als mystischer – von der Philosophie seines Lehrers Plotin inspirierter – Begriff erweisen, er gehe „aber nicht vom Boden irgendeiner Mysterienreligion aus“112, sondern sei in einen moralphilosophischen – auf der bekannten Stelle aus Platons Theaetet (176a.b)113 – aufbauenden Diskurs eingebettet. Die Unterschiede zur paulinischen Vorstellung seien jedoch immens. Die wesentliche Differenz liege darin, dass bei Porphyrius „die Seele … sich selbst kraft ihrer eigenen göttlichen Natur zu Gott auf“-schwinge.114 Corssen resümiert: „Aber trotz des gleichen Bildes ist der Gedanke bei beiden völlig verschieden. Bei Paulus ist er mit einer wirklichen Anschauung verbunden, bei Porphyrios handelt es sich um einen der Anschauung sich völlig entziehenden Vorgang.“115
Bei diesem mystischen Vorgang vergotte116 sich der Mensch, indem er „sich selber Gott wohlgefällig“ macht. Bei Paulus jedoch sei die mit OGVCOQTHQWUSCK ausgedrückte Verwandlung göttlicher Gnade geschuldet. Die „Vorstellung einer ihres inneren Adels sich bewußten Seele und einer weltüberwindenden Tugend“ liege Paulus völlig fern: „Das Wort CXTGVJ steht nicht in seinem Wörterbuch.“117 Die Ähnlichkeit der gebrauchten Bilder und Worte bei Porphyrius und Paulus dürfe über die fundamentalen
111 Vgl. P. CORSSEN, Paulus und Porphyrios. (Zur Erklärung von 2 Kor 3,18). In: ZNW 19 (1919/20), 2–10. 112 Vgl. P. CORSSEN, a.a.O., 5. 113 'KQ MCK RGKTCUSCK ETJ GXPSGPFG GXMGKUG HGWIGKP Q=VK VCEKUVC. HWIJ FG QBOQKY UKL SGY^ MCVC VQ FWPCVQP QBOQKYUKL FG FKMCKQP MCK Q=UKQP OGVC HTQPJUGYL IGPGUSCK. Der Gedanke der QBOQKYUKL wird bei Porphyrius mit der Tugend zusammen gedacht. Vgl. P. CORSSEN, Paulus und Porphyrios, 3: „Es kann kein Zweifel sein, daß die QBOQKY UKL hier eben die Tugend ist, auf der die Ähnlichkeit des Menschen mit Gott beruht.“ Dazu verweist Corssen auf Porphyrius Ad. Marc. c. JBQBOQKY UKLGUVCKFKCOQPJLCXTGVJL 114 Vgl. P. CORSSEN, Paulus und Porphyrios, 5. 115 Vgl. P. CORSSEN, a.a.O., 5. 116 D. ZELLER [Verwandlung Jesu, 117 Anm. 55] macht darauf aufmerksam, dass der Begriff „Vergottung“ im Gefolge des Sprachgebrauchs M. Dibelius’ „oft zu pauschal für die Mysterienkulte in Anspruch genommen“ wird: „enthusiastisches“ bzw. „schicksalhaftes Einswerden mit der Gottheit“ stehe hier im Vordergrund, nicht jedoch eine „wesensmäßige Vergöttlichung“. Vgl. dazu auch ZELLERs Artikel „Mysterien/Mysterienreligionen“. In: TRE 23 (1994), 518f. 117 Vgl. P. CORSSEN, Paulus und Porphyrios, 5f.
3. Begründung der Interpretation der Perikope vor jüdischem Hintergrund
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Unterschiede nicht hinwegtäuschen.118 Diese stichhaltigen Bedenken Corssens verbieten es, die These Reitzensteins unkritisch zu übernehmen. Obgleich Reitzenstein nicht explizit auf die Verwandlungsvorstellung der synoptischen Verklärungsperikopen zu sprechen kommt, sondern seine das NT betreffenden Aussagen auf den Textbefund bei Paulus beschränkt, haben seine das zentrale Verb OGVCOQTHQWUSCK thematisierenden Ausführungen auch die Exegese der markinischen Verklärungsnarratio beeinflusst. Hier ist erneut auf den bereits referierten ZNW-Aufsatz von E. Lohmeyer aus dem Jahre 1922 zu verweisen. Bei seinem Versuch, das eigentliche Verklärungsmotiv von den anderen, jüdisch geprägten Erzählelementen abzuheben, überlieferungskritisch zu isolieren und als „Bruchstück eines auf Jesus übertragenen hellenistischen Mythus“119 zu erweisen, kommt der Verfasser auf die hellenistischen Mysterienkulte zu sprechen. Mk 9,2c.3 sei nach Lohmeyer die einzige Stelle im markinischen Makrotext, an der das Leben Jesu im Rahmen eines Mythus zu erfassen versucht wird.120 Dazu übernimmt Lohmeyer unkritisch den Ansatz Reitzensteins zunächst für die paulinische Verwandlungsvorstellung121 und überträgt diesen sodann auch auf die markinische Verklärungsperikope. In den hellenistischen Mysterienkulten sind nach Lohmeyer Belege zu finden, die davon zu berichten wissen, dass „die Gottheit selbst den Gang der Verwandlung vorgelegt und so die göttliche Kraft der entsprechenden Weihen epiphan gemacht hat“.122 In diesem Gedanken sieht er das Äquivalent zur markinischen Verklärungsvorstellung, was er wenig überzeugend mit der bereits zitierten Stelle des Apuleius Met. XI zu belegen versucht.123 Dies fällt ihm umso leichter, als in beiden Belegen – MkEv und Apuleius – nicht vom leuchtenden Angesicht die Rede ist, sondern die narrative Emphase vielmehr auf demleuchtenden Gewand liegt.
118 Nach einer Kurzexegese ausgewählter Verse des 3. Kapitels des 2 Kor kommt CORSSEN [vgl. Paulus und Porphyrios, 10] zu der Erkenntnis, dass Paulus seine Gedanken „aus der allegorisierenden Deutung des ATs“ gewinne, dagegen aber vollkommen unabhängig von „irgendwelche[n] Mysterienvorstellungen“ sei. 119 Vgl. E. LOHMEYER, Verklärung Jesu, 205. 120 Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O.: „Daß auch dem Markus-Evangelium diese mythische Anschauung nicht fremd ist, wird an dieser einzigen Stelle bezeugt.“ 121 Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O., 206f.: „Nun ist es ja durch neuere Untersuchungen [scil. REITZENSTEIN, Hellenistische Mysterienreligionen] bekannt, daß der paulinische Gebrauch und Gedanke von OGVCOQTHQWUSCK sich eng mit der Sprach- und Vorstellungswelt hellenistischer Mysterienkulte berührt …“. 122 Vgl. E. LOHMEYER, a.a.O., 207. Die Angabe von Belegen für diese These bleibt bei Lohmeyer jedoch ein Desiderat! 123 Bei näherem Hinsehen ist die Anführung von Apuleius Met. XI für die These, dass „die Gottheit selbst den Gang der Verwandlung vorgelebt“ hat, nicht weiterführend, da hier lediglich von Initiationsriten des Isiskultes die Rede ist.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Die Kritik an Lohmeyer wird bei dem Hinweis ansetzen müssen, dass er den fundamentalen Unterschied zu den von ihm herangezogenen aus den hellenistischen Mysterienkulten stammenden Verwandlungsvorstellungen und dem MkEv nicht thematisiert: Der Status Jesu wird durch die Metamorphose nicht verändert. Von einer „Vergottung“ kann keine Rede sein. Die Verklärungsperikope funktioniert erzähllogisch als punktuelle Offenbarung der Jesus seit der Geistbegabung im Taufgeschehen zukommenden FQZC, sodass von einem Gewinn eines göttlichen Wesens – anders als in den Mysterienreligionen – keinesfalls die Rede sein kann.124 Nun wird man die Zuversicht, mit der in den oben referierten Forschungsansätzen das Verb OGVCOQTHQWUSCK als Terminus technicus der hellenistischen Mysterienreligion verbucht wird, in Zweifel ziehen dürfen. D. Zeller hat überzeugend darauf aufmerksam gemacht, dass die von Reitzenstein herangezogenen Stellen Seneca, Ep. VI 1f. und Röm 12,2, an denen von transfigurari bzw. OGVCOQTHQWUSCK die Rede ist, mit Mysterien gar nichts zu tun haben, ist doch hier nicht von einer mysterienreligiösen Verwandlung, sondern von einer „sittliche[n] Erneuerung“ die Rede.125 Bereits im Jahre 1913, also drei Jahre nach der Veröffentlichung der Erstauflage der „hellenistischen Mysterienreligionen“, hat Carl Clemen126 die von Reitzenstein angeführten Belege gesichtet und reduziert. Clemen stellt fest: „OGVCOQTHQWUSCK … läßt sich trotz Reitzenstein … wenigstens aus Apulejus’ Metamorphosen gar nicht als Mysterienausdruck erweisen.“127
124
Weit vorsichtiger erfolgt die Rezeption der Thesen R. Reitzensteins in der Analyse bei F. HAHN, Christologische Hoheitstitel, 310–312. Hahn erkennt im Begriff OGVCOQTHQWUSCK im Anschluss an Reitzenstein einen Terminus technicus, dessen Ursprung motivgeschichtlich in den Bereich der Mysterienkulte und Zaubertexte führt (vgl. a.a.O., 310). Er sieht aber sehr deutlich, dass das von ihm erkannte „hellenistische Motiv“ der Verwandlung nur in einer „sehr bezeichnende[n] Abwandlung“ vorliegt, insofern – anders als in den von Reitzenstein angeführten hellenistischen Texten – nicht von einem „Akt der Einweihung“ die Rede sein kann: „Jesus besitzt dieses [scil. das göttliche Wesen] bereits und läßt es nur vor seinen vertrauten Jüngern sichtbar werden“. Vgl. a.a.O., 312. 125 Vgl. D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 117 Anm. 53. 126 C. C LEMEN, Der Einfluss der Mysterienreligionen auf das älteste Christentum. RGVV XIII,1. Gießen 1913. 127 Vgl. C. C LEMEN, a.a.O., 24: reformari (vgl. Apuleius, Met. XI 16: hunc omnipotentis hodie deae numen augustum reformavit ad homines; 27: Asinium Marcellum … reformationis meae non alienum nomen) beziehe sich auf Lucius’ Rückverwandlung „aus einem Esel in einen Menschen“.
3. Begründung der Interpretation der Perikope vor jüdischem Hintergrund
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3.3.3 Die Inblicknahme des hellenistischen Judentums (D. Georgi) Nachdem sich die Herleitung der mit dem Verb OGVCOQTHQWUSCK ausgedrückten Verwandlungsvorstellung aus den hellenistischen Mysterienkulten aufgrund der aufgewiesenen Ungereimtheiten für die Exegese sowohl von 2 Kor 3,18 als auch Mk 9,2–8 als nicht weiterführend herausgestellt hat, lenkte D. Georgi mit seiner Arbeit über die Gegner des Paulus im 2. Korintherbrief128 das Interesse der Exegese auf das hellenistische Judentum. Die mit OGVCOQTHQWUSCK kommunizierte Verwandlungsvorstellung sei der Theologie der paulinischen Gegner entnommen. Das Verb OGVCOQTHQWUSCK sei ein gegen die paulinische Verkündigung gerichteter „Kampfterminus“. Paulus erwidere diesen Angriff, indem er dieses von den Gegnern benutzte Verb in den Gang der Argumentation der Apostolatsapologie in 2 Kor 3,18 aufnehme und auf die Christengemeinde ausweite.129 Die Thesen D. Georgis wurden in der Folgezeit oft rezipiert und fortgeschrieben.130 Der Vorteil dieses Ansatzes für die Exegese der im 2. Korintherbrief vorliegenden Apostolatsapologie ist, den betreffenden Vers 2 Kor 3,18 vom Kontext her zu interpretieren, wobei der „Verwandlung“ des Mose die „Verwandlung“ aller Christen entgegengesetzt wird. Dies geschieht bei Georgi, indem hinsichtlich der Verwandlung des Mose über die Textbasis der LXX131 hinaus auch das jüdisch-hellenistische Schrifttum 128 Vgl. D. GEORGI, Die Gegner des Paulus im 2. Korintherbrief. Studien zur religiösen Propaganda in der Spätantike. WMANT 11. Neukirchen-Vluyn 1964. 129 Vgl. D. GEORGI, Gegner des Paulus, 281f.: „Das Motiv der Metamorphose hatte seinen Platz in der Verkündigung und im Selbstverständnis der Gegner und ebenfalls der Gedanke des Geistgewirktseins. Das VJPCWXVJPGKXMQPC aber dürfte ebenso der Hand des Paulus zuzuschreiben sein wie das MWTKQW. Beide überladen nicht nur die Aussage, sondern sie entsprechen dem paulinischen Anliegen, der gegnerischen Christologie eine eigene entgegenzuhalten, in der einmal das Offenbarungsmotiv stark betont ist und dann der Souveränitäts- und Herrschaftsgedanke.“ 130 Vgl. die Belege bei F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 9. 131 Dass Ex 34,29–35 LXX überlieferungsgeschichtlich hinter Mk 9,2–8 steht, wird in dieser Studie durchgängig vorausgesetzt. Dieser Ansatz der Exegese der in 2 Kor 3,18 vorliegenden Verwandlungsvorstellung empfiehlt sich tatsächlich von daher, da er mit Abstand am besten dazu geeignet ist, das Verwandlungsmotiv vom Kontext her zu deuten. Bereits im Jahre 1919/20 formulierte CORSSEN [Paulus und Porphyrios, 6] in dem bereits referierten Aufsatz den richtungsweisenden Satz: „Vor allem muß man sich hüten, einzelne Stellen außerhalb ihres Zusammenhangs zu betrachten. So ergibt sich das volle Verständnis des Ausdrucks in 2 Kor 3,18 auch erst aus dem Gedankengange, dem er entsprungen ist.“ Vgl. dazu M. THRALL, II Cor, 295: „The pentateuchal background contains in itself all the necessary elements for the elucidation of the assertion in 2 Cor 3,18 … the vision of divine glory, the transformation of the visionary, and its non-eschatological setting“. Weitere Belege bei F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 13 Anm. 59. Gleichwohl lässt sich weder Mk 9,2–8 noch 2 Kor 3,18 von Ex 34,29–35 LXX vollauf erschließen. Besonders auffallend ist das Desiderat des in 2 Kor 3,18 und in 9,2–8 dominierenden Verbs OGVCOQTHQWUSCK im LXX-Text. Richtig urteilt daher F. BACK, a.a.O., 13:
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
(Philo; Flavius Josephus) herangezogen wird.132 In diesem Bereich leistete Georgi wertvolle Grundlagenarbeit, wenngleich sich seine These – wonach das Verwandlungsmotiv in 2 Kor 3,18 zusammen mit dem vorhergehenden Kontext (2 Kor 3,12ff.) ein Element aus dem Arsenal der paulinischen Gegner sei – insgesamt nicht durchgesetzt hat und heute allgemein nicht mehr vertreten wird.133 Ein „Seitenarm“ seines Versuchs, die Theologie der paulinischen Gegner im 2 Kor zu eruieren, ist die Analyse der markinischen Verklärungsperikope. Zielsetzung seiner Analyse von Mk 9,2–8 ist die Eruierung der anderen Christologie der Paulusgegner.134 Georgi identifiziert die paulinischen Gegner als aus dem Bereich des hellenistischen Judentums stam-
„Daß der biblische Text selbst alle notwendigen Elemente zur Erhellung der Aussage in 2 Kor 3,18 enthält, trifft daher nicht zu.“ Dieser Einschätzung ist auch im Hinblick auf Mk 9,2–8 vollauf zuzustimmen. 132 Zur Deutung des entsprechenden Philo-Textes (VitMos II 69f.) vgl. D. GEORGI, Gegner des Paulus, 259–261. Zur Analyse von Jos Ant III 75ff. vgl. a.a.O., 262–264. 133 Vgl. dazu F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 10. 134 Paulus spricht in 2 Kor 11,4 vom anderen Christus, den seine Gegner verkünden: GKX OGPICTQB GXTEQOGPQLCNNQP8,JUQWPMJTWUUGKQ?PQWXMGXMJTWZCOGP… 2 Kor 11,4 dient dabei zur Begründung der in V.3 getroffenen Aussage, wonach Paulus eine bereits erfolgte „Verführung“ der Korinther durch die Verkündigung seiner Gegner befürchtet. Dabei handelt es sich also nicht um eine hypothetische Erwägung, sondern um eine Inkriminierung tatsächlich erfolgter und kontinuierlich erfolgender kerygmatischer Tätigkeit der antipaulinischen Agitatoren, wie die KonstruktionGKX mit Indikativ Präsens indiziert. Das auffällige singularische Subjekt QB GXTEQOGPQL in V.4 steht dabei in Korrespondenz zu QHKL in V.3 und beschreibt metaphorisch und negativabwertend die Paulusgegner. Die in QHKL mitschwingende satanische Dimension wird sodann in 11,13f. wiederaufgenommen, wonach die Gegner lediglich die Gestalt von Aposteln annehmen (OGVCUEJOCVK\Y), in Wirklichkeit aber vom Satan geleitet sind, wie auch die Schlange als satanisches Werkzeug Eva täuschte. Umstritten bleibt die Eruierung des konkreten Inhalts der gegnerischen Christologie. Die paulinische Argumentation in 2 Kor 11,23 und 12,11f. lässt vermuten, dass weniger das historische Ereignis der Kreuzigung und Auferstehung Jesu als vielmehr die in seinem Namen vollbrachten Wundertaten, ferner Visionen und Offenbarungen die Christologie der Paulusgegner prägte. Das Wirken von Wundern wird von den Paulusgegnern wahrscheinlich als Ausweis besonderer pneumatischer Begabung verstanden und als Indiz einer besonderen Verbundenheit mit Christus gewertet worden sein. Dafür spricht das Verb WBUVGTGKP (2 Kor 11,5), das von Paulus in 1 Kor „durchweg in bezug auf die Geistesgaben (1,7; 8,8; 12,24)“ gebraucht wird. Mit Chr. W OLFF, ThHK-2 Kor, 218. Ferner F. BACK, Verwandlung durch Offenbarung, 81 Anm. 11. Das ausgeprägte Selbstbewusstsein der Gegner wird von Paulus durch den wiederholten Ausdruck WBRGTNKCP CXRQUVQNQK (11,5; 12,11) ironisiert. Überzeugend bleibt die Vermutung, dass die theologische Abwertung des Kreuzestodes Jesu Charakteristikum der kerygmatischen Tätigkeit der Paulusgegner war, die bei den Korinthern zudem auf fruchtbaren Boden (vgl. 1 Kor 1,18–24) gefallen sein dürfte. Vgl. Chr. W OLFF, ThHK2 Kor, 214.
3. Begründung der Interpretation der Perikope vor jüdischem Hintergrund
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mende christliche Missionare.135 Verkündigungsinhalt dieser anderen Christologie war nach Georgi nicht das futurische Kommen des Christus, sondern „seine machtvolle Vergangenheit und Gegenwart“.136 Die Betonung des machtvollen Auftretens Jesu habe den antipaulinischen Fremdmissionaren zur Profilierung der Überlegenheit Jesu gegenüber „ähnlichen Machttaten anderer Gottmenschen“ gedient.137 Die markinische Verklärungsperikope bringe nun Jesus mit den beiden herausragenden SGKQKCPFTGL des Judentums zusammen. Beiden wurde auf einem Berg eine Gottesschau zuteil, beide gelten im Volk als Wundertäter. Jesus werde in der Verklärungsperikope zunächst „in ihren Kreis aufgenommen“, dann aber „durch die Himmelsstimme … ihnen gegenüber ausgezeichnet“. Es komme von daher zu einer „Parallelisierung verschiedener SGKQK CPFTGL“ und zur „Vorordnung des Jüngsten unter ihnen“.138 Besonders hoch gewichtet Georgi die Gestalt des Mose. Das auffallende Interesse gerade des MkEv an der Gestalt des Elija, das m.E. zu seiner Integration in die von einer Mosetypologie geprägten Verklärungsperikope geführt hat, findet bei ihm keine Erwähnung. Im hellenistisch-jüdischen, aber auch hellenistisch-heidenchristlichen Bereich habe die Moselegende als Ausgangspunkt einer zu profilierenden Christologie gedient: „Die hellenistisch-judenchristliche und hellenistisch-heidenchristliche Urchristenheit tendierte danach, ihr Christusbild durch wesentliche Züge aus der Moselegende auszufüllen“.139 Nachdem das Modell des SGKQL CXPJT hinsichtlich der markinischen Christologie in die Krise geraten und von der neueren Mk-Exegese im Allgemeinen nicht mehr vertreten wird, ist große Vorsicht gegenüber der Interpretation der markinischen Verklärungsperikope bei Georgi angeraten.140 Gleichwohl ist als Verdienst der Studie Georgis der Verweis auf die 135
Vgl. D. GEORGI, Gegner des Paulus, 205: „Durch ihre Selbstbezeichnungen verrieten die Gegner des Paulus nicht nur, daß sie Missionare waren, sondern auch, in wessen Spuren sie dabei zu treten gedachten: der in der missionarischen Konkurrenz der hellenistischen Welt bewährten und sich bewährenden jüdischen Missionare.“ 136 Vgl. D. GEORGI, a.a.O., 213. 137 Vgl. D. GEORGI, a.a.O., 214. 138 Vgl. D. GEORGI, a.a.O., 216. 139 So D. GEORGI, a.a.O., 218. 140 Die Kritik am Modell des – ebenso von R. REITZENSTEIN [Hellenistische Wundererzählungen, 60, vgl. dazu bes. H.D. BETZ, Art. Gottmensch II. Griechisch-römische Antike und Urchristentum. In: RAC 12 (1983), Sp. 234–312] eingeführten – SGKQLCXPJT zur Erschließung der markinischen Christologie muss im Zusammenhang dieser Studie nicht geführt werden. Ausdrücklich vertreten z.B. von R. B ULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 256: „Bei Mk ist er [scil. Jesus] ein SGKQLCPSTYRQL, ja mehr: der über die Erde wandelnde Gottessohn.“ Vgl. zur Zurückweisung dieses Interpretationsansatzes die überzeugenden Ausführungen im Exkurs „Die Interpretation der Wundererzählungen im Markusevangelium“ bei D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 104–109: „untragbares Kon-
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Lektüretradition von Ex 24/34 im Bereich des hellenistischen Judentums anzusprechen. So soll im Folgenden das überlieferte Werk Philos entsprechend befragt und analysiert werden. Dabei sind über die von Georgi genannte Stelle VitMos II 69f. (Verwandlung des Mose bei seiner Einsetzung zum Oberpriester) weitere Texte Philos (Quaest in Ex II 27–29; Virt 217) zu analysieren. 3.3.4 Exkurs: Mk 9,2–8 und der „Mose-Midrasch“ in 2 Kor 3,7–18 „Die Botschaft des Markusevangeliums polarisiert nicht, sondern verbindet wesentliche urchristliche Strömungen“.141 Dieser Einschätzung P. Stuhlmachers ist beizupflichten. Die Fähigkeit des Verfassers zur Integration diverser christologischer Ansätze wird in der neueren Markusexegese zunehmend gesehen.142 Im Zusammenhang der Exegese der Verklärungsperikope ist auf das Desiderat aufmerksam zu machen, die Verklärungserzählung vor dem Hintergrund der Mosetradition zu lesen, die in 2 Kor 3,7–18 Eingang gefunden hat und in 3,18 ausdrücklich mit der Verwandlungsvorstellung verbunden wird.143 Die Gegenüberstellung von Jesus und Mose – strukt“, vgl. a.a.O., 107. Du Toit macht dabei zwei Argumente geltend: 1. Eine postulierte einheitliche Vorstellung eines SGKQLCXPJT sei aus antiken Texten nicht zu erheben, die vielmehr diverse, bisweilen divergierende Gottmenschvorstellungen aufweisen. 2. Ein „semantischer Zusammenhang zwischen dem Terminus SGKQLCXPJT und solchen Vorstellungen von Gottmenschen bzw. Wundertätern“ lasse sich nicht nachweisen. Vgl. dazu a.a.O., 107 Anm. 183. Die Deutung Georgis leidet zudem an der von ihm zugrunde gelegten Relation des SGKQLCXPJT-Begriffs mit der WKBQLSGQW-Prädikation in Mk 9,7, die in dieser Form in griechischsprachigen antiken Texten nicht zu greifen ist, was P. W ÜLFING VON M ARTITZ [vgl. Art. WKBQLMVN. In: ThWNT VIII (1969), 338–340] für den Bereich der paganen Antike aufgewiesen hat. Zur Kritik am Ansatz Georgis vgl. auch E. SCHWEIZER, Zur Christologie des Markus, 89. 141 Mit P. STUHLMACHER, Biblische Theologie II, 150. Zur „integrativen Kraft“ des MkEv vgl. ferner C. BREYTENBACH, Grundzüge, 172; P. DSCHULNIGG, SpracheRedaktion-Intention, 7; D.S. DU T OIT, „Gesalbter Gottessohn“, 37; E. SCHWEIZER, NTDMk, 8; Th. SÖDING, Glaube, 96.107; A. WEIHS, Deutung des Todes, 536. Ausgehend von der integrativen Kompetenz des MkEv ist auf eine Beobachtung C. BREYTENBACHs [a.a.O.] zu verweisen. Nach Breytenbach ist die „Frage nach der markinischen Christologie nicht nur eine traditionsgeschichtliche, sondern vor allem eine kompositionsanalytische. Die Integration verschiedener rezipierter christologischer Vorstellungen in die markinische Gesamterzählung hat Vorrang vor der traditionsgeschichtlichen Differenzierung der jeweiligen Konzeption.“ Von einem diffusen Nebeneinander divergierender christologischer Vorstellungen sollte nicht gesprochen werden, wohl aber davon, dass die „Christologie des MkEv … sich gegen vorschnelle Systematisierungen“ sperre. Gut bei J. ERNST, RNT-Mk, 44. 142 Vgl. nur C. BREYTENBACH, Grundzüge, 172f.; P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 10. 143 Dagegen halte ich den Vergleich von Mk 9,2–8 mit den in 1 Kor 15,49.51f.; Phil 3,20f. und Röm 8,29f. gemachten Verwandlungsaussagen für nicht weiterführend. In allen drei Fällen handelt es sich um eine endgültige, nicht revidierbare endzeitliche Ver-
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bzw. der paulinischen FKCMQPKC am Evangelium Jesu Christi und der mosaischen FKCMQPKC – mit bisweilen antithetischen Tendenzen lässt sich demnach auch an anderen zentralen neutestamentlichen Texten aufzeigen. Von besonderem Interesse ist hier der genannte Paulustext, zumal der mit 2 Kor 3,7 beginnende Argumentationsgang in V.18 endet, der vom Metamorphose-Motiv beherrscht ist, das in kontextuell überraschenderweise auf die gesamte christliche Gemeinde bezogen wird.144 Die in der Verklärungsperikope greifbare Gegenüberstellung von Jesus und Mose wird in 2 Kor 3,7–18 zugunsten eines antithetischen Vergleichs der mosaischen und der paulinischen FKCMQPKC ausgearbeitet. Der Vergleich mit der in der FQZC ergehenden „Verwandlung“ des Mose dient Paulus dazu, seinen eigenen apostolischen Dienst in antithetischer Entsprechung zu Mose zu profilieren. D. Zeller hat in einer Veröffentlichung zur Verklärungsperikope auf den Unterschied zwischen zeitweiliger und endgültiger Verwandlung in verwandten Texten aus der religiösen Umwelt aufmerksam gemacht.145 Bereits an dieser Differenzierung lassen sich sowohl Berührungen als auch Unterschiede zwischen 2 Kor 3,7–18 und der Verklärungsperikope auswandlung, die als Erklärungsmodell für 2 Kor 3,18/Mk 9,2–8 ungeeignet ist. Die Aussagen in 1 Kor 15,49.51f.; Phil 3,20f. und Röm 8,29f. sind vor dem Hintergrund der Verwandlungsvorstellungen in jüdischen bzw. jüdisch-hellenistischen Texten wie Dan 12,2f.; slHen 22,8–10; AscJes 7,25; syrBar 49–51 zu beleuchten. Die Verwandlungsvorstellung bezieht sich bei Paulus bei der endzeitlichen Verwandlung auf lebendige Menschen, näherhin auf Christen, deren UYOCVJLVCRGKPYUGYL (Phil 3,21), das von CXUSGPGKC und RCSJOCVC (Röm 8,18.26.35–39) geprägt ist, verwandelt wird, sodass die angesprochenen Christen – als bei der Parusie noch Lebende – mit den bereits Verstorbenen in die himmlische Welt gelangen können. Die hier angesprochene Verwandlung ist daher die conditio für eine Existenz in der himmlischen Welt, die Paulus folgerichtig auch mit der Metapher der Bekleidung mit dem (neuen) Gewand wiedergeben kann (1 Kor 15,53f.). Vgl. dazu E. BRANDENBURGER, Adam und Christus, 139f. Vgl. für Phil 3,21 z.B. J. GNILKA, HThK-Phil, 209. Zweck dieser Verwandlung ist laut Phil 3,21 die Existenz in einem UYOCVJL FQZJL, laut Röm 8,29f. die eschatologische Gemeinschaft des Gottesvolkes „aus erlösten Juden- und Heidenchristen …, unter denen Christus der Erstgeborene ist“. Mit F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 190. Eine entfernte Berührung zwischen den genannten Paulustexten und seinen Ausführungen in 2 Kor 3,18 liegt gleichwohl in der „Verähnlichung“ der Christen mit Christus vor. Dieses Ähnlich-Werden erfolgt mittels einer Verwandlung in 2 Kor 3,18 in spirituell-geistlicher, in 1 Kor 15,49.51f.; Phil 3,20f. und Röm 8,29f. in substantiell-endgültiger, eschatologischer Hinsicht. Der Skopus der Aussage in 2 Kor 3,18 ist daher nicht die futurisch-, sondern die präsentischeschatologische Christusähnlichkeit mittels eines OGVCOQTHQWUSCK. Vgl. z.B. J. SCHRÖTER, Versöhner, 109. 144 Diese Auffälligkeit ergibt sich von daher, dass die Gemeinde bis V.18 in der Argumentationskette der VV.4–17 keine Erwähnung findet, nun aber recht unvermittelt in den OGVCOQTHQWUSCK-Gedanken einbezogen wird. 145 Vgl. D. ZELLER, Verwandlung Jesu, passim.
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machen. 2 Kor 3,7–18 und Mk 9,2–8 gehen in der antithetischen Absetzung Jesu bzw. Paulus’ von Mose bzw. dem mosaischen Dienst und in der Verwendung des OGVCOQTHQWUSCK-Motivs zusammen, unterscheiden sich jedoch massiv im Subjekt der „Verklärung“ (Jesus/christliche Gemeinde) und der Tatsache von vorübergehender und endgültiger Verwandlung in somatischer (Jesus) bzw. spiritueller (christliche Gemeinde) Hinsicht. Worum geht es in 2 Kor 3,7–18?146 Bekanntlich stellt der Argumentationsabschnitt 2 Kor 3,7–18 einen der schwierigsten Texte des gesamten Neuen Testaments dar, wie die kaum mehr zu überblickende Vielzahl vorliegender Literatur mitsamt der in ihr präsentierten, äußerst divergierenden Forschungsergebnisse indiziert. Die Ergebnisse der Forschung divergieren nicht nur hinsichtlich einiger Detailfragen, sondern ebenso mit Bezug auf die grundlegenden Aussagen des Textes. Dieser bedrückende Sachverhalt ist zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass Paulus selbst keine eindeutigen Verhältnisbestimmungen vorlegt. So ist in der Paulusforschung das Verhältnis von Mosedienst und Altem Bund im Zusammenhang mit der Frage nach Beendigung bzw. Fortbestand des Mosedienstes und des Alten Bundes höchst umstritten. Gleichwohl ist im Folgenden eine Orientierung über den Gedankenaufbau und den theologischen Gehalt der Sinneinheit 2 Kor 3,7–18 angeraten, da nur so ein Einblick in die in V.18 vorliegende Verwandlungskonzeption des Paulus möglich wird. Der Argumentationsabschnitt 2 Kor 3,7–18 bildet eine recht eigenständige Diskurseinheit innerhalb der sogenannten Apostolatsapologie in 2 Kor 2,14–7,4 (ohne 6,14– 7,1).147 2 Kor 3,4–18 bildet das Herzstück des Unterabschnitts 2,14–4,6, in dem Paulus 146
An dieser Stelle sei Herrn Prof. Dr. Thomas Schmeller (Frankfurt) herzlich gedankt, der mir bereits vor der Veröffentlichung des ersten Bandes seines zweibändigen Kommentars zum 2. Korintherbrief (EKK-2 Kor I und II) seine Ausführungen zu 2 Kor 3,7–18 zukommen ließ. 147 Von einem „theologisch und literarisch geschlossenen Zusammenhang“ spricht treffend Chr. DIETZFELBINGER, Berufung des Paulus, 49. In die Debatte um die Dekomposition des 2 Kor kann an dieser Stelle nicht eingegriffen werden. Ich schließe mich der bei J. B ECKER [Paulus, 229–235, bes. 234] vorgelegten Dekomposition an. Danach entspricht die Apostolatsapologie dem wohl von Titus überbrachten Brief C. Darin genießt der Abschnitt 2 Kor 3,7–18 eine hohe Eigenständigkeit, die in der älteren Forschung zur Einschätzung geführt hat, diesen Abschnitt als „literarische Einlage“ bzw. als „Exkurs“ zu betrachten, der in keinem sachlogischen Zusammenhang mit der Textumgebung steht. Vgl. dazu H. LIETZMANN, 2 Kor, 111; H. W INDISCH, KEK-2 Kor, 112. Auch D. GEORGI [Gegner des Paulus, 252–282] hält diesen Abschnitt prinzipiell für herauslösbar: Diese Gedanken seien durch Vorgaben der Gegner bedingt. In der neueren Forschung wird – wie in dieser Studie – der gegenteilige Ansatz vertreten, dass 2 Kor 3,7–18 einen integralen Bestandteil der paulinischen Apostolatsapologie darstellt und von Paulus zur Demonstration seiner Legitimität als Apostel und seines Status als Empfänger göttlicher Botschaft herangezogen wird. Dabei ist 2 Kor 3,7–18 nicht einfach aus der Argumentationskette 2,14–4,6 herauslösbar. So entwickelt Paulus aus den Stichwörtern UWPKUVCPGKP UWUVCVKMCK GXRKUVQNCK (V.1) die Antithese ITCOOC – RPGWOC (V.6), die dann in den VV.7– 11 theologisch entfaltet wird. Die Rede von den FKCMQPKC K (VV.7–9) nimmt den paulinischen Selbstanspruch FKCMQPJSGKUC WBH8 JBOYP aus V.3 auf. Auch zwischen UWPKUVCPGKP und dem FQZC-Begriff, der als Leitbegriff in den VV.7–18 fungiert, gibt es semantische
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die Legitimität seines Apostelamtes nachzuweisen und sich selbst als einen von Gott befähigten, echten Apostel darzustellen versucht.148 Daher ist dieser Gedankenabschnitt nicht als Exkurs oder gar als Unterbrechung der eigentlichen Apostolatsapologie zu deuten, sondern als deren integraler und herausragender Bestandteil. Darin bemüht sich Paulus in 3,4–18149 durch einen Rückgriff auf Ex 34,29–35150 – also jenen Text, der struktur-
Berührungen. Vgl. zur Begründung O. HOFIUS, 2 Kor 3, 87; J. SCHRÖTER, Schriftauslegung, 241–243; DERS., Versöhner, 126; Chr. W OLFF, ThHK-2 Kor, 52.63. 148 Die Intention der paulinischen Argumentation ist die Abgrenzung von seinen missionarischen Konkurrenten. In 2 Kor 2,17 (Vorwurf des „Verschacherns“ des Wortes Gottes); 3,1 („Empfehlungsbriefe“) und 4,2–4 (das Verhalten der Gegner als RGTKRCVGKP GXPRCPQWTIKC^, vgl. auch 11,3f.) unterstreicht er nachdrücklich den Unterschied zwischen ihm, dem „echten“ Apostel, und den „falschen“ Aposteln. Wenn auch dieser Bezugspunkt der Argumentation weitestgehend unstrittig ist, so bleibt es doch ein gewagtes Unterfangen, hinter dem Argumentationsgang 2 Kor 3,7–18 eine gegnerische Vorlage zu erkennen, gegen die sich Paulus wendet und die als solche zu rekonstruieren sei. Eine solche Ansicht wird in der neueren Exegese in der Regel nicht mehr vertreten. So aber z.B. noch D. GEORGI, Gegner des Paulus, 248.252–265; S. SCHULZ, Decke, passim. Vgl. zur Kritik an solchen Ansätzen z.B. Th. S CHMELLER [EKK-2 Kor I, 196f.204], der hierzu auf den sehr freien Umgang des Apostels mit dem Prätext Ex 34,29–35 und auf die „Kontraproduktivität“ dieses Vorgehens im Hinblick auf die Apologie seines Apostelamtes verweist, da die Abweichungen „natürlich schnell erkannt worden“ wären „und auf ihn selbst zurückgefallen“ wären. Vgl. a.a.O., 197. Ferner J. SCHRÖTER, Versöhner, 93f.124f.; DERS., Schriftauslegung, 241f. 149 Obgleich die Gegenüberstellung der beiden Diatheken erst mit 2 Kor 3,7 beginnt, sollten zur Auslegung des Abschnittes 3,7–18 bereits die vorhergehenden VV.4–6 mitbedacht werden. In V.6c (VQ ICT ITCOOC CXRQMVGPPGK VQ FG RPGWOC \Y^QRQKGK) formuliert Paulus die biographisch geerdete These, die er ab V.7 in zwei Anläufen ausführen wird (V.6c als „Leitvers für den Midrasch 3,7–18“, so überzeugend M. T HEOBALD, Überströmende Gnade, 172). Das FG in V.7a hat explizierenden Charakter („nun aber“) und verweist auf den folgenden Gedankengang zum Erweis des Paulus als FKCMQPQL MCKPJL FKCSJMJL. Mit O. HOFIUS, 2 Kor 3, 107 mit Anm. 202. Vers 6 ist also ein Übergangsvers, der zum einen das mit 3,1 angeschlagene Thema „Empfehlungsbriefe“ weiterführt, zum anderen mit dem Theologoumenon MCKPJ FKCSJMJ die Basis für den im Folgenden vorgelegten „Vergleich der beiden FKCMQPKCK hinsichtlich ihrer FQZC“ liefert. Mit J. SCHRÖTER, Versöhner, 88. Als Gelenk innerhalb der Textfolge der VV.7–18 fungiert V.12, der die beiden Teile 3,7–11/12–18 miteinander verbindet. 2 Kor 4,1 weist auf die Ausführungen in 3,4–6 zurück. Der gedankliche Einschnitt zwischen 2 Kor 3,3 und 4 ist durch die Wendung RGRQKSJUKP VQKCWVJP klar indiziert, womit Paulus „das Vorhergehende in eine neue Perspektive“ stellt. Mit J. SCHRÖTER, Versöhner, 76. Somit ist der uns besonders interessierende Abschnitt 3,7–18, an dessen Spitze das Verwandlungsmotiv platziert ist, in stark biographisch orientierte Ausführungen des Paulus eingebettet. Vgl. zu dieser Übersicht auch M. THEOBALD, a.a.O., 170. 150 Es ist die Frage zu stellen, ob die Heranziehung von Ex 34,29–35 ad hoc geschieht oder sich in irgendeiner Weise auf Vorgaben der paulinischen Gegner bezieht. So reagiere nach Chr. W OLFF [ThHK-2 Kor, 65f.] Paulus mit den Ausführungen zu Mose auf das „Selbstverständnis“ seiner Gegner, die ihrerseits auf Mose rekurrieren. Nach O. HOFIUS [2 Kor 3, 86f.] hingegen erfolgt die „Bezugnahme auf Ex 34,29–35 … ad hoc im unmittelbaren Anschluß an das in 3,6 Gesagte“. So auch der Duktus bei P. CORSSEN, Paulus
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
bildend hinter der in Mk 9,2–8 verarbeiteten Tradition vermutet wird –, die Legitimität seines apostolischen Dienstes nachzuweisen und die Korinther von der Rechtmäßigkeit seines apostolischen Amtes, das in einer göttlichen Offenbarung gründet, zu überzeugen.151 Durch den Vergleich mit der FKCMQPKC des Mose legitimiert Paulus seine eigene, durch Gott erfolgte Autorisation zum Boten des Evangeliums. Argumentativer Bestandteil dieses „Beweisganges“ ist die Kontrastierung seines apostolischen Dienstes, der maßgeblich in der Verkündigung der MCKPJ FKCSJMJ (V.6) begründet ist, mit der RCNCKC FKCSJMJ. Dies bedingt einen Vergleich zwischen Mose und
und Porphyrios, 6: „… es ist ein plötzlicher Einfall, der ihm beim Schreiben kommt und Gewalt über ihn gewinnt“. Hofius begründet seine Einschätzung mit der Beobachtung, dass 2 Kor 2,14–4,6 einen in sich geschlossenen Argumentationszusammenhang bildet, aus dem der Abschnitt 3,7–18 nicht herauslösbar ist. Dieser Erklärungsansatz befriedigt nicht ganz. Der Rekurs auf Ex 34,29–35 geschieht zwar plötzlich und überraschend, verdankt sich jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit einer bestimmten, im hellenistischen Judentum kursierenden Lektüretradition von Ex 34,29–35 LXX. Bei der Rezeption von Ex 34,29–35 LXX sollte die Intention der Texteinheit 2 Kor 2,14–4,6 bedacht werden, die in der Legitimation des Paulus als vollgültiger Apostel Jesu Christi liegt. Die Rezeption von Ex 34,29–35 hat auch in LibAnt 12,1; 19,6 und Philo VitMos II 69f. legitimierenden Charakter: Mose wird hier als göttlicher Bote bzw. Oberpriester (vgl. VitMos II 66) ausgewiesen. Über diese jüdisch-hellenistische Lektüre der entsprechenden ATVorgaben gibt es Berührungen von 2 Kor 3,7–18 und Mk 9,2–8, die beide als Legitimationstexte angesprochen werden können. Paulus bemüht zum Erweis seiner Überlegenheit insbesondere die drei Schlüsse a minore ad maius (2 Kor 3,7–11). Die unvergleichlich höhere theologische Dignität Jesu gegenüber Mose ist ein Konstruktionsprinzip auch der Transfigurationsperikope, die in der Prädikation Jesu als WKBQLSGQW kulminiert. Diese Beobachtungen zum überbietenden Charakter des Glanzes machen es m.E. wahrscheinlicher, dass Paulus hier eine Lektüretradition von Ex 34,29–35 aufgreift, die theologiegeschichtlich auch hinter der markinischen Verklärungstradition steht, und für die Apologie seines Apostolates fruchtbar macht. Von einer gegnerischen Vorlage, derer sich Paulus bedient, gehe ich jedoch nicht aus. 151 Vgl. für viele F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 88. Die theo-logische Befähigung des Paulus zum apostolischen Dienst wird in 2 Kor besonders durch die Wortgruppe KBMCPQL; KBMCPQVJL und KBMCPQWP kommuniziert. Vgl. 2,16b und 3,5f. Der entsprechende Gedanke in 3,5f. wird durch die Frage MCK RTQL VCWVC VKL KBMCPQL (2,16b) vorbereitet. Das VCWVC bezieht sich auf die in 2,14 gemachte Aussage, wonach Gott Paulus als Offenbarungsmittler im Triumphzug mitführt (STKCODGWQPVK), an dessen Verkündigung sich das Geschick der ihn hörenden Menschen entscheidet. Vgl. J. S CHRÖTER, Versöhner, 34f. Paulus spricht demnach seinem eigenen Dienst an der MCKPJ FKCSJMJ eine theo-logische Befähigung zu, in der die paulinische RGRQKSJUKL, d.h. sein apostolisches Selbstbewusstsein, gründet: Gott selbst ist der „Ursprung seiner KBMCPQVJL“. Mit Chr. W OLFF, ThHK-2 Kor, 60. Dann ist es plausibel, dass in 2 Kor 3,5f. der sogleich folgende Vergleich zwischen der mosaischen und der paulinischen FKCMQPKC vorbereitet wird. Ex 4,10–12 (LXX) spricht von einer Befähigung auch des Mose durch Gott. Das Adjektiv KBMCPQL findet sich in der Klage des Mose (4,10). Eine Bezugnahme auf diesen Text vermutet z.B. M. T HEOBALD [Überströmende Gnade, 171 Anm. 15] mit einem Verweis auf J.S. VOS, Untersuchungen, 132: „Die Frage nach der menschlichen Fähigkeit zum göttlichen Dienst ist eine stereotype Frage aus den prophetischen Berufungsgeschichten.“ Vgl. ferner O. HOFIUS, 2 Kor 3, 85 Anm. 70.
3. Begründung der Interpretation der Perikope vor jüdischem Hintergrund
315
Paulus und ihren beiden im Glanz erscheinenden Diensten. Die paulinische Argumentation geht dabei in V.5 von der Berufungserfahrung152 aus, wonach die Befähigung zum apostolischen Dienst153 nicht eigener Amtsanmaßung entspricht, sondern göttlicher Berufung (CXNN8JB KBMCPQVJLJBOYPGXMVQW SGQW) entstammt. Die biographisch verankerte Intervention Gottes ist also Fundament seiner apostolischen FKCMQPKC am Evangelium154 und bedingt das in V.6 kommunizierte Selbstverständnis des Paulus, FKCMQPQL MCKPJL FKCSJMJLRPGWOCVQL zu sein. Der plakativ anmutende V.6 wird von Paulus in der Gedankenfolge der VV.7–11 entfaltet und differenziert.155 Paulus forciert den anvisierten Kontrast beider Diatheken durch eine schnelle Abfolge geschickt platzierter antithetischer Entsprechungen: ITCOOC – RPGWOC (V.6a.b); CXRQMVGPPGK – \Y^QRQKGK (V.6b); FKCMQPKC VQW SCPCVQW (V.7) – FKCMQPKC VQW RPGWOCVQL (V.8); FKCMQPKC^ VJLMCVCMTKUGYL – FKCMQPKC VJLFKMCKQUWP JL (V.9); VQ MCVCTIQWOGPQP – VQ OGPQP (V.11). Hinzu kommt die Basisopposition „Mose – Paulus“156 und „Synagogen-
152 Der Konnex von Berufungserfahrung und apostolischer Befähigung ist ein Standardtopos der paulinischen Verkündigung, vgl. nur 1 Kor 9,1f.; Gal 1,15f.; Phil 3,7–11. 153 Paulus benutzt hier das VerbKBMCPYUGP. Der gewählte Aorist bezieht sich in seiner Betonung der punktuellen Aktionsart auf die einmalige Berufungserfahrung des Paulus. Vgl. nur Chr. W OLFF, ThHK-2 Kor, 61. Ferner H. WINDISCH, KEK-2 Kor, 109: „Moment der Bekehrung“. Es fällt daher auf, dass der Gedankengang 2 Kor 3,7–18 durch die Betonung der gnadenvollen Berufung des Apostels gerahmt ist, da sogleich im Anschluss an den Spitzensatz 3,18 dieser Gedanke in leicht veränderter Akzentuierung, ebenfalls im Aorist, nochmals vorgelegt wird, vgl. 4,1: GEQPVGL VJP FKCMQPKCP VCWVJP MCSYL JXNGJSJOGP. Den Höhepunkt dieser biographisch orientierten Argumentation bildet der Rekurs auf das schöpferische Handeln Gottes in 2 Kor 4,6, in dem Paulus seine Berufung mit der göttlichen Erschaffung des Lichtes vergleicht. Paulus spricht hier von der in seiner Berufungserfahrung erhaltenen Gnade, auf dem Angesicht des auferstandenen und erhöhten Christus dieFQZCGottes selbst zu sehen. Der Vorschlag von M. GRUBER [Herrlichkeit, 295–319], darin den Lichtschein göttlichen Glanzes zu erkennen, der auf Paulus zu sehen ist, ist abzulehnen. Die Parallelität von 2 Kor 4,4 und 4,6 spricht dagegen. In V.4 bezeichnet Paulus Christus als GKXMYP VQW SGQW, was mit der Aussage in V.6 exakt übereinstimmt, sodass in V.6 vom göttlichen Glanz Christi die Rede ist. So z.B. F. BACK, Verwandlung durch Offenbarung, 124; K. B ERGER, Art. RTQUYRQP. In: EWNT III (21992), Sp. 436; Chr. W OLFF, ThHK-2 Kor, 87. Vers 6 markiert für Paulus zugleich den Unterschied von zeitweiliger und endgültiger Verwandlung: während der Mosedienst durch einen zeitweiligen Glanz gekennzeichnet wird, hat der auferstandene Christus dauerhaften Glanz, an dem der Apostel wie die Gemeinde bereits jetzt Anteil haben (vgl. 3,18). Paulus verbindet diesen Gedanken in V.6 mit der existenzverändernden Bedeutung seiner eigenen Berufungserfahrung. Vgl. dazu Chr. DIETZFELBINGER, Berufung des Paulus, 50. Eine solche Deutung ist angesichts der Tatsache notwendig, dass mit der Wendung GXP VCKL MCTFKCKL JBOYP (V.6) Paulus sich selbst meint („apostolischer Plural“), da dieser Vers als Begründung der Aussage (Q=VK) von V.5 fungiert, die sich unzweideutig auf Paulus selbst bezieht. Mit F. BACK, a.a.O., 90 Anm. 7. 154 Ähnlich auch N. B AUMERT, Mit dem Rücken zur Wand, 55. 155 Mit Th. SCHMELLER, EKK-2 Kor I, 194f. 156 Vgl. Th. SCHMELLER, EKK-2 Kor I, 207: „Ziel des Vergleichs mit Mose ist der Nachweis größeren Glanzes und damit höherer göttlicher Legitimation auf der Seite des Paulusdienstes“.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
gemeinde – christliche Gemeinde“.157 Zur Erreichung seines Argumentationszieles benutzt er in den VV.7–11 drei Schlüsse a minore ad maius (qal wachomer), die zunächst den Mose-„Dienst“ und den apostolischen „Dienst“ (V.7f.; V.9), dann die Sinai-Tora und das Evangelium (V.11) gegenüberstellen, um den Korinthern die qualitative Überlegenheit der FQZC seines eigenen apostolischen „Dienstes“ gegenüber dem mosaischen Sinai„Dienst“ plausibel zu machen158: RYL QWXEK OCNNQPJB FKCMQPKC VQW RPGWOCVQL GUVCK GXP FQZJ^{ (V.8); RQNNY^ OCNNQP RGTKUUGWGK JB FKCMQPKC VJL FKMCKQUWPJL FQZJ^ (V.9); GKX ICT VQ MCVCTIQWOGPQP FKC FQZJL RQNNY^ OCNNQP VQ OGPQP GXP FQZJ^ (V.11).159 Die drei Schlüsse a minore ad maius offenbaren für Paulus die Überlegenheit seines eigenen vom RPGWOCbestimmten (2 Kor 3,8) und zur FKCMCKQUWPJ führenden apostolischen Dienstes160 gegenüber dem mosaischen, dem ITCOOC161 verhafteten Dienst. Skopus der Aussage bildet das „umso mehr“ des paulinischen Dienstes gegenüber dem mosaischen. 162 Diese
157 Die christliche Gemeinde wird in 2 Kor 3,18 deutlich durch die anklingendeJBOGKLFormulierung benannt, während die pluralischen Äußerungen in 3,4–6.12 dem „apostolischen Plural“ geschuldet sind. Mit O. H OFIUS, 2 Kor 3, 75 Anm. 2. 158 Th. SCHMELLER [EKK-2 Kor I, 179] betont dabei, dass durchgängig „nicht die Abwertung des unterlegenen, sondern die Aufwertung des überlegenen Dienstes das Ziel“ der paulinischen Argumentation ist. Die VV.7f. formulieren mittels einer rhetorischen Frage den Leitsatz der folgenden Überlegungen und führen den entscheidenden Terminus –FQZC – ein. Die VV.9f. gehören als zwei miteinander sachlich und grammatisch verbundene Explikationen eng zusammen, während der dritte Qal-WachomerSchluss in V.11 davon deutlich abzuheben ist, insofern er die ab V.7 vorgelegten Überlegungen zusammenfassend bündelt und durch das Stichwort VQ OGPQP den Grund für die apostolische GXNRKL und RCTTJUKC des folgenden V.12 benennt. Vgl. zu dieser Gliederung M. THEOBALD, Überströmende Gnade, 178. 159 Vgl. z.B. O. HOFIUS, 2 Kor 3, 110. Die qualitative Überlegenheit wird zudem durch Wendungen wie RGTKUUGWGK (V.9) und WBRGTDCNNQWUJL FQZJL (3,10) betont. Diese antithetische Entsprechung führt in V.11 dazu, dass Paulus den mosaischen Dienst als VQ MCVCIQWOGPQP, seinen eigenen jedoch als VQ OGPQP bezeichnet. Es fällt auf, dass Paulus – anders als der „Prätext“ Ex 34 – nicht nur von der FQZC auf dem Gesicht des Mose spricht, sondern von derFQZC des mosaischen Dienstes! Im Fokus steht daher nicht Mose als historische Person, sondern seine „Funktion“ und sein „‚Amt‘ als Gottesbote“. Mit F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 97. Kursiv im Orginal, A.W. 160 Paulus spricht in V.9 von seiner FKCMQPKC VJL FKMCKQUWP JL. Der Genitiv ist mit B LASS-DEBRUNNER-REHKOPF [Grammatik § 166] als „Genitiv des Zwecks“ anzusprechen. 161 An den Stellen, an denen Paulus die Antithese RPGWOC – ITCOOC bemüht, ist der letztere Ausdruck nicht mit „Buchstabe“, sondern mit „das Geschriebene“ zu übersetzen. Zur Begründung vgl. G. SCHRENK, Art. ITCHYMVN. In: ThWNT I (1933), 765–768. Ferner H.-J. ECKSTEIN, „Nahe ist dir das Wort“, 207; A. SCHLATTER, Paulus der Bote Jesu, 506f. Als „das Geschriebene“ vermag die Sinai-Tora den Menschen mit dem Willen Gottes zu konfrontieren, zeigt sich aber als eine von außen kommende Größe unfähig, den Menschen zum Tun des Willens Gottes zu führen. 162 Für den Vergleich mit Mk 9,2–8 ist insbesondere der Teilvers 7b von Interesse, der in einer gewissen Spannung zu Ex 34,30a (GK FGP $CTYP MCK RCPVGL QKB RTGUDWVGTQK ,UTCJN VQP /YWUJP MCK J P FGFQZCUOGPJ JB Q[KL VQW ETYOCVQL VQW RTQUYRQW CWXVQW ) und 34,35a (MCK GK FQP QKB WKBQK ,UTCJN VQ RTQUYRQP /YWUJ Q=VK FGFQZCUVCK) steht, der aber wohl aus Ex 34,30b (MCK GXHQDJSJUCP GXIIKUCK CWXVQW ) erschlossen zu sein scheint
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antithetischen Entsprechungen führen zunächst zur Gegenüberstellung des Paulus und des Mose (V.12f.), woran „in umgekehrter Reihenfolge die Folgen für die Synagogengemeinde (VV 14f) und die christliche Gemeinde (VV 16–18)“163 angeschlossen werden. Schwerpunkt dieser Gegenüberstellung sind weniger Mose und Paulus als historische Personen, sondern der Charakter ihres Dienstes und ihrer Befähigung zum „Amt“ eines Gottesboten. Die FQZC fungiert in beiden Fällen als eine äußere Visualisierung einer inneren Berufung. 164 Mit einer nur als kühn zu bezeichnenden Auslegung, die weit über den zugrunde liegenden Text Ex 34,29–35 hinausgeht und mit keiner anderen bekannten Auslegung korrespondiert, postuliert Paulus den aufhörenden Glanz der FQZC auf dem Gesicht des Mose (V.13).165 Der Mosedienst wird so – in Abgrenzung zum paulinischen Dienst – als zeitlich limitiert dargestellt. Handelt es sich also bei Mose um eine zeitlich begrenzte Verwandlung mit der Intention, diesen als legitimen Gottesboten zu erweisen, steht der Dienst des Paulus qualitativ auf einem anderen Fundament: Für den paulinischen Dienst ist im Gegensatz zu Mose und den sich auf diesen beziehenden Gegner VQ OGPQP aus V.11 charakteristisch. Die Aussage vom aufhörenden Glanz des Mose ist dabei nicht als eine disqualifizierende Bemerkung im Hinblick auf den mosaischen Dienst zu werten, sondern als eine neutrale Aussage zur Beschreibung der mit Christus erfolgten Veränderung. War also der Dienst des Mose wie seine „Verwandlung“ durch das Christusereignis zeitlich und logisch begrenzt, so steht der paulinische Dienst an der MCKPJ FKCSJMJunter dem Vorzeichen einer endgültigen und bleibenden Verheißung. Die „Verwandlung“ des Paulus durch das Christusereignis ist daher – wie die „Verwandlung“ aller Christen (vgl. V.18) – als bleibend zu charakterisieren. Diesem Aussageziel dient letztlich die Rede von der MCNWOOCGXRK VQ RTQUYRQP des Mose.166 Auch diese Gedankenfigur zielt auf den Er-
und mit jüdisch-hellenistischen Auslegungstraditionen übereinstimmt. Er korrespondiert mit der Intention des Petrusvorschlags in Mk 9,5f. Hier ist insbesondere auf den weiter unten stehenden Vergleich mit Philo VitMos II 70 zu verweisen. 163 Mit Th. SCHMELLER, EKK-2 Kor I, 211. 164 Die FQZCdes paulinischen Dienstes offenbart die göttliche Gegenwart in der Verkündigung des Apostels und diesen „als besonders bevollmächtigt, als Gottes Repräsentant“. Mit Chr. WOLFF, ThHK-2 Kor, 66f. 165 Der dabei gebrauchte Terminus VQ VGNQL heißt hier „Ende“, nicht „Ziel“. Nicht eingegriffen werden kann in die dornige Diskussion des gleichen Terminus in Röm 10,4. Während dort eine vermittelnde Position wie „Christus ist Endziel“ des Gesetzes – so z.B. M. THEOBALD, SKK-Röm, 284 (massiv dagegen z.B. H.-J. E CKSTEIN, „Nahe ist dir das Wort“, 206 mit Anm. 2) – möglich ist, halte ich das teleologische Verständnis von VGNQL in 2 Kor 3,13 für schwierig. Die Wiedergabe von VQ VGNQLVQW MCVCTIQWOGPQW mit „Ziel des Vergehenden“ wäre sowohl semantisch als auch sachlogisch – vorsichtig formuliert – überraschend. Zudem ist bereits in V.11 die Opposition von VQ MCVCTIQWOGPQP und VQ OGPQP aufgestellt worden, die in V.13 weiterwirkt. Den VV.7–18 liegt insgesamt ein konsequent oppositionelles Denken zugrunde, das es als fraglich erscheinen lässt, wie dies mit einer teleologischen Deutung von VGNQL in V.13 vereinbart werden könnte. So scheint auch in V.18 die FQZC des Mose vollkommen auf das Angesicht des Paulus wie auch auf das der christlichen Gemeindemitglieder übergegangen zu sein. Vgl. zur Übersetzung vonVGNQL mit „Ende“ die Überlegungen bei O. HOFIUS, 2 Kor 3, 110f. mit Anm. 217; J. SCHRÖTER , Versöhner, 108f.; Chr. W OLFF, ThHK-2 Kor, 71. 166 Paulus benutzt hier für das Verhalten des Mose ein Imperfekt (GXVKSGK) zum Ausdruck nicht eines einmaligen Verhaltens Moses, sondern eines wiederholten.
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weis des qualitativen Unterschiedes des mosaischen wie des paulinischen Dienstes. Bei der auf dem Gesicht des Mose befindlichen MCNWOOC ist nicht an betrügerische Absichten zu denken167, vielmehr ist dieses Motiv vor dem Hintergrund der im späteren Röm (9–11) explizit dargelegten Verstockungstheorie und somit als Bestandteil des geheimnisvollen Planes zu interpretieren. Gott selbst ist Subjekt der Verstockung Israels und Mose auch in dieser Hinsicht sein auserwählter Diener.168 Die Verstockung bewirkt die fehlende Erkenntnis Jesu Christi und damit – hier dürfte das Argumentationsziel des Paulus liegen – die fehlende Einsicht in die Legitimität seines apostolischen Dienstes169, zumal die Aufnahme von Ex 34 in 2 Kor zielgerichtet mit der Intention geschieht, „Paulus als den von Gott berufenen Missionar zu erweisen“.170 Von einer Gedankenverhärtung ist im zugrunde liegenden Ex-Text nicht die Rede.171 Vers 16 gibt dabei – durch den Q=VK-Satz in V.14 vorbereitet – der Hoffnung Ausdruck, dass die Verstockung Israels nicht endgültig, sondern befristet ist. Das GXRKUVTGHGKP zum Herrn172, von dem V.16 explizit spricht, liegt der Wegnahme der MCNWOOC wie auch der Anerkenntnis des Paulus als Apostel Jesu Christi als conditio sine qua non zugrunde. Der unvermittelt wirkende Anschluss mit V.17 kommuniziert dabei das pneumatologische Element der erhofften GXRKUVTQHJ. Danach ist die Wendung zum Herrn gleichbedeutend mit einer Wendung zum Geist. 173 Die damit einhergehende Freiheit ist als die GXNGWSGTKC von der Verstrickung in Sünde und Tod anzusprechen, die für die Christen bereits Wirklichkeit geworden ist. Die Wendung zum MWTKQL liegt der pneumatischen Begabung und damit dem Ende der Verstockung Israels zugrunde. Das Vorbild des Paulus (2 Kor 1,21f.) und der christlichen Gemeinde (2 Kor 3,2f.) gibt Zeugnis davon.
167 So aber z.B. H.-J. KLAUCK, NEB-2 Kor, 39: frommes Betrugsmanöver; H. ULONSKA, Doxa, 386f. Sehr dagegen Th. SCHMELLER, EKK-2 Kor I, 214. Die Spannungen zum Ex-Text sind offensichtlich. Vgl. zum Textbefund z.B. O. HOFIUS, 2 Kor 3,103f.; J. SCHRÖTER, Versöhner, 104. 168 Demnach ist das GXRYTYSJ (V.14a) als Passivum divinum anzusprechen. So J. SCHRÖTER, Versöhner, 110; Chr. W OLFF, ThHK-2 Kor, 72. M. THEOBALD [Überströmende Gnade, 192 Anm. 126] macht darauf aufmerksam, dass Paulus GXRYTYSJ und CXVGPKUCK kontrastieren will und dazu eine Inversion von Subjekt und Prädikat in V.14a betreibt, sodass das passivische GXRYTYSJ die betonte Frontstellung erhält. 169 Nach O. HOFIUS [2 Kor 3, 114f.] „besteht eine vollkommene Parallelität zwischen den Versen 13+14a und den Versen 14b+15“, mit der das „Heute“ (Zeit des Paulus) der Zeit des Mose gegenübergestellt wird. 170 Gut bei J. SCHRÖTER , Versöhner, 118 (kursiv im Original). 171 Paulus interpretiert Ex 34,29–35 vor dem Hintergrund der Aussage von Dtn 29,3, die er auch in Röm 11,8 theologisch verarbeitet: (FYMGP CWXVQKL QB SGQL RPGWOC MCVCPWZGYL QXHSCNOQWL VQW OJ DNGRGKP MCK Y VC VQW OJ CXMQWGKP G=YL VJL UJOGTQP JBOGTCL. Die Bezugnahme auf diesen Text spiegelt sich in 2 Kor 3,14b (CETK … VJL UJOGTQPJBOGTCL) und 3,15 (G=Y LUJOGTQP). 172 Vgl. z.B. Th. SCHMELLER, EKK-2 Kor I, 221: „GXRKUVTG[J^“ ist „im Sinne einer Bekehrung zu Christus zu verstehen“. Der MWTKQL ist sowohl in 2 Kor 3,16.17 als auch in 3,18 christologisch zu deuten. Durchgängiges Argumentationsziel ist die Bekehrung von Juden, nicht Heiden, sodass eine theo-logische Deutung von MWTKQL befremdlich und im Hinblick auf das Aussageziel kontraproduktiv wäre. Vgl. für viele J. SCHRÖTER, Versöhner, 114. Ähnlich auch Th. SCHMELLER, a.a.O., 223. 173 Vgl. nur O. HOFIUS, 2 Kor 3, 119.
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Einen qualitativen Sprung der Aussage macht nun der Schlussstein der Argumentationsreihe in 2 Kor 3,4–18, insofern nun nicht mehr von der antitypischen Entsprechung des mosaischen und paulinischen Dienstes allein die Rede ist, sondern die korinthische Gemeinde, vielleicht sogar alle christlichen Gemeinden174 in den Gedankengang einbezogen werden (JBOGKLFG RCPVGL … OGVCOQTHQWOGSC …), wobei die FQZC-Vorstellung explizit um das Verwandlungsmotiv erweitert wird. F. Back hat den Vorschlag gemacht, den Konnex von 2 Kor 3,17 und 18 eng zu sehen und die Geistbegabung als Voraussetzung von „Spiegelschau“ und „Verwandlung aller Christen“ verständlich zu machen. Der Geist liegt dann nicht nur der erhofften GXRKUVTQHJ Israels zugrunde (V.16), sondern begründet auch das „Sehen“ und „Verwandeltwerden“ in V.18.175 Das „Wie-in einen-SpiegelSchauen“176 und „Verwandeltwerden“ ist kaum als punktuelles Ereignis der Vergangenheit (dem paulinischen Berufungserlebnis vergleichbar) begreiflich zu machen, sondern als ein kontinuierlicher Prozess christlicher Existenz konzipiert, wie sich sowohl aus der Inclusion des Paulus in den Gedanken (JBOGKL!) als auch aus dem Präsens OGVCOQTHQWOGSC mit einem deutlichen durativen Aspekt ergibt.177 Die Verwandlung, die Paulus mit seiner korinthischen Gemeinde teilt, erfolgt als Folge des Empfangs der göttlichen Botschaft im Evangelium: „Die Verwandlung ist Zeichen des visionären Empfangs göttlicher Botschaft.“178 Als solche ist sie selbstredend nicht identisch mit der eschatologischen Endverwandlung und geht auch nicht mit einem strahlenden Äußeren zusammen, wie der mit 2 Kor 4,7 beginnende Peristasenkatalog für Paulus unmissverständlich klarstellt. Sie bewirkt die Möglichkeit, vom Christen als einer MCKPJ MVKUKL zu sprechen, demnach von einem Menschen, der von der Verstrickung aus Sünde und Tod befreit und mit einer pneumatisch-freiheitlichen Existenz beschenkt ist.179
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Vgl. Th. SCHMELLER, EKK-2 Kor I, 224f. Der Genitiv CXRQ MWTKQWRPGWOCVQL (V.18) ist ein Genitivus auctoris. Nach BLASSDEBRUNNER-REHKOPF [Grammatik § 210,2] wird das WBRQ in passivischen Verbindungen oft durch CXRQ ersetzt. 176 Diese Wiedergabe des medialen MCVQRVTK\GUSCK mit „wie in einen Spiegel schauen“ ist gegenüber Versuchen vorzuziehen, dieses Verb mit „widerspiegeln“ zu übersetzen. Die großflächige Opposition, die Paulus im Kontext aufbaut, ist die zwischen dem Nichtsehen Israels (2 Kor 3,13f.) und dem Nichtsehen der Verlorenen (4,3f.) und dem „Schauen“ der Christen. Ein „Widerspiegeln“ wäre eine sachlogische Härte. Andererseits sollte angesichts der Tatsache, dass es sich um ein ntl. Hapaxlegomenon handelt, Abstand davon genommen werden, dieses Verb mit einem einfachen „sehen“ zu übersetzen. 177 Einen durativen Charakter hat auch das Partizip MCVQRVTK\QOGPQK, sodass das „Sehen“ und die „Verwandlung“ zeitlich nicht im Sinne eines Vorzeitigkeits- bzw. Nachzeitigkeitsverhältnisses auseinanderdividiert werden können: „… das Sehen dauert während der Verwandlung an“. Gut bei F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 146 Anm. 72. 178 Mit F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 148. Vgl. auch Th. SCHMELLER, EKK-2 Kor I, 198: „Wahrscheinlich ist daran gedacht, dass die Verwandlung beim Hören des paulinischen Evangeliums beginnt.“ 179 Bei dem Ausdruck CXRQ FQZJLGKXLFQZCP (2 Kor 3,18) ist nicht an einen kontinuierlich-fortschreitenden Prozess zu denken, vielmehr ist dieser Ausdruck auf der Linie der WBRGTDCNNQWUCFQZC(V.10) als unerschöpfliche Fülle des Glanzes zu deuten. Von daher ist es weniger wichtig, ob dieser Ausdruck auf die Intensität oder auf die Dauer abzielt. Wichtig ist die antithetische Stellung zurFQZCdes Mose, die eine vergängliche ist. 175
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Diese Kurzanalyse von 2 Kor 3,7–18 legt die Auffälligkeit an den Tag, dass der Name Mose wie in der Verklärungsperikope in Zusammenhang mit dem Verwandlungsmotiv und dem charakteristischen Terminus OGVCOQTHQWUSCK gebracht wird. Ähnlich wie die Verklärungsperikope in Mk 9,2–8 ist der Textabschnitt 2 Kor 3,7–18 nicht von einer theologischen Abwertung des Mose und seiner FKCMQPKC, gleichwohl aber von seiner Überbietung durch das Christus-Ereignis bzw. die paulinische Verkündigung des Evangeliums geprägt. Diese Auffälligkeit drängt dazu, Parallelen nicht exklusiv in Ex 34,29–35 LXX zu suchen, wo das Verb OGVCOQTHQWUSCKbekanntlich nicht begegnet, sondern den jüdisch-hellenistischen Rezeptionsraum dieses Textes in Blick zu nehmen.180 Die „Verwandlung des Mose“, von der in Ex 34,29–35 die Rede ist, wird daher m.E. völlig zu Recht spätestens seit D.F. Strauß zur Exegese von Mk 9,2–8 herangezogen. Da dort das entsprechende – 2 Kor 3,18 und Mk 9,2 verbindende – Verb OGVCOQTHQWUSCK fehlt, ist der Blick auf den jüdisch-hellenistischen Rezeptionsbereich dieser Perikope (Ex 34,29–35) zu weiten. Beide Texte entfalten das Überlieferungsgut in sehr unterschiedlicher und eigenständiger Weise: Für 2 Kor 3,18 lässt sich als Besonderheit herausarbeiten, dass in keinem uns bekannten jüdischen Text der Verwandlungsgedanke in der Gegenwart, also in nicht futurisch-eschatologischen 180 Für weniger weiterführend halte ich im Hinblick auf die Exegese von Mk 9,2–8 und 2 Kor 3,18 den Vergleich mit der endgültigen eschatologischen Verwandlung in jüdisch-apokalyptischen Texten. So z.B. der Vorschlag von V.P. FURNISH, II Cor, 215.240f. Die Verwandlung etwa in syrBar 49–51 bezieht sich im Unterschied zu 2 Kor 3,18, wo die aktuelle Verwandlung exklusiv der korinthischen Gemeinde oder sogar aller Christen thematisiert wird, auf die endgültige Verwandlung der Gerechten am Ende der Zeit. Dass 2 Kor 3,18 den Auftakt einer Verwandlung anspricht, die in den apokalyptisch-endzeitlichen Bereich hineinreicht, schwingt mit, ist aber kein Skopus der Aussage des Paulus zum Abschluss des Mose-„Midrasch“ in 2 Kor 3,7–18, in dem es um den direkten Vergleich der mosaischen und paulinischen FKCMQPKC geht. Der Verweis auf das in Qumrantexten vorkommende Motiv des leuchtenden Gesichts des Lehrers der Gerechtigkeit, das J.A. FITZMYER [Glory Reflected, 630–644] in die exegetische Diskussion eingebracht hat, erscheint mir insofern nicht weiterführend, als hierbei nicht genügend zwischen „Erleuchtung“ und „Verwandlung“ unterschieden wird. Nach Fitzmyer verknüpft Paulus das qumranische Motiv der Erleuchtung mit dem Metamorphose-Denken der griechisch-römischen Umwelt. Diese Deutung überzeugt nicht. Sie macht zudem – anders als bei der Voraussetzung von Ex 34,29–35 LXX als „Prätext“ – 2 Kor 3,18 zu einem isolierten Text, der in keine überzeugende Verbindung mit seiner kontextuellen Umgebung (/YW"UJL – RCNCKC/MCKPJ FKCSJMJ – MCNWOOC MVN.) gebracht werden kann. Dieses Problem sieht auch V.P. FURNISH [II Cor, 238], wenn er in seiner Auslegung zu 2 Kor 3,18 formuliert: die Verwandlung sei „an entirely new idea“. Vgl. bereits die Kritik von P. CORSSEN [Paulus und Porphyrios, 6] an dem Ansatz REITZENSTEINs: „Vor allem muß man sich hüten, einzelne Stellen außerhalb ihres Zusammenhangs zu betrachten. So ergibt sich das volle Verständnis des Ausdrucks in 2 Kor 3,18 auch erst aus dem Gedankengange, dem er entsprungen ist.“
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Texten, auf eine ganze Gruppe ausgeweitet wird.181 Die Verwandlung geschieht im Modus eines „eschatologischen Vorgriff[s]“182 im Moment der Offenbarung, d.h. bei Paulus konkret der Verkündigung des GWXCIIGNNKQP. Die Auffälligkeit von Mk 9,2–8 liegt darin, dass die Verwandlung nicht Folge einer geschehenen Offenbarung ist, sondern – umgekehrt – die Verwandlung einer Offenbarung, näherhin einer Legitimation Christi als WKBQL SGQW entspricht. Im Urchristentum scheint es eine Lektüretradition der Mose-Sinai-Perikope gegeben zu haben, die als Profilierungshintergrund sowohl des Christusereignisses als auch der pneumatischen Begabung der christlichen Gemeinde gedient hat. Ob diese Lektüretradition mit dem Titel „Mose-Midrasch“ treffend bezeichnet ist, sei an dieser Stelle dahingestellt. Die exegetische Aufarbeitung des Sachverhaltes stellt zumindest für den Bereich der Exegese der markinischen Verklärungsperikope ein Forschungsdesiderat dar.183 In dieser Studie soll der von D. Georgi vorgeschlagene Ansatz weiterverfolgt werden, der zur Deutung des theologiegeschichtlichen Hintergrundes der markinischen Verklärungsperikope auf das hellenistische Judentum hingewiesen hat. Wenden wir uns vor der eigentlichen Textanalyse einleitend den von Georgi gemeinten Texten Philos zu. Der jüdische Philosoph legt in seiner Vita Mosis II 69f. eine Deutung des strahlenden Antlitzes des Mose in Ex 34 vor. Danach werde durch das Wirken der göttlichen Inspiration das Leibliche durch das Seelische „verbessert“, sodass trotz des vierzigtägigen Fastens, das ihm als Präparation für den Offenbarungsempfang gilt, Mose den ihn Sehenden als im hohen Maße kraftvoll und wohlbefindlich erscheint. Von Mose heißt es wörtlich184: UKVKYP FG MCK RQVYP GXRK JBOGTCL VGUUCTCMQPVC GBZJL JXNQIJUG FJNQPQVK VTQHCL GEYP CXOGKPQWL VCL FKC SGYTKC L CKL CPYSGP CXR8 QWXTCPQW MCVCRPGQOGPQL VJP OGP FKCPQKCP VQ RTYVQP GRGKVC FG MCK VQ UYOC FKC VJL [WEJL GXDGNVKQWVQ MCS8 GBMCVGTQP RTQL VG KXUEWP MCK GWXGZKC P GXRKFKFQWL YBL VQWL KXFQPVCL W=UVGTQP CXRKUVGKPx GKXL ICT 181
Von einer kollektiven und universalen Verwandlung ist in syrBar 49–51 die Rede, diese ist aber eschatologisch konzipiert und geschieht im Zusammenhang des Endgerichts. Sie ist somit ungeeignet zur Erschließung der in 2 Kor 3,18 vorliegenden Verwandlungskonzeption. 182 Mit Th. SCHMELLER, EKK-2 Kor I, 228f. 183 Es fällt auf, dass dieser Konnex in den Standardkommentaren zum MkEv bisweilen gesehen, nicht jedoch weiter behandelt wird. Vergleichsweise ausführliche Bemerkungen dazu macht D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 155. Weiterführend ist sein Verweis „auf das griechisch sprechende Judentum“ (bes. Philo). M.D. H OOKER [„What Doest“, 60f.] erwägt ebenso einen Zusammenhang zum „midrash of Exod. 34:29–35“ (S.69), resümiert jedoch: „There is no necessary direct link between 2 Corinthians and Mark 9, but Mark’s narrative may well have been influenced by the tradition about Moses.“ 184 Der Text wird an dieser Stelle vorab zitiert und mit einer eigenverantworteten Übersetzung vorgelegt. Eine Einzelversanalyse des Textes findet sich in Unterpunkt 4.3.3 dieses Kapitels.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
QTQLWB[JNQVCVQPMCK KBGTYVCVQPVYPRGTK VQPVQRQPCXPGNSYPRTQUVCZGUKSGKC KLQ=RGT CXRTQUKVQP MCK CDCVQP JP GKXL GXMGKPQP NGIGVCK FKCOGKPCK VQP ETQPQP QWXFGP GXRKHGTQOGPQL VYP GKXL CXPCIMCKC L CXRQNCWUKP VTQHJL JBOGTCKL W=UVGTQP YBL GXNGESJ VGUUCTCMQPVC MCVGDCKPG RQNW MCNNKYP VJP Q[KL J Q=VG CXPJ^GK YBL VQWL QBTYPVCL VGSJRGPCK MCK MCVCRGRNJESCK MCK OJF8 GXRK RNGQP CXPVGEGKP VQKL QXHSCNOQKL FWPCUSCK MCVCVJPRTQUDQNJPJBNKQGKFQWLHGIIQWLCXRCUVTCRVQPVQLx Speise und Trank beachtete er über 40 Tage nacheinander nicht, weil er offenbar bessere Speise hatte durch die Betrachtungen, durch welche er von oben, vom Himmel her begeistert wurde, und zuerst im Hinblick auf das Denkvermögen und dann auch im Hinblick auf den Leib unter Einwirkung der Seele verbessert wurde, in beiden an Kraft und Wohlbefinden wachsend, sodass die ihn später Sehenden es nicht glauben konnten. Denn als er auf göttliche Anweisung hin auf den höchsten und heiligsten Berg in der Umgebung hinaufstieg, der sonst unzugänglich und unbestiegen war, blieb er dort – so heißt es – die Zeit, ohne etwas zum Genuss der notwendigen Ernährung mitzunehmen, 40 Tage später – wie gesagt – stieg er herab, viel schöner in der äußeren Erscheinung/im Gesicht (?) als zum Zeitpunkt des Aufstiegs, sodass die ihn Anschauenden verwundert und frappiert waren und mit den Augen nicht länger standhalten konnten wegen des Übermaßes des ausstrahlenden sonnenhaften Glanzes.
Die Verwandlung des Mose in VitMos II 70 kann als Metamorphose, als eine Verwandlung in, wenigstens jedoch als eine Annäherung an das Göttliche beschrieben werden. Philo ist Zeuge einer Auslegungstradition, die auch bei Paulus zu greifen ist. Wenn Paulus in 2 Kor 3,7 formuliert Y=UVG OJ FWPCUSCKCXVGPKUCKVQWLWKBQWL8,UTCJNGKXLVQ RTQUYRQP/YW"UGYLFKC VJPFQZCPVQW RTQUYRQWCWXVQW, so führt er eine Tendenz konsequent weiter, die in der philonischen Lektüre des Exodustextes angelegt ist, die davon zu berichten weiß, dass die Mose Schauenden angesichts seines veränderten Aussehens „verwundert und frappiert“ (VGSJRGPCK MCK MCVCRGRNJESCK) waren.185 Den Israeliten war es nach Philo nicht möglich, das Angesicht des Mose anzuschauen, wobei als Begründung dieses Sachverhaltes die Sonnenhaftigkeit des Lichtglanzes angegeben wird, der von Moses Gesicht ausging: Sein Gesicht war JBNKQGKFJL. Beides sind steigernde Lesarten der entsprechenden atl. Vorgaben.186 So heißt es in Ex 34,30a GK FGP $CTYP MCK RCPVGL QKB RTGUDWVGTQK ,UTCJN VQP /YWUJP MCK J PFGFQZCUOGPJ JB Q[KL VQW ETYOCVQL VQW RTQUYRQW CWXVQW, während in 34,30b die Notiz angefügt wird: MCKGXHQDJSJUCPGXIIKUCKCWXVQW. Philo baut also durch die Bemerkung VGSJRGPCKMCK MCVCRGRNJESCK die Aussage von
185 Vgl. dazu den Exkurs „Das RTQUYRQP Moses in VitMos II 66–76 und 2 Kor 3,7“ in Unterpunkt 4.3.2 dieses Kapitels der Studie. 186 O. HOFIUS [2 Kor 3, 93 Anm. 112] weist auf eine fortführende Ausgestaltung dieser Tradition im rabbinischen Schrifttum hin. So heißt es in SifreNum § 140 zu 27,20: „Das Angesicht des Mose war wie das Angesicht der Sonne“; Sifre Zutta zu Num 27,20: „Strahlen gingen von dem Angesicht des Mose aus – gleich den Strahlen, die vom Sonnenrad ausgehen.“
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Ex 34,30b weiter aus.187 An anderer Stelle – in seiner allegorischen Auslegung des Buches Exodus – geht Philo zur Auslegung von Ex 24,2 auf die prophetische Begabung des Mose ein, die er als eine „Verwandlung ins Göttliche“ deutet. In Quaest in Ex II 29 heißt es: quoniam intellectus propheticus quum Divinis initiatus fuerit, ac Deifer, unitati similis est … Qui vero in unitatis naturam inhaeserit, in Deum dicitur appropinquasse cognativa quadam familiaritate; derelictis enim mortalibus universis generibus, transmutatur in divinum, ita ut fiat Deo cognatus, vereque divinus. – Denn wenn der prophetische Geist von Gott besessen und von Gott getragen ist, ist er der Einheit ähnlich … Wer in Wahrheit der Natur der Einheit inne wird, nähert sich Gott in einer Art familiärer Vertrautheit; wenn er nämlich alles Sterbliche zurückgelassen hat, wird er ins Göttliche verwandelt, sodass er Gott verwandt wird und wahrhaft göttlich.188
Den auf dem Berg Sinai stattfindenden „Einzug des Gottesgeistes“ in Mose, der als äußere Wirkung das Strahlen des Gesichtes zeitigt, versteht Philo als ein Epiphaniegeschehen, mit dem die in Mose weilende Gottheit eine äußere Ausdrucksform findet. Die „Verwandlung“ des Mose, die sich insbesondere an der Veränderung seines Gesichtes zeigt, gewährleistet zugleich die Göttlichkeit der an ihn ergangenen Offenbarung. Auch wenn die Verwandlung Jesu in Mk 9,2c über das hier bei Philo Ausgesagte hinausgeht, sind die Berührungspunkte nicht zu verkennen. In beiden Fällen dient die Verwandlung dazu, die Legitimität des Gottesboten zu erweisen. Wird in dieser Studie die Verklärungsperikope als christologische Legitimierungserzählung gelesen, so ist darauf hinzuweisen, dass in der philonischen Deutung von Ex 34 die „Verwandlung“ des Mose ebenfalls eine legitimierende Funktion hat189: Mose wird so als rechtmäßiger Verkündiger der göttlichen Worte vorgestellt. Wie in Mk 9,2a.b das Jüngerauswahl- und Bergaufstiegsmotiv als präparatorische Akte der anschließenden Epiphanie dargestellt werden, ist es in VitMos II 69f. der Bergaufstieg, der hier in charakteristischer Weise durch das Fastenmotiv ergänzt wird und der als „Bedingung für seinen priesterlichen Offenbarungsempfang“ fungiert.190 In beiden Fällen liegt eine gewisse narrative Emphase der äußeren Erscheinung vor, wobei hier und dort die überirdische Dimension des Strahlens 187 188
Ähnlich auch O. HOFIUS, a.a.O., 93. Vgl. zur Einzelversanalyse von Quaest in Ex II 29 Unterpunkt 4.4 in diesem Kapi-
tel. 189
Zur legitimierenden Funktion des Glanzes des Mose vgl. auch F. BACK [Verwandlung durch Offenbarung, 97] mit Verweis auf D.A. RENWICK, Paul, the Temple, and the Presence of God. Atlanta 1991, 102. 190 Mit F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 31. Philo und das MkEv betonen beide den esoterischen Charakter des Geschehens, wobei Philo die Abgelegenheit und Unzugänglichkeit des Berges (Q=RGT CXRTQUKVQP MCK CDCVQP) hervorhebt, während der Markustext durch die überladene Wendung MCV8KXFKC POQPQWL das Einsamkeitsmotiv narrativ stärker in den Blick rückt.
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fokussiert wird. Im MkEv wird diese Emphase via negativa mittels des Walker-Vergleichs kommuniziert (vgl. Mk 9,3b: IPCHGWL GXRK VJL IJL QWX FWPCVCK QW=VYL NGWMCPCK), bei Philo mittels der Reaktion der das Strahlen beobachtenden Umwelt. Als wesentliche Unterschiede sind zu nennen: Das MkEv kennt nicht das Strahlen des Angesichtes Jesu. Das MtEv und LkEv ergänzen es wohl einer gemeinantiken Plausibilität folgend.191 Von einer dem pneumatischen GXPSQWUKCUOQL des Mose vergleichbaren ebenfalls „pneumatischen Dimension“ des Verklärungsgeschehens kann in Mk 9,2–8 nicht in dem Sinne die Rede sein, dass es zu einer erneuten Geistbegabung Jesu kommt: Die auf die Geistbegabung folgende Deklarations- bzw. – je nach Deutung des christologischen Gehalts der Taufe Jesu – Installationsformel UW GK QB WKBQL OQW QB CXICRJVQL hat eine „juridische Dimension“, deren Wiederholung folglich theologisch nicht angebracht wäre.192 Die strukturelle Ähnlichkeit der Tauf- und Verklärungsperikope lässt sich jedoch dahingehend deuten, dass die seit dem Taufgeschehen skizzierte pneumatische Dimension des Wirkens Jesu im Zusammenhang der Verklärung epiphan wird, sodass diese Texteinheit zusammen mit der Taufperikope eine tragende Säule markinischer Tauf- oder Geistchristologie wäre. Deutlich über die aufgewiesene Mosetradition geht auch das Weiß der Kleider Jesu, das seinen genuinen Platz in der apokalyptischen Literatur hat193, sowie die Sohn-GottesPrädikation in Mk 9,7. Die „Mehrfachverwendung der gleichen Deklarationsformel“194 offenbart die christologische Absicht des MkEv, Jesus eine zeitlich begrenzte Metamorphose bei einer zeitlich unbegrenzten Funktion als WKBQL SGQW zuzusprechen. Der Vergleich der Ex 24/34-Deutung durch Philo mit der Transfigurationsnarratio scheint ein vielversprechender Forschungsansatz zu sein, der sowohl die Traditionssättigung als auch die Eigenständigkeit der Verklärungsgeschichte gewährleistet. 191 Einen Unsicherheitsfaktor hat diese Deutung, insofern nicht eindeutig ist, wie das Wort Q[KL(VitMos II 70) bei Philo (RQNW MCNNKY PVJPQ[KL) zu übersetzen ist. Ich halte es für wahrscheinlich, dass Philo die Aussehensveränderung des Mose primär am Angesicht festmacht. So auch O. HOFIUS, 2 Kor 3, 93 Anm. 112. 192 Mit M. T HEOBALD [Gottessohn und Menschensohn, 60] mit Verweis auf K. BERGER , Formgeschichte, 236. 193 Das Weiß ist jedoch keineswegs auf apokalyptische Literatur beschränkt. G. SELLIN [Leben des Gottessohnes, 245] verweist innerhalb des überlieferten Werkes Philos auf das weiße Gewand des Hohenpriesters, der mit dem Logos identifiziert wird. Vgl. Som I 216f. Der Text lautet in der von Sellin vorgelegten Übersetzung: „Sobald dieser selbe Hohepriester in das Innerste des Heiligtums hineingeht, zieht er das bunte Kleid aus und legt ein anderes, leinenes, aus reinstem Flachs gefertigtes an. Das ist das Sinnbild der Spannkraft, der Unvergänglichkeit und des strahlendsten Lichtes; denn unzerreißbar ist die feine Leinwand, und sie entsteht aus nichts Sterblichem, und sie hat noch dazu … die glänzendste und lichteste Farbe“. 194 So J. ERNST, RNT-Mk, 44.
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Von hier aus sind auch die Berührungen der Auslegung des atl. Textes bei Philo mit der Verklärungsperikope und den entsprechenden in 2 Kor 3 vorgelegten paulinischen Gedanken festzumachen: Paulus scheint in 2 Kor 3,7–18 in der Tradition einer solchen Mose-Lektüre zu stehen und den Gedanken zur Legitimierung seines eigenen Dienstes als Apostel heranzu ziehen195, sodann auch auf die gesamte christliche Gemeinde auszudehnen (vgl. 2 Kor 3,18). Er steht hier in der Tradition der Schau des Glanzes Gottes durch Mose, die in Ex 34,29–34 nicht explizit erwähnt wird, die aber z.B. in Ex 33,11.18–23; Num 12,6–8 angedeutet zu sein scheint. Bei der Aussage in 2 Kor 3,18 hinsichtlich der Spiegelschau ist an eine Überbietung des verwandelten Mose (3,7–11) zu denken.196 Die ins Auge springende Besonderheit des paulinischen Gedankens liegt aber in der „Ausdehnung“ des Verwandlungsgedankens auf eine ganze Menschengruppe, die der Christen. Paulus begründet diesen Sachverhalt pneumatologisch, wonach der Geist, der den Christen gegeben ist, die Verwandlung bewirkt (CXRQMWTKQWRPGWOCVQL). Diese pneumatologische Dimension der Verwandlung ist ein erster Gedanke, der Paulus mit Philo verbindet, da es nach VitMos II 69f. und Virt 217 (Abraham) das RPGWOC ist, das den prophetischen GXPSQWUKCUOQL bewirkt. Eine zweite auffällige Berührung liegt in der verwendeten Terminologie. F. Back hat darauf in überzeugender Weise hingewiesen: „Bei Philo kann im Zusammenhang des prophetischen Enthusiasmus auch der Terminus OGVCOQTHQWUSCK fallen, der mit dem Sprachgebrauch der Septuaginta nicht zu erklären ist. Betrachtet man allein den biblischen Text in Ex 34,29–35 (LXX), findet man keine Erklärung dafür.“197 Von hier aus ist nun nach den Berührungen von Mk 9,2–8 und 2 Kor 3,7–18 zu fragen: Die wesentlichsten Berührungen zwischen Mk 9,2–8 und 2 Kor 3 finden sich demnach im zentralen Stichwort OGVCOQTHQWUSCK und in der Erwähnung des Mose, der in der Verklärungserzählung in V.4 zusammen mit Elija erscheint. Auf eine Mosetradition rekurriert aber auch die Himmelsstimme in Mk 9,7, da hier ein recht deutlicher Anklang an Dtn 18,15 LXX vorliegt. In diesem Vers wird den Israeliten ein in jeder Generation neu erstehender „Prophet wie Mose“ zugesagt. Der bisweilen in Abrede gestellte Bezug von Mk 9,7 auch auf Dtn 18,15 ist nicht glaubwür195
Mit F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 99; J. SCHRÖTER, Versöhner, 118. Es sei daran erinnert, dass es sich bei dem Ausdruck CXRQ FQZJLGKXLFQZCP in 2 Kor 3,18 um eine emphatische Bemerkung zur antithetischen Überbietung der FQZCdes Mose handelt. 197 Vgl. F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 148f. Das Verb OGVCOQTHQWUSCK findet sich bei Philo VitMos I 57: VCWVC FKGZKQPVQL HQDJSGPVGL GXRGK MCK NGIYP C=OC GXPGSQWUKCOGVCOQTHQWOGPQLGKXLRTQHJVJPOJETJUOQWLMCKNQIKCSGURK\GKMCVCRGKSGKL VG IKPQPVCK MCK VJP RQKOPJP VYP RCTSGPYP GXRK VCL FGZCOGPCL CIQPVCK RTQVGTQP OGVCUVJUCOGPQKVCLGBC WVYP 196
3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
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dig.198 Zu einer Berührung zwischen beiden Texten kommt es auch insoweit, als die „Verwandlung“ hier wie dort ein passives Geschehen ist: In 2 Kor 3,18 wird dieser Vorgang durch das göttliche RPGWOC bewirkt, während der Ausdruck OGVGOQTHYSJ ein Passivum divinum impliziert. Bei aller Freude an einer vergleichenden Lektüre von Mk 9,2–9 und 2 Kor 3,18 müssen die Unterschiede ebenso deutlich benannt werden: Im Markustext geht es um das vorübergehende Aufblitzen der FQZC Jesu, während es in 2 Kor 3,18 um die Verwandlung der Christen als irdische Menschen geht.199 Die markinische Transfigurationserzählung schildert eine Verwandlung innerhalb einer Epiphanie, die in 2 Kor vom Ansatz her nicht gegeben ist. Unterschiede wie Berührungen aller drei Textgruppen – Philo; 2 Kor 3,7–18 und Mk 9,2–8 – sind damit hinreichend klar markiert. An dieser Stelle ist bereits deutlich geworden, dass es exegetisch unzureichend wäre, ausschließlich Ex 34,29–35 als exklusiven „Prätext“ der markinischen Verklärungsperikope in den Blick zu nehmen. Die Analyse ist von daher auf ausgewählte Passagen des Corpus Philonicum auszuweiten.
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien 4.1 Die „Verwandlung“ des Mose bei Philo In diesem Abschnitt ist danach zu fragen, ob im Hintergrund von Mk 9,2–8 eine Interpretation des Sinaiaufstiegs des Mose stehen könnte, wie er in hellenistisch-jüdischen Pentateuch-Interpretationen zu greifen ist. Zur Eruierung einer distinkten Tradition einer „Verwandlung“ in Bezug auf Mose, die in christologisch modifizierter Form hinter der in Mk 9,2–8 vorliegenden Verklärungsnarratio Jesu steht, empfiehlt es sich, der Lektüretradition von Ex 24/34 im hellenistischen Judentum nachzugehen, für das der jüdische Philosoph Philo von Alexandrien (um 20 v. Chr. – um 45 n. Chr.)200 der wichtigste – keinesfalls aber einzige201 – Zeuge ist.202 Sein Opus stellt 198
Wie z.B. bei M. ÖHLER, Elia im NT, 133. Vgl. dazu F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 20. 200 Vgl. dazu M. B ÖHM, Rezeption und Funktion, 38. 201 Vgl. dazu die Ausführungen bei G.W.E. NICKELSBURG, Philo among Greeks, 67f. Vgl. auch D. GEORGI, Frau Weisheit, 249 Anm. 15: „Er ist sicher keine Einzelfigur, sondern spricht für eine bestimmte Form des Diasporajudentums.“ Eine lebendige Darstellung des intellektuellen Milieus in Alexandrien der Diadochenzeit, das für die denkerische Prägung Philos maßgeblich war, bietet J. B URCKHARDT, Griechische Kulturgeschichte IV, 576–588. Die Tatsache, dass Philo bisweilen die Meinung seiner exegetischphilosophischen „Kollegen“ in sein Opus einfließen lässt, wird an der Anführung unbestimmter VKPGL deutlich. Dazu formuliert G. SELLIN, Allegorese, 116: „Er [scil. Philo] hält sich vielmehr an die Sitte (oder Unsitte) der Stoiker, an die sich auch Paulus hält, 199
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„die umfangreichste und beste Quelle für das hellenistische Judentum“ seiner Zeit dar.203 Das beachtliche Werk des jüdischen Theosophen, des Vertreter anderer Meinungen mit einem allgemeinen VKPGL zu bezeichnen.“ Vgl. auch F. S IEGERT, Early Jewish Interpretation, 165. 202 Im Werk Philos liegt uns das wichtigste Zeugnis eines Vertreters einer jüdischen Bildungskarriere in einer hellenistischen Umwelt vor, der durch seine Arbeit den Anschluss „an die herrschende Bildungskultur“ gesucht und gefunden hat. Mit Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 5. Zur Bildung Philos vgl. z.B. A. MENDELSON, Secular Education, 29–33; G.W.E. NICKELSBURG, Philo among Greeks, 57f.; Chr. NOACK, a.a.O.; D.T. RUNIA, Philo of Alexandria and the Timaeus, 32–34. Das Verdienst Philos liegt in der Synthese jüdischen und hellenistischen Denkens, bei der weder die jüdische Identität aufgegeben wurde noch die Chancen einer Befruchtung der jüdischen und biblischen Vorgaben mit hellenistischem Gedankengut verpasst wurden. Philo gelingt von daher der Spagat „zwischen Affirmation der hellenistischen Bildungskultur und kritischer Distanz zu ihr“. Vgl. Chr. NOACK, a.a.O. Vgl. auch D.T. RUNIA, a.a.O., 35–37. Der Text der Septuaginta, die von Philo mit den fünf Büchern Mose identifizierte *TCHJ, gilt ihm dabei als die vorgegebene – mit absoluter Gültigkeit ausgestattete – Größe, die er kommentiert, wobei die übrigen biblischen Schriften illustrativ hinzutreten, ohne einer Kommentierung unterzogen zu werden. Sie haben eine gegenüber dem Pentateuch nachgeordnete Bedeutung. Vgl. dazu z.B. D.M. HAY, Philo’s View of Himself, 45. Nach Quaest in Gn III 3 bildet der Pentateuch eine Ganzheit, deren Harmonie nicht zertrümmert und deren Einheit nicht zerteilt werden dürfe: OJ MCVCMQRVQPVCL VJP CBTOQPKC P OJFG VJP G=PYUKP FKCTVYPVCL. An einer Hinzunahme des Urtextes zeigt sich Philo mangels entsprechender Sprachkenntnisse (vgl. dazu z.B. G. SELLIN, Streit um die Auferstehung, 97) an keiner Stelle interessiert: „Er denkt griechisch, und seine Bibel ist griechisch.“ Vgl. dazu F. SIEGERT, Inspiration der Heiligen Schriften, 207f.; DERS., Early Jewish Interpretation, 173. Ferner W. V. CHRIST, Geschichte II 1, 652; G. SELLIN, Allegorese, 109; W. W IEFEL, Drittes Buch über „Moses“, 871. Gleichwohl ist ihm die Tatsache seiner Benutzung einer Übersetzung bewusst, wie seine gelegentliche Rede von der „chaldäischen Sprache“ (vgl. z.B. Abr 99.201), in der die Heiligen Bücher verfasst seien, verrät. Dabei ist es gerade die Nichtverwendung des hebräischen Urtextes, die einem Vergleich seiner Schriften mit dem NT besonders förderlich ist. Eine kritische Hinterfragung des vorgegebenen Textes ist bei Philo prinzipiell ausgeschlossen, da es in seinem Werk zu einer Hypostatisierung des irrtumslosen mosaischen Nomos (vgl. z.B. Abr 258: OCTVWTKC K FG VQWVYP GXP VCKL KBGTCKLDKD NQKLMCVCMGKPVCKC?LQWX SGOKL[GWFQOCTVWTKYPCBNYPVCK …) als einer der geschichtlichen Genese enthobenen Größe kommt, die als solche absolute Autorität genießt. Vgl. dazu F. SIEGERT, a.a.O., 208. Ferner M. B ÖHM, Rezeption und Funktion, 60.62; G. SELLIN, a.a.O., 110. 203 Mit G. SELLIN, Gotteserkenntnis, 17. Die Befragung des Werkes Philos im Hinblick auf eine Exegese christlicher Texte bedeutet keine Vereinnahmung seiner Person und seines Werkes für christliche Zwecke, sondern zollt der hohen Wertschätzung Respekt, die der jüdische Philosoph im christlichen Traditionsbereich entfaltet hat, während er im Bereich der jüdischen Literatur – abgesehen von seiner Erwähnung in Jos Ant XVIII 259f. – keinerlei Rezeption fand. Vgl. z.B. M. MACH, Art. Philo von Alexandrien. In: TRE 26 (1996), 529; W. W IEFEL, Drittes Buch über „Moses“, 878. Als Ursache hierfür ist auf die über die alexandrinische Judenschaft in den Jahren 115/117 n. Chr. hereingebrochene Katastrophe zu verweisen, durch die „die durch Philo repräsentierte jüdischhellenistische Tradition ein Ende“ fand. Mit W. W IEFEL, a.a.O. Dieses Ende warf bereits
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wichtigsten Exponenten der Intelligenz des alexandrinischen Judentums204, ist für unsere Fragestellung von daher besonders interessant, da in seiner Vita Mosis die „Verwandlung“ des Mose gemäß der missionstheologischen Absicht dieses Werkes mit einer ähnlichen legitimatorischen Zielsetzung erzählt wird, wie im MkEv die Verklärungsnarratio dazu Verwendung findet, Jesus theologisch über Elija und Mose hinauszuheben und zugleich höchstautoritativ als Sohn Gottes sowie als den eschatologisch entscheidenden Propheten zu legitimieren.205 Die „Verwandlung“ des Mose in VitMos II 66–76 ist vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Zielsetzung Philos zu analysieren, seinen jüdischen Glauben mit seiner umfassenden hellenistischen Bildung in eine ausgewogene Synthese zu bringen und gleichzeitig diesen Glauben im Angesicht einer auch nichtjüdischen zu Lebzeiten Philos dunkle Schatten voraus. Hier sind das Massaker an den alexandrinischen Juden im Jahre 38 n. Chr. (Flacc 41–96; LegGai 120–139), die erfolglose von Philo angeführte Delegation der alexandrinischen Juden nach Rom im Jahr 39/40 n. Chr. sowie der die Rechte der Juden aushöhlende Brief des Caligula an die Alexandriner besonders hervorzuheben. Vgl. Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 6 mit Anm. 16. Die Konzentration des Judentums lag vom 2. Jh. an auf dem in aramäischer bzw. hebräischer Sprache tradierten Schrifttum. Im christlichen Traditionsraum ließ ihn hingegen seine Einreihung unter die Propheten des Alten Bundes zu einem Glied der praeparatio evangelica werden, wobei die Rezeption Philos auf christlicher Seite die Ablehnung auf jüdischer Seite förderte. Mit W. W IEFEL, a.a.O. Vgl. auch B.A. PEARSON, Cracking a Conundrum, 70f. Seine biographische Nähe zu Jesus machte ihn zu einem wichtigen „Zeuge[n] für die Anfänge des Christentums“ [insbesondere bei Eusebius von Caesarea, der 20 Hinweise auf Philo bietet (vgl. dazu D.T. RUNIA, References to Philo, 111–121)]. Mit G. SCHIMANOWSKI, Philo als Prophet, 38. In patristischer Zeit genoss er gar den Titel eines Bischofs, wofür die bei Eusebius (HE II 17) überlieferte Tradition einer Begegnung Philos mit Petrus in Rom in der Regierungszeit des Claudius maßgebend gewesen sein mag. Vgl. auch die Notiz des Hieronymus (De viris illustribus XI 3), der von einem Zusammentreffen Philos mit Petrus und dessen Schüler Markus zu berichten weiß. Unangefochten ist Philos „Karriere“ als Kirchenvater honoris causa bis in die Neuzeit hinein. Vgl. zu dieser erstaunlichen „christlichen Karriere“ Philos die überzeugenden Ausführungen G. SCHIMANOWKIS, passim. Ferner F. SIEGERT, Early Jewish Interpretation, 188; M. MACH, a.a.O. 204 Vgl. V.A. TCHERIKOVER, The Decline of the Jewish Diaspora, 22: „The noble personality of Philo represents one segment of Egyptian Jewry – the Alexandrian intelligentsia who stood close to the Greeks and to Greek culture.“ Ferner G. S ELLIN, Gotteserkenntnis, 17. Dabei ist die Tatsache seiner Berufung zum Führer der Gesandtschaft der alexandrinischen Juden nach Rom in den Wintermonaten 39/40 n. Chr. Indiz des hohen Grades an Anerkennung, die er genoss. Vgl. M. BÖHM, Rezeption und Funktion, 56: Philo war „kein geistig-elitärer oder gar häretischer Außenseiter, sondern ein bekannter und breiter akzeptierter Repräsentant der jüdischen Bevölkerung seiner Stadt“. Für diese Anerkennung spricht zudem das beachtliche Tempo, mit dem seine Schriften in der Alten Kirche rezipiert wurden. Zur Geschichte des hellenistischen Diasporajudentums in Alexandria vgl. auch M. B ÖHM, a.a.O., 39–59. 205 Vgl. die literarische Verarbeitung von Dtn 18,15 LXX in Mk 9,7.
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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Leserschaft als vernunftgemäß zu etablieren.206 Das hohe Reflexions- und Sprachniveau207, mit denen dies bei Philo geschieht, steht in Korrespondenz zu seiner integrativen Kraft, mit der er zwischen den geistigen Welten, zwischen denen sich seine eigene Existenz bewegt, zu vermitteln versteht. Als Partizipiant sowohl am konkreten jüdischen Leben Alexandriens als auch an der gebildeten hellenistischen Oberschicht Alexandriens208 ist er bemüht, „diese zwei schon in sich pluralen, differenzierten Kommunikationswelten miteinander ins Gespräch zu bringen“.209 Der aus vermögendem Hause stammende alexandrinische Jude210, den der klassische Philologe R. Reitzenstein einmal als die „komplizierteste … Persönlichkeit des Altertums“ bezeichnet hat211, ist dabei nicht nur als Philosoph anzusprechen, sondern zugleich auch als der maßgebliche Vertreter jüdischer Exegese der LXX in Alexandrien, der diverse – durchaus auch divergierende – exegetische Traditionen in sein Werk einfließen ließ.212 Seine Funktion als Schriftausleger dürfte am treffendsten sein schriftstellerisches Selbstverständnis wiedergeben213, wobei Exegese, Philosophie und Theologie bei 206
Vgl. die Einschätzung M. B ÖHMs [Rezeption und Funktion, 16f.] hinsichtlich der Entwicklung der neueren Forschung zum Corpus Philonicum: „Stattdessen wurde bewusst, dass er in erster Linie ein religiöser Jude gewesen ist, der seinen in den Moseschriften begründeten Gottesglauben als beste aller Philosophien darstellen und erklären wollte.“ 207 Zur Sprache Philos formuliert W. V. CHRIST, Geschichte II 1, 652f.: „Die griechische Sprache beherrscht er in hervorragendem Maße. In dem überaus reichen Wortschatz, mit dem er gern prunkt, spiegelt sich seine vielseitige Lektüre; besonders aus Platon hat er viele Worte genommen, wie er überhaupt nach attischer Färbung der Sprache strebt; aber auch die Dichter und die späteren Philosophen, Peripatetiker und Stoiker, haben ihn stark beeinflusst. Daneben finden sich zahlreiche Neubildungen … Von Semitismen findet sich bei ihm keine Spur“. Zum tadellosen Stil des philonischen Griechisch vgl. auch F. SIEGERT, Early Jewish Interpretation, 164. 208 Vgl. M. BÖHM, Rezeption und Funktion, 160. 209 Mit Chr. NOACK, Haben oder Empfangen, 284: „Philo … agierte also an der Schnittstelle zwischen hellenistischem Judentum und griechisch-römischer Oberschichtkommunikation“. 210 Vgl. M. BÖHM, Rezeption und Funktion, 54f. 211 Vgl. R. REITZENSTEIN, Iranisches Erlösungsmysterium, 106f. Anm. 1. 212 Vgl. z.B. M. B ÖHM, Rezeption und Funktion, 17.46f.; P. B ORGEN, Philo of Alexandria, 1–13; D. GEORGI, Frau Weisheit, 249–252; B.L. MACK, Philo Judaeus and Exegetical Traditions in Alexandria. In: ANRW II 21.1 (1984), 227–271; Chr. N OACK, Gottesbewußtsein, 7f.; W. W IEFEL, Drittes Buch über „Moses“, 865. Vgl. auch D.T. RUNIA, Philo of Alexandria and the Timaeus, 26: „The most important movement towards consensus in Philonic studies is the recognition of the central role played by exegesis in his work.“ Vgl. auch M. B ÖHM, Abraham, 385 mit Anm. 25. Ferner L.W. HURTADO, Does Philo help, 83. 213 Mit W. W IEFEL [Drittes Buch über „Moses“, 865], wonach 28 der 34 uns von Philo erhaltenen Werke als Bibelauslegungen zu beschreiben sind. Vgl. auch M. B ÖHM, Rezeption und Funktion, 83–89. Ferner G.E. STERLING, Quaestiones, 121.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
ihm keinesfalls auseinanderzudividieren sind. Das Opus Philos ist in dieser Hinsicht ein Glücksfall, da uns mit diesem Werk ein Einblick in die alexandrinische Exegese der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts ermöglicht ist, „die es in dieser relativen Geschlossenheit für die Antike so nicht noch einmal gibt“.214 Sein Werk ist von daher als Zeugnis alexandrinischexegetischer Tradition zu befragen, die unter der Feder Philos in Verbindung mit seinem denkerischen Ansatz und seinen spekulativen Fähigkeiten zu einer „philosophisch avancierte[n], ‚moderne[n]‘ Deutung des kanonischen Toratextes“ ausgearbeitet wird.215 Die Tradition der „Verwandlung“ des Mose ist an zwei Stellen innerhalb seiner drei großen exegetischen Schriftenreihen zu greifen: Sie findet sich in VitMos II 66–76, womit ein Zeugnis der Expositio Legis vorliegt.216 Sie findet sich ebenso in Quaest in Ex II 29, womit eine zentrale Passage der Quaestiones (\JVJOCVCMCK NWUGKL) angesprochen ist.217 Keine Erwähnung der „Verwandlung“ des Mose ist in Philos allegorischer Kommentierung der Bibel belegt. Vorbereitend zur Exegese dieser für das Mosebild Philos zentralen Textstellen soll in dieser Studie exkursartig der GXPSQWUKCUOQL des Abraham in Virt 217, der manche Berührungen mit der „Verwandlung“ des philonischen Mose enthält, erörtert werden. Hier hat bereits Chr. Noack wertvolle Grundlagenarbeit geleistet. Dieser Studie verdanke ich viele Einsichten und methodische Hinweise zur Philo-Exegese.218 Die Nähe des philonischen Abraham- und Mosebildes verspricht wertvolle Einsichten hinsichtlich der Exegese der angesprochenen MoseStellen. Ein Wort zur Charakterisierung der beiden Schriftenreihen, in denen die „Verwandlung“ des Mose angesprochen ist: Die Expositio Legis setzt sich zur Aufgabe, die Tora sukzessive darzustellen und beim philosophisch ansprechbaren Leser Interesse für den hohen philosophischen und ethischen Gehalt des jüdischen Gesetzes zu wecken.219 Die Intention dieser Schrif214
Mit M. BÖHM, Abraham, 382. Mit Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 8. Vgl. auch R.M. P ICCIONE, De Vita Mosis I 60–62, 345. Auf den hohen Grad der Innovation der Exegese Philos verweist D.T. RUNIA, Observations, 120: „Philo is a writer sui generis, who has developed a style and method distinctively suited to his own aims, and not directly taken over from other exegetes and exegetical traditions.“ 216 Dazu sind zu rechnen: Opif; Abr; Jos; VitMos I–II; Decal; SpecLeg I–IV; Virt; Praem. Vgl. W. W IEFEL, Drittes Buch über „Moses“, 867f. Ferner M. B ÖHM, Rezeption und Funktion, 24f. 217 Vgl. dazu W. W IEFEL, Drittes Buch über „Moses“, 868. 218 Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 40–103. Vgl. dazu auch die positiv ausfallende Rezension von D. ZELLER in SPhA 12 (2000), 199–205. 219 Dabei fällt auf, dass weniger der fortlaufende Toratext an sich die exegetische Feder Philos führt, als vielmehr ausgewählte Themen systematisch entfaltet werden. In diesem Zusammenhang spricht W. W IEFEL [Drittes Buch über „Moses“, 867] überzeugend 215
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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tenreihe dürfte demnach auf das „rationale Einverständnis der Leserinnen und Leser“ abzielen.220 Von daher ist angesichts der Expositio Legis von einem im Hinblick auf die hellenistisch-römische Öffentlichkeit protreptischen Charakter der zu dieser Reihe gehörenden Schriften auszugehen. Dabei wird an eine sowohl jüdische als auch nicht-jüdische Leserschaft als die mit diesen Schriften anvisierte Zielgruppe zu denken sein.221 Kennzeichen der Expositio Legis ist die enkomienartige Darstellung der Erzväter sowie eine rationalisierende Deutung der jüdischen Gesetze mit der Tendenz, die Überlegenheit jüdischer Gesetzgebung gegenüber der griechischen Philosophie im Hinblick auf deren Alter und Tiefe aufzuweisen.222 Die missionarische Zielsetzung gegenüber der nicht-jüdischen Leserschaft ist nicht von der Hand zu weisen223, womit übereinstimmt, dass jüdische Frömmigkeitspraktiken mit Rekurs auf allgemein akzeptierte Vorstellungen plausibel gemacht werden.224 Zielsetzung ist dabei, den hohen philosophischen und ethischen Gehalt jüdischer Gesetzgebung sowie die Tugendhaftigkeit ausgewählter Erzählfiguren der Tora (Abraham; Josef; Mose) einer hellenistisch gebildeten Leserschaft verständlich zu machen. Eine andere literarische Welt liegt uns in den Quaestiones et Solutiones vor, in die eine zweite Erwähnung der „Verwandlung“ des Mose eingebettet ist. Unterscheidende Gattungsmerkmale dieser als Scholienwerk zu bezeichnenden Schriftenreihe Philos sind zunächst das Fehlen des für die Expositio Legis charakteristischen Enkomienstils sowie das strikte Fragevon „themazentrierten Darbietungen“, womit der Sachverhalt angesprochen ist, dass nicht eine Einzelversanalyse des Toratextes vorgelegt wird, sondern – umgekehrt – der Weg Philos vom zu behandelnden Thema hin zum Toratext führt. 220 Mit Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 19. 221 Vgl. D. ZELLER, Gott bei Philo, 36. 222 Vgl. Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 19. So auch P.L. SHULER, Philo’s Moses, passim. Vgl. auch B.L. MACK, Moses on the Mountain Top, 23f. Vgl. auch F. SIEGERT, Predigten II, 21: Die Heiligen Schriften des Mose sind in den Augen Philos „das bessere Pendant zur griechischen Philosophie“. 223 Als „Sitz im Leben“ der Expositio Legis vermutet D. GEORGI [Frau Weisheit, 249 Anm. 15] die Predigttätigkeit im Synagogengottesdienst. Diese hatte in Alexandria eine missionarische Abzweckung. In diese Richtung deutet auch M. B ÖHM, Rezeption und Funktion, 237. Angesichts des zahlenmäßig starken Diasporajudentums in Alexandria ist an eine Vielzahl von Synagogen (von Philo für gewöhnlich als RTQUGWECK bezeichnet) vor Ort zu denken. In LegGai 134 spricht Philo explizit von einer prächtigen Hauptsynagoge: GXP FG VJ^ OGIKUVJ^ MCK RGTKUJOQVCVJ [scil. RTQUGWEJ] … An „apologetische Vorträge“ Philos, „die auch sympathisierende Nichtjuden erreichen sollten“, denkt W. W IEFEL, Drittes Buch über „Moses“, 875. Damit stimmt überein, dass mit Blick auf das Judentum eine „Außenperspektive“ eingenommen wird, die es ermöglicht, jüdische als auch nichtjüdische Leser gleichermaßen in den Gang der Argumentation einzubeziehen. Vgl. dazu Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 19. 224 Vgl. dazu Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 19; G.E. STERLING, ‚Thus are Israel‘, 14f.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Antwort-Schema (\JVJOCVC MCK NWUGKL), das seinen Ursprung in der „rational-apologetischen Homerexegese“ hat.225 Überliefert sind lediglich die Quaestiones in Genesim und die Quaestiones in Exodum. Erstere bieten eine in 6 Büchern vorliegende Exegese von Gen 2,4 bis 28,9 mittels 557 Fragen und Antworten. Philo kommentiert in dieser Schriftenreihe in der Regel in einem ersten Schritt den eigentlichen Wortsinn des Lemmas, um dann eine Deutung der symbolischen Bedeutung anzufügen.226 Von den Quaestiones in Exodum liegen uns nur noch zwei Bücher vor, die Ex 12,12–23 und 20,25–28,38 auslegen. Somit wird in dieser Schriftenreihe Philos der erste Aufstieg des Mose auf den Sinai (Ex 24) einer Exegese unterzogen. Das benutzte aus (knapper) Frage (quaestio) und angeschlossener mehr oder minder ausführlicher Antwort (solutio) bestehende Schema227 wird mit einer fortlaufenden Exegese des gewählten Toratextes verbunden, wobei Philo eine konkrete Auswahl bestimmter Aussagen der Tora trifft, die er mittels des Frage-Antwort-Schemas auslegt. Durch die gewählte Vorgehensart erreicht er eine sachlich-analytische Auslegungsatmosphäre, die an den „Hochschulbetrieb“ antiker „Philosophenschulen“ erinnert.228 Kennzeichen der Auslegung ist die relative Unverbundenheit der einzelnen „analysierten“ Textpassagen. Zwar orientiert sich Philo durchweg am vorgegebenen Tora-Text, doch erlaubt er sich die Freiheit, aus den zu besprechenden Passagen bestimmte Formulierungen und Aussagen zu isolieren, auf die er das Augenmerk seiner Auslegung richtet. Jede Textpassage wird dabei mit einer neuen Eingangsfrage eingeleitet. Nach Abschluss der Exegese wird sogleich eine neue Frage platziert, die in der Regel keinen thematischen Konnex zur vorherigen Frage aufweist. Die Auslegungen in den Quaestiones et Solutiones unterscheiden zwischen dem Literalsinn und der auf diesem aufbauenden allegorischen Deutung Philos. Daneben treten seelenallegorische Deutungen. Mit diesem Auslegungsverfahren gelingt es ihm, auch in den Ohren seines hellenistisch ge225 Vgl. dazu Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 20. Ferner W. W IEFEL, Drittes Buch über „Moses“, 874; G. SELLIN, Allegorese, 111. Eine gute Einführung in die Quaestiones Philos bietet auch S.K. W AN, Philo’s Quaestiones et Solutiones in Genesim. A Synoptic Approach. In: SBL.SP 32 (1993), 22–53. Zur Bedeutung der Homer-Exegese für das Verständnis des Corpus Philonicum vgl. auch M. B ÖHM, Rezeption und Funktion, 69f. 226 Vgl. dazu M. B ÖHM, Rezeption und Funktion, 27. 227 Mit W. W IEFEL, Drittes Buch über „Moses“, 874. 228 Mit Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 22. Vor dem Hintergrund des Lehrbetriebes einer jüdischen Katechetenschule deutet W. WIEFEL [Drittes Buch über „Moses“, 875] das Quaestionenwerk des Philo: „Aber vielleicht könnte man als Sitz im Leben für das Quaestionenwerk an einen jüdischen Vorläufer der ‚Katechetenschule‘ … denken – eine Art Akademie, deren Hörer Angehörige der jüdischen Bildungsschicht waren, die wie Philo selbst von der griechischen Bibel und der hellenistischen Philosophie geprägt worden sind“.
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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prägten Publikums schwierige bzw. anstößige Aussagen der Tora nachvollziehbar zu machen. Neben dem lebendigen Frage-Antwort-Schema kommt es zu keiner weiteren Interaktion zwischen Verfasser und Leser, da der Ton durchgängig recht „sachlich und feststellend“ ist.229 Damit sind die beiden Schriftenreihen, in die eine „Verwandlung“ des Mose integriert ist, für unsere Zwecke genügend skizziert. Die Belege sind im Folgenden danach zu befragen, was sie im Hinblick auf eine hinter Mk 9,2–8 stehende Verklärungsüberlieferung Jesu aussagen können. Bei der Heranziehung von Philo-Texten zur Exegese der markinischen Verherrlichungsgeschichte in Mk 9,2–8 ist gleichwohl vor vorschnellen Systematisierungen mit der Zielsetzung, Zusammenhänge in religionsgeschichtlicher und traditionsgeschichtlicher Art zu eruieren, zu warnen. Vielmehr stellt sich die Aufgabe, den vorliegenden textlichen Befund in seiner Eigenart genau anzuschauen und die sachlichen Eigentümlichkeiten präzise herauszuarbeiten.230 Zielsetzung ist die bereits angesprochene Eruierung eines theologischen Wurzelgrundes, auf dem die markinische Verklärungsperikope in 9,2–8 möglich geworden ist. Dabei soll der Versuch unternommen werden, hinter den Philo-Text zurückzugehen im Wissen darum, dass Philo hier Zeuge einer alexandrinischen Auslegungstradition der entsprechenden Mose-Sinai-Geschichte ist. In dieser Auslegungstradition ist eine regelrechte, auf der alexandrinischen Exegese von Ex 24 und 34 beruhende „Verklärung des Mose“ zu greifen, die für die markinische Verklärungsperikope von großem Erkenntniswert ist. Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass Philo das ihm vorliegende Textmaterial in seiner Auslegung steigert231 und mit seinen philosophischen Vorstellungen anreichert. Nachdem – wie zu Beginn dieses dritten Kapitels wahrscheinlich gemacht worden ist – die meisten in Mk 9,2–8 verarbeiteten Motive in ein jüdisches Entstehungsmilieu verweisen, wobei sich die Motive gerade in Ex 24/34 besonders verdichten, ist der Forschungsansatz vielversprechend, der angesichts der markinischen Verklärungsüberlieferung eine Tradition einer regelrechten „Verwandlung des Mose“ im jüdisch-hellenistischen Bereich vermutet, der in Mk 9,2–8 in christologisch transformierter Form vorliegt. Diese Forschungsrichtung wird nicht zuletzt durch die Tatsache begünstigt, dass Philo – wie zu zeigen sein wird – gern das in der LXX gerade fehlende Verb OGVCOQTHQWUSCK benutzt, wenngleich nicht im Zusammenhang der Verwandlung des Mose auf dem Sinai. Die Frage kann mit einem Seitenblick auf die in 2 Kor 3,18 229
Mit Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 22. Vgl. dazu das überzeugende Plädoyer B. SCHALLERs [Adam und Christus, 151] für eine angemessene Philo-Exegese in der neutestamentlichen Forschung, die der Versuchung eines „Fehlgebrauchs“ philonischer Texte wehrt. 231 Mit F. SIEGERT, Inspiration der Heiligen Schriften, 214. 230
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
bezeugte paulinische Verwandlungsvorstellung angegangen werden, da in der Paulusforschung ein etwaiger philonischer Hintergrund ein beliebter Forschungsgegenstand ist.232 In der bisher zur markinischen Verklärungsperikope veröffentlichten Literatur findet sich hinsichtlich der Frage eines möglichen Konnex’ einer jüdisch-hellenistischen Verwandlungstradition des Mose mit Mk 9,2–8 sowohl eine dezidiert ablehnende als auch eine befürwortende Forschungsposition: D. Zeller233 führt in seiner Veröffentlichung „Die Verwandlung Jesu“ in seinem Referat der Forschungsposition D. Georgis die gängigen Stellen des Opus Philos VitMos II 69f., Quaest in Ex II 29 sowie Virt 217 als Beispiele eines prophetischen GXPSQWUKCUOQL an, wobei er diesen als „Einzug des göttlichen Geistes“ im Sinne einer Epiphanie deutet, lehnt aber die Möglichkeit einer Exegese von Mk 9,2–8 vor diesem Hintergrund konsequent ab. Zwar könnte nach Zeller „die Gleichstellung [scil. Jesu] mit Elia und Mose sowie die Aufforderung ‚auf ihn sollt ihr hören‘ auf eine solche Verwandlung in einen Propheten“ deuten, doch sprechen das „Weiß der Kleider“ sowie der „Gottes-Sohn-Titel“ ebenso gegen die Möglichkeit einer motivgeschichtlichen Abhängigkeit wie die Beobachtung, dass es im Falle Jesu zu einer zeitweisen Verwandlung komme, die jedoch keine „zeitweise Funktion“ impliziere.234 Anders als Zeller befürwortet G. Sellin in seinem Aufsatz „Das Leben des Gottessohnes – Taufe und Verklärung Jesu als Bestandteile eines vormarkinischen 'Evangeliums'“235 die Heranziehung von Ex 24/34, insbesondere in der Lesart Philos, zur Deu232
Eine Auseinandersetzung mit philonisch geprägter Philosophie wird in der paulinischen Korintherkorrespondenz des Öfteren vermutet, wobei in der Regel Apollos genannt wird, der entsprechendes philonisches Gedankengut in Korinth hoffähig gemacht habe. Vgl. für viele z.B. G.W.E. NICKELSBURG, Philo among Greeks, 69: „It is possible that Apollos, evidently a Jew from Alexandria, brought some of Philo’s ideas to Corinth, and that some of these may have been the target of Paul’s polemic in 1 Corinthians.“ Vgl. auch B.A. PEARSON, Cracking a Conundrum, 70. F. BACK [Verwandlung durch Offenbarung, 148f.] zieht philonisches Material (vgl. VitMos I 57, daneben auch VitMos II 272.280) zur Erklärung des Gebrauchs des Verbs OGVCOQTHQWUSCK in 2 Kor 3,18 heran. 233 Vgl. zum Folgenden D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 116f. 234 Die Verwandlung des Mose an seinem Lebensende (vgl. VitMos II 288) ist – worin Zeller zuzustimmen ist – zur Deutung von Mk 9,2–8 ungeeignet, da es hier zu einer endgültigen Verwandlung komme. Die Verwandlung des Mose zum Zeitpunkt seines Todes wird bei Philo zudem stark mit platonisch-dualistischen Kategorien überfrachtet. Gott transformiert den sterbenden Mose aus einer Zweiheit von Leib und Seele mittels der Umgestaltung in einen göttlichen PQWL zur Natur einer Monade. Gleichwohl ist die Bearbeitung dieses Textes von Interesse für die Verwandlungsvorstellung bei Philo, zumal die hier wie dort verwendete Sonnenmetaphorik bereits in semantischer Hinsicht zu einem Vergleich drängt. Zur Übertragung der Verwandlungsvorstellung auf die Sterbesituation des Mose in LibAnt 19,16 vgl. die Ausführungen in Unterpunkt 5.2 dieses Kapitels. 235 In: Kairos 25 (1983), 237–253.
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tung der markinischen Verklärungsperikope. Im Hintergrund dieser Perikope stehe ebenso wie bei der auf die gesamte Gemeinde übertragenen Verwandlungsvorstellung in 2 Kor 3,18 „die Sinai-Tradition in ihrer hellenistisch-jüdischen Fassung“.236 Bei Philo sei „Mose der typische CPSTYRQL SGQW, was sachlich identisch mit WKBQLSGQW LVW“.237 Besonderes Augenmerk legt er auf Quaest in Ex II 29–45, wo vom Prozess der „Vergöttlichung des Weisen“ die Rede ist. Am Ende dieser zweiten, geistigen Geburt komme der Prophet auf der „Stufe der unter Gott stehenden Geister …, kurz: der NQIQKSGQW“ zum Stehen und werde so zum GKXMYP Gottes, was in der markinischen Verklärungsperikope mittels des Gottes-Sohn-Begriffs kommuniziert werde. Das ebenso jüdisch-hellenistischem Denken verpflichtete paulinische Verwandlungsmotiv in 2 Kor 3,18 bringe dagegen die Lexeme OGVCOQTHQWUSCK undGKXMYP zusammen. Zur Deutung der eigentlichen Verwandlung verlässt er hingegen die Textbasis der philonischen Lektüre von Ex 24/34 in VitMos und Quaest in Ex und verweist Sellin auf Som I 216f., wo davon die Rede ist, dass der mit dem Logos identifizierte Hohepriester beim Einzug in das Innerste des Heiligtums ein strahlend weißes Gewand anlege.238 Eine solche „Verwandlung in ein gottähnliches Wesen“ sei auch beim philonischen Mose impliziert.239 Im Folgenden sind die von Zeller und Sellin herangezogenen Texte näher zu analysieren und im Hinblick auf ihren Erkenntniswert für Mk 9,2–8 zu befragen. 4.2 Annäherung: Virt 217 als Beispiel eines prophetischen GXPSQWUKCUOQL 4.2.1 Die Logos-Konzeption als Bindeglied zwischen Mose und Abraham Zur Vorbereitung der Exegese der mosaischen Verwandlung in VitMos II 66–76 empfiehlt es sich, einen weiteren prominenten Beleg einer prophetisch-pneumatischen Inspiration in die Überlegung einzubeziehen, der mit einer regelrechten „Verwandlung“ einhergeht. In der Einzelversanalyse des zweiten Kapitels dieser Studie ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die Verklärungserzählung narrativ nicht als Prolepse einer zukünfti236
Vgl. G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 245. Vgl. G. SELLIN, a.a.O., 245 [Die von Sellin verwendete Umschrift wird hier und im Folgenden durch entsprechende griechische Lexeme ersetzt, A.W.]. 238 Vgl. dazu auch J. LAPORTE, High Priest in Philo, 74f. 239 Unklar ist bei SELLIN m.E. die Vereinbarkeit folgender Aussagen: „Was sich nicht direkt aus der Sinai-Tradition herleiten lässt, ist die Verwandlung Jesu.“ Vgl. a.a.O., 245. Dieses empfundene Desiderat wird sogleich im Anschluss mittels des Verweises auf Som I 216f. (Bekleidung des Logos-Hohenpriesters mit lichtem Gewand) zu beheben versucht. Wenig später führt Sellin zur Deutung von Mk 9,2–8/2 Kor 3,18 gleichwohl Quaest in Ex II 29–45 an mit der Feststellung: Hier spreche Philo von einer „Vergöttlichung des Propheten“ im Zusammenhang der Sinaibesteigung. Verwandlung und Vergöttlichung werden so m.E. unnötig weit voneinander getrennt. 237
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
gen Wirklichkeit konzipiert ist, sondern als punktuelle Offenbarung derjenigen theologischen Dignität, die Jesus seit seiner Geistbegabung in der Taufe zukommt, was nicht zuletzt an der Intention des Mk-Evangelisten zu erkennen ist, Tauf- und Verklärungsperikope strukturell einander anzugleichen. Damit ist der auch in anderen frühjüdischen Texten zu greifende Konnex einer Verwandlung zur Herrlichkeit und Geistverleihung angesprochen.240 Der Verwandlungsgedanke ist bei Philo nicht auf die Erzählfigur des Mose beschränkt, sondern findet auch Anwendung auf Abraham. Philo kommt in seiner missionstheologisch ausgerichteten und dem Leser die Gestalt des Abraham als Vorbild gelingender Gottessuche vor Augen führenden Schrift „De Virtutibus“ im Abschnitt 217 auf den Einzug des göttlichen Geistes in Abraham zu sprechen.241 Die Besonderheit dieses Textes liegt – wie zu zeigen sein wird – in der Tatsache, dass hier die geistgewirkte „Verwandlung“ Abrahams, seine rhetorischen Fähigkeiten und die Erkenntnis aufseiten der Hörer Abrahams in einen Konnex gebracht werden. Dies ist im Hinblick auf die Exegese von Mk 9,7 interessant, wo die unüberbietbare Lehrautorität Jesu in einen sachlichen Zusammenhang mit der Verklärung gebracht wird. Die prophetische Inspiration des Abraham ist Bestandteil des in Virt 212–219 vorliegenden, den Adel Abrahams thematisierenden Abschnitts der Schrift Philos über die Tugenden. Gattungskritisch kann dieser Textabschnitt als Enkomion bezeichnet werden. Die prophetische Begeisterung ist der Abschluss des Prozesses der OGVCPQKC Abrahams, die ihn weg von seiner polytheistisch-astrologischen, chaldäischen Herkunft hin zur Verehrung des einzig wahrhaft existierenden Gottes führt.242 Die angesprochene prophetische Inspiration trägt unter der Feder Philos Züge einer göttlichen Epiphanie.243 Beiden Texten – Virt 217 240
Auf diesen Sachverhalt hat D.S. DU T OIT [Abwesender Herr, 352f.] hingewiesen. Als entsprechende Belegtexte werden von du Toit insbesondere VitMos II 69f. und Virt 217 angeführt. Sodann verweist der Autor auf Hippolyts Danielkommentar (Comm. in Dan. III 7), wobei du Toit die hier vorliegende, über den Wortlaut von Dan 4,16 hinausgehende Rede von einer Geistbegabung und einer Verwandlung des Gesichtes des Daniel zu einem Engelsgesicht auf jüdische Tradition zurückführt, ohne jedoch seine Position durch entsprechende Belege abzusichern. 241 Zum Abrahambild Philos vgl. F. HAHN, Gestalt Abrahams, passim. 242 Vgl. zu diesem Topos insbesondere im Bereich der jüdisch-hellenistischen Schriften die Belege bei F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 35 Anm. 49. 243 Mit D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 116: „Das bedeutet wohl, daß Philon den Einzug des göttlichen Geistes als Epiphanie versteht.“ Ein Wort zur Einordnung der Schrift De Virtutibus im Rahmen des Gesamtwerkes Philos: Die Aufteilung des Corpus Philonicum in die Schriftenreihen Expositio Legis; Allegorischer Kommentar und Quaestiones et Solutiones ist in der Philoforschung weitestgehend anerkannt. Vgl. für viele J.R. ROYSE, The Text of Philo’s De Virtutibus, 74. Vgl. auch die hilfreiche Übersicht bei F. S IEGERT, Early Jewish Interpretation, 166–168. Die Schriften Decal, SpecLeg I–IV, Virt
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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und VitMos II 69–71 – ist neben ihrer legitimatorischen Zielsetzung gemeinsam, dass der eigentlichen Verwandlung eine Art esoterisch anmutendes Absonderungsverhalten vorangeht244 und die daraufhin erfolgende Begegnung mit dem Göttlichen im Prozess des „Auszugs“ (Abraham) bzw. im Zusammenhang mit dem Aufstieg auf den Sinai (Mose) zu einer Verschönerung und Veredlung der körperlichen wie auch geistigen Funktionen führt. In beiden Fällen zeitigt dieser prophetische GXPSQWUKCUOQL konkrete, für die Umwelt wahrnehmbare Folgen, sodass von einer regelrechten Verwandlung gesprochen werden kann. Beide Texte können zudem vor dem Hintergrund der philonischen Logos-Konzeption betrachtet werden, über die zunächst eine kurze Vorund Praem interpretieren die mosaische Gesetzgebung. Sie sind somit der dritte und abschließende Teil der Expositio Legis, nachdem in Op der Schöpfungsbericht und in Abr und Jos die Erzvätererzählungen exegesiert worden sind. Nach Aussage Philos sind auch die Werke VitMos I und II als Bestandteile der Expositio Legis konzipiert. Vgl. dazu Praem 53f. Vgl. zur Diskussion dieser Frage M. B ÖHM, Rezeption und Funktion, 25. Das Werk Decal eröffnet somit den dritten Teil der Expositio Legis und ist der Interpretation der allgemeinen Gesetzgebung gewidmet, während die Interpretation der Einzelgesetzgebung in SpecLeg I–IV erfolgt. Aufgabe von Virt ist nun der „Nachweis“, dass das mosaische Gesetz zu einer umfassenden Tugendhaftigkeit befähigt. Während die Gerechtigkeit als Fundamentaltugend bereits in SpecLeg IV 136–238 abgehandelt wird (vgl. J.R. ROYSE, a.a.O., 75), ist Virt der denkerischen Entfaltung der weiteren aus dem mosaischen Gesetz resultierenden Tugenden gewidmet. Die Konzentration auf ethische Themen ist unverkennbar. Vgl. M. B ÖHM, a.a.O., 190f. Dabei handelt Virt 1–50 die Tugend der Tapferkeit (RGTK CXPFTGKC L) ab. In 51–174 wird die HKNCPSTYRKC erörtert. Virt 175– 186 trägt Züge eines Exkurses, da ohne kontextuelle Verankerung Aussagen zur Umkehr (RGTK OGVCPQKCL) getroffen werden, wobei es jedoch einen intratextuellen Konnex mit Abraham und Thamar gibt, die im Schlussteil thematisiert werden. Dieser abschließende Teil Virt 187–227 handelt vom wahren und falschen Adel (RGTK GWXIGPGKCL), der sich nach Philo am Besitz bzw. Nicht-Besitz der Tugenden entscheidet. Vgl. dazu D. KONSTAN, Philo's De Virtutibus, 65; J.R. ROYSE, a.a.O., 79. Hier vollzieht Philo eine Individualisierung und Demokratisierung des ursprünglich aristokratisch-elitären GWXIGPGKC-Begriffs mittels seiner Ethisierung. Treffend bei Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 42. Vgl. dazu auch K. HAACKER, Geschichtstheologie, 212. Dabei ist Virt 211 ein Übergangsvers, der von der Sammlung negativer Beispiele (QWVQKOGPQW PGKXUKVJLGXRKNJRVQWVCZGYL …) zu positiven Beispielen tugendhaften Lebens überleitet (GEY F8 GKXRGKP GBVGTQWL VJP GXZ GXPCPVKCL CXOGKPY VGVCIOGPQWL VCZKP …). Damit ist zugleich die Kernthematik von Virt angesprochen. Als Übergangsvers prädisponiert Virt 211 die Leser hinsichtlich der im Folgenden vorgelegten Beispiele tugendhafter Lebensführung, insofern er das Wissen vermittelt, dass „schlechte“ Herkunft prinzipiell nicht tugendhafter Lebensführung im Wege steht. Konkret werden Abraham (212–219), Thamar (220–222) sowie zwei nicht mit Namen bezeichnete Frauen (223–225) genannt. Zum Aufbau von Virt vgl. insbesondere D. KONSTAN, a.a.O., passim.; D. RUNIA, Underneath Cohn and Colson, 117. 244 Vgl. dazu F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 37 Anm. 54. Der äußere Vorgang des Auszuges korrespondiert mit dem inneren Vorgang der Bewusstseinswandlung. Vgl. Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 48. Zum Motiv der „Auswanderung“ vgl. auch Abr 65 und Abr 85; Virt 102.
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verständigung angeraten ist, zumal die Logos-Theologie ein interessanter hermeneutischer Hintergrund für die Exegese der markinischen Verklärungsperikope ist, worauf G. Sellin überzeugend hingewiesen hat.245 Oben ist im Anschluss an D. Zeller ausgeführt worden, dass der Einzug des göttlichen Geistes in Abraham von Philo als Epiphanie verstanden wird. Vorausgesetzt ist dabei die radikale Transzendenz Gottes, die jedoch durch die „metaphysische Realität“ des Logos Gottes246, d.h. durch die welt- und schöpfungszugewandte Seite Gottes überbrückt wird, wobei der Logos durch besondere Menschen repräsentiert werden kann.247 Der Logos hat also eine Mittlerfunktion zwischen dem transzendent-unveränderbaren Gott und der „Materialität des Universums“, das Gottes Schöpfung ist.248 Die Logos-Konzeption Philos ist Bestandteil seiner „negativen Theologie“, nach der Gott absolut transzendent, demzufolge „seinem Wesen nach unerkennbar, unbegreifbar, unsagbar“ ist.249 Erkennbar ist hingegen seine schöpfungszugewandte Seite250, der göttliche Logos, womit einerseits alles „Seiende“251, andererseits das in FWPCOGKL erfolgende Wirken Gottes gemeint ist.252 Mit dieser Differenzierung sind bei Philo zwei Richtungen angezeigt: Die aufsteigende Linie, wonach sich der menschliche Geist (PQWL) wie auf einer Leiter zu Gott emporheben kann253 – der Aufstieg des Mose auf den Sinai ist Symbol dieses Weges –, sowie die absteigende Linie, 245 Vgl. G. SELLIN, Gotteserkenntnis, 36: „Das Logos-Modell kann … auch im Hintergrund stehen bei solchen christologischen Texten, wo das Wort Logos gar nicht auftaucht … Dabei spielt es keine Rolle, ob die Texte mehr einer Präexistenz-Christologie oder mehr einer adoptianischen Christologie zuzurechnen sind. Neben Röm 1,3f könnten also auch wesentliche christologische Partien im Mk-Evangelium dazugehören: so die Sohn-Gottes-Titulatur im Zusammenhang mit der Tauf-, der Verklärungs- und – indirekt – der Leeres-Grab-Perikope“. 246 Vgl. M. T HEOBALD, Gott, Logos und Pneuma, 81. 247 Mit G. SELLIN, Gotteserkenntnis, 35. 248 Vgl. dazu M. T HEOBALD, Gott, Logos und Pneuma, 81. Vgl. auch DERS., Exkurs: Der johanneische Logos. In: RNT-Joh, 117–119. 249 Vgl. dazu die Skizze der philonischen Logos-Konzeption bei G. SELLIN, Einflüsse philonischer Logos-Theologie, 168f. Vgl. ferner D ERS., Gotteserkenntnis, 19f. 250 Ausdruck von Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 64. 251 Zugrunde liegt die – auf platonische Dihairese zurückgehende – Vorstellung einer Ideenpyramide, bei der „[d]ie einzelnen Phänomene … zu höheren Allgemeinheiten zusammengefasst“ werden, wobei „die höchste Allgemeinheit das ‚Sein‘ ist“, an dem alles Seiende partizipiert. Der Logos kann als die gesamte Pyramide oder aber als ihre Spitze beschrieben werden. Vgl. zu diesem Denkansatz Philos G. SELLIN, Einflüsse philonischer Logos-Theologie, 168. 252 Vgl. dazu G. SELLIN, Gotteserkenntnis, 22: „Aber zugleich ist er [scil. der Logos] auch der Inbegriff der ‚Kräfte‘ Gottes, der FWPCOGKL, also der Aspekt der Aktivität Gottes, die sich aus der sich austeilenden Güte begründen läßt.“ 253 Vgl. G. SELLIN, Einflüsse philonischer Logos-Theologie, 168. Vgl. auch DERS., Gotteserkenntnis, 29.
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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womit das Herabsteigen des göttlichen RPGWOC, das schöpferische und herrschend-strafende Handeln Gottes gemeint ist.254 Mit der Logos- und Kräftelehre benennt Philo so zwei zu unterscheidende Möglichkeiten eines Verhältnisses des transzendenten Gottes zu seiner Schöpfung.255 Da nun der Aufstieg des Mose auf den Sinai Symbol der aufsteigenden Linie ist, findet dieser eine Abhandlung in den beiden Passagen des Opus Philos, an denen der Alexandriner eine Exegese der entsprechenden Stellen aus Ex 24 bzw. 34 LXX vorlegt: Angesprochen sind damit die beiden „Aufstiege“ Moses in VitMos II 69–71 und Quaest in Ex II 27–49.256 Zu beachten ist zudem, dass der Logos an einigen Stellen auch als der VQRQL bezeichnet wird, womit wahrscheinlich eine Anspielung auf Ex 33,21 LXX gemacht wird: MCK GK RGP MWTKQLKXFQW VQRQL RCT8 GXOQK UVJUJ^ GXRKVJLRGVTCL. Mose, der Gott sehen will, hat sich dazu auf einen VQRQL zu stellen. Dieser „Ort“ ist nach Philo die Spitze der Ideenpyramide: Der Aufstieg Moses auf den Sinai ist somit Aufstieg zum VQRQL-NQIQL, auf dessen Höhe sich Mose nach erfolgtem Aufstieg befindet 257 und von dem aus er – nun in seiner Funktion als Logos – durch den Empfang der Tora zwischen Gott und Mensch vermittelt.258 Diese „Isotopie mit dem Logos“, die Lokalisierung auf der höchsten denkbaren Seinsebene, befähigt Mose, an der aktiven Funktion des Logos teilzuhaben, insofern er mittels der inspirierten Niederschrift der Tora Heil vermittelt. Neben der „Identifizierung“ des Mose mit dem Logos kennt Philo auch die Bezeichnung Abrahams als Logos. In Gig 64 heißt es vom umbenannten Abraham, dass er Gottes sei: CWXVQLSGQW. Dieser Genitiv der Zugehörigkeit indiziert, dass der philonische Abraham als ein CPSTYRQL SGQW auf der Stufe direkt unter Gott, demnach wie Mose auf der Ebene des Logos steht.259 Von einer Äquivalenz des Gedankenmodells CPSTYRQLSGQW 254
Vgl. dazu G. SELLIN, Einflüsse philonischer Logos-Theologie, 168; D ERS., Gotteserkenntnis, 23. 255 Vgl. dazu Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 64 Anm. 206. 256 Eine Exegese von Ex 34 ist uns in der Quaestionenschrift Philos leider nicht greifbar, da der uns überlieferte Text bekanntlich bei Ex 29 abbricht. Aus dem QuaestionenKommentarwerk Philos liegen vor: Quaest in Gn I–IV (zu Gen 2,4–28,9); Quaest in Ex I (zu Ex 12,2–23); Quaest in Ex II (zu Ex 20,25–28,34). Vgl. die Übersicht bei G. S ELLIN, Allegorese, 110f. 257 Vgl. G. SELLIN, Einflüsse philonischer Logos-Theologie, 168. Vgl. auch DERS., Streit um die Auferstehung, 142. Sellin spricht vom „Zusammenfall“ des Mose mit dem Logos nach erfolgtem Sinaiaufstieg. Vgl. auch DERS., Gotteserkenntnis, 33: „Wer auf diesem ‚Platz‘ steht, ist … identisch mit dem Logos selbst, insofern ‚Logos‘ ja aus ontologischen Gründen nichts als eine Rangbezeichnung ist – nämlich für die Spitze der Ideenpyramide“. 258 Zur Bezeichnung des Mose als „prophetischer Logos“ (RTQHJVKMQL NQIQL) vgl. All III 43; Migr 151; Congr 170. Zur Mose als dem „gesetzgebenden Logos“ vgl. Migr 23f. 259 Mit G. SELLIN, Einflüsse philonischer Logos-Theologie, 169.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
und NQIQL kann mit guten Gründen ausgegangen werden. In dieselbe Richtung weist auch Migr 174f.: G=Y L OGP ICT QWX VGVGNGKY VCK JBIGOQPK VJL QBFQW ETJVCK NQIY^ SGKY^ … GXRGKFCP FG RTQL CMTCPGXRKUVJOJPCXHKMJVCKUWPVQPYLGXRKFTCOYPKXUQVCEJUGKVY^ RTQUSGPJBIQWOGPY^ VJL QBFQW CXOHQVGTQK ICT QW=VYLQXRCFQK IGPJUQPVCK VQW RCPJIGOQPQL SGQW … – „Solange er (Abraham) nämlich nicht zur vollkommenen Reife gelangt ist, braucht er als Führer des Weges den göttlichen Logos … Sobald er aber zum Gipfel der Weisheit gelangt ist, kann er inangestrengtem Lauf Schritt mit dem früheren Wegführer halten; denn beide werden auf diese Weise Begleiter des allführenden Gottes …“260
Ohne dass es zu einer vollkommenen Identifikation Abrahams mit dem Logos kommt, ist es doch offensichtlich, dass Abraham zumindest zeitweise die Funktion des Logos zugesprochen bekommt, sodass von einer funktionalen Identität mit dem Logos gesprochen werden kann.261 Die aufgezeigten Textindizien weisen in die Richtung, dass sowohl Abraham als auch Mose die Funktionen des Logos übernehmen können. Aufgrund der dargestellten Berührungen, unter denen die pneumatische Inspiration und die Logos-Funktion beider herausragen, ist ein Vergleich der Verwandlung des Abraham (Virt 217) und des Mose (VitMos II 69f.; Quaest in Ex II 27-29) sinnvoll, der nun zu leisten ist.262 4.2.2 Die Gedankenentwicklung in Virt 211–219 Abraham wird dem Leser in der Schrift De Virtutibus als Musterbeispiel einer „schlechten“ Herkunft vor Augen geführt, der gleichwohl Inbegriff vollkommener Tugendhaftigkeit geworden ist. Programmatisch hierzu sind die gleich zu behandelnden Teilverse Virt 211d–f. Der Abschnitt 211 ist als Ganzer als ein Überleitungsvers konzipiert, mit dem Philo das Vorzeichen vor die im Folgenden vorgelegte Behandlung der Thematik „Abraham“ im Hinblick auf die Tugendhaftigkeit setzt. Während die Teilverse 260
Übersetzung nach G. SELLIN, a.a.O., 170. Die prinzipielle Möglichkeit einzelner Menschen, „Söhne Gottes“, demnach NQIQK zu werden, wird in Conf 146 ausgesprochen. Hier heißt es: MC POJFGRYOGPVQKVWIECPJ^ VKL CXZKQETGYL Y P WKBQL SGQW RTQUCIQTGWGUSCK URQWFC\GVY MQUOGKUSCK MCVC VQP RTYVQIQIQPCWXVQW NQIQP… – „Wenn aber jemand noch nicht würdig ist, Sohn Gottes zu heißen, so bestrebe er sich, sich zuzuordnen dem Logos, seinem Erstgeborenen … .“ Übersetzung nach E. STEIN, Philo Werke Bd. V. Zur Identifikation Jakob-Israels mit dem Logos vgl. Conf 41. Vgl. zu diesem Text auch B.L. MACK, Moses on the Mountain Top, 19. Die Söhne Israels sind demnach Kinder des CPSTYRQL SGQW des unvergänglichen Logos des Ewigen: CPSTYRQPSGQWQ?LVQW CXKFKQWNQIQLY PGXZCXPCIMJLMCK CWXVQL GXUVKP CHSCTVQL{ Zur Identifikation des Hohenpriesters mit dem Logos vgl. z.B. Som II 185f. So auch F.H. COLSON (LCL 275 = Philo Bd. 5, 529). Ferner Fug 108 (Hoherpriester als SGKQLNQIQL). 262 Hinsichtlich Virt 211–219 kann auf die wertvollen Ausführungen Chr. NOACKs (vgl. Selbstbewusstsein 40–103) aufgebaut werden. 261
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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Virt 211a–c von der aus der Sicht Abrahams entgegengesetzten VCZKL von Menschen sprechen (QWVQK OGP QW P GKXUK VJL GXRKNJRVQW VCZGYL), denen ihre „edle“ Herkunft aufgrund offensichtlicher Boshaftigkeit nichts genützt hat (QW?L GXZ CXICSYP RQPJTQWL IGPQOGPQL YPJUCP OGP QWXFGP CKB RCVGTYP CXTGVCKCKB F8GXPVJ^ [WEJ^ MCMKCKOWTKCGDNC[CP), sprechen die Teilverse 211d–f von dem entgegengesetzten Fall Abrahams, der trotz „schlechter“ Herkunft zur vollkommenen Tugendhaftigkeit gelangt ist. d e f
GEYF8GKXRGKPGBVGTQWLVJPGXZGXPCPVKCLCXOGKPYVGVCIOGPQWLVCZKP QKLRTQIQPQKOGPWBRCKVKQK \JNYVQLFGMCKCXPCRNGYLGWXHJOKCLQBDKQLx
d
„Ich habe von anderen zu reden, die im Gegensatz zu diesen eine bessere Ordnung (von Menschen) darstellen, deren Altvorderen zwar Schuldige waren, deren Leben aber beneidenswert ist und im besten Rufe steht.“
e f
Damit wird die Behandlung des Abraham eingeleitet, indem zugleich zentrale Anliegen der Expositio Legis (Absage an lasterhaftes Leben/Hinwendung zu den Tugenden) explizit benannt werden. Wahrer Adel entscheidet sich in der Erkenntnis und im Besitz von Tugenden, wofür dem Alexandriner Abraham als erstes Beispiel dient. Diesen Gedanken zu entfalten, ist Absicht des abschließenden Teils der Schrift De Virtutibus in Virt 187–227, in dem als erstrebenswerte Beispiele neben Abraham noch Thamar (220–222) sowie zwei nicht mit Namen benannte Frauen (223– 225) behandelt werden. Damit werden in Virt 211–227 positive Beispiele vorgelegt, die jedoch durch die in Virt 187–210 genannten Negativbeispiele größere Leuchtkraft erhalten. Als Negativbeispiele wählt Philo vier Doppelexempla aus: Adam und Kain; Noah und Ham; Gott und Adam sowie Isaak und Esau. Der Adel Abrahams liegt für Philo nicht in seiner Abstammung begründet – diese war aufgrund seiner chaldäisch-polytheistischen Herkunft in der Sicht Philos ausgesprochen schlecht –, sondern vielmehr in der Tatsache, dass er eine wahre OGVCPQKC vom astronomisch geprägten Polytheismus hin zur Verehrung des wahren Gottes vollzogen hat. Der Tugendbegriff wird dabei von Philo konsequent an die Gottesbeziehung gebunden.263 Die Vollendung dieses Weges der Tugend ist der prophetische GXPSQWUKCUOQL Abrahams, auf den Philo in Virt 217 gleichsam auf der Spitze des Umkehrweges zu sprechen kommt. Diese prophetische Begeisterung findet bei Abraham im Zusammenhang seines „Auszuges“ statt, womit Philo eine Exegese von Gen 12 vorlegt. Philo deutet in Virt 212–219 den Auszug Abrahams aus Chaldäa (Gen 12,1–5) als Abwendung vom astronomischen Götzendienst seines Vaters 263
Überzeugend bei M. B ÖHM, Rezeption und Funktion, 89f.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
und als Hinwendung zum wahren Gott. Der „Auszug“ weg von der verdorbenen Lebensweise der Väter hin zum Dienst für den einen, wahren Gott wird in der in Virt 212–219 vorliegenden Deutung Philos als Bewusstseinswandlung beschrieben.264 Der Abschnitt Virt 212–219 kann als ein missionstheologischer Text angesprochen werden, in dem Abraham den aus dem Heidentum stammenden Lesern als Vorbild gelingender OGVCPQKC vor Augen geführt wird.265 Abraham wird gleichsam zum Prototypen eines Proselyten.266 Auch in der die entsprechenden Vätererzählungen behandelnden Schrift De Abrahamo stellt Philo die Erzählfigur Abrahams den aus dem Heidentum stammenden Lesern als „das primäre Identifikationsmuster“ dar, das in Korrelation mit der eigenen „Heilsbiographie“ der Rezipienten gebracht werden konnte.267 Der Weg der OGVCPQKC beginnt mit dem „Auszug“ (Virt 212–214)268, führt 264
Virt 211–219 fällt in seiner Geschlossenheit im Makrotext ins Auge. Dieser Abschnitt ist „eine kompakte und abgerundete Lobrede auf Abraham“. Mit Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 36. Noack vermutet überzeugend, dass dieser Text „ein vorformuliertes Versatzstück“ ist, das von Philo in den Makrotext von De Virtutibus integriert worden ist. Vgl. a.a.O., 36 Anm. 133. 265 Mit Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 36. Vgl. dazu auch M. BÖHM, Abraham, 387; D. GEORGI, Gegner des Paulus, 76–81; G. MAYER, Aspekte des Abrahambildes, 119. 266 Mit M. B ÖHM, Abraham, 390f. mit Anm. 44. Vgl. auch D IES., Rezeption und Funktion, 168. Sie verweist darauf, dass Abraham eine solche Funktion lediglich in der Expositio Legis innehat, und begründet dies mit der Absicht Philos, diese Schriftenreihe insbesondere potentiellen Proselyten zur Lektüre zukommen zu lassen. 267 Mit M. BÖHM, Rezeption und Funktion, 235. 268 In Virt 212 spricht Philo negativ wertend von der „astrologischen“ Abstammung Abrahams, wobei jedoch sein Name nicht explizit genannt wird. Die uns heute selbstverständliche Differenzierung von Astronomie und Astrologie ist von Philos Sprachgebrauch fernzuhalten. Abraham wird dem Leser als VQW VYP 8,QWFCKYP GSPQWL QB RTGUDWVCVQL vor Augen gestellt. Die missionstheologische Zielsetzung des Abrahambeispiels zeigt sich an der vergleichsweise distanzierten Einführung des Abraham, mit der das Interesse der nicht-jüdischen Öffentlichkeit auf Abraham gelenkt werden soll. Die „schlechte Herkunft“ begründet Philo in Virt 212 mit der Tatsache, dass Abrahams Vater Astronom war, „einer von denen, die sich mit Mathematik beschäftigen“ (RCVTQL FG CXUVTQPQOKMQW VYP RGTK VC OCSJOCVC FKCVTKDQPVYP), womit eindeutig die Tätigkeit von Astrologen gemeint ist. Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt des Urchristentums, 186. Der Herkunft nach wird Abraham als „Chaldäer“ bezeichnet: IGPQL OGP J P &CNFCKQL. Vgl. zu dieser Bezeichnung und ihrer Nähe zum Begriff „Astronom“ Ch.-K. W ONG, Philo’s Use of Chaldaioi, passim. Vgl. bes. a.a.O., 5: „Hence the use of Chaldean clearly emphasizes the astrological features of the ‚old‘ system which Abraham has left behind.“ Die Negativeinschätzung der Astrologie seitens Philos wird in Virt 212 deutlich ausgesprochen, wenn er als „Weltanschauung“ der Astrologen angibt: QK? VQWL CXUVGTCL SGQWLPQOK\QWUKMCK VQPUWORCPVCQWXTCPQPVGMCK MQUOQPŗQWXFGPGZYVYPCKXUSJVYP WBRQNCODCPQPVGLGK PCK. Virt 213 setzt die in 212 begonnene Negativeinschätzung der Astrologie fort. Diese wird in Form einer rhetorischen Frage platziert (VQWVQWFG VK C PGKJ ECNGRYVGTQP J OCNNQP CXRGNGIZCK VJP GXP VJ^ [WEJ^ FWUIGPGKCP FWPCOGPQP …{), die auf
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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über die Erkenntnis Gottes (Virt 215)269 zum Glauben an den einen Gott die Zustimmung des Lesers ausgerichtet ist. Dem mit dieser Frage transportierten Argument liegt die Unterscheidung zwischen „sekundären Dingen“ (GXRKUVJOJ VYP RQNNYP MCK FGWVGTYP MCK IGPJVYP) und dem „ursächlichen Prinzip“ (KXQWUJ^ VQW GBPQL MCK RTGUDWVCVQWMCK CXIGPJVQWMCK RQKJVQW VYPQ=NYP) zugrunde. Die Kritik an der Astrologie erfolgt somit vom Standpunkt des monotheistischen Schöpferglaubens Philos. Konkret: Dem astrologischen Verständnis der Wirklichkeit wird eine im Monotheismus gründende Schöpfungstheologie entgegengesetzt. Vgl. dazu Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 46f. Gleichwohl findet sich bei Philo auch eine neutrale Position hinsichtlich der Astrologie, da zum Kanon der Wissenschaften, in denen Mose unterrichtet wurde, auch die „chaldäische Astrologie“ (VitMos I 23) gehört. Vgl. dazu P.L. SHULER, Philo’s Moses, 92f. Virt 214 lenkt zum Verhalten Abrahams über. Der äußere Vorgang seiner „Auswanderung“ ist Konsequenz des „inneren Vorgang[s] der Bewußtseinswandlung“. Mit Chr. NOACK, a.a.O., 48. Diese ist als OGVCPQKC zu beschreiben, die Folge seiner Einsicht (GPPQKC) und Inspiration (GXRKSGKCUCL) ist. Betont ist der freie Entschluss Abrahams, da der Anstoß zur OGVCPQKC nicht von außen (etwa Gott bzw. Mitmensch) kommt, sondern dem „Innen“ Abrahams entspringt. Vgl. zum Terminus OGVCPQKC bei Philo besonders J.N. B AILEY, Metanoia in the Writings of Philo, 135–141, bes. 138: „Repentance is described as the proper response of Gentiles who turn from polytheism in order to serve the one true and living God.“ Ziel der „Auswanderung“ Abrahams ist der Gewinn der CXNJSGKC hinsichtlich des Schöpfergottes (Q=L GXUVKP CXKFKQL OQPQL MCK Q=NYP RCVJT PQJVYP VG CW CKXUSJVYP), die als solche der in Abrahams Heimat vorherrschenden „trügerischen Meinung“ (VJP[GWFJFQZCP) antithetisch gegenübergestellt wird. 269 Die OGVCPQKCinitiiert nach Virt 215 bei Abraham einen Prozess vertiefter Gotteserkenntnis, bei der Gott selbst den „theologischen“ Erkenntnisprozess Abrahams beflügelt. Aufseiten Abrahams forciert die Sehnsucht (RQSQL), das Seiende zu erkennen (IPYPCKVQ QP ), den Erkenntnisprozess, aufseiten Gottes sind es göttliche Offenbarungen (NQIKCETJUSGPVC), womit auf Gen 12,1–9; 13,14–18; 15,1–6 angespielt sein dürfte. Mit Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 56 Anm. 180. Diese göttlichen Offenbarungen treiben nach Philo Abrahams Erforschungsdrang (URQWFJ) hinsichtlich des „Einen“ (VQW GBPQL), konkret den monotheistischen Erkenntnisprozess, voran und distanzieren ihn dadurch weiter von seiner astrologisch-astronomischen Herkunft. Der Konnex von VQ QP in Virt 215a und VQW GBPQL in Virt 215b offenbart, dass es sich bei VQ QP um eine Gottesbezeichnung handelt. Zur Begleitung des Erkenntnisweges des Gott suchenden Menschen durch Gott selbst, von der in Virt 215 die Rede ist, vgl. bes. Praem 46:CXNJSGKCPFG OGVKCUKP QKB VQP SGQP SGY^ HCPVCUKYSGPVGL HYVK HYL. Der Drang zur Erforschung Gottes habe sich dabei auf dessen „Dasein“ (W=RCTZKL) und seine „Vorsehung“ (RTQPQKC) zu beziehen, nicht jedoch auf das dem Menschen unzugängliche Wesen (QWXUKC ) Gottes. Das Wesen Gottes ist dem Menschen unerreichbar, vgl. Virt 215: QWXEK VJL QWXUKCL – VQWVQ ICT CXOJECPQP. Vgl. zu diesem Fundamentalsatz der philonischen Gotteslehre auch Op 69–71, bes. 69: CXQTCVQL VG ICT GXUVKP CWXVQL VC RCPVC QBTYP MCK CFJNQP GEGK VJP QWXUKCP VCL VYP CNNYP MCVCNCODCPYP. Ferner Mut 11f.; Praem 40–44; Som I 67. Vgl. dazu die Skizze philonischer „negativer Theologie“ bei G. SELLIN , Gotteserkenntnis, 19–21, bes. 20: „Gott selbst wird nämlich von Philo noch einmal über die Spitze der ontologischen Pyramide hinaus transzendiert“. Sellin verweist auf Praem 40: GXMGKPQ OGP ICT Q? MCK CXICSQW MTGKVVQP MCK OQPCFQL RTGUDWVGTQP MCK GBPQL GKBNKMTKPGUVGTQP CXOJECPQP WBH8 GBVGTQWSGYTGKUSCK VKPQLFKQVKOQPY^ SGOKLCWXVY^ WBH8GBC WVQW MCVCNCODCPGUSCK – „Denn jenes Wesen, das noch besser ist als das Gute, ursprünglicher als die Einheit und reiner
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
(216).270 Den Glauben bezeichnet Philo als die „standhafteste der Tugenden“ (vgl. Virt 216b: RKUVKP VJP VYP CXTGVYP DGDCKQVCVJP), die zugleich als Fundament aller anderen Tugenden verstanden wird, sodass der Gewinn des Glaubens auch der Erlangung aller weiteren Tugenden als conditio zugrunde liegt (MVJUCOGPQL FG RKUVKP … UWPGMVCVQ MCK VCL CNNCL CBRCUCL). Diese Aussage ist durch Virt 181 vorbereitet worden, wo erkennbar wird, dass der Gottesverehrung mit Notwendigkeit alle weiteren Tugenden folgen: a b c
C=OCF8CXPCIMCKQPG=RGUSCK YBLGXPJBNKY^UMKCPUYOCVK MCK VJ^ VQW QPVQL SGQW VKOJ^ RCUCP VJP VYP CNNYP CXTGVYP MQKPYPKCPx
a b c
Zugleich ist es notwendig, dass – wie bei der Sonne der Schatten dem Körper folgt – auch der Verehrung des seienden Gottes die völlige Teilhabe an den anderen Tugenden (folgt).
als die Eins, kann unmöglich von einem anderen geschaut werden, weil es nur von sich allein begriffen werden darf.“ (Übersetzung nach G. SELLIN, a.a.O., 20f.). Vgl. auch VitCont 2. Zur Gotteslehre Philos vgl. ferner DERS., Streit um die Auferstehung, 121– 127; B. HEININGER, Paulus als Visionär, 153; G.E. STERLING, „The Queen of Virtues“, 115. 270 In Virt 216a (FKQ MCK RKUVGWUCKNGIGVCKVY^ SGY^ RTYVQL… ) legt Philo eine Exegese von Gen 15,6 vor. Thema ist demnach die RKUVKL Abrahams, die als Folge der in Virt 215 dargestellten Gotteserkenntnis präsentiert wird. UnterRKUVKLversteht Philo hier – wie in Abr 262–269 – eine „aus eigener Kraft erworbene Überzeugung des erkenntnisstrebenden Menschen von der obersten Ursache“. Mit M. B ÖHM, Rezeption und Funktion, 195. Als Synonyme für RKUVKL begegnen im Opus Philos auch die Ausdrücke GWXUGDGKC (SpecLeg IV 147; Praem 53; Decal 52) und VKOJ SGQW, vgl. Virt 181. Zum „Glauben“ Abrahams vgl. neben Virt 216 auch Abr 262–270; Praem 27–30; Migr 43f.; Her 90–95. Aufschlussreich im Hinblick auf den RKUVKL-Begriff Philos und im Hinblick auf die Exegese von Virt 216a ist die gleichsam programmatische Aussage in Praem 28: QB OGP VQKPWP CX[GWFYL RKUVGWUCL SGY^ VJP GXP VQKL CNNQKL Q=UC IGPJVC MCK HSCTVC MCVGKNJHGP CXRKUVKC P. Dem Misstrauen gegenüber den geschaffenen Dingen entspricht die RKUVKL an Gott, der allein vertrauenswürdig ist. Mit Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 69. Das in 215b angesprochene Erforschen des einen Gottes fördert die begonnene Dissoziation Abrahams von seiner „schlechten“ Herkunft und führt nach Philo zum Glauben eines einzigen obersten Grundes (G=P CKVKQP VQ CXPYVCVY), der zugleich Vorsorge (RTQPQGK) zugunsten der „Welt und der Dinge in dieser“ (VQW VG MQUOQW MCK VYP GXP CWXVY^) treffe, womit der Aspekt philonischer Vorsehungslehre angesprochen ist. Die Lehre Philos von der Vorsehung Gottes ist in Op 9 in aller Deutlichkeit angesprochen: Q?PQKB HCUMQPVGL YBL GUVKP CXIGPJVQL [scil. QB MQUOQL] NGNJSCUK VQ YXHGNKOYVCVQP MCK CXPCIMCKQVCVQP VYP GKXL GWXUGDGKCP WBRQVGOPQOGPQK VJP RTQPQKCP. Zum Vorsehungsglauben Philos vgl. Chr. NOACK, a.a.O., 68.
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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Die Gottesbeziehung ist damit sowohl Basis als auch Bedingung zur Erlangung aller weiteren Tugenden.271 Dieser Basissatz findet in Virt 216f. Anwendung auf Abraham. Charakteristikum des Glaubensbegriffs in Virt 216b ist es nun, dass es hier zu einer Verbindung des Motivs der Glaubenstugend mit dem Königsmotiv in Bezug auf die „Größe der Seele“ (VY^ RGTK VJP[WEJPOGIGSGK) Abrahams kommt. Die Erlangung der Glaubenstugend Abrahams führt nach Philo bei den ihn Aufnehmenden gleichsam zu seiner Verehrung als König (YBL RCTC VQKL WBRQFGZCOGPQKL PQOK\GUVCK DCUKNGWL ). Hier liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Übertragung des in der „philosophische[n] Königstheorie“ des Hellenismus greifbaren „gängigen Motivzusammenhang[s]“ von Tugend und Königtum auf Abraham vor.272 Dabei wird der Königsbegriff – dem stoischen und kynischen Königsideal folgend und in polemischer Absetzung vom gängigen politischmilitärischen Verständnis – streng ethisch mittels von Tugenden (CXTGVCK) definiert unter dezidiertem Ausschluss jeglicher kriegerischer Zurüstung bei Abraham (QWXEK VCKL RCTCUMGWCKL). Neben dem sogleich zu besprechenden prophetischen GXPSQWUKCUOQL ist auch in dieser Hinsicht auf eine Analogie mit dem philonischen Mose zu verweisen, von dem Philo Ähnliches zu berichten weiß (vgl. VitMos I 148). Die umfassenden Tugenden des Abraham, denen die Glaubenstugend als Fundament zugrunde liegt, führen nach Virt 217 zu einer konkreten Reaktion seiner Umwelt. Diese Reaktion ist – erneut der Reaktion der Massen auf den „verwandelten“ Mose vergleichbar – durch Erschütterung und Bewunderung geprägt: a b c d
MCKFJVCSGTCRGWQPVGLCWXVQPFKGVGNQWP YBLCTEQPVCWBRJMQQK VQRGTKRCPVCOGICNGKQPVJLHWUGYLCWXVQWMCVCRNJVVQOGPQK VGNGKQVGTCLQWUJLJ MCVCCPSTYRQP
a b c d
Und wahrhaft hoch achteten sie ihn beständig wie Untertanen den Herrscher, erschüttert wegen der alles überragenden Größe seiner Natur, die vollendeter war als unter Menschen üblich …
Die überragende, in den umfassenden CXTGVCK gründende Größe der Natur Abrahams positioniert diesen im Zwischenbereich zwischen Gott und Mensch. Philo spricht hier von einer „durch die höhere Einsicht gewonnene[n] Natur“273, wobei es gerade die „Gotteserkenntnis“ ist, die „die über271
So wird auch in Philos Werk De Abrahamo in den Abschnitten 60–207 zunächst die GWXUGDGKC Abrahams als oberste und wichtigste Tugend abgehandelt, bevor Philo in 208–261 auf Abrahams Philanthropie und Gerechtigkeit gegenüber Menschen zu sprechen kommt. 272 Mit Chr. NOACK [Gottesbewußtsein, 71] mit Verweis auf Platon Rep. 587b. 273 Mit D. GEORGI, Gegner des Paulus, 78.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
ragenden Fähigkeiten“ verleiht, die die Umgebung „zur ehrfürchtigen Anerkennung“ bewegen.274 Wichtig ist dabei, dass die angesprochene Gotteserkenntnis Abrahams kein innerlich-unsichtbarer Vorgang bleibt, sondern konkrete äußerliche und von der Umgebung wahrnehmbare Folgen zeitigt. Der Gedanke der außen wahrnehmbaren „Qualität“ Abrahams als Folge seines OGVCPQKC-Prozesses wird nun in Virt 217g–j mittels der Gedankenfigur der prophetischen Inspiration vollendet.275 Die Inspiration Abrahams wird wie folgt beschrieben: g h i j g h i j
QBRQVGIQWPMCVCUEGSGKJ OGVGDCNNGRCPVCRTQLVQDGNVKQP VCL Q[GKL VJP ETQCP VQ OGIGSQL VCL UEGUGKL VCL MKPJUGKL VJPHYPJP VQWSGKQWRPGWOCVQL Q=RGTCPYSGPMCVCRPGWUSGPGKXUY^MKUCVQVJ^[WEJ^ RGTKVKSGPVQLVY^OGPUYOCVKMCNNQLGXZCKTGVQP VQKLFGNQIQKLRGKSYVQKLF8CXMQWQWUKUWPGUKP Jedes Mal, wenn er nun ergriffen wurde, veränderte sich alles zum Besseren: der Blick, die Haut, die Größe, die Haltung, die Bewegungen, die Stimme, weil der von oben herabgewehte/eingehauchte göttliche Geist in seine Seele einzog, verlieh dieser seinem Körper herausragende Schönheit, seinen Worten Überzeugungskraft und den (ihn) Hörenden Verständnis.
Der Weg der OGVCPQKC Abrahams vollendet sich in der pneumatischen Inspiration mittels des von oben (217j: CPYSGP) in Abraham eingehenden göttlichen Geistes. Charakteristika dieser Inspiration sind zunächst die außen wahrnehmbaren körperlichen Folgen. Sie betreffen sowohl die körperliche Erscheinung Abrahams (Augen; Haut; Größe) als auch die Körperhaltung, die Bewegungen und die Stimme und führen zu seiner Verschönerung bzw. Verbesserung. Ursache dieser Verschönerung Abrahams ist die göttliche Nähe, derer er auf dem Weg der OGVCPQKC teilhaftig wurde. Diese Verschönerung wird von der Umgebung Abrahams als regelrechte
274
Mit D. GEORGI, a.a.O., 78. In Virt 217e–f spricht Philo von der Gemeinschaft Abrahams mit Gott, die Frucht seiner Zuwendung zum lebendigen Gott ist, die ihn jedoch vom gewöhnlichen Menschen unterscheidet: QWXFG ICT QBOKNKC KL GXETJVQ VCKL CWXVCKL CXNN8 GXRKSGKC\YP VC RQNNC UGOPQVGTCKL … Der in Gemeinschaft mit Gott lebende Abraham steht somit in „einer gewissen Distanz zu den gewöhnlichen Menschen, denen menschliche Gemeinschaft reicht“. Mit Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 77. 275
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
347
Verwandlung wahrgenommen, die als solche die „Gegenwart der Transzendenz“ in Abraham indiziert.276 Der mit einer leiblichen Veränderung verbundene pneumatische GXPSQWUKCUOQL ist somit bei Philo nicht auf Mose beschränkt. Wie im Falle des Mose ist die Verwandlung Abrahams nicht auf eine innere Veränderung beschränkt, sondern hat konkrete, außen wahrnehmbare Folgen. Das Übermaß der Schönheit zeigt den Betrachtern Abrahams die Gegenwart der Transzendenz in ihm. Bei der vorliegenden Korrespondenz der Überzeugungskraft seiner Worte mit der Verstehensfähigkeit der Hörer dürfte zugleich an Abraham als Urtyp des Missionars gedacht sein, der er durch die göttliche Inspiration geworden ist.277 Die Konzeption der pneumatologischen Dimension der Lehrtätigkeit Abrahams zeigt trotz der Unterschiedlichkeit der Textgattungen Berührungen mit der in Mk 9,2–8 vorliegenden Konzeption, wo gerade die Lehrautorität Jesu mittels der engen makrotextuellen Verzahnung von Verklärungs- und Taufperikope mit der Geistbegabung Jesu begründet wird: Insofern Jesus der mit dem göttlichen RPGWOC begabte Sohn Gottes ist, insofern er also eine Nähe zu Gott aufweist, die selbst Elija und Mose trotz ihrer himmlischen Beheimatung, aus der heraus sie in Mk 9,4f. erscheinen, nicht ausweisen können, kommt ihm hinsichtlich des Willens Gottes „die endgültige Deutungskompetenz“ zu, sodass er darin sogar Mose übertrifft.278 Exklusiv auf ihn ist daher zu hören (vgl. Mk 9,7). Die strahlend-weißen Gewänder, von denen in Mk 9,3 die Rede ist, sind Indiz einer Gottesnähe Jesu, die selbst Elija und Mose nicht aufweisen, insofern die Angabe ihres äußeren Erscheinungsbildes ein Desiderat darstellt. Dieses silentium des Textes hat eine christologische Zielsetzung. Wie bei Mose (VitMos II 66–76: Legitimation als Oberpriester) hat auch Virt 217 eine legitimatorische Abzweckung. Dieser Vers dient der Legitimation Abrahams, des Prototypen aller Proselyten und Missionare. Wie in VitMos II 69–71 handelt es sich nicht um eine endgültige, sondern punktuelle und jederzeit wiederholbare (217g: QBRQVGIQWP!) Verwandlung. 276
Mit Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 84. Vgl. Chr. NOACK, a.a.O., 78: Die Inspiration „stattet ihn [scil. Abraham] also mit Attributen aus, die einer erfolgreichen Verkündigung förderlich sind“. Großen Wert legt Philo auf die Lehrtätigkeit Abrahams, die mit der Einwohnung des göttlichen Geistes möglich wird. Diese wird in Virt 217 sowohl hinsichtlich Abrahams (VQKL FG NQIQKL RGKSY als auch hinsichtlich der Zuhörer (VQKLF8CXMQWQWUKUWPGUKP) entfaltet. Abrahams Lehrtätigkeit wird infolge seiner Geistbegabung als überaus erfolgreich dargestellt. Auf dieser missionstheologischen Linie bewegt sich auch Josephus, wenn er in Ant I 167 zu dem mit ägyptischen Priestern disputierenden Abraham ausführt: SCWOCUSGKL QW P WBR8 CWXVYPGXPVCKLUWPQWUKCKLYBLUWPGVYVCVQLMCK FGKPQLCXPJTQWX PQJUCKOQPQPCXNNC MCK RGKUCKNGIYPRGTKYPC PGXRKEGKTJUGKGFKFCUMGKP… 278 Überzeugend bei D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 323. 277
348
3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Von Interesse ist ebenso die Beobachtung, dass die Verwandlung eine Wirkung auf die Zuschauer/Zuhörer hat. Im Falle Abrahams erstreckt sich der prophetische GXPSQWUKCUOQL mittelbar auf die Zuhörer, denen durch die Inspiration Abrahams Verständnis geschenkt wird (VQKL F8 CXMQWQWUK UWPGUKP). Von einer bewundernden Reaktion der Umgebung des Mose ist in VitMos II 70 dezidiert die Rede (YBL VQWL QBTYPVCL VGSJRGPCK MCK MCVCRGRNJESCK …). Mit der prophetischen Inspiration kommt der Prozess der OGVCPQKC des Abraham zu seiner Vollendung, der Weg der Tugend erreicht seinen Gipfelpunkt, was der Tatsache zu entnehmen ist, dass Philo in Virt 218 keinen weiteren Schritt einer „Veredelung“ Abrahams anführt, sondern auf den in Virt 212–217 geschilderten Umkehrprozess zurückblickt und die Argumente für die durch tugendhaftes Leben erworbene, wahre GWXIGPGKC sammelt. Diese Zusammenfassung wird in Virt 218 im Modus einer rhetorischen, ein unbedingtes „Ja“ erfordernden Frage (C T8 QWXM C P GKRQKL VQP OGVCPCUVJP VQWVQPK VQP RCPVYP GTJOQP QKXMGKYP MCK HKNYP GWXIGPGUVCVQP GK PCK …) vorgelegt, in die sechs Partizipien integriert werden, die nacheinander die Begründung für den wahren – nicht über die Herkunft, sondern über den Tugenderwerb vermittelten – Adel Abrahams liefern.279 Den exemplarischen Charakter des Weges Abrahams als Weg gelingender OGVCPQKC betont Philo zum Abschluss des Enkomions auf Abraham in Virt 219: QWVQLC=RCUKPGXRJNWVCKLGWXIGPGKCLGXUVK MCPYP … Dieser Weg steht allen offen, die sich vom polytheistischen Irrglauben280 zu 279 Die ersten beiden Partizipien sprechen von der Gemeinschaft mit Gott, die Abraham suchte und derer er teilhaftig wurde: VJL RTQL SGQP UWIIGPGKC L QXTGESGPVC MCK URQWFCUCPVC OJECPJ^ RCUJ^ IPYTKOQP CWXVY^ IGPGUSCK. Die beiden mittleren Partizipien rekurrieren auf den in Virt 217 beschriebenen prophetischen GXPSQWUKCUOQL, wonach die Vollendung der Gemeinschaft mit Gott die prophetische Inspiration ist: MCK VCESGPVCOGP VCZKP CXTKUVJP VJP GXP RTQHJVCKL RKUVGWUCPVC FG OJFGPK VYP GXP IGPGUGK RTQ VQW CXIGPJVQW MCK RCPVYP RCVTQL . Während die prophetische Begabung im Gedankengang von Virt 212–217 als Vollendung und als Höhepunkt des Prozesses der OGVCPQKC Abrahams präsentiert wird, kommt in Virt 218 ihre Spitzenstellung durch die zentrierte Stellung der Partizipien VCESGPVC und RKUVGWUCPVC zur Geltung. Das prophetische Amt ist die höchste Auszeichnung, zu der ein sterblicher Mensch gelangen kann, es ist aber eine Gabe Gottes, die den vom Menschen zu leistenden Glauben zur Voraussetzung hat. Die beiden letzten Partizipien sind erneut der philosophischen Königsvorstellung gewidmet, die auf Abraham übertragen wird: MCK DCUKNGC FG YBL GHJP RCTC VQKL WBRQFGZCOGPQKL PQOKUSGPVC OJS8 Q=RNQKL OJVG UVTCVKYVKMCKL FWPCOGUKP YBL GXPKQKL GSQL NCDQPVC VJP CXTEJP CXNNC EGKTQVQPKC ^ SGQW VQW HKNCTGVQW VQWL GWXUGDGKC L GXTCUVCL CWXVQMTCVGUKP GXZQWUKCKLIGTCKPQPVQLGXR8YXHGNGKC^ VYPUWPVWIECPQPVYP. Wichtig ist Philo die Zurückführung des Königtums Abrahams auf Gott sowie die Tatsache, dass dieses Königtum des Weisen zum Nutzen für die Allgemeinheit ist. 280 Einen solchen macht Philo in Virt 219 an der Verehrung unbeseelter Steine und Hölzer fest: FWUIGPGKCPOGPVJPGXZCXNNQMQVYPPQOYPMCK GXMSGUOYPGXSYPC= NKSQKLMCK ZWNQKLMCKUWPQNYLCX[WEQKLKXUQSGQWLCXRGPGKOGVKOCL
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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dem einen und wahren Gott bekehren. Der missionarisch-werbende Charakter von Virt 212–218 wird damit offensichtlich, bei dem insbesondere Proselyten im Blickfeld sein dürften, denen Abraham als Modell gelungener OGVCPQKC vor Augen geführt wird. Dazu formuliert Chr. Noack: „/GVCPQKC ereignet sich da, wo Menschen diesen polytheistisch geprägten Lebens- und Wirklichkeitsraum verlassen und sich auf dem Weg zur monotheistischen Wirklichkeitserfahrung befinden, die sich in der Begegnung mit dem Schöpfergott vollzieht.“281 Zugleich dient der auf Abraham angewandte Verwandlungsgedanke dazu, die Autorität Abrahams als Offenbarungsmittler zu untermauern und die Autorität seiner monotheistischen Verkündigungstätigkeit zu begründen. Dieser Text hat von hier aus einen eminent legitimatorischen Charakter.282 4.3 Die Verwandlung des Mose in VitMos II 69f. 4.3.1 Einleitende Vorbemerkung Vorbereitend zur Exegese von VitMos II 69f. wurde die „Verwandlung“ des Abraham im Zusammenhang des prophetischen GXPSQWUKCUOQL beleuchtet. Dabei wurde bereits auf die Bedeutung dieses Textes im Zusammenhang der philonischen Logos-Konzeption hingewiesen: Der Aufstieg des Mose auf den Sinai ist bei Philo Symbol des Aufstiegs des menschlichen Geistes (PQWL) zum VQRQL-NQIQL. Dieser Aufstieg ist somit Bild der „aufsteigenden“ Dimension des Logos: Der auf den Sinai aufsteigende Mose genießtnach erfolgreicher Besteigung eine „Isotopie“ mit dem NQIQL, da er sich an jenem VQRQL „auf gleicher Höhe mit dem Logos“ befindet.283 Die von Philo in VitMos II 66–76 gebotene Interpretation von Ex 34,29–35 LXX ist zugleich ein weiteres prominentes Exempel zum Konnex von Inspiration und Verwandlung.284 Mose und Abraham gelten für Philo als Mit Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 100. In diese Richtung deutet auch F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 38. 283 Vgl. zur Begründung G. SELLIN, Einflüsse philonischer Logos-Theologie, 168. 284 Das Werk Philos „De Vita Mosis“ kann im weiteren Sinne als biographischenkomienhafte Schrift bezeichnet werden. Vgl. nur G. SELLIN, Allegorese, 112f. Die Zugehörigkeit dieses Werkes zur Schriftenreihe Expositio Legis ist in der Philo-Forschung bis heute umstritten. Vgl. dazu F. SIEGERT, Early Jewish Interpretation, 179–181. Für nach wie vor überzeugend halte ich den – die Zugehörigkeit befürwortenden – Gedankengang, den E.R. GOODENOUGH [vgl. Philo’s Exposition of the Law and his De Vita Mosis, 109–125] vorgelegt hat: Zunächst verweist er auf die Stellen innerhalb der Expositio Legis, in denen eine deutliche Bezugnahme auf De Vita Mosis vorliegt (Virt 52; Praem 53). Umgekehrt macht er VitMos II 45–47 geltend, wo Philo auf die Konzeption der Expositio Legis zu sprechen kommt. In der Konsequenz seiner Argumentation plädiert Goodenough dafür, in der Expositio Legis und in De Vita Mosis „companion pieces“ zu erkennen. Vgl. a.a.O., 113. Diese Argumentation Goodenoughs wird durch die Studie M. B ÖHMs [Rezeption und Funktion, 25] sowohl bestätigt als auch weitergeführt: 281 282
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
die GO[WEQK PQOQK285 schlechthin, die durch ihre konsequent tugendhafte Lebensführung Symbole der ungeschriebenen Gesetzgebung (CITCHQL PQOQSGUKC, vgl. Abr 5) geworden sind. 4.3.2 Exkurs: Das RTQUYRQP Moses in VitMos II 66–76 und 2 Kor 3,7 Der bekannte Philo-Text VitMos II 66–76 wird auch in der Exegese der Aussage von 2 Kor 3,7 – Y=UVG OJ FWPCUSCKCXVGPKUCKVQWL WKBQWL 8,UTCJN GKXL VQ RTQUYRQP /YW"UGYL FKC VJP FQZCP VQW RTQUYRQW CWXVQW VJP MCVCTIQWOGPJP – regelmäßig herangezogen.286 In 2 Kor 3,7b bietet Paulus In Praem 52–56 kommt Philo auf die Tugend Moses zu sprechen und verweist hierzu auf seine Bücher über ihn (vgl. Praem 53: GXPVQKLITCHGKUKRGTK VQW MCV8CWXVQPDKQW). Dies macht einen intendierten Zusammenhang von De Vita Mosis und Expositio Legis wahrscheinlich. Das auffallende „Sonderleben“ der Vita Mosis wird von F. S IEGERT [a.a.O., 180] mittels ihrer Entstehung vor den anderen Werken der Expositio Legis erklärt: „he felt no need to re-write it when he incorporated it afterwards into the series“. Diese These wird durch die Beobachtung gestützt, dass zu Beginn von De Vita Mosis I keine Bezugnahme auf vorangegangene Werke geschieht. Vgl. nur M. B ÖHM, a.a.O., 219 Anm. 436. 285 Vgl. dazu F. SIEGERT, Early Jewish Interpretation, 179f. Für Abraham vgl. auch W.E. HELLEMAN, Philo on Deification, 59f. Für Mose D.T. RUNIA, God and Man in Philo, 53. 286 Thema des Sinnabschnitts 2 Kor 3,7–18, an dessen Spitze das auf die gesamte christliche Gemeinde ausgeweitete OGVCOQTHQWUSCK-Motiv steht, ist die unvergleichlich höhere theologische Dignität der „neuen“FKCSJMJ gegenüber der „alten“ FKCSJMJ. Wie in der Einzelversanalyse in Unterpunkt 3.3.3.4 ausgeführt, ist in 2 Kor 3,12 eine Zäsur zu setzen. Der Text umfasst somit zwei Teile: In 2 Kor 3,7–11 wird der paulinische Dienst im Vergleich zum mosaischen Dienst abgehandelt. Die VV.12–18 handeln von der christlichen Gemeinde als Legitimation des paulinischen Dienstes, wobei die Thematik in Abgrenzung von der Synagogengemeinde unter der Topik Verhüllung/Enthüllung abgehandelt wird. Vgl. zum Aufbau von 2 Kor 3,7–18 die Ausführungen bei Th. SCHMELLER, EKK-2 Kor I, 194–196. Zur theologischen Begründung der intendierten Abgrenzung des paulinischen Dienstes vom mosaischen legt Paulus eine spezifische Auslegung von Ex 34,29–35 LXX vor. Diese paulinische Interpretation wird in 2 Kor 3,7 mit der Aussage von der FQZCVQW RTQUYRQW des Mose eingeleitet, wo jedoch keine bloße Rezeption, sondern eine sehr spezielle Interpretation des zugrunde liegenden Septuagintatextes erfolgt. Nach 2 Kor 3,7 geschah die FKCMQPKC VQW SCPCVQW in FQZC. Dieser Gedanke wird in V.9 noch einmal thematisch variiert – GKX ICT VJ^ FKCMQPKC ^ VJL MCVCMTKUGYL FQZC – und in V.10 weitergeführt, wo die mosaische FKCMQPKC als VQ FGFQZCUOGPQP bezeichnet wird. In den VV.7–10 unterscheidet Paulus im strengen Sinne zwischen der vergänglichen FQZC auf dem Angesicht des Mose und der FQZC der mosaischen FKCMQPKC Beide FQZCKstehen in einem spezifischen Verhältnis zueinander. Der „Lichtglanz“ auf dem Gesicht des Mose ist „Reflex der in dem Mose-‚Dienst‘ selbst erfolgenden FQZC-Manifestation“. Mit O. HOFIUS, 2 Kor 3, 90. Lebt die Versfolge 7–10 mitsamt der in ihr dominierenden Schlüsse a minori ad maius (VV.7f.9) von der Gegenüberstellung der beiden FKCMQPKC K FKCMQPKC VQW SCPCVQWVJL MCVCMTKUGYL WPF FKCMQPKC VQW RPGWOCVQLVJL FKMCKQUWPJL, so führt V.11 – ohne explizite Nennung des Lexems – die Gegenüberstellung der beiden FKCSJMCK ein:VQMCVCTIQWOGPQP RCNCKCFKCSJMJ) undVQOGPQP MCKPJFKCSJMJ
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
351
eine Aussage zur FQZC-Manifestation des mosaischen Dienstes, die sich in recht freier Form auf Ex 34,29–35 LXX bezieht.287 Es fällt jedoch auf, dass die paulinische Aussage in leichter Spannung zu Ex 34,30a LXX (MCK GK FGP $CTYP MCK RCPVGL QKB RTGUDWVGTQK ,UTCJN VQP /YWUJP MCK J P FGFQZCUOGPJ JB Q[KL VQW ETYOCVQL VQW RTQUYRQW CWXVQW) und Ex 34,35a (MCKGK FQPQKBWKBQK,UTCJNVQRTQUYRQP/YWUJQ=VKFGFQZCUVCK) steht und auf das Motiv der Furcht aus Ex 34,30b (MCK GXHQDJSJUCPGXIIKUCKCWXVQW) anspielt. Insbesondere zwei Details sind es, die in der paulinischen Auslegung keinen Anhalt am Septuagintatext haben: 1. Die Bezeichnung der FQZC als MCVCTIQWOGPJ und 2. die Unfähigkeit der WKBQK ,UTCJN, die von Mose ausgehende FQZC ertragen zu können.288 Für unsere Fragestellung ist der zweite Aspekt von besonderer Wichtigkeit. Nach exegetischer Mehrheitsmeinung bezieht sich Paulus mit seiner Aussage in 2 Kor 3,7b auf eine „altjüdische Auslegungstradition“, für die Philo der maßgebliche Zeuge ist.289 Durch die Aussage VGSJRGPCK MCK MCVCRGRNJESCK (VitMos II 70) variiert Philo die oben zitierte Aussage in Ex 34,30b. Paulus und Philo berühren sich entgegen dem Prätext der Septuaginta darin, dass die Israeliten aufgrund des überwältigenden Glanzes den Anblick des Mose nicht ertragen konnten: Während nach der Aussage des Paulus in 2 Kor 3,7 die Söhne Israels den von Mose ausgehenden Glanz nicht anschauen konnten (Y=UVG OJ FWPCUSCK CXVGPKUCK VQWL WKBQWL 8,UTCJNGKXLVQ RTQUYRQP/YW"UGYL), spricht Philo von der Unfähigkeit der Israeliten, das Strahlen des aufblitzenden sonnenhaften Glanzes länger auszuhalten: MCK OJF8GXRK RNGQPCXPVGEGKPVQKL QXHSCNOQKLFWPCUSCK MCVC VJPRTQUDQNJPJBNKQGKFQWLHGIIQWLCXRCUVTCRVQPVQL.290 287 Im Septuagintatext Ex 34,29–35 findet sich an drei Stellen eine Form von FQZC\GKPim Perfekt Passiv. Zwei davon berichten von der Außenwirkung der Hautfarbe des Gesichtes Moses (V.29: FGFQZCUVCK; V.30: J P FGFQZCUOGPJ). In V.35 wird das RTQUYRQP Moses selbst angesprochen: FGFQZCUVCK. Alle drei geben die in Ex 34,29f.35 belegte hebräische WurzelUTwieder. Angesprochen ist das strahlende Glänzen des Gesichtes des Mose infolge der Begegnung mit Gott. Diese Begegnung des Mose mit Gott bewirkt die „Verklärung“ des Gesichtes Moses. Vgl. G. KITTEL, Art. FQMGY MVN. In: ThWNT II (1935), 257. Zur Übersetzung des in der LXX gebrauchten Lexems FGFQZCUSCKschlägt Ph. VIELHAUER [Paulus und das AT, 210f.] überzeugend vor: „strahlend geworden sein“. 288 Vgl. z.B. Th. SCHMELLER, EKK-2 Kor I, 200. 289 Vgl. für viele O. HOFIUS, 2 Kor 3, 92f. VitMos II 70 wird neuerdings auch von Th. SCHMELLER [EKK-2 Kor I, 201] angeführt. 290 Vom Gesicht des Mose spricht Philo in VitMos II 70 nicht ausdrücklich, doch wird er an dieses beim Ausdruck RQNW MCNNKYPVJPQ[KPprimär, wenngleich nicht exklusiv, gedacht haben. So auch O. HOFIUS, 2 Kor 3, 93 Anm. 112.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Im Folgenden ist der Frage nachzugehen, was der zur Exegese von 2 Kor 3,7 herangezogene Text Philos VitMos II 66–76, bes. 69f. zur Eruierung des theologischen Wurzelgrundes von Mk 9,2–8 beitragen kann. Die Vermutung, dass hinter der markinischen Verklärungsperikope „die SinaiTradition in ihrer hellenistisch-jüdischen Fassung“ steht (VitMos II 69f.; Quaest in Ex II 29–45), für die Philo der wichtigste Zeuge ist, hat G. Sellin in wünschenswerter Klarheit in die exegetische Diskussion eingebracht291, jedoch nicht weiter ausgeführt. Ich halte diesen Forschungsansatz nach wie vor für am besten geeignet, die Herkunft der Verklärungsperikope zu eruieren. Dem von Sellin gemachten Fingerzeig auf die Sinai-Tradition in ihrer hellenistischen Fassung ist nun im Folgenden im Detail und in einer größeren Breite nachzugehen. 4.3.3 Die Gedankenentwicklung in VitMos II 66–76 Bereits vor der eigentlichen Auslegung dieses Textes Philos fällt ins Auge, dass das von der Septuaginta allenfalls vorsichtig angedeutete Epiphaniefurcht-Motiv (vgl. 34,30b: MCK GXHQDJSJUCP GXIIKUCK CWXVQW) bei Philo und im Mk-Text stark ausgearbeitet wird. Die Furcht der Epiphanie-Zeugen in Reaktion auf die Verwandlung genießt bei Philo und im Mk-Text eine starke Betonung (vgl. VitMos II 70; Mk 9,6) und steuert die Rezeption des jeweiligen Textes. Philo berichtet in seinem apologetisch ausgerichteten, sowohl einen jüdischen als auch nicht-jüdischen Leserkreis292 voraussetzenden und der Enkomienliteratur zugehörigen Werk293 De Vita Mosis, das er selbst in die Gattung der DKQK einreiht294, von verschiedenen Verwandlungen des Mo291
Vgl. G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 245f. Vgl. aber auch U.B. M ÜLLER, „Sohn Gottes“, 21. 292 Die Intention des Werkes De Vita Mosis spricht Philo in VitMos I 1 deutlich aus. Sein Ziel ist demnach, Mose solchen Kreisen, „die würdig sind, mit ihm nicht unbekannt zu bleiben, bekannt zu machen“ (… MCK IPYTKOQP VQKL CXZKQKL OJ CXIPQGKP CWXVQP CXRQHJPCK). Vgl. auch W. V. CHRIST, Geschichte II 1, 645. Treffend formuliert dazu E.R. GOODENOUGH [Philo’s Exposition of the Law and his De Vita Mosis, 124]: De Vita Mosis sei verfasst „to serve as the first presentation of the Jewish point of view to be given to a gentile who showed genuine interest in the Jews but as yet knew little about them. If the treatise succeeded in its purpose, it would awaken an interest in the reader to go on to the more detailed expositon of the Pentateuch suggested in De Vita Mosis itself.“ Vgl. zum Adressatenkreis der Vita Mosis auch D.T. RUNIA, God and Man in Philo, 53. 293 Mit P.L. SHULER, Philo’s Moses, 91. 294 Vgl. dazu bereits den Eingangsvers in VitMos I 1: /YWUGY L VQW MCVC OGP VKPCL PQOQSGVQW VYP 8,QWFCKYP MCVC FG VKPCL GBTOJPGYL PQOYP KBGTYP VQP DKQP CXPCITC[CK FKGPQJSJP CXPFTQL VC RCPVC OGIKUVQW MCK VGNGKQVCVQW MCK IPYTKOQP VQKL CXZKQKL OJ CXIPQGKPCWXVQPCXRQHJPCK Vgl. zu VitMos I 1f. bes. P.L. Shuler, Philo’s Moses, 91f.: De Vita Mosis als „encomiastic treatment“. Zur Einstufung von VitMos I in die Gattung der hellenistischenDKQK vgl. auch W. V. CHRIST, Geschichte II 1, 645.
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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se.295 Begriffsgeschichtlich besonders interessant ist die Tatsache, dass eine der Verwandlungen des Mose mittels des im jüdisch-hellenistischen Bereich extrem seltenen und in der LXX bekanntlich ein Desiderat bildenden Lexems OGVCOQTHQWUSCK expliziert wird. In VitMos I 51–62 legt Philo eine Nacherzählung von Ex 2,15–22 vor. Mose kommt den Töchtern des Priesters von Midian gegen die diese am Brunnen bedrängenden fremden Hirten zu Hilfe. Während seiner an die Adresse der Hirten gerichteten Schimpfrede erfährt Mose eine Verwandlung in einen Propheten. In VitMos I 57 heißt es: VCWVC FKGZKQPVQL HQDJSGPVGL GXRGK MCK NGIYP C=OC GXPGSQWUKC OGVCOQTHQWOGPQL GKXL RTQHJVJP OJ ETJUOQWL MCK NQIKC SGURK\GK … – „Als er redete, wurden sie [scil. die Hirten] von Furcht erfüllt, als er in Verzückung sprach, wurde er in einen Propheten verwandelt, (sie fürchteten) dass er Orakelsprüche sprechen werde …“
VitMos I 57 und VitMos II 69f. verbindet, dass es sich hier wie dort um eine zeitweilige Verwandlung handelt. Diese Tatsache haben die Texte mit dem sogleich zu analysierenden Text Quaest in Ex II 29 gemeinsam. Beide Texte verbindet der Zug, dass der „Beweis“ der erfolgten Verwandlung über die „Außenwirkung“ des Mose geführt wird: Wie der Priester von Midian die erfolgte „Verwandlung“ in einen Propheten am äußeren Erscheinungsbild des Mose ablesen kann, das ihn in Erstaunen versetzt (QB FG RCVJTVJPOGPQ[KPGWXSWLVQ FG DQWNJOCQXNKIQPW=UVGTQPMCVCRNCIGKL – „der Vater wurde sogleich wegen des Aussehens, später wegen der Willensstärke in Erstaunen versetzt“, vgl. VitMos I 59), so werden auch die Israeliten am Fuße des Sinai durch das äußere Erscheinungsbild, insbesondere den sonnenhaften Glanz (JBNKQGKFJL) des Mose „verblüfft“. Das Ergriffen-Werden mit Furcht aufseiten der Hirten erklärt sich dadurch, dass diese die Erfüllung befürchteter Orakelsprüche erwarteten, sodass die erfolgte Verwandlung als Legitimation des mosaischen Prophetenamtes fungiert, wie die in VitMos II 69f. dargestellte Verwandlung diesen in seiner Funktion als Oberpriester legitimiert. 295
Zu beachten ist die unterschiedliche Terminologie, mit der die Verwandlung des Mose bei Philo kommuniziert werden kann. Vgl. VitMos I 57: GXRGK MCK NGIYP C=OC GXPGSQWUKC OGVCOQTHQWOGPQL GKXL RTQHJVJP IKPGVCK MCVCRPGWUSGKL WBRQ VQW GKXYSQVQLGXRKHQKVCPCWXVY^ RPGWOCVQLMCK SGURK\GKRTQHJVGWYPVCFGŗVitMos II 69f.: s.o.; 250:QB FG RTQHJVJL … QWXMGV8Y PGXPGBC WVY^ SGQHQTGKVCKMCK SGURK\GKVCFG…; GXZCNNCVVGVCK VQ VG GK FQL MCK VJP FKCPQKCP MCK GXRKSGKCUCL HJUK …; GXPSQWUKC^ OGVCDCNYPGKXLRTQHJVJP s.o. Das Verb OGVCDCNNGKP fungiert in der Koine zusammen mitCXNNQKQY WPFGBVGTQKQYals Synonym vomOGVCOQTHQWUSCKVgl. dazu die Belege bei J. B EHM, Art. OQTHJ MVN In: ThWNT IV (1942), 763. Vgl. ferner Euripides Bacch. 53f.: YPQW=PGM8GK FQLSPJVQPCXNNCZCLGEYOQTHJPV8GXOJPOGVGDCNQPGKXLCXPFTQL HWUKP – „Ich tauschte mir sterbliches Aussehen ein und wandelte meine Gestalt in die Art eines Menschen.“ (Dionysos). Vgl. auch Platon Rep. 424c: GK FQL MCKPQP OQWUKMJL OGVCDCNNGKPErinna in PSI 9.1090.53:OGVGDCNNGV8QXRYRCP(vgl. LIDDELL-SCOTT, 1110).
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Die in De Vita Mosis geschilderten Verwandlungen können somit unabhängig vom Sinaiereignis erfolgen, den prominentesten Verwandlungstext bietet Philo aber innerhalb seiner haggadischen Lektüre des SinaiVerwandlungsgeschehens (vgl. Ex 34,29–35 LXX) in VitMos II 66–76. Die Verwandlung des Mose ereignet sich hier beim Offenbarungsempfang auf dem heiligen Berg und spricht den Zusammenhang von Inspiration und Verschönerung an. Ein Wort zum Kontext: Nach einer freien Nacherzählung der mosaischen Vita im ersten Band, die mit einem Schwerpunkt auf seiner Funktion als Herrscher erzählt wird296, stellt sich Philo zu Beginn des zweiten Buches die Aufgabe, die Funktion des Mose als König297 und Philosoph, als Gesetzgeber (PQOQSGVJL)298 und Oberpriester sowie als Prophet des Volkes der Hebräer darzulegen. Programmatisch ist hier VitMos II 2: QB F8GXMRGTKVVQW HCPGKVCKOJ OQPQPVCWVCLGXRKFGFGKIOGPQLVCLFWPCOGKLGXPVCWXVY^VJP VG DCUKNKMJP MCK HKNQUQHQP CXNNC MCK VTGKL GBVGTCL YP JB OGP RTCIOCVGWGVCK RGTK PQOQSGUKC P JB FG RGTK CXTEKGTYUWPGP JB FG VGNGWVCKC RGTK RTQHJVGKC P – „Es soll sich nun zeigen, dass Mose über das gewöhnliche Maß hinausgehend nicht nur die aufgezeigten Fähigkeiten des Königs und des Philosophen hatte, sondern auch drei weitere, von denen eine sich in Sachen der Gesetzgebung bestrebt, die zweite in Sachen des Oberpriestertums und die letzte in Sachen der Prophetie.“
296
Vgl. dazu B.L. MACK, Moses on the Mountain Top, 20. Vgl. dazu allgemein E.R. GOODENOUGH, Politics of Philo Judaeus, Kap. V. Ferner D.T. RUNIA, God and Man in Philo, 54; D. ZELLER, Jesus als vollmächtiger Lehrer, 308. Philo skizziert Mose in VitMos I 148–162 als vorbildlichen König. Seine Mose-Skizze berührt sich auffallend eng mit dem bereits besprochenen, auf Abraham übertragenen hellenistischen Königsideal (Virt 216–218). Wie bei Abraham gründet sich auch das Königtum Moses nicht auf Waffengewalt, sondern auf Tugendhaftigkeit. Vgl. VitMos I 148: VQWVYP CBRCPVYP JBIGOYP GXEGKTQVQPGKVQ /YWUJL VJP CXTEJP MCK DCUKNGKC P NCDYP QWXE Y=URGT GPKQK VYP GXRK VCL FWPCUVGKC L YXSQWOGPYP Q=RNQKL MCK OJECPJOCUKP KBRRKMCKL VG MCK RG\KMCKL MCK PCWVKMCKL FWPCOGUKP CXNN8 CXTGVJL G=PGMC MCK MCNQMCXICSKCL MCK VJL RTQL C=RCPVCL GWXPQKC L … Wie im Falle des Abraham ist das Königtum des Mose durch konsequente Tugendhaftigkeit gekennzeichnet. Vgl. VitMos I 152–154. Noch stärker als in Virt 218 (… CXNNC EGKTQVQPKC^ SGQW VQW HKNCTGVQW VQWL GWXUGDGKC L GXTCUVCL CWXVQMTCVGUKP GXZQWUKCKL IGTCKPQPVQL GXR8 YXHGNGKC^ VYP UWPVWIECPQPVYP) werden in VitMos I 155f. die „unbeschränkten Vollmachten“ des „Königs“ Mose ausgearbeitet, wobei Mose in den „Rang eines Mitherrschers“ über die göttliche Schöpfung versetzt wird. Vgl. zu diesem Gedanken Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 97f. Wie Abraham als Vorbild für alle Tugendsuchenden präsentiert wird (vgl. Virt 219:QWVQLC=RCUKPGXRJNWVCKLGWXIGPGKCL GXUVK MCPYP …), so wird Mose in VitMos I 158–161 als Vorbild für alle Herrschenden eingeführt. 298 Vgl. dazu D. ZELLER, Jesus als vollmächtiger Lehrer, 310f.: „So will Philo, Vita Mosis II 12ff darlegen, daß Mose der beste von allen Gesetzgebern war und daß seine Gesetze vortrefflich, ja wahrhaft göttlich sind. Er mißt seinen Entwurf unausgesprochen an Platons Politeia und an den Nomoi und hält Mose für allen andern überlegen, weil er mit der Schöpfungsgeschichte begann.“ 297
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
355
Nach einleitenden Ausführungen zur umfassenden Funktion des Mose als König, Gesetzgeber, Priester und Prophet (VitMos II 4–7) widmet sich Philo zunächst der gesetzgeberischen Funktion des Mose (VitMos II 8–65). In Abschnitt 66–186, in den auch die Ausführungen über seine Verwandlung auf dem Sinai platziert sind, spricht er über sein Amt als Oberpriester. Von besonderem exegetischen Interesse für die Interpretation der markinischen Verklärungsperikope ist dabei der Abschnitt 66–76, in dem Philo auf die „Verwandlung“ des Mose im Zusammenhang des Sinai-Ereignisses zu sprechen kommt. Zwei Beobachtungen fallen gegenüber dem Prätext von Ex 34,29–35 LXX und der angesprochenen paulinischen Passage in 2 Kor 3,7–18 ins Auge: Es fällt zunächst auf, dass in dieser Auslegung Philos die „Verwandlung“ des Mose im Zusammenhang seiner Einsetzung zum höchsten Priester, nicht aber im Zusammenhang des Gesetzesempfangs berichtet wird.299 Sodann ist auffällig, dass Philo an dem in Ex 34,33–35 LXX und 2 Kor 3,13–16 zentralen Begriff MCNNWOC kein Interesse an den Tag legt. Der Text VitMos II 66–70 wird in dieser Studie in folgender eigenverantworteter Übersetzung und Kolometrie analysiert: 66
66
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'WQOGPJFJOGTJVQWDKQW/YWUGYLFKGZGNJNWSCOGP VQVGRGTKDCUKNGKCLMCKPQOQSGVKMJL> VTKVQPFGRTQUCRQFQVGQPVQRGTKKBGTYUWPJLx Q?VQKPWPOGIKUVQPMCKCXPCIMCKQVCVQPCXTEKGTGKRTQUGKPCK FGKVJPGWXUGDGKCPGXPVQKLOCNKUVCQWVQLJUMJUGP C=OCMCKHWUGYLGWXOQKTKC^ETJUCOGPQL J?PY=URGTCXICSJPCTQWTCPHKNQUQHKCRCTCNCDQWUC FQIOCVYPSGYTKC^RCIMCNYPGXDGNVKYUG MCKQWXRTQVGTQPCXPJMGPJ VGNGKQIQPJSJPCKVQWLCXTGVJL MCTRQWLFKCVGNQIYPMCKRTCZGYPx
a b c d
Zwei der Teile des Lebens des Mose haben wir geschildert, die über (seine) Herrschaft und Gesetzgeberschaft, einen dritten über sein Priestertum haben wir hinzuzufügen. Die Frömmigkeit/Gottesfurcht300, die größte und notwendigste Tugend für einen Hohenpriester, übte er ganz besonders aus, gleichzeitig von einer natürlichen, glücklichen Beschaffenheit unterstützt,
e
299
Dies ist mit B.L. MACK [Moses on the Mountain Top, 17] auch für Quaest in Ex II 27–49 festzustellen: „It is at least most interesting that Philo did not tell the story of Moses on the mountain as the story of Moses’ reception of the law.“ 300 Vgl. zur Übersetzung von GWXUGDGKCAnm. 303.
3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
356 f
g 67
67
die von der Philosophie, die sie wie ein guter Acker übernahm, durch die Erkenntnis wunderschöner Lehren verbessert wurde und nicht früher aus ihrer Schule entließ, bis dass vollendet waren die Früchte der Tugend in Worten und Taten.
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VQKICTQWPOGV8QXNKIYPCNNYPHKNQSGQLVGMCKSGQHKNJL GXIGPGVQ MCVCRPGWUSGKLWBR8GTYVQLQWXTCPKQW MCKFKCHGTQPVYLVKOJUCLVQPJBIGOQPCVQWRCPVQLMCK CXPVKVKOJSGKLWBR8CWXVQW> VKOJF8CBTOQVVQWUCUQHY^SGTCRGWGKPVQRTQLCXNJSGKCPQP> KBGTYUWPJFGSGTCRGKCPGXRKVGVJFGWMGSGQWx VQWVQWVQWIGTYLQWOGK\QPCXICSQPGXPVQKLQW UKPQWXM GXUVKPJXZKQWVQ ETJUOQKLG=MCUVCVYPGKXLVCLNGKVQWTIKCLMCKKBGTCL WBBRJTGUKCLCXPCFKFCUMQOGPQLx
a
Daher nun – wie wenige andere – wurde er Gottesfreund und Liebling Gottes, begeistert von himmlischer Liebe, ganz besonders fürchtend den Herrscher des Alls und selbst von ihm geehrt. Die aber dem Weisen angemessene Ehre ist, dem wahrhaft Seienden zu dienen. Das Amt des Priesters ist der Dienst Gottes. Dieses Amtes – ein größeres Gut gibt es auf der Welt nicht – wurde er für würdig gehalten, indem er durch göttliche Offenbarungen über jeglichen Priesterdienst und jeglichen heiligen Dienst gründlich belehrt wurde.
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GFGKFGRTQVGTQPY=URGTVJP[WEJPMCKVQUYOC MCSCTGWUCK OJFGPQLRCSQWLRTQUC[COGPQP CXNN8CBIPGWUCPVCCXRQRCPVYPQ=UCVJLSPJVJLGXUVKHWUGYL UKVKYPMCKRQVYPMCKVJLRTQLIWPCKMCLQBOKNKCLx
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a b c
Zuvor musste wie die Seele auch der Körper rein sein, indem er keine Leidenschaften an sich haften ließ, sondern sich reinigte von allem, was zur sterblichen Natur gehört, von Speise und Trank und dem Verkehr mit Frauen.
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4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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h i 70
70
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CXNNCVCWVJLOGPGXMRQNNYPETQPYPMCVGHTQPJUG MCKUEGFQPCXH8QWVQRTYVQPJTZCVQRTQHJVGWGKPMCK SGQHQTGKUSCK RTQUJMQPJBIQWOGPQLG=VQKOQPGXORCTGEGKPCXGKVQKLETJUOQKL GBCWVQP> UKVKYPFGMCKRQVYPGXRKJBOGTCLVGUUCTCMQPVCGBZJL JXNQIJUG FJNQPQVKVTQHCLGEYPCXOGKPQWLVCLFKCSGYTKCL CKLCPYSGPCXR8QWXTCPQWMCVCRPGQOGPQL VJPOGPFKCPQKCPVQRTYVQPGRGKVCFGMCKVQUYOCFKC VJL[WEJLGXDGNVKQWVQ MCS8GBMCVGTQPRTQLVGKXUEWPMCKGWXGZKCPGXRKFKFQWL YBLVQWLKXFQPVCLW=UVGTQPCXRKUVGKPx Diese ließ er über eine lange Zeit unbeachtet, beinahe seitdem er seine Tätigkeit als Prophet und Gott begeisterter begann, weil er es für seine Pflicht hielt, sich stets selbst den göttlichen Offenbarungen darzubieten. Speise und Trank beachtete er über 40 Tage nacheinander nicht, weil er offenbar bessere Speise hatte durch die Betrachtungen, durch welche er von oben, vom Himmel her begeistert wurde, und zuerst im Hinblick auf das Denkvermögen und dann auch im Hinblick auf den Leib unter Einwirkung der Seele verbessert wurde, in beiden an Kraft und Wohlbefinden wachsend, sodass die ihn später Sehenden es nicht glauben konnten.
a b c d e f
GKXLICTQTQLWB[JNQVCVQPMCKKBGTYVCVQPVYPRGTKVQP VQRQPCXPGNSYPRTQUVCZGUKSGKCKL Q=RGTCXRTQUKVQPMCKCDCVQPJ P GKXLGXMGKPQPNGIGVCKFKCOGKPCKVQPETQPQPQWXFGP GXRKHGTQOGPQLVYPGKXLCXPCIMCKCLCXRQNCWUKPVTQHJLJBOGTCKL W=UVGTQPYBLGXNGESJVGUUCTCMQPVCMCVGDCKPGRQNWMCNNKYP VJPQ[KLJ Q=VGCXPJ^GK YBLVQWLQBTYPVCLVGSJRGPCKMCKMCVCRGRNJESCK MCKOJF8GXRKRNGQPCXPVGEGKPVQKLQXHSCNOQKLFWPCUSCKMCVC VJPRTQUDQNJPJBNKQGKFQWLHGIIQWLCXRCUVTCRVQPVQLx
a
Denn als er auf göttliche Anweisung hin auf den höchsten und heiligsten Berg in der Umgebung hinaufstieg,
3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
358 b c d
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der sonst unzugänglich und unbestiegen war, blieb er dort – so heißt es – die Zeit, ohne etwas zum Genuss der notwendigen Ernährung mitzunehmen, 40 Tage später – wie gesagt – stieg er herab, viel schöner in der äußeren Erscheinung/im Gesicht (?) als zum Zeitpunkt des Aufstiegs, sodass die ihn Anschauenden verwundert und frappiert waren und mit den Augen nicht länger standhalten konnten wegen des Übermaßes des ausstrahlenden sonnenhaften Glanzes.
Philo berichtet in dem vorgestellten Text von einer Verwandlung des Mose im Zusammenhang seiner Einsetzung zum obersten Priester.301 Durch die auf dem Verwandlungsberg genossenen SGYTKCK wird er zugleich zum entscheidenden Offenbarungsträger.302 Voraussetzung dieser Einsetzung ist die der Verwandlung vorausgehende natürliche Begabung Moses mit Gottesfurcht (GWXUGDGKC)303, die mit der Philosophie eine vollendete Verbindung eingeht (VitMos II 66). Als Ort des Offenbarungsempfangs und der mit diesem verbundenen „Verwandlung“ gibt Philo in VitMos II 70 einen QTQL WB[JNQVCVQP MCK KBGTYVCVQP (vgl. Mk 9,2a: GKXL QTQL WB[JNQP) an. Das mit dem Bergaufstieg vorliegende esoterische Absonderungsmotiv wird durch 301
Zum Motiv „Mose als höchster Priester“ vgl. z.B. auch Praem 56; Sacr 130; Her
182. 302
So auch U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 21. Bei Philo liegt bekanntlich ein extensiver Gebrauch des Wortfeldes GWXUGDGKC MVN. vor. Nach der Konkordanz von P. B ORGEN; K. FUGLSETH; R. SKARSTEN [The Philo Index: A Complete Greek Word Index to the Writings of Philo of Alexandria Lemmatised and Computer Generated, Trondheim 1997] finden sich das Substantiv GWXUGDGKC 162-, das Verb GWXUGDGY 16- und das Adjektiv GWXUGDJL 18-mal im Corpus Philonicum. Deutlich ist das Bestreben Philos, die GWXUGDGKC zur Quelle aller Tugenden zu erklären, wobei der Gebrauch – bis auf wenige Ausnahmen (Kaiser/Eltern) – religiös geprägt ist und das Verhalten des Menschen gegenüber Gott bezeichnet. Vgl. W. FOERSTER, Art. UGD QOCK MVN In: ThWNT VII (1964), 179. Vgl. auch D. KAUFMANN-B ÜHLER, Art. Eusebeia. In: RAC VI (1966), Sp. 1020. Die GWXUGDGKC wird z.B. in SpecLeg IV 97.147; Praem 53; Virt 95 und Decal 52 als die höchste der Tugenden bezeichnet. In SpecLeg IV 135 spricht Philo von der GWXUGDGKC als JBIGOQPKLVYPCXTGVYP(vgl. auch Decal 119; Abr 114.270). In Decal 52 trägt sie den TitelCXTEJ CXTGVYP. Dementsprechend ist für Philo die CXUGDGKCVQ OGIKUVQPMCMQP (Congr 160, vgl. auch Fug 61). Deutlich ist das Bestreben Philos, Mose gegenüber den Patriarchen „die absolut höchste Stufe des Tugendideals“ zuzusprechen (mit M. B ÖHM, Rezeption und Funktion, 219), womit die nachdrückliche Zuordnung der GWXUGDGKC zu Mose eng zusammenhängt. Programmatisch hierzu ist z.B. Virt 175: )KNCTGVQL MCK HKNQMCNQL MCK FKCHGTQPVYL HKNCPSTYRQL Y P QB KBGTYVCVQL /YWUJL RTQVTGRGK VQWL RCPVCEQW RCPVCL GWXUGDGKCL MCK FKMCKQUWPJL GK PCK \JNYVCL … Zum GWXUGDGKC-Begriff Philos vgl. auch G.E. STERLING, „The Queen of Virtues“, passim.; D. W INSTON, Philo’s Ethical Theory, 395f. 303
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
359
die Zusatznotiz Q=RGT CXRTQUKVQP MCK CDCVQP JP nochmals gesteigert. Der Einsetzung des Mose zum höchsten Priester geht eine vierzigtägige Zeit der Askese voraus, die ihn für den Offenbarungsempfang zu disponieren hat. Der Verzicht auf Speise, Trank und sexuellen Verkehr dient nach philonischem Verständnis als Propädeutik des Offenbarungsempfangs (vgl. VitMos II 68)304, da die Askese der „besseren Speise“ mittels der SGYTKCK den Weg zu bereiten habe.305 Diese sodann durch den Offenbarungsempfang bereitete „bessere Speise“ (vgl. VitMos II 69: VTQHCLGEYPCXOGKPQWL) hält Mose auf dem Offenbarungsberg durchgängig frei von den üblichen leiblichen Bedürfnissen.306 Die bessere Speise mittels der SGYTKCK kom Vergleichend heranzuziehen sind Texte wie Dan 9,3f.; 10,2–5; 4 Esr 5,13–15.20; 6,31.35; syrBar 20,5–21,1; ApkAbr 9,4–8. Häufig in der rabbinischen Literatur, hier besonders in Verbindung mit einer Deutung von Ex 24. So z.B. im Midrasch ARN Vers 1 Kap. 1. Vgl. zu diesem Komplex bes. F. BÖHL, „Askese“ vor dem Offenbarungsempfang, 83–104. Ferner F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 31. Zum Motiv der Askese bei Philo vgl. auch Som I 124 und All III 141f. In All III 141f. wird das Motiv der Askese zur Vorbereitung des Offenbarungsempfangs des Mose nochmals gesteigert: … QWXEK OGTQLVKCXNN8QW=VYMCVCHTQPJVKMYL [scil. dieJBFQPCK.×UVG?GUEJMGPCWXVJLY=UVGQWXFG VC CXPCIMCKC UKVKCJ RQVC RTQUKGVCKSGYTKC^ VYPSGKYPVTGHQOGPQL. Ein vergleichbarer Gedanke eines Konnex’ von Askese und Inspiration findet sich auch in Platons Phaidros. In der Auslegung der philonischen Deutung des ersten Sinaiaufstiegs Moses (Quaest in Ex II 29 zu Ex 24,2) in Unterpunkt 4.4 dieses Kapitels ist die Sättigung des vorgelegten Gedankengangs mit dem platonischen Phaidros entlehnten Motiven aufzuweisen. In Phaidr. 249c–d heißt es: GXZKUVCOGPQL FG VYP CXPSTYRKPYP URQWFCUOCVYP MCK RTQL VY^ SGKY^ IKIQOGPQL PQWSGVGKVCK OGP WBRQ VYP RQNNYP YBL RCTCMKPYP GXPSQWUKC\YP FG NGNJSG VQWL RQNNQWL – „weil er aber vom Treiben der Menschen sich absetzt und dem Göttlichen sich widmet, wird er von der Menge gescholten, als wäre er von Sinnen, daß er aber voll des göttlichen Geistes ist, merken sie nicht.“ Übersetzung nach E. HEITSCH, Phaidros. Übersetzung und Kommentar, 34. 305 Als Ziel des Fastens und der Enthaltsamkeit nennt Philo innerhalb eines Exkurses zur Tugenderziehung in VitMos II 184f. vor allem die Stärkung der Urteilskraft (NQIKUOQL): „Denn in Ueppiglebenden, seelisch Verweichlichten und körperlich infolge täglicher, unausgesetzter Schwelgerei entnervten Menschen kann Tugend nicht wohnen … Aber in Wahrheit sucht die hochheilige Vereinigung von Einsicht, Mässigung, Tapferkeit und Gerechtigkeit die Strebenden und alle die auf, die nüchterner, harter Lebensführung in Enthaltsamkeit [GXIMTCVGKC] und Standhaftigkeit [MCTVGTKC] mit Einfachheit und Anspruchslosigkeit sich hingeben, wodurch die bedeutendste unserer Fähigkeiten, die Urteilskraft [NQIKUOQL], zu fester Gesundheit [WBIKGKC] und zum Wohlbefinden [GWXGZKC ] fortschreitet, indem sie den schweren Widerstand des Körpers niederwirft, den Trinken und Schlemmen, Geilheit und die anderen unersättlichen Begierden stärken, da sie Wohlbeleibtheit erzeugen, die Gegnerin einsichtigen Sinnes [CXIEKPQKC]“. (Übersetzung nach B. B ADT). 306 In Philos Exegese von Ex 24,11 in Quaest in Ex II 39 ist es die Gottesschau mit den Augen desPQWL , die als „Speise der Seele“ dient. Vergleichend heranzuziehen ist der in rabbinisch-mystischer Literatur begegnende Gedanke, wonach der Fromme vom Glanz der Schekhina ernährt wird. Vgl. zu diesem Motiv die Belege und Ausführungen bei I. CHERNUS, Mysticism in Rabbinic Judaism, 74–87 („Nourished by the Splendor of the 304
360
3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
pensiert den Mangel an elementaren körperlichen Notwendigkeiten.307 Zugleich fungiert die „propädeutische“ Askese rückwirkend als „Beweis“ der himmlischen Inspiration, da trotz eines solch radikalen Fastens die Schau des Mose eine derartige Verbesserung auch des Leibes zur Folge hat, dass sein Anblick für die Israeliten nicht zu ertragen ist (vgl. VitMos II 70: … MCK OJF8GXRK RNGQPCXPVGEGKPVQKLQXHSCNOQKLFWPCUSCKMCVC VJP RTQUDQNJP JBNKQGKFQWL HGIIQWL CXRCUVTCRVQPVQL). Schau und göttlicher GXPSQWUKCUOQL haben eine verwandelnde Funktion, die sich in einer „Verbesserung“ zunächst seiner geistigen, sodann auch seiner somatischen Konstitution zeigt (VitMos II 69: FKCPQKCP VQ RTYVQP GRGKVC FG MCK VQ UYOCFKC VJL[WEJLGXDGNVKQWVQ …)308, wobei die Angabe, wie sich Schau und Inspiration exakt zueinander verhalten (kausal/additiv), ein Desiderat bleibt.309 Die Inspiration des Mose wird als ein göttlich veranlasstes Geschehen gedeutet. Die Initiative geht eindeutig von Gott aus, wie Philo in zwei AnShekinah“); A. GOLDBERG, Rabban Yohanans Traum, 15–17. Zur Speise durch die Betrachtung des Engels vgl. ApkAbr 12,1–5. 307 Vgl. F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 31. 308 Die „Verbesserung“ der leiblichen Konstitution ist somit ein Wesensmerkmal der in VitMos II 69f., aber auch in Virt 217 vorliegenden Verwandlungskonzeption Philos. Diese Tatsache ist angesichts des gängigen Vorwurfs an die philonische Anthropologie, dualistisch und leibabwertend zu sein, sehr auffällig, wie Chr. NOACK [Gottesbewußtsein, 88] zu Recht festgestellt hat: „Die hier von ihm vorgetragene Tradition legt nämlich Wert auf die Verklärung der geschöpflichen Existenz während der Inspiration. Eine Leibabwertung ist in der exegetischen Tradition, die Virt 217 und VitMos II 69–70 repräsentieren, nicht zu finden. Im Gegenteil – ein schöner und gesunder Körper spielt hier eine wichtige Rolle als Zeichen der Gegenwart des Schöpfergottes.“ 309 Der Text gibt keine Informationen darüber, ob die SGYTKC KFGPGXPSQWUKCUOQLerzeugen oder ob Letzterer der Schau flankierend zur Seite steht, sodass beide – Schau und Inspiration – in ihrem Zusammenwirken die „Verwandlung“ des Mose bewirken. Zugunsten der erstgenannten Alternative spricht jedoch deutlich Op 71, wo explizit davon die Rede ist, dass sich die Ekstase der Seele bei der Betrachtung der Urbilder und Ideen in der noetischen Welt einstellt: MCK YP GK FGP GXPVCWSC CKXUSJVYP GXP GXMGKPJ^ VC RCTCFGKIOCVC MCK VCL KXFGCL SGCUCOGPQL WBRGTDCNNQPVC MCNNJ OGSJ^ PJHCNKY^ MCVCUEGSGKLY=URGTQKB MQTWDCPVKYPVGLGXPSQWUKC^… – „und wenn er hier die Urbilder und die Ideen der sinnlich wahrnehmbaren Dinge, die er dort gesehen, in ihrer ausserordentlichen Schönheit betrachtet, ist er von einer nüchternen Trunkenheit eingenommen und gerät in Verzückung wie die korybantisch Begeisterten …“ (Übersetzung nach J. C OHN). Nach Op 71 führt die Betrachtung der „Urbilder und Ideen“ zur Ekstase der Seele. Vgl. zu diesem Text B. HEININGER, Paulus als Visionär, 150–152. In diese Richtung weist zudem VitCont 11f.: Die Therapeuten, die nach der Schau des Seienden streben (VQ FG SGTCRGWVKMQP IGPQL DNGRGKP CXGK RTQFKFCUEQOGPQP VJL VQW QPVQL, haben sich über die sinnlich wahrnehmbare Sonne zu erheben (VQPCKXUSJVQPJ=NKQPWBRGTDCKPGVY). Wie Mose werden sie von „himmlischer Liebe ergriffen“ (WBR8 GTYVQL CBTRCUSGPVGL QWXTCPKQW) und geraten in Verzückung GXPSQWUKC\QWUK). Vgl. zu diesem Text B. HEININGER, Paulus und Philo als Mystiker?, 197.
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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läufen mittels zweier passiver – wahrscheinlich als Passiva divina zu deutender – Formulierungen betont. Danach war Mose einerseits von göttlicher Liebe begeistert (vgl. VitMos II 67: MCVCRPGWUSGKL WBR8 GTYVQL QWXTCPKQW)310, andererseits wurde er mittels der himmlischen SGYTKCK vom Himmel her inspiriert: xxxSGYTKCLCKLCPYSGPCXR8QWXTCPQWMCVCRPGQOGPQL (VitMos II 69). Mit den Ausführungen zur mosaischen Inspiration werden zugleich interessante anthropologische Aussagen gemacht: Die Inspiration erfasst zunächst das Denkvermögen (FKCPQKC) des Mose, sodann auch seinen Leib (UYOC), wobei der Seele die Funktion zukommt, die Inspiration des Denkvermögens ins Somatische hinein zu verlängern. Diese Abstufung wird für Philo von daher notwendig, da er einerseits den Text von Ex 34,29–35, der von einer leiblichen Veränderung spricht, ernst nehmen muss, andererseits der Leib bei Philo die SGYTKCK, die Schau der ewigen Ideen nicht auf direktem Wege haben kann, sondern nur über die FKCPQKC und [WEJ vermittelt. Von daher erklärt sich der vergleichsweise große Raum, den Philo dem Askese-Motiv zur Vorbereitung der Inspiration einräumt, wonach die „Distanz zu allem Irdischen und Körperlichen“ als Voraussetzung der himmlischen Schau erscheint.311 Der Seele kommt so eine vermittelnde Funktion zu. Auch in der oben angeführten Stelle über die prophetische Begeisterung des Abraham (Virt 217) nimmt die Seele eine solche vermittelnde Stellung ein: … VQW SGKQW RPGWOCVQL Q=RGT CPYSGP MCVCRPGWUSGP GKXUY^MKUCVQ VJ^ [WEJ^ RGTKVKSGPVQL VY^ OGP UYOCVK MCNNQL GXZCKTGVQP … Der göttliche Geist „dringt“ demnach in die Seele Abrahams ein, erst diese wirkt auf den Leib ein und ermöglicht so die somatisch-verwandelte Außenwahrnehmung der Verwandlung Abrahams (VY^OGPUYOCVKMCNNQLGXZCKTGVQP).312 310
Ein ähnlicher Gedanke liegt auch in der Sterbeszene des Mose vor, die bei Philo Züge einer pneumatischen Inspiration trägt. In VitMos II 291 bietet Philo eine „prophetische“ Erklärung der „klassischen“ Frage der kritischen Bibelwissenschaft, wie die 5 Bücher Mose von Mose selbst geschrieben sein können, wenn in ihnen von Moses Tod und Begräbnis die Rede ist. Philo führt aus: JFJ ICT CXPCNCODCPQOGPQL MCK GXR8 CWXVJL DCNDKFQL GBUVYL K=PC VQP GKXL QWXTCPQP FTQOQP FKKRVCOGPQL GWXSWPJ^ MCVCRPGWUSGKL MCK GXRKSGKCUCL \YP GVK VC YBL GXRK SCPQPVK GBC WVY^ RTQHJVGWGK FGZKYL YBL GXVGNGWVJUG OJRY VGNGWVJUCLYBL GXVCHJOJFGPQL RCTQPVQL … Die besondere, prophetische Sehkraft Moses im Moment seines Todes erklärt Philo demnach mit seiner gottgewirkten Geistbegabung (MCVCRPGWUSGKL). Vgl. zu diesem Text auch G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 244. 311 Mit F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 32 mit Anm. 35. 312 Die Leib-Seele-Problematik im Zusammenhang einer Verwandlung wird auch an zwei weiteren prominenten Verwandlungstexten Philos angesprochen und gelöst. Die Problemlösung fällt dabei anders als in VitMos II 69f. aus. In VitMos II 288 kommt Philo auf die Verwandlung des Mose im Zusammenhang seines Todes zu sprechen: &TQPQKL F8 W=UVGTQP GXRGKFJ VJP GXPSGPFG CXRQKMKCP GOGNNGP GKXL QWXTCPQP UVGNNGUSCK MCK VQP SPJVQP CXRQNKRYP DKQP CXRCSCPCVK\GUSCK OGVCMNJSGKL WBRQ VQW RCVTQL Q?L CWXVQP FWCFC
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Stark ausgeprägt ist bei Philo das angesprochene Motiv der Außenwirkung des Mose, das in zwei Schritten ausgearbeitet wird. In VitMos II 69 spricht Philo zunächst vom Unglauben der Betrachter des Mose (YBLVQWLKXFQPVCL W=UVGTQP CXRKUVGKP) angesichts seiner „Verbesserung“ (GXDGNVKQWVQ) von FKCPQKC [WEJ WPF UYOC In einem zweiten Schritt variiert Philo das Ex 34,30 LXX entnommene Furchtmotiv (MCK GK FGP $CTYP MCK RCPVGL QKB RTGUDWVGTQK,UTCJNVQP/YWUJPxxxMCKGXHQDJSJUCPGXIIKUCKCWXVQW). Zum Unglauben über die eingetretene „Verbesserung“ des Mose gesellt sich aufseiten der Betrachter die Unfähigkeit, den Ansturm (RTQUDQNJ) der von Mose ausgehenden Strahlkraft mit den Augen ertragen zu können (vgl. VitMos II 70: MCKOJF8GXRKRNGQPCXPVGEGKPVQKLQXHSCNOQKLFWPCUSCKMCVC VJP RTQUDQNJP JBNKQGKFQWL HGIIQWL CXRCUVTCRVQPVQL), die sich mit einem Staunen (VGSJRGPCK) und einer Bestürzung (MCVCRGRNJESCK) verbindet.313 Der Alexandriner zeigt damit ein auffallendes Interesse sowohl an der „Verschönerung“ bzw. „Verbesserung“ des Verwandelten als auch an seiner gewaltigen Außenwirkung im Hinblick auf die Betrachter. Eine auffällige Berührung mit der markinischen Lesart des Prätextes von Ex 34,29–35 LXX findet sich darin, dass in der Deutung Philos der ganze Leib Moses von der Verwandlung bzw. der Verschönerung betroffen ist, was so dem Prätext nicht entnommen werden kann. Die durch die [WEJ an das UYOC weitergeleitete „Verwandlung“ lässt den ganzen Körper erstrahlen. Obwohl beim Lexem Q[KL in VitMos II 70 primär an das Gesicht Moses gedacht sein dürfte, gibt VitMos II 69 zugleich deutlich zu erkennen, dass der gesamte Körper von der „Verklärung“ geprägt ist: GRGKVC FG MCK VQ UYOCxxxGXDGNVKQWVQ. In diese Richtung weist auch die gewaltige Außenwirkung, die der philonische Mose auf seine Zeitgenossen ausübt (vgl. VitMos II 70: MCVC VJPRTQUDQNJPJBNKQGKFQWLHGIIQWLCXRCUVTCRVQPVQL). Mk 9,2f. QPVCUYOCMCK [WEJPGKXL OQPCFQLCXPGUVQKEGKQWHWUKPQ=NQPFK8Q=NYPOGSCTOQ\QOGPQL GKXL PQWP JBNKQGKFGUVCVQP VQVG FJ MCVCUEGSGKL … Der Leib-Seele-Dualismus wird an dieser Stelle, die von einer endgültigen Verwandlung des Mose im Moment seines Todes spricht, dahingehend gelöst, dass Moses „Zweiheit aus Leib und Seele“ (Q?LCWXVQPFWCFC QPVC) in eine Monade GKXLOQPCFQLCXPGUVQKEGKQWHWUKP) eines sonnenhaften Geistes (GKXL PQWPJBNKQGKFGUVCVQP) umgestaltet wird. Die Tendenz zur Annäherung dieser beiden Verwandlungsgeschichten Philos lässt sich am Gebrauch des bei Philo äußerst seltenen Lexems JBNKQGKFJL (VitMos II 70: MCVC VJP RTQUDQNJP JBNKQGKFQWL HGIIQWL CXRCUVTCRVQPVQL VitMos II 288: GKXL PQWP JBNKQGKFGUVCVQP – sonst nur noch in VitMos I 166; Congr 47) erkennen. Diese Lösung ist auch in Quaest in Ex II 29 zu greifen, wo Philo Ex 24,2 auslegt: Der von Gott begeisterte PQWLwird einer Monade ähnlich, in der die Zweiheit von Leib und Seele aufgehoben ist: quoniam intellectus propheticus quum Divinis initiatus fuerit, ac Deifer, unitati similis est, nemini penitus mixtus eorum, qui communionem praeseferunt cum dualitate. Vgl. zu diesem Text z.B. W.E. HELLEMAN, Philo on Deification, 69. 313 Chr. NOACK [Gottesbewußtsein, 88] spricht hier von einer Dramatisierung der Prätextvorgabe von Ex 34,30 LXX.
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
363
schweigt bekanntlich – anders als die synoptischen Seitenreferenten – über die Verklärung des Gesichtes Jesu, benutzt aber die Kleider, um die Verwandlung des ganzen Körpers Jesu narrativ zu visualisieren.314 Durch die verwandelnde himmlische Schau kann Mose die Funktionen des Logos wahrnehmen, insofern ihm die Aufgabe zugesprochen wird, zwischen Transzendenz und Immanenz eine vermittelnde Tätigkeit einzunehmen. Diese spezifische Aufgabe wird deutlich, wenn der Inhalt der SGYTKCK Moses in Blick genommen wird, zu dem nun – vor der „Ziehung des Ertrags“ zu VitMos II 66–76 hinsichtlich der Exegese von Mk 9,2–8 – Stellung zu beziehen ist. Was war der konkrete Inhalt der SGYTKCK, derer er auf dem Berg teilhaftig wurde? In den einleitenden Vorbemerkungen zur Verwandlung des Mose deutet Philo die Offenbarung als ein pädagogisches Geschehen, wenn er sagt: ETJUOQKL G=MCUVC VYP GKXL VCL NGKVQWTIKCL MCK KBGTCL WBBRJTGUKCL (VitMos II 67). Dieses an Mose sich vollziehende pädagogische Geschehen wird in VitMos II 71 und 74 in zwei Schritten präzisiert. InVitMos II 71 spricht Philo von der „mystagogischen“ Einführung in das mosaische Priesteramt und die damit verbundene Belehrung über das Heiligtum und seinen Inhalt: (VK F8 CPY FKCVTKDYP GXOWUVCIYIGKVQ RCKFGWQOGPQL VC MCVCVJPKBGTYUWPJPRCPVCMCK RTYVCC?FJ MCKRTYVCVJ^VCZGKVC RGTK VJP VQW KBGTQW MCK VYP GXP CWXVY^ MCVCUMGWJP. Nach Ausführungen zur Wüstensituation Israels, die die Errichtung eines festen Heiligtums unmöglich und den Bau eines tragbaren Heiligtums (HQTJVQP …KBGTQP) notwendig macht, spricht Philo in VitMos II 74 über das der Wüstensituation gemäße Zelt (UMJPJ) als eines hochheiligen Werkes (GTIQPKBGTYVCVQP), über dessen Errichtung Mose durch göttliche Sprüche auf dem heiligen Berg unterrichtet wurde: … JL VJP MCVCUMGWJP SGUHCVQKL NQIKQKL GXRK VQW QTQWL /YWUJLCXPGFKFCUMGVQ … Nach VitMos II 74 schaut (SGYTGKP) Mose „mit seinem Seelenauge die asomatischen Ideen der materiellen Dinge“315, deren Schau der künftigen stofflichen Errichtung des Heiligtums zugrunde liegt. Damit ist Objekt der SGYTKCK keinesfalls Gott selbst, sondern die himmlische Ideenwelt, sodass das philonische Prinzip der absoluten Transzendenz Gottes auch an dieser Stelle voll gewahrt bleibt.316 Objekt des 314
Stimmig ist die Position J.A. Z IESLERs [Transfiguration, 266]: „Jesus is transformed, not merely His clothes“. Diese Meinung wird von S. PELLEGRINI [Elija, 308 Anm. 92] positiv aufgenommen. 315 Mit Chr. NOACK, Gottesbewußtsein, 87. Vgl. zu VitMos II 74 auch B.L. M ACK, Imitatio Mosis, 38. 316 Vergleichend heranzuziehen ist nochmals Op 70f., wo Philo auf den Aufstieg des PQWL zu sprechen kommt. Der Vergleich ist allein von daher empfehlenswert, da Mose im Opus Philos Sinnbild des gottbegeisterten PQWList. Vgl. dazu besonders Migr 84. VitMos II 69f. und Op 70f. bieten zwei unterschiedliche, durchaus aber verwandte Belege einer Aufstiegsmystik Philos: DerPQWLder der Liebe zur Wahrheit folgt, wird über die sinnlich
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Schauens des Mose ist – wie in VitMos II 76 präzisierend ausgeführt wird – die Form des Urbildes des Heiligtums (VWRQL VQW RCTCFGKIOCVQL), das sich Mose in seiner FKCPQKC unsichtbar, stofflos in unsichtbaren Ideen (CXHCPYL CPGW W=NJL CXQTCVQKL GKFGUK) einprägt. Die Kenntnis der Einrichtung des Heiligtums und seines Inhaltes (VC RGTK VJPVQW KBGTQW MCK VYP GXPCWXVY^MCVCUMGWJP, vgl. VitMos II 71) ist exklusives Offenbarungswissen des Oberpriesters Mose. Die „Verwandlung“ des Mose auf dem Sinai, die Philo in VitMos II 66–76 unabhängig von der Gesetzesverleihung beschreibt, ist im Folgenden vor dem Hintergrund eines weiteren Verwandlungstextes Philos zu illustrieren: Som I 216f. Während die Verwandlung des philonischen Mose in VitMos II 70 primär an der Q[KL festgemacht wird, kennt Som I 216f. das Motiv des strahlend-weißen Gewandes, das die Verwandlung des mit dem Logos identifizierten Hohenpriesters anzeigt.317 In Som I 216f. heißt es: Q=VCP GKXL VC GXUYVCVY VYP CBIKYP QB CWXVQL QWVQL CXTEKGTGWL GKXUKJ^ VJP OGP RQKMKNJP GXUSJVC CXRCORKUEGVCK NKPJP FG GBVGTCP DWUUQW VJL MCSCTYVCVJL RGRQKJOGPJP CXPCNCODCPGKx JB F8 GXUVK UWODQNQP GWXVQPKCL CXHSCTUKCL CWXIQGKFGUVCVQW HGIIQWL> CXTTCIJL VG ICT JB QXSQPJ MCK GXZ QWXFGPQL VYP CXRQSPJ^UMQPVYP IKPGVCK MCK GVK NCORTQVCVQPMCK HYVQGKFGUVCVQPGEGKxxxETYOCx²„Sobald dieser selbe Hohepriester in das Innerste des Heiligtums eingeht, legt er das vielfarbige Kleid ab und legt ein anderes, leinenes, aus reinstem Flachs gemachtes, an. Es ist ein Sinnbild der Festigkeit, der Unvergänglichkeit und der glänzendsten Helligkeit. Denn unzerstörbar ist das leinene Tuch und es entsteht aus nichts Sterblichem und es hat dazu die leuchtendste und lichteste … Farbe“. In Som I 218 bezeichnet Philo das angesprochene strahlende Gewand zudem als „überaus weiß“ (FKCNGWMQL). Der Text ist zunächst von daher von Interesse für die Verwandlungskonzeption in VitMos II 69f., da der Hohepriester – wie der auf den „Sinai“ aufsteigende Mose – vor dem Hintergrund der philonischen Logos-Konzeption zu interpretieren ist. Sodann ist die Tendenz unverkennbar, sowohl den Offenbarungsberg aus VitMos II 69f. als auch das Heiligtum (VC C=IKC) in Som I 216f. als Symbol des Himmels bzw. des himmlischenHeiligtums zu fassen.318 Die sich bei Mose auf dem Offenbarungsberg vollziehende „Verwandlung in ein gottähnliches Wesen“319 befähigt diesen – wie die mit dem
wahrnehmbare Welt (CKXUSJVJPQWXUKC P) erhöht und strebt nach der geistigen (PQJVJL). Die Betrachtung der Urbilder und Ideen (VC RCTCFGKIOCVC MCK VCL KXFGCL führt zur Verzückung (GXPSQWUKC , von hier aus zum höchsten Gipfel des rein Geistigen (RTQL VJP CMTCPCB[KFCRCTCRGOHSGKLVYPPQJVYP ). Dort erwartet Gott selbst denPQWL wobei die direkte Schau Gottes nicht möglich ist, wie der präzisierende Zusatz Philos GXR8 CWXVQP KXGPCK FQMGK VQP OGICP DCUKNGC verdeutlicht. Das Axiom philonischer Gotteslehre, wonach die Existenz Gottes dem Menschen zugänglich ist, seine Essenz jedoch unerreichbar bleibt, wird somit durch das betonte KXGPCK FQMGK Op 71 bestätigt. Vgl. zu Op 70f. die Ausführungen bei B. HEININGER, Paulus und Philo als Mystiker?, 197. 317 Ich schließe mich der Deutung G. SELLINs [Leben des Gottessohnes, 245] an. 318 Für Som I 216f. vgl. G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 245. 319 Vgl. G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 245.
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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Eintritt in das Heiligtum eintretende „Verwandlung“ des „Hohenpriester-Logos“ – ,zwischen Transzendenz und Immanenz zu vermitteln.320
4.4 Die Verwandlung des Mose in Quaest in Ex II 29 4.4.1 Methodische Vorbemerkung zur Exegese von Quaest in Ex II 29 Das Selbstverständnis Philos dürfte – wie in Punkt 4.1 dieses Kapitels wahrscheinlich gemacht worden ist – primär darin bestanden haben, Schriftausleger zu sein. Schriftauslegung, Philosophie und Theologie bilden bei ihm eine Einheit, die nicht auseinandergerissen werden darf. Gleichwohl ist bei der Interpretation des Opus Philonicum durchgängig die Unterschiedlichkeit der einzelnen Schriftenreihen zu beachten. So ist die Frage, ob eine auszulegende Pentateuchstelle innerhalb des Werkes der Schriftenreihe Expositio Legis, des Quaestionenwerkes oder des Allegorischen Kommentars behandelt wird, entscheidend für das adäquate Verständnis der von Philo vorgelegten Pentateuch-Exegese. Zwar ist es Intention aller exegetischen Schriften Philos, zwischen dem autoritativ vorgegebenen Pentateuchtext und den Adressaten zu vermitteln321, sie unterscheiden sich jedoch massiv im Hinblick auf das „Publikum“, an das sie sich wenden. Während im Falle der Expositio Legis an einen namhaften Teil nichtjüdischer Hörer/Leser zu denken ist, ist bei Philos Quaestiones in Genesim und Exodum ein jüdisches, mit spekulativer Gedankenentwicklung und subtiler Exegese vertrautes Publikum intendiert. Nach der Interpretation der „Verwandlung“ des Mose in VitMos II 66– 76, wo die philonische Lesart von Ex 34 präsentiert wurde, ist nun zu seiner Exegese von Ex 24 in Quaest in Ex II 29 Stellung zu beziehen und nach der Bedeutung dieses zweiten „Mose-Verwandlungstextes“ Philos im Hinblick auf die Interpretation von Mk 9,2–8 zu fragen. Hier ist auf die hervorragenden Ausführungen zu verweisen, die Christian Noack in seiner
320 Die Tendenz zur Annäherung der „Verwandlungen“ des Mose und des Hohenpriesters wird durch Philos Ausführungen in Som II 230–234 bestätigt: Im Allerheiligsten ist derPQWLFGUHohenpriesters von Gott erfüllt und vom göttlichen Eros ergriffen (Q=VCPOGP GXZGTYVQLSGKQWMCVCUEGSGKLQB PQWL, Som II 232). Diese „göttliche Begeisterung“ befähigt ihn, zwischen Transzendenz und Immanenz zu vermitteln. Nach Verlassen des Heiligtums und beim Eintreten in die irdisch-körperliche Wirklichkeit erlischt die „Gottbegeisterung“ und die mit ihr verbundene „Verwandlung“. Vgl. dazu F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 34 Anm. 44. Die ekstatische Inspiration des Hohenpriesters ist der Inspiration des Oberpriesters Mose „auf dem Sinai“ vergleichbar. In beiden handelt es sich – wie im Falle der Transfiguration Jesu in Mk 9,2–8 – um eine zeitlich begrenzte „Verwandlung“ bei einem zeitlich unbegrenzten Amt. 321 Sie sind somit als Texte über den Text der heiligen Schriften anzusprechen, wie G. Sellin [Allegorese, 91] mit Recht festgestellt hat: „Der Kommentar ist also ein ‚Metatext‘, ein Text über einen Text.“
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Studie „Gottesbewußtsein“ vorgelegt hat.322 Seine Forschungsergebnisse zu Quaest in Ex II 29 sind im Hinblick auf die in dieser Studie anvisierte Frage nach dem theologiegeschichtlichen Wurzelgrund von Mk 9,2–8 zu befragen. Bekanntlich stellt der Quaestionenkommentar den in der Forschungsgeschichte am meisten vernachlässigten Sektor des Opus Philos dar.323 Beiden Texten Philos (VitMos II 66–76; Quaest in Ex II 29) gemeinsam ist es, dass sie von einer „Verwandlung ins Göttliche“ sprechen, die mit der Sinaibesteigung des Mose verbunden ist.324 Während mit VitMos II 66–76 ein exponierter Text der missionstheologisch orientierten Schriftengruppe Expositio Legis vorliegt, haben wir es bei den Quaestiones und Solutiones mit einer im „konsequenten Frage-Antwort-Stil“325 abgefassten „InsiderLiteratur“ im strengen Sinne zu tun326, als deren Adressaten mit philosophischen und exegetischen Argumentationsgängen vertraute, aus dem Oberschichtmilieu Alexandrias stammende Juden zu denken sind.327 Diese Schriftengruppe328 bietet einen weitestgehend in einer armenischen Überlieferung vorliegenden, fortlaufenden, jedoch unvollständig erhaltenen Kommentar zu Gen 2,4–28,9 LXX (Quaest in Gn I–IV), Ex 12,2–23 (Quaest in Ex I) und Ex 20,25–28,34 (Quaest in Ex II).329 Die jeweiligen Auslegungen konzentrieren sich mittels des konsequent durchgehaltenen Frage-Antwort-Schemas auf Textpassagen der Bücher Genesis und Exodus. Dabei geht Philo durchgängig selektiv vor, indem er eine konkrete Textauswahl trifft und sich nicht verpflichtet zeigt, zu jedem Aspekt des 322
Vgl. zum Folgenden Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 104–157. Vgl. dazu z.B. G.E. Sterling, Quaestiones, 99: „The most neglected component of the Philonic corpus“. Ferner M. Böhm, Rezeption und Funktion, 328: „‚Aschenputtel‘ unter Philos Werken zum Pentateuch“. So auch D.T. Runia, Texts, 47. 324 Mit D. Zeller, Verwandlung Jesu, 116. 325 Vgl. M. Böhm, Rezeption und Funktion, 327. 326 Vgl. z.B. M. Böhm, Rezeption und Funktion, 231: „… in den Quaestiones …, wo Philo einen Adressatenkreis vor sich hatte, für den jedes Wort der Moseschriften bekannt war und unhinterfragbare Gültigkeit beanspruchen konnte …“ 327 So ein Gros der Philo-Forschung im Gefolge der Einschätzung von E. Goodenough, Philo’s Exposition of the Law and his De Vita Mosis, 113: Der Allegorische Kommentar und das Quaestionenwerk „were designed for thoughtful Jews“. Vgl. auch die Diskussion bei M. Böhm, Rezeption und Funktion, 110–114. 328 Zur „Form- und Gattungsanalyse der Quaestionenes et Solutiones“ vgl. die instruktiven Ausführungen bei Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 20–23. 329 Vgl. dazu G. Sellin, Allegorese, 110f. Ferner Ders., Streit um die Auferstehung, 98. Die Frage, ob Philo auch Quaestionen-Kommentare zu den Büchern Leviticus, Numeri und Deuteronomium abgefasst hat, muss mit hoher Wahrscheinlichkeit negativ beantwortet werden. Die bei Eusebius vorliegende Auflistung der Werke Philos (vgl. HistEccl II 18,1.5) zählt zahlreiche verloren gegangene Werke Philos auf, schweigt jedoch zu über Quaest in Gn I–IV und Quaest in Ex I–II hinausgehenden Werken des Quaestionenkommentars. Vgl. dazu W. Wiefel, Drittes Buch über „Moses“, 868.879. 323
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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Textes eine eigene Exegese beizusteuern.330 Innerhalb eines ausgewählten Verses liegt das exegetische Interesse Philos entweder auf einem zitierten Wort bzw. einer Wendung oder auf einem bestimmten Gedanken, der in der Auslegung systematisch entfaltet wird. Positive Begleiterscheinung dieses Vorgehens ist die Klarheit und Einprägsamkeit der so vorgelegten Auslegung bei weitgehendem Verzicht auf bisweilen störende „Abschweifungen“ zu anderen „Büchern Moses“, wie sie in den beiden anderen Schriftenreihen durchgängig zu greifen sind331, bei denen letztlich „Mose via Mose“ interpretiert wird.332 Die Komplexität der vorgelegten Gedankengänge macht es im hohen Grade wahrscheinlich, dass den Rezipienten der Septuagintatext vorgelegen haben muss, da andernfalls die Gedankenentwicklung vollkommen unverständlich geblieben wäre.333 Es ist vorzuschlagen, dass es sich beim philonischen Quaestionenwerk um eine Zusammenstellung von philosophisch ambitionierten exegetischen Lehrvorträgen Philos gehandelt hat.334 Es ist als Verdienst der neueren Philo-Forschung anzusprechen, dass die jeweilige Textgattung (Expositio Legis – Allegorischer Kommentar – Quaestiones et Solutiones) bei der Interpretation des Opus Philos konsequent berücksichtigt wird. Eine Differenzierung zwischen den Schriftengruppen ist sowohl mit Blick auf die Adressaten als auch mit Blick auf die in den Texten enthaltene exegetische Gedankenentwicklung durchgängig angebracht. Überzeugend formuliert dazu Chr. Noack: „Unterschiedliche Textgattungen bei Philo sollten daher nicht nur als Hinweis auf unterschiedliche Adressaten, sondern auch auf unterschiedliche Tendenzen in seiner Theologie hin gedeutet werden.“335 Eine – im Vergleich zu VitMos I 66–76 – unterschiedliche theologische Tendenz liegt in der Behandlung des ersten Sinaiaufstiegs Moses (Ex 24) in Quaest in Ex II 27–29 vor: Mose wird nicht als konkrete biblische Figur wahrgenommen, sondern dient als Paradigma des aufsteigenden prophe330 So fällt z.B. in den Quaestiones in Genesim die Tendenz Philos besonders ins Auge, den Zusammenhang von „Bund“ und „Beschneidung“ nicht zu berücksichtigen. In den Quaestiones in Exodum wird der Zusammenhang von „Bund“ und „Gesetz“ ausgeklammert. 331 Mit W. Wiefel, Drittes Buch über „Moses“, 875. Vgl. auch D.T. Runia, Texts, 75. 332 Begriff von M. Böhm, Rezeption und Funktion, 416. 333 Die angesprochene Komplexität der Gedankenführung im Quaestionenwerk kann m.E. nicht als Indiz für das Vorliegen eines Spätwerkes Philos gewertet werden. Im Anschluss an die Ausführungen von A. Terian [The Priority of the Quaestiones, passim.] ist eine deutliche Tendenz der neueren Philo-Forschung zu verzeichnen, in den Quaestiones ein Frühwerk Philos zu erkennen. Vgl. neben dem Aufsatz Terians die Ausführungen bei M. Böhm, Rezeption und Funktion, 327–349. 334 In diese Richtung interpretiert auch M. Böhm, a.a.O., 342. 335 Vgl. Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 18 (kursiv im Original, A.W.).
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
tischen Nous. Das Heraufgerufen-Werden sowie der Aufstieg des Mose bewirken die Verwandlung des Nous.336 Die Auslegung ist im Ansatz auf einen tieferen allegorischen, geistigen und geistlichen Textsinn ausgerichtet. Dies wird bereits rein äußerlich im Hinblick auf den formalen Aufbau deutlich, der durch den strengen Frage-Antwort-Stil geprägt ist (\JVJOCVC MCK NWUGKL), der philosophiegeschichtlich auf der „rational-apologetischen Homerexegese“ basiert und bereits vor Philo Element jüdisch-hellenistischer Schriftauslegung war.337 Kennzeichen der Auslegung von Ex 24 in Quaest in Ex II 27–49 ist es dem oben skizzierten Grundansatz des Quaestionenwerkes gemäß, dass nicht der ganze Text gleichermaßen einer Interpretation unterzogen wird, sondern vielmehr einzelne, für Philo aber zentrale Satzteile oder Einzelformulierungen interpretiert werden. Philo geht dabei in der Regel so vor, dass er die ausgewählten Textpassagen Lemma für Lemma auslegt338, dabei zunächst den eigentlichen Wortsinn, sodann die tiefere symbolische Dimension des jeweiligen Lemmas herausarbeitet. Weitere Kennzeichen sind die Kürze der Auslegungen, der Verzicht auf alle Formen einer Interaktion zwischen Ausleger und Leserschaft sowie der Verzicht auf eine – in der Expositio Legis durchgängig zu greifende – „pädagogische Rücksicht“339 auf die Rezipienten, was den Eindruck einer zwar intellektuell hochstehenden, zugleich aber extrem sachlich-nüchternen Auslegungsatmosphäre eines antiken Hochschulbetriebes entstehen lässt. Es stellt für eine überlieferungsgeschichtlich orientierte Studie einen empfindlichen Nachteil dar, dass der zu untersuchende Text Quaest in Ex II 29 lediglich in einer lateinischen Übersetzung einer armenischen Überlieferung vorliegt, sodass der Gedankengang nicht am griechischen Ori336
Mit G. Sellin, Gotteserkenntnis, 29. So z.B. beim frühen hellenistisch-jüdischen Exegeten Demetrios (um 200 v. Chr.). Vgl. dazu die Ausführungen und Belege bei Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 20 mit Anm. 86. Ferner M. Böhm, Rezeption und Funktion, 328; G. Sellin, Allegorese, 111. 338 Zu beachten ist die wichtige Einschätzung bei S.K. Wan, Philo’s Quaestiones et Solutiones in Genesim, 35: „For Philo, every Biblical lemma is a code that can be decoded only by allegorical interpretation and every text becomes a new type of CXRQTKC that must be resolved.“ 339 Mit Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 22. Vgl. auch G.E. Sterling, Philo’s Quaestiones, 121f.: „It is true that they lack – as we have seen – the polish and sophistication of the Allegoriae. Yet it is just as true that the basics for the Allegoriae are already present in the Quaestiones … It is likewise unacceptable to claim that the quaestio et solutio method is reserved for catechesis since it is fundamental to the entire Philonic corpus and a known form of writing a commentary“. Anders ist die Situation in der Expositio Legis, in der sich Philo als adressatenorientierter und pädagogisch ambitionierter Mose-Exeget darstellt, der bei aller Traditionsbindung eine beachtliche Kreativität im Umgang mit dem auszulegenden LXX-Text mit Blick auf die Adressaten an den Tag legt. Ähnlich auch M. Böhm, Rezeption und Funktion, 237. 337
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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ginal nachvollzogen werden kann.340 Treffend stellen in Anbetracht dieser Tatsache A. Méasson/J. Cazeaux fest, dass sich die „rough, wooden Translation … so markedly from the precision of Philo’s Greek“ unterscheidet.341 Die Überforderung der armenischen Übersetzer mit der Sprache und der Gedankenentwicklung Philos ist deutlich zu spüren.342 Das bisweilen spekulative Maß der im Folgenden zu treffenden Aussagen ist von vornherein einzugestehen. Es handelt sich um tastende Versuche, Strukturen und Tendenzen der Gedankenentwicklung Philos angesichts des ersten „Sinai“-Aufstiegs Moses ausfindig zu machen, die erhellend im Hinblick auf das Milieu sein können, in dem der theologische Wurzelgrund vermutet werden kann, auf dem die markinische Verklärungsperikope wachsen konnte. Einen weiteren Nachteil stellt die Tatsache dar, dass die Auslegung des Buches Exodus im Quaestionenwerk Philos mit Ex 29 abbricht (Quaest in Ex II interpretiert Ex 20,25–28,34), sodass die entsprechende Exegese Philos zu Ex 34 nicht greifbar ist. Der primäre Text der überlieferungsgeschichtlichen Überlegungen bleibt daher VitMos II 66–76, zu dem Quaest Ex II 29 nun flankierend hinzutreten soll. 4.4.2 Mose als verwandelter prophetischer Nous 4.4.2.1 Einleitende Vorbemerkungen Der zweite zur Exegese von Mk 9,2–8 heranzuziehende philonische „Verwandlungstext“ mit Bezug auf Mose findet sich in Quaest in Ex II 29. Dieser Text handelt vom Aufstiegsmysterium Moses und seiner Begleiter auf den Sinai.343 Dieser zentrale Philo-Text ist in der Philoforschung des Öfteren behandelt worden. So betont G. Sellin seine herausragende Bedeutung im Hinblick auf die Interpretation des Opus Philonicum insgesamt, wenn er schreibt: „Die Deutung des Sinaimysteriums in QEx II 27–46“ ist „ein Komplex, der eigentlich die gesamte von Philo gebotene hellenistischjüdische Lehre wie in nuce enthält“.344 In der Textpassage Quaest in Ex II 27–49 legt Philo eine Exegese des ersten Sinaiaufstiegs des Mose (Ex 24 LXX) vor. Die Auslegung Philos konzentriert sich auf den allegorischen Sinn des Textes, indem hier die Sinai-Besteigung als ein „Herausgerufen340
Der folgenden Analyse werden der von A. Terian herausgegebene lateinische Text der Quaest in Ex II als auch die englische Übersetzung von R. Marcus (vgl. LCL Philo Supplement II, 69f.) zugrunde gelegt. Nach Möglichkeit werden Texte des Quaestionenwerkes nach den bei Marcus zu findenden griechischen Fragmenten (vgl. a.a.O., 179– 263) angeführt. 341 Vgl. dazu A. Méasson; J. Cazeaux, From Grammar to Discourse, 127. 342 Vgl. D.M. Hay, Introduction, VII. 343 Vgl. neben den sogleich aufgeführten Studien von Chr. Noack und G. Sellin auch D.T. Runia, God and Man in Philo, 69f. 344 Vgl. G. Sellin, Streit um die Auferstehung, 143.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Werden“ aus der irdischen Sphäre interpretiert wird, das eine Art Verwandlung des Nous345 bzw. Vergöttlichung des Mose nach sich zieht.346 Das prophetische Bewusstsein (intellectus propheticus)347, für das Mose symbolisch steht, ist auf der höchsten, für einen Menschen erreichbaren Bewusstseinsstufe positioniert. Der von Gott auf den VQRQL „Sinai“ heraufgerufene Mose wird zu einer GKXMYP Gottes. Zuvor in Quaest in Ex II 27 wird Mose zunächst als der gottliebende Nous (R. Marcus: „God-loving mind“) eingeführt, der als solcher zum „Nahen“ Gottes befähigt ist. In allegorischer Hinsicht wird sodann in Quaest in Ex II 29 die Himmelsreise des Nous beschrieben, der von Gott hinaufgerufen wird (vgl. dazu auch All III 95–103; Plant 18–27; VitMos II 69–71)348 und dadurch in ein Verwandtschaftsverhältnis mit der OQPCL tritt. Das „Nahen“ des prophetischen Bewusstseins an Gott bewirkt eine Art geistlicher Wiedergeburt349 und positioniert dieses auf der höchsten Seinsstufe, da das Heraufrufen Moses durch Gott ein „Heraufrufen“ auf den VQRQL, die höchste für den Nous erreichbare Seinsstufe, darstellt.350 Die Positionierung „Moses“ auf dem VQRQL bedeutet zugleich seine Positionierung in der für einen Menschen größtmöglichen Gottesnähe. Diese Gottesnähe bedingt eine gleichsam verwandtschaftliche Relation des inspirierten prophetischen Bewusstseins mit Gott, wie in Quaest in Ex II 29bb explizit ausgesprochen wird. Der Bergaufstieg des Mose, der Folge seines Heraufgerufen-Werdens ist, führt zum VQRQL (Quaest in Ex II 39), der bekanntlich mit dem NQIQL identifiziert wird, womit die Rede Platons vom WBRGTQWTCPKQLVQRQL (Phaidros 247b–c) aufgenommen sein dürfte. Der NQIQL ist für Philo in ontologischer Hinsicht die direkt unter Gott positionierte Seinsstufe, er ist die Spitze der Ideenpyramide, sodass es nach erfolgreichem Sinaiaufstieg zu einer „Isotopie mit dem Logos“, demnach zu einer Positionierung auf der höchsten denkbaren Seinsstufe kommt, die Mose befähigt, die Funktionen des NQIQL wahrzunehmen. Zum VQRQL führt G. Sellin aus: „Wer auf diesem ‚Platz‘ 345
Mit G. Sellin, Gotteserkenntnis, 29. Vgl. dazu auch Quaest in Ex II 40: „What is the meaning of the words, ‚Come up to Me to the mountain and be there‘? This signifies that a holy soul is divinized [SGQHQTGKUSCK?, A.W.] by ascending not to the air or to the ether or the heaven … but to (a region) above the heavens“. 347 Ich halte mich bei der Übersetzung des Syntagmas intellectus propheticus mit „prophetisches Bewusstsein“ an den von Chr. Noack [vgl. z.B. Gottesbewußtsein, 107] unterbreiteten Übersetzungsvorschlag. 348 Mit G. Sellin, Gotteserkenntnis, 29 mit Anm. 37. 349 Vgl. dazu z.B. Quaest in Ex II 46: „But the calling above of the prophet is a second birth better than the first. For the latter is mixed with a body and had corruptible parents, while the former is an unmixed and simple soul of the sovereign …“. Vgl. zu diesem Text D.T. Runia, God and Man in Philo, 70. 350 Vgl. dazu die Ausführungen zur philonischen Logos-Konzeption in Unterpunkt 4.2.1. dieses Kapitels. 346
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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steht, ist aber identisch mit dem Logos selbst, insofern ‚Logos‘ ja aus ontologischen Gründen nichts als eine Rangbezeichnung ist – nämlich für die Spitze der Ideenpyramide.“351 Der Logos hat eine vermittelnde Funktion zwischen der radikal gedachten Transzendenz Gottes und seiner Schöpfung. Es ist in der Philo-Forschung allgemein anerkannt, dass es in Quaest in Ex II 29 – wie in der gesamten Textfolge Quaest in Ex II 27–49 – zu einer Übertragung des platonischen Phaidros auf Mose und dessen Sinaiaufstieg kommt.352 Dies geschieht bei Philo bis in einzelne Formulierungen hinein. Platon spricht nach erfolgreichem „Seelenflug“ (vgl. Phaidros 246a–250c) ausdrücklich vom besagten WBRGTQWTCPKQL VQRQL (247b–c), an dem es der Seele möglich ist, den Götterreigen zu schauen. Auch die „Aufstiegsmystik“ in Quaest in Ex II 29 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit am platonischen Weg der Seelen zum überhimmlischen Ort orientiert.353 In den denkerischen Bahnen Platons hat für Philo der menschliche Nous die Möglichkeit, in den himmlischen Bereich aufzusteigen und die Ideenwelt zu schauen. Dabei ist es Gott selbst, der den Nous emporruft (vgl. z.B. Abr 59; All III 101f.) und mit göttlichem Geist „inspiriert“ (Plant 23–27; VitMos II 69–71; Quaest in Ex II 29.33), sodass es zu einer regelrechten „Geburt“ des Pneumatikers kommt.354 Die erfolgte Schau Gottes nährt die Seele und bedingt deren Unsterblichkeit (vgl. Quaest in Ex II 39). Auch bei diesem Gedanken sind deutliche Anleihen an platonische Gedanken zu verzeichnen. So spricht Platon dem wahren Philosophen eine GottBegeisterung zu (Phaidros 249d: GXPSQWUKC\YP). Der Philosoph ist bei Platon in das göttliche Mysterium eingeweiht und von daher vollkommen (249c). Der Übertragung dieser platonischen Gedanken auf Mose, der als prophetischer Nous allegorisiert wird, ist nun im Folgenden näher nachzugehen.
351
G. Sellin, Gotteserkenntnis, 33. Ferner Ders., Streit um die Auferstehung, 119. Vgl. auch Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 135. 352 Vgl. z.B. G. Sellin, Gotteserkenntnis, 33; Ders., Streit um die Auferstehung, 139– 143; Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 123. 353 Zum „überhimmlischen Ort“ bei Platon vgl. die Ausführungen bei P. Boyancé, Philon-Studien, 38f. Die Berührungen mit dem platonischen Phaidros-Mythos sind frappierend, während die aus der Apokalyptik bekannte zeitweilige Entrückung in den himmlischen Bereich – vgl. dazu G. Bornkamm, Art. OWUVJTKQP. In: ThWNT IV (1942), 821f. – kaum zur Erklärung der Gedanken Philos herangezogen werden kann, insofern bei Philo der Aufstieg in einer völlig spiritualisierten Form vorliegt. Mit G. Sellin, Streit um die Auferstehung, 139 mit Anm. 174. 354 Mit G. Sellin, Streit um die Auferstehung, 140.
372
3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
4.4.2.2 Der Gedankengang in Quaest in Ex II 29 Philo verzichtet auf eine thematische Einführung in den folgenden Gedankengang. So kann eine Information darüber, dass ab Quaest in Ex II 27 der erste Aufstieg Moses und seiner Begleiter auf den Sinai (Ex 24) interpretiert wird, entfallen, da sich der Text an Hörer/Leser wendet, die einen sicheren Umgang mit dem entsprechenden Septuagintatext hatten. In Quaest in Ex II 29 interpretiert Philo Ex 24,2 LXX. Der auszulegende Septuagintatext lautet: a b c
MCKGXIIKGK/YWUJLOQPQLRTQLVQPSGQP CWXVQKFGQWXMGXIIKQWUKP> QBFGNCQLQWXUWPCPCDJUGVCKOGV8CWXVYP
Die Ex 24,2 LXX betreffende Quaestio Philos wird mit folgender Frage eingeleitet: a b c d
Cur dixerit, quod Moyses solus accedet ad Deum, et illi non appropinquabunt: populus autem non ascendet cum eis?
Die nah am Prätext von Ex 24,2 LXX verbleibende, dreigliedrige Frage visiert einen von Philo ausgewählten Aspekt der Aufstiegsnotiz von Ex 24,2 LXX an, der in keinem direkten Zusammenhang mit den beiden zuvor platzierten Quaestiones (Ex II 27f.) steht, sondern für sich zu betrachten ist: Angesprochen ist die exklusive Gottesnähe des das prophetische Bewusstsein symbolisierenden Mose bei seiner ersten Sinaibesteigung. Der Text ist durch eine gegenläufige Bewegung gekennzeichnet.355 Auf der einen Seite liegt die Konzentration Philos auf einem einzigen, von ihm ausgewählten Teilaspekt – hier die exklusive Annäherung Moses an Gott –, auf der anderen Seite dient der Text mittels der besagten thematischen „Verengung“ als Paradigma einer platonisch gefärbten, grundsätzlichen ethisch-religiösen Aussage, auf die Philos Auslegung eigentlich hinaus will: exklusiv das „prophetische Bewusstsein“ hat eine wirkliche Gottesnähe! Die von Philo gegebene Antwort ist zunächst vollständig wiederzugeben356: 29aa: Proh optimam, Deumque decentem ordinationem! Propheticum solum intellectum appropinquare ad Deum
355
Vgl. dazu Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 105f. Bei der Kolometrie halte ich mich an den von Chr. NOACK [Gottesbewußtsein, 107] unterbreiteten Vorschlag. 356
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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„O beste und gottgeziemende Ordnung, dass allein das prophetische Bewusstsein Gott naht; 29ab: secundos autem sursum ascendere, pergentes viam in caelum ducentem: dass die Zweiten aber hinaufsteigen, dadurch dass sie den Weg zum Himmel weitergehen: 29ac: tertios vero populares mores conturbatos nec sursum ascendere, neque cum iis ascendere; videre tamen, qui visionem merent, felicem in sursum viam. dass die Dritten – von volkstümlicher Art verwirrt – weder nach oben aufsteigen noch mit ihnen hinaufgehen; dass Seher werden diejenigen, die würdig sind der Schau des glücklichen Weges nach oben.“ 29ba: Illud autem, Solus accedat, nimis naturaliter dictum est: quoniam intellectus propheticus quum Divinis initiatus fuerit, ac Deifer, unitati similis est, nemini penitus mixtus eorum, qui communionem praeseferunt cum dualitate. „Aber jenes ‚er allein möge sich nähern‘ ist überaus allegorisch gesagt: Denn das prophetische Bewusstsein, zur gleichen Zeit, wenn es gottergriffen und gotterfüllt ist, ist der Einheit (Monade) ähnlich, da es in keiner Weise mit Dingen vermischt ist, die Gemeinschaft haben mit der Zweiheit.“ 29bb: Qui vero in unitatis naturam inhaeserit, in Deum dicitur appropinquasse cognativa quadam familiaritate; derelictis enim mortalibus universis generibus, transmutatur in divinum, ita ut fiat Deo cognatus, vereque divinus. „Wer sich wahrhaft in die Natur der Einheit aufgelöst hat, (von dem) wird gesagt, dass er sich Gott nähert in einer Art familiärer Beziehung; da er nämlich alle sterblichen Seinsweisen zurückgelassen, wird er in die göttliche Seinsweise hineinverwandelt, sodass er gottverwandt wird und wahrhaft göttlich.“ Die Quaestio ist zunächst grob in zwei Teile zu unterteilen: Der erste Teil (29aa–ac) interpretiert in drei Schritten den ebenso dreigliedrigen Prätext von Ex 24,2 LXX (Mose; Sinaiaufstiegs-Begleiter; Volk) auf zunächst überwiegend literaler Ebene. Angesprochen werden in qualitativ absteigender Ordnung das prophetische Bewusstsein (=Mose) in 29aa, die Bergaufstiegs-Begleiter des Mose in 29ab (secundos …) sowie das Volk in 29ac (populares mores conturbatos …), dem der Bergaufstieg verwehrt bleibt.
374
3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Philo differenziert mit dieser Untergliederung drei Menschengattungen, auf die seine Exegese des Sinaiaufstiegs abzielt. Eine Zäsur innerhalb der Quaestio ist mit 29ba zu setzen, wo der zweite Teil der vorgelegten Antwort eröffnet wird, insofern ab hier der allegorische Aspekt der Exegese forciert wird, der nach dem tieferen, Philo besonders am Herzen liegenden Sinn der Schriftstelle fragt: die Annäherung allein des prophetischen Bewusstseins an Gott (solus accedat …). Während in 29ba der Schwerpunkt der allegorischen Deutung auf dem Stichwort solus liegt, wird in 29bb das Verb appropinquare allegorisch gedeutet.357 Hier wird zugleich die Spitzenaussage der Quaestio platziert, wonach das prophetische Bewusstsein in eine Art Verwandtschaftsverhältnis mit Gott tritt (cognativa quadam familiaritate), ja wahrhaft göttlich wird (ita ut fiat Deo cognatus, vereque divinus). 4.4.2.3 Mose als Symbol des intellectus propheticus Die Beantwortung der von Philo aufgeworfenen Frage setzt in Quaest in Ex II 29aa mit einer Äußerung der Bewunderung an, an die der Theosoph den zentralen Terminus – intellectus propheticus – anfügt, der in der Quaestio den Gedankengang leiten wird: Proh optimam, Deumque decentem ordinationem! Propheticum solum intellectum appropinquare ad Deum. Bewundernd angesprochen ist die Tatsache, dass allein das „prophetische Bewusstsein“ eine Annäherung an Gott vollziehen kann. Dass der Name „Mose“ nur in der Frage, nicht aber im Argumentationsgang der Quaestio begegnet, ist Indiz dafür, dass Mose an dieser Stelle – anders als in VitMos II 66–76 – nicht als distinkte biblische Person wahrgenommen wird, sondern als prophetischer Nous allegorisiert wird. Mose steht symbolisch für das gottnahe prophetische Bewusstsein und hat Vorbildfunktion für die Rezipienten des Textes. Die paradigmatische Funktion des Mose wird vollends durch den markanten Subjektwechsel zwischen 29ba und 29bb indiziert: Während in Quaest in Ex II 29ba noch das prophetische Bewusstsein (intellectus propheticus) als Subjekt erscheint, wird in 29bb ein indefinites „qui“ als Subjekt eingeführt. Beides – Verzicht auf den Eigennamen „Mose“ und Einführung eines „qui“ – zeigt deutlich an, dass für Philo an dieser Stelle nicht Mose als biblische Person von Interesse ist, sondern die durch ihn symbolisierte Menschengruppe. Philo unterbreitet dem Leser mittels des das prophetische Bewusstsein repräsentierenden Mose ein grundsätzliches religiös-mystisches Angebot, sodass in Quaest in Ex II 29 von Mose als einem offenen Paradigma gesprochen werden kann.
357
Vgl. zu dieser Gliederung Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 107.
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
375
Ohne eine Definition des prophetischen Bewusstseins zu geben, macht Philo in 29aa deutlich, dass das Proprium des prophetischen Bewusstseins die Gottesnähe ist, was er im zweiten Teil der Antwort 29ba–bb detailliert ausführt. Das unübertrefflich hohe Maß der Gottesnähe des prophetischen Bewusstseins unterscheidet dieses von den in 29ab und 29ac genannten Menschentypen, insofern allein von diesem eine Inspiration ausgesagt werden kann. Im Hintergrund der Aussage steht mit hoher Wahrscheinlichkeit Platons Phaidros 250c, wo die präexistenten Seelen, die der himmlischen Mysterieneinweihung mittels einer Schau des wahren Wesens von Gerechtigkeit, Schönheit und Besonnenheit teilhaftig werden und in göttlicher Nähe leben, als MCSCTQK bezeichnet werden, da sie nicht durch die Körperlichkeit „beschwert“ werden: … MCSCTQK QPVGL MCK CXUJOCPVQK VQWVQW Q? PWP FJ UYOC RGTKHGTQPVGL QXPQOC\QOGP … – „rein auch selbst und nicht geprägt und umschlossen von dem, was wir jetzt denn also mit uns herumtragen und Körper nennen …“358 4.4.2.4 Entfaltung des Drei-Menschenklassen-Schemas Die nähere Charakterisierung des inspirierten prophetischen Bewusstseins erfolgt sodann in einem nächsten Schritt durch eine Abgrenzung von zwei weiteren Bewusstseinsstufen, die in den Abschnitten 29ab (secundos autem sursum ascendere, pergentes viam in caelum ducentem) und 29ac (tertios vero populares mores conturbatos nec sursum ascendere, neque cum iis ascendere; videre tamen, qui visionem merent, felicem in sursum viam) präsentiert werden, sodass eine Einteilung mittels eines Dreiklassenschemas359 vorgelegt wird. Eine Einteilung von Menschen in drei Gruppen ist ein Standardtopos des Werkes Philos. So heißt es in Quaest in Gn IV 47: „Thus there are three persons …: the wise man, the progressive man and the wicked man“. Innerhalb des Allegorischen Kommentars bietet Philo in Gig 60f. eine weitere dreifache Klassifizierung, indem er hier zwischen Erdenmensch (QKBOGPIJL), Himmelsmensch (QKBFGQWXTCPQW) und Gottmensch (QKB FG SGQW) unterscheidet.360 In Congr 51–53 unterscheidet er den Gottschauer, Himmelsbetrachter und Skeptiker. Mit hoher Wahr358
Übersetzung nach E. Heitsch, Phaidros. Übersetzung und Kommentar, 35. Vgl. dazu Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 118. 360 /WSQP OGP QW P QWXFGPC RGTK IKICPVYP GKXUJIGKVCK VQ RCTCRCP DQWNGVCK FG GXMGKPQ UQK RCTCUVJUCKQ=VKQKB OGPIJLQKB FG QWXTCPQWQKB FG SGQW IGIQPCUKPCPSTYRQK – „Keinesfalls führt er [scil. der mosaische Gesetzgeber, A.W.] eine Fabel über Riesen an, sondern er möchte dir dies darlegen, dass die einen der Erde, die anderen des Himmels, wieder andere Gottes sind“. Aufbauend auf dieser Differenzierung unterteilt Philo in Conf 146–148 den positiven Menschentyp nochmals in den „Schauenden“ (Sohn Gottes) und den „Hörenden“ („Sohn des Schauenden“, also „Sohn des Sohnes Gottes“). Vgl. zu dieser Unterteilung G. Sellin, Gotteserkenntnis, 31. 359
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
scheinlichkeit ist die Aufteilung in drei Menschentypen in Quaest in Ex II 29 an Platons Phaidros 248a–b orientiert. Dafür spricht die Verwendung von conturbatos in Quaest in Ex II 29ac, womit das SQTWDQL aus Phaidros 248b (SQTWDQL QWP MCK C=OKNNC MCK KBFTYL GUECVQL IKIPGVCK …) aufgenommen sein dürfte.361 Während die absolute Gottesnähe Proprium des intellectus propheticus ist, der als solcher mit dem in Conf 146–148 erwähnten „Schauenden Gottes“, der auch „Sohn Gottes“, d.h. als Logos bezeichnet wird362, zu identifzieren ist, kennzeichnet die zweite in 29ab und 29ac benannte Menschengruppe hingegen, dass diese – ohne eine absolute Gottesnähe zu haben – wenigstens einen Mit-Bergaufstieg vollzieht, womit Philo eine freie Exegese von Ex 24,2b LXX (CWXVQK FG QWXM GXIIKQWUKP) bietet. Der zweiten Gruppe wird eine relative Gottesnähe zugesprochen, die diese Gruppe von der sogleich zu besprechenden dritten unterscheidet.363 Kennzeichen dieser zweiten Gruppe ist nach Philo ein zweiteiliges: das Einschlagen des Weges zum Himmel (secundos autem sursum ascendere, pergentes viam in caelum ducentem) sowie die damit verbundene Würde, Seher „des glücklichen Weges nach oben“ zu werden (videre tamen, qui visionem merent, felicem in sursum viam). Die zweite Menschengruppe hat im Unterschied zum prophetischen Bewusstsein keine eigene Gottesschau, wird aber nach 29ac der „Schau des seligen Weges nach oben“ teilhaftig. Die Menschen auf der zweiten Stufe bilden eine mittlere Stufe auf dem Weg in die himmlische Tugendwelt, insofern sie zwischen dem nicht mehr der Sinnenwelt anhaftenden prophetischen Bewusstsein und dem chaotischen untersten Bewusstsein (29ac) positioniert sind, das durch Sinneneindrücke geprägt und stets durch JBFQPCK tangiert wird. Auf der untersten Bewusstseinsstufe ordnet Philo nun die dritte Gruppe ein, da diese – auf literaler Ebene – keinen „Bergaufstieg“ vollzieht, sondern – in allegorischer Hinsicht – „in der Welt der Sinne“, des Leiblichen 361
Vgl. zur Aufnahme von Phaidros 248a–b in Quaest in Ex II 29 Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 118.128; G. Sellin, Streit um die Auferstehung, 142. 362 Philo bezieht die Aussage in Conf 146–148 auf Israel, den „Schauenden“, sodass es zu einer Gleichsetzung Israels als „Sohn Gottes“ mit dem „Logos“ kommt, der auch GKXMYPSGQW genannt wird. Vgl. dazu G. Sellin, Gotteserkenntnis, 31. Der Terminus Israel wird von Philo in Unterscheidung vom „real existierenden Volk“, das entweder mit 8,QWFCKQK oder `(DTCKQK bezeichnet wird, zur Bezeichnung der erwerbbaren Fähigkeit der Q=TCUKL SGQW gebraucht. Vgl. z.B. M. Böhm, Rezeption und Funktion, 212f. Vgl. auch a.a.O., 236. Gemeint ist kein Abstammungsterminus, sondern vielmehr eine Art von „spiritual capacity“. Mit E. Birnbaum, Place, 30. Eine solche haben geborene Juden ebenso durch Bemühung (Beobachtung des mosaischen Gesetzes; Tugendhaftigkeit) zu erwerben wie Proselyten. Vgl. auch M. Böhm, a.a.O., 213: „Damit ist ‚Israel‘ bei Philo die gemeinsame, von allen anzustrebende – virtuelle – Zielgröße und der eigentliche Integrationsbegriff, in dem alle Unterschiede letztlich aufgehoben sind.“ 363 Mit Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 119.
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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und Leidenschaftserfüllten verbleibt. Philo verbindet diese Positionierung mit einer markanten Negativbewertung.364 Dieser Bewusstseinsstufe ist aufgrund der ihr eigenen Fixierung auf die Sinnestätigkeit und der mit dieser verbundenen Oberflächlichkeit der Wahrnehmung der Zugang zur geistigen Welt versperrt. Der Alexandriner deutet mit der Aussage tertios vero populares mores conturbatos nec sursum ascendere (29ac) Ex 24,2c LXX (QB FG NCQLQWX UWPCPCDJUGVCKOGV8CWXVYP) in seelenallegorischer Hinsicht, wobei es im Vergleich mit dem auszulegenden LXX-Text zu der angesprochenen, auffallenden Negativeinschätzung kommt, was deutlich der Kumulierung der Negativqualifikationen populares … conturbatos zu entnehmen ist.365 4.4.2.5 Das inspirierte prophetische Bewusstsein – die allegorische Deutung In Quaest in Ex II 29ba liegt die entscheidende Zäsur innerhalb der Quaestio vor, da der Alexandriner hier zur allegorischen Deutung des inspirierten prophetischen Bewusstseins übergeht, das er in 29aa eingeführt und in 29ab und 29ac mittels der Abgrenzung von niederen Bewusstseinsstufen profiliert hat. Die allegorische Deutung ist zweigeteilt: In 29ba wird das Syntagma „solus accedat“ des Lemmas näher interpretiert, während in 29bb das Lexem appropinquare gedeutet wird: Nur das prophetische Bewusstsein (Mose) hat eine absolute Gottesnähe. Kennzeichen dieses prophetischen Bewusstseins ist – Virt 217 und VitMos II 69–71 vergleichbar – die Inspiration, die an dieser Stelle mit der Gedankenfigur der Monade verknüpft wird. Dabei wird die prophetische Inspiration als „Transforma364
So deutet Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 127–129. In Quaest in Gn III 10 ordnet Philo dem chaotischen, der Sinneswahrnehmung verhafteten Bewusstsein vier Affekte zu – JBFQPJ; GXRKSWOKC ; NWRJ HQDQL –, die als negatives Pendant der vier Kardinaltugenden fungieren. 365 Entsprechend weit gehen die Übersetzungsvorschläge der von Aucher vorgelegten lateinischen Übersetzung der armenischen Überlieferung auseinander. Vgl. R. Marcus, LCL Philo Supplement II, 69f.: „the turbulent characters of the people“; A. Terian, Quaestiones in Exodum, 149f.: „le peuple au caractère turbulent; J. Leipoldt/W. Grundmann, Umwelt des Urchristentums II, 296f.: „Die Volksmenge mit ungeordneten Sitten“ (Übersetzung von H. Hegermann). Chr. Noack [Gottesbewußtsein, 128] vermutet hinter conturbatos eine Adjektivform des griechischen SQTWDQL, da Philo in SpecLeg I 298 (VYP CKXUSJUGYPQENQWMCK SQTWDQW) und Mut 144 (QENYPMCK SQTWDYP) „Pöbel“ und „Chaos“ zusammenstellt. In All II 77 nennt Philo den menschlichen Leib den „volksartigen, pöbelhaften Teil in uns“ (VQ NCYFGL MCK QENQP GEQP GXP JBOKP OGTQL). Diese – durchaus überzeugende – Deutung setzt jedoch die Hilfshypothese voraus, dass bei Philo entgegen dem Prätext von Ex 24,2c nicht das neutrale NCQL, sondern das pejorativ gebrauchte QENQL Verwendung findet. Nahegelegt wird diese Deutung dadurch, dass das Lexem SQTWDQL auch in Platons Phaidros (248b) begegnet, der – wie bereits wiederholt angesprochen worden ist – hinter dem Gedankengang in Quaest in Ex II 29 steht.
378
3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
tion von der Dyade zur Monade“ begriffen.366 Anders als die darunter angesiedelten Bewusstseinsstufen wird das monadisch transformierte prophetische Bewusstsein weder durch die sinnliche Wahrnehmung gesteuert noch durch negative Affekte (JBFQPJGXRKSWOKC etc.) tangiert, sondern ist in seiner „Ähnlichkeit“ mit einer Monade (unitati similis est) während der erfolgenden Inspiration den unteren beiden Bewusstseinsstufen enthoben. Einen ähnlichen Gedanken legt Philo im zweiten Band der Vita Mosis vor, wo es im Sterben Moses zu einer endgültigen Transformation des LeibSeele-Dualismus hin zu einer Monade kommt. In VitMos II 288 notiert Philo zu Moses Tod: &TQPQKLF8W=UVGTQPGXRGKFJ VJPGXPSGPFGCXRQKMKCPGOGNNGPGKXLQWXTCPQPUVGNNGUSCKMCK VQP SPJVQP CXRQNKRYP DKQP CXRCSCPCVK\GUSCK OGVCMNJSGKL WBRQ VQW RCVTQL Q?L CWXVQP FWCFC QPVC UYOC MCK [WEJP GKXL OQPCFQL CXPGUVQKEGKQW HWUKP Q=NQP FK8 Q=NYP OGSCTOQ\QOGPQLGKXLPQWPJBNKQGKFGUVCVQPVQVGFJ MCVCUEGSGKL… – „Einige Zeit später, als er den Gang von hinnen in den Himmel antreten und nach dem Scheiden aus dem sterblichen Leben zur Unsterblichkeit gelangen sollte, berufen vom Vater, der ihn ausder Zweiheit von Leib und Seele in ein Einheitswesen umschaffen und ihn ganz und gar in einen sonnigen Geist umgestalten wollte, da wurde er ebenso vom göttlichen Geiste ergriffen …“367
Der Leib-Seele-Dualismus wird im Moment des Todes des Mose dahingehend aufgelöst, dass Moses „Zweiheit aus Leib und Seele“ (Q?L CWXVQP FWCFCQPVC) in eine Monade (GKXLOQPCFQLCXPGUVQKEGKQWHWUKP) eines sonnenhaften Geistes (GKXLPQWPJBNKQGKFGUVCVQP) umgestaltet wird. Während in VitMos II 288 von einer endgültigen Verwandlung die Rede ist, spricht Quaest in Ex II 29 von einer zeitweiligen Verwandlung, da sich Philo der Textvorgabe von Ex 24,2 verpflichtet weiß.368 Zudem ist von einem außen wahrnehmbaren „Effekt“ der monadischen Verwandlung in Quaest in Ex II 29ba nicht die Rede. Auffallend bleibt aber, dass der anthropologisch366 Mit Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 131. In Quaest in Ex II 7 bringt Philo das prophetische und monadische Bewusstsein mit einer Lichtmetaphorik in Verbindung: Fieri enim nequit, eum qui in conspectum Dei venit, vacuum esse, sed potius plenum cunctis bonis. Sicut enim qui accedit ad lucem, subito illuminatur, ita etiam cui apparet Deus, impletur tota sua anima: spirituale vero lumen aliis nominibus intelligentia, et sapientia appellatur. In der Übersetzung von R. Marcus [LCL Philo Supplement II, 43] lautet der Text: „For it is impossible for anyone who comes into the sight of God to be empty but (rather must he be) full of every good. For just as one who comes near the light is straightway illumined, so also is filled the entire soul of him to whom God has appeared. A spiritual light, however, is called by other names, (namely) knowledge and wisdom.“ 367 Übersetzung nach B. B ADT: Philo von Alexandrien. Die Werke in deutscher Übersetzung Band I. Berlin 21962, 364. 368 Es ist zu vermuten, dass dem quum im lateinischen Text von Quaest in Ex II 29ba das griechische Q=VCP zugrunde liegt. Ersatzweise ist – wie bei der prophetischen Inspiration des Abraham in Virt 217 – ein QBRQVGIQWP möglich. Der iterative Charakter des Geschehens ist in beiden Fällen gegeben.
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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monadische Ansatz nicht allein auf die endgültige Verwandlung des Mose im Moment seines Todes beschränkt ist, sondern innerhalb einer allegorischen Deutung durchaus Verwendung für eine zeitweilige Verwandlung finden kann. Während die Dyade die zusammengesetzte und der Sinnenwelt verhaftete Bewusstseinsstufe bezeichnet, stellt die Monade die der Sinnenwelt enthobene, nicht zusammengesetzte, himmlische, daher auch vollkommene Bewusstseinsstufe dar und partizipiert so am „ontologisch höchstmöglichen Zustand“, der die „Seinsfülle“ selbst ist.369 Dieser Zustand bedingt die nicht weiter zu überbietende Gottesnähe, die als eine absolute angesprochen werden muss. Chr. Noack hat dabei überzeugend herausgearbeitet, dass innerhalb dieser seelenallegorischen Deutung keine „tatsächliche Trennung“ des Nous vom Körper, sondern eine „kontemplative Erfahrung“ intendiert ist, „in der die Sinneswirklichkeit keine Rolle mehr spielt und völlig ausgeblendet wird“.370 Wichtig für den Vergleich mit VitMos II 69–71 ist nun die Tatsache, dass auch der erste Sinaiaufstieg Moses in Quaest in Ex II 29 vor dem Hintergrund der philonischen LogosKonzeption zu interpretieren ist. Die „Isotopie mit dem Logos“, d.h. die Lokalisierung auf der höchsten denkbaren Seinsebene, die das prophetische Bewusstsein dazu befähigt, an der aktiven Funktion des Logos teilzuhaben, wird wenig später in Quaest in Ex II 37 explizit ausgesprochen: Ita ut, si liceat, oportet dicere locum istum rationalitatis. Non enim motus umquam suspicionem dedit, sed perpetuo standi; quoniam firma permanet, et immutabilis, natura Patris, lucidior ac simplicior unitate, quae unica est forma similitudinis. – „And if it is right (to say so, we may) say that this place is that of His Logos, since He has never given a suspicion of movement but of always standing, for the nature of the Father remains fixed and unchanged and more lucid and simpler than the (number) one which alone is a form of likeness.“371 369
Mit Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 134. Vgl. Chr. Noack, a.a.O., 138. 371 Übersetzung nach R. Marcus, LCL Philo Supplement II, 79. Derselbe Gedanke begegnet zudem – mit einer etwas anders gelagerten Terminologie – in Quaest in Ex II 46: Der Sinai-Aufstieg des von Mose repräsentierten inspirierten Bewusstseins wird hier von Philo mit dem Gedanken einer zweiten, geistlichen Zeugung (ggf. Geburt) des Propheten expliziert, die als solche eine Art Verwandtschaftsverhältnis mit Gott begründet, von dem in Quaest in Ex II 29bb explizit die Rede ist. Der Text lautet nach Terian (S. 176): Sursum autem vocatio Prophetae, secunda est nativitas (sive regeneratio) priore melior: illa enim commixta per carnem, et corruptibiles habebat parentes; ista vero incommixta simplexqae anima principalis (vel spritus principis), mutata a genita ad ingenitam, cujus non est mater; sed pater solus, qui et universorum. Marcus [S. 91] übersetzt: „But the calling above of the prophet is a second birth better than the first. For the latter is mixed with a body and had corruptible parents, while the former is an unmixed and simple soul of the sovereign, being changed from a productive to an unproductive form, which has no mother but only a father, who is (the Father) of all.“ Das Zusammenspiel von Quaest in Ex II 29 und 46 spricht für einen deutlichen Konnex der prophetischen Inspiration mit einem göttlichen Verwandtschaftsverhältnis in der Konzeption Philos. In christologisch 370
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Der Logos, zu dem das prophetische Bewusstsein nach erfolgreichem Aufstieg im Zustand seiner mystischen Inspiration geworden ist, ist die Spitze der ontologischen Pyramide, die allein von Gott selbst transzendiert372 wird, wie Quaest in Ex II 68 notiert: VQ RTYVQP QB MCK GBPQL MCK OQPCFQL MCK CXTEJL RTGUDWVGTQLx (RGKVC QB VQW 1PVQL NQIQLJBURGTOCVKMJVYPQPVYPQWXUKC .373
Erneut wird auf einen Gedanken aus dem Phaidros zurückgegriffen. In 249c–d spricht Platon von der Ideenschau des Philosophen. Seine Erkenntnistätigkeit ist Erinnerung an das einst von der Seele Geschaute (249c: VQWVQ F8 GXUVKP CXPCOPJUKL GKXMGKPYP C= RQV8 GK FGP JBOYP JB [WEJ UWORQTGWSGKUC SGY^ MCK WBRGTKFQWUC C? PWP GKXPCK HCOGP MCK CXPCMW[CUC GKXLVQQ PQPVYL). Während der Ideenschau blickte die Seele „im Gefolge Gottes“ einerseits nieder auf das, „von dem wir jetzt meinen, daß es ist“, andererseits blickte sie auf „zu dem wahrhaft Seienden“. Durch die Ideenschau wird der Philosoph in die wahren Mysterien eingeweiht, wodurch er zur Vollkommenheit gelangt. In diesem Zusammenhang spricht Platon von GXPSQWUKC\GKP der Seele des Philosophen. Angesichts der „flächendeckenden“ Beeinflussung der philonischen Gedanken durch den Phaidros Platons ist anzunehmen, dass auch der Inspirationsgedanke von hierher stammt.
ausgearbeiteter Form liegt der Gedanke m.E. in der Verklärungsperikope in Mk 9,2–8 vor, in der der Gedanke der Transfiguration Jesu mit der Sohn-Gottes-Konzeption in Verbindung gebracht wird. 372 Vgl. dazu G. Sellin, Gotteserkenntnis, 20. 373 Vgl. das griechische Fragment zu Quaest in Ex II 68 in LCL Suppl. II, 256. R. Marcus übersetzt: „In the first place (there is) He Who is elder than the one and the monad and the beginning. Then (comes) the Logos of the Existent One, the truly seminal substance of existing things.“ Vgl. dazu auch Praem 40. Dazu formuliert G. SELLIN [Gotteserkenntnis, 21]: „Das bedeutet eine Radikalisierung des an sich schon transzendenten platonisch-ontologischen Gottesbegriffs, die auf den pythagoreisierenden alexandrinischen Platoniker Eudoros zurückgeht, der dem pythagoreischen dualen Prinzipienpaar von Monade (=PQWL) und Dyade (= Materie) noch eine höchste Einheit (bei Eudoros VQ G=P genannt) voranstellte und so den Dualismus von Geist und Materie noch einmal monistisch auffing.“ Für den philonischen Logos-Begriff formuliert S ELLIN, a.a.O.: „Die Stelle der Spitze der ontologischen Pyramide nimmt jetzt der Logos ein, der den Oberbegriff aller Ideen darstellt.“
4. Verwandlungsvorstellungen bei Philo von Alexandrien
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4.4.2.6 Das göttliche Verwandtschaftsverhältnis des inspirierten Bewusstseins In Quaest in Ex II 29ba ist das göttliche Verwandtschaftsverhältnis der prophetischen Bewusstseinsstufe durch den Gedanken der vollständig auf Gott ausgerichteten Monade vorbereitet worden: Das durch Mose repräsentierte prophetische Bewusstsein ist im Zustand der Inspiration, also der „Gott-Ergriffenheit“ der sinnlich-materiellen Welt enthoben und in seiner Wahrnehmung vollkommen auf Gott hin ausgerichtet. Angesprochen ist ein mystischer, innerseelischer Vorgang. Das hier bereits angedeutete göttliche Verwandtschaftsverhältnis wird nun in Quaest in Ex II 29bb explizit ausgesprochen: Während in Quaest in Ex II 29ba in der Formulierung Divinis initiatus fuerit, ac Deifer die Passivität des prophetischen Bewusstseins im Inspirationsgeschehen im Vordergrund steht, wobei Gott als logisches Subjekt zu denken ist, betont 29bb die aktive Dimension des Vorgangs.374 Diese aktive Dimension umfasst zwei zu unterscheidende Bereiche: die Verwandlung mittels der Auflösung in die Natur der Einheit sowie die Annäherung an Gott. Das Zusammenspiel der Ausdrücke qui vero in unitatis naturam inhaeserit und transmutatur in divinum … vereque divinus lässt dabei an ein echtes, wenngleich innerseelisch-mystisches Verwandlungsgeschehen denken. Die nächste Parallele zum Ausdruck qui vero in unitatis naturam inhaeserit innerhalb des Opus Philonicum ist das bereits wiederholt angesprochene GKXL OQPCFQL CXPGUVQKEGKQW HWUKP in der Sterbeszene des Mose in VitMos II 288, wo jedoch eine endgültige Verwandlung gemeint ist, die Leib und Seele betrifft. Die inspirierte prophetische Bewusstseinsform in Quaest in Ex II 29bb, für die Mose exemplarisch steht, ist jedoch als ein nicht-endgültiges, jederzeit wiederholbares Verwandlungsgeschehen konzipiert und muss im Gegensatz zu den vorgestellten Verwandlungsvorstellungen der philonischen Enkomienliteratur (Virt 217 und VitMos II 69f.) keine außen, für die Umwelt wahrnehmbaren Effekte aufweisen.375 Sollte dem inhaeserit in Quaest in Ex II 29bb das in VitMos II 288 begegnende griechische CXPCUVQKEGY zugrunde liegen, wie Chr. Noack im Anschluss an F. Siegert vermutet376, läge hier ein seelenallegorisch-mystischer Gebrauch des naturphilosophischen Vorgangs der Elementenverwandlung, demnach eine wirkliche Verwandlung vor. Das monadisch inspirierte Bewusstsein tritt mit der Verwandlung in ein göttliches Verwandtschaftsverhältnis ein. Die Verwandlung bewirkt eine praktisch nicht zu überbietende Nähe des prophetischen Bewusstseins zu Gott.
374
Vgl. Chr. Noack, Gottesbewußtsein, 145. Vgl. Chr. Noack, a.a.O., 154. 376 Vgl. Chr. Noack, a.a.O., 145. 375
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Das inspirierte prophetische Bewusstsein hat die Spitze der ontologischen Pyramide erreicht, die allein von Gott nochmals transzendiert wird.
5. Die Verwandlung des Mose in LibAnt 12,1 und 19,16 In der soeben vorgelegten Analyse der Lektüretradition von Ex 24 und 34 im hellenistischen Judentum, für das Philo von Alexandrien unser maßgeblicher Zeuge ist, wird in dieser Studie der theologische Mutterboden gesehen, auf dem eine christologische Legitimationserzählung wachsen konnte, wie sie uns in Mk 9,2–8 vorliegt. Sie ist vom Mk-Evangelisten mit hoher Wahrscheinlichkeit als Überlieferung in mündlicher Form rezipiert und im Anfangsbereich des markinischen Mittelteils „biographisiert“ worden. Im Sinne einer „Gegenprobe“ sollen abschließend zwei Mose betreffende Verwandlungsvorstellungen zur Sprache kommen, die uns in den palästinischen Bereich führen. LibAnt 12,1 handelt von der Verwandlung des Mose auf dem Sinai, während in LibAnt 19 von einer midraschähnlichen Erzählung des Todes und des Begräbnisses Moses (vgl. Dtn 34,5f.) die Rede ist. Auch hier ist Verwandlungsterminologie zu greifen. 5.1 Die Deutung von Ex 34,29–35 in LibAnt 12,1 Neben der analysierten zeitweiligen Verwandlung des philonischen Mose im Zusammenhang seiner Einsetzung zum Oberpriester in VitMos II 66–76 kennt Philo auch seine endgültige Verwandlung im Moment seines Sterbens (vgl. VitMos II 288–292), die bei ihm in platonischen Kategorien im Sinne einer Transformation in eine Monade eines sonnenhaften Geistes (GKXL PQWP JBNKQGKFGUVCVQP) interpretiert wird. Auffällig ist die Tatsache, dass das Motiv der Verwandlung des Mose im Todesmoment auch im sogenannten Liber Antiquitatum Biblicarum des Pseudo-Philo begegnet, sodass es angeraten erscheint, auch zu diesem Textbefund Stellung zu beziehen, zumal die Verwandlungsvorstellungen des LibAnt377 bisher wenig zur Deutung der markinischen Verklärungsperikope herangezogen worden
377 Das LibAnt liegt uns in einer lateinischen Textform vor, die auf einer griechischen Übersetzung eines hebräischen Originals beruht. Vgl. zur Begründung, E. R EINMUTH, Pseudo-Philo und Lukas, 17f. Ferner Chr. DIETZFELBINGER, JSHRZ II.2, 92f.; H. J ACOBSON, Commentary on LAB, 215–224. Das Werk entstand im Zeitraum zwischen 70 bis 132 n. Chr. im Bereich des palästinischen Judentums und ist von einem uns nicht näher bekannten Autor verfasst worden. Vgl. dazu Chr. DIETZFELBINGER, a.a.O., 95f.; H. J ACOBSON, a.a.O., 199–210. Die theologische Nähe zu syrBar und 4 Esra sowie die Tradierung dieser Schrift durch die christliche Kirche sprechen für eine Datierung ins erste Jh. n. Chr.
5. Die Verwandlung des Mose in LibAnt 12,1 und 19,16
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sind, wie U.B. Müller mit Recht festgestellt hat.378 Während Philo von Alexandrien Zeuge einer Verwandlungsvorstellung des sterbenden Mose im Bereich des hellenistischen Judentums ist, bezeugt Pseudo-Philo den gleichen Sachverhalt für den Bereich des palästinischen Judentums.379 Beiden gemeinsam ist, dass sie einerseits das Motiv der Verwandlung des Mose nicht auf das Sinai-Geschehen beschränken, die Verwandlung andererseits mit einem Offenbarungsempfang verbinden. Das Motiv der Verwandlung des Mose ist im LibAnt keinesfalls auf den Sterbemoment begrenzt, vielmehr finden sich zwei klar zu differenzierende Verwandlungsvorstellungen. Zunächst ist die Nacherzählung der entsprechenden Passagen aus Ex 24 und 34 zu besprechen, die im LibAnt bekanntlich in einer Zusammenschau präsentiert werden, sodann ist die Verwandlungsvorstellung im Todesmoment Moses zu analysieren. In LibAnt 12,1 behandelt der Autor die Verwandlung des Mose auf dem Sinai. Es handelt sich um eine an einen Midrasch erinnernde interpretierende Lektüre von Ex 34,29–35. In der Ausgabe von D.J. Harrington380 lautet der Text: „Et descendit Moyses. Et cum perfusus esset lumine invisibili, descendit in locum ubi lumen solis et lune est; vicit lumen faciei sue splendorem solis et lune, et hoc nesciebat ipse. Et factum est cum descenderet ad filios Israel, videntes non cognoscebant eum. Cum 378
Vgl. U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 21. Vgl. zu dieser Lokalisierung die Überlegungen bei Chr. D IETZFELBINGER, JSHRZ II.2, 96. Ferner H. J ACOBSON, Commentary on LAB, 210f. Deutlich weist das im LibAnt vertretene Mosebild auf eine Entstehung im palästinischen Judentum, nicht im hellenistischen Diasporajudentum hin. Umstritten ist die gattungskritische Einordnung des LibAnt. Trotz partieller Berührungspunkte kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Werk als „Midrasch“ korrekt einzustufen ist. Gegen diese beliebte Einordnung hat G. STEMBERGER [Midrasch, 17] darauf hingewiesen, dass im LibAnt eine „völlige Verschmelzung von Bibeltext und eigener Aussage“ vorliegt, die es nicht möglich macht, gattungskritisch von einem Midrasch zu sprechen, insofern die „klare Trennung von geoffenbartem Bibeltext und Auslegung“ für die Gattung „Midrasch“ konstitutiv ist. Vgl. a.a.O., 22. Dagegen lässt sich dieses Werk im weiteren Sinne unter die Rubrik „rewritten Bible“ subsumieren. Intention dieses Werkes ist die „interpretierende Nacherzählung der Erwählungsgeschichte auf die zu bewältigende Gegenwart hin“. Mit E. REINMUTH, Pseudo-Philo und Lukas, 16. Vgl. auch H. J ACOBSON, a.a.O., 211–213. Diese zu bewältigende Geschichte ist der Prozess der Transformation des Judentums im Gefolge des Jahres 70 n. Chr. Das als Gericht Gottes empfundene Schreckensjahr wird mittels einer Zusammenschau mit den Ereignissen des Jahres 587 v. Chr. paränetisch ausgewertet: Die durch den Abfall vom Gesetz Gottes eingetroffene Katastrophe wird als solche als dringender Aufruf zur Umkehr interpretiert. Umkehr vollzieht sich dort, wo das Gesetz Gottes „als der Weg zum Heil eingeprägt wird“. Mit Chr. DIETZFELBINGER, a.a.O., 98. Von hier aus ist auch die von G. DELLING [Rez. zu D.J. HARRINGTON u.a. (Hrsg.): PseudoPhilon. Les Antiquités Biblique, Sp. 817] hinsichtlich des LibAnt ins Gespräch gebrachte Bezeichnung „jüdische Erbauungsschrift“ berechtigt. 380 Vgl. dazu Pseudo-Philon: Les Antiquités Bibliques Tome I, SC 229. Paris 1976. 379
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
autem locutus fuisset, tunc cognoverunt eum. Er erat simile factum hoc sicut in Egipto, quando cognovit Ioseph fratres suos, ipsi autem non cognoverunt eum. Et factum est postea cum sciret Moyses quoniam gloriosissima facta fuerat facies eius, fecit sibi velamen unde cooperiret faciem suam.“
Zunächst ein Wort zur kontextuellen Situierung dieses Verwandlungstextes: Die Kapitel 11–13 des LibAnt sind als thematische Einheit konzipiert, deren Inhalt die Gesetzgebung auf dem Sinai ist. Diese Einheit setzt in LibAnt 11,1 mit der an Ex 19,1 orientierten Zeit- und Ortsangabe an: Et in mense tertio profectionis filiorum Israel de terra Egipti, venerunt in heremum Syna. Diese Information wird mit einer „Absichtserklärung Gottes zur Gesetzgebung verbunden“381: et memoratus est Deus verborum suorum et dixit: Dabo lumen mundo, et illuminabo inhabitabilia, et disponam testamentum meum cum filiis hominum, et glorificabo populum meum super omnes gentes, in quem eiciam excelsa sempiterna, que eis erunt in lumine, impiis vero in punitionem. Damit ist trotz des markanten Neuansatzes der Konnex mit dem Vorhergehenden gewährleistet, da die Wortwahl einen Rückbezug auf die Gottesrede an Amram in 9,8 nahelegt, sodass die im Folgenden erzählte Gabe des Gesetzes in Entsprechung zur göttlichen Verheißung steht.382 Der sich anschließende § 2 berichtet vom Befehl Gottes an Mose und das Volk zur Disposition für die Gesetzgebung, während § 3 die Erfüllung dieser Anordnung durch Mose erwähnt. In den §§ 4 und 5 legt der Autor eine überbietende Wiedergabe von Ex 19,16 („kosmische Begleiterscheinungen“ und „Furchtmotiv“) vor, an die in den §§ 6–13 die Dekaloggesetzgebung angeschlossen wird mit einer hier vorliegenden starken Betonung des Talio-Prinzips.383 In § 14 findet ein Subjektwechsel statt: Et ut quievit Dominus loqui, populus in pavore timuit valde. In der sich anschließenden Rede des Volkes wird zunächst Ex 20,19 wiedergegeben und in charakteristischer Weise mit einem Anklang an Dtn 5,24 verbunden: ecce enim hodie scimus, quoniam loquitur Deus homini os ad os ut vivet homo. Der formale Anschluss mit der Sentenz et nunc cognovimus vere, quoniam portavit terra vocem Dei cum tremore ist jedoch ohne jegliches biblisches Vorbild. § 15 wird vom Motiv „Anweisungen zur Errichtung des Heiligtums“ dominiert, womit Ex 25 literarisch verarbeitet wird. LibAnt 12,1 bietet nun eine interpretierende Nacherzählung von Ex 34,29–35, wobei hier die beiden Bergaufstiege in Ex 24 und 34 in einer Zusammenschau präsentiert werden, an die die Erzählung vom Goldenen Kalb erst nachträglich angeschlossen wird (§§ 2–10). Durch den Anschluss der Erzählung vom Goldenen Kalb in LibAnt 12,2–10 findet sich eine markante Zäsur zwischen LibAnt 12,1 und 12,2–10, sodass es angeraten ist, die Verwandlung des Mose in 12,1 als Abschluss des Kap. 11 zu werten.
Die Verwandlung des Mose mittels einer Überströmung mit „unsichtbarem Licht“ (lumen invisibile)384 wird im Zusammenhang des Sinai-Ereignisses 381
Mit E. REINMUTH, Pseudo-Philo und Lukas, 51. Mit E. REINMUTH, Pseudo-Philo und Lukas, 51. Vgl. auch H. J ACOBSON, Commentary on LAB, 445. 383 Zum Talio-Prinzip als einer theologischen Grundkoordinate des LibAnt vgl. die Ausführungen bei E. REINMUTH, Pseudo-Philo und Lukas, 119–123. 384 Pseudo-Philo charakterisiert das Mose verwandelnde Licht als „invisibilis“, womit wahrscheinlich ein Licht gemeint ist, in das hineinzuschauen dem Menschen nicht möglich ist. Vgl. dazu Chr. D IETZFELBINGER, JSHRZ II.2, 133 Anm. zu LibAnt 12,1a (als 382
5. Die Verwandlung des Mose in LibAnt 12,1 und 19,16
385
gedeutet, wobei im LibAnt beide „Bergaufenthalte“ Moses in Ex 24 und 34 ineinanderfließen.385 Der auf dem Sinai weilende Mose erhält eine göttliche Offenbarung sowohl durch die Worte Gottes als auch durch die Schau des Abbildes des Tempels und seiner Ausstattung (vgl. LibAnt 11,15). Die an Mose ergehende Offenbarung, die als solche die „Verwandlung“ bewirkt, hat auditive und visionäre Elemente, wobei eine besondere Verwandlungsterminologie – dem Prätext von Ex 34,29–35 vergleichbar – nicht vorhanden ist.386 Wie in der Deutung Philos verwendet auch PseudoPhilo Sonnenmetaphorik zur Beschreibung des gewaltigen Ausmaßes des von Mose ausgehenden Lichtes, bereichert diese jedoch zusätzlich mit einer Mondmetaphorik (vicit lumen faciei sue splendorem solis et lune).387 Das von Mose ausströmende „unsichtbare Licht“ hat nach Pseudo-Philo ein solches Ausmaß, dass es das Licht von Sonne und Mond „besiegt“ (vicit).388 Beiden – Philo und dem Verfasser des LibAnt – gemeinsam ist Frage formuliert). So im Prinzip auch H. JACOBSON, Commentary on LAB, 482. Der Text steht damit in leichter Spannung zu den Aussagen von Ex 34,30a LXX (MCK GK FGP$CTYP MCK RCPVGL QKB RTGUDWVGTQK ,UTCJN VQP /YWUJP MCK J P FGFQZCUOGPJ JB Q[KL VQW ETYOCVQL VQW RTQUYRQW CWXVQW) und 34,35a MCK GK FQP QKB WKBQK ,UTCJN VQ RTQUYRQP /YWUJ Q=VK FGFQZCUVCK) und variiert das Furcht-Motiv aus Ex 34,30b (MCK GXHQDJSJUCP GXIIKUCKCWXVQW). Ist diese Deutung richtig, dann liegt auch in LibAnt 12,1 – wie auch bei den entsprechenden Aussagen des Paulus (2 Kor 3,7) und des Philo (VitMos II 70) – eine den Prätext überbietende Aussage vor. O. HOFIUS [2 Kor 3, 94] vermutet überzeugend, dass dem lateinischen Lexem invisibilis ein griechisches CXSGC VQL zugrunde liegt, was sowohl mit „unsichtbar“ als auch mit „nicht anzusehen“ übersetzt werden kann. Hofius verweist hierzu auch auf Philo VitMos I 158; Migr 114; Som I 157. Ihm schließt sich F. B ACK [Verwandlung durch Offenbarung, 26] an. 385 Die Zusammenschau von Ex 24 und 34 verbietet es, die Szene „Bundesbruch“ und „Goldenes Kalb“ aus Ex 31,18–33,6 zwischen die beiden Bergaufenthalte Moses treten zu lassen. Die Kenntnis dieser Überlieferung verrät Pseudo-Philo gleichwohl durch Lib Ant 12,2–10: Et dum esset in monte corruptum est cor populorum, et congregati sunt ad Aaron, dicentes: Fac nobis deos, quibus serviamus, quemadmodum habent et cetere gentes, quoniam Moyses ille, per quem facta sunt mirabilia coram nos, raptus est a nobis … 386 Mit F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 26. 387 Da in LibAnt 12,1 ein Beispiel aus der Josephsgeschichte (vgl. Gen 42,8) herangezogen wird, um das Phänomen zu erklären, dass Mose von den Israeliten nicht erkannt wurde, ist es überaus plausibel, dass die Kombination der Sonnen- und Mondmetaphorik eine Anspielung auf den Josephstraum in Gen 37,9 bietet, der exegetisch mit Gen 42,8 verbunden wird. So auch F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 26. Philo hingegen interpretiert die Tatsache des Nicht-Erkennens Josephs durch seine Brüder in Gen 42,8 mit der zur Disposition gestellten Alternative einer Verwandlung des Joseph bzw. der „Verwirrung“ des Geistes der Brüder. Vgl. dazu Jos 16,5: … CXNN8 J VJP Q[KP CXNNCZCPVQL GKXL UGOPQVGTQP GK FQL VQW VJP EYTCP GXRKVTCRGPVQL J RCTCVTG[CPVQL VCL CXMTKDGKLMCVCNJ[GKLVJLFKCPQKCLVYPQBTYPVYP. 388 Die Sonne und Mond „besiegende“ Wirkung des von Mose ausgehenden Lichtes wird von Pseudo-Philo als Effekt des Gesetzesempfangs interpretiert. Vgl. zur Bezeichnung des Gesetzes als „Licht“ (so in LibAnt 9,8; 11,1; 15,6; 19,6) die Ausführungen bei
386
3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
die Tendenz zur Steigerung der Aussagen hinsichtlich des von Mose ausgehenden Glanzes gegenüber dem Prätext von Ex 34,29–35. Eine weitere Steigerung liegt darin, dass der Sinai kaum mehr der irdischen, als vielmehr der himmlischen Sphäre angehört, wie die Aussage descendit in locum ubi lumen solis et lune est vermuten lässt. Während also der „Sinai“ bei Philo in VitMos II 69f. Züge des himmlischen Heiligtums trägt, ohne jedoch mit diesem explizit identifiziert zu werden, wird eine solche Identifizierung in LibAnt 12,1 sehr wahrscheinlich. Da in dieser Studie zur Übersetzung des Syntagmas et cum perfusus esset lumine invisibili die Wendung „er wurde überströmt mit Licht, in das man nicht hineinschauen kann“ vorgeschlagen wurde, wird der im Widerspruch zum Prätext stehende Satz verständlich, wonach die Israeliten Mose nicht erkannten (videntes non cognoscebant eum). Dieses Moment des „Nicht-Erkennens“ des Mose durch die Israeliten ist Spezifikum des LibAnt und findet sich weder im Prätext von Ex 34,29–35 noch in anderen jüdischen Quellen.389 Hier liegt eine deutliche Überbietung des biblischen Textes vor mit der Intention, das Ausmaß des von Mose ausgehenden Lichtes zu erhöhen. Im Gegensatz zur Deutung Philos ist die Verwandlung des Mose im LibAnt dezidiert mit dem Gesetzesempfang verbunden, der in LibAnt 11 in direkter Gottesrede detailliert beschrieben wird (§§ 6–13). Sodann begegnet das bei Philo fehlende Erzählmotiv der MCNWOOC: fecit sibi velamen unde cooperiret faciem suam. Interessant ist zudem die Beobachtung, dass im eschatologischen Ausblick in LibAnt 26,13390 das Licht von Sonne und Mond als Signum der Gerechten erscheint, sodass der ver-
E. REINMUTH, Beobachtungen zum Verständnis des Gesetzes, 152f. Wenn nun das Licht des Gesetzes von Mose selbst ausgestrahlt wird, dann liegt letztlich eine Verkörperung des Gesetzes durch Mose vor. In diese Richtung weist auch die Aussage in 12,2: Cum autem locutus fuisset, tunc cognoverunt eum. Dieser Satz steht in Korrespondenz zu 11,2: … et illuminabis populum meum in eo quod dedi in manus tuas legem sempiternam, et in hac omnem orbem iudicabo. Erit enim hec in testimonium. Si enim dixerint homines: Non scivimus te, et ideo non servivimus tibi, propterea hoc vindicabo in eis, quoniam non cognoverunt legem meam. Das Nicht-Erkennen des Mose bzw. des Gesetzes seitens des Volkes entspricht der Anfertigung des Goldenen Kalbes, das in LibAnt 12,2–10 in auffälliger Weise der „Verwandlung“ des Mose nachgeordnet wird. Vgl. zu diesem Gedanken die Ausführungen von E. REINMUTH [Pseudo-Philo und Lukas, 102] mit Verweis auf M.P. W ADSWORTH, The ‚Liber Antiquitatum Biblicarum‘ of Pseudo-Philo: doctrine and scriptural exegesis in a Jewish midrash of the first century A.D. Diss.masch. Oxford 1876, 1,1 119. 389 Vgl. z.B. Chr. DIETZFELBINGER, JSHRZ II.2, 133 Anm. c: „Dieser Gedanke findet sich nur bei Pseudo-Philo.“ So auch H. J ACOBSON, Commentary on LAB, 483; E. REINMUTH, Pseudo-Philo und Lukas, 101. 390 Et non indigent iusti opera luminis solis neque splendore lune, quoniam preciosissimorum lapidum lumen erit lumen eorum.
5. Die Verwandlung des Mose in LibAnt 12,1 und 19,16
387
wandelte Mose des LibAnt bereits innerhalb des Sinaiereignisses einen Vorgeschmack der endzeitlichen Verwandlung genießen darf. Spezifische Berührungspunkte zwischen der markinischen Verklärungsperikope und der Verwandlungsvorstellung in LibAnt 12,1 lassen sich m.E. nicht ausmachen, was mit der divergierenden Herkunft der jeweiligen Überlieferungen (hellenistisches/palästinisches Judentum) zusammenhängen mag. Aufschlussreicher ist die Verwandlung des Mose im Moment seines Todes, von der in LibAnt 19,12 die Rede ist. 5.2 Die Verwandlung des Mose im Todesmoment (LibAnt 19,16) Eine midraschähnliche Behandlung des Todes und des Begräbnisses Moses391, von dem in Dtn 34,5f. die Rede ist, wird im 19. Kapitel des LibAnt vorgelegt.392 Dieser Text ist ein weiterer Ausdruck der grundsätzlichen Absicht des Autors des LibAnt, die biblische Geschichte nicht paraphrasierend nachzuerzählen, „sondern sie neu zu interpretieren und zu bewerten“.393 Mose wird innerhalb einer Offenbarungsrede von Gott angesprochen, mit Verständnis erfüllt und im Moment seines Todes verwandelt (LibAnt 19,16). Die Besonderheit dieses Textes ist – wie zu zeigen sein wird – die Übertragung der Verwandlung des Mose aus Ex 34,29–35 auf seinen Sterbemoment.394 Der im Zusammenhang unserer Frage entscheidende Text des § 16 lautet: Et audiens Moyses, repletus est sensu, et mutata est effigies eius in gloria, et mortuus est in gloria secundum os Domini, et sepelivit eum iuxta quod promiserat ei.
391 Die Notiz vom Begräbnis des Mose – et sepelivit eum – wird in LibAnt 19,16 zweimal platziert und hat – in ihrer § 16 rahmenden Funktion – eine dominierende Stellung. 392 Das Kap. 19 des LibAnt wird mittels einer summarischen Formulierung eingeleitet – et in tempore illo occidit Moyses populos, et media spolia eorum divisit populo –, die die narrative Funktion hat, eine Exposition für die in den §§ 2–5 platzierte Abschiedsrede des Mose an das Volk zu schaffen. Vgl. dazu E. REINMUTH, Pseudo-Philo und Lukas, 62. In den §§ 6–7 erfolgt eine Offenbarungsrede Gottes an Mose, an die sich der Bergaufstieg des Mose und sein Gebet (§§ 8–9) anschließen. In den §§ 10–13.15 (in § 14 stellt Mose eine Frage nach der verbleibenden Dauer dieser Weltzeit) hört Mose eine abschließende Offenbarung Gottes, nach der in § 16 die Verwandlung des Mose erzählt wird. 393 Mit E. REINMUTH, Pseudo-Philo und Lukas, 246. 394 Vgl. dazu F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 27; U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 21f.; D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 113. Mit der Notiz von der Verwandlung des Mose im Moment seines Todes (LibAnt 19,16) wird der Mose-Komplex im LibAnt (Kap. 9–19) abgeschlossen, an den sich der mit LibAnt 20,1 beginnende und bis 24,6 reichende Josua-Komplex anschließt. Vgl. dazu auch E. REINMUTH, Pseudo-Philo und Lukas, 31.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Wie bei der in LibAnt 12,1 angesprochenen Verwandlung findet die Verwandlung in LibAnt 19,16 nach erfolgtem Bergaufstieg395 im Zusammenhang eines Offenbarungsempfangs statt: Mose darf auf dem Berg Abarim396 das Land schauen, erhält eine Offenbarung der himmlischen Welt und aller kosmischen Geheimnisse (LibAnt 19,10) und hört eine letzte Offenbarungsrede Gottes (LibAnt 19,10–13.15), die als solche eine verwandelnde Wirkung hat. Die Tatsache, dass es Mose verwehrt ist, in das Gelobte Land einzutreten, wird in LibAnt 19,7 entgegen Dtn 32,51f. nicht mittels der Sünde des Mose erklärt, sondern dadurch, dass Mose nicht die Götzenbilder sehen soll, durch die sich das Volk betrügen wird: Tibi autem ostendam terram priusquam moriaris, sed non ingredieris ibi in hoc seculo, ne videas sculptilia in quibus incipiet populus hic implanari et deviari.
Die Tendenz des LibAnt zur Unterdrückung jeglicher negativer Konnotierungen des biblischen Mose ist somit auch an dieser Stelle zu greifen.397 In LibAnt 19,14 stellt Mose die Frage nach der Dauer dieser Weltzeit398, die von Gott mit einer Endzeitoffenbarung beantwortet wird, in der die Kürze der noch verbleibenden Zeit betont wird399: Istic mel, apex magnus, momenti plenitudo, et ciati guttum, et omnia complebit tempus. Quatuor enim semis transierunt, et duo semis supersunt.400
Dieser Endzeitoffenbarung folgt in LibAnt 19,16 die Notiz von der Erfüllung des Mose mit Verständnis (repletus est sensu), seine eigentliche Verwandlung sowie die Feststellung seines Todes und Begräbnisses, womit 395
Als Intention des Bergaufstiegs Moses wird in LibAnt 19,8f. das Gebet des Mose um Erbarmen für sein Volk genannt: … et nunc peto, misericordia tua cum populo tuo et miseratio tua cum hereditate tua solidetur, Domine, et longanimitas tua in loco tuo super electionis genus, quoniam tu pre omnibus dilexisti eos. 396 Vgl. Dtn 34,1. Pseudo-Philo unterschlägt wie Josephus die Bezeichnung des Berges als „Berg Nebo“. In LibAnt 19,8 heißt es: Et ascendit Moyses in montem Abarim, sicut preceperat ei Deus … Im Kontext dieser Stelle findet sich jedoch keine derartige Anordnung Gottes. E. REINMUTH [Pseudo-Philo und Lukas, 95] vermutet, dass hier eine literarische Verarbeitung von Num 27,12 und Dtn 32,49 vorliegt. 397 Diese Tendenz ist grundsätzliche Intention der Lesart der Mosegeschichte im LibAnt. Verschwiegen werden der Mord am Ägypter (Ex 2,11f.); die Heirat mit einer Fremdstämmigen (Ex 2,21) sowie sein unzureichender Glaube an Gott (Num 20,12). Vgl. dazu F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 28 Anm. 18; G. V ERMÈS, Gestalt des Moses, 89–93. 398 Der Kühnheit der Frage des Mose entspricht die Unterwürfigkeit, mit der er seine Frage einleitet: Si adhuc potero petere Domine de te iuxta multitudinem misericordie tue non indigneris mihi … 399 So Chr. DIETZFELBINGER, JSHRZ II.2, 154 Anm. 15a: „Die Winzigkeit der noch ausstehenden Zeit soll zum Ausdruck gebracht werden.“ 400 Diese Sätze zählen zu den dunkelsten des LibAnt. Vgl. zur Deutung dieser kryptischen Sentenzen die Ausführungen bei H. J ACOBSON, Commentary on LAB, 646–652.
5. Die Verwandlung des Mose in LibAnt 12,1 und 19,16
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direkt an Dtn 34,5f. angeknüpft wird.401 Die Verwandlung des Mose vollzieht sich in „Herrlichkeit“ (et mutata est effigies eius in gloria), womit auf die Sinai-Verwandlungsvorstellung aus Ex 34,29–35 zurückgegriffen wird. Da nun in LibAnt 12,1 die pseudo-philonische Lektüre von Ex 34,29–35 vorgelegt worden ist, muss ausgehend vom unüberhörbaren Konnex von LibAnt 12,1 und 19,16 die Verwandlungsaussage in Lib 19,16 als Anwendung der dortigen Verwandlung auf den Sterbemoment Moses interpretiert werden.402 In beiden Fällen wird somit der Prätext von Ex 34,29–35 literarisch verarbeitet und einer einheitlichen Intention unterworfen: Danach hat die Begegnung des Mose mit Gott sowie die mit ihr erfolgende Offenbarung eine verwandelnde Wirkung. Die Verwandlung ist demnach „Konsequenz einer Gottesbegegnung“.403 Die Besonderheit von LibAnt 19,16 ist es nun, dass die Ex 34,29–35 entlehnte Verwandlung des Mose im Zusammenhang mit dem in Dtn 34,5 notierten Sterben Moses erzählt wird. Ein Vergleich mit dem zugrunde liegenden hebräischen Text lautet: LibAnt 19,16: Dtn 34,5:
et mortuus est in gloria secundum os Domini KZK\!\3LO>ED $PUD%KZK\!GE>KYPRaY WP L aY \KL\!Z). Mose, der in seiner Sterbestunde einer besonderen Offenbarung gewürdigt worden ist, strahlt die göttliche Offenbarung nach außen hin aus. Dieser Vorgang muss als Verwandlung angesprochen werden, womit jedoch nicht eine Entrückung des Mose in die himmlische Welt kommuniziert wird. Im Gegenteil: LibAnt 19,16 betont zweimal die Tatsache, dass Mose begraben worden ist (et sepelivit eum).405 Zwar findet sich eine eindeutige Tendenz, mittels der 401
Mit der intratextuell sich auf die Aussage in LibAnt 19,12 beziehenden Wendung et sepelivit eum iuxta quod promiserat ei wird das KZK\! \3LO> aus Dtn 34,5 direkt aufgenommen. 402 Beide Verwandlungsvorstellungen – LibAnt 12,1 und 19,16 – berühren sich in der Lokalisierung der Verwandlung auf einem Berg; in der Verbindung einer Offenbarungsrede Gottes mit der Verwandlung des Mose und Verleihung des Glanzes an Mose (gloriosissima facta fuerat facies eius/mutata est effigies eius in gloria). 403 Mit F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 30 (kursiv im Original). 404 Vgl. D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 113. 405 Darauf scheint ein besonderer Schwerpunkt zu liegen, da auch durch die Aussagen in LibAnt 19,12f. eine Entrückung Moses kategorisch ausgeschlossen wird. Die Betonung liegt hier auf dem Todesschlaf des Mose in der Erde (te autem accipiam inde et
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
Verwandlung den Tod des Mose über das gewöhnliche Maß hinaus zu heben, doch kann ich mich nicht der Position anschließen, wonach Spuren eines Entrückungsdenkens im Hinblick auf Mose zu greifen sind.406 Ebenso ist Vorsicht angeraten, in der Verwandlung des sterbenden Mose eine Vorwegnahme der jenseitigen Herrlichkeit zu erkennen. Der Text gibt m.E. keine Hinweise in diese Richtung.407 Als ein Fingerzeig in die anvisierte Richtung, wonach in LibAnt die Verwandlung des Mose auf sein Sterben ausgeweitet wird, kann auch die Beobachtung angeführt werden, dass die zum Abschluss von LibAnt 19,16 referierte „kosmische Trauerreaktion“ auffällige Züge der Sinai-Theophanie einspielt.408 Die Verwandlung des sterbenden Mose in LibAnt ist eine sehr selbstständige Anwendungsform der mosaischen Verwandlung aus Ex 34,29–35. Die Berührungen mit der markinischen Verklärungsperikope sind jedoch sehr schwach, was sich erneut mit der palästinischen Herkunft dieser Überlieferung begründen lässt. In beiden Fällen liegt eine recht eigenständige relecture von Ex 34,29–35 vor (in LibAnt 19,16 unter zusätzlicher literarischer Verarbeitung von Dtn 34,5f.). Eine Affinität findet sich lediglich in der Lokalisierung der Verwandlung auf einem Berg (LibAnt 19,8; Mk 9,2b) und in der legitimierenden Funktion der Erzählung. Eine entferntere Berührung findet sich zudem in der in LibAnt 20,2 erzählten Offenbarungsrede Gottes an Josua, in der das mosaische Verwandlungsmotiv mit der Rede von Kleidern der Weisheit in Verbindung gebracht wird (vgl. Mk 9,3). Der um Mose trauernde Josua wird von Gott angesprochen und mit einer konkreten Handlungsaufforderung bedacht. In LibAnt 20,2 heißt es: Accipe vestimenta sapientie eius et indue te, et zona scientiae ipsius precinge lumbos tuos, et immutaberis et eris in virum alium.
glorificabo te cum patribus tuis, et requiem dabo tibi in dormitione tua …), nach dessen Ende dieser durch die Auferweckung in die „unsterbliche Wohnung“ (… et venietis simul et habitabitis inhabitationem immortalem que non tenetur in tempore) gelangen soll. Vgl. dazu K. HAACKER; P. SCHÄFER, Nachbiblische Traditionen, 154. 406 So aber von K. HAACKER; P. SCHÄFER [Nachbiblische Traditionen, 155f.] vertreten. Die Entrückungen des Henoch (LibAnt 1,16) und des mit Elija identifizierten Pinhas (LibAnt 48,1, vgl. zu den motiv- und traditionsgeschichtlichen Voraussetzungen dieser Identifikation die Ausführungen bei M. ÖHLER, Expectation of Elijah, 462 mit Anm. 3) werden in Treue zur biblischen Überlieferung erzählt und fallen somit für einen direkten Vergleich mit Mose aus. Dafür, dass die „Verklärung vor dem Tode … viel eher einem Eingang in die himmlische Welt als einem natürlichen Lebensende“ entspreche (vgl. Nachbiblische Traditionen, 156), sähe man gern eine stichhaltige Begründung. 407 Gegen eine solche Deutung wendet sich mit Recht auch D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 113. 408 LibAnt 19,16: et luxerunt angeli in morte eius, et precedebant eum fulgura et lampades et sagitte omnes unanimes. So auch von K. HAACKER; P. SCHÄFER [Nachbiblische Traditionen, 155 Anm. 28] vermutet.
5. Die Verwandlung des Mose in LibAnt 12,1 und 19,16
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Die hier intendierte Verwandlung vollzieht sich auf der Erde an einem einzelnen Menschen mittels der Bekleidung mit „Gewändern der Weisheit“. Als entferntere Berührung ist also die Tatsache anzusprechen, dass die Verwandlung – wie in Mk 9,3 – an einem Gewand expliziert, womit jedoch m.E. das Berührungspotential bereits ausgeschöpft ist.409 Abschließend ist zu einer weiteren, viel verhandelten Frage Stellung zu beziehen, ob das Nebeneinander der beiden Verwandlungen des Mose im Makrotext des LibAnt (12,1; 19,16) als Indiz für die Existenz einer Vorstellung des verblassenden Glanzes des Mose gewertet werden kann. Konkret: Ist die Verwandlung des Mose im Zusammenhang seines Sterbens nur möglich, insofern die in 12,1 notierte Verwandlung als eine vergängliche konzipiert ist? Diese Frage ist im Zusammenhang der Exegese des attributiven Partizips der Wendung FKC VJP FQZCP VQW RTQUYRQW CWXVQW VJP MCVCTIQWOGPJP in 2 Kor 3,7b von besonderem Interesse.410 Hier wird die FQZC auf dem Angesicht des Mose als eine „vergehende“ bzw. als eine „außer Kraft gesetzte“ beschrieben, womit Paulus erneut in eine Spannung zum alttestamentlichen Prätext gerät, der bekanntlich keine Aussage vom Aufhören der FQZC des Mose trifft.411 Während nun die Targume und die rabbinische Literatur vom kontinuierlichen Glanz auf dem Angesicht des Mose ausgehen, kann der Textbefund in LibAnt in eine andere Richtung gedeutet werden. Danach wäre die Erwähnung der Verwandlung des Mose im Prozess seines Sterbens ein Indiz für den als vergänglich konzipierten Sinai-Glanz des Mose. So formuliert M. McNamara zu LibAnt 19,16: „This text may imply that the glory Moses received at Sinai … was passing and returned to him just before his death“.412 Diese Deutung wird – ohne 409
Gegen C. BREYTENBACH [Nachfolge, 240 Anm. 202], der angesichts des in Mk 9,2c vorliegenden Verwandlungsmotivs für eine Herkunft aus dem palästinischen Bereich plädiert und dazu die Berührungen von Mk 9,2c und LibAnt 19,16 und 20,2 stark aufwertet. Die in LibAnt 20,2 angesprochene „Verwandlung“ Josuas ist aber vor dem Hintergrund weiterer, im LibAnt berichteter „Glorifizierungen“ innerhalb der Verleihung eines Leitungsamtes zu lesen. Zu verweisen ist insbesondere auf die Installierung des Kenan in LibAnt 27,10: Et factum est ut audivit Cenez verba eorum, indutus est spiritu virtutis et transmutatus in virum alium … 410 Das Passiv MCVCTIGKUSCKfindet sich in 1 Kor 13,8.10 und 2 Kor 3,7.11.13 als Antonym zu OGPGKP. Die Bedeutung dieses Verbs ist mit „aufhören“ bzw. „ein Ende nehmen“ (vgl. z.B. O. HOFIUS, 2 Kor 3, 96) bzw. „außer Kraft/Geltung setzen“ (vgl. Th. SCHMELLER, EKK-2 Kor I, 202) wiederzugeben. 411 O. HOFIUS [2 Kor 3, 99f.] sammelt Belege aus den Targumen und der rabbinischen Literatur, wonach der Glanz vom Angesicht des Mose nicht gewichen ist, sondern dort dauerhaft verblieb (z.B. TPsJ zu Num 27,15ff.; TargOnq Num 27,20; SifreNum § 140 zu 27,20; Sifre Zutta zu Num 27,20; MidrPs 21 § 4 zu V.6; JalqSchim I § 776; DtnR 11,3 zu 31,14 par JalqMakhiri zu Ps 49 § 24). 412 Vgl. M. MCNAMARA, The New Testament and the Palestinian Targum to the Pentateuch, 174.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
endgültige Festlegung – auch von O. Hofius favorisiert.413 Dabei ist aber Vorsicht angeraten, eine Interpretationskategorie an den Text heranzuführen, die diesem grundsätzlich fremd ist. Die Entscheidung in dieser Frage ist für die Verwandlungsvorstellung in Lib 12,1 und 19,16 ohne jegliche Bedeutung und wird in der Regel ausgehend von der Auslegung des Paulustextes in 2 Kor 3,7 an den Text des LibAnt herangetragen. Skopus des Textes von LibAnt 19,16 ist exklusiv die Tatsache, dass die Verwandlung Moses als „Konsequenz einer Gottesbegegnung“ innerhalb eines Offenbarungsempfangs konzipiert414 ist und die Verwandlungsvorstellung aus 12,1 auf den Sterbemoment des Mose übertragen wird, ohne jedoch irgendwelche Ausführungen über die Kontinuität des mosaischen „SinaiGlanzes“ zu machen.
6. Ertrag: Mk 9,2–8 vor dem Hintergrund von Ex 23/34 im hellenistischen Judentum Von allen in der Forschungsgeschichte zur Eruierung des theologischen Wurzelgrundes von Mk 9,2–8 beigebrachten Erklärungsansätzen bietet die Untersuchung der philonischen Lesart der Prätexte aus Ex 24 (Quaest in Ex II 29) und Ex 34,29–35 LXX (VitMos II 66–76) den tragfähigsten Interpretationsansatz. Die in Mk 9,2–8 vorliegende Erzählung der Verwandlung Jesu verweist theologiegeschichtlich auf die Lektüretradition von Ex 24 und Ex 34 im Bereich des hellenistischen Judentums, für die Philo von Alexandrien unser wichtigster Zeuge ist. Kein anderer antiker Text kann angeführt werden, in dem die in Mk 9,2–8 verarbeiteten Erzählmotive in solcher Dichte vorliegen wie in VitMos II 69f. und Quaest in Ex II 29, sodass im hellenistischen Judenchristentum die Entstehung der Verklärungsperikope vermutet werden kann. Beiden Texten Philos (VitMos II 66–76; Quaest in Ex II 29) gemeinsam ist es, dass sie von einer „Verwandlung ins Göttliche“ sprechen, die mit der Sinaibesteigung des Mose verbunden ist. Auffallend ist dabei insbesondere die Tatsache, dass bei Philo im Zusammenhang des prophetischen GXPSQWUKCUOQL das mit dem Sprach413
Vgl. O. HOFIUS, 2 Kor 3, 101. Vgl. auch L.L. BELLEVILLE, Reflections of Glory,
41f. 414
Überzeugend bei F. B ACK, Verwandlung durch Offenbarung, 29f. Ihr schließt sich Th. SCHMELLER [EKK-2 Kor I, 203] an und deutet diesen Sachverhalt in Richtung einer Überbietung des Mose durch Jesus in 2 Kor 3,7–11: „Der Glanz des Mose, der ihn als Gottesboten legitimierte, ist nicht einfach von selbst verschwunden, sondern durch den weit stärkeren Glanz eines anderen Gottesboten, Jesus Christus, beendet worden.“ Skeptisch im Hinblick auf die Verwertung von LibAnt 19,16 zum Erweis einer jüdischen Tradition einer „Vergänglichkeit der Mose-Doxa“ zeigt sich auch M. T HEOBALD, Überströmende Gnade, 204 Anm. 187.
6. Mk 9,2–8 vor dem Hintergrund von Ex 24/34 im hellenistischen Judentum
393
gebrauch der Septuaginta allein nicht zu erklärende Verb OGVCOQTHQWUSCK begegnet.415 Aus der oben vorgelegten Interpretation der philonischen Exegese von Ex 24,2 und Ex 34,29–35 LXX in Quaest in Ex II 29 bzw. VitMos II 66–76 können mit Blick auf die markinische Verklärungsperikope folgende Schlüsse gezogen werden: – In beiden Texten – VitMos II 66–76 und Mk 9,2–8 – geht es um die legitimierende Präsentation des entscheidenden Offenbarungsträgers, die mit einer „Verwandlung“ bzw. „Verbesserung“ der äußeren Erscheinungsform verbunden ist.416 – In beiden Texten liegt ein im Vergleich zu Ex 34,29–35 LXX stark gesteigertes Absonderungsmotiv (VitMos II 70: QTQL WB[JNQVCVQP MCK KBGTYVCVQP; Mk 9,2a: GKXL QTQL WB[JNQP) vor. Dieses esoterische Absonderungsmotiv wird bei Philo durch die Zusatzangabe Q=RGT CXRTQUKVQP MCK CDCVQP J P nochmals gesteigert, während im Mk-Text die Exklusivität der Epiphaniezeugen mittels der sich wahrscheinlich markinischer Redaktion verdankender Formel MCV8KXFKCPOQPQWL forciert wird. – Sowohl die Verwandlung Jesu (Mk 9,2c: MCK OGVGOQTHYSJGORTQUSGP CWXVYP) als auch die Inspiration Moses werden als ein passives Geschehen begriffen, dem die Autorität Gottes zugrunde liegt. Wie das in Mk 9,2–8 dominierende Lexem OGVGOQTHYSJ sind auch im Falle Moses die „Begeisterung“ durch himmlische Liebe (VitMos II 67: MCVCRPGWUSGKLWBR8GTYVQL QWXTCPKQW) sowie die himmlische Begeisterung im Zusammenhang der SGYTKCK (VitMos II 69: SGYTKCLCKLCPYSGPCXR8QWXTCPQW MCVCRPGQOGPQL) als Passiva divina anzusprechen. Passivisch ist die „Verwandlung“ auch in Quaest in Ex II 29ba, wo Mose, der das prophetische Bewusstsein repräsentiert, als „gottergriffen“ und „gotterfüllt“ bezeichnet wird. – In Mk 9,2f. und VitMos II 69f. kommt es zu einer – gegenüber Ex 34,29–35 LXX gesteigerten – Betonung der Außenwirkung des „verwandelten“ Mose (VitMos II 70: … MCKOJF8GXRKRNGQPCXPVGEGKPVQKLQXHSCNOQKL FWPCUSCK MCVC VJP RTQUDQNJP JBNKQGKFQWL HGIIQWL CXRCUVTCRVQPVQL) bzw. des verklärten Jesus (Mk 9,3). – In beiden Fällen (Mk 9,2f. und VitMos 69f.) kommt es – gegenüber der Prätextvorgabe von Ex 34,29–35 LXX – zu einer Ausweitung der Verwandlung auf die ganze Erscheinung Moses bzw. Jesu. Die „Verbesserung“ des Mose betrifft zwar zunächst die Q[KL, der Kontext legt jedoch nahe, dass die durch die [WEJ an das UYOC „weitergereichte“ Verbesserung (VitMos II 69: GRGKVCFG MCK VQ UYOCxxxGXDGNVKQWVQ) den ganzen Körper Moses erstrahlen lässt, womit die gewaltige Außenwirkung des „verwandelten“ Mose korrespondiert (vgl. VitMos II 70: VGSJRGPCK MCK MCVCRGRNJESCKxxxMCVCVJPRTQUDQNJPJBNKQGKFQWLHGIIQWLCXRCUVTCRVQPVQL). 415 416
Richtig beobachtet von F. BACK, Verwandlung durch Offenbarung, 148f. In diese Richtung deutet auch U.B. M ÜLLER, „Sohn Gottes“, 22.
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3. Kapitel: Die Problematik des Verklärungsmotivs
– In die Sinai-Tradition verweisen die – m.E. von Markus redaktionell namentlich identifizierten – drei Bergaufstiegsbegleiter (Mk 9,2a), wobei in Mk 9,2–8 die in Ex 24,1 erwähnten siebzig Ältesten fehlen. Auch die jüdisch-hellenistische Lesart des ersten Sinaiaufstiegs bei Philo (vgl. bes. Quaest in Ex II 27–29) zeigt kein Interesse an den siebzig Ältesten.417 – Nicht zuletzt verweist auch das sowohl bei Philo als auch im MkEv stark betonte Epiphaniefurchtmotiv auf einen gemeinsamen Wurzelgrund. – Mit G. Sellin ist zudem darauf zu verweisen, dass in VitMos II 69f. der mit göttlichem Geist begabte Mose als CPSTYRQLSGQW erscheint, womit die Prädikation Jesu als WKBQLSGQW (Mk 9,7c) zu vergleichen ist.418 Das im christologischen Hoheitstitel WKBQL SGQW implizierte göttliche Verwandtschaftsverhältnis wird mit Blick auf Mose deutlich in Quaest in Ex II 29bb ausgesprochen. In allegorischer Hinsicht wird in Quaest in Ex II 29 die Himmelsreise des Nous beschrieben, der von Gott hinaufgerufen wird (vgl. dazu auch All III 95–103; Plant 18–27; VitMos II 69–71). In Quaest in Ex II 29bb wird das Verb appropinquare allegorisch gedeutet und zugleich die Spitzenaussage der Quaestio platziert, wonach das prophetische Bewusstsein in eine Art Verwandtschaftsverhältnis mit Gott tritt (cognativa quadam familiaritate), ja wahrhaft göttlich wird (ita ut fiat Deo cognatus, vereque divinus). Das Heraufgerufen-Werden Moses führt zu einer Art Verwandtschaftsverhältnis mit der OQPCL. Danach hat exklusiv das „prophetische Bewusstsein“ eine wirkliche Gottesnähe. Das „Nahen“ des prophetischen Bewusstseins an Gott hat eine Art geistlicher Wiedergeburt zur Folge und positioniert dieses auf der höchsten denkbaren Seinsstufe, da die Positionierung „Moses“ auf dem VQRQL seine Positionierung in der für einen Menschen größtmöglichen Gottesnähe bewirkt. In Mk 9,7 wird Jesus den Jüngern als derjenige offenbart, der ausgehend von seiner Ausrüstung mit dem göttlichen RPGWOC (1,10f.) den höchstdenkbaren Grad an Gottesnähe genießt. Das verwandtschaftliche Gottesverhältnis, das den Gedankengang in Quaest in Ex 29bb hinsichtlich des Mose dominiert, wird in Mk 9,7 mittels der Gottes-Sohn-Relation expliziert und auf die historische Person Jesu angewandt. Die in Quaest in Ex II 29 zu greifenden Stufen der Gottesnähe sind auch in Mk 9,2–8 insofern ansatzweise vorhanden, als der Grad der Gottesnähe Jesu als nicht überbietbar präsentiert wird. – Unabhängig von der in VitMos II 66–76 vorliegenden Lesart der Sinaitradition bieten andere Stellen im Corpus Philonicum zudem den Gebrauch des im hellenistischen Judentum seltenen und in der Septuaginta eine Fehlanzeige bildenden Lexems OGVCOQTHQWUSCK (z.B. VitMos I 57) sowie das Motiv des strahlenden Gewandes (Som I 216f.).
417 418
Mit G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 251 Anm. 44. Mit G. SELLIN, a.a.O., 245.
6. Mk 9,2–8 vor dem Hintergrund von Ex 24/34 im hellenistischen Judentum
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Die Lokalisierung der vom MkEv wahrscheinlich in mündlicher Form rezipierten Verklärungsüberlieferung im hellenistischen Judenchristentum bietet einen hervorragenden Ansatz, die Legitimation Jesu als des entscheidenden und letztgültigen Offenbarungsträgers verständlich zu machen. Der „Beweis“ der Legitimation Jesu wird neben der eigentlichen, nach Maßgaben von Ex 34,29–35 LXX erzählten Verwandlung in Mk 9,2c auch mittels seiner Vorordnung als WKBQL SGQW gegenüber Mose als des CPSTYRQLSGQW schlechthin des hellenistischen Judentums geführt. Wir haben es in dieser Hinsicht mit einem „nichttitulare[n] Ausdruckmittel der Christologie“ zu tun, wie es auch in der Q-Überlieferung (Mt 12,41f./ Lk 11,31f.) begegnet.419 Jesus wird so einerseits Mose, dem „klassischen“ Verwandelten des hellenistischen Judentums, zugeordnet, andererseits – insofern allein er den Hoheitstitel WKBQLSGQW führt – theologisch übergeordnet. Konsequent kann er – nicht Mose oder Elija – von der Wolkenstimme in Mk 9,7 als der entscheidende Offenbarungsträger deklariert werden, auf den allein zu hören ist420, wofür eine weitere Mosetradition Verwendung findet. Die „Gegenprobe“ mittels der Interpretation von Ex 24 und 34 durch ein Schriftstück des palästinischen Judentums – Liber Antiquitatum Biblicarum – hat dagegen keine näheren Berührungen zutage gefördert.
419 420
Vgl. dazu bes. M. FRENSCHKOWSKI, Offenbarung und Epiphanie II, 186. Mit U.B. MÜLLER, „Sohn Gottes“, 23.31.
4. Kapitel
Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope 1. Einleitung in die Problematik Ein traditionelles Problem der Exegese der markinischen Verklärungsperikope stellt das gemeinsame Auftreten des Elija und des Mose dar, sodass es angeraten erscheint, zu dieser Frage in einem gesonderten Kapitel Stellung zu beziehen. Dies wird zudem durch die Beobachtung begünstigt, dass ihrem Auftreten eine vergleichsweise große narrative Breite eingeräumt wird, da drei (VV.4–6) der sieben Verse umfassenden Verklärungserzählung ihrem Auftreten gewidmet sind. In der vorliegenden Studie wurde – trotz gegenteiliger Stimmen in neueren Veröffentlichungen zu Mk 9,2–8 – durchgängig die Sättigung der markinischen Verklärungsperikope mit an die Sinai-/Mosetradition erinnernden Erzählmotiven vorausgesetzt. Einem solchen an den Vorgaben von Ex 24/34 orientierten Interpretationsansatz bringt das in Mk 9,4f. bezeugte Auftreten des Elija gewisse Widerstände entgegen, da sein Erscheinen an der Seite des Mose angesichts der Sinai-/Mosetypologie sowohl überraschend als auch „unmotiviert“ erscheint.1 In Unterpunkt 3.7.1 des zweiten Kapitels wurde das Erscheinen des 8+NKCL UWP /YW"UGK als zweiter Effekt der in Mk 9,2c erzählten Verklärung begreiflich gemacht.2 Dieser Effekt hat zugleich die Funktion, die in 1
So der berechtigte Einwand bei D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 313. Das Auftreten des Elija in Mk 9,2–8 wird auch von J.E. FOSSUM [Ascensio, 77] als Argument gegen eine zugrunde liegende Sinai-/Mosetypologie benutzt: „it should thus be clear that the Exodus stories have not served as a blueprint for Mark. Moreover, Elijah cannot be derived from the Exodus traditions.“ 2 Die Voranstellung des Elija in Mk 9,4 wird in der Fachliteratur oft dahingehend gedeutet, dass das MkEv hier eine theologische Unterordnung des Mose gegenüber Elija betreibt. Vgl. nur H. B ALTENSWEILER, Verklärung Jesu, 78; B.D. CHILTON, Transfiguration, 118; W. DIGNATH, Verklärung Jesu, 58; E. KLOSTERMANN, HNT-Mk, 87; U. KMIECIK, Menschensohn, 137 Anm. 23; U.B. MÜLLER, Christologische Absicht, 176; G. W OHLENBERG, Evangelium des Markus, 243. Eine solche vom Mk-Evangelisten intendierte Unterordnung ist für Mk 9,2–8 völlig unglaubwürdig, wie A. VÖGTLE [Unnötige Glaubensbarrieren, 86] in wünschenswerter Klarheit ausgeführt hat. Die Konstruktion mitUWP ist nicht dazu geeignet, eine wie auch immer geartete Unterlegenheit zu kommunizieren. So wird in der LXX UWP häufig wie MCK verwendet. Vgl. dazu W. GRUNDMANN,
1. Einleitung in die Problematik
397
der Verklärung erfolgte Epiphanie Jesu flankierend zu erläutern und eine christologische Botschaft zu transportieren, die in V.7 in der theologischen Prädikation Jesu samt angeschlossenem Gehorsamsimperativ expressis verbis kommuniziert wird. Eine solche Interpretation von Mk 9,4f. wendet sich insbesondere gegen alle Deutungen, die im Auftreten der beiden Himmelsbewohner eine „Entrückung“ oder „Aufnahme“ in den himmlischen Bereich erkennen. Die in Mk 9,2c benannte und in 9,3 narrativ illustrierte Verklärung ist in sich „vollgültig“3, sie zeigt ihrerseits Effekte, von denen in V.3 und 4 die Rede ist. Andererseits ist jeder Versuch einer theologischen Abwertung des Auftretens der beiden biblischen Würdenträger in Abrede zu stellen.4 Sowohl die mikrokontextuell herausragenArt. UWP – OGVC mit Genitiv. In: ThWNT VII (1964), 768. J.P. HEIL [A Note on ‚Elijah with Moses‘, 115] hat die Stellen Mk 2,26; 4,10; 8,34; 15,27.32 herangezogen und ausgeschlossen, dass die mit UWP bezeichnete Person bzw. Personengruppe subordiniert werde. Als Übersetzung schlägt er vor: „not only Elijah but even Moses!“. Eine „Subordination“ des Elija unter Mose „as an even more prominent figure“ – wie von J.P. HEIL [Transfiguration, 157] betont – kann ich aufgrund der kontextuell starken Stellung des Thesbiters ebenso nicht erkennen. Die Rede von einer wie auch immer gearteten Subordination in der Versfolge 4f. ist nicht geeignet, den vorliegenden Sachverhalt zu erklären. In diesem Kapitel wird daher der Versuch unternommen, das zweifellos vorhandene Interesse des MkEv an der Erzählfigur des Elija und dessen Konnex mit dem Topos „Leiden“ für die m.E. redaktionelle Einfügung des Thesbiters in die durch eine Sinai-/Mosetypologie dominierte und vom Mk-Evangelisten rezipierte Verklärungsüberlieferung geltend zu machen. Die redaktionelle Hinzunahme des Elija hat eine konsequent christologische Zielsetzung, wie der in den VV.4f. vorliegende Chiasmus (Elija – Mose – Jesus/ Jesus – Mose – Elija) indiziert, bedeutet m.E. aber keine Subordination des Mose. Durch die chiastische Konstruktion ist sowohl die zentrierte Stellung Jesu gesichert, die wenig später mittels des göttlichen Imperativs „zementiert“ wird, als auch das – durch die Flankenstellung indizierte – theologische Interesse an Elija erwiesen. Die theologische Unverzichtbarkeit des Mose ist durch Ex 24/34 als Prätext gesichert. Von daher setzt A. STANDHARTINGER [Jesus, Elija und Mose, 79] m.E. einen falschen Akzent, wenn sie in Mk 9,4 die Intention angedeutet sieht, Elija als „Schüler“ oder „Nachahmer“ zu präsentieren. Ebenso kann keine Rede davon sein, dass Elija in Mk 9,4 „schwerfällig“ eingeführt werde. So aber M. GOULDER, Elijah with Moses, 200. 3 So ist Ph. VIELHAUER [Erwägungen, 163] vollauf zuzustimmen, wenn er ausführt: „... sie [scil. Elija und Mose] erscheinen ja erst, nachdem Jesus schon in seine himmlische Gestalt verwandelt ist“. 4 Eine theologische Abwertung des Auftretens des Elija und Mose findet sich z.B. bei M. ÖHLER [Verklärung, 207f.], dessen Interpretation ohnehin durch die Lektüre von Mk 9,2–8 vor dem Hintergrund von Himmelsreisen in frühjüdischer Literatur belastet ist: „Wenn sich der Blick in den Himmel auftut ..., dann ist es nur verständlich, daß auch bestimmte Figuren aus diesem Bereich auftreten, hier eben Elia und Mose. Mehr Bedeutung kann ich in der vorliegenden Perikope diesen beiden Gestalten nicht beimessen als den von Repräsentanten des Himmels“. Diese Deutung wird m.E. weder dem überragenden Interesse des MkEv an der Gestalt des Elija noch der Tatsache gerecht, dass sich die Transfigurationserzählung einer christologischen Verarbeitung zahlreicher Motive aus Ex
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
de Bedeutung des Elija (8,28; 9,11–13) als auch die Zentralität der Mosetypologie für die markinische Christologie5 weisen m.E. deutlich in eine andere Richtung. Ich gehe daher davon aus, dass das gemeinsame Auftreten des Elija und Mose eine indirekte christologische Botschaft innerhalb der in Mk 9,2–8 vorliegenden Legitimationsgeschichte transportiert.6 Für die folgende Interpretation ist die Beobachtung wichtig, dass im sich anschließenden Bergabstiegsgespräch erneut eine explizite Benennung des Elija vorgelegt wird. Zu dieser Elijathematisierung tritt nun der Elija der Transfigurationsnarratio insofern in Spannung, als von einer eschatologischen Konnotation – wie gleich zu zeigen ist – hier nichts zu spüren ist und die erzähllogische Härte der Frage in Mk 9,11c Q=VK 8+NKCP FGK GXNSGKP RTYVQP den aufmerksamen Rezipienten befremdet.7 Eine direkte Verbindung zwischen der Erscheinung des Elija in 9,4 und seiner Erwähnung in 9,11–13 wird nicht hergestellt.8 Gleichwohl wird zu fragen sein, inwiefern von einer Verbindung der beiden Elija-Thematisierungen ausgegangen werden kann, wobei jedoch eine eschatologische Konnotierung unwahrscheinlich ist: Das Auftreten des Elija in Mk 9,4f. hat m.E. eine andere als eschatologische Zielsetzung. Viele der vorgelegten Interpretationsansätze des Auftretens der Himmelsbewohner gehen von der unbegründeten Grundannahme aus, dass das Erscheinen des Elija und Mose mithilfe ihrer Gemeinsamkeiten stringent zu erklären ist.9 Ebenso fragwürdig ist die vor der Interpretation getroffene 24/34 bedient und in Mk 9,7, wo der narrative Zielpunkt der Gesamterzählung liegt, in einer Anspielung auf die „Prophet-wie-Mose-Tradition“ von Dtn 18,15–18 LXX mündet. 5 Vgl. zur Mose-Jesus-Typologie die Ausführungen bei D.S. DU T OIT, Abwesender Herr, 95. Vgl. ferner DERS., Prolepsis als Prophetie, 184f. 6 In diese Richtung fragt auch D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 318. 7 Vgl. z.B. H.-J. STEICHELE, Leidender Sohn Gottes, 162: „Die Erwähnung des Elija in Mk 9,4 steht ... unausgeglichen neben der Nennung des Elija in Mk 9,11–13“. 8 So auch im Hinblick auf Mt 17,3 und 17,10–13 G. HÄFNER, Verheißener Vorläufer, 306. 9 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien im Folgenden einige solcher Versuche benannt: a) Beide sind Bewohner der himmlischen Welt. So z.B. M. ÖHLER [Verklärung, 206 mit Anm. 27] mit Verweis auf C. B REYTENBACH, Nachfolge, 241; C.E. CARLSTON, Transfiguration, 238; W. GERBER, Metamorphose Jesu, 389; U. LUZ, EKK-Mt II, 509; J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 120. b) Beide sind entrückt worden. Vgl. z.B. D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 155; T. SAITO, Mosevorstellungen, 129; H. SCHÜRMANN, HThKLk I, 557; G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 244; H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 104. Dagegen hat S. PELLEGRINI [Elija, 315] völlig richtig darauf hingewiesen, dass diese Deutung etwas über die Möglichkeit, „daß sie erscheinen können“, nichts aber über die „Finalität ihrer Erscheinung“ aussagt. c) Beide überbringen Jesus eine göttliche Botschaft (so z.B. B. W HITERINGTON, Transfigured Uderstanding, 88). d) Beide hatten in ihrem irdischen Leben zu leiden und stehen so typologisch für die Notwendigkeit des Leidens Jesu (so in etwa M. PAMMENT, Moses and Elijah, passim.). e) Beide hatten „wie Jesus eine göttliche Verwandlung“ (so z.B. U.B. M ÜLLER, Christologische Absicht, 182).
1. Einleitung in die Problematik
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Grundannahme, wonach die Tatsache ihres gemeinsamen Auftretens die Deutung erzwinge, dass beide in der Transfigurationsnarratio die gleiche Funktion zu erfüllen haben.10 Es stellt sich die Frage, ob eine solche – nach Gemeinsamkeiten suchende – Lösung vom Ansatz her textgerecht ist.11 Im f) Beide gelten im AT als Bewohner der Wüste (so z.B. U.W. MAUSER, Christ, 114–118). Überzeugend ist m.E. die In-Frage-Stellung dieses Ansatzes bei W.L. L IEFELD, Transfiguration Narrative, 178. g) In der Biographie beider spielt ein Berg (Sinai/Horeb) eine wichtige Rolle. So neuerdings wieder von M. GILBERT [Why Moses and Elijah at the Transfiguration?, passim.] in die exegetische Diskussion eingebracht. g.) Beide hatten auf einem Berg eine Theophanie (so z.B. W.H. W ILLIAMS, Transfiguration, 642). 10 So z.B. bei J.E. FOSSUM, Ascensio, 88: „Since Elijah and Moses appear as a pair, their function must be the same.“ 11 Eine weitere nicht überzeugende Deutung des Auftretens Elijas und Moses hat J.P. HEIL, [Transfiguration, 98–113] vorgelegt. Sinn des Auftretens dieser Himmelsgestalten sei es – so die Eingangsthese Heils – zu verdeutlichen, „that ... Jesus will attain heavenly glory like Moses and Elija“. Vgl. a.a.O., 99f. Im Gegensatz zu diesen erfolge die Erhöhung aber nicht durch Entrückung, sondern durch Tod und Auferstehung Jesu hindurch, der das Schicksal eines „unjust death of a rejected prophet“ erlitten habe (vgl. a.a.O., 100). Skopus der Einführung des Elija und Mose sei daher eine Christologie in Anlehnung („heavenly glory“) und in Abgrenzung („unlike them ... by being raised by God after suffering“, vgl. a.a.O., 100) von den beiden biblischen Würdenträgern. Um diese – aufgrund der von Heil postulierten Anlehnung und Differenz zur Elija-/ Mosetradition – dem Rezipienten des MkEv m.E. nur schwer zugängliche These zu erhärten, bemüht Heil die bekannten Traditionen des hellenistischen Judentums (Jos Ant – LibAnt – Philo), die – so seine recht unkritische Interpretation der ausgewählten Texte – in unterschiedlicher Weise Entrückungsvorstellungen hinsichtlich des Mose enthalten. So wird gegen die überzeugenden – von Heil jedoch in Abrede gestellten (vgl. a.a.O., 105 Anm. 31) – Ausführungen von K. HAACKER und P. SCHÄFER [Nachbiblische Traditionen, 147–151] bereits Josephus trotz der anderslautenden Aussagen in Ant IV 326 zum Kronzeugen von Entrückungsphantasien für Mose erklärt unter Ausblendung der den Texten innewohnenden Ambivalenz. Vgl. J.P. HEIL, a.a.O., 105. Ebenso unkritisch der Umgang mit LibAnt 19,12.16. Die kryptische Aussage „und er starb in der Herrlichkeit gemäß der Rede des Herrn ...“ (LibAnt 19,16, Übersetzung nach Chr. D IETZFELBINGER, JSHRZ II.2, 154) wird von Heil weitgehend als Erhöhungsaussage gelesen unter Absehung von LibAnt 19,12f. („Todesschlaf des Mose“). Zwar sind deutliche Motive einer Erhöhung des Mose weit über das menschliche Maß im Sterbeprozess zu greifen (vgl. K. H AACKER; P. SCHÄFER , a.a.O., 156), doch wird eine klare Entrückungsvorstellung an keiner Stelle der von J.P. Heil herangezogenen Literatur ausgesprochen. In der „conclusion“ (a.a.O., 113) findet Heil erwartungsgemäß seine eingangs geäußerte These bestätigt, ohne dass vollauf klar wird, wie These, Beweisgang und Konklusion eigentlich zusammenhängen, konkret: Was besagen Entrückungsphantasien des hellenistischen Judentums im Hinblick auf Moses und Elijas postulierte Funktion, in der Verklärungsperikope den Leidensweg Jesu zu kontrastieren (vgl. a.a.O., 113: „to contrast the way that he [scil. Jesus] will ultimately attain the same heavenly glory they enjoy“)? Kann mit Sicherheit gesagt werden, dass den Rezipienten der synoptischen Evangelien Entrückungsphantasien mit Bezug auf Mose bekannt waren, um die von Heil postulierte Anlehnung und Abgrenzung nachvollziehen zu können? Welche Verstehenshilfen gibt das MkEv zu einem solchen Verständnis des Auftretens Elijas und Moses? Der „Nachweis“ wird bei Heil m.E. nicht erbracht.
400
4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
Folgenden sollen nun – vor der Entfaltung der eigenen Position – die gängigen Erklärungsansätze für das gemeinsame Auftreten von Elija und Mose durchgegangen und auf ihre Tragfähigkeit hin befragt werden.12
2. Ansätze zur Deutung des Auftretens des „Elija mit Mose“ 2.1 Die eschatologische Deutung des „Elija mit Mose“ Sehr fraglich ist zunächst, ob die oft vorgeschlagene eschatologische Deutung das Auftreten der beiden Himmelsbewohner in Mk 9,4f. hinreichend erklären kann.13 Elija und Mose wären in diesem Fall endzeitliche Propheten, die durch ihr gemeinsames Erscheinen auf dem Verklärungsberg die Rezeption der Perikope entsprechend steuern. Dieser Ansatz ist in dem im dritten Kapitel bereits referierten ZNW-Aufsatz von E. Lohmeyer aus dem Jahre 1922 mit Nachdruck vertreten worden und hat weite Teile der Interpretation der markinischen Verklärungsperikope beeinflusst.14 Diesem Interpretationsansatz gemäß dient das Auftreten der beiden biblischen Würdenträger dazu, die eschatologische Dimension der Verklärungsperikope zu untermauern und Jesus als Bringer der Endzeit zu legitimieren. Eine 12 Es kann im Folgenden aus Raumgründen nur auf Schwerpunkte der Auslegungsgeschichte hingewiesen werden. Auf Vollständigkeit muss aufgrund der Stofffülle verzichtet werden. Nicht im Detail besprochen werden folgende Interpretationsansätze: H. BALTENSWEILER [Verklärung Jesu, 81f.] deutet das „Erscheinen von ‚Elia mit Mose‘“ als „Absage an das zelotische Messiasideal“, zumal Jesus zur Zeit der Verklärung in besonderer Weise „in der Versuchung des Zelotismus“ gestanden habe. Mehr als textfern ist Baltensweilers Position, dass das Erscheinen beider einer Belehrung Jesu diene. E. HAENCHEN [Weg Jesu, 309] interpretiert Elija und Mose als „die größten Lieblinge Gottes im jüdischen Volk“; E. LOHMEYER [KEK-Mk, 175. Vgl. auch DERS., Verklärung Jesu, 190f.] sieht über Mal 3,23f. eine Verbindung beider hergestellt (mit Verweis auf Rabbi Jochanan ben Sakkai, Debarim R. 10,1). Wenig überzeugend der Ansatz bei W. SCHMITHALS [ÖTBK-Mk II, 402], wonach Elia und Mose im Vorgriff auf das Bergabstiegsgespräch platziert seien, wo aber Mose gerade fehlt. 13 So mit je unterschiedlicher Akzentuierung z.B. C.E. CARLSTON, Transfiguration, 237f.; M.D. HOOKER, „What Doest“, 61–63; J. JEREMIAS, Art.B+N(G)KCL. In: ThWNT II (1935), 941: Elias und Mose als Vorläufer Jesu, hier in endgeschichtlicher Bedeutung. Vgl. auch DERS., Art. /YWUJL. In: ThWNT IV (1942), 871. Ferner W. KRAUS, Dtn 18,15–18, 163; E. LOHMEYER, Verklärung Jesu, 191; E. S CHWEIZER, NTD-Mk, 98. 14 Das Auftreten des Elija und Mose ordnet Lohmeyer dem jüdischen Strang der Verklärungsnarratio zu, der in Mk 9,2–8 mit dem – dem hellenistischen Denken entlehnten – Verwandlungsmotiv eine Synthese eingehe. Aus ihrem gemeinsamen Erscheinen sprächen jüdische Messiashoffnungen (vgl. a.a.O., 188), die in der markinischen Verklärungsperikope mit Blick auf Jesus eingelöst werden: „Das Auftreten des Moses und Elias bedeutet dann, daß das Ende der Zeit, der Tag der Erlösung und Aufrichtung einer ewigen Gottesherrschaft, unmittelbar nahe ist.“ Vgl. a.a.O., 191.
2. Ansätze zur Deutung des Auftretens des „Elija mit Mose“
401
solche Deutung wird in der Regel mit Entrückungsvorstellungen kombiniert, die in der jüdischen Literatur hinsichtlich des Elija und Mose greifbar sind. Gesichert ist eine solche Vorstellung bekanntlich für Elija. Maßgeblich hier sind Mal 3,22f. LXX und Sir 48,10. Beiden Stellen liegt die Überlieferung seiner leiblichen Entrückung in den Himmel (2 Kön 2,1–18) zugrunde. In Mal 3,22f. LXX heißt es: (22) MCK KXFQW GXIY CXRQUVGNNY WBOKP +NKCP VQP 3GUDKVJP RTKP GXNSGKP JBOGTCP MWTKQW VJP OGICNJP MCK GXRKHCPJ (23) Q?L CXRQMCVCUVJUGK MCTFKC P RCVTQL RTQL WKBQP MCK MCTFKC PCXPSTYRQWRTQL VQPRNJUKQPCWXVQWOJGNSYMCKRCVCZYVJPIJPCTFJP.15
Elija wird demnach rechtzeitig vor dem „Endgericht“ als Bote Gottes gesandt, dessen vornehmste Zukunftsaufgabe die Versöhnung der Väter und Söhne ist. Diese reziproke „Zu-Wendung“ wird im Hebräischen mittels des Verbs E\YLKH ausgedrückt, das in der Septuaginta mit CXRQMCVCUVJUGK wiedergegeben wird, das seinerseits in Mk 9,12 durch CXRQMCSKUVCPGK aufgenommen wird.16 Diese Aufgabe Elijas wird in Sir 48,10 sowohl bestätigt als auch fortgeführt, insofern der Verfasser der aus Mal 3,22f. LXX übernommenen ElijaErwartung (CXRQMCVCUVJUGK MCTFKCP RCVTQL MVN.) die äußere Restitution des Volkes Israel als des ehemaligen Zwölf-Stämme-Volkes hinzufügt, womit mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Jes 49,6a (ETR>@\ \MHEYLWD a\TLK O) angespielt wird.17 Der in den benannten Texten in Blick genommene Elias redivivus18 ist in beiden Fällen der Wegbereiter Gottes, nicht der des Messias.19 15
Mal 3,22f. LXX präzisiert Mal 3,1 LXX dahingehend, dass der erwartete Bote Gottes der wiederkehrende Thesbite Elija ist. Dieser mit Elija identifizierte Bote ist so die entscheidende Gestalt vor dem Gerichtstag Jahwes, der die Aufgabe hat, diesen nochmals abzuwenden. Vgl. zum Textbefund auch M. ÖHLER, Elia im NT, 4–6. 16 Vgl. H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 108. Die im MkEv vorliegende begriffliche Variation wird in der matthäischen Parallelversion durch das stärker am Prätext aus Maleachi orientierte FuturCXRQMCVCUVJUGK (Mt 17,11) ersetzt. 17 Vgl. H. STEGEMANN, a.a.O., 108f. Vgl. auch M. ÖHLER, Elija und Elischa, 186; M. THEOBALD, RNT-Joh, 155. 18 Die Bezeichnung Elias redivivus wird im Folgenden gemäß einer exegetischen Konvention benutzt im Wissen um die theologische Unschärfe dieses Begriffs. Gemeint ist im strengen Sinne nicht der wiederbelebte, sondern der wiederkommende bzw. der eschatologische Elija. Vgl. dazu die Ausführungen und Literaturhinweise bei M. Ö HLER, Elia im NT, 2 mit Anm. 4 und 5. 19 Mit M. T HEOBALD, RNT-Joh, 155. Vgl. dazu auch R. A LBERTZ, Elia, 161.179; D. ZELLER, Elija und Elischa, 158. M. ÖHLER [Elia im NT, 28f.] hat überzeugend dargelegt, dass in vor-rabbinischer Zeit keine Belege für Elija als Vorläufer des Messias zu greifen sind. G. HÄFNER [Verheißener Vorläufer, 337f.] lässt in rabbinischer Zeit nur vier Belege gelten: Erubin 43a; P esiq R 35 (161a); Seder ElijR 18 (97); P esiq 51a. Gegen die Position von J. JEREMIAS [vgl. Art. B+N GKCL. In: ThWNT II (1935), 933] gerichtet führt HÄFNER [a.a.O., 338] aus: „Auch wenn man also alle Belege zusammennimmt, bleibt Elija als
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
Während die Erwartung der eschatologischen Wiederkehr des Elija ausgehend von seiner Entrückungserzählung (2 Kön 2,1–18) und der Prophezeiung in Mal 3,22f. im Frühjudentum fest verwurzelt ist, ist eine solche Moseerwartung nur schwach belegt. Als der entscheidende Prätext ist Dtn 18,15–18 anzusprechen. Diese Passage versichert Israel eine besondere Nähe zu JHWH, die durch einen je und je zu erweckenden Propheten gewährleistet wird. Während der iterative Charakter der Aussage zu beachten ist20, war der Text im Frühjudentum dahingehend auslegungsfähig, dass er auf „einen bestimmten, nämlich den eschatologischen ‚Propheten wie Mose‘ bezogen“ werden konnte, „dem JHWH seine ‚Worte in den Mund legen‘ wird (Dtn 18,18)“.21 Die Belege bleiben spärlich22, sind aber spurenhaft in Joh 1,21.25 vorhanden. Erst im Zusammenhang einer „Verherrlichung und Glorifizierung der Mose-Figur“23 in der rabbinischen Literatur sind entsprechende Belege zu greifen24, die ihrerseits dem Gedanken der Vorläufer des Messias eine äußerst blasse Figur ohne besonderes Profil. Neben der geringen Zahl wirklicher Belegstellen spricht auch diese Beobachtung dafür, daß die spezifische Erwartung von Elija als dem Vorläufer des Messias im rabbinischen Judentum keine entscheidende Rolle gespielt hat.“ 20 Mit W. KRAUS, Dtn 18,15–18, 154: auf den „je und je von Gott zu erweckenden Propheten“ ist zu hören (>PY). Zum iterativen Charakter der Aussage vgl. auch F. CRÜSEMANN, Tora, 281; N. LOHFINK, Sicherung der Wirksamkeit, 309; L. P ERLITT, Mose als Prophet, 9; M. T HEOBALD, RNT-Joh, 157. 21 Mit M. THEOBALD, RNT-Joh, 157. Vgl. auch A. STANDHARTINGER, Jesus, Elija und Mose, 68. 22 Vgl. die Ausführungen in Kapitel 2 (3.9.7) dieser Studie. Darüber hinaus ist auf die Ta’eb-Erwartung der Samaritaner hinzuweisen. Erwartet wurde das Dtn 18,15–18 entnommene Auftreten eines „Propheten wie Mose“, dessen Aufgabe die Zuendeführung der Gesetzgebung sowie die Tätigkeit als Prophet und Wundertäter war. Vgl. dazu J. B ECKER, Johannes der Täufer und Jesus, 50f.; F. HAHN, Christologische Hoheitstitel, 362f.; A. STANDHARTINGER, Jesus, Elija und Mose, 69 mit Anm. 17. 23 Mit B. EGO, Diener im Palast, 375f. 24 Von einem himmlisch-priesterlichen Dienst des Mose spricht SifDev § 357 und verbindet diese Position mit Überlegungen hinsichtlich des ausgebliebenen Todes Moses. Vgl. zu diesem Text B. EGO, Diener im Palast, 374f.; K. HAACKER; P. SCHÄFER, Nachbiblische Traditionen, 171f.; K. WENGST, Der jüdische Mose, 23. Die Frage eines kultischen Dienstes des Mose im Himmel hängt demnach auf das Engste mit Spekulationen über den Tod bzw. die Entrückung des Mose zusammen. Hier setzte im nachbiblischen Judentum eine reiche Legendenbildung ein. Nach ARN A 12 S.25b (vgl. dazu R. M ACH, Zaddik in Talmud und Midrasch, 161) hatte der Todesengel keine Macht über Mose, sodass eine Einholung seiner Seele nicht möglich war. Gemäß TPsJ zu Dtn 34,5 führte ein Kuss Jahwes zum Tod des Mose, womit eine auf einem wörtlichen Verständnis der Formel \3LO> aus Dtn 34,5 basierende Auslegung vorliegt. Vgl. auch die weiteren Belege zu dieser Auslegung bei K. HAACKER; P. SCHÄFER, a.a.O., 167f. Zur Vorstellung des Todeskusses vgl. auch G. STÄHLIN, Art. HKNGY MVN. In: ThWNT IX (1973), 125f. Entrückungslegenden bleiben jedoch unter dem Druck der eindeutigen Aussage von Dtn 34,5 vergleichsweise selten. Vgl. die Zusammenstellung entsprechender Überlieferungen bei
2. Ansätze zur Deutung des Auftretens des „Elija mit Mose“
403
eschatologischen Wiederkehr Moses zugrunde liegen. Die ominöse Zusatznotiz25 in Dtn 34,6 (LXX: MCK QWXMQK FGPQWXFGKLVJPVCHJPCWXVQW G=YLVJL JBOGTCL VCWVJL) hat im Hinblick auf solche Spekulationen initialzündend gewirkt.26 Hervorzuheben ist hier in rabbinischer Literatur der Midrasch Debarim Rabba 3,17 (DtnR), auf den K. Haacker und P. Schäfer hingewie-
z.B. R. B LOCH, Gestalt des Moses, 130–140; B. EGO, a.a.O., 375f.; J. JEREMIAS, Art. /YWUJL . In: ThWNT IV (1942), 858–860. Hier ragt besonders MHG Ber S. 132 (zu Gen 5,24) hervor, der von der Entrückung Henochs, Moses und Elijas berichtet. Vgl. zu diesem Text B. EGO, a.a.O., 376. 25 So H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 104. 26 Weitestgehend sachlich-nüchtern ist die Darstellung des Todes Moses bei Josephus. Das Sterben des Mose wird in Ant IV 326 beschrieben: CXURC\QOGPQW FG MCK VQP 8(NGC\CTQP CWXVQW MCK VQP 8,JUQWP MCK RTQUQOKNQWPVQL GVK PGHQWL CKXHPKFKQP WBRGT CWXVQP UVCPVQL CXHCPK\GVCK MCVC VKPQL HCTCIIQL Lediglich das Erscheinen der in der biblischen Vorlage fehlenden Wolke sowie das Motiv des CXHCPK\GVCK in einer Schlucht verrät Kenntnisse des Josephus über Entrückungsphantasien. Insgesamt dürfte der Tod des Mose für Josephus jedoch außer Frage stehen. Die Betonung, mit der Josephus in Ant IV 323–326 auf den Tod des Mose eingeht, besonders die Zusatzbemerkung IGITCHG F8 CWXVQP GXP VCKL KBGTCKL DKD NQKL VGSPGYVC FGKUCL OJ FK8 WBRGTDQNJP VJL RGTK CWXVQP CXTGVJLRTQLVQ SGKQPCWXVQPCXPCEYTJUCKVQNOJUYUKPGKXRGKP lässt sich als Distanzierung des Josephus von zuwiderlaufenden Positionen verstehen. Josephus wird so Zeuge der Existenz von Entrückungsvorstellungen, denen er „polemisch entgegentritt“. Mit B. EGO, Diener im Palast, 376 Anm. 80; G. SELLIN, Leben des Gottessohnes, 244. Ansätze für Entrückungsvorstellungen finden sich auch bei Philo (vgl. Quaest in Gn I 86; Sacr 8–10; VitMos II 288–292; Virt 53.72–79). Hervorzuheben ist Quaest in Gn I 86, da Philo das letzte Geschick Henochs, Elijas und Moses parallelisiert, ohne jedoch die Entrückungsvorstellung hinsichtlich des Mose weiter auszuarbeiten. Das Motiv der Einhüllung des Mose in eine Wolke wird im 5. Kapitel des samaritanischen Memar Marqah – einem Midrasch über den Tod des Mose – konsequent ausgebaut und Entrückungsvorstellungen angenähert, ohne jedoch den physischen Tod zu leugnen. Vgl. MemMarq V 4 p. 128,1–3. Zitiert nach J. MACDONALD , Memar Marqah. The Teaching of Marqah, ed. and translated. BZAW 84. Berlin u.a. 1963. Zur „Anwendung“ des Verwandlungsmotivs aus Ex 34 auf den Tod des Mose im LibAnt des Pseudo-Philo ist im dritten Kapitel Stellung bezogen worden. Nicht eindeutig aufgrund von Textverlust ist der Befund in der Schrift Assumptio Mosis. E. BRANDENBURGER [JSHRZ V.2, 61f.] vermutet eine Himmelfahrt des Mose als Abschluss des Textes. Der bevorstehende Tod Moses wird in AssMos 1,15; 10,12.14 klar angesprochen, auf eine Entrückungsvorstellung verweist einzig die in den Text in 10,12 eingedrungene Glosse „receptione“ als Variante zu „morte“. Vgl. K. HAACKER; P. SCHÄFER, Nachbiblische Traditionen, 160. In der Reaktion des Josua auf die Abschiedsrede kommt es zudem zu einer Variation der Grabtradition von Dtn 34,5, nach der der ganze Erdkreis das Grab Moses sein werde (AssMos 11,8). Der Übergang zu expliziten Entrückungsvorstellungen ist dann auf dem Boden der rabbinischen Schriften vollzogen (SifDev § 357; DtnR 3,17; bSot 13b). Vgl. dazu die Zusammenstellung weiterer Belege bei K. HAACKER; P. SCHÄFER, a.a.O., 170–174. Ferner R. B LOCH, Gestalt des Moses, 95–171; B. EGO, a.a.O., 375; D. SÄNGER, „Von mir hat er geschrieben“, 123 Anm. 45. Die Übertragung von Michael- und Henochtraditionen auf Mose ist plausibel.
404
4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
sen haben27, der von der endzeitlichen Wiederkehr des Mose und Elija zu berichten weiß.28 Für Mk 9,4 ist aber nicht erkennbar, dass die Vorstellung der Entrückung des Mose an dieser Stelle eingespielt wird. Das Motiv der Erscheinung des Mose auf dem Verklärungsberg kann ebenso gut mit der allgemeinen Vorstellung des vorendzeitlichen Erscheinens herausragender Gerechter bzw. Propheten erklärt werden.29 Davon, dass beide in 9,4f. die Rolle eschatologischer Propheten annehmen, die durch ihr Kommen die „Endzeit“ einleiten, kann m.E. nicht die Rede sein. Die in Mk 9,11c redaktionell platzierte Frage der Jünger zeigt, obgleich sie einer anderen Überlieferung als die Verklärungsnarratio entstammen dürfte, dass in 9,4 nicht an die eschatologische Funktion des Elija gedacht ist, da sich so auf der Ebene des Endtextes eine markante Spannung ergeben hätte. Die Bedeutung des Elija in Mk 9,4 sollte auf einer anderen Ebene gesucht werden. Für Mose ist ein eschatologischer Interpretationsansatz ohnehin problematisch, dessen Auftreten sich besser von der grundsätzlichen „feste[n] Beziehung zum Messias“, die er im Judentum innehat, erklären lässt.30 Da es sich in Mk 9,2–8 um eine mittels der motivlichen Vorgaben von Ex 24/34 konstruierten christologischen Legitimationsgeschichte handelt, ist das Auftreten des Mose gleichsam indispensabel. Elija und Mose können in ihrem Erscheinen auf dem Berg der Verklärung jedenfalls kaum eindeutig als eschatologische Propheten identifiziert werden.31 Eine weitere – ebenso wenig überzeugende – „Spielart“ einer eschatologischen Deutung hat neuerdings wieder S.S. Lee ins Gespräch gebracht.32 Er interpretiert Mk 9,4 linear auf der Ebene der eschatologischen Aussage von 8,38 und identifiziert Elija und Mose als „the angelic beings who accompany Jesus the Son of Man“.33 Als schrifttheologischen Beleg 27
Vgl. K. HAACKER; P. SCHÄFER, Nachbiblische Traditionen, 173f. Dieser Text wird von H.L. S TRACK; G. STEMBERGER [Einleitung Talmud/Midrasch, 284] auf den Zeitraum von 450 bis 800 n. Chr. datiert. Eine präzisere Datierung ist aufgrund der bewegten Textgeschichte nicht möglich. 29 Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 354 Anm. 126. Von hier aus kann auch der Ansatz von M.E. T HRALL [Elijah and Moses, passim., bes. 314] nicht überzeugen. Thrall erkennt in der Verklärungsperikope die m.E. merkwürdige christologische Zielsetzung einer Polemik gegenüber Entrückungsvorstellungen hinsichtlich Jesu: „It is because Jesus is raised from the dead that he is to be radically distinguished from Elijah and Moses“. Nach Thrall begründen Jesu Tod und Auferstehung eine höhere theologische Dignität als die Entrückung des Mose und Elija. Die ohnehin umständliche These scheitert m.E. an der benötigten Hilfshypothese, dass Vorstellungen über die Entrückung des Mose gleichsam Gemeingut der Rezipienten des MkEv waren. 30 Vgl. dazu R. B LOCH, Gestalt des Moses, 170. 31 Überzeugend bei D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 318f. 32 Vgl. dazu S.S. LEE, Jesus’ Transfiguration, 18f. 33 Vgl. S.S. LEE, a.a.O., 18. 28
2. Ansätze zur Deutung des Auftretens des „Elija mit Mose“
405
führt er Dan 12,1–5 an, wonach „the righteous are believed to be in angelic status“. Die Identifikation der CIIGNQK aus Mk 8,38 mit Elija und Mose wäre makrotextuell völlig überraschend und unvorbereitet. Keinesfalls kann gesagt werden, dass die theologische Wirklichkeit von 8,38 durch 9,2–8 erfüllt wird. Die Verklärungsperikope funktioniert als punktuelle Offenbarung der Würde Jesu, die in der in 8,38 anvisierten Zeit eine offensichtliche sein wird. Sie ist jedoch keine narrative „Einlösung“ des eschatologischen Ausblicks in 8,38.34 Eine Identifikation des Mose und Elija mit den CIIGNQK von 8,38 ist m.E. mit derart vielen exegetischen Unwägbarkeiten verbunden, dass von einer solchen Abstand genommen werden sollte. 2.2 Elija und Mose repräsentieren „Gesetz und Prophetie“ Als Interpretationsansatz ist bis heute ein typologisches Verständnis der Erscheinung des Elija mit Mose beliebt, das bereits in der alten Kirche entwickelt wurde.35 Demnach steht Elija typologisch für die atl. Propheten, während Mose das Gesetz vertritt.36 Das Zusammentreffen mit Jesus sym34
Vgl. dazu G. GUTTENBERGER [Gottesvorstellung, 91 Anm. 228], die überzeugend ausführt, dass „Mk 9,2–7 ... nicht als Erfüllung der Ansage von Mk 8,38 verstanden werden“ darf. 35 So z.B. bei Tertullian, Adv. Marc. 4,22; Irenäus, Adv. Haer. 4,20,5. Vgl. dazu die Ausführungen von J.A. MCGUCKIN [Patristic Exegesis, 338f.] mit Verweis auf die antimarcionitische Zielsetzung dieser typologischen Deutung des Elija und Mose: „... refutation of Marcion’s basic premise of the irreconcileable chasm between the two covenants“. Skopus der Gedankenführung sei nach McGuckin der Erweis der „congruity of the OT and the NT“. 36 Dieser Interpretationsansatz findet sich bevorzugt in der älteren Exegese. Vgl. für viele z.B. A. STROBEL, Berg der Offenbarung, 144; V. TAYLOR, Gospel according to St. Mark, 390. Weitere Belege bei J. HÖLLER, Verklärung Jesu, 67. Ferner J.M. N ÜTZEL, Verklärungserzählung, 114 mit Anm. 141. In der neueren Exegese wird er weiterhin favorisiert z.B. bei A. DEL AGUA, Narrative of the Transfiguration, 348f.: „The apparition of Elijah and Moses ... seems to be the apocalyptic scenification of the collective testimony of all the Scriptures, ‚the Law and the Prophets‘“; R. ALBERTZ, Elia, der biblische Prophet, 140; U. BECKER, Elia, Mose und Jesus, 8f.; F. CRÜSEMANN, Elija und das Neue Testament, 33; D.R. DUMM, Transfiguration, 160; W. ECKEY, Markusevangelium, 236f.: als Repräsentanten von „Gesetz und Propheten“ erscheinen sie hier als „himmlische Gestalten“; H. GESE, Bedeutung Elias, 148; D.J. LUTHER, Mystery of the Transfiguration, 95 (für das LkEv); J. MURPHY-O’CONNOR, What Really Happened, 19 (die These verbindet sich dabei mit dem unhaltbaren Postulat, dass in der ersten Hälfte der Transfigurationsnarratio der lk Parallelbericht ursprünglicher als der des MkEv ist, wobei in der besagten, ursprünglicheren Form die beiden Himmelsgestalten namenlose Engel waren; treffend m.E. das Urteil bei D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 305: abenteuerliche Literarkritik!); S. PEDERSEN, Proklamation Jesu, 254f.259; M. SMITH, Origin and History, 42. Vermittelnd P. DSCHULNIGG, ThK-Mk, 245: „Beide Gestalten, in denen man zugleich wohl auch Prophetie und Tora repräsentiert sehen darf ...“.
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
bolisiere so entweder die Abfolge des Alten und des Neuen Bundes, der durch die göttliche Stimme gleichsam ratifiziert werde, oder konfrontiere die beiden himmlischen Besucher mit der theologischen Autorität Jesu, die unvergleichlich viel höher ist, wie auf dem Höhepunkt der Perikope in V.7 expressis verbis kommuniziert wird. Dieses Verständnis (Repräsentation von „Gesetz und Propheten“) ist in der lukanischen Parallelversion greifbar. Lukas verändert zunächst die Reihenfolge der beiden Himmelsbewohner bereits in dem Vers, der von ihrem Erscheinen berichtet (vgl. Lk 9,30 diff. Mk 9,4), im Sinne einer chronologischen Einreihung. Noch wichtiger hierbei ist die Beobachtung, dass der GZQFQL Jesu im Zwiegespräch mit den Himmlischen (vgl. Lk 9,31) als ein Erfüllungsgeschehen deklariert wird (JOGNNGP RNJTQWP)37, das makrotextuell auf das Emmausgespräch in 24,44–46 verweist. Der GZQFQL Jesu in Jerusalem berührt sich weitgehend mit der Formel RCSGKPVQPETKUVQPMCK GKXUGNSGKPGKXLVJPFQZCPCWXVQW (Lk 24, 26). Dieser Gesprächsgegenstand macht Mose und Elija als Repräsentanten von PQOQL und RTQHJVCK (vgl. 24,44) denkbar, da eine Repräsentation der [CNOQK (vgl. 24,44) nicht zu erwarten ist.38 Beides spricht dafür, dass Mose und Elija für Lukas gleichsam das „$ und 9“ der Schrift sind, die mit Mose beginnt und mit Elija (vgl. Mal 3,23 LXX) endet.39
Es sind jedoch massive Bedenken dagegen zu erheben, dieses Verständnis auch für die ursprüngliche Mk-Version geltend zu machen. So befriedigend diese Lektüre der biblischen Prominenten in spiritueller Hinsicht ist, so unzureichend in exegetischer: Das MkEv offenbart durch die chronologisch überraschende Abfolge der beiden Erzählfiguren kein Interesse an der ihm ohnehin nicht geläufigen Formel „Gesetz und Propheten“.40 Elija weist im AT und NT eine geringe Repräsentanz im Hinblick auf die Schriftprophetie auf41, während Mose im AT, besonders aber in der Rezeptionsgeschichte sehr wohl als Prophet bezeichnet werden kann.42 Die Ein37
Vgl. B LASS-DEBRUNNER-REHKOPF, Grammatik § 356, 1 mit Anm. 2. Bei Lukas findet sich neben dieser Dreiteilung der Schrift auch deren Zweiteilung, vgl. 24,27; Apg 26,22. 39 Mit M. W OLTER, HNT-Lk, 352. Vgl. auch F. B OVON, EKK-Lk I, 496; H. SCHÜRMANN, HThK-Lk I, 557. 40 Im NT findet sich dieser Doppelausdruck zur Erfassung des Grundbestandes der hebräischen Bibel in Mt 5,17; 7,12; 22,40; Lk 16,16.29.31; 24,44; Joh 1,45; Apg 13,15; 28,23; Röm 3,21. 41 Mit J. ERNST, RNT-Mk, 256; J.A. FOSSUM, Ascensio, 87; S.S. LEE, Jesus’ Transfiguration, 17; M.E. T HRALL, Elijah and Moses, 308. 42 Vgl. nur Num 12,6–8; Dtn 18,15; 34,10. Die Einschätzung des Mose als Prophet wird in der Rezeptionsgeschichte des AT konsequent fortgeführt. Häufig findet sich dieser Gedanke bei Philo. Vgl. nur VitMos I 57; II 2; II 187–287; LegAll III 173; Sacr 130; Her 262; Quaest in Gn IV 27; Quaest in Ex I 1; II 52. Vgl. dazu B. HEININGER, Paulus und Philo als Mystiker?, 199. In Quaest in Gn I 86 nennt Philo Mose RTYVQRTQHJVJL. Philo kennt zudem den Gedanken, wonach die Israeliten ein „prophetisches Volk“ sind, wobei Mose „Symbol“ dieser Eigenschaft seines Volkes ist. Vgl. dazu Fug 47. Als weitere Belege einer Einschätzung Moses als Prophet vgl. Jos Ant IV 329f.: MCK UVTCVJIQL 38
2. Ansätze zur Deutung des Auftretens des „Elija mit Mose“
407
schätzung des Mose als Propheten findet sich neutestamentlich in der christologischen Rezeption der „Prophet-wie-Mose-Tradition“ in Mk 9,7 sowie in Apg 3,22 und 7,37. Eine alle Propheten stellvertretende Funktion des Elija kann für Mal 3,22–24 weder aus dem hebräischen noch dem LXX-Text postuliert werden. Selbstverständlich ist der Name Mose im jüdisch-christlichen Rezeptionsraum untrennbar mit der Tora verbunden, sodass Mose eine Repräsentanz-Funktion der Tora nicht abgesprochen werden kann. Doch ist nicht zu erkennen, dass hierauf der Akzent liegt. Vollends unmöglich wird die Deutung des Elija und Mose in Mk 9,4f. als Repräsentanten der beiden Kanonteile durch die betonte Frontstellung des Thesbiters in V.4 sowie die divergierende Abfolge der beiden Würdenträger in V.5 mit dem Effekt, dass durch die so entstandene chiastische Struktur Jesus die Zentralstellung, Elija hingegen eine betonte Flügelstellung zugeteilt wird. Durch diese bewusste literarische Taktik offenbart der Mk-Evangelist eine deutlich andere Zielsetzung der beiden Erzählfiguren Elija und Mose als die der Repräsentanten von „Gesetz und Propheten“. 2.3 Elija und Mose als „himmlische Gerechte“ Ein weiterer Lösungsansatz ist allgemeinerer Natur und interpretiert Elija und Mose als zwei herausragende Vertreter der himmlischen Welt, die durch ihr Erscheinen insofern eine christologische Botschaft transportieren, als sie Jesus als Bewohner ihrer Welt bestätigen.43 Diese Deutung beOGP GXP QXNKIQKL RTQHJVJL FG QKQL QWXM CNNQL Y=US8 Q= VK C P HSGIZCKVQ FQMGKP CWXVQW NGIQPVQLCXMTQCUSCKVQW SGQW 4Q 377; LibAnt 35,6: primus omnium prophetarum. Ferner AssMos 11,16. Vgl. dazu z.B. D.S. DU TOIT, „Gesalbter Gottessohn“, 41 mit Anm. 29; DERS., Prolepsis als Prophetie, 182; J.P. HEIL, Transfiguration, 97 mit Anm. 7; J. J EREMIAS, Art. /YWUJL. In: ThWNT IV (1942), 854.858; L. PERLITT, Mose als Prophet, passim.; F. SIEGERT, Early Jewish Interpretation, 171f. 43 So z.B. W. GERBER, Metamorphose Jesu, 389f.: Elija und Mose als „Vertreter“ bzw. „als Gestalten der himmlischen Welt“ (kursiv im Original, A.W.). Am narrativen Duktus der Verklärungsperikope geht m.E. seine auf S. 390 vorgelegte Position vorbei, wonach Jesus „infolge seiner Begegnung mit Elias und Moses ... seine Verwandlung erfuhr“. Das Gegenteil gilt: Ihr Erscheinen ist Effekt der Metamorphose Jesu; M. H ORSTMANN, Studien, 88: „Bewohner der himmlischen Welt“; U.B. M ÜLLER [Christologische Absicht, 182–185] interpretiert sie als „vergöttlichte Heroen der Vergangenheit“ (vgl. a.a.O., 185). Gegen Müller ist einzuwenden, dass Jesus keinesfalls mit Elija und Mose parallelisiert wird. Seine theologische Überlegenheit ist bereits in V.4 gesichert. Der Satz Müllers „Er [scil. Jesus] nimmt wie einst Mose und Elia himmlische Gestalt an“ (vgl. a.a.O., 184) geht am beredten Silentium des Textes hinsichtlich einer leuchtenden Gestalt der Besucher vorbei. Allein Jesu Gewand strahlt! Richtig deutet daher D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 355: „Die Tatsache, dass im Text gar kein Bezug auf den Glanz genommen wird, der himmlischen Zugehörigen charakteristischer Weise eignet, ist ... ein starkes Indiz dafür, dass die himmlische Herkunft hier nicht im Mittelpunkt des Interesses steht“; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 156: „zwei Gestalten der göttlichen Welt“; J.M.
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
sticht zunächst durch ihre ansprechende Schlichtheit, muss sich jedoch mit massiven Anfragen konfrontieren lassen. Für Elija wird hierbei in der Regel auf die bekannte Entrückungsüberlieferung in 2 Kön 2,1–18 verwiesen, wonach Elija nicht starb, sondern mit einem Feuerwagen und Feuerrossen (C=TOC RWTQL MCK K=RRQK RWTQL) zum Himmel emporgeführt wurde.44 So ist es konsequent, dass er in apokalyptischen Berichten von Himmelsreisen als Himmelsbewohner erscheint.45 Auf Stellen, die Mose in die Nähe von Entrückungsvorstellungen bringen, ist bereits hingewiesen worden. Dennoch können solche Vorstellungen kaum das gemeinsame Auftreten beider in der Verklärungserzählung wirklich erklären. Dass es sich bei Elija und Mose um „Gottesmänner“46, um „Bewohner“ bzw. „Repräsentanten des Himmels“47 handelt, ist eine allgemein-gültige Erkenntnis ohne einen wirklichen Erkenntniswert für ihre theologie- und motivgeschichtlich auffallende Kombination in Mk 9,4f.48 Diesen Erklärungsversuchen haftet eine gewisse Willkürlichkeit an, insofern sie keine Begründung für die Auswahl genau dieser biblischen Prominenten vorlegen können. So stellt sich besonders brennend die Frage nach dem Desiderat Henochs, des „klasNÜTZEL, Verklärungserzählung, 120; A. SUHL, Funktion, 107: Repräsentanten der himmlischen Welt; M.E. T HRALL, Elijah and Moses, 314f.: Elija und Mose treten als zwei zum Himmel entrückte Gerechte auf, denen Jesus – „raised from the dead“ – überbietend gegenübergestellt werde. Thrall erkennt richtig den „superior status“ Jesu, vermutet aber eine – m.E. vom Text kaum gedeckte – Polemik gegen Entrückungsphantasien im Hinblick auf Jesus. Vgl. auch a.a.O., 316. 44 Diese Notiz beflügelte die Phantasie der biblischen und frühjüdischen Literatur. Vgl. nur Sir 48,9f. (Elija in der Funktion des Gottesknechtes aus Jes 49,6); 1 Makk 2,58 (Entrückung Elijas als Lohn seines Eifers für das Gesetz); äthHen 89,52 (Elija als Symbol der Hoffnung auf Rettung); JosAs 17,6; VitProph 21,3 (Die Wohnung des entrückten Elija ist das Licht); ApkEsr (gr) 7,6 (QB JBPKQEYPVC >QWDKOQB C=TOCVKRWTKPY^ GKXL VQWL QWXTCPQWL CTCL VQP RTQHJVJP 8+NKC P). In ApkZeph 9,4 redet der Engel im Himmel mit Abraham, Isaak, Jakob, Henoch, Elija und David. Aufgrund der Entrückung richtet sich die Zukunftserwartung des Frühjudentums somit nicht auf einen „neuen Elija“ (anders als in Dtn 18,15–18), sondern auf die Rückkehr des Entschwundenen. Vgl. dazu D. ZELLER, Elija und Elischa, 155. 45 So z.B. in 4 Esr 6,25f. im Verbund mit Henoch, doch ohne namentliche Nennung. Vgl. ferner in Sib 2,246–249. 46 So z.B. A. SUHL, Funktion, 107. 47 So M. ÖHLER, Verklärung, 206f. (kursiv von mir, A.W.) 48 Der häufig genannte Hinweis auf die Versfolge Mal 3,22f. LXX und 3,24 LXX, wo Elija und Mose tatsächlich in großer Nähe zueinander stehen (vgl. für viele S.S. LEE, Jesus’ Transfiguration, 17f.), verkennt jedoch, dass neben der Ankündigung des zukünftigen Kommens Elijas die Gesetzgebung des Mose als ein in der Vergangenheit liegendes Geschehen genannt wird, wie dem Aorist GXPGVGKNCOJP in V.24 zu entnehmen ist. Von einem gemeinsamen Auftreten kann also nicht die Rede sein. So auch D. ZELLER, Bedeutung und Hintergrund, 319 Anm. 59.
2. Ansätze zur Deutung des Auftretens des „Elija mit Mose“
409
sischen“ Entrückten des AT.49 Sie verkennen das immense Interesse des zweiten Evangeliums an der Erzählfigur Elija sowie die Tatsache, dass die Sinai-/Mosetypologie sowohl das Gestaltungsprinzip als auch die theologische Intention der markinischen Verklärungsperikope zur Verfügung stellt. Sodann ignorieren sie die m.E. recht deutliche Einspielung von Ex 34,35 LXX in der periphrastischen Wendung von Mk 9,4 (J UCP UWNNCNQWPVGL VY^ 8,JUQW). Ebenso werden diese Lösungsvorschläge nicht der Beobachtung gerecht, dass auf der Spitze der Transfigurationsnarratio eine weitere herausragende Mose-Tradition eingespielt wird (vgl. Mk 9,7d/ Dtn 18,15–18 LXX). 2.4 Der Interpretationsvorschlag von A. Standhartinger Einen interessanten Erklärungsansatz zum Problem des gemeinsamen Auftretens des Elija und Mose hat A. Standhartinger vorgelegt.50 Als Ausgangspunkt ihres Aufsatzes wählt sie zunächst die „traditionelle“ Frage nach den Gemeinsamkeiten im Leben des Elija und Mose, verbindet diese Frage jedoch in innovativer Weise mit der Frage nach biblischen und frühjüdischen Sinaitraditionen, was zunächst in Übereinstimmung mit dem Grundansatz auch der vorliegenden Studie steht. So lassen sich nach Standhartinger „[i]m biblischen Endtext … Motivparallelen in den Lebensgeschichten“ beider (Elija und Mose) entdecken.51 Zu diesen Gemeinsamkeiten zählt sie die Motive des „Feuers vom Himmel“ (Lev 9,23f.; 2 Makk 2,10; Sir 48,3; VitProph 21,9.12), der „Macht über Wasser/Regen“ (Jak 5,17f.; Offb 11,6), der „Erwartung einer Theophanie in einer Felsenhöhle/Höhle“ (Ex 33,22: U:&K WUTQ,%; 1 Kön 19,9.13: KU > P, vgl. auch SifDev § 337; 355). Besonderen Nachdruck legt sie auf die „Neuerzählungen der biblischen Geschichten“, bei denen „insbesondere die Theophanieerzählungen ähnlich gestaltet“ werden.52 So hören Mose und Elija im „Hymnus über die Väter“ bei Jesus Sirach die Urteile (MTKOCVC) Gottes auf dem Sinai (Sir 45,5 bzw. 48,7 LXX).53 49
Dies wird auch von S. P ELLEGRINI [Elija, 305] als Anfrage an diesen Ansatz ins Feld geführt. 50 Vgl. zum folgenden Referat die Ausführungen bei A. STANDHARTINGER: Jesus, Elija und Mose auf dem Berg. Traditionsgeschichtliche Überlegungen zur Verklärungsgeschichte (Mk 9,2–8). In: BZ NF 47 (2003), 66–85, bes. 71–74. 51 Vgl. A. STANDHARTINGER, a.a.O., 71. 52 Vgl. A. STANDHARTINGER, a.a.O., 72. 53 Über Elija heißt es in Sir 48,7 LXX: CXMQWYP GXP 5KPC GXNGIOQP MCK GXP &YTJD MTKOCVCGXMFKMJUGYLDamit komme es zu einer Parallelisierung mit Mose, von dem es in Sir 45,5 LXX heißt: JXMQWVKUGP CWXVQP VJL HYPJL CWXVQW MCK GKXUJICIGP CWXVQP GKXL VQP IPQHQP MCK GFYMGP CWXVY^ MCVC RTQUYRQP GXPVQNCL PQOQP \YJL MCK GXRKUVJOJL FKFCZCK VQP,CMYDFKCSJMJPMCK MTKOCVCCWXVQW VQP,UTCJN. Als weitere Berührungspunkte werden aufgeführt: Nur Mose und Elija hören im Enkomion von Sir 44,1–50,26 das Wort
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
Die Stärke dieser Lesart von Mk 9,4 liegt zweifellos in der Konsequenz, mit der der Mk-Text vor dem Hintergrund der Rezeption des Elija- und Mosestoffes im hellenistischen Judentum gelesen wird. Überzeugend sind die Beobachtungen zur Annäherung der Elija- an die Mosetradition bei Josephus wie auch die Ausführungen zur Jüngerperspektive, aus der heraus die Transfiguratio erzählt wird. Zu einer Zusammenschau der Gottesbegegnungen des Elija und Mose komme es in den Antiquitates des Josephus. In der stark verkürzenden Nacherzählung von 1 Kön 19,7–18 „Elija am Horeb“ werde die Gottesbegegnung des Elija in mosaischen Farben gemalt. Josephus kenne nur noch den Sinai, auf den Mose und Elija steigen.54 Zudem komme es bei Josephus bei der Schilderung der Theophanie zugunsten des Elija auf dem Berg zu massiven Eingriffen in den entsprechenden biblischen Bericht (1 Kön 19,11f.), durch die diese Perikope der Dornbuschtheophanie des Mose angenähert werde.55 Aus den vorgelegten Beobachtungen folgert A. Standhartinger, dass „Elijas und Moses Begegnungen mit Gott auf dem Gottesberg … in jüdischer Tradition … zusammen gelesen werden“ können mit der Tendenz, dass die „Moseerzählung … das Verständnis von Elijas Gottesbegegnung“ beeinflusst.56 Da nun zudem in LibAnt 48,1 (Elija in der Gestalt des Pinhas) und 4 Esr 14 (Esras Offenbarung) Belege von Nacherzählungen biblischer Geschichten mit anderen Personen zu greifen sind, schlägt Standhartinger vor, auch in Mk 9,2–8 eine solche biblische Nacherzählung zu erkennen. Die markinische Verklärungsperikope sei eine Sinaigeschichte mit Jesus in der Hauptrolle: „Gottes Offenbarung an Mose und Elija auf dem Berg Sinai wird mit einer dritten Person – Jesus – neu erzählt.“57 Eine Schwäche dieses Ansatzes liegt m.E. darin, dass das mikrokontextuelle und makrotextuell auffallende Interesse an der Gestalt des Thesbiters keine entsprechende Würdigung erhält. Im gesamten Aufsatz findet sich keine Erwähnung der Elija-Thematisierungen in Mk 8,28 und 9,11–13.58 Gottes direkt; beide vollbringen mit einem Wort Gottes Wunder und haben „einen Nachfolger (FKCFQEQL) im Prophetenamt ... (46,1; 48,8)“. Vgl. A. STANDHARTINGER, a.a.O., 72. 54 Vgl. dazu Jos Ant VIII 349: HCIYP FG MCK UWNNGZCOGPQL GXM VJL VTQHJL GXMGKPJL VJP FWPCOKP GKXL VQ 5KPCKQP MCNQWOGPQP QTQL RCTCIKPGVCK QW /YWUJL VQWL PQOQWL RCTCVQWSGQWNGIGVCKNCDGKP . 55 Vgl. dazu A. STANDHARTINGER, a.a.O., 73: „Indem Josephus den langen Bericht aus 1 Kön 19,11f. zu einer geschlossenen Theophanieerzählung aus Erdbeben, glänzend hellem Feuer und göttlicher Stimme macht, verweist er zurück auf die Theophanie am Sinai in Ex 19–24.“ Vgl. auch P. KUHN, Offenbarungsstimmen, 189–192. 56 Vgl. A. STANDHARTINGER, a.a.O., 73. 57 Vgl. A. STANDHARTINGER, a.a.O., 79. 58 Eine kleine Ausnahme findet sich auf S. 68 mit Anm. 12, doch werden hier Mk 8,28f. und 9,11–13 nur innerhalb eines Referates erwähnt, das die Aufgabe hat, „Elija
2. Ansätze zur Deutung des Auftretens des „Elija mit Mose“
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Der Konnex „Elija – Leiden“ und die Annäherung der Elijagestalt an den Täufer Johannes, die für das kontextuelle Umfeld der Verklärungsperikope charakteristisch ist, bleibt unberührt. Unerwähnt bleibt ebenso die starke Stellung, die der Thesbiter im Makrotext genießt (6,15; 8,28; 9,4f.; 9,11– 13; 15,35f.). Die Erzählfigur des Elija droht im Windschatten des Mose zu verblassen. Diese Anfragen an den Ansatz von A. Standhartinger müssen mit einer Kritik an der damit einhergehenden problematischen Christologie verbunden werden: Durchgängig wird eine Hinzugesellung Jesu59 zu den himmlischen Gästen behauptet, nicht aber die autoritative Stellung Jesu angesprochen, die bereits in 9,4 angedeutet und in 9,7 vollauf bestätigt wird. Standhartinger spricht davon, „daß Jesus der Gegenwart des Göttlichen nahe ist“60, verkennt aber dabei die Tatsache, dass gerade in diesem Punkt die Sinai-Tradition aus Ex 24/34 in charakteristischer Weise durchbrochen ist: Jesus kommt aufseiten Gottes, nicht aufseiten der Geschöpfe zu stehen. So ist die Rede von der „Widerspiegelung“ der göttlichen Gegenwart durch das Weiß der Kleider Jesu ebenso problematisch61 wie der Versuch, den Gehalt der Wolkenstimme darin zu erkennen, „Jesus neben Mose und Elija“ zu stellen und ihn unter diejenigen Personen zu subsumieren, „die einer Begegnung mit Gott am Sinai gewürdigt wurden“.62 Zu dem gewählten Ansatz passt, dass A. Standhartinger Mk 9,2–8 durchweg als eine „Jüngerberufungs- und Beauftragungsgeschichte“ interpretiert, die Funktion zur Legitimation Jesu aber unerwähnt lässt.63
und Mose als endzeitliche Propheten“ als Interpretationsansatz für Mk 9,4f. auszuschließen. 59 Vgl. A. STANDHARTINGER, a.a.O., 83. 60 Vgl. A. STANDHARTINGER, a.a.O., 78. 61 Vgl. A. STANDHARTINGER, a.a.O., 78f. 62 Vgl. A. STANDHARTINGER, a.a.O., 80. Unverständlich ist mir die von A. Standhartinger aufgeworfene Frage, ob „Jesu Herrlichkeit über die von Elija und Mose hinausgehoben werden soll.“ Vgl. a.a.O., 80 Anm. 66. Standhartinger wendet sich dabei kritisch gegen die Deutung bei J. GNILKA, EKK-Mk II, 36; W. Kraus, Dtn 18,15–18, 160–164; M.E. T HRALL, Elijah and Moses u.a. Die Schilderung der strahlend-weißen Gewandung Jesu, auf die im Falle des Elija und Mose gerade verzichtet wird, weisen in eine andere Richtung. Das Silentium des Textes muss ernst genommen werden: Allein Jesus wird Herrlichkeit zugesprochen. 63 Vgl. z.B. A. STANDHARTINGER, a.a.O., 83.
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens 3.1 Begründung des Vorhabens Nach der vorgelegten kritischen Würdigung der in der Forschungsgeschichte zur markinischen Verklärungsperikope maßgeblichen Erklärungsansätze zur Deutung des gemeinsamen Auftretens des „Elija mit Mose“ ist nun der eigene Interpretationsvorschlag in die Diskussion einzubringen. Der Grundansatz zur Lösung dieser klassischen Streitfrage der Exegese der Transfigurationsnarratio ist in der Einzelversanalyse von Mk 9,4 in Unterpunkt 3.7.4 des zweiten Kapitels angedeutet worden. Dabei wurde den Versuchen eine Absage erteilt, mittels der Frontstellung des Elija in V.4 auf eine höhere theologische Dignität des Thesbiters in der Sicht des MkEv zu schließen. Solche Ansätze sind nicht in der Lage zu erklären, warum auf die markante Frontstellung Elijas in V.5 verzichtet wird. Dagegen lässt sich die in Mk 9,4f. vorliegende divergierende Abfolge überzeugend mithilfe eines Chiasmus erklären, in der Elija eine betonte Außenstellung, Jesus hingegen eine ebenso betonte zentrierte Stellung genießt.64 Die Außenstellung Elijas geht dabei nicht mit einer Abwertung des Mose einher, insofern die Sinai-/Mosetypologie das Konstruktionsprinzip der Verklärungserzählung darstellt und die Unverzichtbarkeit der Erzählfigur „Mose“ gewährleistet. Mose gehörte m.E. – im Gegensatz zu Elija – zum Kernbestand der rezipierten, dem Mk-Evangelisten in mündlicher Form vorliegenden Verklärungsüberlieferung. Das besondere Interesse des MkEv an der Erzählfigur des Elija wird aus der Beobachtung deutlich, dass es der Thesbiter ist, der die Texteinheiten 9,2–8 und 9,9–13 miteinander verbindet. Seine Erwähnung integriert die aus diversen Stoffen bestehenden Texte zu einer stimmigen Erzähleinheit.65 An der mit dem theologischen Topos „Leiden“ konnotierten Erzählfigur Elija hat das MkEv bekanntlich ein herausragendes Interesse, wie dem kontextuellen Umfeld der Verklärungsperikope entnommen werden kann (8,28; 9,11–13). Von hier aus ist der Vorschlag zu machen, dass der im MkEv offensichtliche Konnex „Elija – Leiden“ zur redaktionellen Einfügung des Thesbiters in die Verklärungsüberlieferung geführt hat, die allein vom Erscheinen des Mose wusste. Entgegen der älteren Mk-Forschung halte ich es für wahrscheinlich, dass die Verbindung des Elija in Mk 9,4f. mit dem Elija in 9,11–13 nicht über den theologischen Topos „Elias redivivus“66, sondern über den 64
Vgl. dazu Unterpunkt 3.7.2 in Kapitel 2 dieser Studie. Ähnlich auch J. MAJOROS-DANOWSKI, Elija im MkEv, 210. 66 So z.B. der Interpretationsansatz bei J. JEREMIAS [vgl. Art.B+N GKCL. In: ThWNT II (1935), 941]: „Elias und Mose erscheinen also auf dem Verklärungsberge als die beiden Vorläufer Jesu. Ihr Erscheinen hat, ebenso wie Apk 11,3ff, endgeschichtliche Bedeutung: es kündet den Anbruch der Endzeit an.“ 65
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens
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Topos „Leiden“ gewährleistet wird, der auch in 9,11–13 das – wie gleich zu zeigen sein wird – zentrale Verkündigungsanliegen darstellt. Aufschlussreich ist der Vergleich mit der lukanischen Parallelbezeugung des Verklärungsstoffes. Als wichtigste Veränderung kann dabei – neben dem Verzicht auf den im MkEv zentralen Terminus OGVCOQTHQWUSCK – der Eintrag des Gesprächsobjektes der drei Himmlischen gelten: Die himmlischen Gäste besprechen den GZQFQL Jesu in Jerusalem.67 Wenngleich dieser Terminus kaum exklusiv auf das Leiden zu beschränken ist, so liegt hier doch der Schwerpunkt der Aussage. Lukas hat die passionstheologische Implikation der markinischen Vorlage konsequent ausgebaut, indem er sie zum expliziten Gesprächsinhalt erhoben hat.68 Er hat die Erzählfigur Elija nicht einfach „mitgeschleppt“69, sondern kreativ ausgearbeitet, indem er diejenige Tendenz fortführte, die in seiner Markusvorlage bereits angelegt war. Von dieser Beobachtung ausgehend ist der im Weiteren näher zu begründende Vorschlag zu machen, dass der Mk-Evangelist die Leidensthematik mittels eines redaktionellen Eingriffs in die Versfolge 4f. eingetragen hat, indem er die Erzählfigur „Elija“ in die Transfigurationsüberlieferung integriert hat. Intention der Integration des Elija könnte die Abwehr einer einseitig FQZC-christologischen Interpretation der Verklärungsperikope sein, da die von ihm rezipierte, nach Maßgaben von Ex 24/34 LXX konstruierte christologische Legitimationsgeschichte keine Spur des Topos „Leiden“ enthielt, an dem der Mk-Evangelist jedoch be67 Die besondere Bedeutung des Gesprächs der himmlischen Besucher mit Jesus wird bereits in Lk 9,30 dadurch angedeutet, dass das Faktum des Gesprächs (MCK KXFQW CPFTGL FWQ UWPGNCNQWP CWXVY) der Namensnennung von Mose und Elija (QK=VKPGL J UCP /YW"UJL MCK 8+NKCL) vorgelagert wird. Dieser markanten Frontstellung entspricht die Angabe des eigentlichen Gesprächsinhaltes in V.31: QK? QXHSGPVGL GXP FQZJ^ GNGIQP VJP GZQFQP CWXVQW J?PJOGNNGPRNJTQWPGXP8,GTQWUCNJO. 68 Die Exegese hat sich jedoch im Falle des MkEv mit der Beobachtung zu begnügen, dass in Mk 9,4 das Gesprächsobjekt ein Desiderat bleibt. Nicht überzeugend ist der Versuch J.C. POIRIERs [Transfiguration, 526], die GZQFQL-Thematik auch in der periphrastischen Wendung J UCP UWNNCNQWPVGL VY^ 8,JUQW in Mk 9,4 zu „rekonstruieren“: Poirier schließt sich zunächst der Deutung von W.C. ROBINSON [The Quest for Wrede’s Secret Messiah. In: Chr. Tuckett (Hrsg.): The Messianic Secret. Philadelphia 1983, 97–115, hier 102.112] an, wonach aus der redaktionellen Anfügung der VV.11–13 an das Schweigegebot in den VV.9f. zwangsläufig hervorgehe, dass Markus in V.9 das Schweigegebot mit Bezug auf den Tod Jesu platziert habe wie in 8,30 auch (sic!). Ist dieses Postulat an sich unglaubwürdig, so stellt sich weiter die Frage, wie konkret über die Aufforderung zum Schweigen in 9,9 „[a]pparently“ auf das Objekt der Unterredung in 9,4 geschlossen werden kann. Die anaphorische Wendung C? GK FQP zieht die Summe aus der in 9,2–8 vorliegenden Verklärungsgeschichte, blickt auf die Epiphanie als einer nun abgeschlossenen Handlung zurück und macht keine Aussagen über das Gesprächsobjekt der Unterredung in V.4. 69 Ausdruck angelehnt an G. HÄFNER, Verheißener Vorläufer, 2.
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
kanntlich großes Interesse hat.70 Durch die Hinzunahme des Elija in Mk 9,4f. wird der Evangelist seinem herausragenden Interesse an der Gestalt des Thesbiters gerecht71 und forciert zugleich die ab 8,31 brennend gewordene Leidensfrage, insofern Elija über seine Annäherung an die Gestalt des Täufers fest mit dem theologischen Topos „Leiden“ konnotiert ist. Ist diese Deutung richtig, so wäre die Integration der Erzählfigur „Elija“ als Rezeptionssignal zu werten, die Transfigurationsnarratio nicht einseitig herrlichkeitschristologisch zu deuten und das Passionskerygma letztlich als irrelevant aufzufassen. Dabei ist aber zugleich zu beachten, dass nicht allein Elija, sondern auch der Täufer Johannes mit dem Leidenstopos konnotiert wird. Ist der Konnex Leiden/Elija/Täufer erkannt, so kann es nicht mehr als abwegig gelten, auch beim Elija der Verklärungsperikope an den Täufer Johannes zu denken. Daher ist zu erwägen, ob die auffallend ausführliche Schilderung des Todes des Johannes (6,14–29) die Intention hat, Johannes „in seine himmlische ‚Elia‘-Position“ zurückkehren zu lassen, „in der er jetzt erscheint“.72 Sollte sich diese Beobachtung erhärten lassen, so 70
Erinnert sei an den überzeugenden Vorschlag von K. B ACKHAUS [„Lösepreis für viele“, 91], der als Leitfrage des Markus die „Identität der Person Jesu angesichts des Kreuzes“ vorgeschlagen hat. (Kursiv im Original, A.W.). 71 Das Interesse an Elija wird im MkEv konsequent in seiner Verbindung mit Jesus ausgedrückt. Vgl. dazu Mk 6,15; 8,28; 9,4f.; 15,35f. 72 Diese sehr überzeugende These verdanke ich den instruktiven Ausführungen von H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 103f. Sie kann als „Nebenprodukt“ seiner „Erwägungen zur Bedeutung des Täufers Johannes im Markusevangelium“ – so der Titel des Aufsatzes – betrachtet werden. Zielsetzung dieses Aufsatzes Stegemanns ist es, einen Forschungsbeitrag zur „vielumrätselte[n]“ Frage nach der theologischen Bedeutung der Integration des Täufers Johannes in das MkEv zu bieten, sodass die Erzählfigur „Johannes der Täufers“ der primäre Forschungsgegenstand dieses Beitrages ist. In zweiter Linie wird sodann die „Elia-Funktion“ des Täufers in Blick genommen, wobei Stegemann die in dieser Studie rezipierten und weitergeführten Ausführungen zur EliaFunktion des Täufers in Mk 9,4f. macht. Ausgangspunkt der Überlegungen H. Stegemanns sind die von seinem Lehrer Ph. Vielhauer in ihrer Bedeutung herausgestrichenen christologischen Spitzenstellen Mk 1,11; 9,7 und 15,39, bei denen es zu einer markanten Zuordnung des Täufers – „sei es mit seinem Namen Johannes, sei es in seiner Funktion als ‚Elia‘“ (a.a.O., 103) – zu Jesus kommt. Erhellend ist der makrokontextuelle Hinweis Stegemanns auf Mk 6,14–29, wo narrativ die Grundlage für die Möglichkeit der Erscheinung des Elija/Johannes in Mk 9,4f. gelegt wird. Ein Desiderat stellt bei den Ausführungen Stegemanns m.E. der offensichtliche Konnex des Elija/Johannes mit dem – den MkEvangelisten besonders interessierenden – theologischen Topos „Leiden“ dar. In dieser Hinsicht wird der Ansatz Stegemanns in dieser Studie fortgeführt. Einen anderen Weg, als er in dieser Studie vorgeschlagen wird, beschreitet Stegemann in der Deutung der Erzählfigur „Mose“ in Mk 9,4f., der ausgehend von der „ominösen Zusatznotiz“ in Dtn 34,6 (vgl. a.a.O., 104) die Funktion habe, die „himmlische Position des Täufers als ‚Elia‘“ zu indizieren, aus der heraus die Erscheinung auf dem Verklärungsberg erfolgt. Ich plädiere dagegen angesichts der flächendeckenden Sättigung von Mk 9,2–8 mit Ex 24 und 34 entlehnten Motiven für das Vorhandensein des Mose in der vom Mk-Evangelisten
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens
415
hätte dies auch Auswirkungen auf das Verständnis des göttlichen Imperativs in Mk 9,7d. Zu denken wäre in diesem Fall – gegen das Votum D. Zellers, wonach die „ganze autoritative Lehre Jesu im Evangelium“73 angesprochen sei – an eine speziell leidensspezifizierte Füllung dieses Imperativs.74 3.2 Das markinische Interesse an Elija An dieser Stelle sind die für die Fragestellung dieses Kapitels entscheidenden Ergebnisse der Einzelversanalyse von Mk 9,4 im zweiten Kapitel kurz zu rekapitulieren75: Im markinischen Makrotext findet sich ein durchgängiges Interesse an der Erzählfigur „Elija“, wobei auffällt, dass dieses Interesse im Zusammenhang des markinischen Präferenztopos „Leiden“ kommuniziert wird, was Textstellen wie Mk 6,15; 8,28; 9,11–13 und 15,34–37 deutlich zu entnehmen ist. So findet in Mk 6,15 die abgelehnte Identifizierung Jesu mit Elija/Johannes dazu Verwendung, die Erzählung von der Enthauptung des Täufers zu platzieren, die in einem engen makrotextuellen Konnex mit 1,14 („Paradosis“ des Täufers) und 9,11–13 (Leiden des Elias redivivus und Johannes-Elija-Annäherung) steht.76 Ein weiterer Konnex „Elija/Leiden“ findet sich im unmittelbaren Umfeld der ersten Leidensankündigung (8,31). Besonders deutlich wird der Zusammenhang „Elija/Leiden“ in 9,11–13 und 15,34–37. Beide Textstellen sind dadurch besonders hervorgehoben, dass in ihrem unmittelbaren mikrokontextuellen Umfeld sowohl ein kosmisches UJOGKQP (Mk 9,7: Wolke und Wolkenstimme; 15,33: Dunkelheit; 15,38: Zerreißen des Tempelvorhangs) platziert wird, in denen sich die Himmelswelt manifestiert, als auch eine Gottes-Sohn-Prädikation vorgelegt wird. Dies ist umso auffälliger, als auch im Vorfeld der ersten, rezeptionsleitenden und ebenso mit einer kosmischen Manifestation verbundenen Gottes-Sohn-Prädikation innerhalb der Taufperikope (1,11) der Täufer Johannes in signifikant elijanische Farben77 getaucht wird. Der markinische Prolog leistet eine „Annä-
rezipierten, mündlichen Verklärungsüberlieferung. Für die Identifikation des auf dem Verklärungsberg erscheinenden Elija mit dem Täufer plädiert auch D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 354. 73 Vgl. D. ZELLER, Verwandlung Jesu, 110. 74 Vgl. z.B. die Paraphrase dieses Imperativs bei A. VÖGTLE [Unnötige Glaubensbarrieren, 95]: „Hört auf diesen Jesus, nehmt es gläubig an, daß sein Weg durch das Todesleiden zu seiner Auferstehungsherrlichkeit führen wird.“ 75 Vgl. zum Folgenden auch Unterpunkt 3.7.4 in Kapitel 2 dieser Studie. 76 Der primäre makrotextuelle Bezugspunkt der Aussage MCK GXRQKJUCP CWXVY^ Q=UC JSGNQP in Mk 9,13c ist die von der Enthauptung des Johannes handelnde Perikope 6,17– 29. 77 Vgl. für viele M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 98.
4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
416
herung des Täufers an die Gestalt des Elija“78, bei der jedoch ein Deutungsrest vorhanden bleibt. Die Identifikation des Johannes mit Elija muss vom Rezipienten im Makrotext des MkEv genauso geleistet werden, wie der Bezug der im Kombinationszitat in Mk 1,2f. erwähnte HYPJ auf Johannes hergestellt werden muss. Im mikrokontextuellen Umfeld der ersten Gottes-Sohn-Prädikation findet sich sodann die leidensspezifizierte Notiz von der „Paradosis“ des elijanisch skizzierten Johannes in 1,14. Mk 1,11; 9,7 und 15,39 können so im Verbund mit den mit ihnen vorgelegten Elija- bzw. Johannesthematisierungen mit Ph. Vielhauer als „‚dramaturgische‘ Höhepunkte der Komposition“ des markinischen Makrotextes bezeichnet werden79, in denen es zu einer Beiordnung des Elija/Johannes zum Gottessohn Jesus kommt. Ist nun die kompositorische Wichtigkeit der Gottes-Sohn-Prädikationen in 1,11; 9,7 und 15,39 erkannt, dann fällt auf, dass „die Proklamation Jesu als Sohn Gottes auf dem Berg das mittlere Glied der kompositionell miteinander verbundenen ‚Gipfel‘“ darstellt.80 Besonders auffällig ist nun, dass diese Spitzenstelle markinischer Christologie in 9,4f. und 9,11–13 von zwei Thematisierungen des Thesbiters eingerahmt ist. Während der Elija des „ersten elijanischen Rahmens“ der Gottes-Sohn-Prädikation in 9,7 insgesamt noch recht unspezifiziert bleibt (9,4f.), finden sich in 9,11–13 – wie sogleich zu zeigen ist – deutliche Indizien zur Annäherung der Größen „Elija“ und „Johannes“. Da nun im zweiten Kapitel bereits eine ausführliche Interpretation von Mk 9,4f. vorgelegt worden ist, ist im Folgenden der erwähnte „zweite elijanische Rahmen“ der zentralen Sohn-Gottes-Prädikation in 9,7, also die Elijathematisierung während des Bergabstiegsgesprächs in 9,11–13 genauer in Blick zu nehmen und nach der Beziehung zum Elija in 9,4 zu fragen. 3.3 Die Elija-Thematisierung beim Bergabstiegsgespräch (Mk 9,11–13) Der Text wird in folgender Kolometrie interpretiert:
a b c
MCKGXRJTYVYPCWXVQPNGIQPVGL ]1VKNGIQWUKPQKBITCOOCVGKL Q=VK8+NKCPFGKGXNSGKPRTYVQP{
12
a b c d
QBFGGHJCWXVQKL 8+NKCLOGPGXNSYPRTYVQPCXRQMCSKUVCPGKRCPVC> MCKRYLIGITCRVCKGXRKVQPWKBQPVQWCXPSTYRQW K=PCRQNNCRCSJ^MCKGXZQWFGPJSJ^{
11
78
Begriff von H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 55. Vgl. Ph. VIELHAUER, Aufsätze zum Neuen Testament, 213 Anm. 46a. 80 Mit M. T HEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 39f. Anm. 9. 79
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens
13
a b c d
417
CXNNCNGIYWBOKP Q=VKMCK8+NKCLGXNJNWSGP MCKGXRQKJUCPCWXVY^Q=UCJSGNQP MCSYLIGITCRVCKGXR8CWXVQPx
Nachdem Elija im zurückliegenden Text des MkEv (1,1–9,10) wiederholt genannt worden ist, wird er nun – in Reaktion auf eine entsprechende Frage der Jünger – von Jesus selbst innerhalb einer geheimen Jüngerbelehrung zum Gesprächsthema erhoben. Der in Mk 9,11–13 vorliegende Diskurs über die eschatologische Funktion des Elija verdankt sich einer anderen Überlieferung als die Verklärungsperikope in 9,2–8 oder ist – was in dieser Studie präferiert wird – sogar ganz markinischer Redaktionstätigkeit entsprungen.81 So fällt besonders auf, dass nach der Dominanz der Sinai-/ Mosetypologie der Transfigurationserzählung Mose keinerlei Erwähnung mehr findet. Die Thematisierung des Elija im „Gespräch nach der Verklärung“ unterscheidet die Texteinheit 9,11–13, insofern Jesus selbst Ausführungen über Elija macht, von allen anderen Passagen, in denen der Thesbiter begegnet, und zeugt von der herausragenden Wichtigkeit, die dieser Textpassage im Hinblick auf das Elija-Verständnis des zweiten Evangeliums zuzuschreiben ist. Die Abhandlung erfolgt zwar vor einem eschatologischen Hintergrund, offenbart aber zugleich den wiederholt angesprochenen Konnex „Elija/Leiden“, da der von Jesus explizit bestätigten Erwartung des „eschatologischen Heilsbringers“ Elija nun in recht überraschender Weise der leidende Elija an die Seite gestellt wird.82 Hierauf liegt der Schwerpunkt der Aussage! Bereits in semantischer Hinsicht wird dies durch die auffälligen Berührungen mit der ersten Leidensankündigung (FGKRQNNC RCSGKPWKBQL VQW CXPSTYRQW) in 8,31 indiziert.83 Makrotextuell ist zudem auf die Entsprechung mit der Texteinheit 1,4–8 zu verweisen, in der der mit elijanischen Farben gemalte Täufer Ausführungen über Jesus als seinen Nachfolger macht, während in 9,11–13 der Nachfolger Ausführungen über seinen Vorläufer macht und diesen seinerseits Elija annähert, ohne 81
Vgl. zur Begründung z.B. G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1082; G. GUTTENBERGER , Gottesvorstellung, 95f.; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 157; M. Ö HLER , Elia im NT, 40; DERS., Elija und Elischa, 192; W. SCHMITHALS, Markusschluß, 391.394; DERS., ÖTBK-Mk II, 400; M. THEOBALD, Gottessohn und Menschensohn, 40. Für die Sicherheit, mit der Chr. W OLFF [Bedeutung Johannes des Täufers, Sp. 860] zugunsten einer in Mk 9,9–13 rezipierten vormarkinischen Überlieferung plädiert, sähe man gern zumindest ein Argument. 82 Ähnlich auch H. LÖHR, Bemerkungen zur Elia-Erwartung, 93. 83 Der Konnex mit der ersten Leidensankündigung in 8,31f. wird bereits durch Mk 9,10 nahegelegt, wo – wie in der Versfolge 8,31f. auch – ein absolut gesetztes NQIQL sowie die Auferstehung von den Toten als Thema begegnen. Vgl. dazu z.B. P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 104.
418
4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
jedoch – anders als in der matthäischen Parallelstelle84 – eine völlige Identifizierung zu vollziehen.85 Es liegt gleichwohl eine implizite Identifikation vor.86 Der intratextuelle Bezugspunkt der Aussage Jesu MCKGXRQKJUCPCWXVY^ Q=UCJSGNQP in 9,13c ist die das Todesgeschick Johannes’ erzählende Perikope 6,17–29.87 Nach diesen einleitenden Vorbemerkungen ist nun die Einzelversanalyse der Textpassage Mk 9,11–13 zu leisten. Das präsentische Partizip UW\JVQWPVGL in Mk 9,10 deutet narrativ einen längeren Prozess theologischer Auseinandersetzung der Jünger während des Bergabstiegs an und markiert so eine implizite zeitliche Ellipse.88 Frucht dieses Diskurses ist die in 9,11a eingeleitete und in 11b.c formulierte Jüngerfrage, die als solche Rückschlüsse auf den Inhalt des UW\JVGKP in V.10 ermöglicht.89 Die von Jesus in 9,9 angekündigte Auferstehung ist den Jüngern ein eschatologisches Ereignis90, was mit entsprechenden Verständnisproblemen verbunden ist, die sich in der durch ein schwerfällig-doppeltes Q=VK konstruierten Frage91 in 11b.c artikulieren.92 Die Verständnisprobleme93 richten sich letztlich auf Jesu Position innerhalb des eschatologischen „Fahrplans“, konkret auf die Vereinbarkeit seiner Sendung sowie seiner (V.9) und der
84
Vgl. z.B. R. ALBERTZ, Elia, 173f. Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 137. Die in Mk 1,2–8 vollzogene Annäherung des Johannes an Elija findet demnach in 9,11–13 ausdrückliche Bestätigung. Mit P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 110. 86 Vgl. für viele R. ALBERTZ, Elia, der biblische Prophet, 136. 87 Diese Einschätzung steht nicht im Widerspruch zur traditionellen Position, dass eine Anspielung auf die in 1 Kön 19 erzählte Verfolgung des Thesbiters durch Ahab und Isebel vorliegt. Das allgemeine „Schriftwissen“ der Rezipienten wird vielmehr mittels der vorliegenden Annäherung von Elija und Johannes auf das Leidensgeschick des Johannes hin spezifiziert. Ähnlich auch G. HÄFNER [Verheißener Vorläufer, 371], wonach „das faktische Martyrium des Täufers als Ausgangspunkt des Bezuges auf 1 Kön 19“ dient. 88 Mit Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 219. 89 Vgl. dazu L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 219. So auch M. ÖHLER, Elia im NT, 41. 90 Mit J. GNILKA, EKK-MK II, 41. Gegen E. LOHMEYER [KEK-Mk, 182] u.a., wonach mit 9,11 ein völlig neues Thema angeschnitten werde. 91 Das erste Q=VK des V.11 muss als Q=VK-recitativum zur Einführung der Schriftgelehrtenmeinung interpretiert werden, vgl. G. ZUNTZ, Heide, 214. Ferner M. ÖHLER, Expectation of Elijah, 464 Anm. 13. 92 Vgl. z.B. M. ÖHLER, Elija und Elischa, 192. Die in V.11 formulierte Frage hängt also thematisch eng mit dem von Jesus in V.9 angekündigten und in V.10 von den Jüngern theologisch erörtertem Topos „Auferstehung“ zusammen. Vgl. z.B. P. MÜLLER „Wer ist dieser?“, 109; M. ÖHLER, Elia im NT, 38. 93 C. B REYTENBACH [Nachfolge, 248] spricht gar von einer Skepsis der Jünger gegenüber der Aussage Jesu in Mk 9,9. 85
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens
419
allgemeinen Auferstehung (V.10)94 bei einem gleichzeitigen Ausbleiben der eschatologischen Wiederkehr des Elija.95 Wie ist es möglich, von der Auferstehung im Sinne eines eschatologischen Ereignisses zu sprechen, ohne dass Elija zuvor gekommen ist?96 Theologischer Bezugspunkt dieser Jüngerfrage ist ein Argument der ITCOOCVGKL, das sich theologiegeschichtlich auf die Elijaverheißung in Mal 3,22f. bezieht. Dieser Bezugspunkt wird an dieser Stelle implizit als theologisches Grundwissen der Textrezipienten vorausgesetzt, ohne den die Versfolge 10f. letztlich nicht zu verstehen wäre.97 Die von einem Gros der Exegese geäußerte Vermutung, dass es sich hierbei um einen aus der jüdischen Dogmatik gespeisten – ggf. aktuell schwelenden – Gemeindedisput handelt, der vom Mk-Evangelisten redaktionell an diese Stelle platziert worden sei, ist nach wie vor glaubwürdig.98 Diese in Frageform geäußerte Schriftgelehrtenmeinung fungiert als „Gegenargument“ gegen die in 9,9 von Jesus angekündigte Auferstehung, zumal der im Gefolge Bultmanns oft wiederholte Vorschlag eines ursprünglichen Bezugs des RTYVQP (11c) auf das Naherwartungslogion in 9,199 in
94
Mit P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 109. Aufgrund der Ausweitung der Auferstehungsthematik auf die „allgemeine Auferstehung“ in Mk 9,10 vermag ich einen „Bruch“ zwischen den Versen 9f. und 11–13 nicht zu erkennen. Vgl. für viele Chr. W OLFF, Bedeutung Johannes des Täufers, Sp. 860. Das eschatologische Ereignis der Auferstehung wird durch die in V.11 angeführte Schriftgelehrtenmeinung mit der Frage nach dem Kommen des Elias redivivus verbunden. 96 Der Mk-Text macht keine Ausführungen über die Funktion des Elija als Vorläufer des Messias (so z.B. vertreten von J. JEREMIAS, Art. B+N(G)KC L. In: ThWNT II (1935), 938; J. SCHMID, RNT-Mk, 173; G. RICHTER, Eliasvorstellungen, 188), sondern spricht allgemein von der eschatologischen Wiederkehr des Elija, die als Meinung der Schriftgelehrten präsentiert wird. Dem Zeitadverb RTYVQP sind keine Informationen in dieser Hinsicht zu entnehmen, da es sich im vorliegenden Endtext auf die in 9,9f. angesprochene Totenauferstehung bezieht. Sollte hingegen die Perikope 9,9f. überlieferungsgeschichtlich einer anderen Tradition angehören als die in den VV. 11–13 vorliegenden Stoffe, so wäre der ursprüngliche Bezug des Zeitadverbs nicht mehr zu ermitteln. Die VV. 11–13 sind jedoch wahrscheinlich redaktionell. In jedem Fall liegt eine Behauptung der Vorläuferschaft Elijas hinsichtlich des Auftretens des Messias im strengen Sinne nicht vor, da die Formulierung in 9,11 völlig unbestimmt bleibt. Eine Verwendung von Mk 9,11–13 zur Eruierung eines jüdischen „Dogmas“, wonach „Elija vor dem Messias kommen müsse“, scheidet aus. Mit G. HÄFNER, Verheißener Vorläufer, 368. 97 Vgl. z.B. C. BREYTENBACH, Nachfolge, 248: „Der Erzähler setzt voraus, daß der Leser dieses ‚missing link‘ aus seinem Weltwissen ergänzt.“ Vgl. dazu auch P. M ÜLLER, „Wer ist dieser?“, 109 Anm. 258. 98 Vgl. z.B. G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1085; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 158; P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 109; M. ÖHLER, Elia im NT, 42. 99 So z.B. vertreten von M. HORSTMANN, Studien, 57f.; J. ERNST, RNT-Mk, 261; J.M. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 257. 95
420
4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
der neueren Exegese obsolet geworden ist.100 Die Textfolge Mk 9,9–13 liest sich dagegen widerspruchsfrei dahingehend, dass nach Meinung der Jünger vor der Auferstehung – sei es nun die Auferstehung des Menschensohnes (V.9) oder die allgemeine Auferstehung (V.10) –, die als ein eschatologisches Ereignis begriffen wird, zuerst (RTYVQP) Elija kommen müsse, sodass sein Ausbleiben letztlich als massives Argument gegen die vom Mk-Evangelium vertretene Christologie gewertet werden müsste. Die Jünger eröffnen so ein neues, wenngleich auf 9,9f. aufbauendes theologisches Thema, indem sie die prominente Verheißung in Mal 3,22f. aufgreifen, was durch den Rekurs des Zeitadverbs RTYVQP (V.11c) der Jüngerfrage auf das RTKP des Prätextes von Mal 3,22 nahegelegt wird. Nachdem die Jünger in den VV.10f. das Subjekt der Handlung bildeten, ergreift Jesus in V.12 die Initiative. Die in V.11 referierte theologische Position der Schriftgelehrten wird von Jesus in 12b zunächst ausdrücklich bestätigt (OGP)101, sodann präzisiert und ausformuliert.102 Der durch das RTYVQP in der Jüngerfrage des V.11c wahrscheinliche intertextuelle Bezug auf das RTKP in Mal 3,22 LXX wird durch die Antwort Jesu insofern bestätigt, als hier das Zeitadverb RTYVQP um das Verb CXRQMCSKUVCPGKerweitert wird, das mit großer Wahrscheinlichkeit auf das CXRQMCVCUVJUGK (Mal 3,23 LXX) des Prätextes anspielt.103 Als Objekt der durch Elija zu leistenden „Wiederherstellung“ gibt der Mk-Text ein RCPVC an, sodass es einerseits zu einer starken Verkürzung des Schriftbezuges auf Mal 3,22f. LXX kommt, diese Verkürzung andererseits gerade eine massive Ausweitung der eschatologischen „Tätigkeit“ des wiederkommenden Elija nach sich zieht.104 100
Vgl. dazu Anm. 376 im zweiten Kapitel dieser Studie. Vgl. z.B. R. ALBERTZ, Elia, 173; G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1087; J. ERNST, RNT-Mk, 262; H. LÖHR, Bemerkungen zur Elia-Erwartung, 89. Unsicher ist der Bezugspunkt des OGP in Mk 9,12b. Möglich ist zunächst ein OGP solitarium, das in der Übersetzung folglich wegfallen kann. So z.B. bei J. GNILKA, EKK-Mk II, 39; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 157. Denkbar ist sodann ein Bezug auf das CX N NC in 13a, sodass eine Antithese zwischen der referierten Position der ITCOOCVGKL und der Position Jesu vorliegt. Dagegen spricht jedoch, dass der Text nicht auf einen Gegensatz zur Schriftgelehrtenmeinung aus ist, sondern auf deren Präzisierung im Hinblick auf die Elija-Rolle des Täufers. Gegen eine solche antithetische Deutung spricht auch der recht große räumliche Abstand zwischen OGP und CXNNC. Als dritte Möglichkeit verbleibt der Bezug des OGP auf das MCK in 12c. Ein solcher Bezug muss m.E. nicht mit einer adversativen Bedeutung des MCK einhergehen. Denkbar ist ebenso eine präzisierende Funktion. Dieser dritten Möglichkeit wird hier der Vorzug gegeben. Vgl. zu den Deutungsmöglichkeiten des OGP auch die Überlegungen bei M. Ö HLER, Elia im NT, 39f. 102 Vgl. z.B. H. LÖHR, Bemerkungen zur Elia-Erwartung, 89: „Jesus bestätigt die Jüngererwartung, indem er sie vollständig ausspricht.“ 103 Vgl. für viele M. STOWASSER, Verheißenes Heil, 17f. 104 Ähnlich auch Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 220. Die Einschränkung des RCPVC „auf das sittlich-religiöse Gebiet“ ist willkürlich und wird vom Text durch nichts 101
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens
421
Durch das den Prätext übertreffende RCPVC wird die eschatologische Mission des Elija radikal erweitert, sodass die Rezeption der Maleachi-Erwartung in Sir 48,10 (Restitution Israels als Zwölf-Stämme-Volk) nochmals deutlich überboten wird. Angesichts der Formulierung in Mk 9,12b sollte sogar eine Wiederherstellungsfunktion des Elija im Hinblick auf die gesamte Schöpfung nicht ausgeschlossen werden, da vom Textbefund her durch nichts angedeutet ist, dass das Syntagma CXRQMCSKUVCPGKRCPVCeine solche Implikation nicht haben könne.105 Zugunsten einer solch universalen Restitutionsfunktion des in Johannes wirkenden Elias redivivus kann der Eingangsbereich des Makrotextes (1,1– 3) geltend gemacht werden. Der Versuch, Mk 1,1 als Überschrift über das gesamte Evangelium zu verstehen, kann aufgrund der Tatsache nicht überzeugen, dass in diesem Fall das Syntagma MCSYL IGITCRVCK (V.2a) völlig überraschend als Anfang eines neuen Satzes gewertet werden müsste, dessen Hauptverb allein das GXIGPGVQ in V.4 sein könnte.106 Gegen eine solche Lösung spricht auch das Fehlen des in diesem Fall zu erwartenden QW=VYL. Versuche, V.1 und V.4 miteinander zu verbinden und die VV.2f. als Parenthese zu werten, können ebenso nicht überzeugen, während ein asyndetischer Ansatz mit GXIGPGVQ (V.4) problemlos möglich und mit biblischem Erzählstil vereinbar ist. Die glatteste Lösung besteht daher im Vorschlag, die VV.1–3 als einen zusammenhängenden Satz zu werten, wie dies bereits im Kommentar von P. Schanz im Jahre 1881 wahrscheinlich gemacht worden ist.107 Dieser Deutung gemäß findet der in V.1 vorliegende Nominalsatz eine biblische Begründung mittels des in den VV.2f. gebotenen Kombinationszitates. Das aber hat zur Folge, dass die CXTEJ des Evangeliums im restituierenden Wirken des Täufers gesehen werden muss. 108 Sein Auftreten „ist der Beginn all jener Heilszusammenhänge, deren Zentrum Jesus als der ‚Gottessohn‘ (1,11)“ bildet.109 Die heilsgeschichtliche Funktion des Elija/Johannes findet allein in der des Gottessohnes ihre natürliche Grenze, sie kann von daher praktisch nicht überschätzt werden und begünstigt so die „universale“ Interpretation des Restitutionswerkes, von dem in Mk 9,12 die Rede ist. Mittels des Rekurses auf Mal 3,22f. LXX wird der Täufer Johannes so in seiner universalen Restitutionsfunktion als der gottgesandte Gottesbote legitimiert.110
nahegelegt. So aber A. OEPKE, Art. CXRQMCSKUVJOKMVN. In: ThWNT I (1933), 388. Betont ist vielmehr die allumfassende Funktion des wiederkehrenden eschatologischen Elija. Mit H. LÖHR, Bemerkungen zur Elia-Erwartung, 89: das RCPVC verleihe „dem Tun des Elia den Charakter allumfassender und letzt-gültiger, d.i. eschatologischer Wirksamkeit“. Vgl. z.B. P.G. MÜLLER, Art. CXRQMCSKUVJOKMVN. In: EWNT I (21992), Sp. 311. 105 Diese Deutung ist von H. STEGEMANN [Bedeutung des Täufers, 109] neu in die exegetische Diskussion eingebracht worden. 106 Vgl. H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 27. Die sonstigen MCSYL-Belege im MkEv (4,33; 9,13; 11,6; 14,16.21; 15,8; 16,7) sprechen deutlich gegen die Möglichkeit eines Satzanfangs in 1,2. 107 Vgl. P. SCHANZ, Marcus, 60–62. Vgl. dazu auch R. KAMPLING, Israel, 28; H.-J. KLAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 28. 108 Mit G. DELLING, Art. CTEYMVN. In: ThWNT I (1933), 481: „Mk 1,1 wird die Johannespredigt und -taufe als (zeitlicher) Ausgangspunkt der evangelischen Verkündigung Jesu bezeichnet (trotz Hos 1,2)“; K. KERTELGE, Epiphanie Jesu, 155; H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 110; K. WEIß , Art.CXTEJ. In: EWNT I ( 21992), Sp. 389. 109 Mit H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 111. 110 So H. STEGEMANN, a.a.O., 108.
422
4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
Mit der präzisierenden Bestätigung des Jüngereinwands und der universalen Ausweitung der eschatologischen Mission des Elias redivivus ist die Antwort Jesu nicht abgeschlossen. Während sich die Teilverse 12a.b organisch mit der Jüngerfrage des vorherigen Verses verbinden, bringen die Teilverse 12c.d in Ergänzung der Antwort Jesu ein neues Thema in Form einer Frage111 ins Gespräch ein, auf dem der Akzent der Aussage ruht. Jesus spricht – kontextuell zunächst etwas überraschend – vom schriftgemäßen Leiden des Menschensohnes (MCK RYLIGITCRVCK …), dessen Identifikation nach den in 8,31–33 vorgelegten Ausführungen nicht fraglich sein kann.112 Die Menschensohn-Thematik wird demnach nach V.9 erneut ins Gespräch gebracht und ausdrücklich mit dem Leiden verbunden. Die Härte, mit der die Leidensthematik an die Bestätigung des Jüngereinwands angeschlossen wird, macht wahrscheinlich, dass genau hier das besondere Interesse des Evangelisten liegt. Dieses Interesse wird zudem durch die massiven semantischen Anklänge an die erste Leidensankündigung in 8,31 vollauf bestätigt. Trotz der Härte im Anschluss des neuen Themas wäre die Intention des Textes verkannt, wollte man von einer – von Jesus in die Debatte eingebrachten – Gegenthese sprechen.113 Ebenso wenig kann von einer Unvereinbarkeit der Elijaerwartung mit der Leidensnotwendigkeit des Menschensohnes die Rede sein. Vielmehr ist als Skopus des Textes das Bestreben anzusprechen, beide als notwendig erachteten eschatologischen
111 Nicht überzeugend ist die Position von J. G NILKA [EKK-Mk II, 39.41, so bereits J. W ELLHAUSEN, Evangelium Marci, 70], auch in dem die Elijaerwartung thematisierenden Teilvers 12b eine Frage zu erkennen. So auch Ch.E. JOYNES, Question of Identity, 24; Chr. W OLFF, Bedeutung Johannes des Täufers, Sp. 861. Das OGP müsste in diesem Fall als ein OGP solitarium aufgefasst werden, was zweifellos möglich ist. Doch ergibt sich ein glatterer Text bei der Annahme, dass die eindeutig als Frage formulierte theologische Präzisierung Jesu (Leiden des Menschensohnes) ihren Ausgangspunkt von einer getroffenen Feststellung der Jünger macht. Doch sowohl bei Annahme einer Frage als auch bei Annahme eines Aussagesatzes liegt eine Bestätigung der Elijaerwartung durch Jesus vor. So auch R. PESCH, HThK-Mk II, 79. Unglaubwürdig ist die Deutung Ch.E. J OYNES’ [a.a.O., 25], wonach Jesus bemüht sei, die Rückkehr des Elija aus christologischen Gründen auszuschließen, da im Falle seiner Rückkehr die Möglichkeit des Leidens des Menschensohnes obsolet geworden wäre („since this would leave no place for the suffering of the son of Man“). Das Gegenteil ist stimmig: Das Versöhnungswerk des Elija ist nur partiell geleistet worden, da der Elias redivivus von seinen Gegnern zu Tode gebracht wurde, wodurch er gleichzeitig auch im Hinblick auf das Leiden als Vorläufer Jesu bezeichnet werden kann. 112 Mit H. LÖHR, Bemerkungen zur Elia-Erwartung, 90 Anm. 26. 113 So z.B. vertreten von J. GNILKA, EKK-Mk II, 41; Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 220.
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens
423
Ereignisse – Kommen des Elias redivivus und Leiden des Menschensohnes – miteinander zu korrelieren.114 Die Lösung des so aufgeworfenen theologischen Problems wird bekanntlich in V.13 skizziert, aus dem rückblickend deutlich wird, dass mit der Thematisierung des Leidens des Menschensohnes das Elija-Thema gerade nicht verlassen worden ist. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Die Rede vom eschatologischen Kommen des Elija und die Aussage vom schriftgemäßen Leiden des Menschensohnes stimmen nach Meinung Jesu durchaus überein, wobei das verbindende Glied gerade die Leidensthematik darstellt. Somit ist es offensichtliche Intention der markinischen Redaktion, der sich diese Texteinheit mit hoher Wahrscheinlichkeit verdankt, sowohl das Kommen des Elias redivivus als auch das Auftreten des Menschensohnes mittels des Topos „Leiden“ zu erfassen, an dem der MkEvangelist großes Interesse hat. Das Bestreben zur Korrelation des Elias redivivus mit dem Menschensohn wird durch das MCK in 13b deutlich angezeigt: Elija-Johannes verbindet mit dem Menschensohn sowohl die Tatsache des Gekommen-Seins als auch die schriftgemäße Notwendigkeit des Leidens!115 Die in der Mk-Exegese regelmäßig empfundene „Sperrigkeit“ in der Abfolge der VV.11–13 dürfte zu einem großen Teil in der „Gewaltsamkeit“ begründet sein, „mit welcher die Elija-Erwartung hier einer Neuinterpretation“ unterworfen wird.116 Der zentrale Innovationspunkt ist das in V.13 ausdrücklich festgestellte Leiden auch des Elias redivivus, das jeglicher Schriftgrundlage entbehrt.
114
Der Bezug von Mk 9,12c.d auf die erste Leidensankündigung in 8,31 ist m.E. offensichtlich. Dann aber steht die Wiederkehr des Elija unter dem gleichen göttlichen FGK (9,11), unter dem auch das Leiden des Menschensohnes steht. Entscheidend ist das Bestreben, das eschatologische Kommen des Elija und das Leiden des Menschensohnes miteinander zu korrelieren. Von hier aus ist eine kritische Anfrage an den Interpretationsvorschlag D. LÜHRMANNs [HNT-Mk, 158] erlaubt, dem Zeitadverb RTYVQPexklusiven Sinn zuzusprechen: „nicht der Menschensohn, sondern Elia kommt vor dem ‚Tag des Herrn‘“. Das Zeitadverb intendiert eine Relation zwischen wiederkommendem Elija und leidendem Menschensohn, sodass es gerade nicht exklusiv gemeint ist. Vers 13c.d wird diese Relation mittels des Leidenstopos präzisieren. 115 Es ist zwar richtig, dass das FGK der in V.11b.c referierten Schriftgelehrtenmeinung (Q=VK 8+NKC P FGK GXNSGKP RTYVQP) bei der Thematisierung des Leidens des Menschensohnes in V.12c.d nicht begegnet – so z.B. L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 219 –, dagegen wird jedoch die Notwendigkeit des Leidens des Menschensohnes in V.12c.d auf andere Weise, und zwar schrifttheologisch begründet (MCK RYLIGITCRVCK ...), sodass sowohl das eschatologische Kommen des Elija als auch das Leiden des Menschensohnes als schriftgemäß dargestellt werden. Die schrifttheologische Prägung des FGK in 11c ist durch den offensichtlichen Bezug auf Mal 3,22f. gewährleistet. 116 Vgl. G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1086.
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
Der Aussagegehalt der Antwort Jesu in den VV.12f. ist somit die Korrelation zweier zunächst gegenläufig wirkender Thesen: Vers 12 parallelisiert das Kommen des Elias redivivus zur Wiederherstellung (V.12b, vgl. Mal 3,23) mit der schriftgemäßen Leidensnotwendigkeit des Menschensohnes (V.12c.d).117 Diese Parallelisierung wirft ein theologisches Problem auf, das nun in V.13 einer Lösung zugeführt wird. Die Einleitung zur Problemlösung in V.13 mittels der Formel CXNNC NGIY WBOKP (V.13a) verleiht der Rede Jesu einen lehrhaften-autoritativen Klang und unterstreicht die theologische Wichtigkeit der angebotenen Antwort.118 Von großer Wichtigkeit für das Verständnis der Antwort Jesu ist das oben bereits herausgehobene MCK in V.13b (Q=VK MCK 8+NKCL GXNJNWSGP …), das bei einer exklusiv intendierten Elija-Johannes-Identifikation ohne Sinnverlust auch fehlen könnte. Dadurch aber, dass es gesetzt wird, offenbart es die Absicht der markinischen Redaktion, nicht allein Johannes mit dem erwarteten Elija zu identifizieren, sondern auch dessen Auftreten und Leiden mit dem des Menschensohnes zu parallelisieren.119 Genau darauf kommt es dem Text gerade an. Vers 13 verdeutlicht, dass sich im Verständnis Jesu die beiden in V.12 geäußerten Thesen keinesfalls ausschließen, sondern „in einem heilsgeschichtlichen Nacheinander stehen“120: Die Wiederkunft des Elija und das Leiden des Menschensohnes schließen sich nicht aus, sondern entsprechen einander. Beide – Elija und Menschensohn – haben gemeinsam, dass sie kommen und leiden müssen.121 Die Endzeiterwartung der Jünger wird jedoch 117 Eine traditionelle Schriftaussage im Hinblick auf das Leiden des Menschensohnes kann bekanntlich nicht angeführt werden. In der matthäischen Lesart (Mt 17,11) dieser Stelle wurde diese schriftgelehrte Argumentation von daher auch ersatzlos gestrichen. 118 Mit P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 110. 119 So auch M. ÖHLER, Elia im NT, 44 Anm. 74. 120 Mit C. BREYTENBACH, Nachfolge, 249. 121 Bekanntlich lässt sich keine biblische oder frühjüdische Schrift anführen, in der eine Überlieferung des Leidens des Elias redivivus zu greifen wäre. Die immer wieder angeführte Textstelle LibAnt 48,1 – et tunc adducam vos, et gustabitis quod est mortis – spricht zwar vom „Schmecken des Todes“ des mit Elija identifizierten Pinhas und seiner Begleiter (vgl. auch 4 Esr 6,26), dieses „Schmecken“ impliziert jedoch nicht einen gewaltsamen Leidenstod, von dem in Mk 9,13 ausdrücklich die Rede ist. Es ist auch Vorsicht angeraten, Mk 9,13 als Indiz einer solchen jüdischen Überlieferung zu werten. Das gesamte Bergabstiegsgespräch trägt m.E. eine deutliche redaktionelle Handschrift, bei der nicht erkennbar ist, dass sie auf traditions- oder überlieferungsgeschichtlichen Voraussetzungen beruht. Das im MkEv dominierende Interesse an der „Leidensexistenz“ des Elija „läßt doch zu viele Interpretationsräume offen, um von ihm her die Existenz der fraglichen Tradition im Judentum zu belegen“. Mit G. HÄFNER, Verheißener Vorläufer, 370. Ebenso stimme ich mit Häfners Position überein, dass der Tod des Täufers Johannes, der als Datum fest vorgegeben war, im christlichen Bereich zur Ausarbeitung der Vorstellung eines Martyriums des Elias redivivus führte. Vgl. a.a.O., 372. Unverständlich ist mir dann aber der Vorschlag Häfners, das CWXVQP im Teilvers 13d – MCSYL IGITCRVCK
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens
425
dahingehend fundamental verändert, dass Elija nicht mehr kommen wird, sondern in Johannes bereits da war.122 Das Elija/Johannes und den Menschensohn miteinander verbindende Leiden wird sodann in V.13c mittels eines Rekurses auf Mk 6,17–29 implizit ins Gespräch gebracht: MCK GXRQKJUCP CWXVY^ Q=UC JSGNQP. Danach ließen es die Widersacher des Elija/ Johannes, indem sie ihn zu Tode brachten, nicht zu, dass das umfassende Werk der Wiederherstellung vollendet werden konnte.123 Der Rekurs auf Mk 6,17–29 beinhaltet zwei Gesichtspunkte: Einerseits wird durch die so vorgelegte implizite Elija-Johannes-Identifikation124 der in V.11 von den Jüngern ins Gespräch eingebrachte Schriftgelehrteneinwand entkräftet: Elija ist bereits gekommen und hat durch sein Wirken den Weg für das in den VV.9f. angesprochene eschatologische Ereignis der Auferstehung freigemacht. Andererseits wird die von der Enthauptung des Täufers handelnde Perikope von Jesus im Nachhinein kommentiert und heilsgeschichtlich eingeordnet mit dem Effekt einer Parallelisierung Jesu und Johannes’ im Hinblick auf das Leiden.125 Dabei ist zu beachten, dass Auslöser der in 6,17–29 platzierten Enthauptungserzählung die in 6,14f. gestellte Frage nach dem Verhältnis Jesu zu Johannes bzw. Elija ist. Mk 9,12f. bestätigt seinerseits den Ausschluss einer Elija-Jesus-Identifikation und verdeutlicht gleichzeitig, dass „das eschatologische Drama … mit dem Wirken des Täufers und dessen Elija-Dimension schon begonnen“126 hat, dass aber die entscheidende Gestalt dieses Dramas der leidende Menschensohn ist, der in Johannes einen ebenso leidenden Vorläufer hatte.127 In V.13 steht durchgängig nicht der heilvoll wirkende eschatologische Elija im Vordergrund des Interesses, sondern der verfolgte und zu Tode gebrachte Gottesbote.128 Gleichzeitig wird die in 1,4–8 vorgenommene „elijanische Einfärbung“ des Johannes durch ein Logion Jesu selbst vollauf bestätigt, und zwar mit einem Schwerpunkt auf der „Vorläuferschaft“ des GXR8 CWXVQP – auf den Menschensohn (V.12c) zurückzubeziehen und gleichzeitig zu behaupten, dass das Syntagma – MCSYL IGITCRVCK – als „Anspielung auf die in 1 Kön 19 erzählte Verfolgung des Elija durch Ahab und Isebel“ zu werten. Vgl. a.a.O., 371. 122 Vgl. Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 220. 123 Gut bei H.-J. KLAUCK [„Vorspiel im Himmel?“, 83]: „Das will sagen: Johannes der Täufer war Elija, konnte aber dessen Versöhnungswerk nur partiell vollbringen, weil Menschen Widerstand leisteten und ihn umbrachten“. Ähnlich auch P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 110; M. ÖHLER, Elia im NT, 44. 124 Begriff übernommen von M. ÖHLER, Elia im NT, 45. Vgl. auch DERS., Elija und Elischa, 192. So auch R. ALBERTZ, Elia, 174. 125 In diese Richtung deutet überzeugend auch Chr. W OLFF, Bedeutung Johannes des Täufers, Sp. 861. 126 Mit G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1087. 127 Ähnlich auch M. ÖHLER, Elia im NT, 44. 128 So z.B. auch H. LÖHR, Bemerkungen zur Elia-Erwartung, 90f.
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
Johannes im Hinblick auf das Leiden des Menschensohnes.129 Die somit betonte Leidensthematik ist das zentrale Element, das die beiden in V.12 geäußerten Thesen miteinander verbindet. Diese Verbindung wird nicht zuletzt dadurch verdeutlicht, dass neben die Leidensaussage in V.13c (MCK GXRQKJUCP CWXVY^ Q=UC JSGNQP) der Teilvers 12d zu stellen ist (K=PC RQNNC RCSJ^ MCK GXZQWFGPJSJ^), in dem vom Leiden des Menschensohnes die Rede ist. Dieser Teilvers reiht sich funktional in die Reihe der Leidensankündigungen Jesu ein. Das hier gebrauchte Leidensverb RCSJ^ hat trotz der aktivischen Verbform letztlich passivischen Sinn130: Elija-Johannes erweist sich so auch hinsichtlich des Leidens als Vorläufer Jesu. Als Ergebnis des Bergabstiegsgesprächs in 9,11–13 kann Folgendes festgehalten werden: Das von den Jüngern aufgeworfene theologische Problem ist von Jesus überzeugend gelöst worden. Durch die implizite Identifikation des Elias redivivus mit Johannes ist dem RTYVQP der Schriftgelehrtenmeinung (V.11c) entsprochen worden, sodass durch das in Johannes erfolgte Auftreten des Elias redivivus der Weg zur Auferstehung (9,9f.) geebnet worden ist.131 Das herausragende Interesse der markinischen Redaktion liegt jedoch in der Leidensdimension des in Johannes wirkenden Elija, auf der unverkennbar der Schwerpunkt der Argumentation liegt. Wenn G. Dautzenberg völlig richtig feststellt, dass „[d]ie mk Redaktion … bewußt eine Verbindung zwischem [sic!] dem Elija der Verklärungsperikope und der Erwartung eines Elias redivivus her-“stellt132, dann sollte der Effekt dieses redaktionellen Kunstgriffs nicht allein in der Abwehr einer „Identifikation Jesu mit Elija“ gesehen werden133, sondern ebenso in der Eintragung der Leidensthematik in die Verklärungsperikope. 129
In Mk 1,2 wird Mal 3,1 recht deutlich eingespielt und durch den Kontext auf Johannes den Täufer bezogen. Eine ausdrückliche Nennung des Namens Elija ist dort zwar ein Desiderat, die Beschreibung des Auftretens des Johannes in 1,4–8 taucht den Täufer jedoch in markante elijanische Farben. In 9,11–13 wird umgekehrt Elija ausdrücklich genannt und mit der Erwartung von Mal 3,22f. LXX verbunden. Der implizite Bezug auf Johannes wird in Mk 9,13 nahegelegt, wenngleich nicht explizit ausgesprochen. 130 Mit C. BREYTENBACH, Nachfolge, 249 Anm. 261. 131 Mit C. BREYTENBACH, Nachfolge, 249; P. DSCHULNIGG, ThK-Mk, 249. 132 Vgl. G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1083. 133 Das Bestreben des MkEv, eine Identifikation Jesu mit dem Elias redivivus auszuschließen, ist offensichtlich und bedarf keiner weiteren Begründung. Einen solchen ausschließenden Effekt hat selbstverständlich auch die Integration des Thesbiters in die Verklärungsperikope, die in einer eindeutigen Beziehung zu Mk 8,27–30 steht. Parallel zur diskursiven Klärung dieser Frage in 8,28f. wird in 9,4–6 eine ergänzende, narrative Klärung dieser Frage vorgelegt. Die Erscheinung des Elija auf dem Verklärungsberg macht deutlich: „Jesus ist auf keinen Fall der wiedergekommene Elia bzw. Elia ist nicht in der Gestalt Jesu wieder erschienen. Elias Erscheinung dient also zunächst der Klärung eines Aspektes der funktionalen Identität Jesu.“ Mit D.S. DU TOIT, Abwesender Herr, 356f.
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens
427
Da nun die redaktionelle Herkunft der in Mk 9,11–13 vorgelegten Elijathematisierung überaus wahrscheinlich ist und die hier vorgenommene „Identifikation des Täufers mit Elija“ für „die Ausbildung einer Leidenschristologie fundamentale Bedeutung“134 hat, ist es legitim, nach der Möglichkeit einer redaktionellen Eintragung des Thesbiters in die durch eine Sinai-/Mosetypologie dominierte Verklärungsperikope zu fragen. Diese könnte durchaus im Sinne eines Korrektivs einer exklusiv herrlichkeitschristologischen Rezeption der Verklärungsperikope erfolgt sein.135 Da nun die Größen „Elija“ und „Johannes“ in 9,11–13 stark einander angenähert werden, wäre es m.E. überraschend, wenn eine solche Annäherung in 9,4f. kategorisch abgelehnt werden müsste, zumal – wie Chr. Rose völlig zu Recht festgestellt hat – die Erwähnung des Elija eine im Hinblick auf die Textfolge 9,2–13 integrierende Funktion (vgl. 9,4.f.11.12.13) hat.136 Die oben vorgelegte Interpretation von Mk 9,11–13 ging von der Grundthese aus, dass diese Textpassage den zweiten „elijanischen Rahmen“ der christologischen Spitzenstelle Mk 9,7 darstellt, deren erster „elijanische Rahmen“ die Erwähnung des Thesbiters in 9,4f. ist. Diese zentrale Gottes-Sohn-Prädikation geschieht nach dieser Deutung in einer auffälligen Verbindung zum Täufer Johannes und seiner Elija-Dimension. Was für den zweiten „elijanischen Rahmen“ (9,11–13) mittels der obigen Überlegungen wahrscheinlich gemacht worden ist, ist m.E. auch für den ersten „elijanischen Rahmen“ anzunehmen. Auch im Falle des prinzipiell nicht näher spezifizierten Elija in 9,4f. ist an den Täufer Johannes und seine leidenskonnotierte Elija-Dimension zu denken. 3.4 Das Leidensschicksal des Täufers Johannes (Mk 6,17–29) In der Auslegung des Bergabstiegsgesprächs wurde darauf hingewiesen, dass der primäre intratextuelle Bezugstext der Aussage MCKGXRQKJUCPCWXVY^ Q=UC JSGNQP in Mk 9,13c, mit der das Leiden des Elija/Johannes mit dem Jesu parallelisiert wird, die von der Enthauptung des Täufers handelnde Perikope 6,17–29 (14–29) ist.137 Dieser Text spricht von der Vorläufer-
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Überzeugend bei R. ALBERTZ, Elia, 178. Von einer Neuinterpretation der ihm vorliegenden Verklärungsüberlieferung geht bereits J. ERNST [Petrusbekenntnis, 59f.] aus, ohne jedoch näher auf Elija einzugehen: „Markus hat diesen Epiphaniebericht [scil. Mk 9,2–8] durch Ergänzungen (9,9–13) umgearbeitet und im Sinne seiner Leidens- und Auferstehungstheologie neu interpretiert.“ 136 Vgl. Chr. ROSE, Theologie als Erzählung, 205. Vgl. auch P. M ÜLLER, Zwischen dem Gekommenen und dem Kommenden, 143. 137 Vgl. nur J. GNILKA, Martyrium Johannes’, 80; M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 98 Anm. 198; M. ÖHLER, Expectation of Elijah, 465; M. T ILLY, Johannes, 61. 135
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
schaft des Täufers im Hinblick auf das Leiden Jesu138 und ist vom MkEvangelisten sicher nicht zufällig in den Bereich vor der ersten Leidensankündigung in 8,31139 und der Verklärungsperikope platziert worden. Die Zielsetzung der Tradierung der Anekdote der Passio Ioannis dürfte in christologischer Richtung zu suchen sein.140 Skopus des Textes ist die – in 9,11–13 vollzogene – Leidensparallelisierung beider Erzählfiguren. Zu diesem für die markinische Christologie wichtigen Leidenstext ist daher im Folgenden Stellung zu nehmen, zumal die Annahme berechtigt ist, dass die auffallende narrative Breite in der Schilderung des Martyriums des Johannes die Funktion hat, diesen in seine himmlische Elija-Position zurückkehren zu lassen, aus der heraus er in Mk 9,4f. auf dem Verklärungsberg erscheint.141 Da die mit Enthauptung und Begräbnis endende „Passionsgeschichte des ‚Vorläufers‘“142 Johannes in der Mk-Exegese bereits häufig behandelt worden ist143, kann die Konzentration der folgenden Analyse auf den Aussagen der Perikope hinsichtlich einer vom Evangelisten intendierten Parallelität des Johannes mit Jesus im Hinblick auf das Leiden liegen. Die Perikope 6,14–29 ist in den Zwischenraum144 platziert, der durch die Entsendung der Jünger in 6,6b–13 und deren Rückkehr in 6,30 begrenzt wird.145 Sie ist aufzuteilen in die
138 Vgl. dazu P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 78; L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 163. 139 Vgl. J. GNILKA, Martyrium Johannes’, 80. 140 Mit K. B ACKHAUS, Jüngerkreise, 94. 141 Nicht unproblematisch ist jedoch der Versuch, in der Perikope Mk 6,17–29 ElijaTypologie ausfindig zu machen. Die Frage, ob die Personen Herodes, Herodias und Johannes in Entsprechung zu Ahab, Isebel und Elija stehen, ist nicht eindeutig zu beantworten. So deutet aber R. PESCH, HThK-Mk I, 334: „die Elija-Motive in 6,17–29!“ Vgl. auch K. B ACKHAUS, Jüngerkreise, 164; P. DSCHULNIGG, ThK-Mk, 179; E. LOHMEYER, KEKMk, 121; P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 77; E. SCHWEIZER, NTD-Mk, 71; M. T ILLY, Johannes, 60. Skeptisch demgegenüber erweisen sich – m.E. zu Recht – J. G NILKA, EKKMk I, 249; G. HÄFNER, Verheißener Vorläufer, 373f.; D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 115; J.M. NÜTZEL, Elija, 165; M. ÖHLER, Elia im NT, 37; S. PELLEGRINI, Elija, 276. Als Argumente gegen eine Elija-Typologie können die das Strukturmerkmal von Mk 6,17–29 bildende Passivität des Täufers sowie das Todesschicksal genannt werden, die in 1 Kön 17–2 Kön 2 keinen Anhalt haben. 142 Mit M. EBNER, Markusevangelium, 67. 143 Vgl. neben den Kommentaren bes. M. HARTMANN, Tod Johannes' des Täufers, passim. Ferner J. GNILKA, Martyrium Johannes’, passim.; P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 69–79; M. ÖHLER, Elia im NT, 37f.111–118; P.B. SMIT, Neutestamentliche Geburtstagsfeier, passim. 144 Mit E. SCHWEIZER, NTD-Mk, 70. Vgl. auch J. GNILKA, Martyrium Johannes’, 80; L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 158; P.B. SMIT, Neutestamentliche Geburtstagsfeier, 30f. Ferner K. B ACKHAUS, Jüngerkreise, 164: „literarische Retardation zur Ausfüllung der durch die Jüngeraussendung (6,6b–13) eingesetzten Erzählung“.
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens
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Unterperikopen 6,14–16 und 6,17–29. Dabei ist es die Aufgabe der ersten Unterperikope, zum Kernstück der Passio Ioannis hinzuführen. Mit 6,14 schwenkt der Blick des Erzählers in den Palast des Herodes über146, in dem er bis einschließlich 6,29 verbleiben wird. Der Leidenstod des Täufers ist dabei vom ersten Vers der Perikope 6,14–29 an im Zentrum des Interesses. Dieser wird bereits durch die Lexeme GXIGKTGKP (V.14d) und CXRQMGHCNK\GKP (16b) in die Perikope eingetragen. Ausgangspunkt dieser Perikope ist das von „Herodes’ Neugier bezüglich Jesu Identität“147 gespeiste, wahrscheinlich markinischer Redaktion entsprungene Referat148 falscher Meinungen 149 über Jesus (6,14–16), das ausgehend von der Entscheidung des Herodes zur Identifizierung Jesu mit dem wiedererstandenen Johannes (V.16) deutliche Züge einer Einführung in die Martyriumsperikope trägt.150 Die in V.16 notierte Entscheidung des
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Die Mk 6,21–29 kontrastierende Funktion der Perikope von der Speisung der Fünftausend in 6,32–44 ist offensichtlich (vgl. dazu z.B. M. E BNER, Etablierung einer „anderen“ Tafelrunde, 27f.; M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 159–162; P.B. SMIT, Neutestamentliche Geburtstagsfeier, 45f.), muss aber im Zusammenhang der Fragestellung dieser Arbeit nicht weiter vertieft werden. 146 Mit L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 159. 147 Mit P.B. SMIT, Neutestamentliche Geburtstagsfeier, 31. Mk 6,14a setzt mit einem durch ein kopulatives MCK eingeleiteten Aussagesatz an, dessen Subjekt der als DCUKNGWL bezeichnete Tetrarch Herodes und dessen Prädikat JMQWUGP ist, das als Objekt ein von 14c–e reichendes Satzgefüge aufweist, in dem eine Volksmeinung eingespielt wird, der sich der DCUKNGWL (V.14a) Herodes in V.16 anschließen wird. Die Volksmeinung wird in 14c durch die Kopula MCK eingeleitet, die ein zu erwartendes Q=VK ersetzt. Unterbrochen wird das so entstandene Satzgebilde durch einen in 14b platzierten Kausalsatz (HCPGTQP ICT GXIGPGVQ VQ QPQOC CWXVQW), der durch das betont vorgelagerte HCPGTQP die Ursache angibt, warum Herodes von Jesus gehört hat. Angesprochen ist die wachsende Bekanntheit Jesu. In dem als Objekt des Hörens des Herodes stehenden Satzgefüge sticht die perfektische Form GXIJIGTVCK (14d) besonders hervor, die als solche die „Faktizität des Geschehenen ‚Johannes ist von den Toten auferweckt (und wirkt jetzt!)‘ festhält“. Mit M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 52. Der parataktisch angeschlossene Teilsatz 14e (MCK FKC VQWVQ GXPGTIQWUKP CKB FWPCOGKL GXP CWXVY^) benennt den „Effekt“ der vom Volk angenommenen Auferstehung des Johannes: die in Jesus wirkenden FWPCOGKL. 148 Vgl. zur Begründung die Argumente bei D. LÜHRMANN, HNT-Mk, 113.143. Vgl. auch F. NEIRYNCK,-$,(.(*10 en Mc 6,14, 114f. 149 Vgl. das distanzierte MCK GNGIQP in Mk 6,14c, mit dem das Referat der Fremdmeinungen eingeleitet wird. So auch G. DAUTZENBERG, Elija im MkEv, 1079. In V.15 werden zwei weitere Fehlmeinungen hinsichtlich der Identität Jesu (vgl. das doppelte CNNQK FG GNGIQP mit angeschlossenem Q=VK-recitativum) platziert. Auffallend ist hier die äußerste Kürze in der sprachlichen Wiedergabe der christologischen Fehlmeinungen (vgl. bes. den Nominalsatz in V.15d). 150 Mit J. GNILKA, EKK-Mk I, 246. So bereits schon R. BULTMANN, Geschichte der synopt. Tradition, 328f. Vgl. auch M. H ARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 49. Ich gehe davon aus, dass Mk 6,14–16 und 6,17–29 unterschiedlicher Herkunft sind. Während bei 6,17–29 an ein – wenngleich redaktionell bearbeitetes – traditionelles Überlieferungsstück zu denken ist (vgl. die hohe Dichte an markinischen Hapaxlegomena in 6,17–29, vgl. dazu die Zusammenstellung bei M. T ILLY, Johannes, 57 Anm. 91), liegt in 6,14–16 eine vom Mk-Evangelisten aus traditionellen Versatzstücken redaktionell komponierte Passage vor, die eine „Brückenfunktion“ im Hinblick auf die „Passio Ioannis“
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
Herodes für die erste in V.14 genannte Lösung (Identifizierung Jesu mit Johannes)151 im Zusammenhang mit der Enthauptungsnotiz (V.16b) bietet dem Erzähler die Gelegenheit, „in V. 17–29 in einem (nachträglichen) Flashback über das Schicksal des Täufers zu berichten“.152 Sachlich schließt diese – formal als digressio zu bezeichnende153 und im Ganzen sehr einheitlich wirkende154 – Perikope direkt an die in 1,14 berichtete „Paradosis“155 des Täu-
hat. Vgl. dazu auch K. B ACKHAUS [Jüngerkreise, 90], der zugunsten der redaktionellen Herkunft von 6,14–16 auf die markinische Vorzugsvokabel CXMQWY (VV.14.16) sowie – im Anschluss an K. B ERGER, Auferstehung, 17 – auf die antithetische Struktur von 6,16 („GXIYő vs. „QWVQL“; „CXRGMGHCNKUC“ vs. „JXIGTSJ“) aufmerksam macht. Die Traditions- und Redaktionsanteile in 6,14–16 bleiben in der Mk-Forschung jedoch umstritten. Allgemein anerkannt ist die markinische Herkunft des Einschubs 6,14b (HCPGTQP ICT GXIGPGVQ VQ QPQOC CWXVQW), der den Konnex mit der Textumgebung sicherstellt, wobei mit P. DSCHULNIGG [Sprache-Redaktion-Intention, 92.142.157.176] die für Markus typische nachgetragene Begründung mittels der Partikel ICT hervorzuheben ist. Aber auch für die Identifikation Jesu mit Johannes (14d.e) ist markinische Herkunft wahrscheinlich zu machen. M. HARTMANN [Tod Johannes’ des Täufers, 80f.] hat überzeugend darauf aufmerksam gemacht, dass die Aussagen über den Täufer in 14d.e „mit sprachlichen Mitteln gestaltet“ sind, „welche man sonst vor allem in christologischen Formeln wiederfindet“. Dabei unterscheide sich die Art der Identifikation Jesu mit Johannes von der in V.15 vorgelegten „Identifikation Jesu mit einer Größe der Tradition“. Zentral ist in V.14d.e der Aspekt „einer gegenwärtigen Wirksamkeit von Johannes (=Jesus)“, die durch den sprachlich auffallenden MCK-Satz (MCK FKC VQWVQ!) in 14e vollauf bestätigt wird. Dieser zeitliche Aspekt fehlt bei den Identifikationen in V.15 und lässt auf das besondere Interesse des Markus an dieser Identifikation schließen, da sie „in narrativer Hinsicht die Einfügung von Mk 6,17–29 plausibel vorbereitet“. Damit ist faktisch der ganze Vers 14 auf die Redaktionstätigkeit des Markus zurückzuführen. Bei den in V.15 vorgetragenen christologischen Fehlmeinungen fällt sowohl die strikt parallele Konstruktion (15a.b und 15c.d) als auch Tendenz zur Kürze auf, mit der das Interesse des Lesers auf die Jesus/JohannesIdentifikation des V.14 zurückgelenkt wird. 151 So wird das in V.14 dominierende Verb CXMQWY im Participium coniunctum CXMQWUCL FG QB `+TY^FJLGNGIGP in V.16a wiederaufgenommen. Dazu passt auch die Wiederaufnahme der Verben NGIGKP und GXIGKTY. Syntaktisch auffällig ist die Vorziehung des Relativsatzes (Q=P GXIY CXRGMGHCNKUC 8,YCPPJP) mitsamt des darin betont voranstehenden GXIY, woraus die Betonung der Verantwortlichkeit für das Martyrium Johannes’ hervorgeht. Diese Bemerkung führt letztlich zu einem Schuldanerkenntnis des Herodes. Mit W. ECKEY, Markusevangelium, 183 (kursiv von mir, A.W.). So auch U.B. MÜLLER, Johannes der Täufer, 120; P.B. SMIT, Neutestamentliche Geburtstagsfeier, 32 Anm. 20. Diese Verantwortlichkeit wird auch durch die ebenso betonte Gegenüberstellung von GXIY und QWVQL unterstrichen. Vgl. dazu auch M. H ARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 53. 152 Mit P.B. SMIT, Neutestamentliche Geburtstagsfeier, 31. 153 Mit M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 236. 154 Vgl. das Plädoyer von K. B ACKHAUS, Jüngerkreise, 162 (gegen den Dekompositionsvorschlag von J. GNILKA, Martyrium Johannes’, passim.). Vgl. auch M. H ARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 108: „Zwischen 6,17 und 6,29 entwickelt sich eine klar nachvollziehbare Geschichte.“ 155 Vgl. z.B. L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 158: „Der Erzähler führt den Leser ... an den Anfang zurück“. Vgl. auch M. EBNER, Markusevangelium, 67. Durch die
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens
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fers an.156 Der im markinischen Prolog dem Elija angenäherte Täufer Johannes wird – nach der in 1,4–8 präsentierten Vorläuferschaft Johannes’ als Verkündiger des göttlichen Willens – nun als Vorläufer im Hinblick auf das Leiden präsentiert. Christologisch schließt das in 6,14–16 vorgelegte Referat divergierender, Jesus betreffender Meinungen an die in 4,41 formulierte Frage nach der funktionalen Identität Jesu an.157 Durch diesen Anschluss gelingt es dem Erzähler, das in 6,17–29 platzierte traditionelle Erzählstück mit einem auffallenden christologischen Bezug vorzutragen. 158 Das aus einer merklichen Distanz vorgetragene Referat verfolgt – wie 8,27–30 und das Nebeneinander Jesu und Elijas auf dem Verklärungsberg (9,4f.) – zunächst die Intention, eine Identifikation beider Größen auszuschließen.159 Jesus ist nicht Elija, er ist auch nicht Johannes, steht jedoch – was als Skopus der Erzählung der Passio Ioannis anzusprechen ist – mit diesen in einer Leidensparallelität, die nun in 6,17–29 narrativ entfaltet wird.160
Die von der Passio Ioannis handelnde Perikope 6,17–29 bildet „einen in sich geschlossenen Erzählzusammenhang“.161 Dieser Text ist bekanntlich die einzige Perikope im Makrotext des Evangeliums, die nicht direkt von Jesus handelt.162 Allein aufgrund der Tatsache, dass diese Perikope die in 1,14 angedeuteten, dort jedoch nicht weiter ausgeführten Informationen hinsichtlich der „Paradosis“ des Täufers „nachreicht“ und den Leser zugleich mit bis dato unbekannten Erzählfiguren vertraut macht, dürfte mit einer erhöhten Aufmerksamkeit des Hörers/Lesers im Rezeptionsvorgang zu rechnen sein.163 Wortwahl in Mk 1,14 (RCTCFKFQPCK) wird, insofern dieses Verb Terminus technicus der jesuanischen Passionsgeschichte ist (vgl. 9,31; 10,33; 14,10f.18.21.42.44; 15,1.10.15, mit Bezug auf die Jünger auch 13,9.11f.), die Parallelisierung Jesu und Johannes’ im Hinblick auf das Leidensschicksal begonnen. Vgl. dazu auch H.-J. K LAUCK, „Vorspiel im Himmel?“, 94. 156 Mit H.-J. KLAUCK [„Vorspiel im Himmel?“, 94], der darauf hinweist, dass die Auslieferungsnotiz in 1,14 „einen Vorgriff auf seine [scil. des Johannes] ‚Leidensgeschichte‘ dar“stellt, „die Markus erst in 6,17–29 in Retrospektive nachträgt“. 157 Vgl. zu dieser christologischen Leitfrage des MkEv auch 1,27; 8,27–30; 9,7; 10,47f.; 14,61f.; 15,39. Vgl. dazu die Monographie von P. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, passim. 158 Mit J. ERNST, RNT-Mk, 186: „Die traditionelle Erzählung erhält durch die Verbindung mit den Überlegungen des Herodes über Jesus (6,14–16) einen christologischen Bezug.“ 159 Mit L. SCHENKE, Markusevangelium (2005), 158f. 160 In narrativer Hinsicht wird eine Identifikation Jesu mit Elija bzw. mit Johannes in Mk 9,13 höchstautoritativ ausgeschlossen, insofern die implizite Identifikation des Johannes mit Elija aus dem Munde Jesu selbst erfolgt. Damit kommt es zu einer narrativen Aufhebung der in Mk 6,14–16 und 8,28 diskursiv eingespielten Identifikationsversuche hinsichtlich Jesus. 161 Mit M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 116f. 162 Mit M. E BNER, Etablierung einer „anderen“ Tafelrunde, 26; D. LÜHRMANN, HNTMk, 113. Ferner P. DSCHULNIGG, ThK-Mk, 178; M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 108. 163 Überzeugend bei M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 200f.
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
Diese Aufmerksamkeit wird m.E. in 9,13c im Zusammenhang der Parallelisierung des Elija/Johannes mit Jesus hinsichtlich des Leidens gleichsam wieder abgerufen, indem das Syntagma MCK GXRQKJUCP CWXVY^ Q=UC JSGNQP intratextuell deutlich auf diese Textpassage rekurriert. So wird der Rezipient förmlich dazu gedrängt, angesichts derLeidensaussage von 9,13c die in 6,17–29 gewonnenen Erkenntnisse zu aktualisieren. Zentrale Personen der Handlung in 6,17–29 sind Herodes in aktiver und Johannes in passiver Hinsicht.164 Beide erfahren von daher in der „Vorbereitung“ der Perikope in 6,14–16 eine betonte zweimalige namentliche Nennung. Die Erwähnung der Herodias bereits in V.17 eröffnet die „grundlegende Konfliktkonstellation“165, die die Handlung vorantreibt und am Ende zum Tod des Täufers führen wird. Die angesprochene Konfliktkonstellation wird in V.19 mittels eines Blicks in das „Innenleben“ der Herodias präzisiert, indem das Motiv benannt wird, „das die ganze Geschichte in Bewegung hält“166: JB FG `+TYFKCL GXPGKEGP CWXVY^ MCK JSGNGP CWXVQP CXRQMVGKPCK … Trotz der Tatsache, dass auch der Tochter ein vergleichsweise breiter Raum in der Erzählung zugesprochen wird ist zu betonen, dass sie durchgängig nicht als eigenständiger Aktant, sondern vielmehr als „ein Werkzeug des Willens ihrer Mutter“ dargestellt wird.167 Die eigentliche Perikope vom Tod des Täufers ist wie folgt zu gliedern: Die VV.17–20168 handeln von der Gefangensetzung und der Zeit der Gefangenschaft des Täufers. Sie sind als Exposition der Passio Ioannis anzusprechen.169 Die VV.21–26 bieten den Hauptteil der dramatischen Erzählung, in der sich eine „tragische Entwicklung“ vollzieht, an die in den VV.27–29 „[d]as tödliche Ende“ des Johannes angeschlossen wird.170 Die Hauptzäsur der Perikope ist mit V.21 zu setzen, in dem eine Konstellation erzählt wird, die es Herodias ermöglicht, ihre in V.19 benannte Absicht in die Tat umzusetzen.171 Das geburtstagliche Festbankett des Herodes, das 164 Der passiven Skizzierung des Johannes in 6,21–29 entspricht die ebenfalls die Passivität des Täufers betonende Notiz MCKGXRQKJUCPCWXVY^Q=UCJSGNQP in 9,13c. 165 So M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 107. 166 Mit M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 142. 167 Vgl. S. PELLEGRINI, Elija, 264. 168 Nicht überzeugend erscheint mir der Hinweis auf einen angeblichen sachlichen Bruch zwischen Mk 6,18 und 6,19 bei J. GNILKA, Martyrium Johannes’, 86. Diese Position beachtet zu wenig, dass hier ein Wechsel in der Perspektive vorliegt. Dem Referat der latenten Wertschätzung des Johannes durch Herodes (V.17f.) wird nun der offensichtliche Hass der Herodias flankierend zur Seite gestellt. Gegen einen Bruch spricht auch die Tatsache, dass das todbringende Anliegen Herodias’ bereits in V.17 voll präsent ist (... MCKGFJUGPCWXVQPGXPHWNCMJ^FKC`+TY^FKCFC). 169 Mit M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 118. 170 Eine überzeugende Feingliederung bietet M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 118f. 171 Mit J. GNILKA, Martyrium Johannes’, 82. So auch DERS., EKK-Mk I, 246f.
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens
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vom markinischen Erzähler als „Anti-Symposium“172 par excellence skizziert wird, steht somit bereits vom ersten Vers (V.21) an unter dem Zeichen des Todes des Johannes (MCK IGPQOGPJLJBOGTCLGWXMCKTQWMVN.).173 Das überschwängliche, den Klientelfürst Herodes Antipas in Pose eines orientalischen Großkönigs174 setzende, an die tanzende Tochter175 ergehende Versprechen in den VV.22f. „bringt den Stein ins Rollen“176, der in V.28 zum Martyrium des Johannes und damit zur Erfüllung der in V.19 referierten Absicht der Herodias führt. Das „royale“ Versprechen manövriert dabei den „König“ in eine „Zwangslage“177, die die durchgängige Peinlichkeit seines Auftretens vollends offensichtlich macht.178 In V.29 kommt die Erzählung zu ihrem Ende, in dem der in V.19 notierte Tötungsplan der Herodias sein Ziel erreicht. Lediglich die Notiz vom Begräbnis des Täufers durch seine Jünger wirft ein karges Licht des Trostes auf die durch äußerste Finsternis geprägte Erzählung.179
172
Vgl. zu diesem Begriff P.B. SMIT, Neutestamentliche Geburtstagsfeier, 44. Mit P.B. SMIT, Neutestamentliche Geburtstagsfeier, 32f. Zur Negativkonnotierung von Geburtstagsfeiern im Judentum vgl. z.B. W. GEERLINGS, Art. Geburtstag. In: RGG4 III (2000), 532; A. STUIBER, Art. Geburtstag. In: RAC IX (1976), 224f. 174 Mit J. GNILKA, Martyrium Johannes’, 88. 175 Die Bezeichnung der Tanzenden als MQTCUKQP (V.22) macht ihre Identifizierung mit der bei Josephus erwähnten Salome (vgl. Ant XVIII 136f.) unwahrscheinlich. Vgl. dazu W. SCHENK, Gefangenschaft und Tod des Täufers, 466. Salome war aus der Ehe der Herodias mit Herodes II. hervorgegangen und wurde bereits zu Beginn des Jh. geboren. Da die zweite Ehe der Herodias mit Philippus kinderlos blieb, muss die Tanzende aus der Ehe der Herodias mit Antipas hervorgegangen sein. Vgl. dazu auch M. VOGEL, Herodes, 302 mit Anm. 141. Diese Konstellation steigert die Negativität in der Darstellung des Antipas, insofern der „König“ als Voyeur seiner eigenen Tochter erscheint. Mit P.B. SMIT, Neutestamentliche Geburtstagsfeier, 36 Anm. 36. 176 Mit J. GNILKA, Martyrium Johannes’, 82. 177 Mit P.B. SMIT, Neutestamentliche Geburtstagsfeier, 38. Vgl. auch M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 117; M. VOGEL, Herodes, 302. 178 Während V.22d (GK RGP QB DCUKNGWL VY^ MQTCUKY^) durch die exklusive Angabe des Titels des Herodes (König) noch die Machtfülle gegenüber der als MQTCUKQP bezeichneten Tänzerin anzeigt, kommt es in den nachfolgenden Versen durch das verhängnisvolle Versprechen des Herodes gerade zu einer Umkehrung der Machtverhältnisse, insofern es letztlich Herodias ist, die das Heft des Handelns an sich reißt. Ähnlich auch M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 110. Schärfer M. V OGEL, Herodes, 302: „Durch sein voreiliges Versprechen wurde er zur Marionette der Herodias.“ In diese Richtung deutet auch M. EBNER, Etablierung einer „anderen“ Tafelrunde, 31: „Wenn Herodes in der Aktion des ‚Herrschenden‘ den Scharfrichter ‚aussendet‘ (CXRQUVGNNGKP), erscheint ‚der König‘ als Gefangener seines eigenen Systems, gebunden an seinen Eid und der List seiner Frau ausgeliefert.“ Zur durchgängigen, negativen Skizzierung des Herodes Antipas in 6, 21–29 vgl. die Ausführungen bei P.B. SMIT, Neutestamentliche Geburtstagsfeier, passim. 179 Ähnlich auch K. BACKHAUS, Jüngerkreise, 167 Anm. 331 (dort weitere Literaturangaben). 173
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
Eine – über diese Grundorientierung zum Textaufbau hinausgehende – exakte Einzelversanalyse von Mk 6,17–29 ist im Zusammenhang unserer Fragestellung nicht notwendig. Der Fokus kann im Folgenden auf der Vorläuferschaft des Täufers im Hinblick auf das Leiden Jesu liegen. Mk 6,17–29 reiht sich nahtlos in die markinischen Johannes-Texte ein, die das Leidens- und Todesgeschick des Vorläufers Jesu betonen (vgl. ferner 1,14f.; 9,13). Der Text ist – durch die weitgehend redaktionell geprägte Einführungsperikope 6,14–16 vorbereitet – letztlich christologisch ausgerichtet, indem er das Augenmerk auf Passion und Begräbnis Jesu richtet, das durch Leiden und Begräbnis des Vorläufers Johannes präludiert wird. Der Evangelist erreicht dies durch eine durchgehende redaktionelle Bearbeitung der ihm vorliegenden Überlieferung, mit der er die Parallelität des Leidens Johannes’ und Jesu unterstreicht. Auch das Thema der Auferstehung wird durch V.16c deutlich eingespielt. Wenn Mk 1,14 die „Paradosis“ des Täufers notiert (OGVC FG VQ RCTCFQSJPCK VQP 8,YCPPJP MVN.), dann wird mit dieser Notiz zugleich die Reihe der Parallelisierungen Johannes’ und Jesu mit Blick auf das Leiden eröffnet, insofern mit dem Lexem RCTCFKFQPCK ein Terminus technicus der jesuanischen Passionsgeschichte erstmalig gebraucht wird.180 Auch das für die Texteinheit 9,11–13 aufgezeigte Bestreben der markinischen Redaktion, Auftreten und Leiden des Johannes/Elias redivivus und des Menschensohnes miteinander zu parallelisieren, ist auch im Hinblick auf 6,17– 29 geltend zu machen. Das in letzter Perikope erzählte Todesschicksal des CXPJT FKMCKQL MCK C=IKQL (6,20) verweist auf das Schicksal des WKBQL QB CXICRJVQL (9,7; vgl. auch 12,6). Um die Leidensparallelisierung Johannes/Jesus zu verdeutlichen, bedient sich der Mk-Evangelist unterschiedlicher sprachlicher und motivischer Mittel181, die durch einekonsequente redaktionelle Bearbeitung der ihm vorliegenden Überlieferung des Martyriums Johannes’ eingespielt werden.182 Im Folgenden sollen die wesentlichen Motive in einem Über180
Mit U.B. MÜLLER, Johannes der Täufer, 114. Vgl. zur im Folgenden vorgelegten Parallelisierung Johannes’ und Jesu im Hinblick auf das Leiden auch die Ausführungen bei K. BACKHAUS, Jüngerkreise, 163f.; J. GNILKA, Martyrium Johannes’, 80f.; F. HERRMANN, Strategien der Todesdarstellung, 335 mit Anm. 14; S. P ELLEGRINI, Elija, 281f.; Chr. W OLFF, Bedeutung Johannes des Täufers, Sp. 859f. Ferner G. SELLIN, Symbolische und esoterische Züge, 86; A. W EIHS, Deutung des Todes Jesu, 476 mit Anm. 64. 182 Gegen die Möglichkeit einer exakten Trennung von Traditions- und Redaktionsanteilen in Mk 6,17–29 spricht sich M. H ARTMANN [Tod Johannes’ des Täufers, 234–238] im Anschluss an P. Dschulnigg aus und betont die „starke Durchformung“ (vgl. a.a.O., 235) mit markinischer Diktion: „Das sprachliche Gewand des Textes zeigt deutlich und durchgängig markinisches Gepräge.“ Vgl. a.a.O., 236. Eine informative Liste von Signa markinisch-redaktioneller Bearbeitung von Mk 6,17–29 führt K. B ACKHAUS [Jüngerkrei181
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens
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blick zusammengestellt werden, mit denen der Mk-Evangelist das Leiden des Johannes mit dem Leiden Jesu parallelisiert: – Zunächst fällt auf, dass es gerade die Lehre des Täufers ist, die ihn zur Inhaftierung und über diese zum Leidenstod führt (vgl. 6,18). Auch im Falle Jesu (vgl. 3,6) ist es die Lehre, die den „Tötungsbeschluss der Gegner provoziert“.183 – Mk 6,17 spricht von MTCVGKP des Täufers durch Herodes. Dieses Verb findet Verwendung zum Ausdruck der Gefangensetzung Jesu in 14,46.184 – Vom FGKP Johannes’ bzw. Jesu handeln 6,17 und 15,1.185 – Wie Johannes (6,19) soll auch Jesus (14,1, vgl. auch 8,31; 9,31; 12,7f.) getötet werden. – Vom HQDGKUSCK Johannes’ durch Herodes bzw. Jesu durch die Hohenpriester und Schriftgelehrten wissen 6,20 bzw. 11,18. – Das Verhalten des Herodes gegenüber Johannes (6,20–29) weist partielle Berührungen mit Pilatus’ Verhalten gegenüber Jesus (15,2–15) auf. In beiden Fällen kommt es zu einem tragischen Ende aufgrund einer verkehrten Rücksichtnahme des jeweiligen Machthabers auf andere. – In beiden Fällen wird eine würdige Bestattung des Hingerichteten durch Anhänger seitens des Machthabers genehmigt und vollzogen (6,29; 15,45). Diese Zusammenstellung indiziert das durchgängige Bestreben der markinischen Redaktion, das Leiden Johannes’ und Jesu in Zusammenschau zu lesen. Dabei erscheint Johannes nicht in der Rolle eines Märtyrers für Christus, sondern – Jesus gleich – als Opfer ungerechter Gewalt.186 Unzweifelhaft ist es Intention des Mk-Evangelisten, im RCTCFQSJPCK des Johannes (1,14) eine „Vorausschattung“ des RCTCFQSJPCK Jesu (3,19; 9,31; 10,33; 14,10f.21.41f.; 15,1.9) zu erkennen, wie K. Backhaus wahrscheinlich gemacht hat.187 Die in Mk 9,11–13 aufgewiesene Parallelisierung des Menschensohnes mit dem Elias redivivus im Hinblick auf das Leiden samt se, 163f.] unter Auswertung der Vorarbeiten von P. DSCHULNIGG [Sprache-RedaktionIntention] an. Als Kennzeichen markinisch-redaktioneller Bearbeitung sind insbesondere die Vorzugsvokabeln und -wendungen anzuführen: MTCVGY (6,17); GNGIGP ICT (6,18); SGNY mit FWPCOCK (6,19); RQNNCals Adverb (6,20); VQ MQTCUKQPals Deminutiv (6,22.28); das partizipiale Epitheton QB DCRVK\YP (6,24);SGNYK=PC (6,25); RGTKNWRQL (6,26). Sodann findet sich zweimalig die markinische Vorzugsvokabel GWXSWL (6,25.27). Vgl. zu der im Folgenden präsentierten Liste einer Parallelisierung des Leidensschicksals Jesu und des Täufers auch W. SCHENK, Gefangenschaft und Tod des Täufers, 469f. 183 Mit M. EBNER, Markusevangelium, 68. 184 Vgl. zur Verwendung von MTCVGKP auch 14,1.44.49. Ferner 12,12. 185 Mit S. P ELLEGRINI, Elija, 271. 186 Mit S. P ELLEGRINI, Elija, 276. 187 Vgl. K. B ACKHAUS, Jüngerkreise, 164. Vgl. auch A. W EIHS, Deutung des Todes Jesu, 132 mit 43 (dort reiche Literaturangaben).
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
impliziter Identifikation des Letzteren mit dem Täufer Johannes hat in 6,17–29 ein auffälliges Pendant. Der makrotextuelle Konnex von 6,17–29 und 9,11–13 bestätigt dem Leser/Hörer, dass der erwartete Elija in Johannes bereits da war, sein Versöhnungswerk aufgrund der Gewaltsamkeit der Menschen nicht vollbringen konnte, in diesem Unvermögen jedoch zum „Wegbahner“ des Leidens- und Todesgeschicks des Menschensohnes wurde. Die „Leidensvorläuferschaft“ des in elijanischen Farben gezeichneten Johannes in Bezug auf das RCTCFQSJPCK (1,14; 15,1.9) wird in 6,17–29 narrativ eingeholt und in 9,11–13 auf diskursivem Wege bestätigt. Nachdem in den soeben vorgelegten Überlegungen die Leidensparallelität des Johannes mit Jesus hervorgehoben worden ist, ist zur Vollständigkeit darauf hinzuweisen, dass trotz aller theologischen Dignität, die der Täufer im MkEv genießt, seine Unterordnung unter Jesus stets gewahrt bleibt. Die „Überlieferungsnotiz“ in Mk 1,14 steht unter dem Vorzeichen der Aussage in 1,8 (GXIY GXDCRVKUCWBOCLW=FCVKCWXVQLFG DCRVKUGKWBOCLGXP RPGWOCVK CBIKY|), durch die „[d]ie christologisch bestimmte Unterordnung des Täufers … vollzogen“ wird.188 Der gesamte markinische Prolog unterstreicht die im markinischen Makrotext durchgängig zu greifende funktionelle Hinordnung des Täufers auf Jesus, die gleichsam ein Charakteristikum des markinischen Johannes-Bildes ist.189 Die in 6,17–29 betonte Vorläuferschaft des Johannes als Leidender wird mittels der angeführten Motiv- und Sprachanklänge durch den Passions- und Kreuzigungsbericht bestätigt und zugleich weit überboten. Dabei ist aber durchgängig von der Identifikation des in 6,17–29 leidend dargestellten Johannes mit Elija auszugehen. Treffend formuliert dazu M. Hartmann: „Diese [scil. die Identifizierung des Täufers mit Elija] ist auch in Mk 6,17–29 auf der Ebene des Makrotextes implizit vorausgesetzt. Hinsichtlich der Funktion von Mk 6,17–29 im Markusevangelium läßt sich feststellen, dass Johannes (Elia redivivus) durch den Text auch in seinem Leidensund Todesgeschick als derjenige gezeigt werden soll, der Jesus vorangeht.“190 Da ich es mit H. Stegemann für überaus wahrscheinlich halte, dass es die Intention der in einer auffälligen Breite erzählten Perikope vom Leiden des Johannes ist, den im MkEv mit Elija identifizierten Johannes „bei seinem Abscheiden sogleich wieder in seine himmlische ‚Elija‘-Position zurück“kehren zu lassen191, aus der er nach markinischem Verständnis mit Mose auf dem Verklärungsberg erscheint, ist es Absicht der Erwähnung des Elija/Johannes im Zusammenhang der Transfiguratio, diesen durch Je188
Mit U.B. MÜLLER, Johannes der Täufer, 119. Ähnlich auch M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 90. 190 Vgl. M. HARTMANN, Tod Johannes’ des Täufers, 245. 191 Mit H. STEGEMANN, Bedeutung des Täufers, 104. 189
3. Eigener Vorschlag: Elija als Topos des Leidens
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sus als überboten darzustellen. Auf die Elija und Mose überbietende Tendenz von Mk 9,4f. und der Himmelsstimme in 9,7 ist in der Einzelversanalyse hingewiesen worden. Die im markinischen Prolog angedeutete und in 6,17–29 vorausgesetzte Überbietung des Täufers durch Jesus wird in der Verklärungsperikope narrativ ausgesprochen.
4. Ertrag: Johannes-Elija-Identifikation/ Elija als Topos des Leidens Der in dieser Studie in die exegetische Diskussion eingebrachte Vorschlag nahm seinen Ausgangspunkt in den in den Unterpunkten 1 bis 2.4 des zweiten Kapitels aufgewiesenen Schwächen der gängigen Erklärungsversuche der Frage, wie die auffallende, aus „Elija mit Mose“ bestehende Figurenkonstellation in Mk 9,4f. zu erklären sei. Weder die „traditionelle“ Einschätzung, wonach Elija und Mose symbolisch für „Gesetz und Propheten“ stehen, noch ihre eschatologische Deutung in Mk 9,4f. („Elija und Mose als endzeitliche Propheten“), noch ihr Verständnis als „himmlische Gerechte“ konnten sich als exegetisch tragfähig erweisen. Ebenso konnte kein Versuch, ihr gemeinsames Auftreten mittels einiger Gemeinsamkeiten der jeweiligen biblischen Berichte zu erklären, wirklich überzeugen. Das Gleiche gilt für die Interpretationsversuche, wonach Elija und Mose die gleiche Funktion in der Transfigurationsnarratio zu erfüllen haben. Durch nichts wird angezeigt, dass beide nicht auch eine unterschiedliche theologische, genauer christologische Botschaft transportieren können. Auch an den von A. Standhartinger vorgelegten Interpretationsvorschlag, das Erscheinen beider in Mk 9,4f. mittels der Rezeption der Mose- und Elijastoffe im hellenistischen Judentum zu erklären, waren Anfragen zu stellen. Als besonders textfern erwies sich der Versuch von S.S. Lee, Mk 9,4f. „linear“ auf der Ebene von Mk 8,38 zu lesen und Elija und Mose als „the angelic beings who accompany Jesus the Son of Man“ zu verstehen. Der in dieser Studie favorisierte Interpretationsansatz geht zunächst von einer indirekten christologischen Botschaft aus, die das Auftreten der Himmelsbewohner „transportiert“, die ihrerseits in Mk 9,7 theo-logisch ratifiziert wird. Mein Interpretationsansatz geht ferner von der Beobachtung der vergleichsweise großen narrativen Breite aus, mit der das Auftreten der Himmlischen in Mk 9,4–6 beschrieben wird, sowie vom offenkundig immensen Interesse, das der zweite Evangelist an der Figur des Elija an den Tag legt. Dabei fällt auf, dass das markinische Interesse an Elija zwar über den Makrotext verteilt ist, dass es aber im kontextuellen Umfeld der Verklärungsperikope (8,28 und 9,11–13) stark forciert wird. Von besonderer Wichtigkeit für die Deutung des Elija in 9,4f. ist m.E. das redak-
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4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
tionell angeschlossene Bergabstiegsgespräch in 9,9–13, bei dem das Auftreten des Elias redivivus seitens der Jünger thematisiert wird. Die redaktionelle Herkunft dieses Bergabstiegsgesprächs in Verbindung mit der Beobachtung, dass der Thesbiter die durch die an Ex 24/34 orientierte Sinai-/ Mosetypologie der Verklärungsperikope empfindlich stört, lässt die Vermutung als legitim erscheinen, dass Elija in Mk 9,4f. nicht zum Kernbestand der ursprünglichen Verklärungsüberlieferung gehörte, sondern markinisch-redaktioneller Tätigkeit geschuldet ist. Im vorliegenden Endtext ist es daher auch Elija, der die Texteinheiten 9,2–8 und 9,9–13 miteinander verbindet, insofern seine Erwähnung die Textpassage 9,2–13 durchzieht und zu einer in sich stimmigen Erzähleinheit integriert. Dabei ist es aber nicht die Tradition des Elias redivivus, die in dieser Textpassage eingespielt wird, sondern der im MkEv offensichtliche Konnex „Elija – Leiden“, der auch in 9,11–13 das zentrale Verkündigungsanliegen darstellt. Spitzenstellen des angesprochenen Konnex „Elija – Leiden“ sind die in einer markanten makrotextuellen Verbindung stehenden Passagen 9,11–13 und 6,17–29. Während in der ersten eine implizite Elija-JohannesIdentifikation vorgenommen wird (V.13), schildert die zweite den Leidenstod des im MkEv in elijanischen Farben skizzierten Täufers Johannes. Dabei konnte wahrscheinlich gemacht werden, dass die Verbindung dieser Perikopen durch die Aussage MCK GXRQKJUCPCWXVY^ Q=UCJSGNQP in 9,13c gewährleistet wird. Der in 9,11–13 vorliegende Diskurs über die heilsgeschichtliche Funktion des Elija nimmt seinen Ausgangspunkt in der eschatologischen Tradition des Elias redivivus (V.11), die als solche von Jesus zwar explizit bestätigt (V.12a.b), gleichwohl – in kontextuell überraschender Weise – mittels des Topos „leidender Elija“ bereichert wird (V.13). Hierin liegen die theologische Innovation des Textes sowie der Schwerpunkt der Aussage. Die Leidensthematik wird in den Teilversen 12c.d in Form einer Frage angeschlagen, wobei die „Härte“, mit der das neue Leidensthema (12c–13d) an die traditionellen eschatologischen Ausführungen (11a–12b) angeschlossen wird, auf das besondere Interesse des Evangelisten schließen lässt. Das theologische Interesse des Mk-Evangelisten liegt genauer darin, beide als notwendig vorgestellten Ereignisse – das Kommen des Elias redivivus und das Leiden des Menschensohnes – miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Die Lösung der Problematik wird in V.13 geboten, in dem gerade die Leidensthematik als das verbindende Glied zwischen Elija und Menschensohn interpretiert wird: Sowohl das Kommen des Elias redivivus als auch das Auftreten des Menschensohnes werden mittels des markinischen Präferenztopos „Leiden“ erfasst, wobei das MCK in V.13b (Q=VK MCK 8+NKCL GXNJNWSGP …) den Konnex gewährleistet: Elija-Johannes verbindet mit dem Menschensohn sowohl das „Gekommen-Sein“ als auch das
4. Ertrag: Elija-Johannes-Identifaktion/Elija als Topos des Leidens
439
„Leiden“! Vers 13 bietet somit die Lösung des in V.11 angesprochenen Problems: Elija und Menschensohn haben gemeinsam, dass sie kommen und leiden müssen. Dabei kommt es aber zu einer fundamentalen Veränderung der Elija-Erwartung der Jünger durch die in V.13c ausgesprochene Information, dass Elija nicht mehr kommen wird, sondern bereits in Johannes da war. Vom Elija/Johannes heißt es in V.13c: MCK GXRQKJUCPCWXVY^ Q=UC JSGNQP. In V.13 steht von daher nicht mehr der heilvoll wirkende eschatologische Elija im Vordergrund des Interesses, sondern das in Parallelität zum Menschensohn stehende Leiden des in Johannes erschienenen Elija. Der intratextuelle Bezugspunkt der Aussage Jesu MCK GXRQKJUCP CWXVY^ Q=UCJSGNQP in 9,13c, mit der das Leiden des Elija/Johannes mit dem Leiden Jesu parallelisiert wird, ist die das Todesgeschick Johannes’ erzählende Perikope 6,17–29. Die Perikope „Passio Ioannis“ spricht von der Vorläuferschaft des Täufers hinsichtlich des Leidens Jesu. Dieser Text reiht sich in die Folge der Perikopen ein, die die Rolle des Johannes als Vorläufer Jesu im Hinblick auf das Leiden betonen (1,14f.; 9,13). Von daher hat der Text letztlich eine christologische Zielsetzung. Zur Unterstreichung der Leidensparallelisierung Johannes/Jesus bedient sich der Mk-Evangelist unterschiedlicher sprachlicher und motivischer Mittel, die er mittels einer starken redaktionellen Bearbeitung der ihm vorliegenden Überlieferung einträgt. Das Bestreben, das Leiden des Johannes mit dem Leiden Jesu in einem parallelen Zusammenhang zu lesen, ist offensichtlich. Das bereits in 1,14 gleichsam rezeptionsleitend eingeführte RCTCFQSJPCK des Johannes schattet das RCTCFQSJPCK Jesu (3,19; 9,31; 10,33; 14,10f.21.41f.; 15,1.9) voraus.192 Davon spricht auch 6,17–29. Der offensichtliche makrotextuelle Konnex von 6,17–29 und 9,11–13 offenbart, dass der von den Jüngern in 9,11 ins Gespräch gebrachte Elias redivivus in der Person des Täufers bereits da war, aufgrund der Gewalttätigkeit der Menschen jedoch sein Versöhnungswerk nur partiell vollbringen konnte. Der Konnex der Erzählfigur „Elija“ mit dem im MkEv zentralen theologischen Topos „Leiden“ ist auch für Mk 9,4f. geltend zu machen. Ich halte es im hohen Maße für wahrscheinlich, dass der Mk-Evangelist die Leidensthematik mittels eines redaktionellen Eingriffs in die Versfolge 4f. eingetragen hat, indem er die fest mit dem Leiden konnotierte Erzählfigur „Elija“ in die Transfigurationsüberlieferung integriert hat. Als Intention dieses redaktionellen Eingriffs des leidensspezifizierten Elija erscheint die Abwehr einer einseitig FQZC-christologischen Rezeption der Verklärungserzählung denkbar. 192 Bekanntlich ist das passivisch gebrauchte Lexem RCTCFQSJPCK im MkEv stets passionstheologisch gebraucht. Vgl. für viele F. HERRMANN, Strategien der Todesdarstellung, 339 Anm. 35.
440
4. Kapitel: Die Funktion des Elija in der Verklärungsperikope
Da nun in Mk 9,11–13, wenn auch keine explizite, so doch eine implizite Elija-Johannes-Identifikation vollzogen wird, wäre es m.E. überraschend, eine solche hinsichtlich von 9,4f. kategorisch ausschließen zu wollen. Dabei wurde mit Ph. Vielhauer auf die hohe Bedeutung der drei Gottes-SohnPrädikationen in Mk 1,11; 9,7 und 15,39 für die markinische Christologie aufmerksam gemacht. Im Umfeld aller drei zentralen Gottes-SohnPrädikationen wird der Täufer, sei es mit seinem Namen Johannes (1,1– 11), sei es in seiner Funktion als Elija (9,4f.11–13; 15,35f.), Jesus als dem Sohn Gottes in besonderer Weise zugeordnet. Dabei fällt besonders auf, dass die mittlere Gottes-Sohn-Prädikation (9,7) durch zwei ElijaThematisierungen (9,4f.; 9,11–13) eingerahmt wird. Da nun im zweiten „elijanischen Rahmen“ (9,11–13) eine indirekte Elija-Johannes-Identifikation vorgenommen wird, wäre es überraschend, wenn eine solche für den ersten „elijanischen Rahmen“ der zentralen Gottes-Sohn-Prädikation in 9,7 in Abrede gestellt werden müsste. Die Annahme einer ElijaJohannes-Identifikation auch in 9,4f. hat zugleich den Vorteil, die überraschend ausführliche Erzählung von der „Passio Ioannis“ in 6,17–29 zu erklären. Narrative Zielsetzung der Perikope vom Leidensgeschick des Täufers Johannes ist es demnach, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass eine Erscheinung des Elija/Johannes auf dem Berg der Verklärung möglich wird, die als solche die Rezeption der Transfigurationsnarratio nachhaltig steuert. Das redaktionell eingefügte Erscheinen des Elija/ Johannes in Mk 9,4f. wehrt einer einseitig herrlichkeitschristologischen Rezeption der vorliegenden Legitimationserzählung und unterstreicht die Unverzichtbarkeit des Leidens für die markinische Christologie. Durch die redaktionelle Einfügung des das Leiden symbolisierenden Elija/Johannes wird zugleich ein markanter Kontrapunkt zur FQZC-christologischen Sättigung der Verklärungsüberlieferung gesetzt, die vom Mk-Evangelisten aus dem Raum des hellenistischen Judenchristentums rezipiert und verschriftlicht worden ist.
5. Kapitel
Ergebnissicherung und Thesen zur markinischen Verklärungsperikope Zum Abschluss der vorgelegten Studie zur markinischen Verklärungsperikope als einer christologischen Legitimationserzählung sollen die in ihr enthaltenen Thesen kurz zusammenfassend dargestellt werden. Dabei soll es nicht darum gehen, den jeweiligen Argumentationsweg und die daraus resultierenden exegetischen Beobachtungen und Konklusionen noch einmal en détail zu rekapitulieren. Hierzu ist auf das jeweilige Fazit im Anschluss an die Kapitel 2–4 zu verweisen.1 Gleichwohl soll der Beitrag, den diese Studie im Hinblick auf die Exegese der markinischen Verklärungsperikope im Besonderen und hinsichtlich der markinischen Theologie im Allgemeinen geleistet hat, gebündelt dargestellt werden. Mk 9,2–8 ist eine christologische Legitimationserzählung mit Hoffnungspotential In Mk 9,2–8 liegt eine christologische Lehr- und Legitimationserzählung vor, die Christologie im Modus der Erzählung präsentiert und dazu motivund theologiegeschichtlich die Mose-/Sinaitypologie christologisch fruchtbar macht. Als solche ist sie – ohne eine zurückdatierte Ostergeschichte zu sein – nur nachösterlich möglich. Sie verfolgt die paränetische Intention, beim Rezipienten angesichts diverser Aversionserfahrungen seitens der jüdischen und paganen Umwelt und angesichts konkurrierender Heilsangebote Hoffnung zu stiften. Unverkennbar ist die Tendenz der Überbietung des Mose und Elija durch Jesus sowie die Betonung der Exklusivität seiner theologischen Dignität. Es liegt eine subtile Polemik gegen eine inkriminierte Fehlmeinung einer theologischen Äquivalenz Jesu mit den genannten Himmelsbewohnern vor. Die Verklärungsperikope als Überlieferungsgut Die Verklärungsperikope lag dem Verfasser des zweiten Evangeliums in wesentlichen Teilen als in mündlicher Form tradierte Überlieferung vor. Diese wurde von ihm erstmalig verschriftlicht und sprachlich wie sachlich 1
Vgl. dazu die Unterpunkte 4. im zweiten-; 6. im dritten- und 4. im vierten Kapitel.
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5. Kapitel: Die markinische Verklärungsperikope
geschickt in den Ablauf seines Evangeliums integriert. Dem Mk-Evangelisten kommt von daher das Verdienst zu, eine narratio sui generis schriftlich versprachlicht und durch die Integration in sein Evangelium biographisiert zu haben. Die Bedeutung von Ex 24 und 34 LXX für das Verständnis von Mk 9,2–8 Die markinische Verklärungsperikope bleibt ohne einen Rekurs auf Ex 24/34 LXX unverständlich. Es findet sich in der gesamten antiken Literatur keine andere Tradition, in der die in Mk 9,2–8 verarbeiteten Motive in einer derartigen Dichte begegnen. Trotz der nicht zu bestreitenden Tatsache, dass die Motive bisweilen in einer markanten Abwandlung vorliegen, ist an der theologiegeschichtlichen Abhängigkeit von Mk 9,2–8 von Ex 24/34 unbedingt festzuhalten. Der kumulative Effekt ist entscheidend. Die verarbeiteten Sinai-/Mosemotive sind im Hinblick auf die christologische Aussageintention assoziiert und verfugt, wobei das aufseiten des biblisch geschulten Rezipienten vorhandene „Gefühl der Andersheit“ gegenüber Ex 24/34 eine gründliche Lektüre herausfordert. Die textlichen Interferenzen von Ex 24/34 und Mk 9,2–8 sind durchgängig nicht repetitiv, sondern innovativ. Die Verklärungsperikope vor jüdisch-hellenistischem Hintergrund Die Verklärungsperikope zeigt eine flächendeckende Sättigung mit ins Judentum weisenden Erzählmotiven. Eine überlieferungskritische Separierung des Verwandlungsmotivs (Mk 9,2c.3) ist weder notwendig noch sachgerecht. Die Annahme eines Konglomerates jüdischer und paganhellenistischer Erzählmotive ist unglaubwürdig. Die Verklärungsperikope ist im Verbund mit dem eigentlichen Verwandlungsmotiv stimmig vor jüdisch-hellenistischem Hintergrund interpretierbar. Während tatsächliche Verwandlungen im Raume des AT selten sind, lassen sich solche im jüdisch-hellenistischen Bereich vermehrt greifen. Die Spur verweist auf die Konzeption des prophetischen GXPSQWUKCUOQL (vgl. z.B. VitMos I 57; II 69f.; 272.280; Virt 217) bei Philo von Alexandrien, wo die innere „Verwandlung“ äußerlich sichtbare Folgen zeitigt. Bei Philo begegnet in dieser Hinsicht das extrem seltene und in der LXX ein Desiderat bildende Verb OGVCOQTHQWUSCK Der jüdisch-hellenistische Hintergrund von Mk 9,2–8 Die markinische Verklärungsperikope weist theologiegeschichtlich auf die Lektüretradition von Ex 24/34 im hellenistischen Judentum, für das Philo von Alexandrien der prominenteste Zeuge ist. In der philonischen Lesart von Ex 24 (vgl. Quaest in Ex II 27–49, bes. 29) und Ex 34 (vgl. VitMos II
Ergebnissicherung und Thesen
443
66–76) verdichten sich die Berührungen mit Mk 9,2–8 in auffälliger Weise. Beide Texte sprechen von einer „Verwandlung ins Göttliche“, die mit einer gewaltigen Außenwirkung verbunden und keinesfalls auf das Motiv des leuchtenden Gesichtes beschränkt ist. Die Gottesnähe Jesu bzw. des das prophetische Bewusstsein symbolisierenden Mose wird als unüberbietbar dargestellt. Hinter beiden Texten steht das Logos-Modell, das in Mk 9,2–8 in besonderer Weise auf die historische Person Jesu konzentriert wird. Im Bereich des hellenistischen Judenchristentums ist die Entstehung der markinischen Verklärungsperikope zu vermuten, die von Markus als feststehende, mündliche Überlieferung rezipiert, sodann erstmals verschriftlicht und biographisiert wurde. Das markinische Interesse an Elija Im Makrotext des zweiten Evangeliums findet sich ein auffallendes Interesse an der Erzählfigur „Elija“. Hierzu wurden die Textabschnitte 1,1–11 (elijanische Implikationen und Johannes-Elija-Annäherung); 9,11–13 (Elija im Bergabstiegsgespräch) und 15,33–39 (Elija in der Sterbeszene Jesu) näher untersucht. Dabei konnte wahrscheinlich gemacht werden, dass das markinische Interesse an Elija im Zusammenhang des markinischen Präferenztopos „Leiden“ kommuniziert wird. So ist die Textsequenz 8,27–9,13 stark passionstheologisch geprägt und weist eine auffallend häufige Erwähnung des Thesbiters auf (Mk 8,28; 9,4f.; 9,11–13). Zu einer „Verdichtung“ des Zusammenhangs von Elija und Leiden kommt es in 9,11–13, sodann auch in 15,33–39. In 9,11–13 liegt das herausragende Interesse der markinischen Redaktion in der Leidensdimension des in Johannes wirkenden Elija, wobei in 9,13 gerade die Leidensthematik als das verbindende Glied zwischen Elija/Johannes und dem Menschensohn interpretiert wird. Beide Perikopen (9,11–13; 15,33–39) ragen dadurch hervor, dass in ihrem mikrokontextuellen Umfeld sowohl ein kosmisches UJOGKQP (Mk 9,7: Wolke und Wolkenstimme; 15,33: Dunkelheit; 15,38: Zerreißen des Tempelvorhangs) platziert wird, in denen sich die Himmelswelt manifestiert, als auch eine Gottes-Sohn-Prädikation präsentiert wird. Die GottesSohn-Prädikation in Mk 9,7 ist von zwei Thematisierungen des Elija eingerahmt. Während in 9,11–13 eine – wenn nicht explizite – so doch hinreichend deutliche Elija-Johannes-Annäherung vollzogen wird, bleibt die Nennung des Elija unspezifiziert. Die markinisch-redaktionelle Eintragung des Elija in Mk 9,4f. Die von Markus rezipierte Verklärungsüberlieferung sprach exklusiv von der Erscheinung des Mose. Das Auftreten des Elija ist dem markinischen Interesse an Elija geschuldet. Dieses Interesse liegt der in Mk 9,4f. vorlie-
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5. Kapitel: Die markinische Verklärungsperikope
genden chiastischen Textstruktur zugrunde, wonach Elija eine betonte Außenstellung, Jesus hingegen eine betonte zentrale Stellung genießt: V.4: 8+NKCL – /YW"UJL – 8,JUQWL
V.5: 8,JUQWL – /YW"UJL – 8+NKCL
Von einer theologischen Abwertung der Erzählfigur des Mose kann gleichwohl keine Rede sein, insofern die an Ex 24 und 34 orientierten Erzählzüge gleichsam die Folie darstellen, auf der die in Mk 9,2–8 vorliegende christologische Legitimationserzählung kommuniziert wird. Die in Mk 9,2–8 zu greifende Sinai-/Mosetypologie bedingt die Unverzichtbarkeit der Erzählfigur des Mose, der als solcher mit hoher Wahrscheinlichkeit integraler Bestandteil der rezipierten Tradition war. Als theologische Intention zur redaktionellen Eintragung des Elija in Mk 9,4f. wurden die Eintragung der Leidensthematik in die Verklärungsperikope und die Abwehr ihrer einseitig FQZC-christologischen Interpretation wahrscheinlich gemacht. Die Elija-Johannes-„Identifizierung“ in Mk 9,4f. Da in Mk 9,11–13 eine implizite Elija-Johannes-Identifikation vorgenommen wird, ist eine solche Identifizierung auch in 9,4f. anzunehmen. In beiden Fällen handelt es sich um eine implizite Identifikation. Den hermeneutischen Schlüssel zur Identifikation des auf dem Verklärungsberg erscheinenden Elija mit Johannes stellt der Teilvers 13c MCK GXRQKJUCPCWXVY^ Q=UCJSGNQP dar, mit dem auf das Martyrium des Johannes verwiesen wird. Die auffallende narrative Breite in der Schilderung des Martyriums des Johannes (6,17–29) hat die Funktion, den Täufer Johannes in seine himmlische Elija-Position zurückkehren zu lassen, aus der heraus seine Erscheinung auf dem Berg der Verklärung in Mk 9,4f. möglich wird. Die Perikope von der Passio Ioannis parallelisiert deutlich das Leiden des Johannes mit dem Leiden Jesu. Es ist als durchgängiges Bestreben der markinischen Redaktion in 6,17–29 anzusprechen, das Leiden Johannes' und das Leiden Jesu in einer Zusammenschau zu lesen. Auf der Ebene des Makrotextes ist die Identifizierung des Täufers mit Elija auch in Mk 6,17–29 vorausgesetzt. Der in Johannes wirkende Elia redivivus wird als derjenige skizziert, der in seinem Leidens- und Todesgeschick Jesus vorangeht. Als „Vorgänger“ Jesu hinsichtlich des Leidens erscheint Elija/Johannes auf dem Berg der Verklärung mit der theologischen Intention einer passionstheologischen „Korrektur“ einer einseitig herrlichkeitschristologischen Rezeption der Verklärungsperikope.
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Stellenregister Dieses Verzeichnis berücksichtigt nicht die Textstelle Mk 9,2–13, die Untersuchungsgegenstand dieser exegetischen Studie ist. Hierfür sei insbesondere auf die Einzelversanalyse im 2. Kapitel der Arbeit verwiesen. Hinweise auf Kolometrie (K.), Übersetzung (Ü.) sowie die Gliederung (G.) von Mk 9,2–13 werden an entsprechender Stelle gegeben.
I. Altes Testament Gen 1 1,27 LXX 2,2 LXX 2,2 2,4–28,9 LXX 2,4–28,9 2,12 LXX 2,12 2,16 LXX 2,16 2,24 LXX 4,15 12 12,1–5 12,1–9 12,7 13,5 13,14–18 15,1–6 15,6 17,1 18 18,1 22 22,1–9 LXX 22,2 LXX 22,2 22,12 LXX 22,12 22,14
31 252 73 72 366 339 73 72 73 72 252 87 341 341 343 169 289 343 343 344 169 156 169 40, 72, 232, 235 134 72, 135, 228 230, 277 40, 72, 233, 237 72, 228, 277 40, 230, 233, 237 169
22,16 LXX 22,16 32,1f. 33,17 37,9 42,8
72, 228, 277 40, 230, 233, 237 231 289 385 385
Ex 2,11f. 2,15–22 2,21 3,2 3,16 4,10–12 LXX 4,10 LXX 6,3 12,2–23 12,12–23 13,6 13,16 13,21f. 14,20–25 14,20 14,22f. 14,26f. 16 16,10 17,9f. 18,21 18,26 19–34 19f.
388 353 388 160, 169 169 314 314 169 339, 366 332 118 288 224 224 67 37 37 32 67, 224, 288 289 37 37 135, 290 159
482 19,1 19,3 19,9 19,11 19,12 19,16 20,12 20,19 20,21 20,25–28,34 21,1 21,17 23,20 23,21 23,30 24/34 LXX 24/34
24,1–18 LXX 24,1 LXX 24,1 24,1f. 24,2 LXX 24,2 24,9–18 24,9 24,9f. 24,10 LXX 24,11 24,12f. LXX 24,15–18 24,15 LXX 24,15 24,15f. 24,16 LXX 24,16 24,18 LXX 24,18 24,9 24,9 LXX 24
Stellenregister 384 134, 290 67, 224 137 290 224 38 384 67, 224 332, 339, 366, 369 159 38 123, 264 264 175 33, 286, 299, 339, 413, 442 4, 11, 17, 28–39f., 116, 124, 135f., 138, 202, 213, 215, 261, 267, 272, 274, 280f., 285f., 290, 293–326, 334f., 382, 396–398, 404, 411, 414, 438, 442–444 299 295 34, 289, 295 159, 294 296, 372f. 273, 323, 359, 362, 378 121, 294 34, 272f. 134 296 359 295 288 295 290 67, 291 291, 294–298 34, 288, 291, 291, 296 294f. 67, 290f. 289 295 120, 122, 135, 215, 222, 225, 271f., 280, 297, 332f., 359, 365, 367f., 392
24,1 24,12 24,13 24,15 24,15–18 24,16
134, 272 159 134 224 215 116–118, 134, 137, 215, 222, 224 24,16f. 115, 271 24,18 224 25 384 29 339, 369 31,18–33,6 385 33,7–11 289 33,11 325 33,18–23 325 33,21 LXX 339 33,22 409 34 LXX 297 34 153, 294, 321, 323, 333, 339, 365, 403 34,5 67, 224, 291 34,29–30 351 34,29–34 133, 325 34,29–35 LXX 299, 307, 314f., 320, 323, 325, 349, 350f., 354f., 392–395 34,29–35 153, 294, 313f., 318, 326, 351, 361f., 384– 387, 392 34,29 LXX 296f. 34,29 293, 295, 297, 351 34,29f. 50 34,30 LXX 362 34,30 296, 351 34,30a LXX 385 34,30a 315, 322, 351 34,30b 322f., 351f., 285 34,33–35 LXX 355 34,35 LXX 29, 165–167, 264, 274, 290, 295, 409 34,35 14, 32, 169, 260, 351 34,35a 351 40,34–38 34, 67, 224, 291 40,34 222 40,34f. 222, 227, 291, 296 40,35 31, 222, 224, 291 Lev 9,23 9,23f.
169 409
483
Stellenregister 16,2 19,18 20,9 23,3 23,27 23,34 23,40
224 253 38 251 42 42, 289 201
18,14 18,15–18 LXX 18,15–18 18,15 LXX
Num 7,89 LXX 9,15 9,18 LXX 9,18 9,22 11,25 12,6–8 13,14 14,14 17,7 20,12 24,5 27,12 27,17
291 289 222 227, 291 222, 227, 291 224 325, 406 37 224 224, 227, 291 388 289 388 37
18,15
Dtn 1,33 4,12 4,23 5,1–5 5,16 5,19 5,23–26 5,24 6,4 6,4f. 8,2–4 11,29 12,2–16,17 12,2 LXX 16,8 16,13 16,16 16,18–20 17,14–20 18,1–8 18,5 LXX 18,9–11 18,9–22 18,10f. 18,12
224 292 292 159 38 224 292 384 244 253 32 289 262 134 118, 228 289 289 262 262 262 210 262 262 262 262
18,18 LXX 18,18 18,19 21,23 24,1 27,12f. 29,3 31,15 31,10 31,14f. 31,15 32,49 34,5 34,5f. 34,6 LXX 34,6 34,10
262 135, 273, 398, 409 262f., 402, 408 13, 26, 30, 32, 54, 64, 70, 73, 80, 127, 160, 171, 216f., 219, 241, 244, 247, 250, 256, 259–265, 290, 292– 294, 296, 298, 325, 328 37, 124, 165, 172, 228, 262–264, 277, 283, 325, 406 298 37, 264, 402 263 206 252 289 318 224, 227 289 289 291 388 389, 402f. 382, 387–390 403 414 406
Jos allgemein 5 5,13 6,3 6,4f. 6,14 8,33 14,f. 16,5 49
330, 337 32 231 289 118 289 289 118 385 221
Ri 5,4f. 5,20 6,5 6,12 8,18 13,3 13,15f.
224 231 289 160, 169 301 160 192
484
Stellenregister
13,21
160
2 Sam 10,4f. LXX 10,11f.
237 92
1 Kön 8,10f. 8,11 8,65 18,42 19 19,7–8 19,9 19,11f. 19,13 19,19 22,19
34 227, 288 289 289 178, 418, 425 410 409 410 174, 409 174 231
2 Kön 2 2,1–18 2,8 2,11 2,13f. 5,8–14 6,17 7,10
178 401f., 408 174 226 174 174 231 289
1 Chr 1 Chr 16,39
289
2 Chr 5,14 7,8 8,13 20,20
227 289 289 92
Esra 3,4
289
Neh 8,14–17 8,17
289 201
Tob 12,22 1 Makk 2,58 9,8
160 408 92
9,10 9,44 9,46 10,21 13,3–6
92 92 92 289 92
2 Makk 2,10 3,26 10,6 11,8
409 288 289 288
Ijob 4,16 30,21 35,5 38,1
301 281 223 215, 224
Ps 2,7 LXX 2,7 18,10f. 18,12 21 LXX 21,2 LXX 22 22,2 23,7–10 LXX 36,10 37,12 LXX 49,8 56,6 LXX 62,3 LXX 68,22 LXX 77,18 77,18f. 78,14 90,4 LXX 91,4 96,6 LXX 99,7 103,31 LXX 104,1f. 105,39 107,6 LXX 107,23–31 109,1f. LXX 112,4 LXX 117,22 LXX
69, 71, 293 41, 68, 70–73, 228, 232f., 238, 276 223 224 132, 184, 187 186f. 184 187 103 288 182 96 103 103 187 224 223 224 221 221 103 224 103 288 224 103 213 231 103 237, 241f.
485
Stellenregister 117,22f. LXX 137,5 LXX
239f. 103
Spr 18,11
221
Weish 3,2 3,7 7,6 18,1
168 288 168 301
Sir 13,25 24,4 44,1–50,26 45,5 LXX 46,1 48,7 LXX 48,8 48,9f. 48,10 51,10
281 224 409f. 409 410 409 410 408 179, 401, 421 231
Jes 2,3 5,1–7 5,1b–7 LXX 11,6–8 13,10 14,13 LXX 24,14 29,22 LXX 40,5 42,1–12 42,1 LXX 42,1 MT 42,1 42,1b 42,1c 44,2 44,5 44,13 45,8 49,6a 57,7 LXX 63,10 63,19 65,25
137 124, 237 237 31 185 134 103 281 103 277 71f., 233 232, 283 71f., 228, 232 234 234 232 87 301 223 179, 401 134 281 72 31
Jer 3,6 LXX 3,8f. 6,1–4 6,26 9,1
134 100 137 230 100
Klgl 3,2
185
Bar 3,29
223
Ez 1,4 1,28 2,1 2,3 3,12 8,4 9,4–6 10,4 17,22 LXX 40,2 LXX 46,1 46,1
224 292 103 292 103 103 87 227 134 134 118 288
Dan 3,19 LXX 3,19 4,16 4,28 4,28f. 7,9 7,28 LXX 8,16 9,3f. 10,2–5 10,6 12,2f. 12,3
281 301 336 292 290 288 281 292 359 359 34 40, 43, 318 43, 288
Hos 2,4 2,20 4,12 11,1 11,3a 11,8b
100 31 100 55 55 281
486
Stellenregister
Am 5,18–20 8,9 8,10
185 60, 185 230
Jona 1,3–16
213
Nah 1,3
223
Sach 12,10 14,16
230 289
Mal 3,1 LXX 3,1 3,22–24 3,22 LXX 3,22 3,22f. LXX 3,22f. 3,23 LXX 3,23 3,23f. 3,24 LXX
401 174f., 426 160, 407 178f., 420 420 181, 401, 408, 420f., 426 402, 420, 423 406 159, 177, 179, 424 174f., 400 408
II. Jüdische Quellen 1. Außerkanonische Schriften a) (Intertestamentaria) 4 Esr 4,13–28 5,13–15 5,13–31 5,20 6,25f. 6,26 6,31–36 6,31 6,35 7,97 9,15–17 9,36 12,2–6 14 14,4–6 5,13–15
292 359 124 359 408 170, 424 124 359 359 34, 43, 288 292 292 292 410 160 359
4 Makk 7,13 9,21f. 13,12 15,24
40 40 233 43
5 Esr 2,11
289
ApkAbr 8,1 8,2 8,3 9 9,1–3 9,4–8 9,8 12,1–5 12,3 12,7 14
292 292 292 136 292 359 289 360 290 137 236
ApkEsr 5,7 5,21f. 7,6
226 167 408
ApkMos 27 43,3
32, 133 289
ApkSedr 2,1–4 2,2 2,4
292 292 292
487
Stellenregister ApkZeph 6,11 8,2–4 9,3f. 9,4 AscJes 7–9 7,25 9,9 AssMos 1,14 1,15 10,12 10,14 11,5–8 11,8 11,16 12,6 9–19
34 166 166 408
40 311 288
160 403 403 403 160 403 407 160 160
äthHen 1,3f. 13,8 14,8 14,20 15,1 18,6–16 18,8 38,4 39,3 39,4–8 39,7 50,1 58,3 62,15f. 71,1 71,11 89,52 90,31 104,2
290 292 225 288 292 137, 290 290 43, 288 226 289 43 43, 288 43 43, 158, 288 288 185, 281 408 170 288
grBar 3,6 5,7 6,14 11,5 11–17
169 225 293 293 166
grHen 1,5 14,20 19,1
34 103 34
JosAs 17,6 18,9
408 40
Jub 1,2 1,2f. 1,5 1,26f. 2,1 4,26 16,16 17f. 23,32
224 291 159 159 159 289f. 289 233 159
LibAnt 1,16 9,8 11–13 11,1 11,1 § 2 11,1 § 4 11,1 § 5 11,1 § 6–13 11,1 § 14 11,1 § 15 11,15 11f. 12,1–10 12,1 12,1a 12,2 13,1 15,6 18,5 19 § 2–5 19 § 6–7 19 § 8–9 19 § 10–13 19 § 13 19 § 14 19 § 15 19 § 16 19,2 19,6
390 384f. 384 384f. 384 384 384 384, 386 384 384 385 31 384–386 40, 314, 382–392 384f. 386 224 385 233 387 387 387 387 387 387 387 387 387 385
488
Stellenregister
19,7 19,8 19,8f. 19,10 19,12 19,12f. 19,16 20,1 20,2 24,6 26,13 26,13 27,10 28,9 32,2–4 33,5 35,6 48,1
388 388, 390 388 388 399 399 40, 382–392, 399 387 390f. 387 386 43, 386 391 43 233 43 407 137, 390, 410, 424
MartJes 5,13
236
PsSal 5,19
103
Sib 2,246–249 3,785–795
408 31
slHen 1,5 3,1 22,8–10 22,8 22,10 61,2f. 66,7
288 225 40, 288, 311 158 43 289 43
syrBar 8,1f. 9,2–10,1 12,5–13 13,1 13,1f. 20,5–21,1 21,2f. 22,1 49,2f. 49–51 51,2–4 51,3 51,5
292 124 124 292 289 359 124 292 43 40, 43, 311, 320f. 43 43 43, 288
51,7 51,9–12 51,10 51,12 51,14f. 52,6 59,3f. 73,6
43 43 293 288 43 43 160 31
TestAbr Rez. A 20,14 Rez. A 4 Rez. B 10,1 Rez. B 10,1f. Rez. B 12,1 Rez. B 12,9 Rez. B 15,2 Rez. B 8,1–3 Rez. B 9,8
289 192 225 226 226 226 225 226 225
TestHiob 3,4 32 33,3 33,9 42,3 48–50
133 231 231 231 215 40
TestIsaak 6,1
167
TestIss 2,1
169
TestLev 2,5 2,5f. 3,4 8,2 18,3f.
134, 137, 290 290 103 288 288
TestNaph 1,1 5,1 8,4 8,6
168 136 31f. 32
VitAd 2 25–29 43,1 43–50
32 166 289 289
489
Stellenregister 45,1 49,1 VitProph 21,2 21,3 21,9 21,12
289 289
288 408 409 409
b) Flavius Josephus Jos Ant I 13 I 95 I 167 I 249 II 138 III 75 III 180 III 286 III 310 IV 189 IV 193 IV 323–326 IV 329f. IV 326 IV 326 VIII 344 VIII 349 VIII 353f. IX 22 XVIII XVIII 259f. XX 216f.
233 159 347 159 138 290 160 160 224 168 160 403 406 225 399, 403 289 410 174 174 136f. 327 288
Jos Bell II 123 II 247 IV 1 V 212–14 V 236
288 138 137 67 288
c) Neutestamentliche Apokryphen EvThom 55 55,2
87 244
d) Philo von Alexandrien Abr allgemein 5 59 60–207 65 85 114 167–177 208–261 258 262–269 262–270 270
330, 337 350 371 345 337 337 358 233 345 327 344 344 358
All II 30 II 58 II 77 III 43 III 95–103 III 101f. III 141f. III 173
221 221 377 339 370, 394 371 359 406
Conf 41 146 146–148
340 340 375f.
Congr 47 51–53 160 170
362 375 358 339
Decal allgemein 44 52 119
330, 336 225 344, 358 358
Flacc 41–96
328
Fug 47 61 108
406 358 340
490 132–137
Stellenregister 233
Gig 60f. 64
375 339
Her 90–95 182 262
344 358 406
Imm 4
233
LegGai 95 120–139 134
280 328 331
Migr 23f. 43f. 84 114 151 174f.
339 344 363 385 339 340
Mut 11f. 144
343 377
Op 9 69–71 (bes. 69) 70f. 71
344 343 363f. 360, 364
Plant 18–27
394
Praem allgemein 27–30 28 40–44 40 46 52–56 53 56
330, 337 344 344 343 343, 380 343 350 344, 349, 350, 358 358
Quaest in Ex I–II I I1 II II 7 II 27–29
II 33 II 37 II 39 II 46 II 52 II 68
366 339, 366 406 339, 366 378 34, 299, 310, 335, 339f., 367–369, 371 442 370, 372 372 297 352 355 11, 299, 323, 330, 334, 353, 359, 362, 365– 382, 442 372–375, 377 373, 375–377 373, 375–377 373f., 377, 379, 381 370, 373f., 377, 379, 381 371 379 359, 371 370 406 380
Quaest in Gn I–IV I 86 III 3 III 10 IV IV 27 IV 47
366 403, 406 327 377 339 406 375
Sacr 8–10 130
403 358, 406
Som I 67 I 102 I 124 I 157 I 216f. I 218
343 221 359 385 324, 335, 364, 394 364
II 27–49 II 27 II 27f. II 27ff. II 29–45 II 29–49 II 29
II 29aa II 29ab II 29ac II 29ba II 29bb
491
Stellenregister II 185f. II 230–234 II 232
340 365 365
SpecLeg I–IV I 298 IV 97 IV 135 IV 136–238 IV 147
330, 337 377 358 358 337 280, 344, 358
Virt allgemein 1–50 51–174 52 53 72–79 77 95 102 175–186 175 181 181a-c 187–210 187–227 211–219 211–227 211 211a–c 211d–f 212–214 212–219 212 213 214 215 215a 215b 216–218 216 216a 216b 216f. 217
217a–d
330 337 337 349 403 403 168 358 337 337 358 344 344 341 337, 341 340–349 341 337 341 340f. 342, 348f. 40, 336f., 341f. 342 342 343 343 343 343f. 354 343f. 344 344f. 345 281, 310, 325, 330, 334–349, 360f., 377f., 381, 442 345
217e–f 217g–j 217g 218 219 220–222 223–225
346 346 347 348, 354 348, 354 337, 341 337, 341
VitCont. 2 11f.
344 360
VitMos I I–II I1 I 1f. I 23 I 51–62 I 57 I 59 I 66–76 I 148–162 I 148 I 152–154 I 155f. I 158–161 I 158 I 166 I 175 I 178 II 2 II 4–7 II 8–65 II 12–65 II 45–47 II 66–70 (K.) II 66–76 II 66–186 II 66 II 67 II 68 II 69–71 II 69 II 69f.
350, 352 330, 337 160, 352 352 343 353 280f., 325, 334, 353, 406, 442 353 364f., 367, 369, 382 354 345, 354 354 354 354 385 225, 362 353 225 354, 406 355 355 159 349 40, 355–358, 11, 299, 327, 330, 335, 347, 349–366, 442f. 355 314, 358 361, 363 359 339, 347, 377, 379 359–362 281, 310, 314, 321, 323, 325, 334, 336f., 340, 349–365, 381, 386, 392–395, 442
492 II 70
II 71 II 74 II 76 II 184f. II 187–287 II 188 II 250 II 254 II 272 II 280 II 288–292 II 288 II 291
Stellenregister 322, 324, 348, 351f., 358, 360, 362, 364, 385, 392f. 363f. 363 364 359 406 159 353 225 281, 334, 353, 442 281, 334, 442 382, 403 334, 353, 361f., 378, 381 361
2. Rabbinische Literatur ARN A 12 S.25 402
JalqSchim I § 776
391
MekhEx 15,2 MemMarq IV128,1–3 MHG Ber S. 132 MidrARN 1,1 MidrDtnR 3,17 MidrPs 21 § 4
185 403 403 359 403 391
P esiq 51a P esiq R 35 (161)
401 401
QohR 9,7 § 1
40, 233
Seder ElijR 18 (97) SifDev § 335 SifDev § 337 SifDev § 357 SifNum § 140 zu 27,20
401 409 409 402f. 322, 391
TargOnqNum 27,20 TgJ I zu Gen 22,4 TgJ I zu Gen 22,4 TPsJ zu Dtn 34,5 TPsJ zu Num 27,15ff.
391 233 40 402 391
bSot 13b
403
DtnR DtnR 3,17 DtnR 11,3
403 391
3. Qumran-Schriften
Erinna in PSI 9 53 1090 JalqMakhiri 24
353 353 353 391
1QS 9,11 4Q 175 4Q 225 Frag. 2 4Q 226,7 4Q 377
263 263 233 233 407
III. Neues Testament Mt 3,17 5,1 5,8 5,17 5,19f. 5,32 7,12 7,21 8,4 10,23f. 10,32f.
70, 233 290 163 406 43 252 406 249 160 100 99
10,38 10,39 12,18 12,41f. 12,41f. 12,50 17,1–8[9] 17,2 17,3 17,10–13 17,11 16,21
87, 244 244 72, 233f. 161 395 249 9, 30f., 202 298–301 398 398 424 123
Stellenregister 16,24 16,27 17,2 17,3 17,4 17,5 17,13 17,23 19,7 20,19 21,33 21,37 21,40 22,24 22,40 23,2f. 23,7 23,8 26,36–46 26,64 27,24 27,46 27,50 28,3 28,7 28,16 22,40 Mk 1,1–3 1,1 – 9,10 1,1–11 1,1–15 1,2–8 1,1
1,2 1,2f. 1,3 1,4–8 1,4 1,5 1,6 1,7f. 1,8 1,9–11
82, 87 99 150 163 198 234, 249 179 123 160 123 242 239 242 160 406 160 197 197 131 163 163 186 185 288 163 120 406
123, 189, 421 417 173–176, 199, 440, 443 11, 127 71, 418 19, 42, 54, 56, 60–62, 64–66, 74, 192, 217, 234, 245, 263, 421 174f., 264, 426 21, 64, 72, 123, 173, 177, 183, 189, 416 175 173, 177, 189, 417, 425f., 431 175, 255, 436 65, 71, 73, 145, 174 274 175 73, 436 15, 39, 41f., 55, 59, 62, 65, 74f., 138, 144f.,
1,9–15 1,9 1,9f. 1,10 1,10f. 1,11
1,11b 1,11c 1,11f. 1,12f. 1,13 1,14 1,14f. 1,15 1,16–20 1,16–28 1,16–8,26 1,16f. 1,17f. 1,17 1,18 1,21 1,22 1,25 1,27 1,32 1,35 1,44 2,1 2,2 2,10 2,14 2,15–3,6 2,15
493 161, 226, 228, 236, 240, 258 173, 235 65, 71, 73, 121, 146, 173, 248 71 55, 65, 67, 126, 135, 144, 146, 236, 248 64, 67f., 72, 209, 221, 241, 291, 394 15, 23f., 42, 53–57, 60f., 64, 66, 70–73, 102, 123, 125, 141, 144, 152, 158, 172f., 183, 192, 220, 228– 230, 232, 234f., 240– 242, 248, 254, 259, 276, 287, 292, 440, 414–416 69, 71 71 41 31, 71, 173 31 171, 179, 182, 416, 431, 435, 439 80, 83, 241, 245f., 248, 434, 439 146, 243, 245f. 80, 83, 125, 129f. 75 68 128 80 20 85 121, 255 50 211 8, 50, 57, 114, 164, 211, 215, 431 121, 272 121, 132 160, 266 121 93 79, 251 85 251 85
494 2,23–28 2,23 2,26 2,27 2,28 3,1–6 3,1 3,5 3,6 3,7 3,13–19 3,13 3,13f. 3,16–19 3,19 3,21–25 3,21f. 3,22–30 3,23 3,34f. 3,35 4,1–9 4,1 4,2 4,3–8 4,3 4,9 4,10–34 4,10 4,11 4,12 4,13–20 4,13 4,15f. 4,18 4,19f. 4,20 4,21 4,23 4,23f. 4,24 4,33 4,34 4,35–41 4,35 4,36 4,38 4,39 4,40
Stellenregister 251, 255 121 397 104, 110 79, 251 251 255 95 435 85, 244 125 134 290 128 436, 439 249 249 249 238 80 80, 249 78 238 104 111 258f. 258f. 78, 178 397 104, 110 258 93 209 258 258 245 258 104, 110 259 258 104, 110 93, 258 128, 136, 273 18, 20, 37, 210–213 121, 272 130, 237 198 211 209, 212
4,41
5,5 5,11 5,19 5,24 5,35 5,37–43 5,37 5,40 6,1 6,2 6,2f. 6,4 6,6b–13 6,10 6,14–16 6,14–29 6,14 6,14f. 6,14a 6,14b 6,14c–e 6,14c 6,14d 6,14e 6,15 6,17–20 6,17–29 6,21–26 6,21–29 6,15 6,15d 6,16 6,16b 6,16c 6,17–29 6,17 6,17f. 6,18 6,19 6,20–29 6,20 6,21–29 6,21 6,22 6,22f.
20, 57f., 58, 68, 75, 114, 161, 210–212, 215, 258 134 134 232 85, 244 198 126, 131 85, 127f., 131, 136, 244, 271f., 272 127f., 130, 272 85, 244 20, 121 57 110 428 104, 110 20, 57, 171, 429, 431f., 434 176, 182, 189, 414, 427 429f. 425 429 429f. 429 429 430 430 170, 175, 191 432 175, 179f., 189 432 175 411, 414f., 430 429 429f. 430 434 415, 425 432, 435 432, 432, 435 432f., 435 435 434f. 429, 433f. 433 433 433
Stellenregister 6,22d 6,27–29 6,28 6,29 6,30–44 6,30 6,31f. 6,32–44 6,34 6,35 6,35f. 6,45–52 6,45–62 6,46 6,47 6,49 6,52 7,1–15 7,1–23 7,3f. 7,4 7,5 7,9–13 7,9 7,10 7,14 7,17–23 7,18 7,33 8,1–9 8,1 8,3 8,11f. 8,12 8,14–21 8,17f. 8,21 8,22–26 8,22ff. 8,27–3 8,27–9,1 8,27–9,13 8,27–10,45 8,27–10,52 8,27–29 8,27–29a 8,27–30 8,27–33
433 432 433 429, 435 37 428 128, 136, 273 429 37 121 243 39 162 132, 134, 290 121, 272 210 209 78 38, 251, 255 251 130 38 38 104, 110 160, 255 259 78 209 128, 136, 273 37 121 190 251 100 178 209 104, 110, 209 77 134 79 12, 50, 79, 117, 125, 170 75, 102, 126, 197, 245, 443 141, 245 58 126 21 57, 77f., 426, 431 78, 80, 193
8,27
8,28
8,28f. 8,29–9,1 8,29 8,30–33 8,30 8,30 8,31–9,1 8,31–33 8,31–38 8,31
8,31f. 8,32 8,32f. 8,33 8,34–9,1 8,34–37 8,34–38 8,34
8,34a 8,34b–35 8,34b 8,34c 8,34d 8,34e 8,34f. 8,34ff. 8,35–37 8,35–38 8,35–9,1 8,35 8,35b 8,35c 8,35d 8,36
495 15, 20, 68, 77, 80, 114, 117, 122f., 126, 129, 138, 267 76f., 170f., 175, 191, 398, 410–412, 414f., 431, 443 426 48 49, 77, 102, 170, 175, 192, 199 194 170 413 198 54, 73, 77–79, 194, 209, 258f., 422 57 27, 77, 79, 83, 86, 98– 103, 115, 149, 170f., 188, 190, 208–210, 235, 237f., 274, 286, 414f., 422f., 435 77, 245, 417 26, 81, 188, 194, 208f. 206, 227 79, 162, 188, 194, 208 48, 57f., 74, 77–83, 108, 241, 271 78, 84–97, 109f. 78–81, 130, 170, 209 48, 77, 79, 81–86, 89– 97, 104–107, 110, 116, 126, 244, 271, 397 78, 81, 84, 117 244 81f., 84–86, 89–96 82, 87, 89–96 82, 87–96 82, 84–96 27 96, 101 83, 92, 95 90, 93 83 82, 90f., 96–103, 110, 244 95f. 85, 99–103 99–103 95f., 99–103, 188
496 8,36a 8,36b 8,36c 8,36f. 8,37 8,38–9,11 8,38–9,13 8,38
Stellenregister
95 95f. 95f. 82f., 87, 94f. 95f., 99–103, 188 24 77 23f., 25, 48, 57, 77f., 81–83, 86, 89, 95f., 96–103 102, 104f., 109, 111, 114, 144, 159, 170, 231f., 244, 256, 259, 271, 404f., 437f. 8,38a 98 8,38b 98–103 8,38d 109 8,38d 99–103 8,39 106 8,41 164 9,1 78, 181 9,2–8 (G.) 52 9,2–13 (K.; Ü.) 46f. 9,7 55, 77, 431 9,9 102 9,12 102 9,14–27 78 9,14–29 50, 133, 257 9,14 48, 50, 76, 78 9,15 50, 133, 299 9,17 198 9,19 100 9,25–27 50 9,28 128, 136, 273 9,28f. 78 9,29 126, 267 9,30–32 171, 274 9,30–37 209 9,30 73 9,31 79, 82, 115, 257, 431, 435, 439 9,31f. 80, 168 9,32 209 9,33 80 9,35–27 126 9,35 78 9,38 85, 198, 244, 257 9,43 199 9,45 199 9,47 199
10 10,1–2 10,2–11 10,2–12 10,3f. 10,6–8 10,6 10,10–12 10,13–16 10,17 10,17–22 10,17–31 10,19 10,20 10,21 10,33 10,35–40 10,38f. 10,41f. 10,45 10,47f. 10,21f. 10,23–25 10,23–27 10,23–31 10,28 10,28–31 10,2–9 10,29 10,29f. 10,32–34 10,32–40 10,32 10,32f. 10,33 10,35 10,38–40 10,38 10,38f. 10,39a 10,39b–40 10,41–45 10,45 10,46–52 10,46 10,46ff. 10,51 10,52
431 251 255 252, 255 160 255 255 78, 252 126 80, 198, 257 78, 80, 245, 252 252–254 255 198, 257 85, 244, 252, 439 431, 439 74 59 439 15 431 90 95 245 78 80, 85, 244 90, 245 78, 251 93 245 115, 171, 274 209 80, 82, 85, 130, 178, 238, 244 236 79, 435 198, 257 235f. 115 236 236 236 78 79, 85, 115, 206, 209, 257, 259 77 80 134 257 80, 85, 244
Stellenregister 10,56 11,1 11,9 11–13 11,15–19 11,18 11,20 11,23 11,25 11,27–12,11 11,27 11,28 11,29–3 11,29–33 12,1–2 12,1–9 12,1–12 12,1 12,1a 12,1b–2 12,1b–11 12,2 12,2f. 12,3–5 12,4b 12,5 12,5b 12,5c 12,6
12,6a 12,6c 12,7f. 12,8 12,9 12,10f. 12,12 12,12a–c 12,12d 12,13f. 12,14 12,15 12,19 12,26 12,28–34 12,28 12,29 12,29f. 12,31
80 134 85, 244 56 237, 253 435 121 134 23, 229 80, 239 236–238, 248 237 236 237 235 124, 237 15, 228, 234–243, 277 239, 242 237 238 240 435 238 238 237 238 238 238 68, 228, 230, 233, 234f., 237f., 241f., 254, 276, 434 238, 240 239 238, 435 239 239, 242 237, 239, 241 252 239 237, 239 237 198 252f. 160, 198, 253 255 252f. 252 244 255 254, 255
12,32 12,32f. 12,34 12,36 12,37b–40 12,41–44 13 13,1 13,2 13,3 13,5f. 13,7 13,9 13,10 13,11f. 13,14 13,24–27 13,24f. 13,26 13,26f. 13,29 13,30–32 13,30 13,31 13,32 13,33–37 14–19 14,4–11 14,1 14,4 14,9 14,10f. 14,12–16 14,12 14,13 14,14 14,17 14,21 14,24 14,26–31 14,26 14,28 14,30 14,32–40 14,32–42 14,33 14,34 14,35–41 14,35a
497 198 252 254 231 254 254 21f., 24–26 198 138 128, 134, 136, 273, 290 25 24 431 24, 94 431 24, 26, 134 22f., 24 22f. 25, 30, 79, 159, 163, 215 97 163 24 24, 100 24, 247 23f., 38, 229 25 50 209 117, 120, 435 186 94 431, 435, 439 81, 255 122 85, 244 198 121, 272 79, 435 257 89, 209 134, 290 247 87, 89, 245 209 131f., 134, 207 127, 130f., 136, 271f. 132 126 133
498 14,36 14,37f. 14,40c 14,40f. 14,41 14,44 14,46 14,49 14,50 14,51 14,51f. 14,54 14,58 14,61–64 14,61f. 14,62 14,65 14,66–72 14,70 14,72 15 15,1 15,2–15 15,5 15,9 15,15 15,16–20a 15,18–20 15,20b–24 15,20b–39 15,21 15,23 15,25–32 15,26 15,27 15,29–32 15,29–37 15,29–39 15,29 15,30 15,32 15,33–39 15,33 15,34–37 15,34–39 15,34 15,35
Stellenregister 23, 132, 207, 229 133 208 133 79, 435 435 435 435 209, 237 85, 244 209 85, 244 138 229 62, 77, 126, 198, 431 30, 79, 129, 163, 215, 231 126 209 121 87, 89 431 121, 431, 435, 439 435 266 439 182 182 126 182 182 87, 245 187 182 186 397 126, 187, 206 186 202 138 206 127, 206, 210, 397 59, 62, 144, 182–186, 207f., 228, 443 60, 182, 184, 208f., 415, 443 171, 415 226, 274 182, 184, 186f. 127, 188, 190f., 209
15,35f. 15,36 15,36f. 15,37 15,38
15,40 15,41 15,42 15,45 16,1–8 16,1 16,2 16,4 16,5 16,6 16,6f. 16,7 16,8 16,8d 16,19 17,1–9 17,3 18 19,2 21 23,50
187, 190, 411, 414, 440 127, 188, 210 188 187 59, 138, 144, 185, 208f., 236, 415, 443 67f. 7,12, 20, 41f., 53–55, 57f., 60, 102, 127, 172f., 182, 208, 229, 241, 276, 291, 414, 416, 431, 440 127, 182 85, 183, 244 121, 272 435 21, 156 122, 182 121f. 182 4, 157, 210, 288 206, 212 21 157, 163, 169, 183, 247 22, 210, 266 157 435 48 147 431 164 431 164
Lk 1,11 1,35 1,35b 1,35c 2,9 2,22 3,6 3,21 3,22 4,36 5,14 5,16 6,12 9,18 9,22
163, 169 222 221 221 103 160 163 138 71 147 160 138 138 138 123
15,38f. 15,39
499
Stellenregister 9,23–27 9,23 9,26 9,28–36 9,28 9,29 9,30 9,31 9,32 9,33 9,33f. 9,34 9,34c 9,34f. 9,35 9,44f. 11,1 11,31f. 12,8f. 12,9 14,26f. 14,27 16,16 16,18 16,29 16,31 17,22 17,33 18,33 20,9 20,13 20,28 21,27 22,39–46 22,43 23,46 23,48 24,7 24,26 24,27 24,34 24,41 24,44–46 24,44 24,46
117 82, 87 99 9, 23f., 48, 163, 202, 219, 406, 413 128f., 131, 138 132, 151, 153, 298f. 147, 406, 413 13, 165, 168, 197, 406, 431 165, 202 198 226 225f. 223 224 262 168 139 161, 395 81, 99f. 97 244 87 406 252 406 406 163 244 123 238 230 160 163 131 163 139, 185 127 123 406 406 169 139 406 406 123
Joh 1,17 1,21 1,25 1,45 3,3 3,26 4,20f. 5,45 7,19 7,22 7,39 8,5 8,54 12,26 12,27f. 12,28 13,31 14,2 16,14 17,1 20,26
160 402 402 406 104 197 290 160 160 160 7 160 7 244 131 7 7 289 7 7 117
Apg 1,9 1,10 2,34 3,20 3,21 3,22 4,11 5,15 6,11 7,2 7,37 7,44 7,55 10,40 12,23 13,15 13,31 13,38 15,21 21,21 22,11 26,16 26,22 28,23
30, 217, 225, 226 288 231 179 179 160, 262, 407 239 221 160 103 160, 407 289 103 124 103 406 169 160 160 160 103 169 406 406
500
Stellenregister
Röm 1,3f. 1,23 3,21 5,12–21 6,4 8,18 8,26 8,29f. 10,5 10,5f. 11,8 12,2 35–39
338 103 406 31 103 311 311 310f. 160 160 318 150, 300, 302, 306 311
1 Kor allgemein 1,7 1,18–24 1,21–25 7,10f. 8,8 10f. 12,24 13,8 13,10 15,4 15,5–8 15,5 15,21f. 15,43 15,45 15,49 15,51–53 15,51f. 15,53f.
308 308 308 24 252 308 224 308 391 391 123 169 169 31 158 31 158, 310f. 158 43, 310f. 310f.
2 Kor allgemein 1,21f. 2,14–4,6 2,14–7,4 2,16b 2,17 3 3,1 3,2f. 3,3 3,4–6 3,4–7
300, 326 87, 318 312, 314 312 314 313 9, 305, 325 313 318 313 313 311
3,4–18 3,5 3,5f. 3,6 3,6a 3,6b 3,7–4,6 3,7–10 3,7–11 3,7–18 3,7
3,7b 3,7f. 3,8 3,9 3,15 3,18 3,10 3,11 3,12–18 3,12 3,12ff. 3,13–16 3,13 3,13f. 3,14b 3,15 3,16 3,17 3,18
4 4,1 4,2–4 4,3f. 4,4 4,6 5,17 5,18 6,14–7,1 11,3 11,3f. 11,4 11,5 11,13f. 11,23 12,11f.
313, 319 314 314 314f. 315 315 300 350 314–316, 325, 350, 392 310–326, 350 311, 313, 315, 322, 350–352, 391f., 352, 385 350f., 391 316 316 316, 350 160 150, 167 316, 319 316f., 350, 391 313, 350 313, 316, 350 308 355 391 319 318 160, 318 318f. 318 150, 167, 299–308, 310–312, 315, 318– 321, 325f., 333–335 313 313 313 319 315 315 150 150 312 308 313 308 308 308 308 308
501
Stellenregister Gal 1,15f. 6,17 Eph 1,13 4,30
Jak 1,2–4 5,17f.
43 409
87 87
1 Petr 2,4 4,13
239 43
Phil 3,7–11 3,20 3,21
315 310f. 303, 311
2 Petr 1,16–18 1,17 1,18
48 259 136
1 Thess 4,13–18 4,17
145 30, 217, 225f.
1 Joh
29
Offb 1,7 1,16 3,4 3,5 4,4 7,9 10,1 11,2 11,3–13 11,3ff. 11,6 11,12 14,14
30 34 158 245 288 158 30, 34, 217 226 181 170, 412 409 30, 225 30
315 87
1 Tim 3,16
169
2 Tim 2,11b–13
245
Hebr 1,13 5,7f. 8,5 9,19 11,23f. 12,20–24 12,21 13,13
231 131 290 160 160 290 160, 200 244
IV. Pagane Literatur und frühchristliche Texte 1 Clem 53,2 2 Clem 3,1f.
290 245
Apollodor II 5,9 155 Apuleius Met. XI XI 16 302, 306 XI 23f. 40, 302 XI 27 303, 306 XI 30 303 Arist 127 169
257 257
Cicero Tusc. II 54 Cyrill Cat. Myst III 3,44f. IV 1,5 XII 16
92 92 92 137
Dio Cassius LVI 46,2
225
Euripides Bacch. 4 Bacch. 53f. 1388f.
155 155, 353 155
502 Eusebius Hist Eccl II 18,1 II 18,5
Stellenregister Philostrat Vita Ap.Ty. VIII 30
225
366
Herm sim VIII 2,3 vis IV 3,5
366
288 288
Hieronymus De viris illustribus XI 3 328 Hippolyt Comm. in Dan.III 7 Homer Hymnen II 275–280 Ilias V 529–523 XV 561–564 XX 202f. Odyssee XVII 485–487 Horaz Od. III 2,14
336
155 92 92 155 156 92
Platon Phaidr. 246a–250c 247b–c 248a–b 248b 249c–d 249d 250c Rep 424c 587b II 380d–383b Theait 175d 176a.b
371 370f. 376 375, 377 359, 380 371 375 353 345 156 132 304
Plutarch De Iside etOsiride 77 VitAnton 51
303 132
Porphyrius Ad Marcellam (c. 13) De abst IV, 16
303 303
IgnSm 10,2
245
Irenäus Adv. Haer. 4,20,5
405
Just Dial 105,5
168
Sallust Cat. 58,15–17 92 Iug. 87,2 92 Seneca Ep. VI 1f. (an Lucilius) 302, 306
Livius I 16f.
225
Tertullian Adv. Marc. 4,22
405
Minucius Felix Octavius 9,4
24
Ovid Met I 213 I 220 VIII 626–724 XI 202f.
Xenophon Anabasis III 1,43 Anabasis III 2,49 HistGraec D IV 3
92 92 132
155 155 156 155
Autorenregister Dieses Verzeichnis bietet eine Auswahl der in der Studie genannten Autoren. Berücksichtigt werden nur Namen von im Text genannten Autoren, nicht solche aus Fußnoten.
Backhaus, K. 20, 188, 209 Bauer, W. 197 Berger, K. 13f. Billerbeck, P. 143 Boehmer, P. 143 Bovon, F. 8, 23 Brandenburger, E. 44 Breytenbach, C. 109 Bultmann, R. 60, 119 Cazeaux, J. 369 Clemen, C. 306 Colpe, C. 13f. Corssen, P. 304f. Dalmann, G. 143 Dautzenberg, G. 426 Dibelius, M. 20, 63, 206, 210 Dormeyer, D. 119 du Toit, D.S. 265 Ernst, J. 7 Fendler, F. 121f., 272 France, R.T. 198 Frenschkowski, M. 161, 183 Georgi, D. 286, 307–310, 321, 334 Gnilka, J. 111 Guttenberger, G. 207 Haacker, K. 403 Hahn, F. 9, 270, 280–285, 287, 293 Harrington, D.J. 383 Hartmann, M. 436 Heil, J.P. 225f.
Hengel, M. 45, 285 Hofius, O. 391f. Jeremias, J. 143 Kertelge, K. 266 Klauck, H.-J. 28, 61, 240f. Klumbies, P.-G. 136f. Kraus, W. 261 Kuhn, P. 291 Lee, S.S. 404f., 437 Lichtenberg, G.C. 45 Lohfink, G. 226 Lohfink, N. 263 Lohmeyer, E. 9, 270, 280–285, 287, 293f., 305f., 400f. Luz, U. 111 Marcus, J. 294f. Marcus, R. 370 McNamara, M. 391f. Méasson, A. 369 Mell, U. 240 Michaelis, W. 205 Müller, P. 114 Müller, U.B. 229, 259, 382f. Nardoni, E. 106, 108f. Noack, Chr. 330, 349, 365, 367 Nützel, J.M. 9f., 192, 214 Öhler, M. 107–109, 264 Paulsen, H. 44f. Pax, E. 143
504
Autorenregister
Pellegrini, S. 216 Pesch, R. 111, 187 Reiser, M. 17, 143 Reitzenstein, R. 301–306, 329 Rose, Chr. 213, 427 Schäfer, P. 403 Schanz, P. 421 Schenke, L. 112 Schmithals, W. 111, 119f. Schürmann, H. 8 Schweitzer, A. 8 Sellin, G. 334f., 338, 352, 369–371, 394 Standhartinger, A. 409–411, 437
Stegemann, H. 436f. Strauß, D.F. 294, 320 Stuhlmacher, P. 310 Tannehill, R.C. 195 Theißen, G. 34f. Vielhauer, Ph. 41f., 60, 144, 172f., 416, 440 Zeller, D. 140, 285f., 306, 311, 334f., 338, 389, 415 Zumstein , J. 29
Sachregister Abraham 40, 335–349 Absonderungsmotiv 129, 358 Ad Marcellam 303 Adoptianismus 15f. Agens (göttlicher) 143–145 Ahab 175 Aktionseinheit 67, 102 – von Gott und Sohn 23, 145, 230f. – von Vater und Sohn 93 Allegorie 377–382 Alter Bund 314–318 Ambiguität des Verklärungsmotivs 279 „Andere Christologie“ 309 Angelophanieerzählung 156f. Angelus interpres 163f. Angesicht 34, 295, 298, 391 Anthropologie (philonische) 361 Anthropomorphie 155 „Anti-Symposium“ 433 Antinoos 156 Antlitz – Jesu 363 – Moses 350–352, 362f. Aphanismos(-motiv) 48, 215, 256f., 296 Apokalyptik 43, 158 Apokatastasis 179, 420f., 424, Aporien der Verklärungsperikope 2–8 Apostolat des Paulus 312–326 Apostolatsapologie 310–326 Apotheose 41 Apuleius 302f. Askese 359–361 Astronomie 341–349 Auctor ad Theophilum 223f. Audition 64 Auferstehung 178, 232f., 418, 420, 434 Aufstieg(s-) – auf den Sinai 337 – Moses 339 – mysterium 369–382
– mystik 371 Ausblick (eschatologischer) 86, 90, 96– 103, 144, 232f. Außen– ansicht Gottes 256 – stellung Elijas 167 – wirkung Moses 362f. Auswahlmotiv 295 Bakchen 155 Basileia 254 Baucis 156 Begeisterung (prophetische) 341–349 Begräbnis Moses 382–392 Berg – der Epiphanie 205f. – der Verklärung = Verklärungsberg 132– 138 – Nebo 388 – (hoher) 289f. Berg– abstiegsgespräch 45, 48f., 177–182, 398, 416–427, 438–440 – abstiegsszene 296 – aufstieg 45, 65, 295, 385f., 388 – aufstiegsmotiv 134–138, 218 Berufung des Paulus 315–317 Bestattung Jesu/Johannes’ 435 Bewusstsein (prophetisches) 372–382 Bewusstseins– stufen 376–382 – wandlung 342–349 Bindung Isaaks 72, 232f. Biographisierung 52 Biographisierung der Verklärungsperikope 12 Botschaft (christologische) 194 Bundes– bruch 385 – vorstellungen (atl.) 256
506
Sachregister
– zelt 222f. Cäsarea Philippi 73 Centurio 241 Centuriobekenntnis 7, 41f., 55–58, 60, 68, 73f., 182–191, 208f. Chiasmus (in Mk 9,4) 167 Christologie 204, 411 – (Abwehr falscher) 195 – der Paulusgegner 308 – (markinische) 6, 69, 440, 199 – (negative) 216 – (pragmatische) 80 – im Modus der Erzählung 114 Christusgeschehen 36 Constructio periphrastica 41 christologische Legitimationserzählung 1, 13, 17, 37, 65, 196, 404 Dämonen 168 Dekomposition der Verklärungsperikope 284 Demeter 155 Denkvermögen 361 Diachronie 112 Diakonia 311–326 Diasporajudentum 286 Diatheke 314–319 Dienst (mosaisch) 350–352 Dionysos 155 Disclosure (christologische) 7, 115 Dornbuschtheophanie 410 Doxa 32, 413 – Jesu 12 Drei-Klassen-Schema 374–382 Dreizahl 196 Dreizahl der Zelte 204f., 289 Dunkelheit 184 Dyade 378 Effekte der Verklärung 396f. Ehe und Ehescheidung 251f. Einordnung (gattungskritisch) 2 Einzug (des Gottesgeistes) 323 Ekklesia 141 Elias redivivus 170, 401–405, 412, 415, 421–427, 435f., 438 Elija 25, 36, 45, 49–51, 86, 170–191, 219, 243, 396, 411, 437–440 – als Nothelfer 189f.
– der Verklärungsperikope 176 – (leidender) 417 – und Mose 9f., 13f., 43, 51, 120, 147, 159–213, 255f., 266, 290, 295, 396– 440, 437 Elija– bezug 28 – erwartung 76, 175, 423 – Johannes-Identifikation 424f., 440 – Missverständnis 187–191 – Position (himmlische) 437 – Position des Täufers 176 – redivivus-Erwartung 180–182 – rezeption (Frühjudentum) 178f. – topik 174f. – verheißung 419 Elijanische Implikationen 174f. Elterngebot 38 Emmausgespräch 406 Emotion Gottes 228, 232, 234f. Emphase 153f. – (narrative) 9, 228f., 266 Endgericht 401 Endtyrannis 25 Endzeit 400f., 404 Endzeit– erwartung 424f. – offenbarung 388 Engel 99f., 404f. Engelswesen 164 Enkomien 331, 336–349 Enthauptung des Täufers 415, 425 Entrückung 285f., 397–399, 401, 409 Entrückung des Mose 404 Entrückungsvorstellungen 400f. Epilepsie 158 Epiphanie 6, 18, 49, 50, 55, 67, 334, 336f. – des Gottessohnes 206 – Jesu 235 Epiphanie– bericht 427 – erzählung 59f., 63, 116, 139, 198f. – furcht 202, 210–213, 352 – reaktion 192, 197, 200, 212f. – szenen 67 – texte 39 – topik 265 – zeugen 125–134, 142 Erbarmen Gottes 232
Sachregister Erdenmensch 375f. Erkenntnisprozess (monotheistischer) 343 Erstes Gebot 252–256 Erwählung 64 Erzähl– motive (jüdische) 287–293 – ökonomie 7 – text 5f. – perspektive 129f., 140f., 162f. Erzähler (auktorialer) 63, 140, 214 Erzählerkommentar 195f. Erzählung 36f. – (dramatische) 432–437 Eschatologie 43, 400 – (jüdische) 282 Esra 410 Euripides 155 Evangelium 93f. Exegese der LXX 329–335 Existenzmetamorphose 150 Exodus 24/34 30–34 Exodus-/Sinai– tradition 224, 280 – motivik 217 Exodustradition 123, 134 Exorzismus 211f. Expositio Legis 330–335, 341–349 „Fahrplan“ (eschatologischer) 24, 418f. Falschapostel 313 familia Dei 80 Fascinosum 201 Feldherrnrede 92 Feuer vom Himmel 409 Feuerwagen 408 Formgeschichte 63 Frage-Antwort– Schema 331–333 – Stil 366 Freudenbote (eschatologisch) 173f. Fundamentalerzählung (christologische) 74 Furcht 210–213 Furchtmotiv 154, 157, 202, 351f. Galiläa 73, 183 Gattungsbestimmung 16f. gattungskritische Einordnung 12–17 Gebetsmotiv 138f.
507
Gebetsringen Jesu 208 Gebetsschrei 187–191 Geburt (geistige) 335 Gefangennahme Jesu 435 Geheimnis Jesu 230 Gehorsams– befehl (Mk 9,7) 54 – forderung 243, 260–265 – imperativ 397 – motiv 248f. Geist 145f. – (göttlicher) 334 – (sonnenhafter) 382 Geist– begabung 42, 54f., 69, 149, 235, 306, 319, 324 – christologie 16, 184f., 324f. – träger 229f. – verleihung 336 geistiger Mutterboden 8 Gemeinde (hellenistische) 283 Gemeindedisput 419 Generalschlüssel zur Deutung der Verklärungsperikope 2 Gerechte (himmlische) 407 Gericht 98 Gerichtsüberführungsrede 237 Gesetz – und Prophetie 405–407 – und Propheten 437 Gesetzes– interpretation 39 – thematik 23, 250–257 – unverständnis 245 – verständnis (markinisches) 250–257 Gesetzgebung Moses 355 Gethsemaneszene 130–134, 207f. Gewand – des Sonnengottes 302f. – (strahlend) 364 Glanz 317, 351–353 – Moses 389, 391 Gliederung 48–52 – (absolute) 379 Gott als Gesetzgeber 250–257 Gottes– bild (des MkEv) 242f. – ferne 208 – herrschaft 246f. – reich 105f.
508
Sachregister
– Sohn-Christologie 221f. – Sohn-Prädikation 102, 227–234 Gottesbegegnung 389 Gottesbeziehung 345 Gotteserkenntnis 345–349 Gottesfurcht 358 Gottesknechtslied 71f. Gottesnähe 370f., 372–382, 375f. – (absolute) 379 Gottessohnbegriff 283 Gottes-Sohn-Prädikation 65, 416, 427 Gottessohnschaft (Jesu) 53 Gottessohntitel 61, 334 Gottmensch 375f. Gottverlassenheit 185–191 Haggada 286 heavenly locale 223f. Heil (eschatologisches) 92 Heils– ansage 98 – plan (göttlicher) 209 Heilsökonomie 69f. Hellenismus 285 Henoch 138, 408f. Hermon(-massiv) 138 Herodes Antipas 429–437 Herodias 432 Herrlichkeit 32, 111 Herrlichkeits-Christologie 414 Himmelfahrt 225 Himmels– bewohner 147, 398, 408 – mensch 375f. – öffnung 72 – reise 131, 167, 287, 370f., 408 – stimme 61, 68–74 Hinordnung des Täufers auf Jesus 436 Historia Monachorum 303 Historizität der Verklärungsperikope 17 Hochschulbetrieb (antiker) 332 Hoffnung 101f. Hoffnungs– potential 20, 24, 26, 69, 86, 178 – theologie 27, 158f., 241 Hoheitschristologie 24 Hoheitstitel (christologische) 170 Hoheitstitel 102 Hoherpriester 335, 364f. Homer 155
Homerexegese 331–332, 368 Horeb 399, 410 Hütten 205f. Hypotaxe (narrative) 153f. Ideen 361, 363f. Ideen– pyramide 338f., 371 – schau 380 Identität Jesu 14, 20f., 75f., 114, 206, 209, 215, 219 Imitatio Christi 151 Imperativ – (göttlicher) 8, 13, 414f., 243–265 – (himmlischer) 298 Innenansicht Jesu 256 Inspiration 348–365, 380–382 – Abrahams 346–349 – (prophetische) 336–349 Inspirationsgeschehen 381 Installation 234 intellectus propheticus 370–382 Interesse an Elija 414f. Intertextualität 28 Intervention (göttliche) 215, 228 Inthronisation 41f. – (messianische) 4 Isaak-Typologie 72 Isebel 175 Isis-Myste 302 Isotopie 339 Jerusalem 73, 406 Jesus– Apologie 283 – Elija-Identifikation 176 Johannes der Täufer 173–191, 414–416, 438–440 Jordan 73 Judenchristentum (hellenistisches) 300 Judentum – (alexandrinisches) 328 – (hellenistisches) 29, 36, 53, 307–310, 321–3–382, 410, 437 – (palästinisches) 383–392 – (spätantikes) 291 Jüdische Elemente der Verklärungsperikope 287 Jünger 56 Jünger-
Sachregister – auswahl 65, 83, 295 – auswahlmotiv 125–134 – belehrung 57, 126, 249, 417 – berufung 411 – perspektive 162f., 195f., 218f., 227, 265 – schaft Jesu 84–96 – thematik 80 – unverständnis 177–182, 192–194 Jüngster Tag 159 Kidrontal 133 Kleider – der Weisheit 390 – Jesu 151–159, 363 – (Leuchten der) 149f. Kohortation 92 Kolometrie von Mk 9,2–13 45f. Kommen zum Gericht 97f. Königs– metaphorik 42 – motiv 345–349 – theorie 345–349 Konversion 40 Konzeption (christologische) 2 Korban 38 Korrektur – (göttliche) 33 – des Petrus 217 Kreuz 21, 209 – tragen 85 Kreuzes– aufnahme 84–96 – metahpher 88 – nachfolge 26f., 57, 80f. – schrei Jesu 184–188 – theologie 206f. – titulus 186 – tod Jesu 88f. Kreuzigungs– bericht 436 – szene 20 – strafe 89f. Krise der Mk-Forschung 10 Laubhüttenfest 4, 42f., 201–205, 213 Leben (eschatologisches) 89 Lebens– enthaltung 92 – gewinn 91f. – rettung 95f.
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– verlust 87, 91f. Legitimation Jesu 321, 411 Legitimationserzählung 281, 353f. Lehre – des Täufers 435 – Jesu 258f., 435 Lehr– erzählung (christologische) 34 – spektakel 127 – tätigkeit (Abrahams) 347 – vollmacht Jesu 241 – vorträge Philos 367 Lehrer der Gerechtigkeit 320 Leib-Seele-Dualismus 378f. Leiden 45, 236, 411–440 – des Elija 171–191 – Jesu 206f., 434–437 Leidens– ankündigung 57f., 417 – Didache 194 – druck 19 – lehre 258 – nachfolge 86 – notwendigkeit 24, 36, 398 – parallelisierung Johannes/Jesu 434– 437 – paränese 235 – thematik 244f. – thematik 68, 413, 422f., 426 – weg Jesu 87 Liber Antiquitatum 382–392 Liebe (göttliche) 361 Logos 324, 335, 363f., 370f., 376 Logos-Konzeption 335–340, 379–382 lumen invisibile 384–386 Makrokontext der Verklärungsperikope 52–58 Maleachi-Erwartung 421 Menschengattungen 374–382 Menschensohn 48, 78f., 83, 92, 95, 102f., 110f., 178, 231, 422, 434 – (leidender) 245f. – (Wiederkunft des) 92f. Menschensohn-Christologie 22 Messianität Jesu 120 Messias– bekenntnis 76, 117, 120, 177–182, 206 – ideal (zelotisches) 163
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Sachregister
Metamorphose 1, 14, 18, 33, 50, 64, 103, 138–151, 214, 246–248, 254, 287, 311 Metanoia 340–349 Midrasch 35 Midrasch Debarim Rabba 403 minor agreements 9 Mirakel (kosmisches) 173 Missionstheologie 342–349 Mittelteil des MkEv 57 Mittlerfunktion 338–340 Monade 334, 377–382 Mondmetaphorik 385f. Morija 40 Mosaisches Gesetz 39 Mose 29, 159f., 219, 310–326 – als Prophet 406f. Mose– dienst 312–326 – erwartung 402 – geschichte 281 – Jesus-Typologie 55, 171f., 295, 299 – Midrasch 9f., 321 – redivivus 170f., 263f. – Sinai-Motivik 123 – Sinai-Typologie 121–125 – tora 38 – tradition 219, 260–265 – typologie 1, 29, 30f., 35, 210f., 215f., 286, 398 Mystagogie 363 Mysterien 301–306 Mysterien– einweihung 375 – glaube 302 – kult 305 – religionen (hellenistische) 301–306 – vorstellungen 303 Mythos 137, 283f. – (hellenistischer) 305 Nachfolge 48, 57, 77–96, 99f. – (Praxis der) 81 Nachfolge– aufforderung 101 – bedingungen 93 – forderung 97f. – paränese 95 – rede 77–96 – thematik 110
Naherwartungslogion 48, 56, 77, 83, 101, 103–111, 152, 419 Name Jesu 14f. narratologische Ansätze 11 Nekropolen 133 Neuer Bund 314–318 Nomos 327 Nous (prophetischer) 368–382 Oberpriester 354–365 Oberschicht Alexandriens 329 Odysse 156 Offenbarungs– berg 359f. – empfang 40, 354–365, 392 – rede (Gottes) 388 – träger 358 Opfer von Gewalt 435 Opus Philos 330–335 Oralität 113 Ort der Epiphanie 201 Oster– bericht 119 – geschehen 142, 246 – geschichte 3 – perikope 247 Ostern 219 Ovid 155 Papst Benedikt XVI./ Joseph Ratzinger 4 Papyrus Berolinensis 22220 131 Paradosis – des Täufers 430f., 434, 439f. – Jesu/Johannes’ 435f. Paränese 66 Parusie 22–26, 96–103, 106, 108–111 Parusieerzählung 2 Passio Ioannis 180, 418, 427–437, 439f. Passion Jesu 76, 236, 249 Passions– geschichte 434 – kerygma 414 – thematik 58 – typologie 118 Passivum divinum 15, 24, 39, 142–146 pater familias 80f. Paulus– dienst 317–319 – forschung 300 – gegner 307f., 313
Sachregister Peristasenkatalog 319 Persongeheimnis Jesu 56, 58 Petrus 193–213 Petrus, Jakobus und Johannes 125–134, 141 Petrus– bekenntnis 3, 57, 78, 125, 235 – vorschlag 32f., 51, 192–213, 218 Phaidros 371–382 Philemon 156 Philo von Alexandrien 280, 285f., 310, 321–382 Pinhas 410, 424 Pneuma 326 Pneumatologie 63, 69, 318 point of view 214 Polytheismus 348f. Polyvalenz 44 Porphyrius 303–305 praeparatio evangelica 328 Präexistenzchristologie 16, 41, 63 Prärogative Gottes 210 Prätext 299, 326 Priester von Midian 353 Profilierung Jesu 26 Prolepse 25f., 148, 335f. – der Auferstehung 152 Proleptische Schau 148f. Prolog des MkEv 173–175 Propädeutik der Verklärung 115f., 125– 134 Prophet 31f., 354 – wie Mose 172, 262–265, 325f. Propheten 328 – christologie 165, 210, 262–265 – gesetz (atl.) 262–265 – typologie 210 – (endzeitliche) 400 Prophetenerscheinungen 282 Pyramide (ontologische) 380 Quaestionenkommentar 365–382 Quaestionenwerk 365–382 Quaestiones et Solutiones 330–335, 365–382 Rabbi 195–199 Reaktion des Petrus 196f. Redaktionskritik 10, 111f. Reich Gottes 109
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Reinheit 251f. Reinheitshalacha 38 Relecture 29–34, 47, 94 – (christologische) 294 Restitution Israels 421 Rettungswunder 211f. Richter 99 Samaritaner 402 Sarapishymnus 211 Sattelzeit (semantische) 15 Schau (visionäre) 149 Schauspiel 127 Schechina 222 Schicksalsgemeinschaft mit Jesus 90 Schlüssel– perikope 4–5 – stellen (mk Christologie) 54–58 „Schmecken des Todes“ 424 Scholienwerk 331–333 Schrift– auslegung 365 – auslegung (alexandrinische) 333–335 – gelehrte 420, 423 – prophetie 406 Schriftgelehrte 180, 253f. Schulgespräch (apokalyptisches) 22 Schweigegebot 177f., 258 sechs Tage 116, 294 Seelenallegorese 332f., 377–382 Selbstverleugnung 90 Separierung des Verwandlungsmotivs 281–283 Septuaginta 161, 307f., 325, 351f., 393, 401 Sich-Verleugnen 85 siebter Tag 118 siebzig Älteste 297 Signierung (kultische) 87f. Sinai 134–138, 383–387, 399 Sinai– Assoziationen 136 – Aufstieg 369–382 – Epiphanie 9 – Ereignis 354–365 – erzählung 123–125 – geschichte 410 – mysterium 369–382 – perikope 4
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Sachregister
– Theophanie 390 – Tora 316 – tradition 59, 202, 294–299, 335, 352– 365, 409 – typologie 1, 33, 35 Sinai-/Exodustradition 287 Sinai-/Mosetradition 35, 396 Sinai-/Mosetypologie 28–39, 135, 417 Sohn – (geliebter) 56, 61f., 74 – Gottes 53, 61f., 199, 255 Sohnesprädikation 6 Sohn-Gottes-Christologie 263 Sonne 184 Sonnenmetaphorik 385f. Spaltung der Himmel 67 Spiegelschau 319, 325 Sterbe– moment Jesu 241 – szene Jesu 182–191, 206f. Stiftshütte 213, 222 Stimme (göttliche) 291–293 Streitgespräch 253f. Stringenz der Verklärungsperikope 284 Sturmstillungsperikope 39, 211–213 Subordination (Mose/Elija) 397 Synagogengottesdienst 331 synchrone Lektüre 113f. Synchronie/Diachronie 111f. Synoptischer Vergleich 9 Ta’eb-Erwartung 402 Targume 391 Tauf– christologie 16 – geschehen 306 – perikope 6–7, 39, 55–74, 145f., 219f., 228f., 234–236, 258 – stimme 220 – szene 66 Taufe Jesu 173–175 Tempel– kritik 138, 226f. – vorhang 185–191 Tetrach Herodes 429–437 Textsemiotik 112 Theologie der Hoffnung 18–27 Theophanie– element 224 – reaktion 223f.
– wolke 223f. Theophanie 23, 55, 67, 123, 399, 409f. Thesbiter 407, 414, 416, 427 Thronbesteigungszeremoniell 41f. Tod Moses 378, 403 Todes– moment Moses 387–392 – taufe 236 Topik (epiphanielle) 147 Topographie des MkEv 73 Topos 339f. Tora 250–257, 407 Tötungsplan der Herodias 433 traditio simplex 99 Traditions– bezüge 28 – kritik 113 – verwilderung 131 Transfiguration 1, 24, 39, 102, 108–110, 117, 155, 191, 279, 302 Transformation 33, 36, 143, 155, 378, 382f. Trauerreaktion (kosmische) 390 Tremendum 202f. Triaden 126 Tugend 341–349 Tun-Ergehen-Zusammenhang 100f. Überbietung 32 Überlieferungs– kritik 113 – notiz 436 Überschattung 220–223 Übersetzung (von Mk 9,2–13) 47 Unverständnismotiv 207–209, 283 Urbild 364 Urchristenheit 309 Väterhymnus 409 Vater-Sohn– Beziehung 55 – Relation 23 Verba ultima 187 Verfolgung 19 Vergöttlichung 335 – Moses 370–382 Vergottung 302, 306 Verklärung, Propädeutik der 139 Verklärungs– berg 437
Sachregister – berg (Lokalisierung) 137f. – motiv 8–9 – zeugen 108, 120, 125–134, 200, 233 Verklärungsperikope – als narratio sui generis 11 – als Rätsel 6 – als Traditionsgut 11 Verstockung 318 Verunsicherung im Glauben 20 verwandeln 299–307 Verwandlung 31, 299, 325f., 349–365, 398 – auf dem Sinai 383–387 – des Mose 293f., 297, 320–326, 328, 333, 349–382, 390 – (endgültige) 311f. – (endzeitliche) 310f. – ins Göttliche 366–382 – (zeitweilige) 311f., 535 Verwandlungs– geschehen 300 – geschichte 281 – motiv 10, 138–151, 284 – terminologie 385 – vorstellungen 40, 280 via negationis 204f. Vielschichtigkeit der Verklärungsperikope 5 Visio beatifica 50f., 142 Vision 64 – (apokalyptische) 3 Visionsgeschehen 227 Vita Mosis 349–365 Vollmacht 102f. – Jesu 236f. Voranstellung des Elija 396 Vorläufer 425 – des Messias 171, 402 Vorläuferschaft des Johannes 434 Vorschlag Petri 297 Vorsehungslehre (philonische) 344 Walker-Vergleich 51, 139, 151–159 Wegbereiter Gottes 401 Weinbergparabel 234–243, 248 – (Gliederung) 236–239 Weisheitssprüche 95f. Weiß der Kleider Jesu 151–159 Weiße Farbe 287f. Weltgewinn 95f.
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Wiederkehr 402 – des Elija 419 – des Mose 403 Wille Gottes 254–257 Wirkabsicht des MkEv 19 Wirklichkeitserfahrung (monotheistische) 340–349 Wolke 30, 34, 290f., 294, 297 – als Vehikel 225f. Wolken– motivik 223f. – stimme 61, 66–74, 93, 214–265, 298 – stimme, Adressaten der 219 – überschattung 214–265, 295f. Wüsten– aufenthalt 66 – bewohner 399 – situation Israels 363 Zebedaiden 136 – (Martyrium) 236 Zebedäussöhne 74 Zeitangaben im MkEv 121–125 Zeitmarke Mk 9,2a 115–125 Zeitmarke (sechs Tage) 288f. Zeltbau 192–213 Zeltbauprojekt 199–205 Zelte 33, 42, 108, 192–213, 205f., 279 Zeltmetaphorik 51 Zukunftshoffnungen 43f. Zweinaturenlehre 148 Zwölf-Stämme-Volk 421 Griechisch (Auswahl): CPSTYRQLSGQW335, 339f. CXFOQPGKP132f. CXICRCP230, 254f. CXICRJVQL61f., 228, 243, 258, 266 CXMQWGKP243–245 CXMQWGVGCWXVQW8, 30, 54f., 66, 70, 75, 141, 208, 219, 243–249 CXPCHGTGKP134f. DCUKNGKC(VQWSGQW)48, 101, 106–110, ETKUVQL 48, 170, 194, 199, 235 FGKdes Leidens) 27, 74, 79, 149, 205– 210
514
Sachregister
FKFCUM- 198f. FQZC6, 12, 32, 152, 159, 206, 232, 315– 317, 326 FWPCOKL(göttliche) 221, 338 GZQFQL(Jesu) 168, 406, 413 GWXUGDGKC355, 358 GXMMNJUKC 141 GXMSCODGKUSCK 132f. GXPSQWUKCUOQL 40, 325, 335–349, 360– 365 GXRKUMKC\GKP220–223 GXUVCWTYOGPQL212f., 247 GXZCRKPC 218 GXZQWUKC (-Konzept) 38, 68, 237, 249 MCNNWOC 355, 386 MCNWRVGKP222f. NGWMC151–159 NGWMCPCK151–159 NQIQL340, 370 OGVCPQKC 336–349 OGVCOQTHQWUSCK 135–151, 299–307 OQPQL266f. OQTHJ148
PQWL 338–340, 349, 363 QBWKBQL OQWQBCXICRJVQL 65, 70, 132, 219f., 228–230, 324 RCTCNCODCPGK49, 58, 125–134, 193 RGTKDNGRGKP266 RPGWOC 6, 32f., 71, 145f., 199, 229f., 241, 326 SGKQKCPFTGL 309f. SGYTKC 127, 358–363 TBCDDK 8, 197f., 204 UJOGKC 144 UMJPCK 9, 26f., 33, 42f., 147, 192–213 UWNNCNGKP147, 164, 169, 290 WKBQLCXICRJVQL40, 56, 227, 229 WKBQL SGQW 26, 48, 53, 55f., 60f., 77, 102, 125f., 170–173, 183, 199, 214, 229, 324, 335 YHSJ22, 64, 168f., 197, 266